Broschuere_UG_Nr2_4_2004.qxp 14.4.2004 6:46 Uhr Seite 1

DEFENSEVERTEIDIGUNG • HÖHERE KADERAUSBILDUNG DER ARMEE • FORMATION SUPERIEURE DES CADRES DE L'ARMEE DIFESA • ISTRUZIONE SUPERIORE DEI QUADRI DELL'ESERCITO DEFENCE • ARMED FORCES SENIOR CADRE TRAINING

Militärgeschichtliche Studien I Louis-Napoléon Gustav Däniker d.Ä.

Herausgeber Militärakademie an der ETH Zürich 2004 Verantwortlich für diese Nummer: PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer

Gestaltung, Satz und Druck Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA), Multimedialer Dienst (MMD)

Bildmaterial Militärakademie an der ETH Zürich ETH Zürich Militärakademie an der ETH Zürich Eidgenössische Militärbibliothek Museum Arenenberg Schriftenreihe © Militärakademie an der ETH Zürich, 2004

ISBN 3-9520950-5-2 Nr.2 Schrift MILAK Militärgeschichtliche Studien I 74 MILAK Schrift Nr. 4 – 2004 Militärgeschichtliche Studien I Louis-Napoléon Gustav Däniker d.Ä.

Militärakademie an der ETH Zürich

Schriftenreihe

MILAK Schrift Nr. 2

MILAK Schrift Nr. 1 – 2003 1 Herausgeber Militärakademie an der ETH Zürich 2004 Verantwortlich für diese Nummer: PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer

Gestaltung, Satz und Druck Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA), Multimedialer Dienst (MMD)

Bildmaterial Militärakademie an der ETH Zürich ETH Zürich Eidgenössische Militärbibliothek Museum Arenenberg

© Militärakademie an der ETH Zürich, 2004 ISBN 3-9520950-5-2

2 MILAK Schrift Nr. 1 – 2003 Inhaltsverzeichnis

5 Vorwort PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Dozent für Militärgeschichte an der MILAK an der ETH Zürich

Charles Louis-Napoléon Bonaparte

17 La jeunesse de Napoléon III en Suisse Dominique Matthias Reber, lic phil I, Historiker und Romanist

33 Monsieur le capitaine d’artillerie Louis-Napoléon Bonaparte PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Dozent für Militärgeschichte an der MILAK an der ETH Zürich

49 Le Manuel d’Artillerie de Louis-Napoléon Bonaparte Jean-Paul Loosli, Artillerieoffizier

65 L’artillerie selon le Manuel de Louis-Napoléon Bonaparte Jean-Paul Loosli, Artillerieoffizier

„Entartete“ Kriege und nationalsozialistische „Revolution“

85 Oberst i. G. Gustav Däniker d.Ä. Niklaus Meier, lic. phil.

87 Teil A: Beziehung und Haltung zum nationalsozialistischen Deutschland

100 Teil B: „Entartete“ und „soldatische Kriege“ – Kriegsbild und Kriegsdeutung

112 Schlusswort

123 Der deutsche Russlandfeldzug aus der Sicht von Oberst Gustav Däniker Daniel Neval, Dr. phil et theol.

139 Gustav Däniker und das Problem des deutsch-schweizerischen Pressekrieges vor dem Zweiten Weltkrieg PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Dozent für Militärgeschichte an der MILAK an der ETH Zürich Stephan Lüchinger, Dr. rer. publ. HSG

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 3 4 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Vorwort zur „Milak Schriftenreihe“

Im Zusammenhang mit der Neukonstituierung der Militärischen Führungsschule (MFS) als Militärakademie an der ETH Zürich ist im Bereich „Lehre und For- schung“ der Beschluss gefasst worden, mit einer Schriftenreihe eine Plattform zu eröffnen, auf der eigene militärwissenschaftliche Forschungsbeiträge publi- ziert werden können.

Die Reihe ist mit dem Heft Nr. 1 „Von der Militärschule zur Militärakademie. 125 Jahre Militärwissenschaften an der ETH Zürich“ eröffnet worden. Zum einen ist darin die wechselvolle und teilweise turbulente 125-jährige Entstehungsge- schichte der MILAK nachgezeichnet worden, und zum andern haben sich die fünf Dozenturen (Menschenführung und Kommunikation/Prof. Dr. Rudolf Steiger; Strategische Studien/Prof. Dr. Albert A. Stahel; Militärsoziologie/Prof. Dr. Karl W. Haltiner; Militärpsychologie und Militärpädagogik/Dr. Hubert Annen sowie Militärgeschichte/PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer) je mit einem Fachbeitrag vorgestellt.

Es geht nun darum, die MILAK, die Stätte der traditionellen Verbindung zwischen einer renommierten Hochschule und der Berufsoffiziersausbildung, beim inte- ressierten Fachpublikum mit ihren Forschungsergebnissen bekannt zu machen und in eine wissenschaftliche Diskussion einzutreten. Hans Rudolf Fuhrer Dozent für Militärgeschichte Jede Dozentur führt neben den übergreifenden Themen der Schule ihre eigene „Unterreihe“, welche optisch auf dem Deckblatt nur an den verschieden farbi- gen Balken ersichtlich sein wird. Damit soll die Vielfalt der Lehr- und For- schungsgebiete der Dozenturen als Einheit MILAK deutlich werden.

Ihre Reaktionen werden uns Ansporn und hoffentlich auch Bestätigung sein. Wir wünschen Ihnen die für die aufmerksame Lektüre notwendige Mussezeit.

Chef Lehre und Forschung: Hans Rudolf Fuhrer

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 5 Vorwort zur Milak Schrift Nr. 2 „Militärhistorische Studien I“

Die Dozentur Militärgeschichte eröffnet die Reihe der Spezialbeiträge mit einem Heft, das in mehrerer Hinsicht exemplarisch für ihre Arbeit ist. Es werden hier in verschiedenen Einzelstudien Aspekte zu zwei wichtigen Persönlichkeiten der schweizerischen Militärgeschichte vorgestellt, die auf den ersten Blick wenige Gemeinsamkeiten aufweisen. Trotzdem stehen beide exemplarisch für eines der Forschungsschwergewichte der Dozentur: La pensée militaire, das Denken und Handeln wichtiger militärischer Persönlichkeiten der schweizerischen Militär- geschichte.

Zum einen ist es Prinz Louis Napoléon Bonaparte, welcher 1836 in seinem schwei- zerischen Exil auf Arenenberg ein noch heute beachtenswertes „Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique“ ver- öffentlicht hat. Diese weitgehend unbekannte schweizerisch-militärische Seite des späteren Kaisers Napoléon III steht im grellen Gegensatz zu der traditionel- len Biographik, welche sich bisher nur für die leichte, den Frauen zugewandte Seite des Prinzen interessiert hat. Der Spezialist für artilleristische Fragen, Ober- leutnant Jean-Paul Loosli, hat im Rahmen seiner Miliz-Dienstleistung an der MILAK zwei Beiträge zu diesem Manuel verfasst. Lic. phil. Dominique M. Reber hat ebenfalls als Miliz-Dienstleistung den Stand der Forschung analysiert, wäh- rend der Dozent das Bild des späteren Kaisers als bernischer Artillerieoffizier mit thurgauischem Pass und Domizil zeichnet.

Die Studien sind in französischer Sprache verfasst. Dies symbolisiert die Ver- antwortlichkeit der MILAK für die Respektierung der vier Kulturen des Landes.

Im zweiten Teil steht Oberst i Gst Gustav Däniker (1896–1947) im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Es geht einerseits um zwei Studien zur Haltung Dänikers zum Nationalsozialismus, zu seiner Deutung des Krieges und im spe- ziellen zur Beurteilung des Russlandfeldzuges der Deutschen Wehrmacht. Die Verfasser sind zwei Praktikanten der Dozentur, Dr. phil. et theol. Daniel Neval und lic. phil. Niklaus Meier. Der Status des Praktikanten gibt jungen Wissen- schaftern der Militärgeschichte Gelegenheit, in einer in der Regel auf drei Mona- te begrenzten Zeit ein eigenes Forschungsprojekt zu verwirklichen und die ver- schiedenen Arbeitsfelder der Dozentur kennen zu lernen. Der Dozent stellt abschliessend Gustav Däniker ins Umfeld des deutsch-schweizerischen Presse- krieges. In seinem berühmten Memorial vom 15. Mai 1942 hat sich der weithe- rum anerkannte Offizier für eine vermehrte Zensur und Disziplinierung der deutschfeindlichen Presse stark gemacht und sich damit den Karriereabbruch und den Ausschluss aus der Armee zugezogen.

Beide Persönlichkeiten stehen zudem für einen besonderen Aspekt der schwei- zerischen Militärgeschichte: mit Louis Napoleon leuchtet die Problematik des Asyllandes Schweiz auf und Gustav Däniker ist ein wichtiger Exponent der Problematik „Anpassung oder Widerstand“ der neutralen Schweiz im Zweiten Weltkrieg.

Dozent für Militärgeschichte: Hans Rudolf Fuhrer

6 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Avant-Propos „Milak Schriftenreihe“

Dans le contexte de la reconstitution de l’Ecole militaire supérieure (MFS) en Académie militaire à l’ETH de Zurich, il a été décidé au sein des unités ensei- gnement et de recherche d’ouvrir, sous forme de cahiers, une plate-forme per- mettant de publier les résultats des recherches conduites par notre institution dans le domaine des sciences militaires.

Le cahier no 1 „Von der Militärschule zur Militärakademie 125 Jahre Militärwis- senschaften an der ETH Zürich“ est le premier de cette série. Il retrace l'histoire mouvementée des changements qui ont conduit à la création de l’Académie militaire (MILAK). De plus, les contributions des cinq professeurs (Conduite humaine et Communication, Prof. Dr. Rudolf Steiger; Etudes straté- giques, Prof. Dr. Albert A. Stahel; Sociologie militaire, Prof. Dr. Karl W. Haltiner; Psychologie militaire et Pédagogie militaire, Dr. Hubert Annen et Histoire mili- taire, PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer) nous donnent un aperçu de leurs activités.

La MILAK, centre de formation pour les officiers de carrière, qui entretient des liens étroits avec une Haute Ecole de renom, veut ainsi transmettre les résultats de ses recherches et entrer en discussion scientifique avec d’autres spécialistes. Les cahiers de la MILAK sont divisés en deux parties, soit d’une part des thèmes transdisciplinaires et d’autre part des articles propres à chaque unité d’ensei- gnement et de recherche. Ces subdivisions se distinguent optiquement sur la couverture par des bandes de diverses couleurs, symbolisant ainsi la diversité des unités d’enseignement et de recherche sous le toit de la MILAK.

D’ores et déjà nous vous souhaitons une intéressante et agréable lecture.

Chef enseignement et recherche: Hans Rudolf Fuhrer

Vorworte in französischer Sprache verdanken wir Frau Elisabeth Matousek MILAK/ETHZ.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 7 Avant-Propos pour le cahier no 2 „Etudes d’histoire militaire I“

L’unité d’enseignement et de recherche „histoire militaire“ présente dans ce cahier une série de contributions, reflet de ses activités scientifiques. Ces études traitent divers aspects de deux personnalités importantes de l’histoire militaire suisse, ayant à priori peu de points communs, mais qui se sont révélées typiques d’un des domaines principaux de recherche de notre unité d’ensei- gnement et de recherche, soit de „la pensée militaire“, manière de penser et d’agir de personnalités militaires importantes de l’histoire militaire suisse.

La première partie de ce cahier est consacrée au Prince Louis-Napoléon Bonaparte qui publia en 1836, durant son exil en Suisse, plus précisément à Arenenberg, un „Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique“ qui mérite encore aujourd’hui notre attention. Bien souvent inconnues, les activités „militaires suisses“, ici décrites, de celui qui devint l’empereur Napoléon III, contrastent avec les biographies traditionnelles qui, jusqu’à aujourd’hui, se sont intéressées exclusivement au côté volage de la vie du prince. Durant son service militaire, le premier-lieutenant et historien Jean-Paul Loosli, spécialiste des questions d’artillerie, a rédigé deux contribu- tions ayant trait à ce manuel. Alors que l’état des recherches a été analysé par Dominique M. Reber, lic. phil., également durant son service militaire, le maître d’enseignement et de recherche nous fait le portrait du futur empereur en tant qu’officier d’artillerie bernois avec passeport et domicile thurgoviens.

Ces études sont rédigées en français, symbole de la responsabilité d’une école suisse pour le respect des quatre cultures de notre pays.

La deuxième partie de ce cahier place le colonel EMG Gustav Däniker au centre de notre curiosité scientifique. Il s’agit de deux études consacrées à l’attitude de Däniker face au national-socialisme, à son interprétation de la guerre et, en particulier, à son évaluation de la campagne de Russie menée par la Wehrmacht. Les auteurs de ces études sont Daniel Neval, Dr. phil. et théol., et Niklaus Meier, lic. phil., tous deux stagiaires au sein de l’unité d’enseigne- ment et de recherche „histoire militaire“. Le statut de stagiaire permet à de jeunes scientifiques de réaliser, dans un temps imparti de trois mois, leur pro- pre projet de recherche et de connaître les diverses facettes de nos activités. Dans la dernière partie de ce cahier le maître d’enseignement et de recherche présente Gustav Däniker dans le contexte de la guerre de la presse entre la Suisse et l’Allemagne. Dans son célèbre mémorial du 15 mai 1942, cet officier de renom se montre en faveur d’une censure stricte et exige davantage d’obéissance de la part de la presse suisse hostile à l’Allemagne, ce qui mit un terme à sa carrière et conduisit à son exclusion de l’armée suisse.

Soulignons que les deux personnalités présentées illustrent un aspect particulier de l’histoire militaire suisse: Louis-Napoléon nous permet de jeter un regard sur la problématique de la Suisse, pays d’asile, et Gustav Däniker nous montre l’importance de la problématique „d’alignement ou de résistance“ de la Suisse, pays neutre, durant la Deuxième guerre mondiale.

Maître d’enseignement et de recherche pour l’histoire militaire: Hans Rudolf Fuhrer

8 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Foreword to the MILAK Publication Series

When the Swiss Military College (MFS) changed into the Military Academy at ETH Zurich, the teaching and research units decided to start a publication series where their own military scientific research contributions were to appear.

The first issue of the series was „Von der Militärschule zur Militärakademie. 125 Jahre Militärwissenschaften an der ETH Zürich“. It presented the eventful and turbulent 125-year-old history of the origins of MILAK and the five teaching and research units (Leadership and Communication, Prof. Dr. Rudolf Steiger; Strategic Studies, Prof. Dr. Albert A. Stahel; Military Sociology, Prof Dr. Karl W. Haltiner; Military Psychology and Military Pedagogy, Dr. Hubert Annen and Military History, PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer) which are each present with a contribution from their respective fields.

Its purpose is to make MILAK known to an interested public in presenting its research results and to initiate scientific debate. MILAK serves the purpose of being the connection between a renowned university and the educational centre for professional officers.

Each teaching and research unit has, besides its general topics, its own specialist sub-series, which is colour-coded on the title page. Thus the variety and unity of the different teaching and research areas are made apparent.

You the reader through your reaction will serve as our impetus as well as hope- fully a source of confirmation. We wish you the peace of mind and time neces- sary for the careful reading.

Head Teaching and Research: Hans Rudolf Fuhrer

Vorworte in englischer Sprache verdanken wir Frau lic. phil. Christine McCardell und Herrn lic. phil. Odilo Gwerder MILAK/ETHZ.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 9 Foreword to Issue Number 2: Military Historical Studies

The teaching and research unit Military History starts the series with a special issue, which is exemplary in many respects. Several individual papers present different aspects of two important people in Swiss military history. At first sight they seem to have nothing in common. But both of them illustrate one of the research interests of the teaching and research unit: La pensée militaire, the thinking and actions of important persons in Swiss military history.

Prince Louis-Napoléon Bonaparte is one of the two figures presented. In 1836, during his Swiss exile in Arenenberg, he published the „Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique“ which is still of importance today. This Swiss military side of the future emperor Napoléon III stands in great contrast to the traditional biographies which were only interested in his lighter sides i.e. the prince’s interests in women. First lieutenant and historian Jean-Paul Loosli, a specialist for questions concerning artillery, wrote two contributions while engaged in militia duties at MILAK. Dominique M. Reber, lic.phil, dealt with the level of research while the professor drew a portrait of the future emperor as a Bernese artillery officer with a Swiss passport.

The papers are written in French, which symbolises the respect the Academy pays to the four cultures of .

In the second part Colonel Gustav Däniker stands as a central figure of scien- tific interest. This part is composed of two contributions. On the one hand Däniker’s attitude toward national socialism, his interpretation of the War and especially his judgement of the Russian Campaign conducted by the German Wehrmacht. The authors, Daniel Neval, Dr. phil. et theol., and Niklaus Meyer, lic. phil, were engaged in an internship at the research unit. The status of an internship offers young military historians the opportunity to carry out their own research projects in a three-month period, and at the same time to become acquainted with the activities of the teaching and research unit. In his conclusion the professor places Gustav Däniker in the centre of the German-Swiss press war. Däniker, who was himself a well-recognized officer, pleaded in his famous statement of May 15, 1942, for harsher censorship and stricter disciplinary measures against a Swiss press critical of . His attitude put an end to his career and resulted in his expulsion from Swiss Army.

Both Louis-Napoléon and Däniker each represent a special aspect of Swiss military history. Louis-Napoléon highlights the problems of a country much sought after for asylum while Däniker is an important exponent of the problematic issue of „adaptation vs. resistance“ that Switzerland was faced with during the Second World War.

Professor for Military History: Hans Rudolf Fuhrer

10 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Charles Louis-Napoléon Bonaparte

Monsieur le capitaine d’artillerie Louis-Napoléon Bonaparte et son manuel d’artillerie

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 11 12 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Zusammenfassung

Napoleon III. wird oft von seinen Gegnern als eine blasse Karikatur seines berühmten Onkels verspottet. Der vom kaiserlichen Regime nach Jersey ver- bannte, grosse Dichter und Literat Victor Hugo, der zu seinen erbittersten Fein- den zählte, nannte ihn despektierlich „Napoleon der Kleine“ und verglich ihn, eine Fabel von La Fontaine parodierend, mit einem als Tiger verkleideten Affen, der sich – selbstverständlich vergeblich – bemüht, „Napoleon den Grossen“ nachzuahmen.

In seinem Hass gegen den „Usurpator“ auf dem französischen Kaisersthron übersieht Hugo jedoch, vielleicht absichtlich, dass der Affe als Symbolfigur einen recht zweideutigen Inhalt besitzt. Er symbolisiert nämlich sowohl die positive wie auch die negative Tätigkeit des Unterbewussten, die gefährlichen Kräfte des unkontrollierten Instinkts und den glücklichen Blitz der kreativen Inspiration, und vereinigt daher den liberalen Prinz-Präsidenten der II. Republik und den autoritären Kaiser, das allgemeine Wahlrecht und den Untergang von Sedan.

Um der komplexen Persönlichkeit von Napoleon III. gerecht zu werden, ist es notwendig, sich mit der Jugend und der Erziehung des künftigen Kaisers zu befassen.

Der Sohn von Louis Bonaparte, Bruder von Napoleon I., und von Hortense de Beauharnais wurde am 20. Juli 1808 in Paris geboren. Zu jener Zeit lebten seine Eltern bereits voneinander getrennt, was Anlass zu allerlei Spekulationen über die wahre Identität seines Vaters gab. Charles-Louis-Napoleon verbrach- te seine ersten Jahre ohne Vater und lebte entweder mit seiner Mutter in Paris oder bei seiner Grossmutter Joséphine im Schloss Malmaison. Seine vorwie- gend weibliche Umgebung bezeichnete ihn schon damals als ein liebenswür- diges, grosszügiges, sanftmütiges aber auch schüchternes und verschlossenes Kind.

Die Ereignisse beendeten jedoch abrupt die unbesorgte Kindheit des jungen Louis-Napoleon. Nach dem endgültigen Sturz von Napoleon I. musste die Fami- lie im Juli 1815 zuerst Paris, dann Frankreich verlassen. Der Weg ins Exil führte sie nach Aix-les-Bains, wo König Louis seinen älteren Sohn zu sich holen liess, dann durch die Schweiz, bis nach Deutschland, wo Hortense im Grossherzog- tum Baden vorläufig Aufnahme fand. Im Jahre 1817 erwarb sie das kleine Schloss Arenenberg, im Kanton Thurgau.

Dort übernahm zunächst der Kaplan der Königin, Abbé Bertrand, die Erziehung des Jungen, doch fehlten dem alten, liebenswürdigen Geistlichen die erforder- liche Methode und die nötige Energie. Hortense sah sich veranlasst, nicht ohne Druck seitens ihres Mannes, der durch die mangelhafte Bildung seines Sohnes tief beunruhigt war, nach einem neuen Hauslehrer Ausschau zu halten. Schliess- lich fand man mit dem 25-jährigen Philippe Le Bas jene Persönlichkeit, welche während sieben Jahren einen entscheidenden Einfluss auf Louis-Napoleon aus- üben sollte.

Le Bas vermochte seinem Zögling die ihm fehlende Arbeitshaltung beizubrin- gen und sein Interesse für den Unterrichtsstoff zu wecken. Als Sohn eines ehe- maligen Mitgliedes des Konvents und Freundes von Robespierre vermittelte er dem Prinzen Louis seine Begeisterung für die Werte der Revolution und seine

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 13 „republikanische Leidenschaft“. Anschliessend besuchte Louis-Napoleon das Gymnasium in Augsburg, wo er eine solide, wenn auch lückenhafte Allge- meinbildung erlangte.

Von seiner Mutter Hortense lernte er aber auch, als Bonaparte und als Prinz zu denken und zu handeln. Die Königin war eine romantische Natur, den Idealen der Minnesänger und des Rittertums sehr zugetan; ihre politischen Grundsätze waren jedoch pragmatisch, wenn nicht gar machiavellistisch.

Aus diesen verschiedenen Einflüssen lassen sich manche, scheinbar wider- sprüchliche, Charakterzüge und Taten von Louis-Napoleon erklären: Den frivo- len Jüngling und den disziplinierten Soldaten der Berner Miliz; die Teilnahme am Befreiungskampf an der Seite der norditalienischen Aufständischen; seine späteren, ehrlichen Bemühungen, Armut und soziale Missstände durch Refor- men zu bekämpfen; aber auch das diktatoriale Wesen seiner Herrschaft, die poli- zeiliche Repression, die nicht nur Victor Hugo in die Verbannung schickte; den Glauben an den Fortschritt, der seine Krönung in der Pariser Weltausstellung fand, und den imperialen Traum, der 1870 brutal endete.

Louis-Napoleon Bonaparte war kein Affe, der sich als Tiger verkleidete, sondern eher, um bei La Fontaine zu bleiben, jener Wolf, der sich als Hirte verkleidete, anstatt einfach als Wolf aufzutreten.

14 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Summary

Louis-Napoléon Bonaparte is often scoffed at as a colourless caricature of his famous uncle. The renowned French poet and writer Victor Hugo, who had been banned to Jersey by the imperial regime, was one of his fiercest enemies. He contemptuously called him „Napoléon the Little” parodying a fable by La Fontaine and referred to him as the monkey disguised as a tiger who in vain tried to imitate „Napoléon the Great”.

In his hatred for the „usurper” on the imperial French throne Hugo fails to observe perhaps intentionally that the monkey as a symbolic figure has a double meaning. It symbolises the positive as well as the negative forces of the unconsciousness; namely the dangerous powers of the uncontrolled instinct as well as the spark of inspiration. Therefore, it combines the liberal prince- president of the Second Republic and the authoritarian emperor, the enfranchi- sement and the fall of Sedan.

It is important to look at Louis-Napoléon’s youth and upbringing when dealing with the complex personality of the future emperor Napoléon III. Charles- Louis-Napoléon, the son of Napoléon I’s brother Louis Bonaparte and his wife Hortense de Beauharnais, was born on July 20, 1808 in Paris. At that time his parents were already living separately which gave rise to all kinds of specula- tions about the real identity of his father. Charles-Louis-Napoléon spent his first years without his father either living with his mother in Paris or with his grand- mother Joséphine in Malmaison Castle. His mainly female guardians described him as a charming, generous and gentle child though a rather timid and with- drawn one.

After the final fall of Napoléon I the family had to leave Paris in 1815 and then France. These events brought an end to Louis-Napoléon’s tranquil childhood. Their path into exile first brought them to Aix-les-Bains and then onto Switzer- land and eventually to Germany, where Hortense found temporary refuge in the Grand Duchy of Baden. In 1817 she bought the small castle of Arenenberg in the Canton of Thurgau.

It was here that Abbé Bertrand, the queen’s chaplain, was given the task of taking up the education of the young boy. But the old and gentle priest lacked both the necessary methods and energy. Hortense, not without some pressure from her husband, who was worried about an inadequate education, felt bound to look for a new private tutor. Finally the 25-year-old Philippe Le Bas, whose persona- lity had a decisive influence on Louis-Napoléon for the next seven years, was engaged.

Le Bas was able to teach his pupil a need for discipline and to stimulate his inte- rest in the material being taught. Being the son of a former member of the Convent and friend to Robespierre he aroused in his pupil an enthusiasm for the values of the revolution and his „republican passion”. Later on Louis- Napoléon attended a grammar school at Augsburg where he received a sound but fragmented general education.

His mother Hortense taught him to think and to act as a Bonaparte i.e. as a prince. His mother was of a romantic disposition, fond of the ideals of minne- singers and knighthood. Her political principles were however pragmatic if not machiavellian.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 15 These various influences may explain many of Louis-Napoléon’s seemingly contradictory characteristics as well as some of his actions; his frivolous youth versus the disciplined soldier in the Bernese Militia; his participation in the fight for independence on the side of the north Italian rebels; his later attempts to fight poverty and social injustices through reforms; but also the dictatorial nature of his reign and repression under his police which sent Victor Hugo and others into exile; his belief in progress which found its climax in the World Exhibition in Paris and his imperial dream which abruptly ended in 1870.

Louis-Napoléon was no monkey dressed as a tiger but, to stay with La Fontaine’s metaphor, the wolf who disguised himself as a shepherd rather than appear as a wolf.

16 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 La jeunesse de Napoléon III en Suisse

Introduction: Fable ou Histoire?

Un jour, maigre et sentant un royal appétit, Un singe d'une peau de tigre se vêtit. Le tigre avait été méchant, lui, fut atroce. Il avait endossé le droit d'être féroce. Il se mit à grincer des dents, criant: „Je suis Le vainqueur des halliers, le roi sombre des nuits!“ Il s'embusqua, brigand des bois, dans les épines; Dominique Reber Il entassa l'horreur, le meurtre, les rapines, Egorgea les passants, dévasta la forêt, Fit tout ce qu'avait fait la peau qui le couvrait. Il vivait dans un antre, entouré de carnage. Chacun, voyant la peau, croyait au personnage. Il s'écriait, poussant d'affreux rugissements: Regardez, ma caverne est pleine d'ossements; Devant moi tout recule et frémit, tout émigre, Tout tremble; admirez-moi, voyez, je suis un tigre! Les bêtes l'admiraient, et fuyaient à grands pas. Un belluaire vint, le saisit dans ses bras, Déchira cette peau comme on déchire un linge, Mit à nu ce vainqueur, et dit: „Tu n'es qu'un singe!“

Victor Hugo, Les Châtiments, III. Jersey, septembre 1852.

Victor Hugo pastiche la fable célèbre de La Fontaine – L’âne vêtu de la peau du lion – pour dénoncer l’usurpateur Napoléon III qu’il surnommait „Napoléon, le petit“ (en contraste avec Napoléon, le Grand). Il le traite de singe qui se vêtit d’une peau de tigre. Cette image du singe représente dans l’iconographie chrétienne l’homme dégradé par ses vices, mais n’est pas moins une allusion à la sensibilité des singes d’imitation (Napoléon III qui imite Napoléon Ier).

Dans la fable de Victor Hugo, Napoléon III apparaît sous tous les aspects néga- tifs. Le poète manifeste une haine féroce contre le souverain du Second Empire. Pourtant, l’image du singe et son interprétation permettent aussi de nous approcher de cet „usurpateur” de manière différente, d’une manière que Hugo ne voulut certainement pas laisser sous-entendre: dans la tradition euro- péenne, l’image du singe s’interprète comme le symbole des activités de l’inconscient qui se manifestent soit sous une forme dangereuse, en déclenchant les forces instinctives, soit sous une forme favorable et inattendue, en donnant soudain un trait de lumière ou une inspiration heureuse pour agir1. Le singe est donc un symbole très ambigu et très varié.

C’est dans cette perspective ambiguë qu’il faut s’approcher du personnage de Louis-Napoléon Bonaparte, fils d’Hortense de Beauharnais et de Louis Bonaparte, roi de Hollande et frère préféré de Napoléon Ier. Toute la personnalité de Louis-Napoléon oscille entre le caractère du prince-président, soutenant le suffrage universel et la politique économique libérale en France, et celui 1 Voir par exemple à ce sujet: Chevalier, Jean; Geehrbrant, Alain: Dictionnaire des Symboles. de l’empereur égocentrique vaincu à Sedan en 1870, dans la guerre la plus Paris, 1982. P. 884-888. désastreuse qu'ait connue la France depuis 1815.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 17 Pour mieux comprendre la personnalité complexe du prince-président et de l’empereur qui régna entre 1848 et 1871, soit aussi longtemps que Louis XIV, nous analysons toute la jeunesse et la formation de Louis-Napoléon. Cette période qui dure environ de 1808 à 1834 est significative. C’est pendant ce temps- là que le prince développe sa personnalité et ses idées.

Nous constatons qu’il a grandi en exil, en Suisse, en Italie et en Allemagne. C’est en Suisse qu’il apprit non seulement les langues, les mathématiques, les arts et l’histoire, mais c’est là également qu’il porta pour la première fois un uniforme: celui d'aspirant du génie de l’Ecole militaire de Thoune, dans le canton de Berne.

Naissance du Prince

Charles Louis-Napoléon Bonaparte, troisième enfant du couple Louis Bonapar- te et Hortense de Beauharnais, est né le 20 avril 1808 à Paris, rue Laffitte. Ni son père, ni l’Empereur n'étaient présents. Cette absence témoignait de l’échec du mariage du frère préféré de l’Empereur avec l’aimable fille de l’Impératrice.

La Reine Hortense (1783–1837), fille d’Alexandre et Joséphine de Beauhar- nais. Mère de Louis-Napoléon. (Portrait peint par François Gérard en 1806. Original: Musée Napoléon, Arenenberg. Tiré de: Grellet, Pierre: Königin Hortense auf Arenenberg. Frauenfeld, 1949).

Königin Hortense (1783–1837). Tochter von Alexandre und Joséphine de Beauharnais. Mutter von Louis-Napoléon. (Gemälde von François Gérard. 1806. Original: Napoleon-Museum, Arenenberg. Aus: Grellet, Pierre: Königin Hortense auf Arenenberg. Frauenfeld, 1949).

Pourtant, selon la volonté de l’Empereur, ce couple aurait dû assurer la succes- sion au trône. Napoléon Ier avait réservé la succession à ses deux frères, Joseph qui n’avait que des filles, et Louis qui avait trois garçons. Les deux aînés, Napo- léon-Charles (10 octobre 1802 / mort du croup en 1807) et Napoléon-Louis (11 octobre 1804 / mort de la rougeole en 1831) décédèrent encore jeunes. Leur père Louis devint au début du siècle un valétudinaire presque impotent et son caractère s’aigrit. Le couple vivait séparé à l’exception d’un voyage commun entrepris après la mort du fils aîné en 1807. Le deuil provoqua un rapproche- ment très temporaire des deux époux. C’est de cette brève rencontre que sera

18 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 issu Louis-Napoléon, né dix-neuf jours avant terme. „Je regrette, avait dit l’accouchée, que Louis ne soit ici; cet enfant nous réconcilierait!“2.

Dès la naissance de Louis-Napoléon, le roi Louis affirma qu’il n’était pas son père. Plus tard, les ennemis de Napoléon III devaient reprendre ce thème avec persévérance. Des rumeurs couraient même que le vrai père était Napoléon Ier – le Baron d’Ambès (pseudonyme) consacre un chapitre entier de son ouvrage3 à cette hypothèse. Napoléon III n’évoque en effet physiquement ni son père ni son oncle, tandis que ses traits sont bien ceux des Beauharnais. Sa douceur taciturne et son flegme sont éloignés de la véhémence des Bonaparte.

Louis-Napoléon a donc passé ses premières années sans père, vivant avec Hortense à Paris et à Saint-Leu ou avec sa grand-mère Joséphine à Malmaison. Les dames de compagnie d’Hortense décrivent l’enfant comme aimable, généreux, mais aussi doux, timide et renfermé. Louis-Napoléon est né prince et le restera toute sa vie; simple dans ses goûts, mais accoutumé à être le chef d’un clan.

Louis Bonaparte (1776-1846), frère de Napoléon Ier et père du futur Napoléon III. Un misanthrope rousseauiste, dont une maladie invalidante (rhumatis- mes) aigrira rapidement le caractère déjà difficile. Il serait toutefois injuste de lui faire porter seul la responsabilité de l’échec de son mariage avec Hortense. (Photo: Walser. Original: Musée Napoléon, Arenenberg. Tirée de: Meyer, Johannes: Die früheren Besitzer von Arenenberg. Königin Hortense und Prinz Ludwig Napoleon. Frauenfeld, 1908. P. 136-137).

Louis Bonaparte (1776-1846). Bruder von Napoléon I. und Vater des künfti- gen Kaisers Napoléon III. Er war ein menschenscheuer Rousseauist, aus welchem eine schwere Rheumaerkrankung bald einen verbitterten, halbin- validen Mann machte. Die Verantwortung für das Scheitern seiner Ehe mit Hortense ihm allein aufbürden zu wollen, wäre jedoch ungerecht. (Bild: Walser. Original: Napoleon-Museum, Arenenberg. Aus: Meyer, Johannes: Die früheren Besitzer von Arenenberg. Königin Hortense und Prinz Ludwig Napoleon. Frauenfeld, 1908. S. 136-137).

La Fin de l’Empire

Lorsque s’écroula l’édifice dont dépendait sa fortune, il avait six ans. Sa mère Hortense sut habilement s'adapter, malgré le choc occasionné par la mort de Joséphine. Elle obtint du tsar Alexandre, vainqueur de Napoléon Ier, le titre de 2 Coutant (Stefane-Pol), Etienne Joseph Paul: duchesse de Saint-Leu ainsi qu’une rente de 400'000 francs. Louis XVIII dut La jeunesse de Napoléon III, correspondance inédite de son précepteur Philippe Le Bas. cependant s’enfuir avant de pouvoir s'en acquitter. Paris, 1902. P. 4. 3 Ambès, Baron d‘: Mémoires inédites sur er Napoléon III, recueillies et annotées par Charles Le retour de l’Aigle (Napoléon I ) de l’île d’Elbe la prit au dépourvu. Napoléon er Simonds et M.C. Poinsot. Paris, 1910. I lui reprocha sévèrement l’inconvenance de sa conduite. Toutefois, elle obtint

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 19 à nouveau une place proche de l’Empereur, ce qui permettait à Napoléon Ier de pallier l’absence de sa femme Marie-Louise restée à Rome.

Hortense et ses fils avaient vécu les Cent-Jours dans une certaine intimité avec Napoléon Ier. Leur salon devint un lieu de rencontre des bonapartistes. L'ostra- cisme qui frappa les Bonaparte n'épargna pas la reine.

La Jeunesse en exil

Le 17 juillet 1815, Hortense quitta Paris sur l’injonction du Préfet de police. Un jeune officier autrichien l’accompagna, chargé de la surveiller et de la protéger. Hortense se rendit d’abord à Aix-les-Bains, où le petit Napoléon-Louis lui fut retiré pour être confié à son père Louis. Il ne lui restait plus que son cadet, Louis-Napoléon. En novembre, elle traversa la Suisse et gagna Constance, où elle arriva le 17 décembre. Le grand-duc de Bade ne l’autorisa à s’y installer que temporairement. L'intimité entre Hortense et Louis-Napoléon se resserra et durera jusqu’à la mort de la reine4.

En 1816, Hortense s’installa dans son exil. Stéphanie de Bade et le prince Eugène, frère d’Hortense et gendre du roi de Bavière, soutinrent l’ex-reine de Hollande. Grâce à leur appui et à l’héritage de Joséphine, Hortense put disposer d'un capital de 3 millions de francs et de revenus annuels s'élevant à environ 120’000 francs.

En 1817, Hortense acheta une maison à Augsbourg et un domaine à Arenen- berg, en terre suisse, dans le canton de Thurgovie. Elle agrandit et embellit le modeste château, bien situé au bord du lac de Constance. Arenenberg devint la résidence définitive, la maison de famille de Louis-Napoléon.

Napoléon III s’exprima négativement au sujet d’Arenenberg et de cette fuite en exil: „Quant à moi, cette époque m’est restée comme un rêve étrange et papil- lotant. Je me souviens que lorsqu’on vint d’arracher mon frère des bras de ma

mère, j’eus tant de chagrin que je tombai malade: j’eus même la jaunisse, pas 4 A Genève, on dit à Hortense de rentrer en gravement d’ailleurs... Aix, Berne, Bade, Zurich, Frauenfeld... étapes successi- France. Elle attend des instructions à Aix, ves... tout cela se succède devant mes yeux... Et cette petite maison du lac de toujours menacée par les royalistes. Les puis- sances alliées l’autorisent à habiter en Suisse, Constance... le pont de bois... les fenêtres... il y en avait des fenêtres dans cette sous la surveillance des agents diplomatiques maison là... une vraie serre... les chambres étaient blanchies à la chaux, mal clo- de la Sainte-Alliance. Louis en profite pour faire chercher son fils Charles par le baron de Zuiten. ses... L’abbé Bertrand la trouvait de son goût ou du moins eut ce mot amusant: Elle gagne Prégny, sur le lac Léman, où elle Parfaite cette maison. Mon élève y aura beaucoup d'air et je l'aurai sans cesse possédait un petit château, mais le sous-préfet la prie de s’éloigner. Le 1er décembre, elle est 5 sous les yeux“ . à Payerne, un peu plus tard à Morat où on l'incarcère deux jours. Elle croit trouver à Arenenberg n’a pas changé depuis ces jours-là, et le petit château est devenu Constance le soutien de son cousin, le grand-duc de Bade. Il la prie d’aller plus loin. C’est sa un musée. Ce n’est d’ailleurs rien de plus qu’une grande maison, flanquée d’un bonne cousine Stéphanie qui obtient qu’on la bâtiment avec une terrasse. Le baron d’Ambès parle dans ses Mémoires inédi- laisse se reposer un peu. Elle s’installe au bord du lac. Au mois de janvier, un voleur lui escro- tes du logis d’Hortense et de sa petite cour: „J’ai été bien des fois à Arenenberg. que 20'000 francs. Les médecins lui recomman- C’est un séjour enchanteur où la reine ne se fixa définitivement qu’en 1821, de dent une cure de petit lait de chèvre – elle se rend en Appenzell où le landammann Zellweger vastes bois l’entourent. Toute la Thurgovie d’ailleurs, me plaît infiniment, avec la reçoit avec bienveillance. On dit qu'il lui ces montagnes beaucoup moins élevées, moins sauvages que celles qui peu- proposa de l'épouser. 5 Ambès: Mémoires inédites. P. 55. plent cette Suisse farouche aux torrents fougueux et aux cimes glacées, avec 6 Ambès: Mémoires inédites. P. 56. Sans mention ces lacs dont celui de Constance est le plus grand et le plus noble (…)“6. de la date.

20 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Vue actuelle du château d’Arenenberg. (Photo: Hans Rudolf Fuhrer, MILAK ETHZ. Octobre 2003).

Schloss Arenenberg. (Bild: Hans Rudolf Fuhrer, MILAK ETHZ. Oktober 2003).

Dans sa biographie de Napoléon III, André Castelot nous décrit ainsi la situation du château d’Arenenberg: „Du château et de son parc, on domine le lac de Constance et l’île allemande de Reichenau. La vue est ici un vrai plaisir des yeux“, et il poursuit: „la demeure est blanche, les volets gris et le toit d’ardoise, et sous le ciel de Suisse, l’habitation semble un pastiche d’une maison d’Île-de- France“ 7.

C’est donc à l’âge de sept ans que se termine d’un jour à l’autre l’enfance du jeune Louis-Napoléon et que sa jeunesse commence en exil. Mais qui sont les personnes qui influencent le développement du prince?

L’Education à Arenenberg et Augsbourg

L’éducation de Louis-Napoléon fut influencée tout d’abord par sa mère Horten- se, qui lui apprit à se comporter conformément à son rang de prince impérial. Elle lui permit de rencontrer les grandes familles allemandes ainsi que de prestigieux visiteurs étrangers et français, tels Chateaubriand et Dumas. Elle voulait favoriser l’éveil de ses facultés artistiques et humaines. Mais pour réduire le déséquilibre occasionné par cette formation, elle lui choisit un bon précepteur. D’abord, elle se décida pour l’abbé Bertrand. Le chapelain de la reine était un aimable homme ayant enseigné au pensionnat Campan. Il lui manqua la méthode et l’énergie nécessaire pour instruire le jeune prince. Le roi Louis, effrayé par l’ignorance de son fils lors d’un séjour en Italie, menaça Hortense de le lui reprendre pour remédier à cette situation. Elle se décida à 7 Castelot: Napoléon III. P. 11. engager un nouveau précepteur susceptible de remplacer le bon abbé.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 21 Le prince Louis-Napoléon à l’âge de six ans. (Portrait peint par Quaglia. Tiré de: Meyer: Die früheren Besitzer. P. 220-221).

Der sechsjährige Prinz Louis-Napoléon. (Gemälde von Quaglia. Aus: Meyer: Die früheren Besitzer. S. 220-221).

Le général Drouot, le „sage de la Grande Armée“, ainsi que le colonel Dufour, déclinèrent l’honneur. Par le biais de relations, on trouva Philippe le Bas, un jeune homme qui avait 25 ans en 1820, ancien militaire, puis professeur (à Sainte Barbe) et fonctionnaire à la préfecture de la Seine.

Le Bas était le fils du conventionnel du même nom et ami de Robespierre, et d’une fille du menuisier parisien Duplay. C’était un républicain convaincu et un franc-maçon, un homme austère et ombrageux. Il aimait la discipline, les langues anciennes et le travail. Selon Castelot, il influença fortement le jeune Louis-Napoléon: „L’influence de Le Bas fut bénéfique. C’est le républicain, le fils du conventionnel, qui apprit à son élève, non l’histoire de l’Empire, mais les débuts des Bonaparte et son amitié pour les deux Robespierre. Il évoqua pour lui le jacobinisme, l’idée de la souveraineté et de la liberté des peuples. Ainsi, c’est le petit-fils du menuisier Duplay qui inculqua à Louis-Napoléon cette ‚passion républicaine’, cette soif héroïque de la liberté, de la générosité, de l’égalité – une certaine empreinte d’athéisme aussi, qui s’atténuera consi- dérablement dans sa prison de Ham où il deviendra déiste …”8.

Le Bas arriva à Arenenberg en juin 1820 et le quittera en 1827. Il dirigea l’éducation du jeune prince durant sept ans. Quand il commença à travailler avec le jeune homme, il était presque aussi effrayé de ses méconnaissances que son père Louis: „Le prince est très retardé pour son âge: il sait fort peu, et ce peu qu’il sait, il le sait fort mal. Il n’aime guère le travail: l’attention le fatigue, la réflexion l’obsède. Aussi regarde-t-il rarement ce qui est sous ses yeux, et pense-t-il plus rarement encore à ce qui n’y est plus“9.

Néanmoins, Philippe Le Bas commença à enseigner la discipline à son élève: „A mon arrivée ici, j’ai trouvé un enfant qui se levait tantôt à sept heures, tantôt à huit, tantôt à neuf suivant que M. l’abbé avait plus ou moins besoin de dormir (…). J’ai de suite réformé tout ce qu’un pareil genre de vie avait de 8 Castelot: Napoléon III. P. 17. préjudiciable. Toutes nos heures sont fixées invariablement, et par là notre temps 9 Philippe Le Bas à l’abbé Bertrand. Lettre du 3 est toujours bien employé: Nous nous levons à six heures et nous faisons une mai 1821. Tirée de: Coutant: La jeunesse. P. 14.

22 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 promenade dans les montagnes jusqu’à sept. De sept à huit et demie, leçon de grammaire générale pour vaincre cette paresse d’esprit, et l’habituer de bonne heure à soumettre toutes ses études à l’analyse. De huit et demie à neuf, récré- ation. De neuf à dix et demie, latin. Je ne fais pas encore composer de thèmes, parce que j’ai reconnu que pour bien écrire dans une langue, il faut la com- prendre parfaitement et être déjà familiarisé avec ses tours et ses idiotismes. Nous déjeunons à dix heures et demie. Nous nous remettons à l’ouvrage à onze heures et demie, pour la leçon d’arithmétique. Nous allons lentement dans cette matière, parce qu’il n’est pas encore habitué aux raisonnements mathé- matiques et que je désire que ses connaissances en ce genre reposent sur des bases solides. A une heure, leçon d’allemand ou d’écriture. A deux heures leçon de grec. Et vois un peu ce que c’est que la méthode! Le latin enseigné à l’ancienne manière par l’abbé l’ennuyait; et le grec, nouveau pour lui, l’amuse, malgré ses difficultés, au point que souvent l’heure de la récréation arrive sans qu’il s’en aperçoive. De trois à quatre, leçon de natation donnée par son valet de chambre. De quatre à six, histoire et géographie. A six heures nous dînons et nous nous promenons ensuite, et à huit heures nous remontons dans notre chambre pour apprendre nos leçons, c’est-à-dire de beaux passages de nos auteurs, tant en prose qu’en vers, ou bien encore pour mettre au net les devoirs que j’ai corrigés pendant le jour. A neuf heures le coucher“10.

„Je suis toujours assez satisfait de mon élève. Beaucoup de douceur et de docilité, un cœur excellent, de l’esprit naturel, feraient de lui un sujet distingué, si à ces heureuses qualités se réunissait l’amour du travail, de l’ardeur (il n’en a que pour le jeu) et de la facilité à comprendre ce que je lui enseigne“11 .

Toutefois, Philippe Le Bas attesta à son disciple des progrès, et il décida de l’envoyer étudier à Augsbourg, pour compléter ses connaissances. Depuis 1820, Louis-Napoléon suit comme externe des cours au collège et au gymnase. Sur 94 élèves, il est d’abord 54ème et finalement 24ème12. Ses notes louent son caractère et ses connaissances; en somme un élève moyen, mais qui a dû appren- dre l’allemand, langue qu’il n’oubliera pas et dans laquelle il est censé pouvoir penser. Il acquit de bonnes mais incomplètes connaissances. En dépit de sa peti- te taille, il était bon cavalier, savait nager, tirer et faire de l’escrime. En fin de compte, cette éducation porta ses fruits. 10 Philippe Le Bas à sa famille. Lettre du 10 août 1820. Tirée de: Coutant: La jeunesse. P. 50. Sa mère est pénétrée de l'idéal du Troubadour, tout d’honneur et de romantisme 11 Ibidem. 12 „No.24: Prince Charles-Louis-Napoléon, fils de chevaleresque. Elle transmet cette sensibilité à son fils. Un jour d’été, en 1823, M. le duc de Saint-Leu, né à Paris, appartenant il se promène avec ses trois cousines (filles de Stéphanie de Bade) au à la religion catholique, âgé de 14 ans, cinq mois, doué de beaucoup de dispositions, au bord du Rhin. Soudain, une fleur ornant le chapeau d’une des jeunes filles est développement desquelles il a travaillé avec emportée par un coup de vent et jetée dans le fleuve. Sans hésiter, le jeune zèle, de manière qu’il a fait des progrès très bons dans la langue allemande, bons dans la Louis veut prouver son courage en tant que chevalier galant et se jette tout langue latine et l’arithmétique, assez bons dans habillé dans les flots. la langue grecque et l’histoire, en général donc de bons progrès. On doit louer beaucoup ses manières modestes vis-à-vis de ses condisci- Au cours de ses voyages en Italie on n’arriva pas à dénombrer ses maîtresses ples, ainsi que le respect et la reconnaissance romaines ou florentines et il dissimula les dépenses qu’entraînèrent ces fré- avec lesquels il a accepté les leçons désagréa- bles; il a le vingt-quatrième rang; ce qui l’a quentations. Sa mère Hortense, très discrète dans ce domaine, se gardera de empêché d’en obtenir un supérieur, ce sont l’interroger. les difficultés de la langue allemande dont il n’est pas encore maître. D’ailleurs on le loue publiquement, et il peut passer à la classe Pour mieux comprendre l’attitude politique que sera plus tard celle de Louis- supérieure“. Censure des professeurs d’Augsbourg. Tirée de: Ambès: Mémoires Napoléon, il convient de nous intéresser de plus près au point de vue d’Hor- inédites. P.60. tense de Beauharnais. C’est elle en effet qui enseigna à ses fils des principes

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 23 politiques très pragmatiques, confinant même au machiavélisme: „Vous êtes princes, ne l’oubliez pas, mais sachez aussi sous quelle loi. Vos titres sont de date récente: pour les faire respecter, il faut vous montrer, avant tout d’être utile. Lorsque ceux qui possèdent des biens craindront pour leurs avantages, promettez-leur d’en être garants. Si c’est le peuple qui souffre, montrez-vous comme étant, ainsi que lui, des opprimés; faites entendre qu’il n’y a de salut que par vous. En un mot, le rôle des Bonaparte est de se poser en amis de tout le monde: ils sont des médiateurs, des conciliateurs. Et je le dis non pas au sens humain du mot, mais dans tous les sens. (…) Les hommes aiment à se réfugier auprès d’une providence possible. Il est si facile d’ailleurs de gagner l’affection du peuple. Il a la simplicité de l’enfance. S’il voit qu’on s’occupe de lui, il laisse faire: ce n’est que quand il croit à l’injustice ou à la trahison qu’il se révolte. Mais il n’y croit jamais, si on lui parle avec sympathie et douceur pour lui-même et en traitant avec une amère dérision les ennemis qu’on représente acharnés à lui nuire. C’est toujours Jacques Bonhomme“13.

La petite cour de la Reine Hortense sur la terrasse d’Arenenberg. De gauche à droite, on reconnaît: le Dr. Conneau, médecin personnel de la reine, le peintre et homme à tout faire Félix Cottreau (assis), la Reine Hortense (portant un chapeau), Mme Salvage (dame de compagnie), une joueuse de harpe inconnue qui accom- pagne Charles-Henri (fils illégitime de Jérôme Bonaparte), le Prince Louis et Mlle Masuyer (dame de compagnie). (Tableau d’Ary Scheffer. Original: Musée Napoléon, Are- nenberg. Tiré de: Grellet. Hortense. P. 176-177).

Der kleine Hof von Königin Hortense auf der Terrasse von Arenenberg. Von links nach rechts: Dr. Conneau, Leibarzt der Königin, den Maler und Faktotum Félix Cottreau (sit- zend), Königin Hortense mit Hut, Mme Salvage (Hofda- me), eine unbekannte Harfenspielerin, die Charles-Henri (unehelicher Sohn von Jérôme Bonaparte) beim Singen begleitet, Prinz Louis-Napoléon und Mlle Masuyer (Hof- dame). (Gemälde von Ary Scheffer. Original: Napoleon- Museum, Arenenberg. Aus: Grellet: Hortense. S. 176-177).

13 Ambès: Mémoires inédites. P. 60. Après 1824 Louis-Napoléon passa les hivers en Italie et les distractions mon- 14 „C’est d’ailleurs ma mère qui me montra la daines furent peu propices aux études. Le Bas en désespéra. Finalement, Le Bas nécessité de me perfectionner en technique. Et c’est Dufour qui m’instruisit dans cette quitta Arenenberg en 1827. Le jeune prince se détacha de son précepteur et se science. A Thoune, mon temps était bien rem- rapprocha de celui de son frère aîné, l’avocat Veillard, cessant toute relation avec pli. Le matin, à six heures moins le quart on fai- sait l’appel; on allait au polygone au son du Le Bas. Comme le roi Louis s’opposa à des projets d’aventures aux côtés des tambour et on y restait jusqu’au dîner. A table Grecs insurgés ou dans l’armée russe, le jeune prince se fit admettre à l’Ecole j’étais à côté du colonel Dufour. Et l’après-midi, on recommençait au polygone, de trois heures militaire de Thoune pour se faire former dans l’artillerie et le génie de l’armée moins le quart à sept heures et demie. Il nous helvétique sous le commandement du futur général Dufour14. Après quelques restait donc à peine deux heures de libre par jour; et il fallait recopier des notes et des des- difficultés, il fut admis en juin 1830. Evoquant plus tard son attirance pour la sins“. Napoléon III sur sa formation militaire. chose militaire, il confiera: „Comme tous les enfants, mais plus que tous les Tiré de: Ambès: Mémoires inédites. P. 70.

24 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 enfants peut-être, les soldats attiraient mes regards et étaient le sujet de toutes mes pensées“15.

Conclusion

En conclusion, nous pouvons dire que la jeunesse de Napoléon III fut marquée par l’esprit libéral de son précepteur Le Bas; il apprit à penser politiquement en Bonaparte par sa mère, et il suivit les cours d’instruction militaire en Suisse. Affirmer qu’il ne fut qu’un singe de son maître, comme le colportaient certains de ses contemporains, serait méconnaître Louis-Napoléon. En visite à Arenen- berg en 1830, Chateaubriand rencontra le prince et décela en lui „un jeune hom- me studieux, instruit, plein d’honneur et naturellement grave“. Si nous voulons conclure sur une fable de La Fontaine, ce serait donc plutôt au travers de celle du Loup devenu berger que nous pourrions mieux cerner le personnage de Napoléon III.

Le Loup devenu Berger (Jean de La Fontaine) Un Loup qui commençait d'avoir petite part Aux Brebis de son voisinage, Crut qu'il fallait s'aider de la peau du Renard Et faire un nouveau personnage. Il s'habille en Berger, endosse un hoqueton, Fait sa houlette d'un bâton, Sans oublier la Cornemuse. Pour pousser jusqu'au bout la ruse, Il aurait volontiers écrit sur son chapeau: C'est moi qui suis Guillot, berger de ce troupeau. Sa personne étant ainsi faite Et ses pieds de devant posés sur sa houlette, Guillot le sycophante approche doucement. Guillot le vrai Gulot étendu sur l'herbette, Dormait alors profondément. Son chien dormait aussi, comme aussi sa musette. La plupart des Brebis dormaient pareillement. L'hypocrite les laissa faire, Et pour pouvoir mener vers son fort les Brebis Il voulut ajouter la parole aux habits, Chose qu'il croyait nécessaire. Mais cela gâta son affaire, Il ne put du Pasteur contrefaire la voix. Le ton dont il parla fit retentir les bois, Et découvrit tout le mystère. Chacun se réveille à ce son, Les Brebis, le Chien, le Garçon. Le pauvre Loup, dans cet esclandre, Empêché par son hoqueton, Ne put ni fuir ni se défendre.

Toujours par quelque endroit fourbes se laissent prendre. Quiconque est Loup agisse en Loup 15 Ambès: Mémoires inédites. P. 48. C'est le plus certain de beaucoup.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 25 Ambès, Baron d’: Mémoires inédites sur Napoléon III, recueillies et annotées par Bibliographie Charles Simonds et M.C. Poinsot. Paris, 1910. Aprile, Sylvie: Histoire politique de la France. La IIe République et le Second Empire, 1848–1870 – Du Prince Président à Napoléon III. Paris, 2000. Castelot, André: Napoléon III. L’aube des temps modernes. Paris, 1999. Cazaban, Catherine: Hugo. Poésies de Napoléon Ier à Napoléon III. Paris, 1997. Coutant (Stefane-Pol), Etienne Joseph Paul: La Jeunesse de Napoléon III, cor- respondance inédite de son Précepteur Philippe Le Bas. Paris, 1902. Geuss, Herbert: Bismarck und Napoleon III. Ein Beitrag zur Geschichte der preus- sisch-französischen Beziehungen 1851–1871. Köln, Graz, 1959. Girard, Louis: Napoléon III. Paris, 1986. Kühn, Joachim: Napoleon III: Ein Selbstbildnis in ungedruckten und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993. Lentz, Thierry: Napoléon III. Paris, 1995. Minc, Alain: Louis Napoléon revisité. Paris, 1997.

26 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Dominique Matthias Reber Autor Lic phil I, Historiker und Romanist Geboren am 7. Juli 1975 Heimatort: Basel

Beruflicher Werdegang

Matur in Deutschland, Schwerpunkte Chemie und Mathematik Studium in Basel: Geschichte mit dem Schwerpunkt europäische Integration nach 1945 (Professor Georg Kreis); französische Literatur /französische Sprachwissenschaften, Lizentiat 2001

1995-1998 Freier Journalist und Redakteur Badische Zeitung 1998-2001 Gewerbelehrer (Allgemeinbildende Fächer) und Berufsmatur Französisch Seit Oktober 2001 Swisscom AG zunächst im Marketing Initiative „Schulen ans Internet“ und Projektleiter Seit Oktober 2002 Head of Public Affairs der Swisscom AG

Militärische Einteilung

Kpl, Wissenschafter MILAK/ETHZ

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 27 28 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Zusammenfassung

Mit Ausnahme von wenigen Arbeiten haben die Schweizer Exiljahre in der Forschung kaum Beachtung gefunden. Die neueren Biographien des künfigen Kaisers der Franzosen enthalten meistens nur sehr dürftige Informationen über diese Zeit oder schildern ihn als einen leichtsinnigen, zerstreuten und turbulen- ten Jüngling, halb Carbonaro halb Schürzenjäger, der sein Leben zwischen den italienischen Lebensfreuden und der besinnlichen Ruhe der Thurgauer Land- schaft verbringt.

Zweifelsohne hätte auch unsere heutige Boulevardpresse ihre Freude am Lebens- wandel des Prinzen Louis gehabt. Wer sich mit seiner Schweizer Militärkarriere befasst, entdeckt jedoch eine andere, sehr wenig bekannte Seite seiner Persön- lichkeit: Jene des Soldaten und Gelehrten, des Artillerieoffiziers und Militär- schriftstellers.

Der Artillerist Louis-Napoléon Bonaparte hat so gut wie keine Spuren in den offiziellen, militärischen Akten hinterlassen. Um ihn näher kennenzulernen, müssen wir deshalb auf seine private Korrespondenz zurückgreifen, und insbe- sondere auf jenen, zum grössten Teil noch unveröffentlichten Briefwechsel, den er bis zu seinem Tode mit Guillaume-Henri Dufour, militärischer Instruktor und väterlicher Freund zugleich, geführt hat.

Diese Karriere begann im Juli 1830 mit der Aufnahme des jungen Prinzen als freiwilliger Genieaspirant in die von Dufour gegründete und geleitete „Eidge- nössische Central-Militärschule“ von Thun, und erreichte ihren Höhepunkt vier Jahre später mit seiner Beförderung zum Artilleriehauptmann und Batterie- kommandanten der Berner Miliz. Sie ist weder dramatisch noch spektakulär und unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum vom militärischen Werdegang jedes damaligen – und heutigen – Schweizer Artillerieoffiziers. Interessiert man sich aber für den Menschen Louis-Napoléon, so verdient er unsere ganze Aufmerk- samkeit.

Der Aspirant Bonaparte, wie man ihn in Thun sehr bald nannte, zeichnete sich nicht durch Exzentrizitäten und Eskapaden aus. Der Träger eines berühmten Namens wollte dort nur ein Soldat unter anderen Soldaten sein. Er unterwarf sich der Disziplin und beanspruchte weder Privilegien noch irgendwelche Sonderbehandlungen. Er fand Gefallen am Soldatenleben und wünschte sich, diese Thuner Erfahrung wiederholen zu dürfen. Louis-Napoléon war als Genie- aspirant ausgebildet, widmete sich jedoch vorwiegend der Artillerie und, auf Veranlassung seiner Schweizer Freunde, begann er 1831 mit der Arbeit an sei- nem künftigen Manuel d’Artillerie. Dabei vergass er aber seinen alten Traum nicht: Er wollte Artillerieoffizier werden.

Dies wurde erst 1834 möglich, als der Prinz die Berner Regierung darum bat, als Freiwilliger den Dienst eines Artillerieoffiziers tun zu dürfen. Die Berner Regierung willigte ein, musste aber dafür in die Trickkiste greifen. Da Louis- Napoléon in doppelter Hinsicht ein „Ausländer“ war – er besass zwar seit 1832 das Thurgauer Bürgerrecht, hatte aber auch auf seine französische Staatsange- hörigkeit nicht verzichtet –, konnte man ihn schwerlich zum „wirklichen“ berni- schen Offizier ernennen, was ja den Berner Bürgern vorbehalten blieb. Deshalb ernannte man ihn zum „Artillerie-Hauptmann ehrenhalber“, mit dem entspre- chenden Vermerk auf seinem Patent. In der Tat leistete er aber ab diesem Zeit- punkt bis 1836 Dienst als Hauptmann und Batteriekommandant in den Reihen

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 29 der Berner Milizen und nahm in dieser Eigenschaft an den eidgenössischen Übungslagern von 1834, 1835 und 1836 teil. Wie wir aus den wenigen, inoffi- ziellen Quellen zu diesem Thema wissen, bewährte sich der Hauptmann Bonaparte, und er konnte allen zeigen, dass sein Patent nicht bloss ein Geschenk des Berner Regierungsrates gewesen war. Während dieser Zeit vollendete er sein Handbuch, das Anfangs 1836 erschien und sehr schnell in Frankreich und in der Schweiz eine begeisterte Aufnahme fand.

Im selben Jahr verliess Louis-Napoléon die Schweiz, um einen anderen, politi- schen Traum zu verwirklichen. Von diesem Zeitpunkt an geriet der Hauptmann Bonaparte in Vergessenheit. Mit der Schilderung der ganz normalen Karriere eines fleissigen, bescheidenen, dienstfreudigen und disziplinierten Berner Artillerieoffiziers lassen sich kaum die Auflagen kaiserlicher Biographien steigern.

30 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Summary

Apart from a few exceptions Louis-Napoléon Bonapare’s years of Swiss exile have not been researched in depth. The latest biographies on the future empe- ror of the French either contain simply meagre information about this period or describe him as a careless, absent-minded hectic youth, part Carbonaro and part womaniser who spent his life either taking pleasure in the Italian joys of life or relaxing in the peaceful quiet of the contryside in Thurgau.

Today’s tabloids would have rejoiced in the prince’s way of life. But anyone who looks at his military career discovers a different, not so familiar, side of his personality; namely the personality of a soldier, scholar, artillery officer and military author.

Hardly any traces at all of Bonaparte, the artilleryman, were left behind in the official military files. Therefore we have to fall back on his private correspondence for a better understanding of his personality, namely on his letters, mostly unpublished, that he wrote to Guillaume-Henri Dufour, who was his military instructor as well as his paternal friend.

The prince’s career began in July 1830 when he was accepted as a voluntary pioneer cadet at the „Eidgenössische Central Militärschule“ in Thun, which was founded and led by Dufour. His career, which was neither dramatic nor specta- cular nor any different from the common career of a Swiss artillery officer of then or today, reached its peak when he was promoted to Artillery Captain and battery commander of the Bernese Militia. However when focusing on the entire person, Louis-Napoléon deserves our full interest.

The aspirant Bonaparte, as he was known in Thun, did not distinguish himself through eccentricities and escapades. The bearer of such a famous name only wanted to be a soldier among soldiers. He accepted the necessary disci- pline and demanded neither privileges nor special treatment. He took pleasure in a soldier’s life and wished to repeat his Thun experiences. Although Louis-Napoléon was trained as a pioneer cadet he was mainly interested in artillery. At the urging of his Swiss friends he started work on the future Manuel d’Artillerie. But he never gave up his dream of becoming an artillery officer.

This only became possible when in 1834 the prince begged the Bernese government to be allowed to serve as a voluntary artillery officer. The Bernese government agreed but had to rely on some tricky manoeuvres in order to allow this. Louis-Napoléon was a „foreigner“ in a double sense. Since 1832 he was in possession of the Thurgau citizenship, but at the same time he had never renounced his French civil rights. The Bernese army could scarcely make him a real Bernese officer since this was reserved for Bernese burghers only. This is the reason why he was made an „honorary artillery officer“ with a respective note on his commission. Indeed, he served from that time until 1836 as a captain and battery commander among the Bernese Militia. In that function he participated in the federal training camps of 1834, 1835 and 1836. As can be gathered from the few unofficial documents on this topic, Captain Bonaparte was very capable and proved that the commission was not simply a favour of the government. During this time he completed his Manual which was published in 1836 and given an enthusiastic welcome both in Switzerland and France.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 31 Louis-Napoléon left Switzerland in that year to follow another political dream. Thus Captain Bonaparte of the Bernese Militia fell into oblivion. The description of the ordinary career of a diligent, modest, dedicated and disciplined Bernese artillery officer is unlikely to increase the number of sold copies of an imperial biography.

32 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Monsieur le capitaine d’artillerie Louis-Napoléon Bonaparte

Introduction

Les années d’exil passées en Suisse par le Prince Louis-Napoléon Bonaparte semblent, à quelques rares exceptions1 près, n’avoir pas particulièrement retenu l’attention des chercheurs. Les biographies du futur Empereur ne four- nissent que quelques vagues indications, tandis que d’autres publications nous tracent de lui le portrait d’un jeune homme dissipé partageant son existence entre la quiétude de la campagne thurgovienne et les réjouissances italiennes. Cette constatation nous a amenés à tenter de présenter ici un aspect peu Hans Rudolf Fuhrer connu de cette phase de la vie du Prince Louis: celui de l’officier d’artillerie des milices bernoises, auteur d’un Manuel d’Artillerie qui connut à l’époque un succès qu’il convient de relever.

L’artilleur Louis-Napoléon Bonaparte n’a pas laissé de traces dans les actes officiels, et c’est en vain que l’on consulterait à ce sujet les fonds des Archives Fédérales de Berne. C’est par le biais de ses diverses correspondances, et plus particulièrement de celle, encore partiellement inédite, qu’il entretint jusqu’à la fin de sa vie avec Guillaume-Henri Dufour, à la fois instructeur militaire et ami paternel, qu’il nous faut rassembler les éléments d’une mosaïque qui demeure malgré tout incomplète, puisque la plupart des réponses de Dufour ont proba- blement été détruites dans l’incendie des Tuileries. D’autres lettres, telles celles adressées par Dufour à son épouse, apportent des informations complémen- taires qui permettent d’ajouter quelques touches de couleur, parfois anecdoti- ques, à notre portrait. Il est possible que certaines archives privées renferment encore des documents inconnus à ce jour. Une recherche systématique sur ce thème reste à faire.

L’aspirant Bonaparte

Peut-être sont-ce les exercices des milices thurgoviennes qu’il fréquente, nous dit-on, avec assiduité2, qui, en 1828, incitent le jeune Prince Louis-Napoléon Bonaparte, de son exil d’Arenenberg, à demander au colonel Dufour son admis- sion à l’Ecole Militaire de Thoune en qualité d’aspirant, ou d’autres raisons plus personnelles qui nous échappent… Quoi qu’il en fût, Guillaume-Henri Dufour juge le moment inopportun et refuse: il est certaines susceptibilités que cette admission ne manquerait pas de froisser, „tant il est vrai, que le seul nom d’un 1 Ainsi par exemple les divers articles de Mr 3 le colonel Dominic M. Pedrazzini, chef des grand homme effraie quantité des gens…“ écrit le colonel à ce propos . services généraux de la Bibliothèque militaire fédérale à Berne, qui a très aimablement mis à notre disposition les copies en sa possession Le prince a-t-il renouvelé sa demande l’année suivante déjà par l’intermédiaire de la correspondance en partie inédite entre du genevois Huber-Saladin4 et reçu, cette fois, une réponse favorable? Une Napoléon III et Dufour. lettre datée du 2 août 1829 qu’il adresse à Dufour depuis Arenenberg semble le 2 Schoop, Albert: Johann Konrad Kern. Jurist, Politiker; Staatsmann. 2 vol. Frauenfeld, 1968. confirmer, et il s’en réjouit fort, tout en déplorant qu’en raison de la lenteur du Vol. 1, p. 122. courrier il n’a appris la nouvelle que fort tard, et qu’il ne lui serait possible de 3 Pedrazzini, Dominic M.: Louis-Napoléon et 5 Dufour à Thoune. Exposé présenté devant les rejoindre l’Ecole qu’après le début des cours . membres de l’Association suisse d’histoire et de sciences militaires, à Lucerne. Mai 1997. 4 Jean Huber-Saladin (1798-1881). Officier, poli- Malheureusement, sa joie sera de courte durée car, alors qu’il a déjà effectué ticien et homme de lettres genevois; attaché tous les préparatifs en vue de son départ pour Thoune, un message de Dufour, militaire de la Confédération à Paris (1860). 5 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du fort retardé lui aussi, puisqu’il mettra six jours pour parvenir à Arenenberg, lui 2 août 1829. apprend que, cette année encore, il lui faudra renoncer à son projet…

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 33 Faut-il voir dans ce fait la seule conséquence du mauvais fonctionnement du service postal, ou ce dernier se serait-il fait l’allié involontaire de quelques-unes de ces susceptibilités qu’évoquait Dufour l’année précédente? Sans que nous soyons à même de pouvoir réfuter catégoriquement cette dernière hypothèse, il est toutefois certain que l’entrée du Prince à l’Ecole de Thoune n’est pas encore chose décidée. Ce qui n’a pas été possible en 1829, peut-être le sera-ce en 1830?

En attendant d’endosser enfin l’uniforme, le futur aspirant Bonaparte, malgré l’incertitude qui règne encore à ce sujet, entend se préparer le mieux possible à cette activité nouvelle pour lui. Il sollicite dans ce but les conseils de son futur instructeur: „Jusqu’à présent j’ai fait presque un cours complet de mathéma- tiques, excepté le calcul différentiel et intégral que je compte étudier cet hiver, lui écrit-il le 15 août, et de poursuivre: En fortification, j’ai suivi Noizet de St. Paul, Carnot, de Bousmard que je lis présentement“ 6. Tout en priant Dufour de lui faire parvenir son ouvrage sur les travaux de guerre, il lui demande des détails sur le programme des Ecoles de Thoune, afin de mieux savoir ce qu’il lui faudra étudier d’ici là.

Guillaume-Henri Dufour (1787-1875), dessiné par Franz von Elgger, qui allait être plus tard l’un de ses principaux adversaires lors de la guerre du Sonderbund (1847). Un portrait un peu inhabituel, qui nous montre le futur général sous les traits d’un homme certes d’âge mûr déjà, mais d’allure encore jeune, tel que l’a connu Louis-Napoléon à Thoune. (Tiré de: Grellet, Pierre: Königin Hortense auf Arenenberg. Frauenfeld, 1949. P. 128-129).

Guillaume-Henri Dufour (1787-1875) nach einer Zeichnung von Franz von Elgger, der später zu seinen Hauptgegnern im Sonderbundskrieg (1847) zäh- len sollte. Das ungewöhnliche Bild zeigt uns den künftigen General, wie ihn Louis-Napoléon kennengelernt hat: Ein zwar bereits reifer Mann, jedoch noch jugendlich aussehend. (Aus: Grellet, Pierre: Königin Hortense auf Arenenberg. Frauenfeld, 1949. S. 128-129).

Plusieurs mois s’écoulent dans l’incertitude. Le 16 juin 1830, au lendemain de son retour d’Italie, où une partie de la petite cour d’Arenenberg a passé l’hiver et le printemps, le Prince Louis n’a de cesse que de s’enquérir de la situation auprès de Dufour: „Je m’empresse de me rappeler à votre bon souvenir, et de vous demander si je puis espérer réaliser cette année le projet que j’avais formé l’année dernière, de suivre vos cours militaires de Thoune“7, lui écrit-il, inquiet de savoir si, cette fois encore, il n’y aurait pas par hasard quelque obstacle, et… quelque examen d’entrée à subir … 6 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 15 août 1829. La réponse tant attendue arrive enfin au début juillet; elle est négative, du moins 7 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du en ce qui concerne les obstacles. Quant à l’éventuel examen d’admission, ce 16 juin 1830.

34 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 que nous savons des programmes des Ecoles de Thoune à cette époque nous permet de croire que, sur ce point également, elle a pu rassurer le futur aspirant.

Arrivé à Thoune à la mi-juillet, l’aspirant Bonaparte – car il convient désormais de lui donner ce titre – loge modestement à l’hôtel Freienhof 8. C’est là qu’il ren- contre pour la première fois Dufour, le 18 juillet 1830. L’élève fait une bonne impression à son instructeur qui, le même jour encore, le décrit comme se mon- trant „[…] très désireux de travailler et d’apprendre“9, et entièrement disposé à se plier à toutes les exigences du service10. Mais le Prince n’avait-il pas promis, quelques jours plus tôt, de se soumettre en tout à la discipline et aux règles éta- blies? N’ayant pour seul but que celui de s’instruire, comme il le dit lui-même, son seul désir est de ne se distinguer que par sa bonne conduite11.

Louis-Napoléon porte depuis trois jours l’uniforme au brassard fédéral lorsque, le 21 juillet 1830, il fait part de ses premières impressions à sa mère: les jour- nées sont longues, à Thoune, le service n’y est pas de tout repos, on s’y lève de bonne heure et s’y couche tôt, fort fatigué, renonçant même à profiter des quelques rares heures de loisirs, d’ailleurs bien souvent écourtées par des tra- vaux d’écriture et de dessin12. Rapidement, le Prince se fait des amis parmi ses camarades, plus particulièrement parmi ceux qui sont originaires de la Suisse francophone.

Il ne tarde pas également à nouer des relations plus étroites avec son supérieur: „J’ai fait ample connaissance avec le jeune Bonaparte – c’est ainsi que nous l’appelons –, écrit Dufour à sa femme le 23 juillet, et j’en suis très content. Il vit en bon camarade avec nos jeunes Suisses et prend part à tous les travaux; il est soumis aux appels et à la discipline de l’école. Aujourd’hui, il fait son tour de corvée et s’en acquitte gaiement. Il vient avec nous à Brienz demain“13.

Entre les exercices et les excursions dans les environs, ce sont désormais les soins à donner aux chevaux, le nettoyage et l’inventaire du matériel qui ont remplacé les divertissements de la petite cour de la Reine Hortense. Ces tâches pouvant paraître ingrates, Louis-Napoléon s’en acquitte consciencieusement,

8 Cet hôtel, tenu à l’époque par le colonel Knech- ne sollicitant ni dispenses ni privilèges, et son attitude lui vaut rapidement tenhofer, existe encore de nos jours. l’estime de tous. Plus encore, il prend un réel plaisir à cette vie militaire, 9 Dufour à sa femme. Lettre du 18 juillet 1830. nouvelle pour lui, toute de simplicité et de rigueur – lors des rares occasions de Tirée de: Chapuisat, Edouard: Le Général Dufour 1787-1875. Lausanne, 1935. P. 79-80. sortie en ville, le cigare et la pipe sont prohibés aux aspirants! –, mais dont la 10 Le lecteur intéressé par l’histoire et les pro- gaieté est loin d’être bannie. A un point tel que, après douze jours de service, et grammes de l’Ecole Militaire de Thoune à cette époque (et maîtrisant la langue allemande) ayant encore devant lui plusieurs semaines de formation à accomplir, il songe consultera avec profit: déjà à renouveler cette expérience l’année suivante et sollicite dans ce but Beck, Roland: Die Gründungszeit (1819-1874). In: Kdo der Zentralschulen (éd): Kader- l’appui de Dufour. „Il se plaît beaucoup à Thoune et m’a déjà demandé s’il ne schmiede-Kaderschule. Von der Eidgenössi- pouvait pas revenir l’année prochaine“, confie le colonel à Madame Dufour14, et schen Central-Militärschule zu den Stabs- und il ajoute qu’il fera de grand cœur les démarches nécessaires pour satisfaire à la Kommandantenschulen in Luzern 1819-1995. Berne, 1995. requête de son élève. En attendant, Dufour se chargera tout d’abord de calmer 11 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du les inquiétudes de la Reine Hortense qui craint que, dans son nouvel environ- 5 juillet 1830. 12 Lettre du 21 juillet à la reine Hortense. Tirée de: nement, son fils ne soit exposé à quelques propos blessants pour un Français… Kühn, Joachim: Napoleon III: Ein Selbstbildnis Ces soucis, bien maternels, sont rapidement dissipés: le Prince n’est-il pas in ungedruckten und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993. P. 49. unanimement aimé et apprécié?! 13 Dufour à sa femme. Lettre du 23 juillet 1830. Tirée de: Chapuisat: op. cit. P. 80. 14 Dufour à sa femme. Lettre du 28 juillet 1830. C’est dans cette atmosphère que Louis-Napoléon reçoit la nouvelle de la Révo- Tirée de: Chapuisat: op. cit. P. 80. lution de Juillet; il suit le cours des événements avec attention, et envisage même

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 35 Camp fédéral de manoeuvres de Thoune. Au premier plan, des officiers d’état-major en discussion, tandis que les troupes manoeuvrent devant leurs campements regroupés par bataillons. Au fond, à gauche, le château de Thoune. On remarquera la diversité des uniformes cantonaux.

Eidgenössisches Übungslager von Thun. Im Vordergrund besprechen sich Stabsoffiziere, während die Trup- pen vor ihren bataillonsweise aufge- stellten Zelten exerzieren. Links, im Hintergrund, das Schloss Thun. Man beachte die verschiedenen kantonalen Uniformen.

de retourner en France, offrir son bras à sa patrie qu’il croit en danger. Il s’entretient longuement de cette intention avec Dufour, qui parvient à l’en dissuader, relevant à ce propos la noblesse des sentiments qui animent son élève15. Renonçant ainsi à son projet, le Prince Louis demeure à Thoune, où, tout en observant les événements avec attention, comme il l’écrit à la Duchesse du Frioul qui séjourne alors à Berne, il se contente „de se mettre à leur hauteur en acquérant des connaissances utiles“16.

„Bonaparte est toujours avec nous, note Dufour le 16 août17, il fait la recon- naissance et remplace Rougemont18 comme trompette de la bande“, et, si le colonel ne porte aucune appréciation sur les talents musicaux de son subor- donné – peut-être par charité –, une certaine omelette „maison“ concoctée par l’aspirant Bonaparte quelque part dans la vallée de l’Entlebuch19 semble par con- tre lui avoir fait une impression durable... Peut-être même a-t-il regretté un instant de n’avoir pas, en son temps, fait figurer un livre de recettes sur la liste des lec- tures utiles recommandées à son futur élève … 15 Dufour à sa femme. Lettre du 10 août 1830. Tirée de: Chapuisat: op. cit. P. 81. Ces connaissances utiles qu’il a acquises à Thoune, le Prince Louis les met en 16 Lettre du 14 août 1830 à la Duchesse du Frioul. pratique dès son retour. Il expérimente, et les explosions de mines perturbent Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. P. 52. 17 Dufour à sa femme. Lettre du 16 août 1830. soudainement les accords du clavecin de la Reine Hortense: „J’ai fait dernière- Tiré de: Chapuisat: op. cit. P. 82. ment ici une fougasse pierrier20, […] j’y ai mis le feu avec une fusée comme à 18 Frédéric Constant de Rougemont (1808-1876); politicien neuchâtelois et diplomate prussien; Thoune, tout était fait dans les dimensions exactes […]“ écrit-il le 6 octobre 1830 membre du Grand Conseil et député à la Diète à Dufour21, peu avant son départ pour l’Italie, et nous sommes autorisés à (1831); Conseiller d’Etat (1841). croire que ce premier essai, peu concluant d’ailleurs, ne fut point le seul à venir 19 Plus précisément le 4 septembre 1830, à Tschangenau. Dufour à sa femme. Lettre du 9 troubler la sérénité d’Arenenberg. septembre 1830. Tirée de: Chapuisat: op. cit. P. 82-83. 20 Fourneau de mine placé au fond d’un puits et Durant son séjour à Florence, le Prince ne fera pas que de profiter des maux recouvert de pierres. divers qui accablent alors les membres de son entourage pour se livrer, si l’on 21 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 6 octobre 1830. Dans la version allemande de 22 en croit Ferdinand Bac, à maintes escapades galantes . Désireux de perfec- cette lettre, publiée par Kühn, ce passage n’a tionner ses connaissances militaires, il a emporté dans ses bagages les ouvra- pas été reproduit. Voir: Kühn: Selbstbildnis. P. 53. ges de l’Empereur, de Jomini, de Pelet et le Manuel des états-majors, qu’il ana- 22 Voir à ce propos: Bac, Ferdinand: Napoléon III lyse et dont, sur le conseil de Dufour, il extrait les maximes militaires les plus inconnu. Paris, 1932. P. 130-131.

36 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Page III de l’exemplaire du „Manuel Seite III des in der Bibliothek der d’Artillerie“ de Louis-Napoléon, Eidgenössischen Technischen conservé à la bibliothèque de l’Eco- Hochschule von Zürich aufbewahr- le Polytechnique Fédérale de ten Exemplars des von Louis- Zurich, et ayant appartenu à John Napoléon verfassten „Manuel Rüegger. En haut de page: une d’Artillerie“. Das Buch gehörte dédicace non signée de l’auteur, dem Genfer John Rüegger und suivie d’une intéressante remarque trägt neben einer handgeschriebe- manuscrite de Rüegger, dans nen Widmung des Autors (oben) laquelle il évoque son rôle dans la einen interessanten Kommentar genèse du „Manuel“. Rüeggers, in welchem er auf seine (Bibliothèque de l’EPFZ. P. Hunziker). Rolle bei der Entstehung des „Manuel“ hinweist. (ETH-Biblothek, Zürich. P. Hunziker).

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 37 précieuses. Sa soif de connaissances ne s’arrête pas là puisque, le 22 décembre 1830, il prie son „cher Colonel“ de lui faire parvenir tout autre ouvrage qui pour- rait lui être utile23. Une image qui contraste singulièrement avec celle du jeune homme volage, uniquement préoccupé par „la juponaille“24 …

Contrairement au souhait qu’il avait d’abord exprimé, Louis-Napoléon ne retour- nera pas à Thoune en 1831. Sa nature idéaliste et son côté conspirateur l’emportent sur la pondération disciplinée dont il avait fait preuve à l’Ecole Militaire, et nous le voyons partir en compagnie de son frère pour faire le coup de feu aux côtés des patriotes italiens.

C’est toutefois cette même année que, si nous en croyons le commentaire manus- crit apposé par un certain John Rüegger25 sur la page de garde de l’exemplaire du Manuel d’Artillerie conservé à la bibliothèque de l’Ecole Polytechnique Fédérale de Zürich, ledit John Rüegger aurait suggéré au prince Louis d’entre- prendre la rédaction de cet ouvrage – tâche à laquelle il travaillait lui-même depuis 1826, mais qu’il ne pouvait mener à terme en raison de ses fonctions de précepteur –, et, un fait tout aussi important, de prendre du service dans l’Armée suisse26.

Nous savons peu de choses sur la nature exacte des relations entre Louis- Napoléon et Rüegger, si ce n’est que les deux hommes se sont connus à Thoune, où Rüegger, officier d’artillerie, fonctionnait alors en qualité d’instruc- teur, et que ce dernier, également homme de lettres, fut l’hôte d’Arenenberg, où la Reine Hortense le fit « poète de la Reine ». L’érudit genevois semble avoir gar- dé un souvenir impérissable de ce séjour, qu’il évoquera encore longtemps dans sa correspondance avec son ami le pasteur vaudois Tarisse, alors en poste à l’Isle27.

Quoi qu’il en fût, l’idée de rédiger cet ouvrage remonte bel et bien à l’année 23 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 1831, puisqu’en janvier de l’année suivante, le Prince informe Dufour qu’il a 22 décembre 1830. l’intention de „faire un nouveau manuel d’artillerie extrêmement portatif“28. 24 Ferdinand Bac scripsit. Bac: Napoléon III. P. 131. 25 Jean, (dit John) Ruegger (1796-1868); homme Il nous est difficile de juger de l’avancement de ses travaux à cette date; de lettres et érudit genevois, précepteur des fils toujours est-il qu’il demande à son correspondant de lui faire parvenir un tableau du Prince de Fürstenberg; capitaine d’artillerie. 26 Voir à ce sujet: Reyniers: Un érudit méconnu: des probabilités d’atteinte des différents modèles de carabines en service en Napoléon III. In: Actes du quatre-vingt-quatriè- Suisse. me congrès national des sociétés savantes, Dijon 1959. Paris, 1960. P. 617-630. Il ne nous a pas été possible de retrouver la trace d’une éventuelle correspondance entre Rüegger et Louis-Napoléon. 27 Voir à ce sujet: Perrochon, Henri: Un correspon- „Je voudrais surtout être officier d’artillerie …“ dant cosmopolite d’un pasteur vaudois: John Rüegger. In: Revue Historique Vaudoise, septembre-octobre 1933. Lausanne, 1933. Si le Prince Louis a suivi les cours de l’Ecole de Thoune, c’est en qualité de volon- P. 277-297. taire du génie qu’il l’a fait, et c’est sans doute dans cette arme qu’il participe en 28 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 1832 pour la première fois au camp fédéral de manœuvres de Thoune, or, il a 16 janvier 1832. Il est très probable que Louis- Napoléon a commencé ses travaux en 1831 un souhait plus profond. Au début novembre 1832, à la veille de son départ pour déjà, puisqu’il fait allusion dans sa lettre à une Londres où son oncle Joseph le réclame, il en fait part à Dufour: „J’aurais le correspondance plus ancienne à ce sujet. 29 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du désir d’entrer dans les cadres de l’armée suisse (…) je voudrais surtout être offi- 7 novembre 1832. cier d’artillerie“29, et de révéler à son correspondant qu’il a même „fait un petit 30 Ibidem. 31 Au sujet de l’organisation militaire, des contin- 30 château en Espagne“ à ce sujet. La Thurgovie, sa terre d’accueil qui lui a octroyé gents fédéraux et de l’artillerie cantonale, voir: la bourgeoisie d’honneur il y a peu (30 avril 1832) ne possède pas d’artillerie?31 Fuhrer, Hans Rudolf; Loosli, Jean-Paul, Moser, Christian: La guerre du Sonderbund 1847. Qu’à cela ne tienne: on pourrait l’en doter! En lui offrant, par exemple, une demi- L’Histoire militaire sur le terrain. Cahier no 7. batterie qu’il faudra bien instruire et faire manœuvrer … Au, 1997.

38 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 „Napoléon Louis Bonaparte au canton de Thurgovie. 1834“ Gros plan de la culasse de l’un des deux canons de 6 livres offerts par le Prince Louis à son „canton d’origine“. (Commandement d’arrondissement Frauenfeld. Photo: Hans Rudolf Fuhrer, MILAK ETHZ. Octobre 2003).

„Napoléon Louis Bonaparte dem Canton Thurgau. 1834“. Detailaufnah- me von einer der beiden 6-Pfünder- Kanonen, die der Prinz Louis 1834 seinem „Heimatkanton“ schenkte. (Kreiskdo. Frauenfeld. Bild: Hans Rudolf Fuhrer, MILAK ETHZ. Oktober 2003).

Un an s’écoulera avant que le Prince ne mette son projet en exécution; il s’en ouvre tout d’abord au Dr. Kern32, notable thurgovien, et tous deux conviennent que Louis-Napoléon fera don au canton de Thurgovie de deux pièces d’artillerie en remerciement pour l’octroi du droit de bourgeoisie. Certes, si par ce geste il entend témoigner officiellement de sa reconnaissance envers „l’une des provinces les plus éclairées de la Suisse“33, il n’en oublie cependant pas ses désirs plus personnels: „(…) une fois qu’elles seront dans le pays 32 Johann Conrad Kern (1808-1888); politicien nul doute qu’on organise d’abord une demie compagnie“ qui, instruite et et diplomate; à l’époque membre du Grand Conseil thurgovien. De 1857 à 1883, Ministre conduite par ses soins, „(…) rivalisera avec celles de tous les autres cantons“ 34, plénipotentiaire de Suisse à Paris. confie-t-il à Dufour. 33 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 18 novembre 1833. 34 Ibidem. En sa qualité d’exilé, le Prince peut difficilement passer lui-même commande 35 Marie-Hyppolite Guelly, comte, puis marquis de Rumigny; (1784-1871); ambassadeur de France de ces pièces auprès de la fonderie de Strasbourg, et c’est Dufour qui est char- auprès de Confédération de mars 1832 à avril gé d’effectuer les démarches nécessaires auprès du comte de Rumigny35, ambas- 1835. sadeur de France en Suisse, afin de pourvoir la Thurgovie de „deux pièces de 36 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Dufour au comte de Rumigny. Lettre du 27 décembre 1833. canon du calibre de 6 lb avec leurs caissons et tout leur attirail“36. Ces deux pièces sont actuellement conservées à l’arsenal de Frauenfeld (Thurgovie). Selon une communication orale de Mr. D. Güggel, conservateur du Musée Napoléon, les pour- parlers en vue de leur transfert à Arenenberg seraient en voie d’aboutir. 37 „An Napoleon Ludwig Bonaparte, Artillerie- „(…) Napoléon-Louis Bonaparte, capitaine d’artillerie hauptmann zu Arenenberg, im Kanton Thurgau“; 37 texte original de l’adresse de la lettre envoyée à Arenenberg, canton de Thurgovie“ le 7 juillet 1834 au Prince Louis par le Conseil d’Etat bernois. Tirée de: Blösch, Emil (éd.): En attendant de pouvoir mener „sa“ demi-batterie et sans doute désireux de Berner Taschenbuch auf das Jahr 1881. Berne, 1881. P. 224-225. mettre ses connaissances en pratique et d’exercer ce métier d’officier d’artil- 38 Franz Karl von Tavel (1801-1865); conseiller lerie qui l’attire tant durant le prochain camp fédéral de manœuvres de d’Etat bernois et 1er Représentant à la Diète 38 (1832); président de la Diète (1835) et avoyer Thoune, le Prince Louis s’adresse, le 18 juin 1834, à Mr de Tavel , président du de Berne (1835,1837, 1843 et 1846). Conseil militaire du canton de Berne, pour lui demander „(…) la permission de 39 Louis-Napoléon Bonaparte à Mr De Tavel. Lettre du 18 juin 1834. Citée dans: Blösch: Berner faire pendant tout le temps que dureront les manœuvres, le service d’officier Taschenbuch. P. 222-223. d’artillerie“39. A nouveau, ainsi qu’il l’avait fait lors de ses précédents services,

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 39 c’est en qualité de volontaire qu’il demande à faire partie du contingent berno- is, ne sollicitant aucun grade précis et ne se prévalant que de son intérêt per- sonnel pour l’artillerie, de ses sympathies pour la République de Berne et de son attachement à la Suisse.

Le Conseil d’Etat bernois donnera suite à sa requête le 7 juillet, avisant son Dépar- tement militaire par une notice40 de transmettre pour signature à la Chancelle- rie d’Etat le brevet de capitaine d’artillerie destiné au prince, et de communiquer cette décision à l’Etat-major d’artillerie, en précisant qu’à dater de ce jour, il convient de lui donner le titre correspondant. Parallèlement, le même Conseil d’Etat, remerciant le nouveau promu pour „cette nouvelle preuve d’attachement à la Suisse et plus particulièrement à notre canton“41, lui adressera directement ses félicitations.

Ainsi, le souhait de Louis-Napoléon Bonaparte, bourgeois de Salenstein, can- ton de Thurgovie, est-il réalisé: le voici désormais officier d’artillerie; capitaine honoraire au régiment de Berne.

Il nous semble judicieux de nous attarder plus d’un instant sur cette promotion. Pour quelles raisons, comme en fait expressément mention le brevet octroyé au Prince, ne fut-il promu qu’à titre honoraire? Ne faut-il voir dans ce fait que l’expression d’une faveur accordée par le Gouvernement bernois, fier d’accueil- lir dans les rangs de sa milice une personnalité certes célèbre, mais dont les qualifications militaires ne justifieraient aucunement une promotion de plein droit? Une telle interprétation ne saurait être que tendancieuse et omettrait de tenir compte de certaines particularités de l’organisation militaire et du fédéra- lisme helvétique tels qu’on les concevait alors42. En effet, si le Prince Louis était bien citoyen du canton de Thurgovie, il n’était par contre pas sujet bernois, de ce fait, le Conseil d’Etat bernois pouvait difficilement accorder à un ressortis- sant „étranger“43 une promotion de plein droit, dont seuls pouvaient bénéficier les citoyens de la République de Berne. Il convenait donc de trouver une solu- tion permettant de donner satisfaction à la requête du Prince tout en respectant les prescriptions en vigueur, d’où cette nomination à titre honoraire. 40 „Zedel an das Militair-Departement“ [Notice au Département militaire] du 7 juillet 1834. Tirée Le nouveau capitaine ne manque pas de remercier le Gouvernement bernois de: Blösch: Berner Taschenbuch. P. 224. pour son geste. Il lui adresse un message44 qui est lu lors de la séance du 41 Voir remarque no 39. Conseil d’Etat du 17 juillet 1834, et dont l’un des membres, le Dr. Schnell45, relè- 42 Les 22 cantons formant la Confédération d’alors étaient, de fait, autant d’Etats souverains et vera les accents „véritablement radicaux“. Sur le chemin de Thoune, Louis- indépendants, ayant chacun son système de Napoléon s’arrête à Berne, où il est reçu par le Gouvernement in corpore avant poids et mesures, sa monnaie, etc…, séparés entre eux par des douanes intérieures. Les que d’être l’hôte du chef du Département militaire, puis du corps des officiers „milices cantonales“ sont donc à considérer qui lui offrent un banquet. comme autant d’„armées nationales“. 43 Et qui, de plus, l’était à double titre, Louis- Napoléon n’ayant pas renoncé à la nationalité Ces courtes réjouissances font rapidement place aux réalités de la vie militaire. française, ce qui compliquait encore plus Deux mois durant, le capitaine Bonaparte campe aux environs de Thoune; debout l’affaire. 44 Il semble que les Archives d’Etat du canton de dès cinq heures du matin, il ne se couche que tard le soir, dormant sur de la Berne n’aient pas conservé cette missive, nos paille. Ses supérieurs hiérarchiques semblent tout d’abord avoir manifesté une recherches à ce sujet étant demeurées vaines. Son existence est toutefois attestée par une certaine hostilité à l’égard du nouveau promu et n’avoir pas ménagé leurs cri- lettre du Dr. Schnell à son frère. Voir: Blösch: tiques. Mais, comme il le confie au baron Desportes le 10 octobre46, il redoubla Berner Taschenbuch. P. 225. 45 Karl Schnell (1786-1844); juriste et homme poli- de zèle, tant et si bien que finalement tous durent lui rendre justice. Ses subor- tique bernois d’obédience libérale-radicale; donnés, soldats et officiers lui témoignent par contre d’emblée une grande Conseiller d’Etat de 1833 à 1834, puis de 1837 à 1838. sympathie et l’accueillent à bras ouverts, une attitude qui, plus d’une fois, 46 Lettre du 10 octobre 1834 au baron Desportes. toucha profondément le Prince Louis. Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. P. 121-122.

40 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Ce sont-là les seuls renseignements dont nous disposons pour illustrer les pre- miers pas du capitaine Bonaparte dans sa carrière d’officier d’artillerie. Nous ne pouvons affirmer avec certitude quelle fut la fonction qu’il assuma durant ces semaines de manœuvres, mais il est fort probable qu’il y commanda une bat- terie: „(…) j’y ai accompli le service de mon nouveau rang, qui est, comme vous le savez peut-être, celui d’un capitaine d’artillerie de la République de Berne“, écrit-il à ce propos, non sans une certaine fierté, à l’une de ses con- naissances47.

Le capitaine Louis-Napoléon Bonaparte à Thoune durant le camp de manoeuvres de 1834. Le jeune prince – il est alors âgé de 26 ans – revêt l’uniforme de l’artillerie bernoise et monte fièrement à la tête de sa batterie, dont on aperçoit l’une des pièces à l’arrière-plan, à droite. (Aquarelle de Félix Cottreau. 1834. Original: Musée Napoléon, Arenenberg. Tirée de: Grellet: Hortense. P. 160-161).

Der Hauptmann Louis-Napoleon Bonaparte während des eidgenössischen Übungslagers von 1834 in Thun. Der junge Prinz – er war damals 26-jährig – trägt die Uniform der Berner Artillerie und reitet stolz an der Spitze seiner Batterie, von der ein Geschütz im Hintergrund rechts abgebildet ist. (Aquarell von Félix Cottreau. 1834. Original: Napoleon-Museum, Arenen- berg. Aus: Grellet: Hortense. S. 160-161).

Cependant, son père désapprouve cet engagement et en fait reproche au Prince, qui lui répond le 28 novembre 1834 d’Arenenberg: „(…) Je trouve que vous avez raison, lorsque vous me dites que l’on ne doit jamais servir des pays étrangers“, lui écrit-il, „mais c’est une grande différence, si l’on participe aux exercices et aux travaux de citoyens libres, qui n’ont pour seul but que de défen- dre leur patrie (…), ou si l’on est placé sous le commandement permanent d’un seul chef au sein d’une troupe régulière. Dans le premier cas, on ne s’instruit qu’au milieu d’amis, dans le second, on renonce à sa dignité humaine“48. Après tout, Louis-Napoléon n’est-il pas citoyen thurgovien depuis plus d’un an, et, à ce titre, le seul grief que nous pourrions lui faire serait celui de servir un canton „étranger“ … Nous n’aurons toutefois pas cette étroitesse d’esprit.

Durant cette année, le prince travaille assidûment à la rédaction de son futur Manuel d’Artillerie, une tâche qui, comme il le confie au baron Desportes, l’ab- sorbe au point de lui ôter l’appétit et, ce qui est encore plus extraordinaire, de 47 Lettre du 10 janvier 1835 à G.G. Mirandoli. Tirée 49 de: Kühn: Selbstbildnis. P. 131. lui faire négliger ses amis … Il semble avoir consacré à ce labeur une bonne 48 Lettre du 28 novembre 1834 au Roi Louis. Tirée partie de l’année, n’interrompant ses travaux que pour effectuer un bref séjour de: Kühn: Selbstbildnis. P. 120. 49 Lettre du 17 janvier 1834 au baron Desportes. à Baden, en juin, accompagnant la Reine Hortense qui allait y prendre les eaux, Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. P. 112. et pour participer au camp de manœuvres de Thoune.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 41 Son œuvre progresse lentement, mais il ne s’en émeut pas outre mesure car, écrit-il à son retour de Baden, „(…) il est impossible de travailler à la fois vite et bien“50. Il s’y consacre de toutes ses forces, priant à plusieurs reprises ses con- naissances, tant en France qu’en Suisse, de lui procurer tel ou tel ouvrage de référence ou de lui fournir les indications qui lui font encore défaut. L’année 1834 s’achève dans cette atmosphère laborieuse qui marquera encore l’année suivante.

Plusieurs mois s’écoulent au cours desquels Louis-Napoléon ne cesse de tra- vailler et de rassembler le matériel nécessaire pour parachever son œuvre. A la fin juillet encore, alors qu’il a presque terminé ses travaux mathématiques et qu’il espère recevoir les premières épreuves de son manuel dans un peu plus d’un mois, se réjouissant à la fois de l’œuvre accomplie et de la perspective de pouvoir à nouveau consacrer plus de temps à ses correspondances, il prie l’une de ses relations de lui procurer des extraits de plusieurs ouvrages afin de compléter la partie historique de ses travaux51.

Le Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique, par le Prince Napoléon-Louis Bonaparte, capitaine au régiment d’artillerie du canton de Berne paraît enfin au début de l’année 1836. Comme il l’a bien souvent fait de par le passé, – et le fera encore par la suite –, le Prince Louis ne manque pas à cette occasion de faire appel à son „cher Colonel“; cet- te fois-ci non plus pour procurer des canons à la Thurgovie mais, plus prosaï- quement, pour faire paraître quelques annonces publicitaires dans la presse de Suisse romande …52

Le capitaine Bonaparte, comme on le nomme familièrement en Suisse, accom- plit son dernier service dans les rangs des milices bernoises durant cette même année 1836, avant que de se lancer dans la célèbre équipée de Strasbourg. Après son échec, interrogé sur sa profession, il répondra: „capitaine d’artillerie au régi- ment de Berne» … Cette profession du prince-conspirateur malchanceux, l’Em- pereur des Français au zénith de sa gloire ne s’en démentira pas, puisque, bien des années plus tard, visitant Arenenberg en août 1865, c’est „(…) un certain manteau d’uniforme d’artillerie suisse qu’il possédait depuis sa prime jeunes- se et que Léon, son valet de chambre, devait emmener partout avec lui“53 qu’il montrera, non sans malice, à son entourage. Celui du capitaine Bonaparte.

Bilan

50 Lettre du 23 juin 1834 au baron Desportes. Tirée En regard d’une destinée dont les étapes ultérieures auront pour nom les de: Kühn: Selbstbildnis. P. 119-120. 51 Lettre du 28 juillet 1835 à Alexandre Buchon. Tuileries ou Sedan, la carrière du capitaine Louis-Napoléon Bonaparte, officier Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. P. 136. Il s’agit des d’artillerie des milices bernoises, ne présente aucun élément spectaculaire ou ouvrages de d’Aubigné et de Victor Palma, dont dramatique. Elle est comparable, toutes proportions gardées, à celle qu’au- il n’a visiblement tiré aucune information com- plémentaire, puisqu’il ne cite pas ces deux jourd’hui encore traverse tout officier d’artillerie helvétique: Ecole d’officiers, auteurs parmi ses sources. services d’instruction des formations – version contemporaine du camp fédéral 52 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 18 janvier 1836. Plus précisément dans la Gazette de manoeuvres de Thoune –, services d’avancement et Stage de formation au de Lausanne et L’Helvétie, un journal paraissant commandement I, pour finalement accéder au grade de capitaine. Nous faut-il alors à Porrentruy. 53 Carette, A. de: Erinnerungen aus den Tuilerien. de ce fait ne la considérer que comme une sorte de parenthèse biographique Traduction allemande par E. von Adlersfeld. sans grand intérêt? – Nous ne le pensons pas. Le capitaine Bonaparte et 2 Vol. Breslau, 1890. Vol. 2. P 98-s.

42 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 l’Empereur Napoléon III sont une seule et même personne; ignorer le premier pour ne nous attacher qu’au second nous fait courir le risque de ne voir en lui que le jeune prétendant volage et dissipé, ce carbonaro idéaliste qui entre deux complots ne quitte une alcôve italienne que pour en rejoindre une autre, que certains auteurs se plaisent à nous décrire. Certes, il n’y a pas de fumée sans feu, dit-on, mais Louis-Napoléon Bonaparte ne fut pas que ce jeune homme-là. Il fut également l’artilleur Bonaparte, discipliné, modeste, austère même, auto- didacte acharné au travail et avide d’apprendre, des traits de caractère qui, de tous temps, ne firent jamais les beaux jours de la presse à scandale …

En décrivant la carrière militaire suisse du Prince Louis, nous avons voulu non pas donner de lui une nouvelle image, mais bien plutôt contribuer à faire découvrir un autre „Napoléon III inconnu“ que celui que nous dévoile Ferdinand Bac, et avec lui nombre d’auteurs. De par son thème, notre étude ne saurait remplacer une biographie fondée et complète, traitant en détails de tous les aspects de ses années d’exil helvétique. Ce travail reste à accomplir, et nous espérons qu’il se fera un jour.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 43 Sources non publiées Littérature et sources Archives Dufour. Fonds Reverdin: Correspondance de Louis-Napoléon Bona- parte; lettres au général Dufour: 1829-1872.

Sources publiées Blösch, Emil (éd.): Berner Taschenbuch auf das Jahr 1881. Bern, 1881. Bonaparte, Napoléon-Louis: Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artil- lerie de la République Helvétique. Zürich, Strasbourg, Paris, 1836. Kühn, Joachim: Napoleon III: Ein Selbstbildnis in ungedruckten und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993.

Littérature Bac, Ferdinand: Napoléon III inconnu. Paris, 1932. Chapuisat, Edouard: Le Général Dufour 1787-1875. Lausanne, 1935. Fuhrer, Hans Rudolf (éd.); Loosli, Jean-Paul, Moser, Christian: La guerre du Sonderbund 1847. L’Histoire militaire dans le terrain. Cahier no 7. Au, 1997. Kdo der Zentralschulen (éd.): Kaderschmiede-Kaderschule. Von der Eidgenös- sischen Central-Militärschule zu den Stabs- und Kommandantenschulen in Luzern 1819-1995. Berne, 1995. Pedrazzini, Dominic M.: Guillaume-Henri Dufour et les Bonaparte. Tiré à part de: Guillaume-Henri Dufour dans son temps, 1787-1875. Genève, 1991. P. 63-76. Pedrazzini, Dominic M.: Louis-Napoléon et Dufour à Thoune. Exposé présenté devant les membres de l’Association suisse d’histoire et de sciences mili- taires, à Lucerne, le 1er mai 1997. Version revue et augmentée de l’article paru dans: Revue du Souvenir Napoléonien, no 289 (sept. 1976). Perrochon, Henri: Un correspondant cosmopolite d’un pasteur vaudois. In: Revue Historique Vaudoise, septembre-octobre 1933. Lausanne, 1933. P. 277-297. Reyniers (col): Un érudit méconnu: Napoléon III. In: Actes du quatre-vingt- quatrième congrès national des sociétés savantes, Dijon 1959. Paris, 1960. P. 617-630. Schoop, Albert: Johann Konrad Kern. Jurist, Politiker, Staatsmann. 2 vol. Frauenfeld, 1968.

44 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Autor Hans Rudolf Fuhrer PD Dr. phil Geboren am 9.5.1941 Heimatort: Winterthur und Trubschachen/BE Dozent für allgemeine und schweizerische Militärgeschichte MILAK/ETHZ; PD Universität Zürich für schweizerische Militärgeschichte

Berufliche Laufbahn

1961-1965 1961-1965 Primarlehrer 1968-1982 Sekundarlehrer, Turnlehrer ETH, Turndidaktik Sekundar- und Fachlehrerausbildung (SFA) an der Universität Zürich 1982 Doktorat, Dissertation: „Spionage gegen die Schweiz. Die geheimen deutschen Nachrichtendienste gegen die Schweiz im Zweiten Weltkrieg 1939-1945“, Frauenfeld 1982 1982-1989 Seminarlehrer SFA Universität Zürich seit 1990 Dozent für Militärgeschichte an der Militärischen Führungs- schule bzw. Militärakademie an der ETH Zürich 1995 Habilitation „Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg. Bedrohung, Landesverteidigung und Landesbefestigung“, Zürich 2003, 3. Auflage

Militärischer Grad

Oberst a.D. zuletzt Kdt Mot Inf Rgt 25, Militärwissenschaftliche Arbeitsgruppe des Chefs Heer (MWA)

Weitere Tätigkeiten

Vorstandsmitglied der Schweizerischen Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaft (SVMM); Vorstandsmitglied der Gesellschaft Militär- historischer Studienreisen (GMS); Mitglied verschiedener historischer Vereinigungen; Stiftungsratspräsident der Psychiatrischen Klinik Hohenegg, Meilen; Mitglied der Kantorei Meilen

Weitere Publikationen (Auswahl)

Dokumentation „Militärgeschichte zum Anfassen“ zur schweizerischen Militärgeschichte, bis heute 17 Studien erschienen in Deutsch, Französisch und Italienisch; Die Geschichte der schweizerischen Landesbefestigung, Zürich 1992; General Ulrich Wille. Den einen Vorbild – den andern Feindbild, Zürich 2003; diverse Beiträge in der Fachliteratur und Fachzeitschriften zur allgemeinen und schweizerischen Militärgeschichte

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 45 46 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Zusammenfassung

Auf Veranlassung seiner Schweizer Freunde begann Louis-Napoléon Bonapar- te Ende 1831 mit der Arbeit an einem Handbuch für Artillerieoffiziere, am künf- tigen Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique. Er hatte die Absicht, sämtliche, für die damaligen Artilleristen unent- behrlichen Kenntnisse in einer kompakten, handlichen und felddienstauglichen Form zusammenzufassen. Bedenkt man, dass die Redaktion dieses in französi- scher Sprache erschienenen Behelfes sieben Jahre beanspruchte, war dies ein recht kühnes Vorhaben. Als der Prinz 1831 mit der Suche nach Quellen und Informationen verschiede- ner Art begann, wurde seine Tätigkeit einerseits durch sein Kriegsabenteuer in Italien und anderseits durch die Arbeiten an seinen Politischen und militärischen Betrachtungen über die Schweiz, welche 1833 erschienen, unterbrochen. Erst ab Ende 1833 widmete er den grössten Teil seiner Arbeitszeit der Redaktion des Manuel. Aus dieser Periode wissen wir, dass seine Arbeit ihn so sehr in Anspruch nahm, dass er die Mahlzeiten vergass und seine Korrespondenz mit seinen Bekannten vernachlässigte. Sein Arbeitseifer war sogar so stark, dass seine besorgte Mutter, Königin Hortense, ernsthaft mit dem Gedanken spielte, ihn während zwei Monaten nach Genf mit in den Urlaub zu nehmen, sozusagen um ihn „abzulenken“, wie sie damals schrieb.

Ende 1835 konnte der Prinz seine Arbeit abschliessen. Kurz vor der Herausga- be, die meisten Bögen waren bereits gedruckt, fand er noch ergänzende Infor- mationen, was die Veröffentlichung verzögerte. 1936 kam das 528-seitige Manuel auf den Markt. In der Schweiz wie in Frankreich wurde das Buch in den interes- sierten Kreisen mit Begeisterung aufgenommen. Allerdings dürfte dabei die poli- tische Lage in Frankreich auch eine Rolle gespielt haben: Jedes öffentliche Lob für die Arbeit eines Bonaparte wurde von den Monarchisten als Provokation empfunden. Eine so günstige Gelegenheit liessen sich die Bonapartisten und Liberalen selbstverständlich nicht entgehen. Die hervorragende Qualität des Manuel rechtfertigt jedoch heute noch jedes Lob.

Das Werk ist in der Tat eine echte Taschenenzyklopädie für Artillerieoffiziere und eine wahre Fundgrube für Historiker und Artilleriespezialisten. Nach einem kur- zen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Waffe, werden die Geschüt- ze, die Fahrzeuge und das sonstige Material der Feld- und Positionsartillerie bis ins Detail vorgestellt; zahlreiche Abbildungen, von Louis-Napoléon selber gezeich- net, ergänzen den Text. Wer das Buch studiert hat, weiss nach der Lektüre nicht nur, in welcher Kiste er auf dem Batteriewagen einen Zirkel finden kann, son- dern ist in der Lage, jedes vorgestellte Geschützmodell zu bedienen, die Muni- tion selber herzustellen und die mathematischen Grundlagen des Schiessens praktisch anzuwenden. Wer noch mehr erfahren möchte, wird in den beigeleg- ten Tabellen, Tafeln, Bauanleitungen, usw. allerlei Entdeckungen machen kön- nen: Der Bau von Feldbacköfen, die Streuung eines 12-Pfünders, das korrekte Ausfüllen einiger der für die damaligen Artilleristen wichtigsten Formulare usw.. Dabei ist es empfehlenswert, sich auch für die beigelegte Bibliographie zu inter- essieren, denn die darin aufgeführten Arbeiten zeigen die Breite der For- schungsarbeit Louis-Napoléons. Wer das Manuel aufschlägt, begibt sich in doppelter Hinsicht auf eine Entdec- kungsreise, denn er wird nicht nur die Artillerie von 1836 entdecken, sondern auch den Autor kennenlernen: Louis-Napoléon Bonaparte, Artilleriehauptmann der Berner Miliz, wohnhaft in Arenenberg, im Kanton Thurgau ... den man damals noch nicht Napoléon III nannte.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 47 Summary

Towards the end of 1831, as a result of the encouragement of his Swiss friends, Louis-Napoléon Bonaparte began work on a Manual for artillery officers, which was to become the „Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Hevétique“. His intention was to integrate all the so-called indispensable knowledge and know-how needed by an artilleryman into a form that was compact, handy and suitable for use in the field. It was a rather daring project when one considers the seven years that it took to write this Manual in French.

In 1831 the prince began to look for all kinds of sources and information. He was however interrupted on the one hand by his war adventures in Italy and on the other hand by his Political and Military Thoughts on Switzerland published in 1833. Only towards the end of 1833 did he start to dedicate most of his energy toward the editing of the Manual. It is well known that during this period he was so preoccupied with his work that he often forgot to eat and neglected his cor- respondences with his friends. His zeal was so great that his worried mother, queen Hortense, seriously considered taking him on a two-month holiday to Geneva in order to distract him from his work.

The prince finished his work at the end of 1835. When most of the galley proofs had already been printed, he found additional information, which further delayed publication. In 1836 the 528-page Manual was put on the market and was enthusiastically received both in Switzerland and in France. The political situation in France may have played an important role. Any compliment paid to Louis-Napoléon Bonaparte’s work was taken as a form of provocation by the monarchists. Neither the Bonapartists nor the Liberals failed to take advantage of such a good occasion. The excellent quality of the Manual deserves praise even today.

The work is indeed an excellent pocket encyclopaedia for artillery officers as well as a real goldmine for historians and artillery experts. The Manual gives a short survey of the historical development of the artillery, describes in great detail the weapons, vehicles and other material of the field artillery and the static artil- lery firing positions. Many of the illustrations were drawn by Louis-Napoléon himself to complement the text. After reading the text anybody would know in which box on the battery wagon a compass was to be found, how to operate any of the described cannon types or how to make ammunition on his own or how to apply the mathematical basis for the firing itself. He who would like to find out more can make all kinds of discoveries in the enclosed tables, illustra- tions, construction plans, etc. The artillerist can learn such things as the con- struction of a field bakery, the dispersion error of a 12-pounder as well as the correct filling in of some of the most important forms. Looking at the enclosed bibliography one sees the full scope of Louis-Napoléon’s research.

Anyone who opens the Manual goes on a twofold expedition. Not only does he get to discover the artillery of 1836 but he also gets to know the author Louis- Napoléon Bonaparte, the Bernese Militia artillery captain living in Arenenberg, in the Canton of Thurgau who later was to be called Napoléon III.

48 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Le Manuel d’Artillerie de Louis-Napoléon Bonaparte

Introduction

Issu du désir qu’a Louis-Napoléon Bonaparte, capitaine d’artillerie au Régiment de Berne, de présenter sous une forme compacte et aisément maniable l’en- semble des connaissances tactiques et techniques indispensables à l’artilleur d’alors, et rédigé à l’instigation de ses camarades de l’Ecole de Thoune – et plus particulièrement, semble-t-il, à celle du capitaine genevois Jean (dit John) Rüegger – qui voulaient ainsi le dissuader de retourner dans sa patrie alors secouée par le Révolution de Juillet, le Manuel d’Artillerie à l’Usage des Jean-Paul Loosli Officiers d’Artillerie de la République Helvétique1 paraît au début de l’année 1836.

Tant sur le plan du contenu que sur celui de la forme, ce livre de 528 pages, dédié aux officiers de l’Ecole d’application de Thoune, connut rapidement un grand succès en Suisse, venant ainsi récompenser cinq années de recherches et de travail.

La bibliographie intégrée dans l’ouvrage – un procédé encore inhabituel à cet- te époque – ne recense en effet pas moins de 63 traités ou articles de référen- ce2 parus entre 1771 et 1836, parmi lesquels 38 émanent d’auteurs francopho- nes, français ou suisses, et 25 d’auteurs allemands ou anglais, cela sans compter les nombreux renseignements, généralement d’ordre technique ou historique, collectés pour la circonstance par Louis-Napoléon auprès de ses connaissances

Frontispice du Manuel ayant appartenu à John Rüegger. Au-dessous de la mention du grade et du nom de l’auteur, Rüegger, soucieux de précision – il a systématiquement corrigé les quelques fautes d’impression contenues dans l’ouvrage –, a ajouté la remarque: „passé Empereur“. Ce qui nous permet de déduire qu’il a conservé cet exemplaire au-delà de 1852, probablement jusqu’à sa mort, en 1868. (Bibliothèque de l’EPFZ. P. Hunziker).

Titelblatt von John Rüeggers Exemplar des „Manuel“. Die handschriftliche Ergänzung „passé Empereur“ [lit.: „zum Kaiser befördert“] stammt von Rüegger, der ebenfalls sämtliche noch vorhandene Druckfehler akribisch korrigiert hat. Daraus können wir schliessen, dass er das Buch noch nach 1852 besessen hat; vermutlich bis zu seinem Tode im Jahre 1868. (Bibliothek der ETH Zürich. P. Hunziker).

1 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la Répu- blique Helvétique. Zürich, Paris, Strasbourg, 1836. 2 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. III-V.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 49 suisses ou françaises, parmi lesquelles Guillaume-Henri Dufour, qui ne fut pas le moins sollicité, côtoie le „fuséen“ genevois Pictet3, le scientifique français Alexandre Buchon4 ou encore un certain capitaine Huber, spécialiste des ques- tions de comptabilité de la troupe.

Ainsi que l’annonce l’auteur dans son avant-propos, le Manuel se veut avant tout un ouvrage pratique, et son contenu reflète cette destination première, même si les notions purement théoriques, par exemple dans le domaine de la balistique extérieure, n’en sont cependant pas bannies. Délaissant toutefois les grands développements mathématiques, Louis-Napoléon se limite à fournir les outils simples – et bien souvent oubliés de nos jours – permettant de réduire dans une certaine mesure la forte proportion d’empirisme qui caractérise à cet- te époque l’exercice de l’art de l’artilleur. Remarquons au passage à ce propos que ces quelques connaissances mathématiques exigées de l’artilleur de 1836 risqueraient fort de plonger dans l’embarras plus d’un de nos contemporains. Que le lecteur peu enclin aux mathématiques se rassure toutefois, nous ne traiterons pas plus en détails ce chapitre du Manuel, notre propos étant d’en évoquer la genèse et de donner un bref aperçu de son contenu.

Genèse et réception du Manuel

Contrairement à ce qu’affirme Louis-Napoléon dans son avant-propos5, le Manuel n’est pas le fruit de deux années de labeur, puisque c’est en janvier 1832 déjà qu’il évoque son projet dans une lettre adressée à Dufour6.

Tout semble indiquer qu’à cette date ses travaux ont débuté depuis quelques temps déjà, et qu’il s’occupe à collecter diverses informations d’ordre techni- que, sa demande de renseignements portant en effet sur la probabilité d’atteinte des carabines suisses, à laquelle il consacrera une tabelle intégrée au paragra- phe de son ouvrage consacré aux armes portatives7. Toutefois, la rédaction du Manuel a été momentanément délaissée peu de temps après, vraisemblable- ment au profit de celle des Considérations politiques et militaires sur la Suisse8, qui paraîtront dans le courant de l’année suivante. C’est en tout cas ce que nous 3 Adolphe Pictet (1799-1875). Homme de lettres permet de déduire le contenu d’un passage d’une lettre adressée à Dufour en et officier d’artillerie genevois. Expérimenta avec les fusées de guerre. date du 7 novembre 18329, dans laquelle Louis-Napoléon parle d’un ouvrage 4 Jean-Alexandre Buchon (1791-1846). Historien qu’il vient d’achever. Bien qu’il n’en mentionnât pas expressément le titre, il est et éditeur français. 5 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. III. fort probable qu’il faisait là allusion aux Considérations. Sur le plan chronolo- 6 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du gique, cette hypothèse est parfaitement plausible, puisque les Rêveries politi- 18 janvier 1832. Les copies de cette correspon- dance, partiellement inédite, ont été très ques paraissent en effet bien plus tôt. aimablement mises à notre disposition par Mr le colonel Dominic M. Pedrazzini, chef des Nous retrouvons également, sans plus de précisions, la mention de l’achève- Services généraux de la Bibliothèque militaire fédérale à Berne, que nous remercions ici ment d’un ouvrage dans une lettre du 12 juillet 1833, qui nous apprend par chaleureusement. la même occasion que Louis-Napoléon s’occupe présentement à rassembler 7 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 477-478. 8 Bonaparte, Louis-Napoléon: Politische und les sources qui serviront de base lors de la rédaction de ce qui deviendra plus militärische Betrachtungen über die Schweiz. tard la seconde et la troisième partie du Manuel10. La conception générale de Zürich, 1833. 9 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du l’ouvrage, articulé en une partie historique, une partie technique et une partie 7 novembre 1832. théorique, ces deux dernières adaptées aux besoins spécifiques des artilleurs 10 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 12 juillet 1833. Il est question des règlements helvétiques, semble avoir été définitivement arrêtée quelques mois plus tard, d’artillerie suisses, que Louis-Napoléon prie époque à laquelle le Prince Louis a également entamé les travaux de rédaction Dufour de lui faire parvenir.

50 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 proprement dits, qu’il mène conjointement avec la recherche de matériel devant servir à illustrer la partie technique11.

C’est toutefois à partir du début de l’année 1834 que le Prince Louis consacrera, et cela durant près de deux ans, la plus grande partie de son temps à la pré- paration et à l’achèvement de son Manuel. Comme il l’écrit lui-même, son ouvrage avance lentement, mais il s’y consacre avec acharnement, oubliant même et l’heure des repas, et ses devoirs envers ses amis12... Plus encore: il relè- gue au second rang de ses priorités les projets matrimoniaux nourris à son égard par la Reine Hortense et l’abbé Bertrand, son ancien précepteur; „(...) il devait vous répondre ses idées là-dessus, et s’il ne l’a pas encore fait, c’est qu’il tra- vaille jour et nuit à son ouvrage sur l’artillerie (...)“13, écrit la Reine Hortense le 3 janvier 1834, soucieuse sans doute de rassurer – et surtout de faire patien- ter – son correspondant ...

Seule une brève cure à Baden, au mois de juin, viendra interrompre les travaux au Manuel. Les informations précises nous font défaut quant à l’avancement de l’ouvrage à la fin de 1834. Nous savons cependant qu’au début de l’année suivante le Prince Louis se consacre à la rédaction de ce qui deviendra la troi- sième partie du livre et portera le titre de: Théorie de tir des bouches à feu14. „Toujours des calculs, toujours des mathématiques ...“15, ne peut s’empêcher de constater la Reine Hortense, un peu inquiète de l’excessive ardeur au travail de son fils. 11 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du 18 novembre 1833. A cette époque, l’imprimeur a déjà livré les premières épreuves des chapitres 12 Louis-Napoléon au baron Desportes. Lettre du 17 janvier 1834. Tirée de: Kühn, Joachim: achevés. Il semble que leur correction ait nécessité un surcroît de travail dont Napoleon III: Ein Selbstbildnis in ungedruckten l’auteur se serait volontiers passé. Sa mère, elle, décidément de plus en plus und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993. P. 112. soucieuse en raison de l’acharnement du prince, songe sérieusement à effec- 13 Hortense à l’abbé Bertrand. Lettre du 3 janvier tuer un séjour de deux mois à Genève „pour le distraire“16... 1834. Tirée de: Méneval: Lettres de la Reine Hortense et de son fils la Prince Louis-Napoléon à l’abbé Bertrand, ancien aumônier de cette A la fin juin, l’achèvement de l’ouvrage est imminent, et seuls des motifs princesse. In: Revue d’Histoire Diplomatique. d’ordre technique semblent en différer la parution: „mon ouvrage sur l’artille- Paris, 1923. P. 284. 14 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 169-234. rie est presque terminé, si ce n’est que l’imprimeur en retarde encore la publi- 15 Hortense à l’abbé Bertrand. Lettre du 30 janvier cation de quelques semaines“17, écrit Louis-Napoléon à ce propos au baron 1835. Tirée de: Méneval: op. cit. P. 294 18 16 Ibidem. Desportes le 21 juin 1835. 17 Louis-Napoléon au baron Desportes. Lettre du 21 juin 1835. Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. En attendant, le Prince Louis met la dernière main à la partie historique de son P. 136. 18 Nicolas Félix Desportes (1763-1849). Fils oeuvre, recherchant inlassablement des informations supplémentaires. Alors d’épicier et avocat lorsqu’éclate la Révolution. même qu’il escompte recevoir sous peu les derniers tirages, il prie en effet Emprisonné après la chute de Danton, il est sauvé par le coup d’Etat du 9 Thermidor. Occu- Alexandre Buchon de lui faire parvenir des extraits des ouvrages de d’Aubigné pe différents postes administratifs et diplomati- et de Victor Palma19, sans doute dans l’intention de les confronter avec ses ques sous l’Empire et sert tour à tour Napoléon et Louis XVIII. Exilé en Allemagne à la fin des propres travaux. Dans ce cas précis, nous savons que ces deux auteurs ne lui Cent-Jours, il retournera mourir obscurément fourniront aucun complément, leurs oeuvres20 ne figurant pas dans la biblio- en France, après avoir vainement tenté d’enta- graphie définitive du Manuel. Ainsi, jusqu’au dernier moment, Louis-Napoléon mer une seconde carrière politique. 19 Louis-Napoléon à Alexandre Buchon. Lettre du s’efforce encore de parfaire son travail; peut-être est-ce en raison de ces modi- 28 juillet 1835. Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. fications et de ces compléments de dernière minute qu’il avouera plus tard P. 136. 20 D’Aubigné, (Théodore) Agrippa: Histoire univer- avoir été toujours „très occupé, tourmenté et tracassé“ par l’impression de son selle du Sieur d’Aubigné. 2e éd. Amsterdam, ouvrage21. 1626. Palma (-Cayet), Pierre Victor: Chronologie novenaire de l’histoire de la guerre sous le règne du roy de France Henry IV. 2 vol. Paris, Le Manuel est ainsi plus qu’une simple compilation de réflexions émanant de 1608. 21 Louis-Napoléon à l’abbé Bertrand. Lettre du 30 différents auteurs, de prescriptions extraites de divers règlements et de ren- octobre 1835. Tirée de: Méneval: op. cit. P. 299. seignements techniques ou pratiques patiemment collectés. Il représente une

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 51 L’une des nombreuses planches des- sinées par Louis-Napoléon pour illu- strer le „Manuel“. Remarquer la qua- lité et la précision du travail, qui témoignent du temps que l’auteur a dû consacrer à la rédaction de son ouvrage. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel).

Eine der zahlreichen Abbildungen, die Louis-Napoléon für das „Manuel“ gezeichnet hat. Man beachte die Qua- lität und die Präzision der Arbeit, und die Zeit, die sie beansprucht hat. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel).

synthèse réussie de l’acquis des connaissances de l’époque dans le domaine de l’artillerie, tenant compte des tout derniers progrès et travaux réalisés jusqu’alors.

Sa tâche accomplie, le Prince Louis peut à nouveau consacrer son temps et sa plume aux correspondances qu’il déplorait tant de devoir négliger, non sans avoir toutefois prié auparavant son ami Dufour de faire paraître „de petits arti- cles en forme d’annonces“22 dans la presse suisse francophone et de lui com- muniquer les noms des membres de la Commission militaire fédérale et de l’In- specteur de troupes bernoises23, tout en lui demandant, en des termes laissant transparaître une certaine inquiétude – bien légitime d’ailleurs pour un auteur 22 Archives Dufour. Fonds Reverdin. Lettre du venant de publier sa dernière oeuvre – de lui faire part, et cela en toute franchi- 19 janvier 1836. se, de ce que l’on pense alors du Manuel en Suisse ... 23 Ibidem. Remarquons au passage que Louis- Napoléon, bien que capitaine des Milices ber- noises, ignorait manifestement le nom de l’In- Le public helvétique, auquel le Manuel était destiné en priorité, fut-il donc plus specteur des troupes dont il faisait partie... (Il lent à réagir que les lecteurs français? – Tout porte à le croire en effet. Alors que s’agissait alors du colonel David Zimmerli, qui occupa ce poste de 1835 à 1850). le Prince Louis écrit à Dufour les lignes auxquelles nous faisons allusion ci-des- 24 Ibidem. sus, quelques-uns des nombreux destinataires français – en grande partie de 25 Hortense à l’abbé Bertrand. Lettre du 13 janvier 1836. Tirée de: Méneval: op. cit. P. 300. vieux soldats de l’Empire- auxquels il a envoyé un exemplaire de son livre, lui 26 Louis-Augustin-Ferdinand van Mons (1796- ont déjà fait part de leurs impressions. Elles sont positives: „mon Manuel est 1847). Officier d’artillerie et général belge. Sorti de St.-Cyr en 1814, passa au service des très bien accueilli en France, confie-t-il à Dufour, j’ai reçu directement ou indi- Pays-Bas. Auteur, entre autres, d’un Cours élé- rectement force compliments de généraux ou de colonels d’artillerie“24, et la mentaire d’artillerie, paru à Bruxelles en 1833. Reine Hortense elle-même, dont nous pouvons légitimement mettre en doute 27 Jean Jacques Germain Pelet (1777-1858). Offi- cier du génie, topographe et historien. Lieute- l’intérêt profond pour les choses de l’artillerie, ne peut s’empêcher de relever, nant-général et directeur du Dépôt de la guerre. avec une fierté toute maternelle, que „l’ouvrage remarquable que Louis vient Député, puis Pair de France (1837) et Sénateur (1852). 25 de faire connaît beaucoup d’honneur et a beaucoup de succès“ . 28 Antoine Fortuné de Brack (1789-1850). Officier de cavalerie, à l’époque commandant du 4e Hussards. Jeune officier, il avait déclaré sa 26 Parmi ces lecteurs de la première heure, citons le général Mons , qui offre en flamme à la Reine Hortense, dont il fit la con- remerciement un plan du siège d’Anvers (1832) au Prince Louis, le général Pelet27, naissance à l’occasion d’un bal masqué. Genti- ment éconduit, il lui resta depuis lors fidèle- auteur des Mémoires sur la campagne de 1809 en Allemagne, ou encore le colo- ment dévoué. Il termina sa carrière en qualité nel de Brack28, dont il est difficile de savoir à qui de la famille Bonaparte en géné- de commandant de l’Eure.

52 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 ral ou de la Reine Hortense en particulier il est le plus dévoué ... A part ces per- sonnalités, il en est d’autres visiblement embarrassées de s’être retrouvées sur la liste des destinataires du Manuel, tel ce camarade, dont le colonel Vaudray29, en visite à Arenenberg en mai 1836, rapporte qu’il a eu „la platitude d’écrire au ministre pour dire qu’il a reçu le livre du Prince et pour demander s’il fallait répondre“30... Il est vrai qu’en France, le Manuel est pour certains plus qu’un simple ouvrage pratique pour officiers d’artillerie désireux de parfaire leurs con- naissances! Son auteur porte un nom aussi prestigieux que redouté, et corres- pondre avec lui, ne fût-ce que pour le remercier de son envoi, ne manquerait pas d’attirer inévitablement l’attention de la police de Louis-Philippe, toujours à l’affût d’éventuelles conspirations, et à laquelle le seul nom de Bonaparte fait dresser l’oreille... Sans aller jusqu’à prétendre, ainsi que le fit plus tard le baron de Méneval, que l’artillerie du Manuel menaçait surtout le trône de Louis-Philippe31, il n’est cependant pas douteux que les milieux bonapartistes ou libéraux ne manquèrent pas de lui réserver un accueil particulièrement enthousiaste. Acquérir l’oeuvre d’un Bonaparte et en faire l’éloge public, n’était- ce pas après tout également une bonne occasion de provoquer le régime en place sans encourir de trop grands risques ...?

Le Prince Louis ne tardera toutefois pas à être rassuré. Le public suisse réser- vera lui aussi bientôt un accueil chaleureux au Manuel. La lenteur apparente de sa réaction fut-elle due au fait que, pour les lecteurs helvétiques, la décision d’ac- quérir l’ouvrage fut dictée plus par des considérations pratiques que par la volon- té de faire profession de foi bonapartiste? La modeste publicité32 – quelques annonces de petit format, discrètes et ne paraissant qu’une seule fois – faite dans la presse de Suisse alémanique ne parvint-elle pas à attirer d’emblée l’at- tention des nombreux lecteurs potentiels habitant cette région du pays? – Nous ne saurions le dire avec certitude. Quoi qu’il en fût, une chose est cependant certaine: ce ne furent ni la langue ni son prix – quatre francs de l’époque – qui 29 Claude Nicolas Vaudray (1784-1857). Officier firent obstacle à la diffusion du Manuel. Son adoption par les Milices bernoises, d’artillerie et commandant du 4e Régiment d’artillerie (Strasbourg). Prend part activement où il fut distribué gratuitement à tous les officiers33, et son emploi, recommandé à l’Affaire de Strasbourg et est chassé de par Dufour, à l’Ecole Militaire de Thoune, le prouvent amplement, témoignant l’Armée. Sous la République, aide de camp de Louis-Napoléon, puis Gouverneur du Louvre et par-là même de la qualité de l’ouvrage dont nous allons donner un bref aperçu des Tuileries avec grade de général de brigade du contenu. (1852). 30 Mahon, Patrice (éd.): La Reine Hortense et le Prince Louis. VIII: La Princesse Mathilde et le Prince Louis. Avril 1836-mai 1837. Extraits du journal de Mlle Valérie Masuyer (Dame de compagnie de la Reine Hortense. N.d.a). In: Revue des Deux Mondes. Tome XXX. Paris, Contenu du Manuel: brève présentation 1916. P. 379. 31 Méneval: op. cit. P. 294. 32 Voir par exemple: Helvetische Militär-Zeitschrift Présenter le contenu d’une telle oeuvre n’est pas une chose simple, lorsque Nr 12 (Dezember 1835). P. 192. 33 Louis-Napoléon au colonel de Brack. Lettre du cohabitent en une même personne l’historien et l’artilleur. Il nous a fallu procé- 24 mars 1836. Tirée de: Kühn: Selbstbildnis. der à une répartition du travail, laissant au premier le soin d’exposer la genèse P. 141-142. du Manuel avec toute la rigueur qu’autorisent les sources disponibles, pour con- 34 D’aucuns ne manqueront certainement pas de nous reprocher notre passion pour une activité fier au second la tâche d’emmener le lecteur de ces lignes à la découverte si destructrice. Libre à eux, mais ils oublient, de l’ouvrage du capitaine Bonaparte. L’un s’efforce de ne considérer les faits peut-être intentionnellement, que ce sont juste- ment ceux qui connaissent le mieux le poids qu’avec la plus grande objectivité, l’autre ne peut parfois pas s’empêcher de des armes et leurs effets qui réfléchissent géné- faire appel à la subjectivité de ses expériences personnelles, épiçant alors ses ralement à deux fois avant de leur laisser la parole. Il est tout aussi condamnable de boycot- propos d’une petite pointe d’ironie. Tous deux sont cependant animés d’un ter la réalité guerrière au nom d’un quelconque même désir: celui d’effectuer un impossible voyage dans le temps, auquel sont parti pris idéologique que d’en rabaisser les 34 conséquences au rang de „dommages collaté- conviés tous ceux qui partagent leur passion . Impossible? – Ouvrons notre raux“. (N.d.a). Manuel et tentons l’expérience ...

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 53 L’avant-propos, dans lequel le Prince Louis nous fournit de précieuses informa- tions sur ses intentions et la nature de ses sources, mérite que l’on y consacre son attention, ne serait-ce qu’en raison de la bibliographie qui y est intégrée. Les titres des divers ouvrages, souvent mentionnés de manière très incomplè- te, et l’orthographe incorrecte de certains noms d’auteurs ne facilitent certes pas toujours les recherches en bibliothèque, mais le lecteur intéressé pourra, grâce à cette liste, accéder à une quantité de publications de grande qualité, conte- nant d’innombrables renseignements et détails de toute nature.

Le travail du pointeur (troisième de gauche) à l’obusier Die Arbeit des Richtkanonniers an der 12-pf-Haubitze de 12 et à l’obusier blindé de 15,5 cm 79 (extrait). und an der 15,5-cm-Panzerhaubitze 79 (Auszug). (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 50. / Armée (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. S. 50. / Armée suisse: Règlement 55.47 f. Les obusiers blindés 66/74, suisse: Règlement 55. 47 f. Les obusiers blindés 66/74, 74 et 79. Edition d’essai. 1989. P. 247). 74 et 79. Edition d’essai. 1989. S. 247).

54 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Nous n’entrerons pas ici plus longuement en matière sur l’aperçu historique de l’évolution de l’artillerie qui fait immédiatement suite à l’avant-propos, et dans lequel Louis-Napoléon retrace à grands traits l’évolution de l’artillerie de l’invention de la poudre à 1836, si ce n’est pour relever certaines des inventions les plus récentes ou les plus curieuses de l’époque, telles les pièces et les pro- jectiles conçus par Henri Paixhans35, ou le canon à vapeur de l’Anglais Perkins36, qui y sont brièvement décrites.

Le premier chapitre du Manuel proprement dit est consacré à l’artillerie de cam- pagne. Après une présentation succinte, en partie sous forme de tableaux, de la mission et de l’organisation de l’artillerie fédérale, l’auteur se consacre à la description et à la nomenclature des divers matériels en service avec un souci impressionnant du détail: pièces de tout calibre, avant-trains, affûts, caissons de divers modèles, chariots de batterie, forges de campagne, etc. ..., sont systé- matiquement décrits dans toutes leurs parties en bois et en fer; le tout étant illu- stré par des planches dessinées en grande partie par Louis-Napoléon lui-même. La présentation du harnachement, „textuellement extraite du règlement fédé- ral“37, fait suite à celle du matériel et précède l’inventaire du chargement des différents véhicules de l’artillerie de campagne. Plusieurs tableaux nous ren- seignent avec précision sur la nature, le nombre et l’emplacement des divers objets et ustensiles dont n’aurait pu se passer l’artilleur d’alors. A lui seul, l’inventaire du chariot de batterie occupe 9 pages (!)38, et, après l’avoir exami- né attentivement, le lecteur saura, par exemple, que le coffre no I dudit chariot, situé sur l’avant-train – pour ce qui est de la ferrure de ce coffre, voir ci-dessus à la rubrique „nomenclature“ – contenait, entre autres, „un manche de tarière en bois, attaché au fond du coffre par une lanière“, et que, dans un passant fixé à la paroi de droite, il pourra trouver „1 compas et 1 Pied de roi avec une division exacte“39; une fois cette vérification faite, rien ne pourra plus dès lors l’empêcher de partir à la recherche des six dés à coudre et de la boîte à graisse 35 Henri-Joseph Paixhans (1783-1854). Officier entreposés dans quelque recoin du chariot d’artifice40. Grâce au Manuel, il d’artillerie; général de division (1848). A l’épo- que, colonel. Les pièces et les projectiles creux les trouvera certainement ... inventés par lui rendirent obsolètes pratiquement toutes les places fortes et les vaisseaux de guerre existants, initiant ainsi une nouvelle Désormais parfaitement familiarisé avec le matériel à sa disposition, le lecteur phase de l’indécise et perpétuelle lutte entre la est invité à s’initier au maniement des différents types de pièces de campagne, cuirasse et le canon. Auteur de nombreux ouvrages sur la fortification et l’artillerie navale. qui fait l’objet du prochain chapitre, essentiellement basé sur les règlements 36 Angier March Perkins (1799-1881). Ingénieur suisses41 et l’instruction française de 1830 sur le service des bouches à feu. Tous anglais né aux USA. Perfectionna entre autres les thèmes traités y sont présentés sous la forme de leçons-types accompagnées les procédés de contrôle des billets de banque et d’application de la vapeur à haute pression d’indications méthodologiques à l’usage de l’instructeur, destinées à „enseig- mis au point par son père. Inventeur d’un ner individuellement les fonctions des servants autour de la pièce, et ensuite système de chauffage central. Travaux sur l’utilisation de la vapeur dans la métallurgie leur action d’ensemble pour l’exercice complet d’une bouche à feu, dans toutes du fer. les circonstances du service“42. Les fonctions des différents canonniers, en tout 37 Bonaparte, Louis-Napoléon. Manuel. P. 12. 38 Ibidem. P. 21-30. huit hommes, sont décrites d’une façon rappelant singulièrement nos „check- 39 Ibidem. P. 21. 1 pied de roi = 0,3284m. lists“ modernes. La formation des canonniers conducteurs, l’école de batterie 40 Ibidem. P. 38/39. Ainsi, même si elle ne béné- et les manoeuvres dans le cadre de la brigade sont ensuite abordées avec le ficiait pas encore de découvertes capitales comme, par exemple, celle des numéros même soin et selon le même principe didactique; n’y manquent, ni le service d’article ou des cadres pour liste d’inventaire des transmissions, sous la forme d’un tableau des sonneries et des comman- avec leurs quatre vis de fixation, leur couver- ture de protection en matière synthétique dements, ni le service des réparations: une fois étudiées les pages 120 à 129 du transparente et la liste précitée, la science des Manuel, le changement de roue, le montage et le démontage d’une états de détail (artefactoloconumérographie) confinait, en 1836 déjà, à la perfection que pièce de son affût et l’art des réparations improvisées n’auront plus de secrets nous lui connaissons actuellement... (N.d.a.). pour le lecteur attentif. S’il devait encore avoir quelques doutes, des planches 41 Exerzier-Reglement für die Eidgenössische Artillerie. 1818. explicatives et un tableau des divers types de noeuds à utiliser viendront rapi- 42 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 40. dement dissiper ses dernières hésitations ...

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 55 L’engagement de l’artillerie au combat, prochain objet des réflexions de Louis- Napoléon, faisant l’objet d’une étude particulière, ne sera pas traité ici plus en détails. Quelques considérations sur l’artillerie de montagne, limitées à la description de l’organisation de la batterie et à la nomenclature de l’obusier de 8 livres, font office de conclusion à cette partie du Manuel.

Comme promis, nous n’anéantirons pas nos lecteurs sous le feu roulant des développements mathématiques qui constituent l’essentiel de la partie théori- que du travail de Louis-Napoléon, pas plus que nous ne le soumettrons à un tir direct à grand renfort de coéfficients de Lombard agrémentés de logarithmes. Le Prince Louis ne consacre pas moins de 66 pages à trois problèmes fonda- mentaux de la balistique qui n’ont rien perdu de leur actualité: la détermination par le calcul de la vitesse initiale d’un projectile, la courbe qu’il décrit dans le vide – ce que nous nommons sa „trajectoire théorique“ – et sa trajectoire réelle dans l’air.

Chacune de ces questions est envisagée sous l’angle mathématique, et l’auteur discute en détails de différentes méthodes de calcul et de détermination. Quel- ques exemples d’applications au tir par ricochet ou au tir des mortiers font le lien entre la théorie du physicien et la pratique de l’artilleur. Les nombreuses tables de tir, de dispersion et de probabilité d’atteinte qui accompagnent ces propos font de ce chapitre une inestimable source d’informations pour l’ama- teur de balistique extérieure appliquée.

Cette étude de l’artillerie de campagne s’achève sur quelques notions de forti- fication passagère, en grande partie directement inspirées par les travaux de Dufour, après lesquelles le Prince Louis nous présente l’artillerie de siège et de place, avec le même soin des détails et le même souci de l’exactitude.

Parvenu à ce stade de l’étude du Manuel, le lecteur sera à même de servir une pièce quelconque, de la pointer et de l’engager avec succès à partir d’une re- doute dont il aura lui-même tracé le plan et dirigé la construction, au prix, il est vrai, de quelques exercices mathématiques et géométriques. Il ne lui restera donc plus qu’à apprendre à confectionner ses munitions et les divers autres artifices dont il pourrait avoir besoin. Pour ce faire, il trouvera toutes les indica- tions nécessaires aux pages 364 à 416. La fabrication de la poudre, ses effets, l’élaboration des munitions de guerre, gargousses, fusées, shrapnells et autres artifices éclairants y sont en effet décrites, à grand renfort de tableaux permet- tant de déterminer le meilleur dosage de poudre ou l’ingrédient grâce auquel on pourra donner la couleur souhaitée à une fusée éclairante. Même si la poudre noire peut faire figure de pis-aller en regard de nos poudres modernes, nous déconseillons cependant de tenter ce genre d’expériences; même en suivant à la lettre les préceptes du Manuel ...

La dernière partie de l’ouvrage, soit un peu plus d’un cinquième du Manuel, con- stitue une véritable encyclopédie à l’usage des artilleurs, qui ne manquera pas d’intéresser au plus haut point les lecteurs passionnés de technologie ou d’in- formations de toute nature, souvent aussi curieuses que pratiques. En donner un aperçu complet dépasserait largement le cadre de cette étude, raison pour laquelle nous ne citerons ici, pêle-mêle, que quelques-unes des trouvailles faites lors de notre exploration de cette inépuisable mine de renseignements: composition et procédés d’analyse des bronzes à canon et caractéristiques des

56 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 „Une intéressante nouveauté pour offi- ciers d’artillerie...“. Cette modeste annonce, placée au bas de la dernière page de „l’Helvetische Militär-Zeit- schrift“ de décembre 1835 n’était pas faite pour attirer particulièrement l’at- tention du public. Le „Manuel“ connut pourtant un franc succès. Remarquer l’énoncé incorrect du titre. (Helvetische Militär-Zeitschrift no 12 (décembre 1835. P. 192. Bibliothèque de l’EPFZ. P. Hunziker).

„Interessante Neuigkeit für Artillerie- offiziere“. Diese bescheidene Anzeige, unten links auf der letzten Seite der „Helvetischen Militär-Zeitschrift“ (die aktuelle „ASMZ“) von Dezember 1835 war nicht besonders geeignet, die Auf- merksamkeit der Leser auf sich zu zie- hen. Ungeachtet dessen, kannte das „Manuel“ bald einen grossen Erfolg. Beachte die inkorrekte Wiedergabe des Titels. (Helvetische Militär-Zeitschrift Nr. 12 (Dezember 1835). S. 192. Bibliothek der ETH Zürich. P. Hunziker).

différents métaux et bois utilisés dans la construction des matériels d’artillerie y côtoient des tables des poids spécifiques de divers matériaux de construction, de conductibilité thermique ou de limites de la végétation, sans oublier l’indispensable formulaire de mathématiques et celui de trigonométrie, accom- pagné de ses tables numériques ... En feuilletant au hasard, nous apprendrons ainsi, par exemple, que „l’effet utile produit par un homme non chargé, montant un escalier, est de 205 kg élevés à 1 km“43, avant de nous initier à la construction d’un four à pain destiné à la cuisson de 500 rations, pour la con- fection desquelles „100 kg de farine doivent rendre 180 rations de 24 onces“44... Quant à ceux qui ne sauraient se contenter de pain, ils pourront, après avoir reconstitué leurs forces grâce aux 166 grammes de viande fraîche qui font partie de leur ration journalière réglementaire, poursuivre leur étude du Manuel 43 Ibidem. P. 465-466. en étant certains que les armes portatives et les soins à donner aux chevaux 44 Ibidem. P. 476. 1 once = 30, 59g. 45 Il semblerait que cette matière soit tout aussi n’auront bientôt plus de secrets pour eux. indispensable à l’exercice de notre art que la poudre à canon, sinon plus. Peut-être est-ce en raison de sa composition chimique; n’oublions Ceux de nos camarades officiers d’artillerie qui, tout comme l’auteur de ces pas en effet que la cellulose, sous une autre for- lignes, n’ont jamais manifesté un penchant excessif pour les papiers de tous me toutefois, est l’un des constituants essen- 45 tiels de certaines poudres... (N.d.a.). genres , ne manqueront certainement pas de compatir avec leurs collègues de 46 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 490-505. 1836 à la lecture du Précis de comptabilité à l’usage des capitaines fédéraux46,

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 57 dû à la plume du capitaine zurichois Huber lequel, par pur altruisme sans doute, y a même charitablement adjoint quelques exemples de formules admi- nistratives accompagnées des indications censées permettre de les remplir correctement!

Une fois accomplie cette importante tâche administrative, c’est l’esprit serein qu’ils pourront songer à dépenser les 4 francs et 5 Batzen de leur solde journa- lière, amplement méritée. Si d’aventure ils envisageaient de le faire en France ou en Autriche, qu’ils veillent bien à emporter leur Manuel dans leurs bagages: la table de réduction des Francs Suisses en monnaie d’Empire et argent de France47 qu’il contient leur rendra certainement service ...

C’est sur ces propos que nous refermerons ici l’ouvrage du Prince Louis, non sans avoir auparavant souhaité à nos lecteurs un agréable et enrichissant voyage à la découverte de cette artillerie de 1836, à la fois si savoureusement archaïque et si étonnamment proche de la nôtre. Remonter le cours du temps n’est pas une chose impossible: il ne suffit bien souvent, pour ce faire, que de passer le seuil d’une bibliothèque ... Bonne lecture!

Bilan

Si le Manuel est, de nos jours, pratiquement tombé dans l’oubli, partageant en cela le sort des autres ouvrages publiés par Louis-Napoléon Bonaparte, peut- être en est-il paradoxalement redevable à la personnalité et à la destinée de son auteur. L’Empereur Napoléon III éclipse le capitaine Bonaparte, et la „grande“ Histoire délaisse l’homme de lettres et l’érudit pour ne se consacrer qu’aux faits du souverain et de l’homme d’Etat. La silhouette tragique du vaincu de Sedan hante encore les souvenirs, mais son oeuvre scientifique et littéraire, et avec elle le Manuel, sommeille, elle, depuis longtemps sous les décombres du Second Empire.

Ceci est aussi regrettable que compréhensible: quelle trace peut en effet laisser dans les mémoires un simple livre sans prétentions politiques ou philosophi- ques, alors même que s’écroule un empire? En dépit de ses 528 pages, de quel poids peut bien peser le Manuel du capitaine Bonaparte, officier d’artillerie des Milices bernoises, dans la balance de l’Histoire, lorsque ce sont les actes d’un empereur qu’elle s’applique à juger...? – Parfois, les écrits s’effacent plus rapi- dement que ne s’envolent les paroles ou ne s’estompent les gestes.

C’est la raison pour laquelle, par le biais de cette étude, nous avons voulu contribuer à préserver le Manuel de l’oubli définitif et à susciter l’intérêt des chercheurs, tant historiens qu’artilleurs, pour une oeuvre qui, par la qualité de son contenu et sa modernité, mérite encore aujourd’hui que l’on y consacre son attention. A sa lecture, ils pourront se rendre compte que le souhait que formulait alors le Prince Louis dans son avant-propos s’est pleinement réalisé,

et que, pour ce qui est de leur tradition d’artilleurs, „les neveux du capitaine 47 Ibidem. P. 516. d’artillerie de Toulon n’ont pas dégénéré...“48. 48 Ibidem. P. IX.

58 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Solde des troupes d’artillerie en 1836. Visiblement, le taux de la solde variait alors selon l’arme. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 507).

Sold der Artillerietruppen anno 1836. Offenbar hing damals die Höhe der Besoldung von der Truppengattung ab. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. S. 507).

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 59 Sources non publiées Littérature et sources Archives Dufour. Fonds Reverdin: Correspondance de Louis-Napoléon Bona- parte; lettres au général Dufour: 1829-1872.

Sources publiées Bonaparte, Napoléon-Louis: Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique. Zürich, Paris, Strasbourg, 1836. Exerzier-Reglement für die Eidgenössische Artillerie. 1818. Helvetische Militär-Zeitschrift Nr 12 (Dezember 1835). Kühn, Joachim: Napoleon III: Ein Selbstbildnis in ungedruckten und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993. Mahon, Patrice (éd.): La Reine Hortense et le Prince Louis. VIII: La Princesse Mathilde et le Prince Louis. Avril 1836-mai 1837. Extraits du journal de Mlle Valérie Masuyer. Revue des Deux Mondes. Tome XXX. Paris, 1916. Méneval (éd.): Lettres de la Reine Hortense et de son fils le Prince Louis- Napoléon à l’abbé Bertrand, ancien aumônier de cette princesse. Revue d’Histoire Diplomatique. Paris, 1923.

60 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Zusammenfassung

Bereits kurz nach seinem Erscheinen im Jahre 1836 fand Louis-Napoléon Bona- partes „Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique“ – in der Folge als „Handbuch“ bezeichnet – in der Schweiz allge- meine Anerkennung. Das Handbuch wurde zwar nie zur gesamteidgenössischen Pflichtlektüre für die Artillerieoffiziere und ihre Kameraden von anderen Waffengattungen erklärt, jedoch machte es der bemerkenswerte Beschluss der Berner Regierung, das Buch an sämtliche Offiziere des Kantons zu verteilen, gewissermassen zum Vorläufer unserer heutigen eidgenössischen Reglemente und Vorschriften.

Die erklärte Absicht des Verfassers war nicht, seinen Lesern eine neue, revo- lutionäre Einsatzdoktrin vorzustellen, sondern das seiner Meinung nach für Artillerieoffiziere unentbehrliche taktische und technische Fachwissen in einer kompakten und handlichen Form zusammenzufassen. Die Notwendigkeit einer solchen Arbeit war unbestritten, da diese Themen in den bestehenden Regle- menten, wenn überhaupt, nur rudimentär behandelt wurden. Angesicht des Zustandes und der Organisation der damaligen eidgenössischen Artillerie, sie war durch die Vielfalt der verwendeten Kaliber und das Kontingentsystem gezeichnet, erhält das Handbuch aus schweizerischer Perspektive eine pro- grammatische Dimension: Viele der vorgestellten Gliederungen entsprechen nicht der Realität des Jahres 1836, sondern sie wurden zum Teil erst viel später, nach mehreren Teilreformen der eidgenössischen Artillerie, Wirklichkeit.

Auch wenn die Geschützmanöver und das beschriebene Material ihre Aktualität verloren haben und in erster Linie Artillerie- und Technikhistoriker interessieren werden, haben hingegen Louis-Napoléons Überzeugung, die Artillerie sei die wichtigste Waffe auf dem Schlachtfeld und ihre Einsatzgrundsätze keinesfalls an Modernität verloren. Der geschilderte Kampf der Artillerie erinnert in der Tat sehr an den Einsatz einer unserer heutigen, mechanisierten Artillerieabtei- lungen.

Für Louis-Napoléon ist die Artillerie die Waffe der höchsten Kommandoebene, je nach Fall des Armee-, Korps- oder Divisionskommandeurs, dem sie direkt unterstellt ist. Eine direkte Unterstellung unter einen Infanterieverband oder die organische Zuteilung von Artilleriemitteln an Infanterieformationen, wie dies zum Beispiel in Preussen damals üblich war, lehnt er kategorisch ab.

Die Artillerie ist eine offensive Waffe, die den Kampf schon vor den Infanterie- linien eröffnet. Sie erzielt am meisten Wirkung durch das Zusammenspiel von Massenfeuer und Beweglichkeit. Dieser Kampf lässt sich am besten mit jenem einer Torpedobootsflotille gegen ein Schlachtschiffsgeschwader vergleichen, bei dem die beweglichen Elemente, hier die leichten, berittenen Batterien, pau- senlos jede Gelegenheiten auszunützen versuchen, dem Gegner Schaden zuzu- fügen. Währenddessen konzentrieren die schweren Batterien ihr Feuer auf weni- ge, erkannte Schwachpunkte der feindlichen Linie, um schliesslich durch die Vereinigung ihrer Feuerkraft auf die gewählte Durchbruchstelle der Infanterie zum Erfolg zu verhelfen. Gelingt dies nicht und gewinnt der Gegner die Ober- hand, so führt die Artillerie den Verzögerungskampf und hält ihre Stellungen bis zum letzten Augenblick; auch in diesem Fall operiert die berittene Artillerie offen- siv. Zusammenfassend können wir also Louis-Napoléons Artillerie mit drei Begrif- fen charakterisieren: Offensive Kampfführung, Massenwirkung und Beweglich- keit.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 61 Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Artillerieeinsatz werden im Hand- buch ebenfalls ausführlich behandelt: Gründliche Rekognoszierungen der Feuer- und Ausweichstellungen, wenn nötig für jedes einzelne Geschütz sowie des Anmarsches und der Rückzugswege. Alle diese Tätigkeiten gehören zu den wichtigsten Aufgaben des Obersten Artilleriekommandeurs und der ihm direkt unterstellten Batteriekommandanten. Ferner müssen der Munitionsnachschub, der Sanitäts-, der Übermittlungs- und der Reparaturdienst situativ organisiert und gegliedert werden. Auch wenn Louis-Napoléons Terminologie Begriffe wie „vorgeschobene Versorgungsstaffel“ oder „Sanitätshilfsstelle“ noch nicht kennt, so dürften seine Beschreibungen jedoch jedem modernen Artilleristen aus der Praxis sehr bekannt vorkommen.

Trotz seiner 168 Jahre hat der taktische Teil des Handbuches weder seine Vitalität noch seine Modernität verloren. Der Artilleriehauptmann der Berner Miliz Louis-Napoléon Bonaparte und seine Kameraden von der „Eidgenössi- schen Central-Militärschule von Thun“ würden sich heutzutage als Teilnehmer an einen tatktisch-technischen Kurs der Artillerie keineswegs wie Besucher auf einem fremden Planeten fühlen.

62 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Summary

Immediately after its publication in 1836 Louis-Napoléon Bonaparte’s “Manuel d’Artillerie à l’Usage des Officiers d’Artillerie de la République Helvétique“ – subsequently referred to as „Manual“ – won general recognition in Switzerland. The Manual was never declared required reading for all artillery officers and their comrades from the other army branches, but when the Bernese govern- ment made the remarkable decision to distribute the book to all its officers it became a precursor to our current federal field manuals and regulations.

The author did not mean to introduce a new, revolutionary military doctrine but intended to present artillery officers with indispensable tactical and technical know-how in a compact and handy format. The necessity of such a work was undisputed because these topics, if at all dealt with in existing field manuals and regulations, were rudimentary at best. Considering the condition and the organisation of federal artillery, which at that time was marked by a variety of calibres and quota systems, the manual was, as seen from a Swiss perspective, to have a programmatic dimension. Many of the then current organisations did not represent the realities of the year 1836. They however became a reality much later after numerable partial reforms in the federal artillery.

Even if the gun drills and the described procedures have since lost their rele- vance and are mainly of interest to military historians, Louis-Napoléon’s con- viction that artillery is the main weapon of the battlefield as well as its opera- tional principles have not lost their meaning in modernity. The description of artillery battles at that time reminds one very much of the deployment of today’s mechanised artillery battalions.

Louis-Napoléon considered artillery to be the weapon of the highest command level. He was categorically against its direct subordination to an infantry unit or an organic assignment of artillery assets as was common in Prussia at the time.

Artillery is an offensive weapon-system which can open up a battle in front of infantry lines. It reaches its optimum in the interplay of massive fire power and manoeuvrability. Such a battle can best be compared to one between a flotilla of torpedo boats and a squadron of battleships, where the movable elements, here, the light cavalry batteries, incessantly use any opportunity to do damage to the enemy. In the meantime heavy artillery with its firepower concentrates on only a few recognised weaknesses in the enemy lines. The concentration of their fire power allows the infantry to achieve a successful breakthrough in the end. If this cannot be accomplished and the enemy gets the upper hand then the artillery conducts a delaying action and holds their position till the last minute. In such a situation the mounted artillery operates offensively. Louis- Napoléon’s artillery can be summed up in three principles: offensive nature of operation, concentration of fire and manoeuvrability.

The prerequisites for a successful artillery operation are also treated in great detail in the Manual. The thorough reconnaissance of primary and alternate firing positions if necessary for each individual cannon as well as the recon- naissance of the approach and withdrawal routes are among the most impor- tant tasks a supreme artillery commander and his directly subordinated battery commander have to accomplish. In addition to ammunition re-supply, medical, signal and repair services have to be organised and structured according to the situation. Even if Louis-Napoléon’s terminology does not include terms such as

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 63 „combat train“ or „medical aid posts“ his descriptions are familiar enough to modern artillerymen.

Even though the Manual is now 168 years old, it has lost neither its vigour nor its modernity. The Bernese Artillery Captain Louis-Napoléon Bonaparte and his comrades from „Eidgenössischen Central-Militärschule von Thun“ would not feel like aliens from a foreign planet if they were to take part in a tactical technical course in the artillery today.

64 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 L’artillerie selon le Manuel de Louis-Napoléon Bonaparte

Introduction

Confronté au thème de l’artillerie selon le Manuel d’artillerie1 de Louis-Napolé- on Bonaparte, ce sera plus en qualité d’„officier d’artillerie de la République hel- vétique„ qu’en historien que nous aborderons son contenu. Ce faisant, face à cet ouvrage de 528 pages traitant des thèmes aussi variés que le service à la pièce, l’école du canonnier conducteur, l’école de batterie, la tactique de l’artillerie, la guerre de siège, la théorie de tir ou la technique des artifices, il nous a fallu procéder à un choix qui ne fut pas aisé. Jean-Paul Loosli Nous avons finalement opté pour la présentation de quelques aspects tactiques touchant à l’organisation et à l’engagement de cette arme, tels que les conçoit l’auteur. L’historien interviendra cependant afin de nous fournir les informations sans lesquelles, dans le contexte helvétique, l’aspect programmatique, voire visionnaire de l’œuvre de Louis-Napoléon ne pourrait être apprécié à sa juste valeur. C’est également en qualité d’artilleur que nous avons comparé certains des pré- ceptes du Manuel avec les principes qui, de nos jours, régissent l’exercice de notre art, afin d’en déterminer l’actualité ou la désuétude, indices de vitalité pour un ouvrage qui se veut avant tout pratique.

Une question reste cependant ouverte, à laquelle il nous est pour le moment impossible d’apporter une réponse: celle de l’impact du Manuel sur le public auquel il était destiné en priorité. La guerre du Sonderbund de 1847, dernier con- flit durant lequel l’artillerie suisse eut à entrer en action, pourrait nous fournir nombre d’exemples d’engagements2 susceptibles d’être analysés sur la base des préceptes du Manuel. Une telle démarche serait sans doute intéressante et profitable à l’artilleur, mais, pour des raisons méthodologiques, elle ne saurait être celle de l’historien aussi longtemps qu’il ne sera pas en mesure de fournir la preuve indiscutable que les protagonistes concernés se sont inspirés du con- tenu de cet ouvrage. Dans ce cas précis, nous ne saurions en effet nous baser sur des soupçons, aussi justifiés soient-ils.

1 Bonaparte, Napoléon-Louis: Manuel d’artillerie à l’usage des officiers d’artillerie de la Républi- que helvétique. Zürich, Strasbourg, Paris, 1836. Le Manuel: un précurseur inofficiel 2 Voir à ce sujet: Fuhrer, Hans Rudolf; Loosli, Jean-Paul; Moser, Christian: La guerre du Dès sa parution le Manuel rencontra dans les milieux militaires suisses un Sonderbund 1847. L’Histoire militaire dans le terrain. Cahier no 7. Au, 1996. Plus particulière- accueil très favorable. Ainsi, par exemple, la Commission militaire du Conseil ment le chap. 3. d’Etat bernois décida-t-elle, en mars 18363, d’en faire l’acquisition, semble-t-il 3 Louis-Napoléon au colonel de Brack. Lettre du 4 24 mars 1836. Tirée de: Kühn, Joachim: Napole- sans grande bureaucratie et sans égards pour les finances publiques , afin d’en on III. Ein Selbstbildnis in ungedruckten und pourvoir gratuitement tous les officiers du canton. Cette décision est d’autant zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Are- plus remarquable, qu’elle élevait un ouvrage en langue française au rang de nenberg, 1993. P. 141-142. 4 Cette acquisition n’a en effet laissé aucune tra- lecture obligatoire pour un corps d’officiers majoritairement germanophone. ce dans les protocoles de ladite Commission. Cité par Dufour dans son Cours de tactique, paru pour la première fois en 1840, Un fait qui mérite d’être relevé, lorsque l’on sait avec quelle parcimonie le Trésor public bernois parmi les quatre ouvrages dont le fondateur des Ecoles militaires de Thoune prodiguait habituellement ses largesses. recommande la lecture5, le Manuel prit dès lors rang d’ouvrage de référence 5 Dufour, Guillaume-Henri: Cours de tactique. 2e éd. Paris, Genève, 1851. P. IX. L’ouvrage du pour un grand nombre d’officiers helvétiques. Prince Louis y figure aux côtés de ceux de Gay de Vernon, Grewenitz et Guibert. 6 Exerzier-Reglement für die Eidgenössische Ce succès s’explique aisément. Tandis que les règlements fédéraux alors en Artillerie. 1818. usage6 ne contenaient que des prescriptions techniques concernant l’école de

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 65 A l’époque, l’artillerie et le génie étaient deux armes très souvent tribu- taires l’une de l’autre. Le programme de l’Ecole militaire de Thoune tint compte, dès son ouverture, de cette complémentarité, et les aspirants des deux classes suivaient de nombreux cours en commun. (Capitaine Guillaume-Henri Dufour. Discours d’ouverture de l’Ecole de Thoune. Août 1819. Archives Dufour, Genève).

Damals waren Artillerie und Genie im Einsatz sehr oft aufeinander angewie- sen. Das Programm der Militärschule von Thun trug bereits seit ihrer Eröff- nung dazu Rechnung, und die Aspi- ranten beider Klassen besuchten zum Teil einen gemeinsamen Unterricht. (Hauptmann Guillaum-Henri Dufour. Eröffnungsrede der Eidgenössischen Militärschule von Thun. August 1819. Dufour-Archiv, Genf).

pièce, les officiers suisses disposaient désormais, grâce aux travaux du Prince Louis, d’un ouvrage comportant également des notions de tactique adaptées à leurs besoins spécifiques et présentées sous une forme aisément maniable. Cer- tes, le Manuel n’obtint jamais le statut d’un règlement officiel, mais son adop- tion par Berne, alors première puissance militaire au sein de la Confédération, nous autorise à voir en lui le précurseur des nombreuses prescriptions fédéra- les parues depuis lors.

66 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Canon de 12 livres (116,2 mm) à l’or- donnance fédérale et les détails de son affût. L’affût à flèche selon le système anglais fut adopté par l’artil- lerie du contingent fédéral en 1823. Certains corps d’artillerie cantonaux conservèrent toutefois longtemps encore l’ancien matériel du système Gribeauval ou bernois. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel).

12-Pfünder-Kanone (116,2 mm) nach eidgenössischer Ordonnanz und ihre Laffette. Das englische Laffetten- system wurde 1823 für die Artillerie des eidgenössischen Kontingentes eingeführt. Verschiedene Kantonen behielten jedoch noch lange das Gribeauvalsche oder das diesem verwandte Berner System. (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel).

L’artillerie: arme ou accessoire?

Si, en 1836, l’artillerie n’est pas encore devenue pour le Prince Louis le „bras long de la conduite supérieure“7, ou même ce „Dieu de la Guerre“8 que voulait voir en elle Staline, elle n’en a pas moins cessé d’être l’„accessoire utile et impor- 7 Eidgenössisches Militärdepartement (éd.): Soldatenbuch. Bern, 1954. P. 333. tant à la force des troupes“ auquel Guibert9, tout en reconnaissant que, bien 8 L’une de ces très nombreuses citations difficile- employé, il „fait beaucoup de mal et encore plus de frayeur“10, conteste même ment vérifiables dont on attribue la paternité au dictateur soviétique, mais qu’illustre pleine- le statut d’arme à part entière. Il la définit comme étant l’„une des parties ment l’emploi fait de l’artillerie par l’Armée indispensables d’un tout“11 ne pouvant être remplacée ni par l’infanterie, ni par Rouge lors de la Seconde guerre mondiale. 9 Guibert: Essai général de tactique. Nlle édition. la cavalerie. Cette définition peut sembler triviale, mais il convient de se rap- Paris, 1803. Vol 1, P. 445. peler que, si les matériels de 1836 avaient cessé de représenter un danger au 10 Ibidem. P. 453. moins aussi grand pour leurs servants que pour leurs cibles, leurs performan- 11 Bonaparte, Napoléon-Louis: Manuel d’artillerie à l’usage des officiers d’artillerie de la Républi- ces ne permettaient néanmoins pas encore de voir en eux l’arme destinée à que helvétique. Zürich, Strasbourg, Paris, 1836. dominer les champs de bataille. P. 130. 12 Grewenitz, T.A. von: Organisation und Taktik der Artillerie, und Geschichte ihrer Taktischen Sur ce point, Louis-Napoléon se distancie clairement de Grewenitz, dont il s’in- Ausbildung von den frühesten bis auf die neue- sten Zeiten. Erster Theil: Taktische Geschichte spira pourtant souvent, puisque ce dernier considère déjà l’artillerie comme der Artillerie. Berlin, 1824. P. 75-75: „(…) allein étant la seule arme décisive, du moins dans le combat offensif12, une concep- entscheidende [souligné par l’auteur] Feuer- tion que nous retrouvons également chez Carl von Decker, un autre des auteurs waffe“. 13 Decker, Carl von: Traité élémentaire d’artillerie à consultés par le Prince Louis, et dont l’ouvrage13 suscita un vif intérêt dans les l’usage des militaires de toutes les armes. Paris, milieux militaires français et prussiens de l’époque. Strasbourg, 1825. P. 227: « (…) c’est sur son organisation plutôt que sur celle des autres armes qu’on peut fonder l’espérance de l’heu- S’adressant en priorité à des lecteurs suisses appelés le cas échéant à combat- reux succès d’une campagne ». 14 La Confédération ne disposait pas de forma- tre dans des conditions et sur un terrain qu’il connaît bien lui-même pour tions de cavalerie lourde aptes à intervenir dans en avoir fait l’expérience durant ses périodes de service au camp de Thoune, une bataille rangée. La rupture devait dès lors être recherchée par l’action combinée de l’in- Louis-Napoléon sait parfaitement que c’est l’infanterie qui serait appelée à y fanterie et de l’artillerie. jouer le rôle décisif, l’artillerie devant l’appuyer au mieux de ses possibilités14.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 67 L’artillerie „helvétique“ aux alentours de 1836

Avant que de nous intéresser de plus près à certains principes d’engagement, il convient toutefois de présenter ici, très sommairement, l’arme à laquelle ils sont destinés, telle qu’elle se présentait alors. Organisée sur la base du Règlement militaire général de 1817 et de l’Ordon- nance sur l’armement et l’équipement de 1819, l’artillerie fédérale est formée de contingents fournis par les cantons disposant d’un corps d’artillerie. Devant en principe être équipée de pièces à l’ordonnance fédérale, canons de 12, 6, et 3 lb et obusiers de 12 et 24 lb, elle dispose dans les faits pour l’essentiel de maté- riels français et bernois; en 1822, on dénombre ainsi 177 pièces, canons, obusiers et mortiers, de 9 calibres différents. Cette diversité des matériels est encore plus grande au sein des différents parcs d’artillerie cantonaux et municipaux, où de vénérables pierriers datant des guerres de Kappel (1531!), prises de guerre des anciens conflits entre confédérés pieusement conservées pour le „cas où“, côtoient des mortiers de 300 lb15.

Théoriquement placée sous la haute surveillance d’un colonel Inspecteur de l’artillerie nommé par la Diète, l’instruction du personnel relève pratiquement des différents cantons. Seule une partie des officiers reçoit une instruction cen- tralisée dans le cadre des Ecoles militaires de Thoune, mais, dans ce cas égale- ment, leur participation à ces cours dépend dans une large mesure de la bonne volonté des gouvernements cantonaux, certains jugeant même strictement inutile d’y envoyer les cadres de leurs milices.

C’est dans ce contexte que l’auteur du Manuel fit ses premières expériences d’artilleur, et c’est sur cet arrière plan qu’il convient d’étudier de plus près quel- ques aspects du contenu de son ouvrage.

Organisation

L’unité élémentaire de l’artillerie de campagne16 – nous parlerions de nos jours de l’unité de feu – est la batterie, équipée de quatre pièces de même type, canons de 6 ou 12 lb17 ou obusiers de 12 ou 24 livres. Comme nous l’avons vu plus haut, la réalité présente un aspect différent et, au travers de ces quelques mots, c’est en fait un véritable programme de réforme, qui ne sera effectivement mis en 15 Le fait qu’un canton ne dispose pas d’un corps d’artillerie organisé ne signifie pas qu’il ne pos- œuvre que cinq ans plus tard, après l’adoption du Règlement militaire révisé du sède pas un certain nombre de pièces diverses. 15 février 1841, que Louis-Napoléon propose ainsi à ses lecteurs. Ce n’est en Quant aux parcs d’artillerie des grandes villes, telles Berne, Genève et Zürich, leur histoire effet qu’à partir de cette date que le nombre des calibres en service sera, du reste à écrire. moins théoriquement, réduit à quatre et que seront constituées des batteries 16 Bien que faisant également l’objet de nombreu- homogènes18. ses considérations dans le Manuel, nous laisse- rons ici de côté l’artillerie de position, qui ne sera effectivement organisée, du moins sur le A l’engagement, deux ou trois batteries sont regroupées en une brigade, con- papier, qu’à partir de 1841. 17 Les pièces de 3, retirées du service en 1823, stituant généralement l’artillerie divisionnaire, la logistique étant alors assurée furent alors remplacées par les canons de 4. par une compagnie de parc chargée du ravitaillement en munitions et du servi- 18 Jusque-là, seules les batteries de 12 et de 3 étaient homogènes, les autres batteries ce des réparations au sein de la division, et ceci tant pour l’artillerie que pour comprenant trois canons et un obusier. l’infanterie19. Plusieurs brigades, regroupées en une division d’artillerie forment 19 Sur le plan de l’organisation et de la subordina- tion à l’engagement, ces compagnies, ancêtres l’artillerie du corps d’armée, le restant des moyens étant attribué à la réserve de nos actuelles batteries des services, font tou- d’armée. tefois intégralement partie de l’artillerie.

68 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Cette organisation correspond à celle adoptée par la plupart des puissances européennes de l’époque, à ceci près que le nombre de pièces des batteries fédérales est plus restreint; en Prusse, par exemple, elles comptent 8 pièces20. Afin de compenser en partie le déficit dans le domaine de la puissance de feu, le nombre de batteries par brigade sera porté à quatre. Relevons à ce propos que les brigades fédérales ne sont pas des corps de troupes constitués et orga- nisés en temps de paix déjà et placés sous le commandement d’un chef respon- sable de leur instruction. Elles ne sont formées qu’en cas de mobilisation, et leur composition varie en fonction de la provenance et du nombre des batteries mises sur pied; ce n’est également qu’à partir de ce moment qu’elles sont mises sous les ordres d’un commandant nommé pour l’occasion et assisté dans sa tâche par un petit état-major; il en est de même des brigades d’infanterie et des uni- tés d’armée21. Les divisions d’artillerie qu’évoque Louis-Napoléon ne furent jamais organisées, l’échelon du corps d’armée, auquel il prévoit de les attribuer, n’existant pas à l’époque22.

Ainsi, l’organisation de l’artillerie telle que nous la décrit le Manuel n’est pas le strict reflet de conditions existantes, mais, dans ce cas également, nous pou- vons y voir une série de propositions dans le domaine de l’organisation, dont certaines ne deviendront réalité, telle la formation de corps de troupes d’artil- lerie constitués, que bien des années plus tard, lorsqu’entreront en vigueur les articles militaires de la Constitution de 1874.

Principes généraux de la tactique

La tactique, selon Louis-Napoléon Bonaparte, n’est pas autre chose que l’adap- tation et l’application des principes généraux de la stratégie au niveau du champ de bataille proprement dit. Si la stratégie, telle qu’il la conçoit, ne revêt ainsi qu’une dimension purement militaire qui correspondrait de nos jours aux opé- rations à l’échelon opératif, sa définition de la tactique, elle, est déjà résolument moderne, puisqu’elle nous laisse entrevoir cet „art du commandement de l’unité à la division pour la mise en œuvre optimale des moyens sur le champ de bataille“ dont parlent nos règlements actuels23.

Cet art se résume pour lui en quelques règles simples: porter ses troupes le plus 20 A la suite d’essais, les batteries à 6 pièces rapidement possible et par surprise sur le point le plus faible du dispositif adver- furent jugées trop lourdes à manoeuvrer. se; attaquer toutes forces réunies, en veillant à ce que toutes les troupes impli- 21 Basée sur le principe des contingents canto- naux, l’Armée fédérale est organisée à l’époque quées puissent agir et manoeuvrer librement; assurer à chaque arme des con- selon un système modulaire. Les unités élé- ditions de combat optimales par le choix des meilleures positions possibles, et mentaires en sont le bataillon pour l’infanterie, 24 la batterie pour l’artillerie, et la compagnie pour veiller à ce que toutes les troupes engagées puissent s’appuyer mutuellement . les autres armes spéciales (carabiniers, cavale- rie, génie). Le régiment de Berne, auquel appar- Comme il le reconnaît lui-même, ses propos dans ce domaine ne sauraient pren- tient Louis-Napoléon, est une formation canto- nale. dre rang de règles absolues, puisqu’„il est difficile de donner des règles de tac- 22 Remarquons que la question de l’artillerie de tique applicables dans tous les cas, car l’emploi de l’artillerie se modifiera sui- corps, appelée à agir au niveau opératif, est encore de nos jours, au sein de l’Armée suisse, vant le genre de guerre qu’on a à soutenir, suivant la nature du pays où l’on est l’objet de nombreux débats, touchant plus à sa appelé à agir, suivant les vues du général en chef“25. nature qu’à son opportunité. 23 Armée suisse: Règlement 51.20 f. Conduite tac- tique (CT 95). Partie 9: Les définitions. Berne, Il y a fort à parier que, participant à l’un de nos actuels cours tactiques, le 1995. P. 29. 24 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 142. Prince Louis ou l’un de ses camarades officiers ne se sentiraient pas dépaysés 25 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 144. puisque, si leur formulation s’est quelque peu modifiée – progrès oblige – et a

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 69 gagné en concision et en précision depuis 1836, ces quelques règles sont encore celles qui guident de nos jours les réflexions des états-majors helvéti- ques26.

Subordination et conduite de l’artillerie à l’engagement

Si le Règlement de manœuvres pour l’artillerie fédérale de 1818 fixe encore com- me règle l’attribution de deux pièces d’artillerie par bataillon d’infanterie27, il semble qu’à l’époque à laquelle Louis-Napoléon formule ses réflexions, l’on ait abandonné en Suisse cette forme de subordination héritée de la Guerre de Tren- te ans, puisqu’il ne l’évoque pas, tandis que Carl von Decker y consacre encore quelques paragraphes de son traité, à vrai dire pour n’en démontrer que mieux l’inutilité28.

Pour Louis-Napoléon, l’artillerie est l’arme du commandement supérieur, armée ou corps d’armée, auquel elle est directement subordonnée et qui l’engage en fonction de son plan de combat. Pour nous servir d’une notion actuelle, nous avons donc affaire ici à ce que nous nommons en langage moderne „artillerie à direction centralisée“.

Son emploi est fixé par le général en chef après concertation avec le comman- dant en chef de l’artillerie de l’armée ou du corps – nous l’appellerions aujour- d’hui „chef artillerie“ –, lequel prend ensuite toutes les mesures tactiques et techniques nécessaires en vue de réaliser les intentions de son supérieur. Il est intéressant de remarquer dans ce contexte, qu’à partir du moment où il a reçu sa mission, cet officier exerce le commandement direct des formations d’artil- lerie attachées aux divisions de l’armée ou du corps d’armée29. Si nécessaire, il donne ainsi directement ses ordres aux commandants des différentes batteries concernées, qui sont pour leur part directement responsables envers lui de l’exécution des mesures prescrites30. L’échelon de la brigade d’artillerie n’inter- vient donc pas dans le processus de prise de décision, celui de la division d’infanterie intervenant uniquement si cette unité d’armée est appelée à opérer d’une manière indépendante ou si, comme c’est alors le cas dans l’Armée fédé- rale, l’échelon du corps d’armée est inexistant.

L’espace relativement restreint dans lequel se déroulaient alors effectivement les combats permettant à tout moment au chef de l’artillerie de se rendre comp- te personnellement de l’évolution de la situation et d’y adapter ses dispositions, la mise à disposition temporaire du potentiel d’une formation d’artillerie31 au

profit, par exemple, d’une brigade d’infanterie, ne se justifiait donc pas. Remar- 26 Armée suisse: CT 95. Partie 2: Les principes quons que, sur ce point, Louis-Napoléon se distancie clairement de l’organisa- de la conduite tactique. P. 31. tion adoptée en Prusse, où les brigades d’infanterie disposaient de leur propre 27 Le paragraphe en question est sujet à interpré- tation: « On attribue habituellement aux batail- artillerie organique, le commandement supérieur disposant pour sa part d’une lons des pièces de campagne de petit, au plus réserve d’artillerie destinée à mener le combat d’ensemble par le feu32. Expéri- de moyen calibre ». Nous y voyons toutefois une subordination directe temporaire, restrein- menté pratiquement en Suisse pour la première fois durant la guerre du Sonder- te à la période d’engagement et non une attri- bund de 1847 par l’artillerie des troupes fédérales, le système de conduite pro- bution organique. Exerzier-Reglement. P. 79. 28 Decker, Carl von: Traité d’artillerie. P. 282-283. posé par le Prince Louis y fit indiscutablement ses preuves. 29 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 148. 30 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 150. 31 Ce que nous désignons de nos jours par les Depuis lors, les progrès techniques, et avec eux le rythme de conduite des opé- termes d’“artillerie d’appui direct“. rations et l’espace dans lequel elles se déroulent, ont rendu nécessaire une adap- 32 Decker, Carl von: Traité d’artillerie. P. 288-289.

70 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Un ordre radio d’artillerie en 1836 ... (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 112).

Artilleriefunkbefehl anno 1836... (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. S. 112).

tation des principes de conduite des armes d’appui et une répartition plus dif- férenciée des compétences susceptibles d’être attribuées dans ce domaine aux différents échelons de commandement des troupes appuyées; le principe de l’artillerie à direction centralisée tel que nous l’expose le Manuel, n’a toutefois, dans son essence, aucunement perdu de son actualité, même s’il est bien clair que le chef de l’artillerie d’un corps d’armée ou d’une division ne se préoccupe plus personnellement du choix de l’emplacement de chacune des batteries engagées.

Mission et combat de l’artillerie

Un fait mérite d’emblée de retenir notre attention: contrairement à la plupart des auteurs qu’il a consultés durant les travaux de rédaction de son Manuel, Louis-Napoléon ne se contente pas de considérations générales sur la nature accessoire ou décisive de l’artillerie, mais il lui attribue une mission générale dans le cadre de l’armée. „Le but de l’artillerie, écrit-il, est de protéger l’armée à laquelle elle est affectée, et d’en couvrir les points faibles“33, et ceci quelles que soient les circonstances du moment. Dans ce contexte, il distingue trois situ- ations: la marche, le séjour en stationnement et l’engagement au combat pro- prement dit, auquel nous consacrerons ici notre attention.

Comme l’a si plaisamment formulé Decker, „Si l’on fait abstraction de certaines circonstances secondaires, tout engagement de l’artillerie en campagne vise à 33 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 130. prendre une position, à y mettre les pièces en batterie et à bombarder l’ennemi 34 Decker, Carl von: Ergänzungs-Taktik der Feldar- tillerie. 2e éd. Berlin, 1834. P. 6. La citation a le plus efficacement possible au moyen du projectile adéquat. L’artillerie n’a pas été traduite de l’Allemand le plus fidèlement d’autre manière d’agir, (…), elle ne peut écraser et anéantir l’ennemi que par la possible par l’auteur qui, au risque de froisser 34 l’amour propre de ses camarades artilleurs, puissance de son feu“ . Voyons donc ce que nous propose le Manuel sur ce doit reconnaître que rien n’a changé depuis. thème.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 71 Pour Louis-Napoléon également, l’artillerie est l’arme du combat par le feu, qui atteint là où les autres armes sont impuissantes. Dans l’attaque, c’est elle qui ouvre le combat. Tandis que les pièces lourdes, formées en grandes et peti- tes batteries se couvrant mutuellement protègent les ailes du dispositif, les batteries légères de l’artillerie à cheval, par les intervalles séparant les diffé- rentes colonnes de l’infanterie, dépassant les essaims de tirailleurs, se portent à l’ennemi et entament la lutte, ouvrant le feu contre ses colonnes à partir de positions hors de portée de la mitraille adverse. Aussi longtemps que la situ- ation le permet, telles une flottille de torpilleurs aux prises avec une escadre de cuirassés, elles exploitent toutes les opportunités qui se présentent pour nuire à l’adversaire. Sont-elles contraintes à se retirer, elles se replient alors sur les premières lignes des tirailleurs ou prennent position entre les brigades d’infanterie, se tenant toujours prêtes à intervenir, par exemple pour appuyer une manœuvre d’enveloppement en prenant en enfilade l’aile adverse visée.

Pendant ce temps, le gros de l’artillerie concentre ses feux sur différents points du dispositif adverse. Durant cette phase, ce sont les pièces de 12 qui entrent en action à grandes distances. Leur mission est double: d’une part occasionner le plus de pertes possibles, d’autre part détourner l’attention de l’adversaire du point réel où l’on envisage d’effectuer l’attaque décisive. Les pièces de 6 sont tout d’abord tenues en réserve. Ce n’est que lorsque le moment critique est arri- vé, qu’elles sont portées en masse sur le point décisif.

L’ennemi vient-il à céder, l’artillerie montée le poursuit immédiatement et le har- cèle, le gros de l’artillerie progressant par échelons afin d’assurer la continuité du feu. Les propres troupes sont-elles contraintes à la retraite, l’artillerie reste alors en position et couvre le repli jusqu’au bout: „L’artillerie“, nous dit Louis- Napoléon, „a sur les autres troupes cet avantage moral qu’elle ne peut chercher son salut dans la fuite; quelque prompte que soit sa marche, la cavalerie l’atteindra toujours; qu’elle tienne donc jusqu’à la dernière extrémité, quitte à perdre ses pièces, s’il en résulte pour les troupes une protection utile. Une dernière décharge à balles la sauvera sans doute, et dans tous les cas une résistance opiniâtre la couvrira de gloire“35 …

Quels enseignements pouvons-nous tirer de cette bataille-type, dont le dérou- lement nous a été directement inspiré par les propos du Manuel?36

L’artillerie est avant tout une arme offensive, qu’il faut toujours veiller à enga- ger comme telle: „éviter les positions purement défensives, porter des coups hardis à l’ennemi profitera davantage que de se borner à parer les siens“37, tel est ce que nous recommande Louis-Napoléon. Durant la phase de planification précédant un engagement, le général en chef et le commandant supérieur de l’artillerie devront veiller à prendre leurs dispositions de manière à ce que les batteries puissent agir et manœuvrer librement sans entraver les mouvements de l’infanterie, mais tout en veillant à ce qu’elles soient toujours couvertes par elle. Dans ce but, l’emplacement de chaque pièce sera même si nécessaire recon- nu soigneusement. Hormis le cas de la couverture d’un repli, les engagements 35 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 146. Le combat de l’artillerie de réserve autrichienne à défensifs de l’artillerie se limitent à quelques circonstances particulières dictées Sadowa (3.7.1866) offre un bel exemple de la par les conditions locales: occupation d’un ouvrage fortifié par l’artillerie de mise en pratique de ce précepte. 36 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 142-ff. campagne, défense d’un défilé, d’un gué ou d’un pont, exceptionnellement 37 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 145. d’une localité38. 38 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 157-ff.

72 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 L’artillerie est également une arme de masse, agissant par la concentration du feu du plus grand nombre de pièces possible sur le point visé. L’engagement en batteries isolées est contre-productif, et il faut y préférer celui de grandes bat- teries qui, dans l’offensive, seules permettent d’obtenir l’efficacité voulue, et, dans la défensive, offrent plus de résistance aux assauts de l’infanterie ou de la cavalerie ennemies: „Eviter de vous faire battre en détails, ne pas employer, pour produire un effet décisif, (…) une batterie isolée là où plusieurs seulement obtiendront un résultat“39, tel est le précepte que nous donne Louis-Napoléon, sans toutefois exclure l’engagement de petites batteries de six à huit pièces si, bien qu’agissant à partir de positions distinctes, elles ont la possibilité de con- centrer leur feu sur un même objectif.

Le feu de l’artillerie vise en priorité l’infanterie adverse: „L’objet principal de l’artillerie dans une bataille est de diriger son feu sur les troupes ennemies et jamais sur son artillerie, à moins que les troupes ennemies soient à couvert et que les vôtres souffrent trop de son canon“40. Rarement, en effet, la destruction d’une seule batterie adverse ne provoque la retraite de ses troupes, tandis que le repli de son infanterie entraînera toujours celui de son artillerie.

Il convient d’engager les pièces en tenant compte de leurs performances et de leurs caractéristiques. Les pièces lourdes seront utilisées pour combattre à gran- de distance en se tenant hors de portée des petits calibres adverses ou pour détruire des obstacles. En règle générale, les canons sont l’arme des terrains relativement plats et découverts, les obusiers combattent l’ennemi à couvert ou en terrain accidenté ainsi que la cavalerie. La gestion judicieuse du matériel et l’adaptation des moyens employés au but combattu permettent d’économiser deux des plus précieux éléments à la guerre: le temps et les munitions41.

Comme toutes les armes offensives, l’artillerie n’est pas une arme statique. Si les batteries restent dans leur position le plus longtemps possible, elles n’en doivent pas moins se tenir toujours prêtes à accompagner l’avance de l’infan- terie ou à changer de position pour assurer un flanquement optimal des lignes adverses. Les commandants de batterie devront donc sans cesse maintenir le contact avec les commandants des troupes voisines, observer en permanence l’évolution de la situation et saisir les opportunités qui viendraient à se présen- ter; ce faisant, ils veilleront toutefois à ne jamais s’exposer trop en avant sans une couverture d’infanterie: courage, sang-froid, rapidité du coup d’œil et promp- titude sont les maîtres mots qui président au combat des batteries durant la bataille et qui sont autant de qualités dont devraient faire preuve leurs com- mandants42.

Afin d’assurer au mieux la mobilité des batteries avant, pendant et après l’en- gagement, des reconnaissances minutieuses sont nécessaires: itinéraires, che- minements, accès aux positions, postions de rechange et couverts possibles doivent être soigneusement reconnus par les commandants en fonction de l’é- volution possible du combat. Dans ce domaine également, l’essentiel est d’évi- ter toute confusion et toute perte de temps inutile43.

39 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 146. Finalement, l’artillerie ne peut être pleinement efficace que si elle dispose 40 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 147. d’une organisation logistique performante. En plus des caissons accompagnant 41 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 151. 42 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 150. immédiatement les pièces, une réserve particulière à chaque batterie se teindra 43 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 149. en arrière et hors de portée, en étroite liaison avec l’échelon de combat et

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 73 Réparations d’urgence: quelques branches solides et quelques corda- ges suffisent pour réparer un véhicu- le, si l’on sait comment s’en servir ... Quant aux „moteurs“ défectueux, Louis-Napoléon recommande dans la plupart des cas non désespérés de les mettre au vert et de leur administrer un bon lavement ... (Bonaparte, Lou- is-Napoléon: Manuel).

Gewusst wie... Einige starke Äste und Seile genügen, um ein Fahrzeug wie- der flott zu machen. Für die defekten „Motoren“ empfiehlt Louis-Napoléon, voraussgesetzt der Fall sei nicht hoff- nungslos, Grünfutter und eine tüchti- ge Darmspülung... (Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel).

prête à le suivre dans tous ses mouvements, tandis qu’un parc de réserve, éta- bli sur les arrières, assurera l’approvisionnement en munitions du front, le remplacement du matériel et l’évacuation des hommes blessés ainsi que, en fonction des moyens disponibles (forges et chariots de batteries) le service des réparations44.

Si nous faisons exception de la question de la contrebatterie, une mission qui, pour les théoriciens suisses de l’époque enseignant à l’Ecole militaire de Thou- ne et faisant autorité, constituait déjà une partie intégrante du cahier des char- ges de l’artillerie45, et de la dispersion des moyens de feu désormais rendue pos- sible par les progrès de la technique, nous retrouvons dans le Manuel une image de l’artillerie au combat étonnamment moderne. Sans devoir nous astreindre à de grands efforts d’imagination, ce qu’il nous en décrit évoque en effet pour nous non seulement ce que nous avons appris au niveau théorique durant les diverses étapes de notre carrière d’artilleur, mais plus encore ce que nous avons personnellement vécu à plusieurs reprises. Concentration du feu, flexibilité, rapi- dité et mobilité, préparatifs tactiques et techniques poussés parfois jusqu’à l’ex- trême, coordination avec les troupes combattantes, mise en place d’une struc- ture logistique performante et établissement de liaisons fiables sont en effet autant de principes et d’activités qui caractérisent l’engagement de notre artil- lerie contemporaine46. Remplaçons les caissons par des véhicules chenillés de transport de munitions, le parc de réserve par l’échelon arrière de soutien, sub- stituons les opérateurs radio aux estafettes et les obusiers blindés de 15,5 cm aux pièces de 12, et c’est en fait la manière de combattre d’un groupe d’artille- 44 Bonaparte, Louis-Napoléon: Manuel. P. 153. rie mécanisée que nous dépeint Louis-Napoléon! Pour ce qui est de l’essentiel, 45 Dufour: Cours de tactique. P. 152-153. rien n’y manque, et, une fois mis au courant des dernières nouveautés techni- 46 Nous renonçons ici à citer chacune des nom- breuses prescriptions qui règlent de nos jours ques, nul doute que le capitaine Bonaparte ne ferait pas mauvaise figure à la ces différents aspects; leur énumération serait tête de l’une de nos batteries … trop longue.

74 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Bilan

Ce serait en vain que l’on chercherait dans le Manuel l’exposé de principes tac- tiques nouveaux ou d’une doctrine d’engagement révolutionnaire. Le but de Louis-Napoléon ne fut d’ailleurs pas de faire œuvre de novateur dans ces domai- nes. Cependant, envisagé sous une perspective helvétique, nous pouvons à juste titre le considérer comme un pionnier. En effet, il ne se contente pas de présenter sous une forme relativement succinte l’ensemble des connaissances générales qu’il juge indispensables pour un officier d’artillerie suisse de l’époque – ce qui, comme nous l’avons déjà relevé plus haut, constituait déjà en soi une nouveauté –, mais propose également à ses lecteurs un modèle d’organisation simple et rationnel pour une arme dont les structures n’existaient alors que sous une forme à la fois embryonnaire et confuse. Si nous faisons abstraction de la création de l’artillerie de montagne, dont la paternité, a poste- riori, peut sans conteste lui être attribuée, il est certes malaisé de déterminer quelle fut l’influence directe qu’il exerça au travers de son œuvre sur le développement ultérieur de l’artillerie helvétique, toutefois, force nous est de constater que nombre de ses suggestions devinrent plus tard réalité.

A cette première constatation, il convient d’ajouter le fait que les principes géné- raux de conduite et d’engagements décrits dans la partie tactique du Manuel n’ont rien perdu de leur actualité. Dans ce domaine, l’ouvrage a conservé sa vita- lité et son actualité. A sa lecture, autant l’historien désireux de se familiariser avec l’artillerie de 1836 ou à la recherche de détails d’ordre technique ou prati- que47, que l’artilleur, y trouveront leur compte. Ce dernier sera peut-être même agréablement surpris d’y rencontrer, formulés dans un langage un peu suran- né (et peut-être de ce fait mieux compréhensible!), les principes qui, en dépit de toutes les remises au goût du jour, guident, et guideront toujours, ses réflexions chaque fois que retentit l’ordre: „Faites donner l’artillerie!“

47 Nous y avons par exemple trouvé de très utiles tables de conversion pour les nombreuses et différentes unités de poids et mesure alors en vigueur ou des formules mathématiques tombées dans l’oubli permettant de calculer simplement une trajectoire, aussi bien que le taux de la solde et le tarif des rations allouées à nos prédécesseurs…

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 75 Sources publiées Littérature et sources Armée suisse: Règlement 51.20 f. Conduite tactique (CT 95). Berne, 1995. Bonaparte, Napoléon-Louis: Manuel d’artillerie à l’usage des officiers d’artille- rie de la République helvétique. Zürich, Strasbourg, Paris, 1836. Decker, Carl von: Traité élémentaire d’artillerie à l’usage des militaires de tou- tes les armes. Traduit de l’Allemand, avec des notes et des additions relati- ves à l’artillerie française. Paris, Strasbourg, 1825. Decker, Carl von: Ergänzungs-Taktik der Feldartillerie. Für diejenigen Offiziere, welche im Kriege oder bei Manövern, entweder unmittelbar oder mittelbar, Artillerie unter ihrem Befehl haben. 2e éd. Berlin, Posen, Bromberg, 1834. Dufour, Guillaume-Henri: Cours de tactique. 2e éd. Paris, Genève, 1851. Exerzier-Reglement für die Eidgenössische Artillerie. 1818. Grewenitz, T.A. von: Organisation und Taktik der Artillerie, und Geschichte ihrer taktischen Ausbildung von den frühesten bis auf die neuesten Zeiten. 2 vol. Berlin, 1824. Guibert: Essai général de tactique. Nouvelle édition, publiée par sa veuve, sur les manuscrits et d’après les corrections de l’auteur. Paris, 1803. Kühn, Joachim: Napoleon III. Ein Selbstbildnis in ungedruckten und zerstreuten Briefen und Aufzeichnungen. Arenenberg, 1993.

Littérature Eidgenössisches Militärdepartement (éd.): Soldatenbuch. Bern, 1954. Fuhrer, Hans Rudolf; Loosli, Jean-Paul; Moser, Christian: La guerre du Sonder- bund 1847. L’Histoire militaire dans le terrain. Cahier no 7. Au, 1996. De Montet, Jean: Les bouches à feu de l’artillerie suisse 1819-1939. Travaux d’histoire 7. Lausanne, 1980.

76 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Autor Jean-Paul Loosli Sicherheitsangestellter Geboren am 30.10.1962 Heimatort: Sumiswald (BE) Militärischer Grad: Oblt

Militärische Laufbahn

1982 Art Of , 1993-1996 cdt bttr ob bl II/72, ab 1997 Wissenschafter MILAK/ETHZ

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 77 78 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Oberst i. G. Gustav Däniker d.Ä.

Oberst Gustav Dänikers Haltung zum Nationalsozialismus und seine Deutung des Krieges

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 79 80 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

Zwei Aspekte stehen in der vorliegenden Untersuchung über den Schweizer Instruktionsoffizier und Militärschriftsteller Oberst Gustav Däniker im Zentrum: In einem ersten Teil wird seine Haltung zum Nationalsozialismus beleuchtet, im zweiten Teil wird seine Deutung und Legitimierung des Krieges analysiert. Oberst Däniker war ein grosser Bewunderer der Deutschen Wehrmacht. In seinen Augen ermöglichte die nationalsozialistische „Revolution“ die Schaffung einer Wehr- macht, in der er sein Ideal eines „wahren Soldatentums“ verwirklicht sah. An seiner positiven Wertung des Nationalsozialismus hielt Däniker auch nach dem Krieg fest, indem er die nationalsozialistischen Verbrechen verharmloste und relativierte. In Bezug auf den Krieg unterschied Däniker zwei Arten: Einerseits den „entarteten“ und „materialistischen“ Krieg, verkörpert durch den Ersten Weltkrieg; andererseits den „soldatischen“ und „geistigen“ Krieg, geführt durch die Deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Im Weiteren rechtfertigte Däni- ker die von Deutschland geführten Angriffskriege als Notwendigkeit zur Schaf- fung eines „neuen Europa“ und zur Abwehr des Bolschewismus.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 81 Abstract

Deux aspects sont au centre du présent travail de recherches concernant le Colonel Gustav Däniker, officier-instructeur de l’armée suisse et écrivain-mili- taire. Cette étude est divisée en deux parties. Dans la première partie l'auteur analyse l’attitude de Däniker face au national-socialisme et dans la deuxième partie son interprétation et légitimation de la guerre. Le Colonel Däniker était un grand admirateur de la Wehrmacht allemande. A ses yeux, la „révolution“ national-socialiste permit la mise en place d’une Wehrmacht où il voyait se réaliser son idéal du „véritable militaire“. Même après la guerre, Däniker n’abandonna pas son appréciation positive du national-socialisme en mini- misant et relativisant les crimes du national-socialisme. Däniker différencia deux genres de guerres: d’une part la guerre „dégénérée“ et „matérialiste“, que représentait la Première Guerre mondiale, d’autre part la guerre „soldatesque“ et „intellectuelle“, menée par la Wehrmacht allemande durant la Deuxième Guerre mondiale. De plus, Däniker justifia les guerres offensives menées par l'Allemagne en tant que nécessité pour créer une „nouvelle Europe“ et pour se défendre contre le bolchevisme.

82 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

The research paper on the Swiss professional officer and military writer Colo- nel Gustav Däniker focuses on two main points. In the first part his attitude towards National Socialism is examined, in the second part his interpretation and legitimating of war is analysed. Colonel Däniker was a great admirer of the German Wehrmacht. From his point of view the national socialist „revolution“ permitted the creation of the Wehrmacht in which he saw his ideal of „genuine soldiership“ realised. Even after the War Däniker held on to this positive evaluation in minimising and belitteling national socialist crimes. With regards to war Däniker distinguished two types: On the one hand the „degenerate“ and „materialistic“ war embodied in World War I and on the other hand the „soldierly and spiritual“ war pursued by the German Wehrmacht in World War II. Furthermore, Däniker justifies the offensive war waged by Germany as a neces- sity for the creation of a „New Europe“ and a defence against Bolshevism.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 83 84 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 „Entartete“ Kriege und nationalsozialistische „Revolution“

Thematik und Fragestellung

Oberst Gustav Däniker, Instruktionsoffizier und Militärschriftsteller, zählt wohl zu den markantesten und umstrittensten Figuren der Schweizer Militärgeschichte. Einerseits galt er als einer der tüchtigsten und fähigsten Offiziere, dessen publi- zistische Tätigkeit über die Landesgrenzen hinaus grosse Beachtung fand; ande- rerseits wurde er wegen seiner extremen einseitigen deutschfreundlichen Haltung heftig kritisiert und angefeindet. Seine militärische Karriere nahm ein abruptes Ende, als er im März 1942 aus dem Staatsdienst entlassen wurde, nach- Niklaus Meier dem ihn General Guisan wegen fahrlässiger Verbreitung staatsgefährlicher Pro- paganda in der Armee zu einer Arreststrafe von 15 Tagen verurteilt hatte. Der Grund dafür war eine „Denkschrift“, die Däniker im Frühjahr 1941 nach einem Aufenthalt in Deutschland verfasst hatte und die ungewollt publik wurde. In die- ser Denkschrift plädierte er für eine Anpassung der Schweiz an Deutschland. Der Oberst machte die Schweiz verantwortlich für das gespannte Verhältnis zu seinem Nachbarn und kritisierte die negative Einstellung, insbesondere der Pres- se, gegenüber dem Deutschen Reich. Den gegenwärtigen Krieg sah er als einen „Einigungskrieg“ für ein „neues Europa“ unter der Führung Deutschlands. Die- ser Entwicklung könne sich die Schweiz, so die Überzeugung Dänikers, nicht länger entgegenstellen. Oberst Däniker war zwar nicht der einzige germanophile Offizier der Schweizer Armee, der einer Anpassung an das Dritte Reich das Wort redete, wohl aber derjenige, der aufgrund seiner Denkschrift am meisten Publi- zität erlangte und Aufsehen erregte.

Der Fokus der vorliegenden Untersuchung richtet sich auf zwei Aspekte: In einem ersten Teil wird Dänikers Haltung und Beziehung zum nationalsozialistischen Deutschland thematisiert. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, wie Däni- ker den Nationalsozialismus deutete und wertete. War er bloss ein Bewunderer der Wehrmacht und hat er das hinter der Wehrmacht stehende politische System ignoriert, wie Franziska Keller in ihrer Biographie über Däniker1 zum Schluss kommt? Um Dänikers germanophile Haltung in einen breiteren Kontext zu stel- len, wird einleitend auf die Problematik der germanophilen Offiziere in der Schweizer Armee eingegangen. Zudem werden einige Faktoren und Ereignisse beleuchtet, die Dänikers Einstellung und Habitus geprägt haben.

Der zweite Teil befasst sich mit Dänikers Kriegsbild und Kriegsdeutung. Däniker hat etliche Schriften und Aufsätze verfasst, in denen er sich mit dem aktuellen Kriegsverlauf, aber auch mit allgemeinen Aspekten zu Krieg, Kriegführung und Soldatentum befasste. Es wird analysiert, wie in diesem Schrifttum das Phäno- men Krieg gedeutet und erklärt wird, auf welche Weise und mit welchen Begrün- 1 Keller, Franziska. Oberst Gustav Däniker. Auf- dungen dem Krieg Sinn und Legitimität zugeschrieben werden. Aus dem viel- stieg und Fall eines Schweizer Berufsoffiziers. Diss. Zürich 1997. S. 398. fältigen Aussagengeflecht zum Thema Krieg sollen die bedeutsamen und 2 Der Begriff „Bellizismus“ umfasst die Vorstel- tragenden Deutungs- und Argumentationsstränge herausgefiltert werden. Dabei lung, dass der Krieg ein die Gesellschaft reini- stellt sich auch die Frage, inwieweit vorherrschende Deutungsmuster bezüglich gendes und entwickelndes Medium sei, dass ohne Krieg Staat und Gesellschaft „versump- Krieg – wie Bellizismus2 und Sozialdarwinismus3 – in Dänikers Aussagen repro- fen“ und es keinen Fortschritt geben würde. duziert werden. Vgl. dazu die Ausführungen in Teil B, Kap. 1. 3 Sozialdarwinistische Vorstellungen gehen davon aus, dass sowohl Individuen als auch Rassen, Staaten und Nationen einem dauern- den Lebenskampf, einem „Kampf ums Dasein“ Forschungsstand und Quellen unterworfen sind, in dem nur der Stärkere über- leben kann und der Schwächere untergehen muss. Der Krieg wird als ein unabänderliches 1997 erschien die Dissertation von Franziska Keller Oberst Gustav Däniker. Naturgesetz angesehen. Aufstieg und Fall eines Schweizer Berufsoffiziers. Dieses Werk ist die bisher

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 85 einzige Monographie über Gustav Däniker. Keller legt den Schwerpunkt auf biographische Gesichtspunkte und beleuchtet eingehend die militärische Kar- riere und das militärische Schaffen Dänikers. Seine Deutschfreundlichkeit, sein Enthusiasmus für die Wehrmacht und seine Beziehungen mit dem Deutschen Reich werden ebenfalls ausführlich thematisiert.4 Im Übrigen findet Däniker hauptsächlich in der Literatur über die Schweiz in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg Erwähnung.5 Dabei stehen vor allem die Denkschrift- affäre und sein militärpolitisches Engagement im Vordergrund. So haben Willi 4 In der WOZ vom 19.2.1998 kritisiert Hans Stutz Gautschi und Edgar Bonjour in ihren Werken die Denkschriftaffäre ausführlich Kellers Biographie als beschönigend. Keller habe darauf verzichtet, die aufschlussreichen 6 untersucht. Georg Kreis beleuchtet in seiner Studie über den Aktenfund von La Fragen zu stellen, wie etwa nach den Beziehun- Charité die Beziehung zwischen General Guisan und Däniker sowie allgemein gen Dänikers zur Frontenbewegung und dem Nationalsozialismus. Obwohl in einigen Punk- den Konflikt zwischen germanophilen und frankophilen Offizieren in der Schwei- ten gerechtfertigt, geht Stutz‘ harte Kritik doch zer Armee.7 Hans Senn und Jürg Stüssi-Lauterburg haben sich mit dem Ober- zu weit. Franziska Keller hat sehr wohl auch sten im Zusammenhang mit der Diskussion um einen „Friedensgeneral“ befasst.8 die heiklen Aspekte angesprochen und Dänikers Haltung und Handeln durchaus kritisch beur- teilt. Zum Forschungsstand hinsichtlich der vorliegenden Fragestellungen: Franziska 5 So etwa in folgenden Werken: Gautschi, Willi. General Henri Guisan. Die schweizerische Keller spricht Dänikers Haltung zum Nationalsozialismus verschiedentlich an, Armeeführung im Zweiten Weltkrieg. Zürich wobei aber ihre Schlussfolgerungen nicht zu überzeugen vermögen. Andere 1989; Bonjour, Edgar. Geschichte der Schweize- rischen Neutralität. Vier Jahrhunderte Eidge- Autoren, wie etwa Willi Gautschi, Edgar Bonjour, Alice Meyer und Erwin Bucher, nössischer Aussenpolitik. Bd. IV: 1939-1945. haben sich auch mit dieser Frage befasst, ihre Ausführungen sind jedoch sehr Basel 31971; Bucher, Erwin. Zwischen Bundesrat 9 und General. Schweizerische Politik und Armee knapp und oberflächlich gehalten. Was das Kriegsbild und die Kriegsdeutung im Zweiten Weltkrieg. St. Gallen 1991; Senn, Dänikers anbelangt, ist eine genauere und explizite Analyse in der Forschungs- Hans. Der Schweizerische Generalstab. Bd. VI. literatur nicht vorhanden, obwohl in Kellers Dissertation einige diesbezügliche Erhaltung und Verstärkung der Verteidigungs- bereitschaft zwischen den beiden Weltkriegen. Aspekte angesprochen werden. Basel 1991. Senn, Hans. Der Schweizerische Generalstab. Bd. VII. Anfänge einer Dissua- sionsstrategie während des Zweiten Weltkrie- Den Quellenkorpus der Untersuchung bilden einerseits publizierte Schriften und ges. Basel 1995; Meyer, Alice. Anpassung oder Aufsätze Dänikers, andererseits werden eine Reihe von Aussagen aus seiner Widerstand. Die Schweiz zur Zeit des deutschen 10 Nationalsozialismus. Frauenfeld 1965. Zum For- umfangreichen Korrespondenz herangezogen. Die Quellenauswahl berück- schungsstand über Däniker vgl. Keller, Däniker, sichtigt damit öffentliche wie auch private Äusserungen. Der zeitliche Rahmen S. 31-33. wird nicht eingegrenzt. In Bezug auf die Kriegsdeutung sind vor allem die Schrif- 6 Gautschi, General Guisan, S. 394-423; Bonjour, Geschichte der Schweizerischen Neutralität, S. ten von Interesse, die Däniker während des Zweiten Weltkrieges verfasste und 408-423. in denen er sich mit dem Verlauf und dem Wesen dieses Krieges eingehend 7 Kreis, Georg. Auf den Spuren von La Charité. Die schweizerische Armeeführung im Span- befasste. Eine Reihe von Schriften und Briefen aus der Zeit nach dem Krieg sind nungsfeld des deutsch-französischen Gegensat- hinsichtlich seiner Haltung zum Nationalsozialismus sehr aufschlussreich. Da zes 1936-1941. Basel/Stuttgart 1976. 8 Senn, Hans. Die öffentliche Auseinanderset- Däniker als Militärschriftsteller sowohl in der Schweiz als auch im Ausland sehr zung um eine einheitliche und fachmännische bekannt war, kann davon ausgegangen werden, dass seine publizierten Schrif- Armeeleitung in den Jahren 1938/39. In: Stüssi- ten eine entsprechende Rezeption und Beachtung fanden.11 Lauterburg, Jürg u.a. (Hg.). Festschrift Walter Schaufelberger. Bumperlibum aberdran heia- han! Studien zur Militärgeschichte und Militär- wissenschaft. Aarau 1986. S. 23-46; Stüssi-Lau- terburg, Jürg. Die Entstehung der Direktion der Militärverwaltung. In. ders. (Hg.). Entstehung und Wirken der Direktion der Militärverwaltung (DMV). Ettinghof/Brugg 1989. S. 35-172. 9 Zur Einschätzung der Forschung hinsichtlich Dänikers Haltung zum Nationalsozialismus mehr in Teil A, Kap. 5. 10 Im Archiv für Zeitgeschichte der ETH in Zürich ist der Nachlass von Gustav Däniker eingela- gert. Dieser umfasst Materialien über die militä- rische Schulung und Lehrtätigkeit, den Aktiv- dienst, die Denkschriftaffäre, Dossiers zu verschiedenen damals aktuellen Themen und Personen sowie einen grossen Teil seiner Schriften, Aufsätze, Vorträge und Manuskripte. Im Weiteren enthält der Nachlass eine Samm- lung der Korrespondenz mit Schweizern und Ausländern. 11 Vgl. dazu Keller, Däniker, S. 135-146.

86 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Teil A: Beziehung und Haltung zum nationalsozialistischen Deutschland

1. Germanophile Offiziere in der Schweizer Armee

Im Schweizer Offizierskorps standen sich deutschfreundliche und frankreich- freundliche Offiziere gegenüber. Zu den wichtigsten germanophilen Offizieren neben Oberst Gustav Däniker sind Korpskommandant und Ausbildungschef Ulrich Wille12, Generalstabschef Jakob Labhart, Oberstdivisionär Eugen Bircher13, Oberst Hans Frick, Oberst Rudolf von Erlach und Oberstdivisionär Hans Bandi zu zählen. Sie waren auf die eine oder andere Weise mit Deutschland verbun- den (wie bei Ulrich Wille durch familiäre Beziehungen14), sie zeigten sich ver- ständnisvoll gegenüber dem Deutschen Reich und stellten sich gegen die vor- herrschende deutschfeindliche und frankreichfreundliche Strömung in der Schweiz.15 Georg Kreis hält jedoch fest, dass sich diese Offiziere weniger dem Dritten Reich und auch nicht so sehr aus politischen Gründen mit Deutschland verbunden gefühlt hätten. Für ihre Haltung seien vielmehr die freundschaftlichen Kontakte mit deutschen Offizieren und ihre Wahrnehmung der Wehrmacht – in ihren Augen eine mustergültige apolitische Einrichtung und nicht das Machtin- strument Hitlers – bestimmend gewesen.16 Im Gegensatz zu den deutsch- freundlichen Offizieren verstanden sich die frankophilen Exponenten, vornehmlich Welschschweizer, als einheitliche Gruppe, wenn auch die Beziehungen unter- einander nicht frei von Spannung waren. Die politische Zuverlässigkeit ihrer Deutschschweizer Kontrahenten stellten sie in Frage, ihr Verhalten schien suspekt. Man sprach vom „Clan der Germanophilen“ oder von einer „Fronde“. Die deutschfreundlichen Exponenten waren aber zu individualistisch, als dass sie eine konspirative Gruppe hätten bilden können. Auch trübten Rivalitäten das Verhältnis zueinander. Einen einheitlichen Block der Germanophilen hat es so nicht gegeben.17

Waren die Schlüsselpositionen des Generalstabes vor dem Krieg eher mit ger- manophilen Offizieren besetzt gewesen, so änderte sich diese Situation mit der Ernennung Henri Guisans – einem Freund Frankreichs – zum General. Die genann- ten Offiziere wurden alle aus ihren bisherigen Posten in weniger bedeutende Stellungen versetzt. In Deutschland, aber auch in Frankreich, verstand man die- se personellen Veränderungen nicht als zufällige Massnahme, sondern als bewus- ste Ausschaltung der germanophilen Offiziere. So gingen der deutsche Militär-

12 Wille hatte den Ruf eines zu sehr auf Drill und attaché Iwan von Ilsemann und der deutsche Gesandte Otto Köcher davon aus, Formalismus bedachten Preussengenerals dass bestimmte Offiziere wegen ihrer deutschfreundlichen Haltung versetzt wor- (Keller, Däniker, S. 268). den wären. Gustav Däniker, Ulrich Wille und Eugen Bircher waren bereits aus 13 Eugen Bircher organisierte und leitete 1941 die schweizerische Ärztemission an die deutsche der Armee ausgeschieden und die Absetzung von Hans Bandi stand bevor, als Ostfront, „eine Goodwillaktion für den deut- im März 1943 der Gesandte Köcher sich bei Bundesrat Kobelt beklagte, alle mit schen Überfall auf die Sowjetunion“. (Jaun, Rudolf. Der Schweizerische Generalstab. Band Deutschland sympathisierenden hohen Offiziere würden ausgeschaltet. Einige VIII: Das Schweizerische Generalstabskorps Wochen später brachte auch Legationsrat von Bibra anlässlich seiner Abschieds- 1875-1945. Eine kollektiv-biographische Studie. Basel/Frankfurt am Main 1991. S. 39). visite bei Bundesrat Pilet-Golaz die Eliminierung germanophiler Offiziere zur 14 Zur Deutschfreundlichkeit der Familie Wille Sprache. Verständlicherweise nahm Frankreich, das die deutschfreundlichen siehe das aufschlussreiche und umstrittene Exponenten immer mit Argwohn betrachtet hatte, die Versetzungen mit Genug- Werk von Niklaus Meienberg, Die Welt als Wille & Wahn. Elemente zur Naturgeschichte tuung zur Kenntnis.18 eines Clans. Zürich 31987. 15 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, S. 162f.; Keller, Däniker, S. 264. Die Sicht der Aussenstehenden – die Ausschaltung germanophiler Offiziere durch 16 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, S. 163. das frankophile Oberkommando und die Besetzung der freien Posten im fran- 17 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, S. 164-167. zösischen Sinn – ist jedoch zu relativieren. Georg Kreis ist der Ansicht, dass bei 18 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, den Umbesetzungen vor allem auch private Rivalitäten, Spannungen und Miss- S. 180-182. 19 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, stimmungen eine Rolle gespielt hätten und nicht nur die politische Richtung S. 182-184. oder die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Landesteil.19

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 87 Als Bedrohung für die Schweiz wurde primär das nationalsozialistische Deutsch- land wahrgenommen; Frankreich hingegen war der einzig mögliche Verbünde- te. Personen mit guten Beziehungen zum nördlichen Nachbarn erweckten darum besonderes Misstrauen. Kontakte und Abmachungen mit Frankreich dagegen riefen wenig Widerspruch hervor, ausser von deutscher Seite und den deutsch- freundlichen Exponenten. Es waren denn auch Offiziere aus dem germanophi- len Kreis (unter anderem auch Däniker), die versuchten, Informationen über den Aktenfund von La Charité20 gegen den General zu verwenden.21

In diesem Kontext ist auch die Frontisten-Untersuchung von 1940 zu sehen.22 Der Armeeführung kamen immer mehr Zweifel an der politischen Zuverlässig- keit eines Teils des Offizierskorps. Am 10. Mai 1940 erliess Guisan den „Befehl betr. Ermittlung über sog. frontistische Offiziere“ mit dem Ziel festzustellen, wann ein Offizier Mitglied der „Nationalen Front“ gewesen sei und ob seine Gesinnung noch mit dem Fahneneid übereinstimme. Rund 130 Offiziere wur- den in die Untersuchung einbezogen; eine Liste der Verdächtigen war durch den Chef der Polizeisektion im Armeestab erstellt worden. Ende Juni 1940 liess der General diese einmalige Untersuchung abschliessen; das Ergebnis bezeichne- te er als beruhigend. Nur gegen neun Offizier mussten besondere Massnahmen angeordnet werden; die unbelasteten Offiziere erhielten eine Rehabilitation. Die- se Untersuchung rief sowohl bei den Fronten als auch bei einigen Militärs schar- fe Kritik hervor, so bei Wille, Bircher und Däniker, der sich selber der Einver- nahme hatte unterziehen müssen. Gegenüber dem General bezeichnete Däniker die Ermittlungen als „ehrverletzende Massnahme“ und „verwerflichstes Spit- zeltum“, das für die Armee eine Schande sei.23 Wille kritisierte, dass das Stich- wort über unzuverlässige Offiziere mit Sympathien für das Ausland nur gegen diejenigen mit einer deutschfreundlichen und nie gegen solche mit einer offen pro Frankreich-England Haltung verwendet würde.24

In der Tat war die Untersuchung mangelhaft verlaufen und hinterliess einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits war die Gelegenheit zur Denunziation unbe- scholtener Offiziere benützt worden, um etwa private Rechnungen zu beglei- chen; andererseits gelang es vielen Rechtsextremisten, durch die Maschen zu schlüpfen und etliche Frontisten, die sich zu dem vom Dritten Reich propagier- ten „neuen Europa“ bekannten, wurden rehabilitiert.25 Willi Gautschi meint, die Annahme sei nicht ungerechtfertigt, dass unter dem Eindruck der Erfolge der Deutschen Wehrmacht die Einvernahme der Frontisten durch ihre Vorgesetzten 20 Während des Feldzuges gegen Frankreich fielen der Wehrmacht Mitte Juni 1940 in La Charité- eher milde erfolgte. So schrieb Wille nach der Niederlage Frankreichs an sur-Loire vertrauliche französische Akten in die Däniker, er sei überzeugt, dass diese Aktion heute nicht mehr unternommen Hände, unter anderem auch Dokumente über Absprachen zwischen der französischen und 26 würde. schweizerischen Armeeführung bezüglich einer Kooperation im Kriegsfalle. Dazu Gautschi, Henri Guisan, S. 368-393; Keller, Däniker, S. 317-323; Kreis, Auf den Spuren von La Charité, S. 205-209. 21 Kreis, Auf den Spuren von La Charité, S. 191, 2. Dänikers Weltanschauung – Prägungen und 208; Keller, Däniker, S. 319; Gautschi, Henri Manifestationen Guisan, S. 381. 22 Zur Frontisten-Untersuchung siehe Gautschi, Henri Guisan, S. 168-179; Keller, Däniker, Verschiedene Faktoren und Ereignisse waren für Gustav Dänikers Mentalität und S. 311-317. Habitus prägend gewesen. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg teilte Däniker 23 Gautschi, Henri Guisan, S. 172. 24 Gautschi, Henri Guisan, S. 174. die in weiten Kreisen des Bürgertums verbreitete Furcht vor Kommunismus und 25 Gautschi, Henri Guisan, S. 174-176. Bolschewismus, den er einmal als „Kulturzerstörung“27 bezeichnete. Gegenü- 26 Gautschi, Henri Guisan, S. 176. 27 Däniker in einem Brief an seine Mutter, ber der Sozialdemokratie zeigte er sich immer ablehnend, auch nachdem sich 22.6.1930, zit. nach Keller, Däniker, S. 47. diese 1937 zur Landesverteidigung bekannt hatte.28 28 Keller, Däniker, S. 46f.

88 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 In Dänikers Studienzeit fiel der Kampf um den Völkerbundsbeitritt der Schweiz. Er engagierte sich für den 1921 gegründeten „Volksbund für die Unabhängig- keit der Schweiz“ (VUS)29, der den Beitritt bekämpfte und dem er auch später eng verbunden blieb. Däniker lehnte die Organisation des Völkerbundes auch deshalb ab, weil er den Frieden von Versailles als Ungerechtigkeit empfand. Der Einsatz des VUS für eine Stärkung der Wehrkraft und damit der Widerstand gegen pazifistische und armeekritische Strömungen entsprach ebenfalls der Linie des angehenden Instruktionsoffiziers.30 Als Student war Däniker zudem Mitglied beim „Akademischen Harst“, einer deutschfreundlichen, später rechts- extremen Studentenvereinigung, mit der er als Altherr weiterhin Kontakt pflegte.31

Von 1929 bis 1931 absolvierte Däniker die französische Kriegsschule „Ecole Supé- rieure de Guerre“ in Paris. Die französische Kultur blieb ihm jedoch fremd; die Franzosen charakterisierte er als eitel und parteiisch. Seine französischen Kol- legen an der Schule bezeichnete er als gebildet und arbeitsam, jedoch wenig verantwortungsfreudig. Das gespannte Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland berührte ihn negativ, auch dass die Franzosen die Deutschschwei- zer als Deutsche bezeichneten und ihre Abneigung zu erkennen gaben. Den mili- tärischen Nutzen seines Aufenthaltes schätzte Däniker nicht allzu hoch ein; sein Bericht über die Ausbildung an der Kriegsschule fiel kritisch aus, sie war in sei- nen Augen zu schematisch und wenig innovativ. Trotzdem wurde ihm von deut- scher Seite nach seiner Rückkehr vereinzelt vorgeworfen, seine Schriften wären zu stark von den französischen Erfahrungen geprägt. Gegenüber dem Schrift- leiter des „Militärwochenblatts“ in Berlin gab Däniker auch zu, von Frankreich militärisch, nicht aber politisch beeinflusst worden zu sein.32

Däniker war ein ausgesprochener Bewunderer Ulrich Willes, dem deutsch- freundlichen General des Ersten Weltkrieges. Die von Wille vertretenen Ideen und Werte – so etwa die Propagierung der Erziehung des Bürgers zum Solda- ten – finden sich in vielen Publikationen Dänikers wieder. Mit dem Sohn des Generals, Korpskommandant Ulrich Wille, verband ihn gleichermassen eine enge Beziehung. Däniker verehrte Wille jun. ebenso sehr wie dessen Vater. In einem Brief vom 28. Juni 1937, worin Däniker Willes Verbindungen zu Deutsch- land verteidigte, schrieb er: „Wer hat sich schon über Beziehungen anderer zu Frankreich aufgehalten. Auch die Gegensätzlichkeit zu Deutschland ist heute bei uns Mode, nachdem wir uns 1918 nicht geschämt haben, auch unsererseits Deutschland Eseltritte zu versetzen. [...] Ich verehre Oberstkkdt. Wille als einen unserer überragendsten Soldaten, als guten Schweizer und als selten vorneh- men Menschen.“33 Däniker war denn auch sehr enttäuscht, als Henri Guisan und nicht Ulrich Wille zum General gewählt wurde. Als 1940 der Posten des Gene- ralstabchefs neu zu besetzen war, drückte Däniker die Hoffnung aus, dass Wille 29 Gautschi nennt den VUS ein „germanophiles ihn erhalten würde, um so gegenüber Deutschland zu zeigen, „dass die Schweiz Gebilde“ (Gautschi, Henri Guisan, S. 574). ehrlich bestrebt ist, den neuen Verhältnissen Rechnung zu tragen und mitma- 30 Keller, Däniker, S. 49-51. 31 Jaun, Der Schweizerische Generalstab, S. 91; chen will bei der Gestaltung eines neuen Europas.“34 Aus dem Kreis der ger- Keller, Däniker, S. 51. manophilen Offiziere war es schliesslich einzig Ulrich Wille, der sich für Däniker 32 Keller, Däniker, S. 89-98. 35 33 Däniker an F. Koller, 28.6.1937, zit. nach Keller, in der Denkschriftangelegenheit einsetzte. Däniker, S. 269. 34 Däniker an Ulrich Wille, 30.7.1940, zit. nach Keller, Däniker, S. 270f. Gustav Däniker war kein Demokrat. Liberalismus und parlamentarische Demo- 35 Keller, Däniker, S. 48, 268-273; Kreis, Auf den kratie lehnte er ab. Als Ideal schwebte ihm ein soldatisch geprägter Volksstaat Spuren von La Charité, S. 167; Bonjour, Geschichte der Schweizerischen Neutralität, vor: „Die liberalistische, im Grunde soldatenfeindliche Epoche weicht [...] einem S. 421-423. soldatischen Zeitalter. Ein soldatischer Lebensstil wird eine ,Volksgemeinschaft

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 89 von oben’, die schenkt, an die Stelle der nur fordernden ,Volksgemeinschaft von unten’ treten lassen.“36 In einem Brief sprach er von „abgewirtschafteten Poli- tikern“ und „Schwätzern im Parlament“. Die Rettung des Landes sah er in einer gründlichen Erneuerungsbewegung und der Zertrümmerung der Parteien.37 Die- se Haltung teilte er mit den Frontisten und Erneuerern, ebenso deren militanten Antikommunismus und das Bekenntnis zum „neuen Europa“ und zum „neuen Deutschland“.38 Däniker unterhielt Kontakte zu verschiedenen Exponenten der Fronten und Erneuerungsbewegungen, wie etwa Max Leo Keller und Ernst Hof- mann von der „Nationalen Bewegung der Schweiz“ (NBS). Immer wieder tauch- te das Gerücht auf, Däniker sei selber Mitglied der NBS. Er bestritt dies, mach- te aber aus seiner Affinität zum Gedankengut der NBS keinen Hehl. Gegenüber Hans Hausamann, Chef der privaten Nachrichtenorganisation „Büro Ha“, hielt Däniker fest, als Soldat wolle er sich politisch nicht betätigen, die NBS zeige aber eine gesunde soldatische Gesinnung, die der Rettung der Schweiz den Weg weise. Das vom Bundesrat verfügte Verbot der NBS bezeichnete er als eine kurz- sichtige Massnahme und beklagte sich: „Wir wollen in der Schweiz inmitten Europas ein Museum des 19. Jahrhunderts errichten, in welchem sich die Par- teien, die Freimaurer und die Juden ungestört herumtreiben können – zum Scha- den der gesunden Substanz des Schweizervolkes.“39

Verschiedene Aktionen der Erneuerungsbewegungen unterstützte Däniker direkt oder indirekt. So wird er als einer der Hintermänner des Frontistenempfanges beim Bundespräsidenten bezeichnet;40 er rechtfertigte die Audienz und vertei- digte den unter Beschuss geratenen Pilet-Golaz. Der Oberst gehörte auch zu einem der Unterzeichner der „Eingabe der Zweihundert“, die auf Initiative des VUS im November 1940 dem Bundesrat eingereicht wurde.41 Die von insgesamt 173 Personen unterzeichnete Eingabe verlangte unter anderem drastische Mass- nahmen gegen die in den Augen der Initianten zu einseitige Presse. Diese war Däniker schon lange ein Dorn im Auge gewesen; die kritische Berichterstattung 36 Däniker, Der Sieg des Soldaten. Vgl. auch Bon- gegenüber dem Deutschen Reich betrachtete er als ungerecht und für die Schweiz jour, Geschichte der Schweizerischen Neutra- lität, S. 408. gefährlich. Als nach dem Krieg die Unterzeichner der Eingabe an den Pranger 37 Däniker an Max Beck, 19.9.1940, zit. nach Keller, gestellt wurden, wehrte sich Däniker vehement gegen die erhobenen Anschul- Däniker, S. 288f. 38 Zu den Beziehungen Dänikers zur Fronten- und 42 digungen und verteidigte die Petitionäre als gute Patrioten. Der schweizeri- Erneuerungsbewegung siehe Keller, Däniker, schen Presse hingegen warf er diktatorische Methoden gegenüber Andersden- S. 282-290. 39 Däniker an Hans Hausamann, 16.1.1941, zit. 43 kenden vor. In Sachen Presse war Däniker schon einmal aktiv geworden. Im nach Keller, Däniker, S. 285f. Dezember 1939 war die frontistische „Neue Basler Zeitung“ (NBZ), in der auch 40 Koller, W. Die Schweiz 1935-1945. 1000 Daten Däniker schon publiziert hatte, verboten worden. Er setzte sich daraufhin für eine aus kritischer Zeit. Zürich 1970. S. 89. 41 Zur „Eingabe der Zweihundert“ siehe Waeger, Aufhebung des Verbotes ein. An der NBZ lobte er die „neutrale“ Haltung: Die Gerhart. Die Sündenböcke der Schweiz. Die Zeitung würde sich nicht wie die anderen für Schmähungen gegenüber Deutsch- Zweihundert im Urteil der geschichtlichen Dokumente 1940-1946. Olten 1971; Bonjour, 44 land hergeben. Geschichte der Schweizerischen Neutralität, S. 349-384; Gautschi, Henri Guisan, S. 574-576. 42 Keller, Däniker, S. 287-289; 295-303. Diese Aktivitäten und Äusserungen zeigen unmissverständlich, wie sehr Oberst 43 Vgl. dazu Dänikers Aufsatz „Gegen drohende Däniker der undemokratischen, anpasserischen und auch antisemitischen Gei- Geschichtsverfälschung“ in der „Neuen Poli- steshaltung der Frontisten und Erneuerer verbunden war. tik“. Herausgeber der „Neuen Politik“ war der Fröntler Hans Zopfi, siehe Frischknecht, Jürg. „Schweiz wir kommen“. Die neuen Fröntler und Rassisten. Zürich 21991. S. 47, 49. In seinen Lebenserinnerungen verteidigt Zopfi Dänikers Haltung (Zopfi, Hans. Aus sturmerfüllter Zeit. 3. Däniker und die Deutsche Wehrmacht – 2. Teil der Anekdoten und Erinnerungen. Affoltern am Albis 1954. S. 140-146). Bewunderung und Beziehung 44 Keller, Däniker, S. 117f.; 136f.; 291-294. 45 Dänikers Bewunderung der Wehrmacht spielt auch im Zusammenhang mit seiner Kriegs- Dänikers Deutschfreundlichkeit manifestierte sich insbesondere in seiner gren- deutung eine wichtige Rolle, siehe dazu Teil B, zenlosen Bewunderung der Deutschen Wehrmacht.45 In vielen Publikationen Kap. 4.

90 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Dänikers findet die Glorifizierung der deutschen Armee ihren Ausdruck. Zudem pflegte er sehr gute Beziehungen zu Wehrmachtsangehörigen. Es sei darauf hingewiesen, dass manch Schweizer Offizier Dänikers Begeisterung für die Deutsche Wehrmacht und deren Erfolge teilte. Die immer häufiger werdenden Rückschläge und Niederlagen im Laufe des Krieges konnten dem Prestige nur schwer etwas anhaben.46

In den zwanziger und dreissiger Jahren hielt sich Däniker häufig beruflich in Deutschland auf und lernte dabei namhafte Militärs kennen, so etwa Erwin Rom- mel, Generalstabschef Franz Halder47 und den General der Panzertruppe, Walt- her Nehring. Auch bei Besuchen in der Schweiz konnte Däniker Kontakte zu deut- schen Offizieren knüpfen. Im August 1938 weilte Däniker während zehn Tagen auf einer Infanterie-Lehrschule in Döberitz bei Berlin. In der Beurteilung dieses Aufenthaltes war im Gegensatz zu jener über die französische Kriegsschule kei- ne Spur von Kritik mehr zu finden. Däniker zeigte sich erfreut über die gute Aus- bildung und lobte ausdrücklich das hohe kulturelle Niveau der deutschen Offi- ziere. Einige der Methoden, die er in Deutschland kennengelernt hatte, liess er nach seiner Rückkehr an der Schiessschule Walenstadt, wo er Kommandant war, nachahmen.48

Gustav Däniker genoss in Deutschland einen äusserst guten Ruf. Seine Aufsät- ze zu militärwissenschaftlichen Themen wurden sehr geschätzt und fanden eine breite Aufnahme. Während des Krieges analysierte und kommentierte Däniker das Vorgehen der Wehrmacht. Die deutsche Propaganda fand Geschmack an den anerkennenden Worten; seine Schriften kamen offiziell zur Verteilung in der Wehrmacht und einige Aufsätze wurden vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) nachgedruckt.49 Die Deutschen liessen Däniker auch regelmässig Propa- gandamaterial wie Kampfaufzeichnungen des OKW und Presseberichte zukom- men. Hitler selber beklagte sich im Juli 1942, dass der Schweizer Offizier – gemeint war Däniker – der den Krieg richtig darstelle, seines militärischen Ranges ent- kleidet worden sei.50 Die Anerkennung für sein Schaffen, die Däniker in der 46 Heiniger, Markus. Dreizehn Gründe. Warum die Schweiz versagt blieb, fand er um so mehr von Seiten des Dritten Reiches.51 Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde. Zürich 1989. S. 25-27. Siehe auch Fuh- rer, Hans Rudolf. Die Wehrmacht aus Schweizer Diplomatische und militärische Vertreter der Schweiz im Deutschen Reich ver- Sicht. In: Müller, Rolf-Dieter/Volkmann, Hans- Erich (Hg.). Die Wehrmacht. Mythos und Rea- suchten, Dänikers positive Einstellung zur Wehrmacht für die Verbesserung der lität. München 1999. S. 123-146. Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu nutzen.52 So etwa der Militäratta- 47 Halder schrieb am 11.8.1940 in sein Kriegstage- ché der Schweizer Gesandtschaft in Berlin, Oberst Hans von Werdt, und der buch: „Schweiz: Oberst Dannicker [Däniker] tritt als Vertreter deutscher Auffassungen hervor.“ Schweizer Konsul in München, Hans J. Gremminger, der Däniker mitteilte, dass (zit. nach Keller, Däniker, S. 268). seine Schrift „Von der Bewährung einer Wehrmacht“ bei den deutschen Offi- 48 Keller, Däniker, S. 98-103. 49 Die von Goebbels persönlich geleitete Wochen- zieren auf grossen Anklang gestossen sei. Diese Schrift sei zudem ein ausge- zeitung „Das Reich“ bemühte sich anfangs zeichnetes Mittel, um bei den höheren Offizieren vermehrt Sympathie für die 1943 um Dänikers Mitarbeit. Nachdem er zuerst begeistert zugestimmt hatte, musste er wieder Schweiz und ihre Armee zu wecken. Gremminger fuhr fort: „Es wäre ausseror- absagen (Keller, Däniker, S. 137f.). dentlich zu begrüssen und unserem Lande sicherlich von grossem Nutzen, wenn 50 Fink, Jürg. Die Schweiz aus der Sicht des Dritten im Hinblick auf die wenig glückliche Einstellung unserer Presse zu den grossen Reiches 1933-1945. Zürich 1985. S. 23f. 51 Keller, Däniker, S. 141-146. historischen Ereignissen der Gegenwart in massgebenden Kreisen des deut- 52 Keller, Däniker, S. 145f. schen Nachbarvolkes noch öfters solche der Wirklichkeit und dem Zeitgesche- 53 Nl Dä IX 81.60: Hans J. Gremminger an Däniker, 28.2.1941. hen klug Rechnung tragende Stimmen zu Ohr und Herz geführt werden könn- 54 Nl Dä IX 81.60: Däniker an Hans J. Gremminger, ten.“53 In seinem Antwortschreiben an den Konsul bemerkte Däniker: „Ich gebe 11.3.1941. 55 Von Ilsemann teilte dem Auswärtigen Amt im mir alle Mühe, wenigstes im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten, mit- November 1940 mit: „Er [Däniker] ist einer der zuhelfen, dass das, was bei uns an Ungeschicklichkeiten – und teilweise auch wenigen Schweizer Offiziere, die rückhaltlos zu Deutschland stehen.“ (zit. nach Keller, Däniker, an Böswilligkeiten – Deutschland gegenüber geschieht, zu neutralisieren und S. 268). korrigieren.“54 Gegenüber dem deutschen Militärattaché Iwan von Ilsemann55

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 91 drückte Däniker seine Freude darüber aus, dass seine Aufsätze in deutschen Mili- tärzeitschriften gedruckt wurden: „Ich bin froh, dass auf diese Art und Weise die Beziehungen zur Deutschen Wehrmacht etwas aufrecht erhalten werden kön- nen. Es dürfte dies für unser Land nur von Gutem sein.“56

Der oben erwähnte Aufsatz Dänikers „Von der Bewährung einer Wehrmacht“57 liest sich denn auch als eine überschwängliche Lobeshymne auf die deutsche Armee und Kriegführung. Im Rückblick auf ein Jahr Krieg hob er den „unver- gleichlichen Siegeszug der deutschen Wehrmacht“58 hervor, dem man mit „vor- behaltsloser Anerkennung“ und „tiefer Bewunderung“ gegenüberstehe.59 Der Siegeswille und der Schwung der noch jungen Wehrmacht „getragen vom sol- datischen Geiste des ganzen Volkes“ sei nicht zu übertreffen gewesen.60 Ein- malig sei die Raffinesse, die kühne Entschlossenheit und Tatkraft, die die deut- sche Armee gezeigt habe.61

Jegliche Kritik an der Wehrmacht war für Däniker tabu. Er wertete diese als Kri- tik am „wahren Soldatentum“,62 das die Wehrmacht für ihn verkörperte. Mel- dungen etwa über Greueltaten der SS oder Aktivitäten einer „fünften Kolonne“ tat er als unbewiesene Gerüchte oder alliierte Propaganda ab. Sie passten nicht in sein Bild vom deutschen Soldaten; dieser hatte es seiner Ansicht nach nicht nötig, mit unredlichen Mitteln Krieg zu führen; er siegte, weil er „soldatisch“ kämpfte.63

Die immer aussichtsloser werdende Lage Deutschlands und die Erfolge der Alli- ierten konnte auch Däniker mit der Zeit nicht länger ignorieren. In seiner 1945 erschienenen Schrift „Ein fünftes Jahr deutsche Strategie“ anerkannte er durch- aus die Leistungen der Gegner Deutschlands, sprach aber immer noch von der 56 Nl Dä IX 81.78: Däniker an Iwan von Ilsemann, 64 18.3.1941. „kämpferischen Überlegenheit des deutschen Soldaten.“ Im Weiteren beton- 57 Dieser Aufsatz Dänikers wurde vom OKW als te er, dass es den Alliierten nicht gelungen sei, den Kampfwillen des deutschen Broschüre herausgegeben und in andere Spra- Volkes zu brechen.65 Bis zuletzt gab Däniker die Zuversicht auf einen deutschen chen übersetzt. 58 Von den „unvergleichlichen Leistungen der Sieg nicht auf. Noch Anfangs März 1945 schrieb er in einem Brief: „So bedenk- deutschen Wehrmacht“ sprach Däniker auch lich augenblicklich die Lage ausschaut, so bin ich doch nicht hoffnungslos.“66 in einem Brief an Generaloberst von Kleist (Nl Dä IX 81.90: Däniker an von Kleist, 10.4.1941). 59 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, Nach Kriegsende musste Däniker schliesslich eingestehen: „Das deutsche Reich S. 3. 60 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, hat den Krieg verloren“, um gleich anschliessend ein Lob auf die Leistungen der S. 4. Wehrmacht, auf den „führenden deutschen Geist“ anzustimmen.67 Sein Fazit 61 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, war: „Deutschland hat den Krieg verloren. Die Entwicklung der Dinge hat es mit S. 16. 62 Näheres zu Dänikers Ideal des „wahren Solda- sich gebracht, dass die Entscheidungen nicht mehr in der Hand des Soldaten tentums“ siehe Teil B, Kap. 4. lag.“68 – In seinen Augen blieb der deutsche Soldat unbesiegt. 63 Keller, Däniker, S. 239 u. 275. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Entwurf eines Schreibens des „Volksbundes für die Unabhän- gigkeit der Schweiz“ vom Dezember 1944. Man wollte beim Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes gegen Schil- 4. Dänikers Vision – Die Schweiz im „neuen Europa“ derungen der Presse über Verbrechen deut- scher Soldaten und SS-Truppen protestieren (Waeger, Die Sündenböcke der Schweiz, Aufgrund seiner Aussagen und seines Verhaltens trug Gustav Däniker das Eti- S. 188f.). kett „deutschfreundlich“. Wie aber hat sich Däniker selber gesehen? Folgendes 64 Däniker, Ein fünftes Jahr deutsche Strategie, S. 32. Zitat aus einem Brief verdeutlicht sein Selbstverständnis: „Ich bin nicht ,deutsch- 65 Däniker, Ein fünftes Jahr deutsche Strategie, freundlich’, sondern ,deutsch’. Ich hoffe, Sie werden diese Formulierung ver- S. 34. 66 Nl Dä IX 81.87: Däniker an Wilhelm Kiefer stehen. Sie hat mit politischen Grenzen nichts zu tun, sondern mit der Rassen- (deutscher Schriftsteller in Basel), 5.3.1945. zugehörigkeit. Wer deutschen Blutes ist und die deutsche Sprache spricht, sich 67 Däniker, Das sechste und letzte Jahr der deutschen Strategie, S. 21. dessen aber schämt, oder es nicht eingestehen will, der ist ein entarteter Mensch. 68 Däniker, Das sechste und letzte Jahr der Politisch bin ich nicht ,deutsch’, sondern ,schweizerisch’ und dann zweitens deutschen Strategie, S. 26.

92 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 ,europäisch’. [...] Ohne zur europäischen Gemeinschaft zu gehören, ihr Werte zu geben und Werte zu empfangen, werden wir einer bedenklichen Zukunft ent- gegengehen.“69 Mit Deutschland fühlte sich Däniker also nicht nur freund- schaftlich, sondern auch „rassisch“ verbunden. Die Schweiz und sich selber sah er als Teil eines „neuen Europa“. Angesichts der bestehenden Machtkonstella- tion war mit dem Begriff „neues Europa“ nichts anderes als ein von Nazi- deutschland geprägtes und beherrschtes Europa gemeint. Ersetzt man „neu“ jeweils durch „nationalsozialistisch“, wie Willi Gautschi es vorschlägt, wird die- se Tatsache noch offensichtlicher. Däniker sprach zwar von der „Erhaltung der Eigenstaatlichkeit unseres Schweizervolkes“70 und war auch gewillt, dafür zu kämpfen, zweifelsohne war er jedoch bereit, sich weitgehend an das Dritte Reich anzupassen und sich in ein nationalsozialistisch dominiertes Europa einzuglie- dern.71

Nicht nur Gustav Däniker machte sich Gedanken um den Platz der Schweiz in einem veränderten Europa. Insbesondere nach der Niederlage Frankreichs im Jahre 1940 erhoben sich viele Stimmen, die eine Anpassung an die neuen Ver- hältnisse forderten.72 So propagierten Exponenten der Erneuerungsbewegun- gen wie etwa Hektor Ammann und Gonzague de Reynold die Eingliederung der Schweiz in das „neue Europa“.73

Dänikers Plädoyer für das „neue Europa“, seine Denkschrift vom Mai 1941, erreg- te grosses Aufsehen und kostete ihn schliesslich Beruf und Karriere.74 Für die Spannungen mit dem Dritten Reich machte Däniker die Schweiz verantwortlich: „Es lässt sich im Grunde alles darauf zurückführen, dass in Europa seit Jahren

69 Däniker an Georg Züblin, 20.9.1941, zit. nach eine Entwicklung eingesetzt hat, die wir nicht nur nicht verstehen wollen, son- Keller, Däniker, S. 265. dern gegen die wir in engster Anlehnung an die Gegner eines neuen Europa in 70 Däniker, Denkschrift, S. 9. 71 Keller, Däniker, S. 266, 270f.; Gautschi, Henri offenem Gegensatz getreten sind. Wir bilden uns merkwürdigerweise hierbei Guisan, S. 396. Zum Europaverständnis der auch sehr viel darauf ein, fernerhin als ,Querschläger’ durch ein neues Europa Nazis siehe Brackmann, Karl-Heinz/Birkenhauer, zu fliegen.“75 Der gegenwärtige Krieg spiele sich auf einer weltanschaulichen Renate. NS-Deutsch. „Selbstverständliche“ Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Ebene ab und sei für Europa ein „Einigungskrieg“, mit entsprechenden Folgen: Nationalsozialismus. Straelen 1988. S. 67 und „Dass in einem geeinten Europa das 90-Millionenvolk der Deutschen eine füh- 134. 76 72 Vgl. dazu Rings, Werner. Schweiz im Krieg rende Rolle spielen wird, ist durchaus natürlich [...].“ Däniker hielt weiter fest, 1933-1945. Ein Bericht. Zürich 41975. S. 172-185; dass der europäische Kontinent sich je länger je enger zu einer „Schicksalsge- Adam, Jost. Die Haltung der Schweiz gegen- 77 über dem nationalsozialistischen Deutschland meinschaft“ zusammenschliessen müsse. Auch die Schweiz könne sich dieser im Jahre 1940. Diss. Berlin 1972. S. 142-156. Entwicklung nicht länger verweigern: „Wenn die Schweiz in Europa tatsächlich 73 Simon, Christian. Hektor Ammann – Neutralität, eine ihr eigene und ureigenste Aufgabe erfüllen will, wenn sie also ein wahrhaft Germanophilie und Geschichte. In: Mattioli, Aram (Hg.). Intellektuelle von rechts. Ideologie nützliches Glied in Europa zu sein bestrebt ist, dann hat sie sich in dieses Euro- und Politik in der Schweiz 1918-1939. Zürich pa entsprechend einzugliedern.“78 Ein Mitwirken der Schweiz in einem „neuen 1995. S. 39; Mattioli, Aram. Zwischen Demokra- tie und totalitärer Diktatur. Gonzague de Rey- Europa“ verstosse keineswegs gegen die Idee der Schweiz, sondern höchstens nold und die Tradition der autoritären Rechten gegen einzelne veraltete und überlebte äussere Formen. Von ihr werde nun in der Schweiz. Diss. Zürich 1994. S. 262f. 74 In einer Besprechung der Denkschrift vom erwartet, dass sie ihre wertvollen Kräfte für den Neuaufbau Europas zur Verfü- 30.10.1941 schrieb die Wochenzeitung der SS gung stelle.79 „Das Schwarze Korps“, es gebe neben der offi- ziellen noch eine andere, heimliche Schweiz, die sich ihrer Rolle im gemeingermanischen Die Mitarbeit am Aufbau des „neuen Europa“ war für Däniker, der sich „ras- Schicksal bewusst sei (Bonjour, Geschichte der sisch“ als deutsch, politisch als schweizerisch und europäisch fühlte, ein gros- Schweizerischen Neutralität, S. 412f.). 75 Däniker, Denkschrift, S. 2. ses Anliegen: „[Ich möchte alles tun] mitzuhelfen, dass die Schweiz sich in der 76 Däniker, Denkschrift, S. 3. gegenwärtigen Lage ihrem Wesen entsprechend zurechtfindet und gestützt hier- 77 Däniker, Denkschrift, S. 6. 78 Däniker, Denkschrift, S. 9f. auf im neuen Europa, wieder ihrem Wesen entsprechend, an der Lösung der 79 Däniker, Denkschrift, S. 10f. vielen Probleme mitwirken darf.“80 Und im März 1942 schrieb er: „Dass in der 80 Nl Dä IX 81.128: Däniker an Dr. Carlo Richelmy (Korrespondent der Agentur Stefani und des gegenwärtigen, weltgeschichtlich so bedeutsamen Zeit alle ihren Beitrag zu „Corriere della Sera“, Bern), 18.10.1940. leisten haben – auch die Neutralen – versteht sich ganz von selbst und es wäre

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 93 ein ungesundes Verhältnis, wenn dem nicht so wäre. Schliesslich sollte doch auch der letzte Europäer einsehen, dass, wenn es um die letzten Belange des Abendlandes geht, auch das Letzte für den zukünftigen Bestand Europas gege- ben werden muss.“81 Dänikers Engagement wäre bei einer Eingliederung der Schweiz ins „neue Europa“ auch belohnt worden: Er figurierte nämlich auf einer Ministerliste Schweizer Nationalsozialisten, die ihn als Chef des Militärdeparte- mentes in einer nationalsozialistischen Regierung vorsahen.82

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Briefwechsel mit einem pol- nischen Offizier, der Däniker von früher her kannte und nun in einem deutschen Gefangenenlager sass. Im November 1939 antwortete Däniker auf ein Schrei- ben, worin der Pole Däniker bat, Nachforschungen über seine vermissten Fami- lienangehörigen anzustellen. Däniker entsprach dieser Bitte und drückte die Hoff- nung aus, dass die Gefangenschaft nicht zu lange dauern möge, „weil schliesslich doch die Vernunft obsiegt und endlich ein neues Europa auf gesünderer Grund- lage entsteht, als wir es in den letzten 20 Jahren erlebt haben.“83 In seinem zwei- ten Brief an den Gefangenen schrieb Däniker: „Ob Europa bald zur Vernunft kom- men und einsehen wird, dass es nutzlos ist, gegen das Deutsche Reich Krieg zu führen. Wieviel mehr wäre der Menschheit gedient, wenn man davon ausgehen würde ein neues Europa aufzubauen und zwar auf der Grundlage der Gerech- tigkeit und nicht festhaltend an jahrzehntealten Ungerechtigkeiten, die nur ein- seitige Vorteile im Auge hatten.“84 Diese Aussage hat doch eine gewisse Brisanz – ein Schweizer Offizier im Generalstab erklärt anfangs 1940, es sei nutzlos, gegen Deutschland Krieg zu führen! Sie darf jedoch nicht überbewertet werden, da Däniker im Allgemeinen keine Zweifel aufkommen liess an seiner Bereitschaft, die Schweiz im Falle eines Angriffs der Deutschen zu verteidigen.85 Sein Bestre- ben, sich den Deutschen und ihrem „neuen Europa“ anzupassen, tritt hier aber wieder besonders deutlich zutage.

5. Die „Revolution“ – Dänikers Haltung zum Nationalsozialismus

Dänikers Haltung zum Nationalsozialismus erfuhr in der Literatur eine eher ober- flächliche Analyse. Franziska Keller hat diesen Aspekt zwar eingehender beleuch- tet, ihr relativierendes Urteil vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie schreibt, Däniker habe die Rolle, welche das hinter der Wehrmacht stehende politische System spielte, ignoriert, da er nie vom Nationalsozialismus als politische Ein- richtung gesprochen hätte. Däniker nun aber als „politischen Naivling“ abzu- tun, erscheine ihr aber als zu einfache Erklärung für seine völlig einseitige Beur-

teilung des Dritten Reiches. Seine Optik einer Verschmelzung der deutschen 81 Nl Dä IX 81.134: Däniker an Bruno Roos (Deut- Staatsführung und der Armee zu einer militärischen Einheit liesse deutlich wer- sche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwis- den, dass Däniker trotz seiner humanistischen Bildung das Phänomen dieser senschaften, Zweig Stuttgart), 25.3.1942. 82 Wolf, Walter. Faschismus in der Schweiz. Die autoritären Diktatur nicht durchschaut habe.86 Einerseits spricht Keller davon, Geschichte der Frontenbewegung in der deut- Däniker habe das politische System, also den Nationalsozialismus, ignoriert und schen Schweiz, 1930-1945. Zürich 1969. S. 90f.; Keller, Däniker, S. 390. verkannt, andererseits weist sie darauf hin, in seiner Wahrnehmung seien Staats- 83 Nl Dä IX 81.150: Däniker an Romuald Sidorski führung und Wehrmacht zu einer Einheit verschmolzen – Däniker kann folglich (polnischer Oberstleutnant, Gefangenenlager Oflag X b. in Deutschland), 24.11.1939. das politische System nicht einfach ignoriert haben, auch wenn er dessen wah- 84 Nl Dä IX 81.150: Däniker an Sidorski, undatiert, ren Charakter nicht erkannt haben soll. Kellers weitere Feststellung, Däniker habe wahrscheinlich Januar, Februar 1940. 87 85 So auch in der Denkschrift, S. 9. nie vom Nationalsozialismus als politische Einrichtung gesprochen, ist auch 86 Keller, Däniker, S. 398. nicht richtig, wie im Folgenden noch gezeigt wird. 87 Vgl. auch Keller, Däniker, S. 266.

94 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Andere Autoren und Autorinnen sind sich in ihrem Urteil relativ einig. Däniker scheine wie viele andere Zeitgenossen den Ungeist des nationalsozialistischen Gewaltsystems nicht wirklich erkannt zu haben, so Willi Gautschi.88 Edgar Bon- jour charakterisiert ihn als politisch naiv und unfähig, die nazistische Rabulistik zu durchschauen.89 Den gleichen Schluss zieht auch Erwin Bucher: Däniker sei in politischen Fragen naiv gewesen, das wahre Gesicht des Hitlerregimes habe er nicht zu erkennen vermocht.90 Alice Meyer beschreibt Däniker als notorischen Sympathisanten des Nationalsozialismus; in Bezug auf seine Denkschrift hält sie fest, vom Nationalsozialismus hätte er keine Ahnung gehabt und sei dessen Propaganda völlig verfallen gewesen.91 Als Bewunderer der Nazis bezeichnet ihn Jürg Frischknecht.92

Wie hat nun Däniker den Nationalsozialismus bewertet und gedeutet? Einige Aussagen in seinen Schriften und Korrespondenzen beweisen, dass er sich sehr wohl Gedanken zum politischen System des Dritten Reiches gemacht hat. In die- sem Zusammenhang verdienen auch seine Stellungnahmen nach dem Krieg besondere Beachtung.

Im Aufsatz „Von der Bewährung einer Wehrmacht“ schrieb Däniker: „An der Spitze des Reiches stand eine einheitliche Führung, die sowohl das Volk erzo- gen, als auch die neue Wehrmacht geschaffen hatte. Der oberste Befehlshaber, der im Kriege die Führung übernahm, war schon im Frieden der Schmied sei- nes Instrumentes gewesen.“93 und weiter: „Politik und militärische Kriegführung lagen – dies ist ein weiteres wesentliches Merkmal der gegenwärtigen deutschen Führung – auch fernerhin in einer lenkenden Hand vereinigt [...].“94 In Adolf Hit- ler sah Däniker also den Schöpfer und Lenker der von ihm so bewunderten Wehr- macht. Deren Siege begründete er mit der soldatischen Erziehung und den soldatischen Werten, geschaffen gerade auch durch die „Revolution“ des Natio- nalsozialismus: „Aber auch die harte Zeit, welche das deutsche Volk nach dem Weltkriege hatte erleben müssen und die Schulung, die ihm durch den Natio- nalsozialismus ganz allgemein gegeben wurde, hatten das ihre getan. Der deut- sche Soldat des gegenwärtigen Krieges ist nicht nur der deutsche Soldat, wie er sich eh und je auf den Schlachtfeldern bewährt hatte, sondern er ist überdies der Soldat einer Revolution. Die Kriegsgeschichte zeigt an vielen Beispielen, wie sehr kämpferischer Einsatz für eine neue Idee besondere Kräfte zu entfalten mag.“95 88 Gautschi, Henri Guisan, S. 422. 89 Bonjour, Geschichte der Schweizerischen Neutralität, Bd. IV, S. 408. Die Deutung des Nationalsozialismus als „Revolution“ kommt in Dänikers Aus- 90 Bucher, Zwischen Bundesrat und General, sagen oft zum Ausdruck.96 In „Der Geist der Ordnung in der Kriegführung“ S. 244. 91 Meyer, Anpassung oder Widerstand, S. 122, bezeichnete Däniker den Liberalismus als Feind des preussisch-deutschen 166, 168. Heeres: Dem „um sich greifenden Liberalismus“ sei es gelungen, die von der 92 Frischknecht, Jürg u.a. Die unheimlichen 97 Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz. preussischen Erneuerung ausstrahlenden Kräfte zu vernichten. Am Ende des Ein aktuelles Handbuch mit Nachtrag 1979-84. Ersten Weltkrieges sei schliesslich die Unordnung so gross gewesen, dass dem 5. erweiterte Auflage Zürich 1984. S. 27. Abendland der endgültige Untergang gedroht habe. Eine Erneuerung sei nur 93 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, S. 4. noch durch revolutionäre Bewegungen möglich gewesen: „Der Nationalsozia- 94 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, lismus und der ihm verwandte Faschismus strebten auf national-völkischer S. 10. 95 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, Grundlage eine organisch sich bildende Synthese der verschiedenen Probleme S. 28. an, eine Ordnung der verworrenen Verhältnisse, welche vom ausgehenden 96 Auch Eugen Bircher stufte den Nationalsozia- lismus als Revolution ein, vgl. Heller, Daniel. 19. Jahrhundert als Erbe hinterlassen worden waren. Das laisser faire und lais- Eugen Bircher. Arzt, Militär und Politiker. Ein ser aller, welches in dieser Epoche geherrscht hatte, war besonders dem deut- Beitrag zur Zeitgeschichte. Zürich 21990. S. 136, 150. schen Wesen, welchem Ordnung innerstes Bedürfnis ist, immer zuwider gewe- 97 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 7. sen. [...] Eine [...] fachlich-militärische Entwicklung war aber nur auf einer

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 95 allgemein neuen Grundlage möglich, welche durch eine gleichzeitig schöpferi- sche und ordnende und trotz aller Dynamik geordnet verlaufenden Revolution geschaffen wurde.“98 Däniker hielt weiter fest: „Als dann nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus wiederum zur allgemeinen Wehrpflicht übergegangen wur- de, war es möglich, auf geordneter Grundlage und durch gemeinsame Anstren- gungen in kürzester Zeit [...] eine neuzeitliche Wehrmacht zu schaffen, wie sie in dieser Art sonst nirgends vorhanden war.“99 Däniker war überzeugt, dass die nationalsozialistische „Revolution“ den Wiederaufbau der Deutschen Wehr- macht überhaupt erst möglich machte. Wie sehr er die positive Wirkung dieser „Revolution“ betonte, illustriert eine weitere bezeichnende Aussage: „Der Auf- bau der grossen deutschen Wehrmacht war ein Ergebnis der politischen Revo- lution, einer Revolution freilich, die in der Hauptsache nicht etwa nur zerstörend wirkte, sondern das Neue mit den gesunden Werten der Tradition zu verbinden wusste.“100

Seine Idee vom Staat als eine „Schicksalsgemeinschaft“101 sah er in Deutsch- land verwirklicht, wo „die nationalsozialistische Revolution der Entwicklung dadurch einen starken Impuls [gab], dass durch sie Volk, Staat und Wehr zu einer geschlossenen Einheit verschmolzen wurden.“ An die Stelle einer bloss auf die Wehrmacht beschränkten Wehrhaftigkeit sei eine umfassende und vollkomme- ne Wehrhaftigkeit des ganzen Volkes getreten. Das ganze Volk habe sich zu einer Kampfgemeinschaft zusammengeschlossen.102

Für den Aufstieg des Nationalsozialismus machte Däniker den Versailler-Vertrag und den Bolschewismus verantwortlich. In seinem Aufsatz „Weitung und Wand- lung des Krieges“ schrieb er, es sei absehbar gewesen, dass Deutschland eines Tages die Fesseln von Versailles gewaltsam sprengen würde.103 Im Weiteren erklärte er, die nationalsozialistische Revolution hätte die Ideologie des bol- schewistischen Russlands zunächst abgewehrt.104 Däniker setzte seine Ausfüh- rungen fort mit der Feststellung, dass die Zukunft für Deutschland bedrohlich ausgesehen habe; weder die starke Wehrmacht, noch das Bündnis mit Italien konnte die Zuversicht auf einen erfolgreichen Krieg gegen die zwei Pole Ost und West geben: „Es bedurfte einer klar sehenden, sowie entschlossenen und kon- sequent handelnden Politik, um die Verhältnisse so zu gestalten dass sich eine Hoffnung auf Erfolg bilden konnte. Eine erste wichtige Vorbereitung lag in der Schaffung eines Grossraumes durch den Anschluss von Österreich und des 98 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 9f. Sudetenlandes, sowie durch die Errichtung des Protektorates Böhmen-Mäh- 99 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 12. ren.“105 – Eine unverhohlene Rechtfertigung der rücksichtslosen expansionisti- 100 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 52f. 101 „Wir begreifen heute den Staat nicht mehr als schen Machtpolitik Nazideutschlands! Wie Däniker mit der Befürwortung der Zweckverband, der dem Bürger erlaubt, ein nationalsozialistischen „Revolution“ eine positive Wertung und Legitimierung möglichst ungestörtes Leben zu führen. Er erscheint uns vielmehr als die notwendige des von dieser „Revolution“ ausgelösten Krieges verknüpfte, veranschaulichen Form für die Schicksalsgemeinschaft, welche auch die folgenden Zitate. ein Volk nun einmal bildet. Der einzelne gehört Im November 1944 beklagte sich Däniker in einem Brief, „dass hier zu Lande so seinem Volke und hat diesem zu dienen.“ (Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- wenig Verständnis für den heroischen Kampf, der sich gegenwärtig abspielt, fung, S. 12f.). vorhanden ist.“ Wieder nahm er Bezug auf die „Revolution“: „Im übrigen haben 102 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- fung, S. 18. die Leute noch immer nicht begriffen, dass sich eben eine Revolution abspielt. 103 Däniker, Weitung und Wandlung des Krieges, Noch bei jeder Revolution in der Weltgeschichte hat sich viel Schreckliches und S. 10f. 104 Däniker, Weitung und Wandlung des Krieges, Verwerfliches gezeigt. [...] Die Zeitgenossen verfallen dem Fehler, nur diese S. 11. bedauerlichen Dinge zu sehen und das Grosse, um das es geht, zu missach- 105 Däniker, Weitung und Wandlung des Krieges, 106 S. 12. ten.“ Diese Kritik brachte Däniker auch im Aufsatz „Das militärische Kriegs- 106 Nl Dä IX 81.87: Däniker an Wilhelm Kiefer, geschehen im Urteil der Zeitgenossen“ an: „Bei den neueren Revolutionen, die 13.11.1944.

96 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 wir als Zeitgenossen erleben, verkennen wir über allem Störenden, das uns bedrängt, die grosse geistige Entwicklung, die sich in ihnen und durch sie vollzieht [...].“107

Aufschlussreich sind nun Dänikers Aussagen nach dem Krieg. In einer Sendung von Radio DRS vom 30. Mai 1991 behauptete Gustav Däniker jun., sein Vater habe sich nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 klar von Hitlerdeutschland distanziert.108 Davon kann aber keine Rede sein – im Gegen- teil! Auch nach dem Krieg hielt Däniker beharrlich an seinen Überzeugungen und irrtümlichen Beurteilungen fest.109 Die Verbrechen des Nationalsozialismus versuchte er zu verharmlosen und zu relativieren. In seinen Augen war nicht der Nationalsozialismus als solcher verbrecherisch, sondern bloss einige Exponen- ten, wie aus einem Brief vom April 1946 hervorgeht: „Gewiss war bei den Macht- habern manches verwerflich. Das meiste mag aber doch wohl davon herrühren, dass in revolutionären Zeiten sich die schlimmen Elemente, welche in jedem Volke vorhanden sind, sich immer dort anzuschliessen vermögen, wo die Macht ist und auf diese Weise dann ihr Unwesen treiben können. Wäre statt der natio- nalsozialistischen beispielsweise eine bolschewistische Revolution gewesen, dann würden wohl die genau gleichen Elemente unter der anderen Flagge die gleichen Schandtaten verübt haben.“ In diesem Brief kritisierte Däniker im Wei- teren das Nürnberger Tribunal: Die Ankläger würden sich grosse Mühe geben, alles in Zerrbildern erscheinen zu lassen. Ausserdem verurteilte er den deut- schen Widerstand als „feige Sabotage“.110

Eine harsche Kritik am innerdeutschen Widerstand gegen das nationalsoziali- stische Regime und seinen Führer formulierte Däniker auch im Aufsatz „Solda- tische Treue“. Seine Argumentation mutet aus heutiger Sicht geradezu grotesk an. Soldatische Treue, so stellte Däniker etwa ein Jahr nach Kriegsende fest, lie- ge in der Bereitschaft, seine Pflicht im Sinne der von der verantwortlichen Füh- rung erteilten Befehle unter allen Umständen zu tun, auch wenn man selbst anders denken würde. Er wehrte sich gegen die „bedenkenlose Verherrlichung“ jener Offiziere, die sich gegen die Führung verschworen und Attentate geplant hatten. Däniker stellte den geleisteten Eid gegenüber dem Führer über das per- sönliche Gewissen. Dem Argument, diese Offiziere hätten die Innen- und Aussen- politik ihrer Führung als verbrecherisch betrachtet, entgegnete er: „Dazu ist nun aber erstens zu sagen, dass es äusserst schwierig sein dürfte, für die Beurtei- lung der Aussenpolitik gültige Masstäbe zu finden. Übrigens, hielten sich etwa die andern Grossmächte in ihrer Aussenpolitik an schöne Regeln oder befleis- sigen sie sich wenigstens heute, nach der Niederlage des ‚Störefriedes‘ einer Ehrlichkeit und einer verzichtenden Zurückhaltung, die vorher nur wegen der deutschen Methoden zu befolgen unmöglich gewesen sein sollen.“ Mit Bezug auf die Innenpolitik meinte Däniker, dass Informationen über die Vorgänge mei- stens nur auf Gerüchten und ausländischen Funksendungen beruht hätten. Ein Eidbruch aufgrund unsicherer Kenntnisse sei deshalb nicht gerechtfertigt gewe- 107 Däniker, Das militärische Kriegsgeschehen im sen. Als Beispiel eines verwerflichen Eidbruches führte Däniker Admiral Cana- Urteil der Zeitgenossen, S. 5. ris an. Dieser hätte im Verborgenen gegen den Nationalsozialismus gewirkt, sich 108 Frischknecht, „Schweiz wir kommen“, S. 48. 109 Vgl. auch Keller, Däniker, S. 281, 365f. Keller hat gegen Aussen aber als überzeugter Nationalsozialist gezeigt: „Wer glaubt, ein aber Dänikers Aussagen nach dem Krieg solches Verhalten irgendwie rechtfertigen oder auch nur entschuldigen zu kön- erstaunlich wenig Beachtung geschenkt. 110 Nl Dä IX 81.142: Däniker an F. Schmidt-Ott nen, der hat den Sinn für soldatische Treue restlos verloren [...].“ Däniker schloss (Minister a.D.), 5.4.1946. seinen Aufsatz mit den Worten: „[...] denn für den wahren Soldaten zählt, ganz 111 Däniker, Soldatische Treue. Däniker schrieb diesen Aufsatz unter dem Pseudonym gleichgültig, wo er politisch steht, nur das eine: seine unbedingte soldatische „Helveticus“. Treue!“111

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 97 Wie sehr Däniker die nationalsozialistischen Verbrechen relativierte, zeigt ein Brief vom Juli 1947. Bei einem „grossen Geschehen“, Dänikers Umschreibung für den Krieg, sehe man vor allem das Unangenehme und verkenne das Gute. Mit der Zeit würde aber das Verwerfliche mehr und mehr in den Hintergrund tre- ten; dies sei auch bei der französischen Revolution so gewesen, deren Abscheu- lichkeiten man sich heute kaum mehr bewusst sei. „In jedem Volke gibt es – lei- der – einen bestimmten Prozentsatz von minderwertigen Subjekten. Diese schliessen sich immer denjenigen an, die augenblicklich an der Macht sind und treiben in deren Schutz ihre Abscheulichkeiten. Wäre Deutschland seinerzeit nicht nationalsozialistisch, sondern beispielsweise kommunistisch geworden, dann wären vielleicht genau die gleichen Leute Leiter der KZ gewesen und hät- ten ihr Unwesen getrieben.“ Däniker zog den Schluss: „[...] ich [betrachte] das meiste eben als in engster Verbindung mit den Schwächen der einzelnen Men- schen stehend und weniger als Folge irgend eines bestimmten Systems oder einer Ideologie.“112 – Diese Aussage impliziert eine positive Wertung des Natio- nalsozialismus als System und Ideologie.

Eine Verharmlosung des Dritten Reiches tritt ebenfalls in einem Brief an die Wit- we eines Wehrmachtgenerals zutage. Däniker schilderte ihr ausführlich die Ereig- nisse um seine Denkschrift und beklagte das ihm geschehene Unrecht: „Auf alle Fälle haben wir feststellen müssen, dass das Meiste von dem, was von hier aus so überheblich den Verhältnissen in Deutschland zum Vorwurf gemacht wurde, genau gleich auch hier zu finden ist, lediglich den Umständen entsprechend in 112 Nl Dä IX 81.147: Däniker an Franz Schubert (Generalmajor, Wien), 22.7.1947. Dieser Brief einer etwas kleineren Grössenordnung.“113 war die Antwort auf ein Schreiben Schuberts an Däniker vom 13.7.1947. Schubert zeigte Ver- ständnis für die negative Rezeption von Lobre- Mit dem besiegten Deutschland zeigte sich Däniker solidarisch: „[I]n der gegen- den auf die Wehrmacht: „Anderseits dürften wärtigen Zeit, da sozusagen die ganze Welt über das tapfere deutsche Volk im Sie als erfahrener Psychologe Verständnis dafür haben, dass bei vielen Leuten in Anbetracht der gesamten und über die einzelnen Deutschen herfällt, ist es für mich ein wirkli- entsetzlichen (nunmehr auch Ihnen bekannt ches Bedürfnis, meine Gefühle und meine Achtung nicht zu verleugnen, son- gewordenen) Greueltaten, die sich nicht nur dern für sie zu zeugen.“114 Dabei lassen einige Bemerkungen darauf schliessen, SS-Formationen zuschulden kommen liessen, der Hass gegen ihre Urheber das Interesse für dass Däniker den alliierten Sieg nicht als Befreiung empfunden hat. So schrieb ihre Leistungen überwiegt.“ er im April 1946: „Was sich jetzt vor unseren Augen abspielt, ist materiell schreck- 113 Nl Dä IX 81.178: Däniker an Bertel von Xylander (Witwe des Generalleutnants Wolf Dietrich Rit- 115 lich und geistig noch weit mehr [...]“, und im Mai 1947: „[...] angesichts des ter von Xylander, Chef des Generalstabes der grossen Unglückes, das über unseren Kontinent hereingebrochen ist [...].“116 In Heeresgruppe Nordukraine), 21.6.1947. 114 Nl Dä IX 81.168: Däniker an W. von Vethacke einem anderen Brief vom Mai 1947 bezog sich Däniker auf ein Buch über Sta- (Deutscher Vertreter der Oerlikon Bührle), lingrad: Der heldenhafte Kampf zeige den deutschen Soldaten – „von einigen 17.9.1946. Diesen Brief schrieb Däniker im Ausnahmen, die mit dazu gehören, wenn es sich überhaupt um Menschen han- Zusammenhang mit einer von ihm lancierten Sammelaktion für einen deutschen Obersten, delt, abgesehen“ – in seiner Grösse. Das gegenwärtige Geschehen sei schlimm der in der Schweiz interniert worden war und und unsagbar entsetzlich. Doch das deutsche Volk, welches solche Soldaten her- nun den Wunsch hatte, die Hotelfachschule zu besuchen. Däniker war von diesem Mann 117 vorgebracht habe, würde auch diese Krisenzeit überwinden. beeindruckt und wollte ihm finanziell unter die Arme greifen. Es gelang ihm schliesslich auch, einige „Sponsoren“ zu finden (siehe Nl Dä IX All diese Aussagen belegen, dass Däniker das hinter der Wehrmacht stehende 81.157, Korrespondenz mit Oberst Ludwig politische System keineswegs ignoriert hat. Ebenso greift eine Charakterisie- Stautner, interniert in Luzern). rung Dänikers als „politisch naiv“ zu kurz. Er nahm den Nationalsozialismus auf 115 Nl Dä IX 81.142: Däniker an F. Schmidt-Ott, 5.4.1946. eine spezifische Weise wahr – als „Revolution“, die den Aufbau der in seinen 116 Nl Dä IX 81.148: Däniker an Kurt Schulze (Ver- Augen perfekten Wehrmacht möglich machte.118 Dänikers höchste Ideale, das lagsbuchhändler), 8.5.1947. 117 Nl Dä IX 81.153: Däniker an Hans Sohn „wahre Soldatentum“ und den „soldatischen Geist“, sah er durch die national- (Oberingenieur, Zürich), 24.5.1947. sozialistische „Revolution“ verwirklicht. Diese „organisch-dynamische Revolu- 118 Ob und wieweit der Nationalsozialismus wirk- lich eine Revolution war, kann an dieser Stelle tion“ stellte er einer starren, materialistischen Welt gegenüber, die sich seiner nicht erörtert werden. Zu dieser Diskussion sie- Meinung nach überlebt hatte.119 Däniker begrüsste somit auch den von der „Revo- he Kershaw, Ian. Der NS-Staat. Geschichtsinter- pretationen und Kontroversen im Überblick. lution“ ausgelösten Krieg, insbesondere gegen das bolschewistische Russland. Reinbek 1999. S. 246-278. Es stellt sich nun die Frage, ob und wieweit Däniker das wahre Gesicht des 119 Zu diesem Gegensatz vgl. Teil B, Kap. 5.

98 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Nationalsozialismus erkannt hat. Däniker mag während des Krieges die verbre- cherische Dimension des Naziregimes nicht in ihrem ganzen Ausmass gesehen haben. Schwer wiegt, dass er auch nach dem Krieg unbeirrt an seiner positiven Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus festhielt und versuchte, die Unta- ten Hitlerdeutschlands zu relativieren. Spätestens nach dessen Niederlage hat auch Däniker erkennen müssen, dass die nationalsozialistische „Revolution“ Millionen von Menschen Tod und Verderben brachte.

Man kann Dänikers Geisteshaltung und Überzeugungen kaum besser als durch seine eigenen Worte charakterisieren. In einem Aufsatz schrieb er einmal: „Wer längere Zeit in einer Welt von Täuschung lebt, kann sich von seinen Illusionen kaum mehr befreien.“120

120 Däniker, Das militärische Kriegsgeschehen im Urteil der Zeitgenossen, S. 24.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 99 Teil B: „Entartete“ und „soldatische“ Kriege – Kriegsbild und Kriegsdeutung

1. „Krieg schafft Neues“ – Die bellizistische Deutung des Krieges

Der Bellizismus war einer der grundlegenden Diskurse in Bezug auf die Deutung und Legitimierung von Krieg. Sind Krieg und militärische Gewalt noch im 18. Jahrhundert von den Zeitgenossen mehrheitlich negativ gesehen worden, so fand in der Folge der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriege und der Befreiungskriege eine Umwertung statt. Der Krieg wurde nun vermehrt mit philosophischen, moralischen, ästhetischen und metaphysischen Begrün- dungsmustern positiv gewertet. Besonders deutlich wurde diese Tendenz in der idealistischen Staats-, Geschichts- und Kriegsphilosophie Hegels.121 Das hege- lianische Ideenkonstrukt verlieh dem expansionistischen und machtpolitischen Streben eines Staates einen höheren Sinn und Zweck: Der Krieg nicht nur als Instrument der Politik, sondern vielmehr als existentielles und sittliches Moment der Staatsentwicklung; Krieg als eine unabdingbare Voraussetzung für die staat- liche und gesellschaftliche Existenz und Entwicklung, ohne den die Menschen in ihrem Materialismus und ihrer Selbstgenügsamkeit „versumpfen“ würden. Krieg wurde als Evolution, als eine Notwendigkeit im geschichtlichen, dialekti- schen Entwicklungsprozess der sich konkurrierenden Machtstaaten gesehen. Hegels philosophische Auslegung und Rechtfertigung des Krieges zeitigte im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine grosse Wirkung auf politische und militäri- sche Denker.122

Die Kerngedanken des Bellizismus – Krieg als Fortschrittsmoment, als ein den Staat und die Gesellschaft reinigendes und entwickelndes Medium, lange Frie- denszeiten hingegen als lähmendes und retardierendes Element – stellten fun- damentale Deutungs- und Erklärungsmuster dar. Es ist darauf hinzuweisen, dass 121 Vgl. den Aufsatz von Mori, Massimo. Das Bild der Bellizismus aber nur ein Element des Deutungsreservoirs für Krieg in der des Krieges bei den deutschen Philosophen. In: europäischen Geistesgeschichte war. Mit bellizistischem Gedankengut verban- Kunisch, Johannes/Münkler, Herfried (Hg.). Die den sich auch sozialdarwinistische Vorstellungen. Die Essenz des Sozialdarwi- Wiedergeburt des Krieges aus dem Geist der Revolution. Studien zum bellizistischen Diskurs nismus bestand in der Übertragung der Entwicklungsgesetze der Natur auf die des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Verhältnisse der Individuen, Völker und Staaten. Krieg wurde dabei als ein unab- Jahrhunderts. Berlin 1999. S. 225-240. Zu Hegel ausführlich Heller, Hermann. Hegel und der änderliches „Naturgesetz“ und als permanenter „Kampf ums Dasein“, in dem nationale Machtstaatsgedanke. Stuttgart 1921. nur das Recht des Stärkeren zähle, gedeutet.123 Zur Thematik der vielfältigen Deutung des Krie- ges im Laufe der Geschichte vgl. den Überblick von Paech, Norman. Frieden und Krieg. In: Bellizistische Deutungsmuster finden sich nun auch in den Schriften Gustav Sandkühler, Hans Jörg (Hg.). Europäische Enzy- Dänikers wieder. Däniker knüpfte an den bellizistischen Diskurs an und über- klopädie zu Philosophie und Wissenschaften. Bd. 2. Hamburg 1990. S. 186-205. nahm bellizistische Argumentationsformen, was zeigen mag, wie nachhaltig und 122 Heller, Hegel und der nationale Machtstaatsge- grundlegend sich der Bellizismus im Denken der europäischen Militärs festge- danke, S. 117-124 u. S. 201-210. 123 Zum Sozialdarwinismus vgl. Evans, Richard J. 124 setzt hatte. In dem Büchlein „Soldatentum und soldatische Berufung“ wird In Search of German Social Darwinism. The elementares bellizistisches Gedankengut aufgegriffen. Däniker schrieb dort: „Es History and Historiography of a Concept. In: Berg, Manfred/Cocks, Geoffrey (Hg.). Medicine bleibt eben zu bedenken, dass wenn der Krieg zerstört, dies nur ein Äusseres and Modernity. Public Health and Medical Care ist, und er damit Voraussetzungen für neues Leben und neues Schaffen grün- in Nineteenth- and Twentieth-Century Germany. det [...] Der Krieg dient nie dem Beharren, sondern es vollzieht sich durch ihn Washington, D.C./Cambridge 1997. S. 55 - 79. 124 In Bezug auf die Schweiz sei hier auf den Belli- immer eine Erneuerung [...] Er schafft ferner sehr oft die Bedingungen für das zismus im Denken General Ulrich Willes verwie- Aufblühen einer neuen, gesunderen Kultur, indem er ungesunde Verhältnisse sen, vgl. Jaun, Rudolf. Erziehung, Männlichkeit und Krieg. Überkreuzungen im Denken Ulrich 125 zunächst zertrümmert.“ Die Überzeugung, dass durch Krieg Erneuerung, Fort- Willes. In: Fuhrer, Hans Rudolf/Strässle, Paul schritt und Gesundung geschehe, tritt hier deutlich zutage. An diese Passage Meinrad (Hg.). General Ulrich Wille. Vorbild den einen – Feindbild den anderen. Zürich 2003. schliesst sich gleich eine Rechtfertigung des Sterbens im Krieg an: Der einzel- S. 236-239. ne sterbe, damit die anderen leben könnten. Der Tod eines einzelnen zähle kaum, 125 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- 126 fung, S. 38f. wesentlich sei das Leben des eigenen Volkes in seiner Gesamtheit. Durch die- 126 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- se Argumentation konnte dem namenlosen Tod im Krieg einen höheren Sinn fung, S. 40.

100 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 zugeschrieben werden. In der gleichen Broschüre benützte Däniker überdies die populäre und oft bemühte bellizistische Metapher vom Krieg als einem „reini- genden Gewitter“.127

Auch in der folgenden Aussage wird das bellizistische Denken Dänikers deut- lich: „Sie [die Menschen] betrachten Kriege vorbehaltlos als Unglück für die Menschheit und vergessen in ihrem Sekuritätsbedürfnis sehr leicht, dass aus der Beharrung nichts Grosses entsteht und dass das Verweilen keineswegs erstre- benswert ist, weil es leicht zur einer Erstarrung führt, die das Leben nach und nach absterben lässt. Entsprechend nehmen sie innerlich Stellung gegen dieje- nigen, welche nach ihrer Meinung den Krieg verursacht und das Unglück her- aufbeschworen haben [...].“128 Mit der bellizistischen Argumentation ist hier eine implizite Legitimierung des von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieges verbunden, ein Krieg, den Däniker vorbehaltlos befürwortete.129 In dieser Hin- sicht ist auch eine Passage aus einem Brief Dänikers von 1940 bezeichnend: „Dass es zum Kriege hat kommen müssen, ist vollständig klar; denn noch nie hat die alte, überlebte Welt einfach Platz für Neues gemacht, ohne dass sie deut- lich dazu gezwungen worden ist.“130

Die Vorstellung, dass langen Friedenszeiten eine retardierende und lähmende Tendenz innewohne, taucht bereits in der 1927 erschienenen „Einführung in die Waffenlehre“ auf und zwar in Bezug auf den Fortschritt der Technik. Däniker schrieb dort, dass Friedenszeiten „etwas lähmend“ auf die Entwicklung von Waf- fentechnik und Taktik wirken würden.131 Als weiteres Beispiel nannte er das Flug- wesen, welches in der zivilen Entwicklung nur mässige Erfolge zu verzeichnen gehabt hätte und dem dank des Krieges eine Vervollkommnung und ein Auf- schwung zuteil geworden wäre. Dies hätte ohne Krieg nicht geschehen können, so Dänikers Fazit.132 Es ist also der „vorwärtstreibende Impuls des tobenden Krie- ges“133, der Fortschritt – wenn auch in diesem Buch nur auf die Technik bezogen – erst eigentlich möglich macht.

In „Werdendes Soldatentum“, einer seiner bekanntesten Schriften,134 gehen die Vorstellung von einer verweichlichenden Friedenszeit einher mit einer Kritik an den geruhsamen, bürgerlich-demokratischen Verhältnissen in der Schweiz und einer Klage über die ungenügenden soldatischen Tugenden und die fehlende Disziplin: „Unsere kurze Friedensdienstzeit lässt hartes Soldatentum leider nicht überall zur zweiten Natur werden, dies um so weniger, als wir vom zivilen Leben her reichlich verwöhnt sind, weil unser Volk im allgemeinen nicht, wie einzelne andere Völker, unter harten Lebensbedingungen um sein Dasein zu ringen hat.“135

127 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- Bei den alten Eidgenossen hätten noch Kühnheit und Draufgängertum geherrscht. fung, S. 9. Da aber die Schweizer seit mehr als hundert Jahren nicht mehr zur Bewährung 128 Däniker, Das militärische Kriegsgeschehen im Urteil der Zeitgenossen, S. 9. im Kampfe hätten antreten müssen, verkenne das Volk die Bedeutung der bedin- 129 Dazu ausführlicher Kapitel 4. gungslosen Einordnung und des unbedingten Gehorsams im Militärdienst, dies 130 Nl Dä IX 81.147: Däniker an Franz Schubert umso mehr, als diese Einordnung im bürgerlichen Leben nirgends voll und ganz (Generalmajor, Wien), 13.1.1940. 131 Däniker, Einführung in die Waffenlehre, S. 9. vorhanden sei.136 132 Däniker, Einführung in die Waffenlehre, S. 20. 133 Däniker, Einführung in die Waffenlehre, S. 27f. 134 Vgl. Keller, Däniker, S. 69. Mit der bellizistischen Deutung konnte auch Niederlagen im Krieg einen Sinn 135 Däniker, Werdendes Soldatentum, S. 11. und Zweck beigemessen werden. „Die wirkliche soldatische Bewährung vor dem 136 Däniker, Werdendes Soldatentum, S. 49f. 137 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel auf die Feinde wirkt einem Volke selbst über eine militärische Niederlage hinaus zum Kriegführung, S. 48. Vgl. auch die Bemerkung Guten mit!“, heisst es in einer Schrift Dänikers.137 Und an anderer Stelle erläu- in der Schrift „Ein fünftes Jahr deutsche Strategie“, Verluste im Krieg könnten „innerlich terte er, dass auch Niederlagen im Krieg auf lange Sicht vorteilhaft sein können reicher machen“ (S. 34). und helfen würden, Altes, Überlebtes zu zerstören und dadurch neuem, jungem

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 101 Leben die Entfaltung zu ermöglichen.138 Däniker fuhr fort: „Insofern wird der Krieg zum Vollstrecker der vom Schicksal bestimmten Entwicklung.“139 – Der Krieg als gewissermassen handelndes Subjekt im Dienste des Fortschrittes und der Entwicklung.

In Dänikers Schriften wurden also häufig bellizistische Deutungsformen benützt, indessen finden sich beinahe keine der gängigen sozialdarwinistischen Schlag- worte und Argumente. In den durchgesehenen Schriften und Aufsätzen bezog sich Däniker beispielsweise nie auf das „Recht des Stärkeren“ oder den Krieg als ein „Naturgesetz“. Hingegen sprach er in der oben zitierten Passage aus „Werdendes Soldatentum“ von einem „Ringen ums Dasein“, eine typische sozialdarwinistische Ausdrucksweise. Viel wichtiger als der Sozialdarwinismus waren für das dänikersche Kriegsbild die Wesensformen des Krieges, die Unter- scheidung zwischen „entarteten“ und „soldatischen“ Kriegen, wie dies in den nächsten Kapiteln noch zu zeigen sein wird.

2. Der „humane Kulturkrieg“ – Wesen und Wandel des Krieges in der Geschichte

In seiner Studie „Der europäische Stil in der Kriegsführung“ machte Däniker eine ausführliche Darlegung über die Eigenheiten und Wandlungen des Krieges im Laufe der Geschichte. Seine Fragestellung lautete, inwiefern sich im Laufe der Zeit eine typische europäische Kriegführung herausgebildet hat. Er fügte dabei an, der Krieg stelle ein „Wesensteil der Gesamtkultur“ dar.140 Die Kriege der Antike seien, so Däniker, „ausgesprochene Vernichtungskriege“ gewesen; 138 Däniker, Ueber den soldatischen Begriff des der Krieg habe sich in seiner absoluten Gestalt gezeigt. Kriege hätten jedoch Sieges, S. 7. Im gleichen Aufsatz heisst es: nicht nur kulturzerstörend, sondern auch kulturfördernd gewirkt. Der Krieg sei „Wenn die Soldaten eines Volkes sich für ihr so ein Förderer kultureller Annäherung gewesen: „Oft liess erst der Krieg die Vaterland zu heldenhaftem Opfertode bereit gefunden haben, dann wird ein solches Volk Existenz anderer Völker erkennen. Es bedurfte vorausgegangener Kriege, damit aus der gleichen Substanz auch die Kraft fin- sich Handels- und kulturelle Beziehungen entwickelten.“141 den, über eine erlittene Niederlage hinweg zu neuen Leistungen emporzusteigen.“ (S. 25). 139 Däniker, Ueber den soldatischen Begriff des Die Kriege des Mittelalters wertete Däniker negativ. Die europäische Kulturwelt Sieges, S. 7. Vgl. die Aussage in den „Gegen- wartsgedanken über den Krieg der Zukunft“: sei nicht fähig gewesen, sich geeint gegen Angriffe von Aussen zu verteidigen. „Der Krieg wird somit nie zu einem Abschluss, Der Krieg habe seinen Ernst verloren und sich seinem innersten Wesen ent- er bedeutet nur einen Meilenstein auf dem fremdet: „Nirgends zeigte sich eine kraftvolle Kriegführung, wie sie allein vor- unendlichen Weg fortschreitender Entwick- lung.“ (S. 3). wärtsdrängendem Leben entspringt.“142 Im Gegensatz dazu standen nach Mei- 140 Däniker, Der europäische Stil, S. 7. nung Dänikers die „Freiheitskämpfe“ der Eidgenossen. Diese seien aus dem 141 Däniker, Der europäische Stil, S. 10f. 142 Däniker, Der europäische Stil, S. 12f. Rahmen einer sonst „verkommenen mittelalterlichen Kriegführung“ gefallen. 143 Däniker, Der europäische Stil, S. 14f. Däniker Es habe sich um eine wirkliche Kraftanstrengung des Volkes zur Niederwerfung kritisierte dann aber, bei den Eidgenossen seien später die soldatischen Werte verkümmert und (jedoch nur der militärischen) des Gegners gehandelt: „Insofern wurde die Krieg- hätten mit der neuen europäischen Entwicklung führung streng stilvoll.“143 Nun folgt eine für Däniker typische Argumentations- nicht Schritt gehalten (S. 15). führung, die Gegenüberstellung zweier Gegensätze144: „Das Männlich-Kämpfe- 144 Dazu näheres unten Kapitel 5. 145 Däniker, Der europäische Stil, S. 15. In ähnlicher rische und in einer gewissen Beziehung auch das Ritterliche erscheinen im Weise auch die Aussagen in der Schrift „Vom Gegensatz zum wild Kriegerischen, welches masslos ist und keine Grenzen kennt, Einfluss der Kriegsmittel auf die Kriegführung“: „Der Begriff ‚Krieg’ ist für uns verbunden mit 145 als typisch europäische Elemente.“ der Vorstellung vom ritterlichen Kampf mehr oder weniger gleichwertiger Gegner [...]“; „Das männliche-soldatische Element des gegenseitig Hier wird eine für (Kontinental-) Europa spezifische Art der Kriegführung – männ- Sichmessens durch persönlichen Einsatz und lich, kämpferisch, ritterlich – entworfen und in Kontrast zu anderen, „niederen“ persönliches Blutopfer steht im Vordergrund.“ (S. 6) und „Offener, ehrlicher Kampf und ehren- Formen des Krieges gesetzt. Diesbezüglich heisst es an anderer Stelle, dass hafter Friedensschluss haben beide soldatische Kriege mit dem Charakter eines Unterwerfungs- und Ausrottungskrieges, gewon- Männlichkeit zur Voraussetzung.“ (S. 7).

102 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 nen bloss auf Grund von Überlegenheit und Gewalt, keine Kriege im europäi- schen Sinne dargestellt hätten.146 In diesem Sinne sah Däniker in den Kriegen der absolutistischen und friderizianischen Periode eine Versittlichung und Huma- nisierung des Krieges: „Für den aufgeklärten Absolutismus war der Krieg mehr ein Verstandesakt, als ein Naturgeschehen. Er spielte sich deshalb im Gegen- satz zu früher nicht mehr in ‚absoluter’ Form, sondern mehr gesittet und zweck- haft gefesselt ab. Der ungefesselte Krieg, der zu früheren Zeiten weder durch Vernunft, noch durch Barmherzigkeit in Schranken gehalten, alles Leben und Eigentum vernichtete und zerstörte, wurde zum gesitteten Krieg.“147 Jedoch habe im Gefolge der französischen Revolution das Kriegsgeschehen den Rahmen eines disziplinierten und gesitteten Ablaufes durchbrochen und sei wiederum elementar in Erscheinung getreten, aber nur für kurze Dauer, denn in nachna- poleonischer Zeit sei der Krieg, der sich erneut als „allesumschlingende Macht und ohne räumliche Grenzen“ hätte zeigen wollen, wiederum gefesselt wor- den.148 Dänikers Ausführungen laufen nun darauf hinaus, Preussen als die Ver- körperung eines „humanen Kulturkrieges im europäischen Stile“ darzustellen.

Im 19. Jahrhundert, schrieb er, sei an Stelle der Grausamkeit des absoluten Krie- ges die Unerbittlichkeit im militärischen Bereiche, an Stelle der allgemeinen Ver- nichtung des feindlichen Volkes die Niederwerfung des gegnerischen Heeres getreten. Die Feldzüge Moltkes werden als das grosse Ideal dargestellt: In deren Wesen liege der „Inbegriff des auf militärischer und soldatischer Ebene zwar sehr kraftvoll, aber andererseits doch wiederum möglichst human geführten Kulturkrieges, der sich als Kernstück der Kriegführung im europäischen Stile herausstellte. Alles wurde auf die militärische Entscheidung konzentriert.“149 Es war eine Art der Kriegführung als eine dem abendländischen Geiste und seinem Kulturbewusstsein angepasste und entsprechende Form, so das Fazit.150

3. Der „entartete Krieg“ – Die Deutung des Ersten Weltkrieges

In Dänikers berühmt-berüchtigter Denkschrift aus dem Jahre 1941 heisst es, der Weltkrieg 1914 –1918 sei ein „vornehmlich materiell orientierter Machtkampf“ gewesen.151 In gleicher Weise sprach Däniker in der Schrift „Vom Einfluss der Kriegsmittel auf die Kriegführung“ vom Weltkrieg als einem „ganz und gar mate- rielle[n] Krieg“.152 Aus welchen Gründen hat er den Ersten Weltkrieg als „mate- rialistisch“ gesehen? Es war die fehlende „geistige“ und „ordnende“ Beherr- schung der Materie, d.h. der immensen technischen Entwicklung und der neuen Kriegsmittel.153 So gewannen materielle Belange die Übermacht, das „Materi- al“ respektive die „Materie“ besiegte den „Geist“: „Die rein materielle Wirkung 146 Däniker, Der europäische Stil, S. 18f. Es wird triumphierte über den Geist, der nicht zu herrschen vermochte [...]“.154 Diese dann aber eine weitere Unterscheidung vorge- „Geist“ vs. „Materie“-Interpretation ist ein wichtiges Element des dänikerschen nommen zwischen einer englischen vs. konti- nentaleuropäischen Kriegführung (S. 20). Kriegsbildes. Das Wesen eines Krieges und die Entwicklung der Kriegführung 147 Däniker, Der europäische Stil, S. 23. war für ihn gekennzeichnet durch ein „fortwährende[s] Ringen des menschlichen 148 Däniker, Der europäische Stil, S. 25 u. 27. 155 149 Däniker, Der europäische Stil, S. 28. Geistes um die Herrschaft über die Materie [...]“. Der Triumph der Materie über 150 Däniker, Der europäische Stil, S. 29. den Geist war Folge einer Epoche ungeordneter Verhältnisse und vielfältiger 151 Däniker, Denkschrift, S. 2f. 152 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 51. Probleme als ein Gebäude mit „morschen Balken“ und vielen „unorganisch ange- 153 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 6f., 12f. fügten Erkern“.156 Die Metapher eines verfallenden Gebäudes gebrauchte Däni- 154 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 20. 155 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 61. ker zur Charakterisierung der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende 156 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 9. des Ersten Weltkrieges; einer Zeit auch, in der es der „Reaktion“ einerseits und

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 103 dem „um sich greifenden Liberalismus“ andererseits gelungen sei, die von der preussischen Erneuerung ausgehenden Kräfte weitgehend zu zerstören.157 Die Kriegführung, so Dänikers Schlussfolgerung, habe zu keiner klaren Lage geführt, aus welcher „schöpferisch Neues“ hätte aufgebaut werden können. Das bau- fällige Haus sei unterminiert worden und schliesslich zusammengebrochen: „Die Erscheinungsformen des ersten Weltkrieges tragen genau wie die ganze Epo- che selbst, aus welcher er erwuchs, die deutlichen Merkmale des Zusammen- bruchs auf ihrer Stirne.“158 – Der Erste Weltkrieg als Epochenende.159

Ein Wesensmerkmal des „Materialismus“ des Ersten Weltkrieges war laut Däni- ker der Umstand, dass dieser Krieg keine rein militärische Auseinandersetzung gewesen sei. 1935 schrieb er in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeit- schrift (ASMZ), der Weltkrieg sei nicht nur durch militärische Streitkräfte geführt worden, sondern vielmehr durch die Formen des Wirtschafts- und Propagan- dakrieges.160 Die Ausweitung respektive die Entgrenzung des Krieges zu einem die ganze Bevölkerung miteinbeziehenden Wirtschafts- und Propagandakrieg im Sinne des „totalen Krieges“ hat Däniker durchwegs negativ beurteilt. So heisst es etwa in „Der europäische Stil in der Kriegsführung“, die Gegner der Zentralmächte hätten eine „fremdartige, der herkömmlichen europäischen wesensfremde Kriegführungsmethode nach dem europäischen Kontinent gerufen.“161

Die Alliierten wurden als die Urheber einer Kriegführung dargestellt, die nicht in erster Linie die feindlichen Streitkräfte, sondern das gegnerische Volk mit Hil- fe eines Wirtschafts- und Propagandakrieges zu treffen versuche. Eine solche Kriegführung sei dem kontinental-europäischen Denken bisher fremd gewesen: „Das Abendland erlebte eine Abkehr vom europäischen Kulturkrieg [...]“.162 Däni- ker konstruierte einen Gegensatz zwischen einem kontinental-europäischen und einem angelsächsischen Kriegsbegriff: Ersterer beschränkt die kriegerische Aus- einandersetzung auf die eigentlichen Streitkräfte, letzterer führt zum „totalen Krieg“, indem unter Einbezug von Wirtschafts-, Luft- und Propagandakrieg nicht 157 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 7. nur die feindliche Wehrmacht, sondern auch das feindliche Volk geschlagen 158 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 9. 159 Vgl. Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, 163 werden sollte. S. 49. 160 Däniker, Gegenwartsgedanken über den Krieg der Zukunft, S. 7f. Einen weiteren negativen Aspekt des „totalen Krieges“ sah Däniker in Bezug auf 161 Däniker, Der europäische Stil, S. 32. einen Friedensschluss. Das Ziel der totalen Niederwerfung eines Volkes zer- 162 Däniker, Der europäische Stil, S. 33. schlage die Hoffnung auf ein späteres friedliches Verhältnis zwischen den frü- 163 Vgl. Däniker, Der europäische Stil, S. 41f.; Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 47; heren Gegnern.164 Auf der Grundlage soldatischer Gesinnung und eines zwar Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, harten, aber ritterlichen Kampfes habe das friedliche Zusammenleben der Völ- S. 4f. 164 Däniker, Der europäische Stil, S. 42. ker beruht, da man ehedem bereit gewesen sei, das Ergebnis eines Waffen- 165 Däniker, Über den soldatischen Begriff des ganges als Schiedsspruch anzuerkennen. Wenn nun die militärische Ausein- Sieges, S. 25f. Ähnlich auch folgende Aussage: „Der auf militärischer Ebene geführte Krieg andersetzung nicht mehr das einzige anerkannte Mittel der Kriegführung sei und findet mit dem Waffenstillstand bzw. mit dem der Krieg totale Formen annehme, trete eine Verwischung von Kriegs- und Frie- Friedensschluss sein Ende, der Wirtschafts- und denszustand ein.165 Die Abkehr von einem rein militärischen Kampf stellte so für Propagandakrieg können weiterreichen und die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwi- Däniker eine „Entartung des Krieges“166 dar. schen.“ (Däniker, Der europäische Stil, S. 34). 166 Diesen Begriff gebrauchte Däniker in einem NZZ-Artikel: Betrachtungen zur gegenwärtigen Mit dieser Deutung verband sich nun eine Kritik am Friedenschluss nach dem Kriegführung. In: NZZ, 27.6.1940, Nr. 924; vgl. Ersten Weltkrieg, wobei auch an die „Dolchstosslegende“ angelehnt wurde: „Der auch Däniker, Von der Bewährung einer Wehr- macht, S. 21. erste Weltkrieg hatte den Alliierten keinen klaren militärischen Sieg über die Zen- 167 Däniker, Der europäische Stil, S. 34. In gleicher tralmächte gebracht, da die letzte Entscheidung damals nicht auf militärischer Weise schrieb Däniker in „Der Geist der Ord- 167 nung in der Kriegführung“, dass der Erste Welt- Ebene fiel.“ Auf den knappen Sieg sei kein rechter Friede gefolgt. So sei der krieg im Grunde genommen ohne militärische Friede gewissermassen zur „Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“ gewor- Entscheidung geblieben wäre (S. 5).

104 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 den. Bezeichnend hierbei die daran anschliessende Bemerkung, dass die Mass- nahmen der Alliierten nach 1918, ihre Bestrebungen zur Friedensgestaltung zutiefst im Materialismus gewurzelt hätten.168

4. Der „soldatische Krieg“ – Die Deutung des Zweiten Weltkrieges

Es ist das nationalsozialistische Regime und der von ihm geführte Krieg, der nach Dänikers Auffassung der „entarteten“, „materialistischen“ Kriegführung den Boden entzog und dem „soldatischen“, „geistigen“ Kampf und dem „wah- ren Soldatentum“ wiederum Geltung verschafft hatte. In seinem Artikel vom Juni 1940 in der NZZ formulierte Däniker: „Das deutsche Reich hat den bisher gelungenen Versuch unternommen, der soldatischen Auffassung vom Kriege wieder zum Durchbruch zu verhelfen. Dies war nur möglich, weil nicht nur die militärische, sondern auch die Staatsführung schon vor Beginn des Krieges eine durch und durch soldatische war.“169 Die deutsche Wehrmacht verkörperte für ihn das Ideal eines „wahren Soldatentums“ und eines „soldatischen Geistes“. Auf dieser Überzeugung fusste auch Dänikers Bewunderung der Deutschen Wehr- macht und seine positive Wertung des Nationalsozialismus. Was verstand Däni- ker nun unter Soldatentum und soldatischem Geist?170 Es sind die „männlichen Eigenschaften des heroischen Kämpfers, die germanische Gefolgstreue, die Ehrenhaftigkeit und Ritterlichkeit“,171 repräsentiert durch den „männlichen Volks- genossen“ und „wehrhaften Staatsbürger“, der es als seine Ehre betrachtet, für sein Volk (das eine „Schicksalsgemeinschaft“ bildet) selbst zu kämpfen.172 „Der einzelne gehört seinem Volke und hat diesem zu dienen. In diesem Dienen fin- den wir einen Hauptinhalt für den Begriff des Soldatischen.“173 Wie bereits dar- gestellt, war nach Dänikers Meinung die nationalsozialistische „Revolution“ die Grundlage für die Schaffung einer Wehrmacht, in der sich das „wahre Solda- tentum“ verwirklichen und durchsetzen konnte.174

Mit dem durch die Wehrmacht geführten Krieg sah Däniker ausserdem den Beginn einer neuen, einer „soldatischen“ Epoche, wie er es in einem Brief vom September 1940 darlegte: „Die liberalistische, im Grunde soldatenfeindliche Epoche ist [...] im Schwinden und liefert nur noch einige Rückzugsgefechte vor dem neu anbrechenden soldatischen Zeitalter.“175

Die Existenz einer von einem „wahren Soldatentum“ erfüllten Wehrmacht hat- 168 Däniker, Der europäische Stil, S. 34. 169 Däniker, Betrachtungen zur gegenwärtigen te Konsequenzen für die Kriegführung. Dänikers tiefe Überzeugung war, dass Kriegführung. In: NZZ, 27.6.1940, Nr. 924. diese Wehrmacht einen „soldatischen“ und „geistigen“ Krieg (im Gegensatz 170 Vgl. dazu Dänikers Ausführungen in Soldaten- tum und soldatische Berufung, S. 12-19. Vgl. zum „materialistischen“ und „unsoldatischen“ Ersten Weltkrieg) führe. So heisst auch Keller, Däniker, S. 274. es in einer Schrift: „Es war der deutschen Kriegskunst vorbehalten, als erste die 171 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- Materialschlacht, wie sie der erste Weltkrieg hatte entstehen lassen und die sich fung, S. 14. 172 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- in einem blinden und zwecklosen Wüten der Maschine erschöpfte, zu überwin- fung, S. 15. den.“176 Es ist der Sieg des „Geistes“ über die „Materie“ respektive das „Mate- 173 Däniker, Soldatentum und soldatische Beru- fung, S. 13. rial“ als das typische Charakteristikum der deutschen Kriegführung. Folgende 174 Vgl. Teil A, Kap. 5. Aussage illustriert diese Sicht nochmals in prägnanter Weise: „So kam es, dass 175 Nl Dä V 32.2: Däniker an Walter Allgöwer, 18.9.1940. In diesem Brief schrieb Däniker über- der zweite Weltkrieg, obschon im Vergleich zum ersten keine wesentlich neuen dies, dass auch die Schweiz von einer soldati- Kriegsmittel zur Verfügung standen, ein von diesem vollständig anderes Gesicht schen Denkweise erfüllt werden müsse, sonst sei es um sie geschehen. zeigte, das ganz ausgesprochen von der deutschen Führung und ihrer Wehr- 176 Däniker, Raum, Kraft und Zeit, S. 29. macht bestimmt wurde. Es war der Geist der Ordnung, der über die Macht des

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 105 Materials triumphierte.“177 Am Schluss seiner Schrift „Vom Einfluss der Kriegs- mittel auf die Kriegführung“ zog Däniker das Fazit, dass die Beherrschung der Kriegsmittel durch den Geist dem Krieg seinen eigentlichen Sinn zurückgege- ben habe: „Es dreht sich nicht mehr darum, den Feind langsam zu zermürben und selbst durchzuhalten, sondern es ist wiederum möglich, dem Gegner ent- gegenzugehen, ihn zu stellen und sich zu männlicher, kriegerischer Bewährung in die Schlacht zu werfen.“178 In dieser Passage tritt auch Dänikers Ideal eines „ritterlichen“ und „männlichen“ Kampfes – sozusagen von „Mann zu Mann“ – deutlich zutage. In der gleichen Schrift wies Däniker darauf hin, dass zur Natur des Krieges der persönliche Kampf gehöre: „Denn wer irgendwo in einem geschützten Unterstande sitzt und dort Maschinen bedient, die auf einen unsicht- baren Feind feuern, der kämpft nicht im wahren Sinne des Wortes.“179 Damit wurde nun eine Wertung der französischen Maginotlinie als Verkörperung die- ser „unkämpferischen“ Haltung verknüpft. Der deutsche Westwall dagegen sei aus einem anderen Geist heraus gebaut worden; dieser habe den persönlichen Einsatz zum Kampfe nicht unnötig gemacht und habe den Kampfgeist des deut- schen Heeres nicht beeinträchtigt.180 Es fällt auf, wie Däniker versuchte, mit allen argumentatorischen Mitteln, und seien sie noch so brüchig und unlogisch, die deutsche Kriegführung in ein positives Licht im Sinne des „wahren Soldaten- tums“ zu rücken.

Aussagen aus zwei anderen Schriften sollen Dänikers Deutung bezüglich des Wesens des Zweiten Weltkrieges weiter veranschaulichen. Im Aufsatz „Von der Bewährung einer Wehrmacht“ lobte er den „unvergleichlichen Siegeszug der deutschen Wehrmacht“.181 In den September 1939, als Fortsetzung des 1918 „erschöpft abgebrochenen Kampfes“, sei die deutsche Armee mit einem unüber- treffbaren Siegeswillen und Schwung, getragen vom „soldatischen Geiste des ganzen Volkes“, getreten.182 Wiederum wurde auf die Diskrepanz zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg aufmerksam gemacht: Im „totalen“ Ersten Weltkrieg habe man versucht, die feindliche Wehrmacht auf dem Umweg über das feindliche Volk zu treffen mittels Wirtschafts- und Propagandakrieg; im jet- zigen Krieg würde jedoch wieder das Primat der militärischen Kriegführung gel- ten183 – selbstverständlich initiiert und geprägt durch die deutsche Wehrmacht. So schrieb Däniker über die deutschen Absichten: „Als erstes Ziel der Krieg- führung galt wieder eine möglichst rasche Niederwerfung der feindlichen Streit- macht im offenen Kampfe. Weder die Eroberung bestimmter Gebiete, noch die Vernichtung der feindlichen Nation mit Hilfe eines lang dauernden totalen Krie- ges standen im Vordergrunde deutschen Denkens.“184 Auch in dieser Passage wieder der Bezug auf das Ideal des „offenen“, „ritter- lichen“ Kampfes, wie es auch an anderer Stelle diesbezüglich heisst, dass dem deutschen Soldaten wiederum die Möglichkeit gegeben worden sei, sich nach 177 Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 12. 178 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 60. 185 altgermanischer Sitte mitten ins Kampfgetümmel zu stürzen. Mit der „solda- 179 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 12f. tischen“ Kriegführung durch die Deutschen ging nach Meinung Dänikers auch 180 Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 13. eine „Humanisierung“ des Krieges einher: Die neuartige Kriegführung sei durch 181 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, S. 3; vgl. Teil A, Kap. 3. „verhältnismässig kleine Opfer“ gekennzeichnet.186 182 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, S. 3f. 183 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, In „Der europäische Stil in der Kriegsführung“ unterstellte Däniker den Alliier- S. 4-7. ten, dass sie den neuen Weltkrieg im Stile des Ersten – das heisst in „unsolda- 184 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, S. 8. tischer“ Weise – zu führen hofften. Deutschland dagegen sei entschlossen gewe- 185 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, sen, den Gegner auf der Ebene des „militärischen Krieges“ zu schlagen.187 Däniker S. 26. 186 Däniker, Von der Bewährung einer Wehrmacht, weiter: „In all diesen Feldzügen ist es gelungen, die Streitkräfte der Westmäch- S. 23. te und ihren Verbündeten zum militärischen Kampf zu stellen, ihnen entgegen 187 Däniker, Der europäische Stil, S. 44.

106 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 ihrem Willen die rein militärische Auseinandersetzung aufzuzwingen und sie zu besiegen.“188 Mit diesen Aussagen stilisierte Däniker die Deutsche Wehrmacht zur Erneuerin des „humanen Kulturkrieges“ und der soldatischen, ritterlichen, männlichen Kriegführung, die ja durch den Ersten Weltkrieg pervertiert worden war.189 So konnte er anschliessend festhalten: „Je rascher der Krieg durch mili- tärische Operationen zum Siege führt, desto weniger braucht er total auch gegen das gegnerische Volk gerichtet zu werden.“190

Däniker versuchte, den vom nationalsozialistischen Regime angezettelten Krieg vorbehaltlos zu legitimieren, auch hierin zeigte er sich als ein eifriger Propa- gandist der deutschen Sache. Dem Deutschen Reich schrieb er nur hehre Absich- ten zu. Anhand eines Aufsatzes, der zuerst in der „Schweizerischen Monats- schrift für Offiziere aller Waffen“ (SMOW) erschien und dann auch in Deutschland als Broschüre herausgegeben wurde, kann Dänikers „Legitimierungsstrategie“ gut nachvollzogen werden. Dass es zum Krieg kam, wurde sozusagen als Selbst- verständlichkeit betrachtet: Die deutsche Führung habe erkannt, dass es über kurz oder lang zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen müsse und dass aufgrund der politischen Verhältnisse der Konflikt im Osten (Polen) aus- brechen würde.191 Die Schuld an der Ausweitung des Krieges nach Beendigung des Polenfeldzuges wurde den Alliierten zugeschoben. „Die Gegner Deutsch- lands beharrten darauf, den Kampf fortzusetzen“, so die lapidare Erklärung Dänikers.192

Den Krieg gegen Frankreich (das „Schwert Englands“) stellte Däniker als Defen- sivmassnahme193 und als Mittel zum Zweck, England als den Hauptgegner Deutschlands auszuschalten, dar.194 Deutschland sei es nicht darum gegangen, Frankreich zu vernichten, „sondern im Gegenteil, seine wertvolle und notwen- dige Mitarbeit für die Neuordnung Europas zu gewinnen.“195 Das Vorgehen gegen Belgien, die Niederlande und Norwegen wurde als Präventivmassnahme gerecht- fertigt, um England zuvorzukommen.196 Die skrupellose Verletzung der Souve- ränität und Neutralität dieser Länder war für den Schweizer Obersten kein The- ma. Vielmehr wies er darauf hin, das Vorgehen gegen Frankreich, Belgien und Holland sei so rasch vor sich gegangen, dass die Substanz der betreffenden Völ- ker im Wesentlichen unberührt gelassen worden sei.197 Den Angriff gegen Jugo- slawien begründete Däniker mit dem Hinweis, dieses hätte eine ausgesprochen 188 Däniker, Der europäische Stil, S. 46. deutschfeindliche Haltung angenommen.198 In Dänikers Schrift „Raum, Kraft und 189 Vgl. Däniker, Der europäische Stil, S. 28 u. Kapi- Zeit in der militärischen Kriegführung“199 finden sich ähnliche Rechtfertigungen tel 2. 190 Däniker, Der europäische Stil, S. 47. der deutschen Überfälle.200 In dieser Schrift bemühte Däniker auch den von 191 Däniker, Deutsche Strategie, S. 5. deutscher Seite oft propagierten Vorwand, Deutschland sei von einem 192 Däniker, Deutsche Strategie, S. 9. 193 So hätten sich französische Truppen auf Reichs- „Ring“ umschlossen. Diese Einkreisung erkläre Deutschlands „offensiven boden eingenistet (Däniker, Deutsche Strategie, Geist“.201 S. 9). 194 Däniker, Deutsche Strategie, S. 9f. 195 Däniker, Deutsche Strategie, S. 18. Der Aspekt der Bedrohung spielt nun im Zusammenhang mit der Legitimierung 196 Däniker, Deutsche Strategie, S. 10 u. 14. des Angriffes gegen die Sowjetunion eine wichtige Rolle. Deutschland sei, so 197 Däniker, Deutsche Strategie, S. 18. 198 Däniker, Deutsche Strategie, S. 19. Dänikers Behauptung, von zwei Seiten unter Druck gewesen: Vom „Machtstre- 199 Zur Kontroverse um diese Schrift vgl. Keller, ben“ des „Grossraums“ USA auf der einen Seite, „[a]uf der anderen Seite stand Däniker, S. 363-365. 200 Däniker, Raum, Kraft und Zeit, S. 15f. u. 18. drohend das bolschewistische Russland der Sowjets – dessen Ideologie zunächst 201 Däniker, Raum, Kraft und Zeit, S. 14. Dort steht durch die nationalsozialistische Revolution abgewehrt werden konnte –, das nun- weiter: „Deutschland ist namentlich für den Fall, dass es einen Zwei- oder Mehrfrontenkrieg mehr sosehr im Erstarken war, dass es die Möglichkeit bekam, wie ehedem die zu führen hat, gezwungen, den Ring, durch den Stämme und Völker des Ostens, als typisch asiatische Grossmacht in Europa es umschlossen ist, durch offensives Vorgehen 202 zu sprengen.“ einzubrechen.“ Die weiteren Ausführungen suggerieren die Notwendigkeit 202 Däniker, Weitung und Wandlung, S. 11. der Schaffung eines Grossdeutschen Reiches und der Unterwerfung der ver-

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 107 schiedenen europäischen Staaten (Polen, Norwegen, Frankreich, Belgien, Hol- land) als Voraussetzung für die kommende Auseinandersetzung mit Russland und den USA. Däniker unterschied dabei zwei Phasen des Krieges: Einen „euro- päischen“ Krieg einerseits und einen „interkontinentalen“ Krieg gegen Russ- land und die USA (diese zusammen mit England) andererseits.203

Worum es in der ersten Phase ging, fasste Däniker folgendermassen zusammen: „Die erste Kriegsphase ging deutscherseits darauf aus, die Fesseln zu sprengen und den europäischen Kontinent zusammenzufassen.“204 Hinsichtlich der zwei- ten Kriegsphase ist die folgende Passage sehr aufschlussreich: „[Es] begann nun die weltgeschichtliche Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen, ein- ander wesensfremden Kontinenten. Jetzt trat das Unterschiedsbewusstsein Euro- pas gegenüber Ost und West in den Vordergrund, gegenüber dem bolschewi- stischen Russland und Amerika, die ihrerseits in ihrem Materialismus und ihrer antimetaphysischen Weltanschauung schon seit langer Zeit Berührungspunkte besitzen.“205 Hier wurde also ein Gegensatz konstruiert zwischen einem „meta- physischen“, „geistigen“ Europa (notabene unter Deutschlands Führung) auf der einen Seite und einem „antimetaphysischen“, „materialistischen“ Osten respektive Westen auf der anderen Seite. Dadurch erhielt der Krieg gegen Russ- land und die USA den Nimbus einer „weltgeschichtlichen“ Auseinandersetzung. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung Dänikers über Marschall Pétain zu sehen: Dieser habe erkannt, dass eine Einigung des europäischen Kontinents und eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland notwendig sei, „wenn nicht die europäischen Völker sich weiterhin zerfleischen wollen, was sie endgültig unter die Herrschaft aussereuropäischer Mächte bringen müsste.“206

Indem Däniker eine Bedrohung Europas respektive des „Abendlandes“ durch das bolschewistische Russland propagierte, nahm er ein weiteres wichtiges Element der nazideutschen Kriegspropaganda in seine Argumentation auf. Russ- land wurde als Aggressor denunziert, Deutschland zum Retter des Abendlandes stilisiert. Die deutsche Führung habe die Bedrohung durch Russland, welches zielbewusst Vorbereitungen für einen Vorstoss gegen Europa getroffen hätte, rechtzeitig erkannt. Die kriegerische Auseinandersetzung mit Russland sei daher unabwendbar und zu einer dringenden Notwendigkeit geworden.207 Mit dem Krieg gegen Russland gehe es darum, so brachte es Däniker prägnant auf den Punkt, „den europäischen Kontinent und seine alte Kultur auf lange Zeit hinaus von der bolschewistischen Gefahr zu befreien.“208

Däniker machte dabei deutlich, dass dieser Krieg eine andere Dimension ange- nommen habe und eine Abkehr von der „gesitteten“ Kriegführung bedeute. Bei den bisherigen Auseinandersetzungen hätten die europäischen Armeen „wesens- 203 Däniker, Weitung und Wandlung, S. 12-15. mässig gegen ihresgleichen gekämpft. Jetzt dagegen kam es zu einer Ausein- 204 Däniker, Der europäische Stil, S. 49. andersetzung der europäischen mit einer ihr wesensfremden asiatischen Welt.“209 205 Däniker, Der europäische Stil, S. 49f. Die früheren Feldzüge seien eher ein Schachspiel gewesen, jetzt handle es sich 206 Däniker, Deutsche Strategie, S. 18. 207 Däniker, Weitung und Wandlung, S. 15 u. 19. Im um einen „Kampf bis aufs Messer“, einen „Vernichtungskrieg“.210 gleichen Buch heisst es S. 23: „Das Kriegspo- tential der Sowjets würde einen Aufbruch Asiens gegen Europa erlaubt haben, der das Selbstverständlich lag nach Dänikers Überzeugung die Verantwortung für die gesamte Abendland tödlich hätte treffen kön- Ausweitung des Krieges zu einem „Vernichtungskrieg“ bei der russischen Krieg- nen.“ Vgl. auch Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 13. führung: „Die zwangsläufige Folge der russischen Kriegführung ist, dass sich 208 Däniker, Deutsche Strategie, S. 25. der europäische Abwehrkampf gegen den Bolschewismus in dieser Kriegspha- 209 Däniker, Weitung und Wandlung, S. 18. Vgl. auch Däniker, Der europäische Stil, S. 50. se im Gegensatz zu den früheren Feldzügen seinerseits dem absoluten Ver- 210 Däniker, Deutsche Strategie, S. 25. nichtungskrieg im Sinne der Antike nähern muss.“211 Der „gesittete Kulturkrieg“ 211 Däniker, Der europäische Stil, S. 55.

108 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 europäischer Prägung werde so durch den „Vernichtungskrieg in seiner abso- luten Form“ verdrängt.212

Die Sowjetführung sei, schrieb Däniker in seinen Betrachtungen zum Russ- landfeldzug, gegenüber dem Gegner von einem „absoluten Vernichtungswillen“ beseelt. Ohne Rücksicht auf Opfer werfe sie auch Frauen und Kinder in den Kampf und zerstöre ganze Landstriche und Siedlungen, um dem Gegner schaden zu können. Däniker zog die Quintessenz, dem Soldaten eines zivilisierten Volkes falle eine solche Auseinandersetzung zwar schwer, der Vernichtungswille der Russen zwinge aber zu einer gleichartigen Reaktion, eine mildere Kampfform sei nicht möglich.213 Der seitens der Deutschen geführte Vernichtungskrieg konn- te so als aufgezwungene und notwendige Reaktion legitimiert werden.

Aufschluss über Dänikers Haltung zum deutschen Krieg gegen Sowjetrussland und den Bolschewismus geben auch einige Passagen aus seiner Briefkorre- spondenz. Sie zeigen Dänikers grosse Anteilnahme an diesem Krieg und des- sen bedingungslose Bejahung. So schrieb er 1942 an einen Oberstleutnant der Kroatischen Legion: „Umso dankbarer aber ist man all denjenigen, die durch letzten Einsatz Europa vor dem Bolschewismus schützen und fühlt sich ihnen tief verpflichtet.“214 In einem Brief an einen deutschen Obersten kurz nach Beginn des Krieges gegen Russland offenbarte Däniker, dass er gerne selber daran teil- nehmen würde: „Dass ich in diesem Kriege Europas gegen den Bolschewismus lieber auch an der Front stehen würde, werden Sie leicht verstehen.“215 Seine Deutung des Russlandfeldzuges brachte er in einem Brief an den Textilindu- striellen Friedrich Huber zum Ausdruck: „Ich meinerseits glaube, dass der Ost- feldzug eine dringende Notwendigkeit gewesen ist, etwas wie eine Schicksals- aufgabe [...].“216 Noch im Februar 1945, als sich Deutschlands Niederlage bereits an allen Fronten abzeichnete, äusserte Däniker die Hoffnung, „dass es gelingen möge, dem gewaltigen Ansturm namentlich aus dem Osten zu trotzen.“217

Es gelang eben nicht. Interessant ist nun Dänikers Erklärung für die deutsche Niederlage. In seiner Kommentarreihe zur deutschen Strategie schrieb er in der letzten Ausgabe: „Der zweite Weltkrieg war, politisch gesehen, ein Revolu- 212 Däniker, Der europäische Stil, S. 54f. tionskrieg, mit der einem solchen innewohnenden Kraft, aber auch mit seinen 213 Däniker, Weitung und Wandlung, S. 37. In „Der europäische Stil“ hielt Däniker fest, dass die zahlreichen Schwächen. Die deutsche Führung täuschte sich in der Annahme, Russen sich in ihrem Kampf gegen die Deut- der ganze europäische Kontinent sei für die von ihr ausgelöste Revolution reif, schen auf ihre zahlenmässige Überlegenheit namentlich aber auch darin, dass die verschiedenen Völker nach dem Abschluss stützen würden, ohne Rücksicht auf Verluste: „Diese Kriegführung setzt eine Gleichgültigkeit der einzelnen Feldzüge diese Revolution würden mittragen helfen und sich hier- gegenüber dem Menschenleben, das in der durch, wie von selbst, eine genügende Macht gegen Russland einerseits und namenlosen Masse verschwindet, voraus, wie sie europäischem Denken widerspricht.“ (S. Grossbritannien und die USA andererseits bilden müsste. Statt dessen blieb 24). die ganze Last schliesslich doch auf den Schultern des deutschen Volkes 214 Nl Dä IX 81.6: Däniker an Babic, 20.3.1942. 218 215 Nl Dä IX 81.15: Däniker an Albrecht Blau, liegen [...].“ Schuld waren demnach diejenigen, die das „revolutionäre neue 12.7.1941. Einen Monat nach dem Angriff auf Europa“ unter deutscher Führung nicht mittragen wollten. Auch die Schweiz – Russland warf die deutsche Wochenzeitung dies hat Däniker immer missbilligt – hatte sich dem „neuen Europa“ nicht „Das Reich“ die Frage nach einer „Schweizer Legion“ für den Kampf gegen den Bolsche- anschliessen wollen. wismus auf: Es sei zu hoffen, dass sich Schwei- zer Freiwillige für den Kampf im Osten Deutsch- land anschliessen werden (Fink, Die Schweiz aus der Sicht des Dritten Reiches, S. 205). 5. „Altes vs. Neues“ – Der Krieg der Gegensätze 216 Nl Dä IX 80.56: Däniker an Friedrich Huber, 10.2.1943. 217 Nl Dä IX 81.40: Däniker an Hans-Erich Feine In Dänikers Schrifttum fällt auf, dass die Argumentation häufig auf der (explizi- (Professor aus Tübingen), 1.2.1945. 218 Däniker, Das sechste und letzte Jahr der deut- ten wie auch impliziten) Akzentuierung von Gegensätzen aufbaut. Die Quintes- schen Strategie, S. 23. senz seiner Aussagen lässt sich anhand dieser Konstruktion von Antagonismen

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 109 gut illustrieren und zusammenfassen. Im Folgenden soll eine Reihe dieser „Gegensatzpaare“ beschrieben werden.

Eine der wichtigsten Gegenüberstellungen findet sich in Bezug auf das unter- schiedliche Wesen der beiden Weltkriege:219 Der Erste Weltkrieg als „materia- listischer“ Krieg im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg als einem „geistigen“ Krieg.220 Dieser Antagonismus wird durch weitere Zuschreibungen unterstri- chen. So wird der Erste Weltkrieg als „unsoldatisch“, „unmilitärisch, „entartet“, der Zweite dagegen als „soldatisch“, „männlich-kämpferisch“, „ritterlich“ cha- rakterisiert. Im Ersten Weltkrieg zählte nicht die „soldatische“ Auseinanderset- zung sondern die „unsoldatische“ Methode des Wirtschafts- und Propaganda- krieges, der „totale“ Krieg anstelle eines rein „militärischen“ Krieges. In seiner „Deutschen Strategie“ sprach Däniker vom Unterschied zwischen einer preus- sisch-deutschen Strategie einerseits und einer angelsächsischen Strategie ande- rerseits. Die deutsche Strategie stehe unter dem Primat militärischen Handelns, die angelsächsische sei eine mehr politische – Wirtschafts- und Propaganda- krieg, Hindernisse und Zerstörungen, Ausweitung auf die Zivilbevölkerung: „Währenddem die angelsächsische Strategie mehr auf eine durch die lange Dauer des Krieges zu erreichende Vernichtung des feindlichen Volkes bzw. des- sen Ausrottung ausgeht, sucht die deutsche Strategie rasche, klare Entschei- dungen durch die klassische Besiegung der feindlichen Streitkräfte. An ihrem Ende steht der ehrenvolle Friede.“221 Der angelsächsische Kriegsbegriff steht somit für den „entarteten totalen“ Krieg, der deutsche für den „humanen Kul- turkrieg“.222 Die unterschiedliche Kriegführung wird durch die Charakterisierung als „plumper Zusammenstoss grosser Massen“ im Gegensatz zur „Konzentra- tion des kriegerischen Handelns im Sinne einer Kristallisation“ weiter verdeut- licht.223

Diesen unterschiedlichen Strategien liegt eine unterschiedliche Kampfesauf- fassung zugrunde, es steht das „Männlich-Kämpferische“ und „Ritterliche“ gegen das „wild Kriegerische“ und „Masslose“, jedoch „Unkämpferische“, der „persönliche“ gegen den „unpersönlichen“ Kampf.224 Der Gegensatz wird auch versinnbildlicht durch die „unkämpferische“ Maginotlinie und den „kampf- unterstützenden“ Westwall.225 Diese antagonistischen Erscheinungsformen ste- hen zudem für ein „Epochenende“ und einen „Epochenanfang“: Die „liberali- stische, soldatenfeindliche“ Epoche überwunden vom „soldatischen Zeitalter“, der Sieg des „Geistes“ über die „Macht des Materials“.226 Die neue Epoche wird 219 Vgl. dazu die Ausführungen oben in den Kapi- auch durch das „neue Europa“227 verkörpert, geschaffen und gestaltet durch das teln 3 und 4 mit den entsprechenden Quellen- nationalsozialistische Deutschland und dessen Expansion. Das „neue Europa“ belegen. 220 Vgl. Däniker, Denkschrift, S. 2f. 228 steht dabei einer „alten, überlebten Welt“ gegenüber. Dass Däniker die Schweiz 221 Däniker, Deutsche Strategie, S. 25f. als Teil dieses „Alten, Überlebten“ sah, macht seine Denkschrift deutlich, wenn 222 Vgl. oben Teil B, Kap. 3. 223 Däniker, Deutsche Strategie, S. 30. er dort kritisierte, die Schweiz bilde sich ein, weiterhin als „Querschläger“ durch 224 Vgl. Däniker, Der europäische Stil, S. 15; Däni- das neue Europa fliegen zu können.229 ker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 12f. 225 Vgl. Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, S. 12f. Mit der Ausweitung des Krieges kommen nun weitere Gegensätze zum Tragen: 226 Vgl. Däniker, Vom Einfluss der Kriegsmittel, Europa auf der einen, „Ost und West“230 auf der anderen Seite, das „metaphy- S. 49; Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 12; Däniker, Der Sieg des Soldaten. sische“, „geistige“ Europa gegen den „antimetaphysischen“, „materialistischen“ 227 Zum „neuen Europa“ vgl. Teil A, Kap. 4. Osten (Russland) und Westen (USA/England).231 Der „klassisch-europäische“ 228 Vgl. Nl Dä IX 81.147: Däniker an Franz Schubert, 13.1.1940. 232 Krieg wird dabei abgelöst durch einen „interkontinentalen“ Krieg. In Bezug 229 Vgl. Däniker, Denkschrift, S. 2; siehe auch die auf die Auseinandersetzung mit Sowjetrussland treten die Antagonismen mit Ausführungen in Teil A, Kap. 4. 230 Vgl. Däniker, Der europäische Stil, S. 8. aller Schärfe zutage: „Europäische“ vs. „asiatische“ Kriegführung, „Schach- 231 Vgl. Däniker, Der europäische Stil, S. 49f. spiel“ vs. „Vernichtungskrieg“, „gesitteter Kulturkrieg“ vs. „absoluter Vernich- 232 Vgl. Däniker, Weitung und Wandlung, S. 46f.

110 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 tungswille“.233 Der Konflikt spielt sich auf einer „weltanschaulichen Ebene“234 ab; es stehen sich die zwei revolutionären Prinzipien des Nationalsozialismus und Bolschewismus gegenüber: Ein „natürlich-organisches Ordnen“ gegen die „Vermassung auf materialistischer Grundlage“, der deutsche „Geist der Ord- nung“ gegen den bolschewistischen „Materialismus“, die „disziplinierte deut- sche Kraft“ gegen die „russische elementare Gewalt“, der deutsche „soldati- sche Geist“ gegen die russische „Masse“.235

Eine Passage aus „Raum, Kraft und Zeit in der militärischen Kriegführung“ akzen- tuiert den Gegensatz „Altes“ vs. „Neues“. Neu Werdendes strebe nach dem Höchsten und habe den unbedingten Willen zum Sieg durch Kampf; Bestehen- des wolle sich höchstens behaupten: „Alles Neue steht im Grunde genommen im Angriff, alles Vorhandene ihm gegenüber in der Abwehr [...]“. Das Neue, von der Übermacht des Alten umgeben und umkreist, müsse sich durch Angriff ver- teidigen. Das „Neue“ steht für Deutschland: „Auf deutscher Seite strebte Neu- es darnach, sich das Lebensrecht zu erkämpfen.“236 Hier wird der Gegensatz zwi- schen Altem und Neuem insofern bellizistisch gedeutet, indem betont wird, dass das Neue durch Kampf vorwärts strebt, sich sein Lebensrecht erkämpfen muss; nur durch Kampf kann so Neues entstehen und Bestehendes überwunden werden.

233 Vgl. Däniker, Deutsche Strategie, S. 25. 234 Vgl. Däniker, Denkschrift, S. 3. 235 Vgl. Däniker, Der Geist der Ordnung, S. 13f.; Däniker, Raum, Kraft und Zeit, S. 70. 236 Däniker, Raum, Kraft und Zeit, S. 28.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 111 Schlusswort

In der vorliegenden Untersuchung über den Instruktionsoffizier und Militär- schriftsteller Oberst Gustav Däniker standen zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen wurde seine Beziehung und Haltung zum nationalsozialistischen Deutsch- land beleuchtet, wobei vor allem seine Wertung des Nationalsozialismus von Interesse war. Zum anderen wurde Dänikers Deutung und Legitimierung des Krieges analysiert.

Gustav Dänikers positive Haltung zum nationalsozialistischen Deutschland wird bereits in der Übereinstimmung mit dem Gedankengut der Frontenbewegun- gen sichtbar. Mit diesen teilte er eine antidemokratische, antiliberale, antisemi- tische und anpasserische Geisteshaltung. Im Weiteren äusserte sich Dänikers Deutschfreundlichkeit insbesondere in seiner grenzenlosen Bewunderung der Deutschen Wehrmacht. Diese war für ihn mehr als eine erfolgreiche Armee, in ihr sah er seine höchsten soldatischen Ideale verwirklicht. Den ganzen Krieg hin- durch kommentierte Däniker die deutsche Kriegführung mit lobenden Worten, jegliche Kritik verbat er sich. Bis zum Schluss gab Däniker die Hoffnung auf einen deutschen Sieg nicht auf.

Däniker plädierte dafür, die Schweiz in das vom nationalsozialistischen Deutsch- land beherrschte „neue Europa“ einzugliedern, sie solle sich nicht länger der europäischen „Schicksalsgemeinschaft“ verweigern. Er sprach zwar von der Erhaltung der Eigenstaatlichkeit der Schweiz und war auch bereit, dafür zu kämp- fen, es dominierte jedoch der Wille, sich dem „neuen Europa“ anzupassen.

Das Urteil der bisherigen Forschung bezüglich Dänikers Einstellung zum Natio- nalsozialismus überzeugt nicht. So wird behauptet, Däniker habe das hinter der Wehrmacht stehende politische System ignoriert und nie vom Nationalsozia- lismus als politische Einrichtung gesprochen. Er wird als „politisch naiv“ geschil- dert, unfähig, den Ungeist der nationalsozialistischen Ideologie zu erkennen. Die Quellen, Dänikers Schriften und Briefe, zeigen aber ein ganz anderes, weniger beschönigendes Bild. Däniker sprach oft von der „Revolution“ des Nationalso- zialismus. Er war überzeugt, dass diese „Revolution“ unter der Führung Adolf Hitlers den Aufbau der perfekten Wehrmacht möglich machte und sein Ideal eines „wahren Soldatentums“ dadurch verwirklicht wurde. Mit der nationalso- zialistischen „Revolution“ sah Däniker auch die „liberalistische, soldatenfeind- liche Epoche“ überwunden, ersetzt durch eine „Volks- und Kampfgemeinschaft“ unter einheitlicher politischer und militärischer Führung.

Die aufschlussreichen Aussagen Dänikers nach dem Krieg sind von der For- schung bisher nicht gebührend berücksichtigt worden. Diese zeigen mit aller Deutlichkeit, dass Däniker von seiner positiven Wertung des Nationalsozialismus nie abgewichen ist und das nationalsozialistische Regime und dessen Verbre- chen bewusst relativierte und verharmloste. Nicht die nationalsozialistische Ide- ologie und das nationalsozialistische System per se waren in Dänikers Augen verbrecherisch, sondern bloss einige Exponenten. Dagegen verurteilte er den deutschen Widerstand gegen das Naziregime als feige Sabotage und Verletzung der soldatischen Treue. An diesen Überzeugungen hielt Däniker bis zu seinem Tode fest.

Das Schrifttum Dänikers bietet nun auch einen reichen Fundus an Aussagen, Deutungen und Legitimierungen in Bezug auf den Krieg im Allgemeinen sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg im Speziellen. Für die Erklärung und Recht-

112 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 fertigung des Phänomens Krieg griff Däniker auf bellizistische Deutungsmuster zurück und knüpfte damit an einen grundlegenden Diskurs an. Vorstellungen, dass Erneuerung und Entwicklung nur durch Krieg möglich sei, dass der Krieg Fortschritt und Gesundung zeitige, dass sich dagegen lange Friedenszeiten auf Gesellschaft, Kultur und Technik lähmend und retardierend auswirken würden, tauchen auch in Dänikers Ausführungen auf. Auf der Vorstellung von einer ver- weichlichenden Friedenszeit beruhte ferner seine Klage über ungenügende sol- datische Tugenden und mangelnde Disziplin sowie seine Kritik an den geruh- samen bürgerlichen Verhältnissen in der Schweiz.

In seiner Beurteilung von Wesen und Wandel des Krieges im Laufe der Geschich- te kam Däniker zum Schluss, dass von den „absoluten Vernichtungskriegen“ der Antike über die „verkommenen“ Kriege des Mittelalters hin in der absoluti- stischen und friderizianischen Periode eine Versittlichung und Humanisierung des Krieges einherging. Unterbrochen durch die Kriege der französischen Revo- lution und der napoleonischen Ära, die wiederum den Rahmen eines geordne- ten und gesitteten Krieges durchbrachen, fand der „humane Kulturkrieg euro- päischen und abendländischen Geistes“ seine Verkörperung in der preussischen Kriegführung und den Feldzügen Moltkes.

Den Ersten Weltkrieg hingegen charakterisierte Däniker als „entartet“ und „unsol- datisch“. Nach seiner Meinung war dieser Krieg „materialistisch“ geprägt, es triumphierte die „Materie“ respektive das „Material“ über den „Geist“. Dies sei die Folge der fehlenden „geistigen“ und „ordnenden“ Beherrschung der immen- sen technischen Entwicklung, aber auch eines allgemeinen Niedergangs seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewesen, so seine Einschätzung. Der „Materi- alismus“ des Ersten Weltkrieges zeigte sich laut Däniker darin, dass dieser Krieg keine rein militärische Auseinandersetzung gewesen sei, sondern sich zu einem „totalen“ Krieg ausgeweitet habe, indem Formen des Wirtschafts-, Luft- und Propagandakrieges zur Anwendung kamen, um vor allem auch die gegnerische Zivilbevölkerung zu treffen. Das Wesen des „totalen“ Krieges verstiess gegen Dänikers Ideal eines „soldatischen“, „männlich-kämpferischen“ und „ritter- lichen“ Krieges.

Das nationalsozialistische Deutschland und dessen Wehrmacht verschaffte der „soldatischen“ und „geistigen“ Kriegführung wiederum Geltung. Davon war Däniker tief überzeugt. Seine überschwängliche Bewunderung der Deutschen Wehrmacht und seine positive Wertung des Nationalsozialismus sind im Lich- te dieser Überzeugung zu sehen. Dänikers Deutung des Zweiten Weltkrieges beruhte so im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass die deutsche Kriegfüh- rung dem Primat der „militärischen“ Kriegführung zum Durchbruch verhalf und damit der „Geist“ wieder über die „Materie“ triumphieren konnte. Den Gegnern Deutschlands unterstellte er, sie hätten den Krieg erneut in „unsoldatischem“ Stile führen wollen. Deutschland wäre es jedoch gelungen, sie auf der Ebene des militärischen Kampfes und unter Schonung der Zivilbevölkerung zu schla- gen – eine Stilisierung der Deutschen Wehrmacht zur Erneuerin einer „sittlichen“ und „humanen“ Kriegführung. Zudem rechtfertigte Däniker vorbehaltlos die Angriffe Nazideutschlands in Europa, indem er sie als notwendige Defensiv- und Präventivmassnahmen darstellte.

Dieser „europäische“ Krieg für ein „neues Europa“ stellte eine Voraussetzung für den „interkontinentalen“ Krieg dar, die nach Dänikers Auffassung weltge-

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 113 schichtliche Auseinandersetzung des „neuen Europa“ mit Ost (Russland) und West (USA/England). Dänikers Ausführungen konzentrierten sich in diesem Zusammenhang hauptsächlich auf den Krieg gegen Sowjetrussland, den er als schicksalhafte Aufgabe zur Rettung des Abendlandes vor der Bedrohung des Bolschewismus vehement befürwortete. Dabei hob er die andere Dimension dieses Krieges hervor: Die Russen seien von einem erbarmungslosen „Ver- nichtungswillen“ beseelt, daher könne sich die Auseinandersetzung nicht mehr auf der Ebene eines „gesitteten Kulturkrieges“ abspielen, sondern nehme die Form eines „absoluten Vernichtungskrieges“ an.

Dänikers Kriegsbild lässt sich zusammenfassend anhand von Gegensätzen, mit denen er häufig seine Argumentationsführung akzentuierte, beschreiben. So steht der Erste Weltkrieg als „entartet“ und „materialistisch“ im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg als einem „geistigen“ und „soldatischen“ Krieg: Es steht der „Geist“ gegen die „Materie“, die „rein militärische“ Auseinandersetzung gegen den „totalen“ Krieg, die „preussisch-deutsche“ gegen die „angelsächsische“ Strategie. Was die Formen des Kampfes anbelangt, lassen sich eine „soldati- sche“, „männlich-kämpferische“ und „ritterliche“ von einer „unsoldatischen“ und „unkämpferischen“ Art unterscheiden. Mit dem Aufstieg und der Expan- sion des nationalsozialistischen Deutschlands stehen sich das „neue Europa“ und die „alte, überlebte Welt“ gegenüber. Weitere Gegensätze prallen mit der Ausweitung des Krieges aufeinander: „Metaphysisches“ und „geistiges“ Euro- pa vs. „antimetaphysischer“ und „materialistischer“ Osten und Westen, „euro- päische“ vs. „asiatische“ Kriegführung, „Schachspiel“ vs. „Vernichtungskrieg“, „gesitteter Kulturkrieg“ vs. „absoluter Vernichtungswillen“. Alles in allem ste- hen zwei revolutionäre Prinzipien miteinander im Widerstreit – deutscher „Geist“ und deutsche „Ordnung“ auf der einen Seite, russische „Masse“ und russischer „Materialismus“ auf der anderen Seite.

In der vorliegenden Analyse des Kriegsbildes und der Kriegsdeutung im Schrift- tum Gustav Dänikers konnten die wichtigsten Argumentations- und Deutungs- muster herausgearbeitet werden. Die umfangreiche literarische und publizistische Produktion Dänikers bieten Stoff für weitere und eingehendere Untersuchungen über sein Gedankengut in Bezug auf Soldatentum, Krieg und Kriegführung. Dabei müsste näher auf die Widersprüche seines Denkens – die hier nicht zur Sprache kamen – eingegangen werden. Lohnenswert wäre im Weiteren ein Vergleich mit den Werken anderer Militärschriftsteller, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Dadurch könnte beispielsweise herausgefunden werden, inwieweit sich bei den militärischen Denkern in der Deutung und Beurteilung der beiden Weltkriege ein dominierender Diskurs herausgebildet hat.

114 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Bibliographie Ungedruckte Quellen Archiv für Zeitgeschichte Zürich: Nachlass Gustav Däniker (Nl Dä).

Gedruckte Quellen Däniker, Gustav. Betrachtungen zur gegenwärtigen Kriegführung. In: Neue Zür- cher Zeitung, 27.6.1940, Nr. 924. Däniker, Gustav. Das militärische Kriegsgeschehen im Urteil der Zeitgenossen. Als Manuskript gedruckt. o.O. 1944. Däniker, Gustav. Das sechste und letzte Jahr der deutschen Strategie. Als Manus- kript gedruckt. Frauenfeld 1945. Däniker, Gustav. Denkschrift über Feststellungen und Eindrücke anlässlich eines Aufenthaltes in Deutschland. Walenstadt 15.5.1941. (Abgedruckt in: Keller, Franziska. Oberst Gustav Däniker. Aufstieg und Fall eines Schweizer Berufs- offiziers. Diss. Zürich 1997. S. 405-416). Däniker, Gustav. Der europäische Stil in der Kriegsführung. Frauenfeld/Zürich 1942 (Schriftenreihe der schweizerischen Studiengemeinschaft für europä- ische Fragen II. Erstabdruck in der SMOW April/Mai 1942). Däniker, Gustav. Der Geist der Ordnung in der Kriegführung. Separatdruck aus der ASMZ 4/1943. Däniker, Gustav. Der Sieg des Soldaten. In: Schweizer Illustrierte Zeitung 41/1940 (Sonderdruck). Däniker, Gustav. Deutsche Strategie. Berlin o.J. Auch: Zwei Jahre deutsche Stra- tegie. Frauenfeld 1941 (Sonderabdruck aus der SMOW). Däniker, Gustav. Ein fünftes Jahr deutsche Strategie. Als Manuskript gedruckt. Frauenfeld 1945. Däniker, Gustav. Einführung in die Waffenlehre. Zehn Vorträge über die techni- schen Grundlagen der infanteristischen Kampfmittel. Zürich 1927 (Schwei- zerische Militärbücherei Bd. 6). Däniker, Gustav. Gegen drohende Geschichtsverfälschung. In: Neue Politik 4/1947. Däniker, Gustav. Gegenwartsgedanken über den Krieg der Zukunft. Ein Über- blick über die derzeitigen Auffassungen des Auslandes. Separatdruck aus der ASMZ 3/1935. Däniker, Gustav. Raum, Kraft und Zeit in der militärischen Kriegführung. Frauenfeld 1944 (Beiträge zur Kriegswissenschaft, hg. von Gustav Däniker, Heft 1). Däniker, Gustav. Soldatentum und soldatische Berufung. Zürich 1944. Däniker, Gustav. Soldatische Treue. In: Neue Politik 5/1946. Däniker, Gustav. Ueber den soldatischen Begriff des Sieges. Zürich 1947 (Sepa- ratdruck aus „Der Turmwart“ Heft 3/4 März/April 1947). Däniker, Gustav. Vom Einfluss der Kriegsmittel auf die Kriegführung. Bern 1942. Däniker, Gustav. Von der Bewährung einer Wehrmacht. Sonderdruck aus Schwei- zerische Monatshefte, 20. Jahrgang, Heft 8 und 9, November/Dezember 1940. Däniker, Gustav. Weitung und Wandlung des Krieges. Betrachtungen zum Feld- zug in Russland. Zürich 1943 (Schriftenreihe der schweizerischen Studien- gemeinschaft für europäische Fragen IV). Däniker, Gustav. Werdendes Soldatentum. Bern 21940.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 115 Sekundärliteratur Adam, Jost. Die Haltung der Schweiz gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland im Jahre 1940. Diss. Berlin 1972. Bonjour, Edgar. Geschichte der Schweizerischen Neutralität. Vier Jahrhunderte Eidgenössischer Aussenpolitik. Bd. IV: 1939-1945. Basel 31971. Brackmann, Karl-Heinz/Birkenhauer, Renate. NS-Deutsch. „Selbstverständliche“ Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus. Straelen 1988. Bucher, Erwin. Zwischen Bundesrat und General. Schweizerische Politik und Armee im Zweiten Weltkrieg. St. Gallen 1991. Evans, Richard J. In Search of German Social Darwinism. The History and Histo- riography of a Concept. In: Berg, Manfred/Cocks, Geoffrey (Hg.). Medicine and Modernity. Public Health and Medical Care in Nineteenth- and Twentieth-Century Germany. Washington, D.C./Cambridge 1997. S. 55-79. Fink, Jürg. Die Schweiz aus der Sicht des Dritten Reiches 1933 – 1945. Ein- schätzung und Beurteilung der Schweiz durch die oberste deutsche Füh- rung seit der Machtergreifung Hitlers – Stellenwert des Kleinstaates Schweiz im Kalkül der nationalsozialistischen Exponenten in Staat, Diplomatie, Wehr- macht, SS, Nachrichtendiensten und Presse. Diss. Zürich 1985. Frischknecht, Jürg u.a. Die unheimlichen Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz. Ein aktuelles Handbuch mit Nachtrag 1979–84. 5. erweiterte Auflage Zürich 1984. Frischknecht, Jürg. „Schweiz wir kommen“. Die neuen Fröntler und Rassisten. Zürich 21991. Fuhrer, Hans Rudolf. Die Wehrmacht aus Schweizer Sicht. In: Müller, Rolf- Dieter/Volkmann, Hans-Erich (Hg.). Die Wehrmacht. Mythos und Realität. München 1999. S. 123-146. Gautschi, Willi. General Henri Guisan. Die schweizerische Armeeführung im Zweiten Weltkrieg. Zürich 1989. Heiniger, Markus. Dreizehn Gründe. Warum die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde. Zürich 1989. Heller, Daniel. Eugen Bircher. Arzt, Militär und Politiker. Ein Beitrag zur Zeit- geschichte. Zürich 21990. Heller, Hermann. Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. Stuttgart 1921. Jaun, Rudolf. Der Schweizerische Generalstab. Band VIII: Das Schweizerische Generalstabskorps 1875 –1945. Eine kollektiv-biographische Studie. Basel/Frankfurt am Main 1991. Jaun, Rudolf. Erziehung, Männlichkeit und Krieg. Überkreuzungen im Denken Ulrich Willes. In: Fuhrer, Hans Rudolf/Strässle, Paul Meinrad (Hg.). General Ulrich Wille. Vorbild den einen - Feindbild den anderen. Zürich 2003. S. 221- 243. Keller, Franziska. Oberst Gustav Däniker. Aufstieg und Fall eines Schweizer Berufs- offiziers. Diss. Zürich 1997. Kershaw, Ian. Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. Erweiterte und bearbeitete Neuausgabe Reinbek 1999. Koller, W. Die Schweiz 1935 –1945. 1000 Daten aus kritischer Zeit. Zürich 1970. Kreis, Georg. Auf den Spuren von La Charité. Die schweizerische Armeeführung im Spannungsfeld des deutsch-französischen Gegensatzes 1936 –1941. Basel/Stuttgart 1976. Mattioli, Aram. Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur. Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz. Diss. Zürich 1994.

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MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 117 Niklaus Meier Autor lic. phil. Geboren am 18.2.1971 Heimatort Schiers GR

Berufliche Laufbahn

1986–1989 Lehre als kaufmännischer Angestellter bei der Gemeindeverwaltung Schiers 1993–1996 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene in Sargans 1996–2003 Studium der Allgemeinen Geschichte, der Militärgeschichte und der Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich 2000 Studentischer Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse der ETH Zürich 2003 Praktikum bei der Militärakademie an der ETH Zürich, Dozentur Militärgeschichte

Weitere Tätigkeiten

Dissertationsprojekt „Kriegsdiskurse in der Deutschen Wehrmacht“ bei Prof. Dr. Rudolf Jaun, Universität Zürich

118 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

Noch wenig erforscht ist die Haltung Gustav Dänikers (1896 – 1947) gegenüber dem deutschen Russlandfeldzug. In dieser Studie versucht Daniel Neval anhand Dänikers Kriegsanalysen einen Einblick in dessen besondere Gedankengänge zu geben. In einem einleitenden Kapitel untersucht der Verfasser Aspekte der schweizeri- schen Haltung zu diesem Kriegsschauplatz, wie sie sich besonders in der Pres- se spiegelte. Die Beziehungen Schweiz-Sowjetunion waren seit der Oktoberre- volution zweifellos schlecht, was eine neutrale Ausgewogenheit sehr erschwerte.

Der Hauptteil der Studie gilt der Berichterstattung Dänikers über den Krieg im Osten in der „Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitung“ (ASMZ) und in der „Schweizerischen Monatsschrift für Offiziere aller Waffen“ (SMOW). In ein- drücklichen Zitaten wird die fast grenzenlose Bewunderung Dänikers für die Deutsche Wehrmacht belegt. Die deutsche Rechtfertigungsideologie für den Überfall wird weitgehend unkritisch übernommen. Besonders nach seiner Entlassung aus dem Bundesdienst lässt Däniker letzte neutrale Fesseln fallen. Diese Einseitigkeit findet vehementen Widerspruch in der Schweizerischen Offiziersgesellschaft, die ihm ein Publikationsverbot in ihren Presseorganen auf- erlegt.

Danach stellt der Verfasser die brisante Frage, ob Däniker mit seinen Anschau- ungen ein Einzelfall gewesen sei. Die ausgewertete Quellenbasis ist noch zu klein, um umfassende Aussagen machen zu können, doch deutet vieles darauf hin, dass der Antikommunismus mindestens in den liberalen und konservativ- bürgerlichen Kreisen fest verwurzelt war. Viele waren bereit, den kommunis- tischen Teufel mit dem nationalsozialistischen Beelzebub auszutreiben. Erst nach der Wende von Stalingrad streckte die Schweizer Regierung erste Fühler aus, um das Verhältnis zu entkrampfen.

In einem abschliessenden Kapitel wird Dänikers spezielle Sicht des Ostfeldzu- ges in den Gesamtkontext seines Denkens eingebettet, insbesondere mit sei- nem Ideal vom „wahren Soldatentum“ konfrontiert.

Die Ausführungen mögen Anlass geben zur ideologiekritischen Auseinander- setzung mit diesem schwierigen Kapitel der Zeitgeschichte, welches Grautöne in das Schwarz-Weiss des Ringens zwischen Demokratie und nationalsozialis- tischer bzw. kommunistischer Diktatur bringt.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 119 Abstract

Jusqu’à ce jour, peu de recherches ont été entreprises sur l’attitude de Gustav Däniker (1896-1947) face à la campagne de Russie menée par l’Allemagne. Daniel Neval présente dans cette étude un aperçu du raisonnement particulier de Däniker, en se basant sur ses analyses de la guerre. Dans le chapitre introductif l’auteur examine des aspects de l’attitude de la Suisse dans ce théâtre des opérations, spécialement leur reflet dans la presse. Etant donné que depuis la révolution d’octobre les relations entre la Suisse et l’Union soviétique étaient, sans conteste, mauvaises, toute recherche d’impartialité s’avérait difficile.

La partie principale de cette étude est consacrée aux comptes rendus de Däni- ker sur la guerre au front est, parus dans les revues „Allgemeine Schweizeri- sche Militärzeitschrift“ (ASMZ) et «Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen» (SMOW). Des citations impressionnantes prouvent l’admiration presque inconditionnelle de Däniker pour la Wehrmacht. En effet, Däniker approu- ve l’idéologie allemande consistant à justifier l’attaque, cela pour ainsi dire sans émettre de critique. Après avoir été renvoyé de l’armée, Däniker rompt ses derniers liens avec la neutralité. Son attitude partiale est alors en profonde contradiction avec la société suisse des officiers qui lui interdit toute publication dans ses organes de presse.

Analysant les réflexions de Däniker, l’auteur poursuit son étude en posant une question critique: Däniker était-il une exception à cette époque? Ne disposant jusqu’à ce jour que d’un nombre restreint de sources bibliographiques exploi- tées, toute conclusion paraîtrait prématurée. Toutefois, bien des faits semblent confirmer que l’anticommunisme était fortement enraciné dans les milieux libéraux et conservateurs-bourgeois. Nombreux étaient ceux qui se montraient prêts à choisir un remède pire que le mal, soit à chasser le diable communiste en le remplaçant par l’idéologie national-socialiste. Ce n’est qu’après la bataille de Stalingrad, marquant un tournant, que le gouvernement suisse sortit de son silence afin de décrisper la situation.

Dans le dernier chapitre de cette étude, l’auteur replace les points de vue de Däniker sur la campagne au front est dans le contexte global de ses réflexions en les confrontant à son idéal du «véritable militaire».

Souhaitons que ces explications permettent une discussion critique de ce chapitre pénible de l’histoire contemporaine, qui laisse apparaître des tons gris sur un fond noir et blanc, caractéristique de la lutte entre démocratie et dictature national-socialiste, respectivement communiste.

120 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

Very little research has been conducted on Gustav Däniker’s (1896–1947) attitude towards the German Russian campaign. In his paper Daniel Neval has tried to give some insight into Däniker’s own special war analyses. In the ope- ning chapter the author looks at the Swiss attitude toward this theatre of ope- rations as reflected in the press. The relations between Switzerland and the Soviet Union since the October Revolution were undoubtedly bad which made it rather difficult to have any neutral or well-balanced coverage.

The main part of his study deals with Däniker’s coverage of the War in the East which was published in the „Allgemeine Schweizerische Militärzeitung“ (ASMZ) as well as in the „Schweizerische Monatszeitschrift für Offiziere aller Waffen“ (SMOW). Däniker’s boundless admiration for the German Wehrmacht is docu- mented by an impressive number of quotes. The German ideology of justifying the invasion is to a large extent accepted uncritically. After being dismissed by the federal authorities Däniker did no longer show any consideration for Swiss neutrality. His one-sidedness provokes protests from the officers’ association who banned him from publishing his work in their press.

The author then poses the question of whether or not Däniker was an isolated case adhering to these views. The as yet analysed data is still too limited to make any general statements. But one is still led to believe that anti-communism was well-rooted in liberal and conservative-bourgeois circles. Many of them were ready to drive out the communist devil with the help of the national-socialist Beelzebub. Only after Stalingrad did the Swiss government put out feelers in an endeavour to ease relations with Russia.

In a final chapter Däniker’s special view on the Eastern Campaign is examined in the context of his thinking with regards to his ideal of „genuine soldiership“.

These remarks may be an attempt at an ideologically critical discussion with this difficult chapter in modern history and bring some shades of grey into the simple black and white struggle between democracy and national socialism respectively communist dictatorship.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 121 122 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Der deutsche Russlandfeldzug aus der Sicht von Oberst Gustav Däniker

Sympathie für den deutschen Kampf im Osten?

In einem geheimen internen Bericht des sowjetischen Volkskommissariat für Aussenpolitik über den Zustand der schweizerisch-sowjetischen Beziehungen wurde 1944 kritisch festgehalten: „La presse suisse célébrait en toutes occa- sions le commandement militaire de l’armée allemande, le courage des soldats allemands, leur haut niveau moral et intellectuel, leur aptitude au combat et la superiorité de l’armement allemand“.1 Zur Illustration wurden mehrere Zitate aus Zeitungskommentaren beigefügt, darunter ein NZZ-Kommentar zur Schlacht Daniel Neval von Sevastopol sowie ein Zitat aus den Basler Nachrichten vom 9. Mai 1941, in welchem sich der Autor nach den Ereignissen in den baltischen Staaten fragte, ob es nicht an der Zeit sei, einen Strich unter das Geschehene zu machen und gemeinsam gegen das bolschewistische Chaos vorzugehen. Erst aufgrund der ununterbrochenen Niederlagen der deutschen Armee an der Ostfront und dem Erstarken der militärischen Macht der Sowjetunion, so der sowjetische Bericht, habe man in der Schweiz einen brüsken Wechsel der Tonart gegenüber der Sowjetunion beobachten können.

Im Gegensatz zu dieser sowjetischen Kritik, welche durchaus kein Einzelfall auf östlicher Seite darstellte, betonte später etwa Edgar Bonjour, die schweizerische Öffentlichkeit habe es „entgegen der sie unablässig bearbeitenden deutschen Propaganda entschieden abgelehnt, im Feldzug gegen Russland einen Schicksals- kampf um den Fortbestand der abendländischen Kultur zu sehen.“2 Die Schwei- zer Bevölkerung sei zwar vom tapferen Verteidigungskampf des finnischen Vol- kes 1939/40 tief und nachhaltig beeindruckt gewesen, und auch habe es vereinzelt Stimmen gegeben, welche ein „Vordringen der Nationalsozialisten nach Osten 1Sˇ vejcarija Rossija – Suisse Russie – Schweiz einer Invasion des Westens durch die Sowjets“ vorgezogen hätten. Doch auf Russland 1813–1955. Kontakty i razryvy – Con- tacts et Ruptures – Aufbau und Krisen der einen gelegentlichen „Temperamentsausbruch folgte sofort die nüchterne Besin- Beziehungen. Dokumente aus dem Archiv des nung auf die wirklichen Interessen der Neutralität“. Im Allgemeinen habe die russischen Ministeriums für auswärtige Angele- Schweizer Presse durchaus die Unabhängigkeit des eigenen Urteils gewahrt. genheiten und dem Schweizerischen Bundesar- chiv, ausgewählt und bearbeitet von A. Fleury, „So wenig sie Hitler als modernen Kreuzritter anerkannte, so wenig sah sie in D. Tosato-Rigo, Bern-Stuttgart-Wien 1994, Dok. Stalin den Retter der westlichen Zivilisation.“ Es fällt auf, dass Bonjour nur äus- N° 187, S. 535. 2 E. Bonjour: Geschichte der Schweizerischen serst knapp über die Zeit zwischen dem Beginn der „Operation Barbarossa“ und Neutralität, Band V: 1939-1945, Basel 1970, dem Fall Stalingrads berichtet. An späterer Stelle zählt er wiederum ziemlich S. 375. Der Schweizer Gesandtschaft in Berlin habe dagegen, so Bonjour, „jedes selbständige ausführlich auf, welche Schritte der Schweiz in der Sowjetunion Missfallen erregt Urteil“ bezüglich des russischen Feldzuges und zu einer Verzögerung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen geführt gefehlt. (S. 257) Dagegen schreibt der ehemali- haben könnten. Insgesamt können die Ausführungen Bonjours die sowjetische ge schweizerische Minister in Berlin, H. Frö- licher, im Juli 1945 rückblickend an den Vorste- Kritik der Schweizer Haltung nicht wirklich entkräften. her des Politischen Departements, M. Petitpierre: „Wäre Russland schon im Jahre 1941 zusammengebrochen oder in den Ural Tatsache ist, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion zurückgeworfen worden, so wäre zwar auch der seit der Oktoberrevolution nicht zum Besten standen, dass man von eigentlich Endsieg doch nicht wahrscheinlich gewesen, 3 aber Hitler hätte wohl in die Festung Europa „beziehungslosen Zeiten“ sprechen kann. Bereits 1918 wurde die sowjetische keine demokratischen Neutralen mehr zugelas- Mission aus der Schweiz ausgewiesen, da man Kontakte zur Führung des Lan- sen. […] Die Entsendung von vier Ärztemissio- desstreikes vermutete. Entschädigungsforderungen der ehemaligen Russland- nen nach Russland, die von mir angeregt wur- de, wirkte den Bestrebungen übelwollender schweizer, die Ermordung des sowjetischen Delegierten an der internationalen Kreise entgegen, die es auch jetzt noch gerne Lausanner Konferenz von 1923 und schliesslich die antisowjetische Haltung der gesehen hätten, wenn die Schweiz überfallen worden wäre.“ (Die Gefahrenmomente in den Bundesräte und später Marcel Pilet-Golaz wurden zu entschei- deutsch-schweizerischen Beziehungen, Bern, denden Hindernissen auf dem Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen. 10. Juli 1945, DDS, Bd. 16, Dok. N° 16, S. 58f.). 3 Vgl. Christine Gehrig-Straube: Beziehungslose Erst nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde ein Handelsvertrag ausge- Zeiten. Das schweizerisch-sowjetische Verhält- arbeitet und unterzeichnet, der aber wenige Monate nach seiner Unterzeichnung nis zwischen Abbruch und Wiederaufnahme der Beziehungen (1918–1946) aufgrund schwei- mit dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion hinfällig wurde. Die Schwei- zerischer Akten, Zürich 1997. zer Behörden blockierten darauf umgehend die russischen Guthaben im Land.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 123 Bis zur Schlacht bei Stalingrad blieben die Beziehungen äusserst kühl. Schwei- zer Waffen wurden an der Ostfront eingesetzt, russische Geheimsender in der Schweiz ausgehoben, Ende 1942 suchte der Bundesrat öffentliche Sympathie- kundgebungen für die Sowjetunion zu unterbinden.4

Nach der Kriegswende gelangte die Schweizer Führung zur Einsicht, dass eine glaubwürdige Neutralitätspolitik nun auch die Aufnahme diplomatischer Bezie- hungen mit der Sowjetunion erfordere. Doch die sowjetische Führung stellte die klare Distanzierung der Schweizer Führung von ihrer bisher antisowjetischen Haltung zur Bedingung, während gleichzeitig in der Presse die Schweiz anhand konkreter Beispiele einer profaschistischen Politik bezichtigt wurde.5 Die sowje- tischen Anschuldigungen bewirkten zwar den Rücktritt von Pilet-Golaz als Bundes- rat, doch erst ein Jahr nach Kriegsende gelang der Schweiz die Aufnahme der Beziehungen.6

Fallbeispiel Gustav Däniker senior

Eine wissenschaftliche Analyse der Berichterstattung der Schweizer Tagespres- se über den Russlandfeldzug ist noch ausstehend. An dieser Stelle soll eine erste Annäherung an die Fragestellung vorgenommen werden anhand der Berich- terstattung in der Allgemeinen Schweizer Militärzeitung (ASMZ) und in der Schweizerischen Monatsschrift für Offiziere aller Waffen (SMOW). In beiden Zeit- schriften erschienen während des Krieges nur relativ wenige Berichte über das Kriegsgeschehen. Wohl die beachtenswertesten dieser Berichte sind drei Jah- resrückblicke zur deutscher Strategie, welche Oberst Gustav Däniker in der SMOW veröffentlichen konnte, bevor er im Zuge der aufgrund seiner deutschland- freundlichen Haltung erfolgten Entlassung aus dem Bundesdienst auch seine Mitarbeit bei der SMOW und der ASMZ quittieren musste. Der ganze „Fall Däni- ker“ kann an dieser Stelle nicht neu aufgerollt und beurteilt werden.7 In dieser Arbeit soll bloss anhand von Dänikers Verständnis des Russlandfeldzuges im Kontext des gesamten Kriegsgeschehens ein Aspekt seiner Verbundenheit mit dem Deutschen Reich untersucht werden. Sodann ist zu fragen, ob Gustav Däni- kers Haltung als singulär erachtet werden muss oder ob sie nicht vielmehr einer

Haltung gewisser politischer Kreise der Schweiz entsprach. 4 E. Bonjour 1970, S. 405f. 5 U.a. in der Pravda vom 28.11.1944 und in der „Was bei der deutschen Kriegführung besonders auffällt, ist die Folgerichtig- Izvestija vom 2.11.1944. 6 Vgl. Therese Steffen: Die Aufnahme und Ent- keit, mit der die einzelnen Feldzüge in den Gesamtplan sich einfügen. Die alles wicklung von diplomatischen Beziehungen zur umfassende Konzeption wird allerdings immer erst nachträglich und nicht zuletzt UdSSR aus schweizerischer Sicht, in: BAR Dossier Nr. 3, Bern 1996, S. 23–28. am Erfolge der einzelnen Feldzüge augenscheinlich.“ – so Gustav Däniker senior 7 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Ende 1941 im Rückblick auf Zwei Jahre deutsche Strategie.8 Im Gegensatz zur Gustav Däniker sen. und seiner Haltung gegen- über dem nationalsozialistischen Deutschland Situation vor 1914 habe im Herbst 1939 die Frage, ob die durch die Gegner ange- sei auf die gut fundierte Biographie von strebte politische Einkreisung durch einen Angriff gegen Westen oder gegen Franziska Keller verwiesen: Oberst Gustav Osten zu sprengen sei, aufgrund der günstigen Kriegsvoraussetzungen im Osten Däniker. Aufstieg und Fall eines Schweizer Berufsoffiziers, Zürich 1997. In deren Anhang ihre Beantwortung wie von selbst gefunden.9 Nachdem es aber mit der Erobe- findet sich auch Dänikers umstrittene Denk- rung Polens nicht zu einem Frieden kam, sei vor allem eines „völlig klar“ gewe- schrift vom 15.5.1941 (S. 405–416). 8 G. Däniker: Zwei Jahre deutsche Strategie, sen: „Der Hauptgegner Deutschlands war England. Hieraus ergab sich logi- SMOW, 1941, S. 289–303 u. 329–341. – In sei- scherweise die Notwendigkeit, England zu besiegen. Zur Führung des nem ersten Artikel zum Kriegsgeschehen in der ASMZ hatte Däniker unter dem Titel Vom entsprechenden Kampfes mussten zunächst zwei Voraussetzungen erkämpft Durchbruch zur Einkreisung einige vorläufige, werden: Erstens war das Schwert Englands auf dem europäischen Kontinent, rein militärstrategische Betrachtungen zum Beginn der deutschen Westoffensive im Mai die französische Armee zu zerschlagen und zweitens musste die ganze Atlan- 1940 angestellt (ASMZ, 1941, S. 6–21). tikküste des Kontinentes als Basis für den Kampf gegen England gewonnen 9 Ebd., S. 292.

124 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 werden.“10 Deshalb konnte Deutschland auch dem befreundeten Finnland nach dem sowjetischen Überfall nicht zu Hilfe eilen, und auch die baltischen Staaten mussten preisgegeben werden. Via Dänemark musste erst die Atlantikküste in Norwegen gesichert, dann Frankreich, die Niederlande und Belgien mit dem Westfeldzug ausgeschaltet werden. Ganz Frankreich aber wurde nicht erobert, „denn es ging Deutschland nicht darum, Frankreich zu vernichten, sondern im Gegenteil, seine wertvolle und notwendige Mitarbeit für die Neuordnung Euro- pas zu gewinnen.“11 Auch Pétain habe „als Soldat“ erkannt, dass „vor allem eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland dringend notwendig ist, wenn nicht die europäischen Völker sich weiterhin zerfleischen wollen, was sie endgültig unter die Herrschaft aussereuropäischer Mächte bringen müsste.“

In der Zwischenzeit, so Däniker weiter, hätten aber die Vorgänge in der Sowjet- union einen immer bedrohlicheren Charakter angenommen, so dass eine krie- gerische Auseinandersetzung unvermeidlich wurde. „Durch die politische Vor- bereitung des Feldzuges wurde erreicht, dass den Bolschewisten nicht nur eine deutsche, sondern vielmehr eine europäische Front gegenübertrat. Es handelt sich bei diesem Kriege denn auch mehr um ein europäisches, als um ein rein deutsches Problem.“12 Ausführlich begründet Däniker sein Verständnis der Vor- gänge im Osten:

„Obzwar auch bei den vorangegangenen Feldzügen die Niederwerfung der feindlichen Streitkräfte in der Regel das vordringlichste strategische Ziel war, so bekommt dieses Ziel beim Feldzug gegen den Bolschewismus eine doch etwas andere Bedeutung. Währenddem vorher auch dem kriegeri- schen Handeln das Bestreben zugrunde liegen musste, eine Einigung der europäischen Völker zu einer Schicksalsgemeinschaft und zu wechselseiti- ger ehrlicher Zusammenarbeit vorzubereiten, – diese für Europa lebens- wichtige Einigung lässt sich weder durch Vernichtung noch durch Unter- drückung erreichen – geht es in Russland darum, den europäischen Kontinent und seine alte Kultur auf lange Zeit hinaus von der bolschewistischen Gefahr und vom asiatischen Druck zu befreien. Es handelt sich hier ausgesproche- ner um einen Vernichtungskrieg etwa im Sinne der Antike, der an die Sub- stanz des ganzen Volkes greift. Bei den andern Feldzügen wurde eher Schach gespielt. Wer eingeschlossen war, kapitulierte. Jetzt dagegen geht der Kampf bis aufs Messer. Die russische Strategie – in welcher naturgemäss asiati- sche Auffassungen zum Ausdrucke kommen –, die einerseits auch Frauen und halbwüchsige Männer in den Kampf führt und andererseits bei Rück- zügen alles verbrennt und vollkommen zerstört, dient dem europäischen Kriegsziel mehr, als sie der russischen Abwehr nützt und dem Angreifer schadet. Die Organisation der deutschen Kampfführung vermag alle ent- 10 Ebd. stehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Das Endergebnis der russischen 11 Ebd., S. 302. „Strategie der versengten Erde“ wird eine Entlastung Europas von jedem 12 Ebd., S. 332. Vgl. Dänikers Darstellung: Weitung und Wandlung des Krieges. Betrachtungen zum ernsthaften asiatischen Druck auf lange Jahre hinaus sein. Ferner schafft Feldzug in Russland, Zürich 1943. Darin schreibt sie die Möglichkeit, den Aufbau der wertvollen Gebiete von Grund auf in Däniker: „Durch den Ostfeldzug hat der gegen- wärtige Krieg erst so recht begonnen zu einer die Wege zu leiten. Auseinandersetzung wahrhaft weltgeschicht- lichen Ausmasses zu werden, und sein Gesche- hen lässt uns, die wir uns um ein tieferes Ver- Zur Vernichtung der bolschewistischen Streitmacht gehört selbstverständ- stehen der Dinge bemühen, die gewaltige lich auch die gründlichere Zerschlagung aller wichtigen Rüstungszentren. Grösse des gegenwärtigen interkontinentalen Ringens und seine Bedeutung auch für uns Diese Aufgabe zu lösen fällt im besondern der deutschen Luftwaffe zu. Und ahnen.“ (S. 47.) endlich ist als drittes strategisches Ziel die Besitznahme derjenigen Gebiete

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 125 zu nennen, deren der europäische Kontinent bedarf, um möglichst autark zu werden. Es handelt sich somit nicht um ein weiteres, beinahe zielloses Vor- stossen in die uferlose Tiefe des russischen Raumes. Der europäische Kon- tinent hat schliesslich seine natürlichen Grenzen. Das Ende des Vordringens ist deshalb auch keineswegs irgendwie an die Kapitulation irgendeiner Regie- rung gebunden. Nach erfolgter endgültiger Zerschlagung der bolschewisti- schen Streitkräfte und ihrer Rüstungshilfequellen kommt für die Fortführung der Aktion im Grossen neben einer Wegöffnung nach dem nahen Orient nur noch die Besitznahme der für Europa lebenswichtigen Gebiete in Frage. Damit wird der europäische Kontinent gewissermassen zu einer Festung, an deren Umwallung alle europafeindlichen Angriffe zerschellen müssen.“13

Seinen Bericht über das dritte Jahr deutscher Strategie begann Däniker mit der Feststellung, dass dieses Jahr durch den präventiven Gegenschlag der Wehr- macht des deutschen Reiches und der Armeen der Verbündeten gegen die ern- ste Bedrohung durch die militärische Macht Russlands in eine neue Phase getre- ten sei.14 Deutlicher als im Vorjahresbericht betonte er, dass dieser Feldzug „den Besitz von Räumen, die für den europäischen Kontinent lebenswichtig sind, gebracht hatte“15. Zuversichtlich schloss er seinen Bericht mit den Worten: „Der Sieg auf den Schlachtfeldern gehört der Wehrmacht, die nicht lediglich Masse ist, sondern aus besten Soldaten, mit dem besten Material ausgerüstet, besteht und überlegen geführt wird.“16

„Ohne ein Miteinbeziehen Russlands ist eine erfolgreiche Kriegführung Deutsch- lands gegen Grossbritannien nicht denkbar“, meinte Gustav Däniker in seinem Bericht über das vierte Jahr deutsche Strategie.17 Als aber feststand, dass nicht länger auf Russland gezählt werden konnte, habe sich die Notwendigkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung ergeben. Die zweite grosse russische Win- teroffensive habe inzwischen die deutsche Führung zur Proklamation des tota- len Krieges gezwungen, „allerdings entsprechend der kontinental-europäischen Denkweise“ nur des „subjektiv totalen Krieges“.18 „Die Verhältnisse an der Ost- front wären ganz und gar dazu angetan gewesen, die Kriegführung wiederum auf die Ebene der geistlosen Materialschlacht abgleiten zu lassen [...] Die Gefahr 13 Ebd., S. 335. 14 G. Däniker: Ein drittes Jahr deutsche Strategie, war besonders gross, als die deutsche Kriegführung im Hinblick sowohl auf die SMOW, 1942, S. 334–343 u. 376–387, hier Gesamtlage als auch auf die besonderen Verhältnisse im Osten von der Offen- S. 334. sive zur Defensive übergehen musste. Weil es gelungen ist, dieser Gefahr zu 15 Ebd., S. 376. 16 Ebd., S. 387. entgehen, wird das vierte Kriegsjahr in der Geschichte der Kriegführung für 17 G. Däniker: Ein viertes Jahr deutsche Strategie, immer eine besondere Bedeutung behalten.“19 Auch in Nordafrika konnte Däni- SMOW, 1943, S. 354–367 u. 399–418. Dem zweiten Teil des Jahresberichts ist sinniger- ker nicht mehr wie im Vorjahr Erfolge Rommels rühmen, vielmehr habe das vier- weise von den Redaktoren des SMOW unter te Kriegsjahr hier einen vollständigen Umschwung der Lage gebracht.20 Den der Rubrik Krieg und Dichtung das Gedicht Napoleon im Kreml von C.F. Meyer vorange- Bericht beendete er denn auch mit nachdenklich stimmenden Worten: „Ob man stellt worden (S. 398). im Angriff oder in der Abwehr den Kampf siegreich besteht, ist im Grunde gleich- 18 Ebd., S. 400. gültig. Als eine besondere Leistung aber darf wohl betrachtet werden, wenn es 19 Ebd., S. 416. 20 Ebd., S. 408. Doch selbst die Eroberung Sizi- gelingt, sich in der Abwehr unter denkbar schwierigen Verhältnissen vor einer liens durch die Alliierten schliesst er mit einem zahlenmässig schier erdrückenden Übermacht schliesslich doch immer wieder Zitat Buchleys aus dem Daily Telegraph: „Die Deutschen behielten die Initiative in solchem 21 zu behaupten.“ Ausmasse in der Hand, dass sie imstande waren, Tempo und Bedingungen der Räumung zu diktieren.“ (Ebd., S. 413.) 1942 wurde Oberst Gustav Däniker aus dem Bundesdienst als Berufsoffizier ent- 21 Ebd., S. 418. lassen. Auslöser bildete die von Däniker nicht gewollte Veröffentlichung seiner 22 In seiner Verteidigungsschrift Im Dienste der Schweiz hat G. Däniker 1945 den Wortlaut der am 15. Mai 1941 gezeichneten, an das Armeekommando, den Bundesrat und Denkschrift „mit erklärenden Bemerkungen“ die direkten militärischen Vorgesetzten gerichteten „Denkschrift“.22 Däniker selbst in einem Anhang wiedergegeben (S. 37–55).

126 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 verstand seine Denkschrift in der Hauptsache nur als eine „Berichterstattung über das, was ich in Deutschland, sowohl von Deutschen als auch von unseren dort lebenden Landsleuten zu hören bekam. Diese wünschten von uns ein bes- seres Verständnis für die grossen Vorgänge und eine wirklich neutrale Haltung anstelle einer sehr einseitigen Parteinahme zu Gunsten der Achsengegner.“23 In der Öffentlichkeit aber wurde ihm deutliche Sympathie für den Nationalsozia- lismus vorgeworfen. In seiner Verteidigungsschrift Im Dienste der Schweiz bestritt Däniker diese Vorwürfe. Er hielt fest, General Henri Guisan habe in einer Unter- redung, die im übrigen erst vier Monate nach Einreichung der Schrift stattge- funden habe, nicht auf den Inhalt der Schrift eingehen wollen. Erst durch die Pressekampagne voll sinnwidriger Schmähungen, die anfangs 1942 und damit nach seiner Umteilung zur Verfügung des Bundesrates ausgelöst worden sei, habe man ihn zu Fall gebracht.

Gerade aufgrund seiner Jahresrückblicke zur deutschen Strategie muss Däni- kers Haltung gegenüber Deutschland differenziert betrachtet werden. Von der deutschen Führung erhoffte er sich offenbar in erster Linie die umfassende „Autarkie“ des europäischen Kontinents. So forderte er auch in der Denkschrift, der europäische Kontinent müsse sich je länger desto mehr zu einer Schick- salsgemeinschaft zusammenschliessen. „In greifbarer Nähe liegt die Eingliede- rung zuerst Finnlands, dann Schwedens und schliesslich auch Spaniens in irgend einer Form. Und weiter wird der europäische Kontinent sich auf die eine oder andere Weise durch Lösung verschiedener Probleme im Osten autark zu machen verstehen. Dies ist in kurzen Zügen skizziert der Lauf der Entwicklung, der zunächst vom weiteren Verlauf des Krieges unabhängig ist. Darin liegt auch das, was darunter zu verstehen ist, wenn von der grossen Entscheidung des Jahres 1941 gesprochen wird. Diese Entscheidung wird vorerst nicht in der Beendigung des Krieges mit England gesehen, sondern in der Konsolidierung des euro- päischen Kontinentes.“24

Im Mai 1943 veröffentlichte Däniker in der ASMZ einen Artikel mit dem Titel Der Geist der Ordnung in der Kriegführung. Hier ging er nun in seiner Sympathie- kundgebung zum nationalsozialistischen Staat deutlich über das bisherige Mass hinaus. Er sprach von der allgemeinen Unordnung, in welcher das viele Neue seit der französischen Revolution vorlag, und welche auch mit dem Ersten Welt- krieg nicht hatte beseitigt werden können, sondern im Gegenteil durch diesen nur noch vertieft worden sei. „Der Nationalsozialismus und der ihm verwandte Faschismus strebten auf national-völkischer Grundlage eine organisch sich bil- dende Synthese der verschiedenen Probleme an, eine Ordnung der verworre- nen Verhältnisse, welche vom ausgehenden 19. Jahrhundert als Erbe hinterlas- sen worden waren.“25 Der Zweite Weltkrieg sei deshalb als ein Krieg zu betrachten, in welchem der „Geist der Ordnung“ über die „Macht des Materi- al“ triumphiere. Das bolschewistische Russland strebe zwar „ebenfalls eine grundlegende Änderung der Dinge, ja sogar eine Änderung des Menschen“ an, aber „es war nicht ein natürlich-organisches Ordnen, das hier einsetzte, sondern ganz bewusst eine gewaltige Vermassung auf ausgesprochen materialistischer Grundlage.“26 Nun drohe im gegenwärtigen Krieg eine Erdrückung des „Geistes 23 G. Däniker: Im Dienste der Schweiz, Zürich der Ordnung“ durch die materielle und personelle vom Bolschewismus in die 1945, S. 29. 24 F. Keller 1997, S. 410. Waagschale geworfene Überzahl. So sei es „für den ordnenden Geist ein Zei- 25 G. Däniker: Der Geist der Ordnung in der Krieg- chen höchster Bewährung, wenn es ihm gelingt, mit disziplinierten Kräften die führung, ASMZ, Mai 1943, S. 248. 26 Ebd., S. 252. elementare Gewalt aufzufangen und selbst vor grösster materieller Übermacht 27 Ebd., S. 253. auf die Dauer siegreich zu bleiben.“27

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 127 Während Dänikers Beiträge bis Ende 1942 sich durchaus im Rahmen dessen bewegten, was die Zensurbehörden zum Druck freigaben, wehte nun nach der Kriegswende in Stalingrad ein anderer Wind. Besonders der Beitrag Dänikers über den Geist der Ordnung in der Kriegführung stiess bei Oberst Hans Holli- ger, dem Präsidenten der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), auf star- ke Ablehnung, und Holliger bewirkte, dass Däniker in der ASMZ nicht mehr publi- zieren konnte.28 Einige Monate später wurde an der Präsidentenkonferenz der SOG in Bern beschlossen, die Monatsschrift für Offiziere aller Waffen (SMOW) nicht mehr mit einer jährlichen Subvention zu unterstützen, was mit den in der SMOW erschienenen Artikeln Dänikers begründet wurde.29 Holliger erklärte gegenüber Däniker, „schliesslich schaffen die Leistungen der deutschen Armee die Tatsache nicht aus der Welt, dass sie im Dienste eines Regimes steht, das die menschliche Geschichte in barbarischer Weise geschändet hat.“30 Auch Däni- kers Ansichten über den Ostfeldzug stiessen zunehmend auf Kritik. So führte besonders seine 1944 erschienene Schrift über Raum, Kraft und Zeit in der mili- tärischen Kriegführung, welche sich ausschliesslich mit den raumstrategischen Fragen der deutschen Kriegführung vor allem im Russlandfeldzug beschäftig- te, in der Presse zu einer Kontroverse um Dänikers Person.31

Gustav Däniker der Ältere blieb seiner Gesinnung treu. Selbst kurz nach Kriegs- ende bewertete er das jahrelange Kriegsringen in der in Frauenfeld erschiene- nen Schrift Das sechste und letzte Jahr der deutschen Strategie mit folgenden Worten: „Das deutsche Reich hat den Krieg verloren. In der gegenwärtigen Zeit, da vornehmlich die Leidenschaften das menschliche Urteil, selbst über militäri- sche Belange, bestimmen, werden weder Sieger, noch die vielen, welche in erster Linie dem Erfolge huldigen, den Leistungen der deutschen Kriegsführung gerecht. Aber wenn man sich ganz nüchtern die Frage stellt, weshalb es der jungen deut- schen Wehrmacht überhaupt möglich war, zunächst grosse Siege zu erfechten und nachher während Jahren einer ganzen Welt zu trotzen, dann dürfte man wenigstens ahnen, dass die Geschichte dereinst anders urteilen wird. Gewiss, keine Kriegsführung ist fehlerfrei, auch die deutsche nicht; aber welche andere Wehrmacht würde von einer solchen erdrückenden Übermacht mehr zu leisten imstande sein, als die deutsche von 1939 bis 1945 – getreu dem Vorbilde frühe- rer Generationen-, und welcher andere Soldat hätte unter den gleichen Voraus- setzungen entsprechend dem geschworenen Eide seine Pflicht bis zuletzt besser erfüllen können? Eine Beurteilung der militärischen Kriegführung hat, gleich- gültig in welche Waageschale schlussendlich der Sieg gelegt wurde, von der Beantwortung dieser einen Frage auszugehen.“32

Zum Krieg als ganzes hielt Däniker fest: „Der zweite Weltkrieg war, politisch gesehen, ein Revolutionskrieg, mit der einem solchen innewohnenden Kraft, aber auch mit seinen zahlreichen Schwächen. Die deutsche Führung täusch- te sich in der Annahme, der ganze europäische Kontinent sei für die von ihr ausgelösten Revolution reif, namentlich aber auch darin, dass die verschie- denen Völker nach dem Abschluss der einzelnen Feldzüge diese Revolution

würden mittragen helfen und sich hierdurch, wie von selbst, eine genügende 28 Zum folgenden vgl. F. Keller 1997, S. 366–372. Macht gegen Russland einerseits und Grossbritannien und die USA anderer- 29 Eine Zusammenstellung der Artikel G. Dänikers seits bilden müsste. Statt dessen blieb die ganze Last schliesslich doch auf findet sich bei F. Keller 1997, S. 434–437. 30 Zitiert bei F. Keller 1997, S. 370 mit Quellen- den Schultern des deutschen Volkes liegen und mit zunehmendem Überge- angabe. wicht der aussereuropäischen Gegner vermehrten sich auch die gegen Deutsch- 31 Vgl. F. Keller 1997, S. 363-365. 32 G. Däniker: Das sechste und letzte Jahr der 33 land gerichteten Kräfte bei den Völkern des heimischen Kontinentes.“ deutschen Strategie, Frauenfeld 1945, S. 21f. 33 Ebd., S. 23.

128 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Kein Einzelfall?

Sind Dänikers Analysen des Kriegsgeschehens als singulärer Einzelfall zu betrach- ten? Zumindest in Bezug auf die ASMZ kann diese Frage verneint werden. Zwar 34 Gen.a.D. Alfred v. Mierka: Der deutsche Feldzug in Polen, ASMZ, 1939, S. 333–343 u. 367–378. erschienen in der Zeitschrift nur wenige Berichte über das Kriegsgeschehen, 35 Ebd., S. 375. Vgl. S. 333: „Eine masslose Pres- was durchaus als Ausdruck einer gewissen neutralen Haltung bewertet werden sekampagne und Gewaltakte gegen die deut- kann, und zudem ist die Mehrzahl dieser Berichte nüchtern militärstrategisch schen Einwohner vergifteten die Atmosphäre immer mehr. Am 30. August wurde in Polen die gehalten. Andererseits finden sich aber auch Artikel, welche eine deutliche allgemeine Mobilmachung angeordnet und in Bewunderung der deutschen Erfolge zum Ausdruck bringen, ohne dass (später) der Nacht vom 31. August zum 1. September erfolgten südlich von Kempen und westlich von die Erfolge der Alliierten eine ähnliche Begeisterung ausgelöst hätten. Kattowitz gegen deutsche Ortschaften Überfälle von Freischaren und aktivem Militär, wobei Beuthen auch durch Artillerie beschossen Bereits 1939 wurde von General a.D. Alfred von Mierka in zwei ausführlichen wurde. Diese Aktionen lösten den sofortigen Artikeln mit dem Titel Der deutsche Feldzug in Polen34 der Ausbruch des Kriegs Gegenschlag der deutschen Streitkräfte aus.“ eindeutig den Polen zur Last gelegt: „Das blinde Vertrauen auf die zugesicher- 36 Ebd., S. 378. 37 J.v. Muralt: Der Feldzug in Polen, ASMZ, te britische Hilfe, auch dann noch genährt, als Sowjetrussland seinen Beistand Oktober 1939, S. 657–669. Genlt Adaridi: Die versagt hatte, liess die polnische Regierung den Kampf gegen Deutschland Luftwaffe im deutsch-polnischen Kriege 1939, 35 ASMZ, 1939, S. 400–403; ders.: Die Panzertrup- wagen.“ Es stehe zu befürchten, „dass durch einen offensichtlichen Rache- pe im deutsch-polnischen Kriege 1939, ASMZ, feldzug gegen Deutschland der Friede in Europa in Zukunft nicht auf der Basis 1940, S. 38–42. Adaridi verfasste für die ASMZ auch einen Bericht über Finnland als Kriegs- der Gleichberechtigung und der Erfüllung berechtigter Wünsche der Völker gesi- schauplatz (ASMZ, 1940, S. 78–89). Die Mei- chert werden wird.“36 Gegendarstellungen findet man in einer Beurteilung von nung habe vorgeherrscht, dass „der sowjetrus- sische Koloss den finnischen Zwerg gleich beim Oberstdivisionär z.D. J.v. Muralt und in den von einem polnischen Offizier ver- ersten Zusammenstoss vernichten würde“, fassten, viel nüchterner gehaltenen Darstellungen der Erfolge der deutschen doch die „roten Heeresscharen“ hätten sich als Luftwaffe und der Panzertruppe im Krieg gegen sein Vaterland.37 Die deutschen weit schlechter erwiesen, als man mit Recht habe erwarten können. (S. 78f.) Erfolge werden gewürdigt, doch vor einer Überschätzung wird gewarnt. 38 Die Überrumpelung Dänemarks. Mit zwei Skiz- zen, der Autor zeichnet mit MFS, ASMZ, 1940, S. 311–314. Der Feldzug in Holland, der Autor Den deutschen Überfall auf Dänemark schilderte die ASMZ sachlich unter dem zeichnet mit dem Pseudonym Xenos, ASMZ, Titel Die Überrumpelung Dänemarks gemäss einer schwedischen Darstellung. 1940, S. 335–337. 39 Sonderkorrespondent aus Deutschland: Panzer- Der deutsche „Feldzug in Holland“ veranlasste die Zeitschrift gar, den „helden- duell vor Leningrad, ASMZ, 1942, S. 138–140. haft geführte[n] Widerstand gegen vielfache Übermacht“ zu würdigen.38 Eupho- Vgl. auch den mit dem Kürzel M.A. gezeichne- risch prodeutsch aber ist die 1942 erschienene Beschreibung eines Panzerduells ten Artikel zu Wladiwostok, das Machtzentrum Ostasiens (ASMZ, 1941, S. 377–382), der mit vor Leningrad aus der Feder eines „Sonderkorrespondenten aus Deutschland“: den Worten beginnt: „Russland hat in seiner „Wer sie hier vor Leningrad gesehen hat, die angreifende Truppe, der bekommt Expansionspolitik schon immer ein Streben von riesigem Ausmass nach Seemachtstellung Achtung vor ihrer Leistung. Er schaut in die Gesichter, und am bestaubten, ver- gezeigt; es wollte als der grösste europäische schwitzten Grau, an dem bärtigen Kinn, an lehmverklebten Uniformen erkennt Staat den anderen Ländern Europas auch zu Waser nicht nachstehen.“ (S. 377.) er das Mass der Strapazen, welche diese Männer Tag für Tag, Woche für Woche 40 Vgl. z.B. Oblt. A. Schoch: Die Landung der mit unerschütterlicher Zähigkeit auf sich nehmen. […] Wenn sie mit ungebro- Alliierten auf Sizilien, ASMZ, 1943, S. 620ff. chenem Ernst und altem Kampfesmut vorgehen, nicht weniger verbissen als 41 Kurz erwähnt wird die Berichterstattung von der Ostfront in K. Imhof, P. Ettinger, Boris Bol- ihre Väter im Weltkrieg, dann schaut man in das Antlitz ewigen deutschen Sol- ler: Die Flüchtlings- und Aussenwirtschaftspoli- datentums.“39 Wohl stellt dieser Artikel eine Ausnahme dar in der sonst eher tik der Schweiz im Kontext der öffentlichen poli- tischen Kommunikation 1938–1950, Zürich zurückhaltenden Kriegsberichterstattung der ASMZ. Dennoch verwundert den 2001, S. 187: „Die nach dem deutschen Überfall heutigen Leser, dass ein solcher Artikel überhaupt Eingang in die Monatszeit- auf die Sowjetunion erfolgende Aktualisierung des Modells eines ‘Neuen Europas’ als antibol- schrift fand. Die später folgenden Beschreibungen der russischen Siege sind im schewistischer Kampfbund wird in der Deutsch- Gegenzug stets nüchtern gehalten. Von grosser Freude oder gar einer Euphorie schweiz nur vom Vaterland aufgegriffen, wäh- kann selbst gegen Kriegsende bei der Beschreibung der alliierten Erfolge im rend im Tessin beide untersuchten Zeitungen das Neue Europa nun deutlich als antibolsche- Westen nie die Rede sein.40 wistisches Projekt rezipieren. Doch weder in der Deutschschweiz noch im Tessin führt diese qua- litative Veränderung zu einer Intensivierung der Eine detaillierte Analyse der Berichterstattung über die Ostfront in der Schwei- Berichterstattung. In der Romandie interpretiert zer Presse ist, wie bereits erwähnt, noch ausstehend. Zumindest ein Teil der Pres- vor allem die Liberté den deutschen Überfall auf die UdSSR als antibolschewistischen Feld- se scheint aufgrund des deutschen Überfalles auf die Sowjetunion im „Neuen zug”. Im übrigen konzentriert sich die Darstel- Europa“ der Achsenmächte positiv die Rolle eines antibolschewistischen Kampf- lung von K. Imhof et al. auf die wirtschaftspoliti- 41 schen Aspekte der schweizerisch-sowjetischen bundes gesehen zu haben. Neben expliziten antibolschewistischen Aussagen Beziehungen (ebd., S. 257–260, 296–299 u.ö.). und Plädoyers für das „Neue Europa“ gälte es hier auch die Schilderungen der

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 129 deutschen Erfolge im russischen Feldzug im Einzelnen zu analysieren. Genau- er untersucht wurde der Antikommunismus im Übergang zur Friedenszeit.42 So begann etwa das katholisch-konservative Vaterland im Februar 1945 vom Unter- gang des Abendlandes zu sprechen, welcher aufgrund des Vordringens des slawisch-asiatischen Bolschewismus drohe.43

Auch bei der NZZ findet sich ein gewisser Antikommunismus, der das Blatt bereits 1933 in eine gewisse Nähe zu den Frontenbewegungen gebracht hatte, der sich durch alle Kriegsjahre hindurch zieht, und es in Anbetracht des Bedürf- nisses nach neuen Handelspartnern und angesichts des Rufes nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen gegen Kriegsende in eine gewisse Verlegenheit brachte.44 Willy Bretscher musste leider im November 1945 eine besondere Anfäl- ligkeit von Schweizer Kommunisten und Sozialisten gegenüber dem virulenten Erreger des „Morbus Molotow“ konstatieren, während glücklicherweise der schweizerische Volkskörper dank der Hausapotheke der Demokratie sich insge- samt als resistent erweise.45 Wie im Vaterland, so wurde auch in der NZZ noch vor Kriegsende das nationalsozialistische Feindbild ganz durch das alte Feind- bild des Kommunismus ersetzt.46 Demgegenüber begrüsste die sozialdemokra- tische Presse, darunter die Berner Tagwacht, während der ersten Nachkriegs- jahre euphorisch die sowjetischen Erfolge, und wandte sich erst ab 1948 im Gefolge der gewaltsamen Machtergreifung und der einsetzenden Verfolgungen politischer Gegner in Osteuropa von Stalin ab. Es kann deshalb mit guten Grün- den angenommen werden, dass die Sozialdemokratie während des Ostfeldzu- ges, so weit es die Zensur erlaubte, eine sowjetfreundliche Haltung eingenom- men hat, während zumindest Teile der liberalen und konservativen Kreise in bestimmtem Masse dazu bereit waren, durch eine Unterstützung Deutschlands im Russlandfeldzug den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

42 K. Imhof, H. Kleger u. G. Romano (Hg.): Kon- kordanz und Kalter Krieg. Analyse von Medien- „Wahres Soldatentum“ und die Krise der liberalen ereignissen in der Schweiz der Zwischen- und Nachkriegszeit, Zürich 1996; ders. et al. 2001, Demokratie S. 365-382. 43 Auch gemäss K. Imhof et al. 2001 stehen im Vaterland die Berichte über die Erfolge der Dänikers Ausführungen über die deutsche Strategie im Zweiten Weltkrieg bedür- Roten Armee bereits 1944 „unter einer deut- fen einer genaueren Einbettung in den Gesamtkontext seines Denkens. Zumin- lichen Bedrohungsperspektive“ (S. 366). dest zwei Aspekte sollen an dieser Stelle genannt werden. Da ist zum einen Däni- 44 Vgl. u.a. Willy Bretschers Leitartikel Die Schweiz vor der russischen Sphinx vom 26.4.1944, abge- kers Ideal des „wahren Soldatentums“. „Ein Volk kann nur an wahrem druckt in ders.: Im Sturm von Krise und Krieg. Soldatentum […] genesen, und es kommt nicht von ungefähr, dass die Staats- Neue Zürcher Zeitung 1933–1944, Zürich 1987, S. 360-364 (dazu auch K. Imhof et al. 2001, führung in Krisenzeiten oft grossen Soldaten anvertraut wird. Dies geschieht S. 365-373.). – Das Verhältnis der NZZ zum nicht, damit sie in erster Linie mit militärischen Machtmitteln und Methoden Frontismus beleuchtet Konrad Zollinger: Fri- scher Wind oder faschistische Reaktion? Die regieren, sondern weil einer Führung, die ihr Denken und Handeln nach gesun- Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus den soldatischen Grundsätzen richtet, am meisten Vertrauen entgegen gebracht 1933, Zürich 1992; das Bild der Kommunisten in werden kann. Der Soldat dient der Sache, nur dieser, nicht seiner Person. Und der Deutschschweizer Presse Marianne Lee- mann: Totengräber der Demokratie. Kommuni- hierdurch stärkt er seine Persönlichkeit, welche die Grundlage für alle wertvol- sten, Faschisten und Nationalsozialisten in der len Leistungen ist, die kleinen und die grossen und die sich deshalb wie von Deutschschweizer Presse von 1918 bis 1923, Zürich 2002. selbst Achtung erringen. // Insofern muss der Soldat für die neue Zeit, die vom 45 W. Bretscher: Ende November ...., in: ders. Leben eine ausgesprochen männliche Prägung fordert und nach Persönlichkei- 1987, S. 382-384. 46 Vgl. K. Imhof et al. (Hg.) 1996. 47 ten mit soldatischer Haltung ruft, zu einem Idealbild werden.“ Und Däniker hat 47 G. Däniker: Über die Wertung der Persönlich- wohl Deutschland vor Augen, wenn er 1947 schreibt: „Wenn die Soldaten eines keit, Zürich 1943, S. 16 (Schlussworte seines Vortrages von 1943 vor der Sektion Zürich Volkes sich für ihr Vaterland zu heldenhaftem Opfertode bereit gefunden haben, des „Volksbundes für die Unabhängigkeit der dann wird ein solches Volk aus der gleichen Substanz auch die Kraft finden, über Schweiz“).

130 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 eine erlittene Niederlage hinweg zu neuen Leistungen emporzusteigen.“48 Derartige Aussagen Dänikers befremden den Leser selbst nach erfolgtem deut- schen Wirtschaftswunder. Zuerst will doch obgenannter Einwand von Oberst Holliger stehen, wonach alle Leistungen der deutschen Armee die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, „dass sie im Dienste eines Regimes steht, das die mensch- liche Geschichte in barbarischer Weise geschändet hat.“

Dänikers Ideal „wahren Soldatentums“ hat seinen „Sitz im Leben“ im Gesamt- kontext der Krise der liberalen Demokratien. Mit den 30er Jahren verschlim- merte sich in vielen Ländern die Wirtschaftslage, die politischen Parteien in ihrer Zersplitterung und Zerstrittenheit konnten sich zu keinen wirksamen Gegen- massnahmen durchringen. In zahlreichen europäischen Staaten kamen autori- täre Regimes an die Macht, welche durchaus Ähnlichkeiten mit dem Regime in Italien und Deutschland aufzeigten, so in Österreich, Ungarn, Polen, Estland, Lettland, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Griechenland, Spanien, Portugal. Ein „Neues Europa“ innerlich (gewaltsam) „gleichgeschalteter“ Staa- ten begann sich zu formieren und schien vielen unabwendbar und notwendig wie ein Naturgesetz. Am anderen Ende der politischen Skala wiederum prokla- mierte die Linke einen naturgesetzlichen Übergang vom Kapitalismus zum Kom- munismus.

Die Vertreter der liberalen Demokratie befanden sich zusehends im Kreuzfeuer der beiden politischen Extreme; der Boden glitt ihnen unter den Füssen weg. Im konkreten Ringen zwischen dem „Neuen Europa“ und dem Bolschewismus dürf- ten sich doch viele Liberale wie Konservative eher den faschistischen Kreisen zugeneigt haben, stellten doch Nationalsozialisten und Faschisten im Gegensatz zu den Bolschewisten weder das Besitztum der „Bourgeoisie“ noch den grund- sätzlichen Wert von Religion und Kirche in Frage. So erhoffte sich wohl man- cher von Hitler einen wertvollen Dienst: die Vernichtung des Bolschewismus. 48 G. Däniker: Ueber den soldatischen Begriff des Mit seinem Drang nach mehr „Lebensraum“ im Osten könnte Deutschland so Sieges, Zürich 1947, S. 25. 49 Während Jahren wurden hohe Offiziere der nicht nur seine imperialistischen Bestrebungen im Osten ausleben, sondern Wehrmacht zu Besuchen und für Vorträge vor gleichzeitig auch das Abendland schützen. Und wenn sich erst einmal das „Neue Armeeangehörigen in die Schweiz eingeladen. Eine Auswertung deutscher wie auch russischer Europa“ wirklich formiert haben würde, so konnte man wohl auch auf eine ge- Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg schlug sich wisse Milderung der Herrschaftsform hinwirken. in der Schrift Lehren aus dem Krieg: Russische Taktik vom Dezember 1955 nieder, welche eine mit Vorurteilen überladene Beschreibung der Ein gewisses Schwarz-Weiss-Denken zwischen hier „guter“ demokratischer „psychologischen Struktur des russischen Sol- Gesinnung und dort „bösem“ Nationalsozialismus und Faschismus war im daten” sowie eine Darstellung der Hauptwaf- fengattungen und der russischen Taktik und Westen der Nachkriegszeit zweifellos notwendig, um die klare Distanzierung Kampftechnik umfasst. (u.a. BAR E 5560 (C) der Völker und ihrer Regierungen von den totalitären Regierungsformen zu 1975/46). Einleitend wird festgehalten, dass weder die deutschen noch die russischen erreichen. Die stillschweigende Integration ehemaliger Nationalsozialisten Berichte als „unbedingt gültig” hingenommen ebenso wie die bis heute tabuisierte Verfolgung von Kommunisten in den west- werden dürften. So versuchten etwa die russi- schen Publikationen, „die trübsten Aspekte des lichen Besatzungszonen wurden dabei als Mittel zum Zweck in Kauf genommen. Ostfeldzuges mit dem Schleier der Vergessen- Die Unterscheidung zwischen „guter“ Wehrmacht und „bösen“ SS-Truppen heit zuzudecken. Sie unterschlügen „den war- ermöglichte den westlichen Besatzungsmächten darüber hinaus, trotz dem Bruch men Empfang, den die Bevölkerung der Ukrai- ne und der Krim den deutschen Truppen mit der totalitären Vergangenheit ein bestimmtes Mass an Militarisierung während des Sommers und des Winters 1941 weiterzupflegen, wobei gerade das Ringen mit dem Bolschewismus scheinbar zuteil werden liess” und hüllten sich ebenso in Schweigen „in bezug auf ein ähnliches Verhal- isoliert vom nationalsozialistischen Traum eines „Neuen Europas“ als eine ten einiger kaukasischer Republiken vor Stalin- Leistung der für ihr Vaterland kämpfenden deutschen Truppen dargestellt grad.“ Andererseits habe sich Hitler im Verlaufe 49 des Ostfeldzuges nie damit beschäftigt, „das und für den neuen „kalten“ Krieg ausgenutzt werden konnte. Der Gedanke russische Volk und seine Armee auf psychologi- eines wie auch immer gearteten starken Europas zwischen dem angloame- schem Wege zu beeinflussen, wie er es zuvor im Westen mit Erfolg während des Winters rikanischen und dem bolschewistischen Block verschwand bald in der Versen- 1939/40 getan hatte“. kung.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 131 Die genauere Untersuchung der Ambivalenzen liberaler wie konservativer Posi- tionen angesichts des deutschen Ringens mit der bolschewistischen Gefahr dürf- te noch zusätzliche Schattierungen in die Schweizer Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts und ganz allgemein in die ideologiekritischen Analysen des Zweiten Weltkrieges und dessen Übergang in den Kalten Krieg bringen.50

50 Für die ideologische Auseinandersetzung der Nachkriegszeit vgl. Daniel Neval: „Mit Atom- bomben bis nach Moskau” Gegenseitige Wahr- nehmung der Schweiz und des Ostblocks im Kalten Krieg 1945–1968, Zürich 2003.

132 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Autor Daniel Alexander Neval Dr. phil. Dipl. Phys. ETH Geboren 30.5.1970 Heimatort: Zug

Berufliche Laufbahn

1989–1994 Physikstudium an der ETH Zürich. Abschluss als Dipl. Phys. ETH 1994–1998 Theologiestudiums an der Universität Zürich und an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität (ETF UK) in Prag mit Abschluss 1999–Nov. 2001 Dissertation in Osteuropäischer Geschichte über die gegen- seitige Wahrnehmung der Schweiz und des Ostblocks in der Zeit des Kalten Kriegs zwischen 1945 und 1968 bei Prof. C. Goehrke, Universität Zürich 1999–März 2002 Assistent des Nationalfonds-Projektes zur Erforschung der Geschichte des Schweizerischen Generalstabes von 1945 bis 1966, geleitet von Dr. R. Beck von Büren, PD Dr. H. R. Fuhrer, PD Dr. R. Jaun und Dr. J. Stüssi-Lauterburg Oktober 2003 Abschluss der Dissertation in Theologie über die biblische Hermeneutik von J.A. Comenius bei Prof. P. Bühler und Prof. E. Campi, Universität Zürich Seit Oktober 2003 Vikariat in Meilen

Militärische Laufbahn

Dolmetscher (Sdt) Ter Rgt 21

Weitere Tätigkeiten

Seit 2003 Sekretär der Historischen ökumenischen Kommission zur Erfor- schung der Rekatholisierung in den Ländern der Böhmischen Krone im 17. Jahrhundert

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 133 134 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

Die Angriffe des Nationalsozialismus gegen die Schweizer Presse vergifteten schon in der Vorkriegszeit die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Deut- schen Reich. Die teilweise heftigen Reaktionen der Redaktoren einflussreicher Schweizer Zeitungen und auch der verschiedensten privaten Gruppen auf diese Einschränkungen ihrer Meinungsfreiheit liessen zu Beginn des Krieges den schwelenden Konflikt zum eigentlichen Pressekrieg entflammen. Edgar Bonjour schreibt in seiner Geschichte der Schweizerischen Neutralität: „Es konn- te schliesslich kaum mehr ein Geschäft mit Deutschland behandelt werden, ohne dass die deutsche Diplomatie die Pressefrage einbezog.“

Die deutsche Reichsregierung setzte auf Zermürbungstaktik. Die oft rassistisch- nationalistisch erscheinende Einflussnahme über die Medien umfasste alle Berei- che der schweizerischen Gesellschaft. Virtuos spielte besonders das Propagan- daministerium auf allen Saiten der geistigen Beeinflussung. Immer wieder versuchte man, die Schweiz zu einem Einlenken in der Pressefrage, zu einem eigentlichen Presseabkommen zu bewegen. Aber alle versteckten und offenen Strategien scheiterten an der weitgehend geschlossenen Abneigung von Behör- den und Redaktionen. Man hat in verantwortlichen Kreisen von Anfang an erkannt, zu was für verhängnisvollen Instrumenten der Subversion und „Um- erziehung“ die gelenkte Information führen konnte. Der Untergang der Tschechoslowakei und der „Anschluss“ Österreichs öffneten auch den Zögern- den die Augen. Dass die Schweiz diesen während eines Jahrzehnts nie nach- lassenden Nervenkrieg erfolgreich überstanden hat, gehört zu den eindrück- lichsten Zeugnissen des schweizerischen Widerstandsgeistes.

Es wird in dieser Studie zu zeigen sein, auf welchen Gebieten und mit welchen Methoden der geistige Anschluss der Schweiz versucht worden ist. Kritisch gilt es allsdann zu untersuchen mit welchen Gegenstrategien der Kampf aufge- nommen worden ist. Dieser Einzelaspekt der Schweiz im Zweiten Weltkrieg soll ein kleiner Mosaikstein in der Beurteilung der unlängst wieder hart kritisierten Haltung der Eidgenossenschaft sein.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 135 Abstract

Déjà durant la période d'avant-guerre, les attaques lancées par le national-soci- alisme contre la presse suisse empoisonnèrent les relations entre la Suisse et le Reich allemand. Afin de répondre aux entraves à la liberté de la presse, des rédacteurs de journaux suisses influents et des groupes privés les plus divers réagirent en partie avec virulence, ce qui contribua à enflammer un conflit qui devint bientôt une véritable guerre de la presse. Edgar Bonjour écrit dans son histoire de la neutralité suisse: „On ne pouvait plus guère traiter une affaire avec l'Allemagne sans que la diplomatie allemande n'y associe la question de la presse.“

Le gouvernement du Reich allemand misait sur la tactique de l'usure. L'influence, souvent empreinte de racisme et de nationalisme, exercée par l'intermédiaire des médias, touchait tous les domaines de la société suisse. Le ministère de la propagande, en particulier, jouait avec virtuosité sur toutes les cordes afin d'in- fluencer les esprits. A maintes reprises on essaya d'inciter la Suisse à faire des concessions dans le domaine de la presse, voire à signer un accord de presse. Mais toutes les stratégies, cachées ou ouvertes, échouèrent en raison du refus quasiment unanime des autorités et des rédactions suisses. Dès le début, les organes responsables réalisèrent que l'information dirigée pouvait être un instrument fatal de la subversion et de la „rééducation“. L'effondrement de la Tchécoslovaquie et l’Anschluss de l'Autriche ouvrirent les yeux de bien des per- sonnes encore hésitantes.

Réussir à surmonter cette incessante guerre des nerfs pendant une décennie est une des preuves les plus impressionnantes de l'esprit de résistance de la Suisse.

Cette étude montre les méthodes utilisées pour tenter un rattachement intel- lectuel de la Suisse en se servant de la presse. Les contre-stratégies de la Suisse dans ce combat sont examinées avec critique et la thèse de la culpabi- lité de la presse en cas d'invasion de la Suisse par l'Allemagne en est un aspect particulier. Les partisans de la ligne dure, soit ceux défendant la libre opinion, furent accusés par les tenants d'une ligne empreinte de prudence qui leur reprochèrent de provoquer, par leur inimitié envers le national-socialisme, une occupation militaire de la Suisse dont ils seraient rendus responsables. Cet aspect particulier de la Suisse pendant la Deuxième Guerre mondiale est une petite pièce de la mosaïque reflétant l'attitude, à nouveau vivement critiquée, de la Confédération entre 1939 et 1945.

136 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Abstract

The national socialist attacks on the Swiss press started well before the Second World War and poisoned the relationship between Switzerland and the German Reich. Editors of influential Swiss newspapers as well as various private groups reacted fiercely to the restrictions of their freedom of opinion, thus fuelling a smouldering conflict which finally broke out into a full-blown press war. In his History on Swiss Neutrality, Edgar Bonjour writes: „There was hardly any business deal to be made with Germany without the German diplomacy raising the issue of the press.“

The German government embarked on a policy of attrition and tried to influen- ce all spheres of Swiss society by propagating racist and nationalistic ideas. The Ministry of Propaganda was masterful in playing the strings of intellectual influen- ce. Time and again the Germans tried to talk Switzerland into concessions regar- ding the press and finally pushed for a formal press agreement. But all strate- gies – open or covert –ultimately failed due to the unanimous rejection by both the Swiss authorities and newspaper editors. From the outset, influential and responsible people recognised how controlled information could be turned into pernicious tools of subversion and re-education. The fall of Czechoslovakia and the annexation (Anschluss) of Austria eventually opened the eyes of the more hesitant.

The fact that Switzerland successfully withstood this relentless war of nerves for a decade is one of the most impressive testimonies of the Swiss spirit of resi- stance.

The study discusses the methods the German propaganda applied in using the press to bring about the intellectual annexation of Switzerland. Furthermore the Swiss counter-strategies have to be examined critically. One specific aspect of study is the so-called „Blutschuldthese“ (thesis of blood-guilt). The hardliners who supported freedom of opinion and publicly voiced their enmity with national socialism were accused by the more cautious of provoking a military occupation of Switzerland.

This study of Switzerland’s position in the press war during the Second World War is a small contribution to the assessment of the attitude of the Swiss Confederation between 1939 and 1945.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 137 138 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Gustav Däniker und das Problem des deutsch- schweizerischen Pressekrieges vor dem Zweiten Weltkrieg

Problemstellung

Ein Besuch in Berlin Ende April 1941 reiste einer der fachlich anerkanntesten schweizerischen Berufs- offiziere für zwei Wochen nach Berlin. Oberst i. G. Gustav Däniker, Kommandant der eidgenössischen Schiessschule Walenstadt, hatte dort wegen der Heraus- gabe seiner Bücher Besprechungen mit dem Verlagshaus Mittler und Sohn zu führen.1 Däniker hatte dem Chef des schweizerischen Nachrichtendienstes, Brigadier Roger Masson, versprochen, einen Bericht über seine Eindrücke abzu- Hans Rudolf Stephan liefern. Dieses Versprechen löste er am 15. Mai, eine Woche nach seiner Rück- Fuhrer Lüchinger kehr ein. Er verfertigte von seinem Bericht neun nummerierte Exemplare, die er Bundesrat Pilet Golaz, Masson und seinen nächsten militärischen Freunden (Oberstkorpskommandant Ulrich Wille, Divisionär Eugen Bircher, dem Waffen- chef der Infanterie Divisionär Rudolf Probst sowie dem Kommandanten eines Grenz-Regimentes Oberst Heinrich Frick) mit dem Vermerk „Geheim“ zukom- men liess. Der 9-seitige maschinengeschriebene Text wurde später teilweise mit Wissen Dänikers kopiert und verbreitet.

1 Vgl. zu Gustav Däniker u.a. Gautschi, Willi: General Henri Guisan. Die schweizerische Masson verdankte den Bericht als interessant, informativ und fand besonders Armeeführung im Zweiten Weltkrieg, Zürich die Kritik an der schweizerischen Presse als sehr angebracht und richtig. Trotz- 1989, S. 394 ff.; Keller, Franziska: Oberst Gustav Däniker. Aufstieg und Fall eines Schweizer dem wurde dieser Bericht Oberst Däniker zum beruflichen und menschlichen Berufsoffiziers, Zürich 1997; Bundesarchiv Bern Stolperstein. Was hatte er so Schändliches geschrieben, dass der in seinen mili- (BAr) E 4320 1971/78, Band 91; Nachlass Däni- tärischen Qualitäten anerkannte Offizier nach einem Skandal schliesslich aus ker im Archiv für Zeitgeschichte (AfZ) an der ETH Zürich. Gustav Däniker (10.4.1896- der Armee austreten musste? 14.9.1947) hat ein grosses schriftstellerisches Oeuvre hinterlassen: u.a. Vom Wesen der mili- tärischen Ausbildung, Zürich 1937; Soldaten- Denkschrift Däniker tum und soldatische Berufung, Zürich 1943; Einleitend stellte Däniker fest, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Über den soldatischen Begriff des Sieges, Zürich 1947. Er war Mitglied des „Akademi- der Schweiz zur Zeit sehr gespannt sei. Es herrsche eine ernste und gefährliche schen Harsts“, einer deutschfreundlichen Stu- Krise, von der niemand sagen könne, ob sie sich bald bessere oder schliesslich dentenvereinigung; hatte zeitlebens ein grosse ins Verderben führe. Die Hauptschuld liege zweifellos bei den Schweizern sel- Bewunderung für das deutsche Soldatentum; war Anhänger einer autoritären Demokratie, als ber. Der Verfasser meinte: „Volksstaat soldatischer Prägung“; gehörte „Wäre alles ohne unser Zutun so gekommen, dann bliebe uns nichts anderes 1940 zu den Unterzeichnern der sog. „Eingabe der 200“, welche eine vermehrte Anpassung an übrig, als passiv abzuwarten, was die Zukunft bringen werde. Da wir aber den die neuen Verhältnisse forderte und war am bisherigen Verlauf der Entwicklung selbst bestimmt haben, so liegt es auch in 15. Mai 1941 Verfasser der „Denkschrift“, die in allgemeiner Form den Einbezug der Schweiz unserer Macht, den künftigen Kurs mitzubestimmen. Hierüber sind sich vor allem ins „neue Europa“ vorschlug. Obwohl sich 45 die Schweizer im Ausland im Klaren, denn von ihnen wird man regelmässig mit „hochgestellte Persönlichkeiten“ mit der Denk- einem Kopfschütteln empfangen. Immer fragen sie, ob wir eigentlich mit Blind- schrift einverstanden erklärten, wurde Däniker aus der Armee entlassen. heit geschlagen seien und wie weit wir die Dinge noch treiben wollen, bevor wir Selbst der französische Militärattaché in Bern endlich in klarer Vernunft erkennen, um was es gehe.“ rühmte noch anfangs Januar 1938 den erfolg- reichen schweizerischen Berufsoffizier: „Le Lt-Colonel Däniker passe pour un des meilleurs Man sei in diesen Kreisen besorgt. Zum einen werde ihre vertrauensbildende instructeurs suisses; «pour la technique des armes et les effets du feu, il est sans contre-dit Arbeit immer wieder zerstört und zum andern frage man sich, „ob wir Schwei- notre meilleur », m’a dit le Colonel Wacker, en zer denn eigentlich beabsichtigen, der Achse den Krieg zu erklären“. ajoutant que son rapport à la sortie de l’école sur l’armée française, notre Ecole de Guerre et sur la France en général, a été jugé par l’Etat- Als Hauptpunkte der Krise erkannte Däniker zum ersten die Feindschaft zum Major fédéral comme le plus intéressant de neuen Europa. Es habe seit Jahren eine Entwicklung eingesetzt, welche die tous. Ecrivain militaire très apprécié même à l’Etranger. Je regrette beaucoup de voir le Lt- Schweizer nicht verstehen wollten. In engster Anlehnung an die Gegner des neu- Colonel Däniker, avec qui j’entretenais les meil- en Europa sei die Eidgenossenschaft in offenen Gegensatz getreten. leures relations, quitter ses fonctions à Berne. » Däniker war als Kommandant an die Schiess- „Wir bilden uns merkwürdigerweise hierbei auch sehr viel darauf ein, fernerhin schule Walenstadt (SG) berufen worden. Lt-Col als „Querschläger“ durch ein neues Europa zu fliegen.“ de la Forest-Divonne an Ministre de la Défense Nationale et de la Guerre, 4.1.1938, Archives Es gehe in diesem Krieg nicht um einen materiellen Machtkampf wie 1914–1918, MAE Paris. sondern um einen weltanschaulichen Krieg, für Europa um einen „Einigungs-

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 139 krieg“. Dass in einem geeinten Europa das 90 Millionenvolk der Deutschen eine führende Rolle zu übernehmen habe, sei nur natürlich. Die Schweiz denke heu- te nicht europäisch. Dies sei umso verwunderlicher, als sie seinerzeit selbst mit Aufopferung eines Teiles ihrer umfassenden Neutralität dem Völkerbund bei- getreten, Mitglied einer Siegerallianz zur Unterdrückung anderer europäischer Staaten geworden sei. Nur „wirklich primitive Köpfe“ bildeten sich ein, nach einem Sieg Englands wieder geruhsam weiterleben zu können wie früher. Nur eine Integration in dieses neue Europa habe eine Zukunft.

Damit ist unser erster Themenkreis umrissen: Anpassung oder Widerstand. Der zweite Kritikpunkt ist für unsere Fragestellung zentral. Däniker gab die Haupt- schuld an der Krise der Presse. Sie sei weit davon entfernt neutral zu sein. Wer- de in der Schweiz über Deutschland positiv berichtet, so sei dies gelogen und gefährliche, zersetzende Propaganda. Vor dem Krieg sei diese Einseitigkeit auf das Schuldkonto der privaten Presse gebucht worden; seit aber Zensurmög- lichkeiten bestünden, werde jetzt auch Regierung und Armeeführung damit belastet. „In Deutschland und Italien hat man gegen rein sachliche Kritik nichts einzu- wenden, wie man denn auch weit davon entfernt ist, von uns irgendwelche natio- nalsozialistische oder faschistische Denkweise zu fordern. Dagegen ist man sehr empfindlich, wenn Tatsachen verdreht werden.“

Besonders empfindlich sei man, „wenn sich schweizerische Zeitungen dazu berufen fühlen, der Welt Belehrungen erteilen zu müssen und die Lage trüben, indem die z.B. andauernd auf Spannungen zwischen Deutschland und Russland hinweisen. Man ist der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe der schweizeri- schen Journalisten sei, auf diesem Gebiete die Hellseher zu spielen.“

Däniker hätte wohl gut einen Monat später diesen Vorwurf nicht mehr wieder- holt. In sein Schussfeld nahm er besonders den Basler Theologieprofessor Karl Barth und den Chef der geistigen Landesverteidigung, Oberst Oscar Frey, wel- che beide das Volk gegen das Deutsche Reich aufhetzten. „Wenn man irgendwo wohnt, so ist es selbstverständliche Nächstenpflicht, nicht ausgerechnet das zu tun, was die Nachbarn offensichtlich ärgert. Wer sich durch Rücksichtnahme gegenüber seinen Mitmenschen und namentlich gegenüber den benachbarten Mitmenschen in seiner Freiheit beengt fühlt, der besitzt eine merkwürdige Vorstellung von Freiheit. Wenn wir im staatlichen Leben unsere Unabhängigkeit und Freiheit dadurch beweisen wollen, dass wir rücksichtslos alles das tun, was uns passt, und mit Absicht vornehmlich Dinge tun, von denen wir genau wissen, dass sie unsere Nachbarn ärgern, so muss man sie, in die Sprache des Privatlebens übersetzt, als unanständig und flegelhaft bezeichnen. Irgendwelche besondere Menschenwürde ist darin nicht zu finden.“

Besonders die an und für sich schon schwierige Arbeit der schweizerischen Han- delsdelegation werde so noch zusätzlich erschwert. Mit dieser Kritik ist unsere zweite, unsere zentrale Fragestellung vorgestellt: der vielschichtige Pressekrieg gegen das nationalsozialistische Deutschland.

Dänikers Empfehlungen Im dritten Teil des Berichtes kommt Däniker auf die Folgen dieser ablehnenden Haltung, auf die Zukunft der Schweiz zu sprechen. Sehr bald, schneller als man

140 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 denke, so meinte er, werde die Frage gestellt, ob die Schweiz ein nützliches und wertvolles Glied des europäischen Kontinentes werden wolle oder nicht. 1941 sei ein Schicksalsjahr, ob es den Schweizern passe oder nicht. „Wenn wir unseren Beitrag an dem Neuaufbau Europas nicht leisten wollen, dann wird es uns doch nicht möglich sein, einfach beiseite zu stehen, sondern der Beitrag wird von uns erzwungen.“2

Damit ist der dritte Problemkreis angeschnitten, die drohende Gefahr einer Beset- zung im Falle der Aufrechterhaltung des Widerstandes gegen den freiwilligen Anschluss an das „Neue Europa“. „Je mehr wir jetzt durch unsere Haltung eine gespannte Lage schaffen, desto mehr verunmöglichen wir eine für uns gute Lösung des Problems.“

Durch seine Denkschrift wollte Däniker seine Landsleute in ihrer selbstgefälli- gen Haltung aufrütteln. „Dass Entschlüsse unter Umständen sehr rasch und unwiderruflich gefasst, und wenn es sein muss, auch von äusserster Härte diktiert werden, hat in letzter Zeit das Beispiel Jugoslawiens gezeigt. Weltpolitische Entschlüsse entstehen nicht aus Sentimentalität, und wenn bei uns geglaubt wird, wir könnten uns beneh- men, wie wir wollen, wir werden dennoch bestehen bleiben, weil Europa uns als Friedensinsel, als Sitz des Roten Kreuzes, als Land wo Konferenzen abge- halten werden können, dringend notwendig haben (sic.), so handelt es sich hier um einen bedenklichen Irrtum, der für uns verhängnisvoll werden kann.“

Wir verlassen hier mit dieser impliziten Drohung Dänikers Argumentation und schliessen unseren Problemaufriss mit seinen beiden Schlusssätzen: „Man sage nicht, man müsse den Dingen den Lauf lassen, denn das Volk wolle von der Neuordnung Europas nichts wissen. Erstens ist es unzutreffend, denn es lässt sich immer wieder feststellen, dass das Volk viel vernünftiger denkt, als unsere Presse wahrhaben will. – Zweitens bedarf auch ein demokratisches Volk einer zielsicheren und mutigen Führung.“

War die grundsätzliche Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankengutes wirklich nur die veröffentlichte Meinung, oder ist die Presse nur die mutige Vorreiterin der Bevölkerung gewesen. Diese Frage wollen wir sogleich beant- worten. 2 Von ungebrochener Aktualität sind auch noch Aus der Fülle der Urteile seiner Zeitgenossen hören wir nur deren drei: Zum heute die beiden folgenden Sätze: „Wenn die Schweiz tatsächlich in Europa eine ihr eigene einen Korpskommandant Alfred Züblin, einer der vielen Schüler Dänikers in sei- und ureigenste Aufgabe erfüllen will, wenn sie nem Nekrolog: also ein wahrhaft nützliches Glied in Europa zu sein bestrebt ist, dann hat sie sich in dieses „Däniker hat sich zweifellos geirrt. Er glaubte an den Sieg Deutschlands und Europa entsprechend einzugliedern. Der beurteilte die damalige militärisch-politische Lage falsch.“ Gedanke an diese Eingliederung ist keineswegs unschweizerisch, sondern in Anbetracht unse- res Werdens und Seins sogar urschweizerisch. Korpskommandant Alfred Ernst, welcher ihm nach der Offiziersverschwörung Ein Mitwirken in einem neuen Europa verstösst von 1940 eher kritisch gegenüber stand, urteilte so: keinesfalls gegen die Idee der Schweiz, sondern höchstens gegen eine überalterte und überlebte „Den guten Glauben möchte ich ihm nicht absprechen. Auch sein Ziel war die äussere Form. Zum mindesten kann man als Wahrung unserer Unabhängigkeit. Er glaubte, es auf dem Wege der Annähe- guter Schweizer ebenso gut europäisch denken und sich für eine neues Europa einsetzen, wie rung an Deutschland erreichen zu können. In diesem Punkte täuschte er sich. man England oder den Vereinigten Staaten hul- Aber diese Täuschung berechtigt uns nicht, ihn als Landesverräter anzusehen, digen kann.“ „Was von uns erwartet wird, ist, dass wir die so gefährlich auch seine Haltung für unser Land geworden ist.“ gegenwärtige Entwicklung zu verstehen uns bemühen und ehrlichen Willens bereit sind, unsere wertvollen Kräfte für den Neuaufbau Ganz anders sah es die Zeitschrift „Das Schwarze Corps“ im Herbst 1941: Europas zur Verfügung zu stellen.“ „Der vernünftige Schweizerbürger, dessen Hirn durch die Hetzarbeit der jüdi-

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 141 schen Gazetten und durch die eilfertige Wiedergabe anglo-amerikanischer Nach- richten noch nicht rettungslos vernebelt ist, erfuhr hier aus den besorgten Bekun- dungen eines untadeligen Offiziers und Patrioten, dass die deutsch-schweizeri- schen Beziehungen unleidlich gespannt sind und, dass wir Schweizer leider selbst den Hauptteil der Schuld für das Vorhandensein dieser Krise tragen. (...) Obwohl nun der Oberst in seiner Kritik und in seinen Forderungen wirklich nur an die elementarsten Voraussetzungen einer europäischen Haltung der Schweiz rührte, entfesselte seine Denkschrift einen einstimmigen Wutschrei der jüdi- schen und englandhörigen Journaille. Der blosse Gedanke daran, die Schweiz könnte sich mit einem neuen Europa abfinden, wurde als eine Art Landesverrat gebrandmarkt. Der Querschläger vibrierte mit höchster Schwingungszahl. Man muss sich diese hysterische Geisteshaltung, in der die Beschimpfung Deutsch- lands als gutes Recht für Plutokratie und für Bolschewismus als Pflicht erscheint, vergegenwärtigen, wenn man begreifen will, wie es überhaupt möglich sein konnte, dass die Schweiz nach dem 22. Juni den entscheidenden Schritt tat, der aus Europa hinaus führt.“3

In unseren Augen ist Gustav Däniker ein grenzenloser Bewunderer der Deut- schen Wehrmacht im besonderen und des deutschen Soldatentums im allge- meinen. Es wurde dadurch in die Rolle eines „Anpassers“ gedrängt, getrieben von einer vierfachen Überzeugung, die sich als gefährliche Illusion entpuppt hat. Er war der Meinung, ț man könne nicht abseits stehen, wenn das Richtige und Gute verteidigt wer- den müssen; das „Richtige und Gute“ in den Händen der nationalsozialisti- schen Partei hat sich in vielen Teilen als verbrecherisch erwiesen. ț man könne in einem Bündnis mit dem Deutschen Reich seine Souveränität behalten; totalitäre Ideologien kennen nur die bedingungslose Unterwerfung. ț man müsse das Soldatische auch als Maxime für den Staat einführen; die autoritäre Demokratie und Militarisierung der Gesellschaft fanden bei seinen Landsleuten nur wenige Anhänger; das Schwarze Corps repräsentierte die schweizerische Volksmeinung in keiner Weise; der „weiche“ und operativ nicht unumstrittene General Henri Guisan vertrat ein viel menschlicheres Konzept und wurde trotzdem und vielleicht gerade deshalb zum Symbol des bedin- gungslosen Widerstandes in einem Reduit. ț die inneren Kräfte der neutralen Schweiz seien schwach und die Bevölkerung könne intellektuell vom „Neuen Europa“ überzeugt werden; auf der Seite des Widerstandes erwachten unerwartet starke Kräfte, welche heute leider immer wieder als egoistisches „Reduitdenken“ diffamiert werden.

Greifen wir nun aus dem „Fall Däniker“ und seinen vielen Facetten drei rele- vante Themen heraus.

Der deutsch-schweizerische Pressekrieg

Der Nervenkrieg 3 Schwarzes Corps vom 30.10.1941: Der Quer- schläger durch Europa. Bar E 4320 1971/78, Der Presse-Nervenkrieg, wie die schweizerisch-deutsche pressepolitische Aus- Band 91. einandersetzung während des Zweiten Weltkrieges in der schweizerischen Lite- 4 Weber, Karl: Die Schweiz im Nervenkrieg. Auf- gabe und Haltung der Schweizer Presse in der 4 ratur manchmal bezeichnet wird, findet seinen eigentlichen Ursprung im Jah- Krisen- und Kriegszeit, Bern 1948. Rings ver- re 1933, nämlich mit der Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschland. Wie der wendete auch den Ausdruck „Geistiger Gift- gaskrieg“, vgl. Rings, Werner: Die Schweiz Ausdruck „Nervenkrieg“ bereits antönt, führten Presseangelegenheiten sofort im Krieg 1939-1945. Ein Bericht, Zürich 1947, und insbesondere nach dem nationalsozialistischen Wahlsieg am 5. März 1933 249ff., hier S. 251.

142 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 immer wieder zu Verstimmungen zwischen der Schweiz und ihrem nördlichen Nachbarn – ja man könnte auch sagen zur Vergiftung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Das gleiche Malaise hat ja auch Gustav Däniker im Frühsommer 1941 noch immer festgestellt. Wir können deshalb von einer Konstanten in den deutsch-schweizerischen Beziehungen sprechen. Der Hauptunterschied der Pres- se in Deutschland und in der Schweiz bestand darin, dass im Deutschen Reich die Presse weitgehend gelenkt, domestiziert und das Sprachrohr der Regierung war, währenddem in der Eidgenossenschaft der Presse die Bewahrung der Man- nigfaltigkeit und die Aufrechterhaltung der journalistischen Unabhängigkeit ein Anliegen war. In der Bundesverfassung ist die Meinungsfreiheit garantiert.

Es kann hier nicht darum gehen, die ganze Periode von 1933 bis 1945 zu über- blicken. Wir beschränken uns auf die ersten drei Jahre und wählen auch darin nur einzelne Aspekte aus. Diese zeitliche Einschränkung ist mehrfach begrün- det. Zum einen ist diese Anfangsphase wenig bekannt, zum zweiten werden hier die Akten der deutschen Gesandtschaft in Bern im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich (AfZ) und das Tagebuch des für die Pressepolitik der Schweiz ein- flussreichen Nationalrats Markus Feldmann5 erstmals ausgewertet und zum drit- ten erscheinen bereits alle Muster des Pressekrieges, die später in unzähligen Variationen nachgespielt wurden, so dass die Zeit von 1933–1935 als exempla- risch dienen kann. Diese zeitliche Beschränkung ist nicht zuletzt auch damit zu rechtfertigen, als die Zeit des Weltkrieges forschungsmässig gut aufgearbeitet ist (Bonjour, Fink, Gautschi, Ihle, Kreis, Schmidlin, Schwarz, Senn, Weber u.a.).

Das Jahr 1933

Begehrte Schweizer Zeitungen Einer der Gründe für diesen Konflikt – und den hat Däniker 1941 völlig anders beurteilt - bestand hauptsächlich darin, dass die Deutschschweizer Zeitungen in dieser ersten Zeit des Nationalsozialismus mit ihren unverfälschten Nachrich- ten und Kommentaren in Deutschland sowohl bei Auslandschweizern, aber vor allem auch bei den Deutschen selbst, grossen, ja fast reissenden Absatz fanden. Bereits Ende Januar 1933 lancierte daher das deutsche Propagandaministerium erste politische und publizistische Kampagnen gegen die schweizerische Pres- sefreiheit und Neutralität. Schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 waren schweizerische Zeitungen für viele in Deutschland lebende Menschen die einzige Möglichkeit, sich objektiv zu informieren. Die nationalso- zialistische Presse war weitgehend über Nacht zur gelenkten Regierungspresse geworden. Sie war nun ein wichtiges Instrument der Propaganda und Herr- schaftssicherung der NSDAP. Der Journalist wurde zum Willensvollstrecker des Staates.6

Die ersten deutschen Verbote – schweizerische Gegenmassnahmen 5 Feldmann, Markus: Tagebuch, Band I 1923- Mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 23. März 1933 1939/Band II 1939-1941, Basel 2001. („Ermächtigungsgesetz“) konnte gezielt gegen unerwünschte Veröffentlichun- 6 Fink, Jürg: Die Schweiz aus der Sicht des Dritten Reiches 1933-1945, Zürich 1985, S. 169. gen vorgegangen werden. Bereits im Verlauf des ersten Jahres der Machter- 7 Vgl. Ihle, Pascal: Die journalistische Landesver- greifung Hitlers wurden, gestützt auf dieses Gesetz, ca. 600 Zeitungen verboten teidigung im Zweiten Weltkrieg. Eine kommuni- kationstheoretische Studie: Die Auslandberich- und beschlagnahmt. Die Nachfrage nach nicht zensurierten Nachrichten war terstattung der vier Zürcher Tageszeitungen dementsprechend gross. So stieg seit der Machtergreifung Hitlers beispiels- „Neue Zürcher Nachrichten“, Neue Zürcher Zeitung“, Tages-Anzeiger“ und „Volksrecht“ weise der Tagesverkauf der „Neuen Zürcher Zeitung“ um das achtfache; die unter dem Pressenotrecht. Zürich 1997, S. 47. „Basler Nachrichten“ erzielten gar einen noch grösseren Absatz.7

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 143 Die nationalsozialistische Regierung begann nun, diplomatischen Druck auf den Bundesrat auszuüben. Die schweizerische Regierung reagierte prompt in gewünschtem Sinne. Bundesrat Giuseppe Motta mahnte am 5. April 1933 das Parlament, es könne nicht geduldet werden, dass die schweizerische Presse die internationalen Beziehungen durch Beleidigung von Staatsoberhäuptern und Regierungen untergrabe. Er appellierte an die Presse, Selbstzucht zu üben, anson- sten man eine Zensur einführe.8 Die Presse liess sich jedoch weder von einem ausländischen noch von dem eigenen Regime einen Maulkorb umbinden. So kam es, dass bereits im April 1933 zehn Schweizer Zeitungen in Deutschland konfisziert und verboten wurden.9 Neben den Appellen zur Selbstzucht erliess der Bundesrat als Retorsion auf die deutschen Verbote im Juli 1933 erste Ein- fuhrverbote für drei deutsche Blätter, darunter zwei NSDAP-Parteiorgane.10 Im Gegenzug erliess Berlin darauf weitere Verbote anderer Schweizer Zeitschriften – der Presse-Nervenkrieg war im ersten Halbjahr des Jahres 1933 somit bereits voll ausgebrochen.

Obwohl dem Verbot von kommunistischen und sozialistischen Blättern in Deutschland bald auch Repressionen gegen bürgerliche Zeitungen folgten, wel- che gegenüber Deutschland kritisch eingestellt waren, verzichtete der Bundes- rat in seiner Sitzung vom 24. November 1933, gestützt auf einen Bericht des Politischen Departements, auf Gegenmassnahmen. Dies insbesondere deshalb, weil es Paul Dinichert, dem Schweizer Gesandten in Berlin gelang, „die Aufhebung aller Verbote gegen solche Schweizerzeitungen zu erwirken, die nicht durch die Schreibweise diplomatische Schritte von vornherein unmög- lich machten.“11

Widerstand und Anpassung Einige wohl auf das wirtschaftliche Interesse bedachte Aktionäre der „Neuen Zürcher Zeitung“ verlangten, dass sich ihre Zeitung an den neuen Gegeben- heiten zu orientieren habe. Doch mit dieser Forderung waren sie bei Chefre- daktor Willy Bretscher an den falschen Mann geraten. Anstatt sich freiwillig den deutschen Presseorganen gleichzuschalten übernahm dieser – ein in der schwei- 8 Bundesrat Heinz Häberlin unterstrich die Dro- hung seines Bundesratskollegen am 11. April zerischen Presselandschaft wegen seiner Kompetenz und seines Mutes ange- 1933 bei der Entgegennahme einer weiteren sehener Mann – auch ein Verbot der NZZ in Deutschland – mit all den finanziel- Motion im Nationalrat mit ähnlichen Worten. Er verlangte diesmal konkret die Selbstzucht der len Konsequenzen – in Kauf. Minister Aschmann vom Auswärtigen Amt in Berlin Presse, indem diese in ihrem Urteil all jene zu vermerkte einmal, dass die „Neue Zürcher Zeitung“ die nationalsozialistische schonen habe, welche Repräsentanten einer Regierung aufs schärfste kritisiere und die Vorgänge in Deutschland völlig ein- fremden Nation oder eines fremden Staates seien. Schliesslich wolle man mit diesen Reprä- seitig darstelle. Das Reich müsse sich von dieser Zeitung beschimpfen lassen sentanten auch in schweren Zeiten in freund- und die Publikation von Nachrichten zulassen, welche in der deutschen Presse schaftlichem Verkehr bleiben. Auch er mahnte, dass man ansonsten von dem entsprechenden fehlen würden. Die Konsequenz daraus war absehbar. Die deutsche Gesandt- Artikel in der Bundesverfassung (Art. 102 BV) schaft in Bern sowie das Generalkonsulat Zürich wurden am 7. September infor- Gebrauch machen werde. 9 Eine Aktennotiz vom 21. November 1933 miert, dass aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von erwähnt, dass folgende Zeitungen in Deutsch- Volk und Staat vom 28. Februar 1933 die Verbreitung der in Zürich erscheinen- land unbefristet verboten werden sollen: den „Neuen Zürcher Zeitung“ ein weiteres Mal bis zum 20. September 1933 ein- „Aargauer Volksblatt“, „Aargauer Tagblatt“, „Basler Volksblatt“ (Verbot wieder aufgehoben schliesslich verboten worden sei.12 am 1.Dezember 1933), „Landbote“, Winterthur, „Zürcher Volkszeitung“, „Solothurner Anzei- ger“. Bis zum 10. Dezember verboten war Die kritische und meistens objektive Haltung der schweizerischen Presse wur- die „National-Zeitung“, Basel (AfZ MF 3365, de in der Folge zum Prüfstein der Standhaftigkeit des eidgenössischen Unab- E 597899). 10 Ihle, S. 47. hängigkeitsdenkens. Die geradlinige Haltung vieler Redaktoren gab immer wie- 11 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. Juli der Anlass zu Auseinandersetzungen auf diplomatischer Ebene. Weniger klar 1935. 12 Crull, Schnellbrief an Deutsche Gesandtschaft schien die Haltung der politischen Parteien zu sein. Feldmann schrieb in sein bzw. Deutsches Konsulat, 7.9.1933. AfZ MF Tagebuch: „Allgemeinpolitisch ist der psychologische Einfluss der Ereignisse in 3365, E 597910.

144 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Deutschland unverkennbar und in weiten Kreisen des Bürgertums festzustellen. Durch die Bereinigung interner Zwistigkeiten geht in der Abteilung „Parteige- schäfte“ viel Zeit verloren, die für dringliche notwendige positive Arbeit ver- wendet werden sollte.“13 Damit meinte er insbesondere das kritische Studium der Judenfrage und der Freimaurerei.

Nicht alle Zeichen standen im Herbst 1933 auf Sturm. Anlässlich einer Völker- bundstagung vom 26. September in Genf hatte Bundesrat Motta mit dem Reichs- aussenminister Baron Konstantin von Neurath und dem Minister für Erziehung und Propaganda, Joseph Goebbels, eine Unterredung. Die beiden deponierten zuhanden des Parlamentes und der schweizerischen Öffentlichkeit betreffend der tatsächlichen und der vermeintlichen Bedrohung der Schweiz durch den Nationalsozialismus ein offizielles Statement: „Die Doktrin und Politik der Deutschen Regierung richten sich keineswegs gegen die Schweiz. Ganz im Gegenteil. Die Schweiz ist ein starker und gesunder Orga- nismus, der sich harmonisch im Laufe einer langen Geschichte entwickelt hat. Man könnte sich Europa nicht mehr vorstellen ohne Schweiz. Dieses Land hat eine hohe eigene Aufgabe. Man könnte die Schweiz nicht mehr wegdenken. Man könnte nicht mehr ohne sie auskommen. Das Reich würde die grösste Aben- teuerpolitik betreiben, die es in Konflikt mit einer grossen Zahl von Staaten brin- gen würde, wenn es den Anspruch darauf erheben wollte, sich alle Bevölke- rungen deutscher Rasse und Zunge einzuverleiben. Trotz der Verschiedenheit der Ideen und Einrichtungen will das Reich mit der schweizerischen Eidgenos- senschaft auf dem Fusse einer tiefen und dauernden Freundschaft leben.“14

Uns interessiert hier besonders, was Goebbels zur Frage der deutsch-schwei- zerischen Pressebeziehungen deponiert hat. Motta referiert das so: „Ich habe auch das Problem der Presse angeschnitten. Das Problem ist heikel. Deutschland kennt heute die Pressefreiheit nicht mehr, während unser Land in dieser Freiheit einen Ehrentitel für sich erblickt. Die Frage, ob die ausländischen Zeitungen in ein Land eingeführt werden können, ist genau genommen nicht eine Frage des strikten Rechtes. Es handelt sich eher um eine Frage des zweck- mässigen Vorgehens und der guten Beziehungen. Die Herren von Neurath und Goebbels haben mir erklärt, die deutsche Regierung sei durchaus bereit, die Kri- tik der schweizerischen Zeitungen, wie der ausländischen Presse im allgemei- nen, anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, dass diese Kritik nicht bis zu einer ausgesprochen feindseligen Gesinnung gehe. Unsere Presse soll also kei- ne Behinderung erleiden, wenn sie es versteht, sich an die Grenzen der objek- tiven Berichterstattung und einer vernünftigen und gerechten Kritik zu halten. Die deutsche Presse wird sich ihrerseits, nach den Erklärungen, die ich erhalten habe, nicht in unsere inneren Angelegenheiten einmischen.“15

Die Politik des Bundesrate der nächsten zwölf Jahre wird bereits deutlich. Die Pressefreiheit als solche sollte beibehalten werden, aber Überbordungen in der Wortwahl und eigentliche Beleidigungen ausländischer Staatsmänner und Völ- ker sollten vermieden werden. Eigentlich hätte daraus kein Pressekrieg entste- hen sollen, denn Goebbels sagte ja sinngemäss das Gleiche. Obwohl die Schwei- zer Presse in der Folge starke Zurückhaltung übte – und damit versuchte, der 13 Feldmann I, S. 226. 14 Bericht des Bundesrates an die Bundesver- Forderung des Bundesrates Genüge zu tun – hatte sie in Deutschland einen schwe- sammlung über die schweizerische Pressepoli- ren Stand. Noch hatte sich zwar das gigantische Lügentheater nicht in seiner tik im Zusammenhang mit dem Kriegsgesche- hen 1939-1945 vom 27.12.1946, S. 10. (Bericht) abgrundtiefen Bosheit entlarvt, doch zeigte es erste Signale der Unehrlichkeit. 15 Ebenda, S.10. Die schwierige Gratwanderung zwischen Anpassung und Widerstand begann.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 145 Die Rolle der Deutschen Gesandtschaft in Bern Der deutsche Gesandte in der Schweiz, Freiherr Ernst von Weizsäcker, rappor- tierte in der Regel sehr zurückhaltend und sachlich nach Berlin. Er plädierte mehr auf Mässigung statt auf Konfrontation im zwischenstaatlichen Bereich. Seiner Emotionalität legte er in Briefen und sonstigen Aufzeichnungen weniger Fes- seln an. Er notierte beispielsweise am 17. Dezember 1933: „Die Schweizer Pres- se ist mein cauchemar. Denn von dieser täglichen Speise verderbe ich nicht nur mir selbst den Appetit. Sie wirkt auf 4 Millionen Schweizer und darüber hinaus ins Ausland.( ...) Die Pressefreiheit soll der Teufel holen (...) Da man vor uns noch keine Angst haben zu müssen glaubt, übergiesst man uns mit Jauche. Ich zehre innerlich und nach aussen stark am Kapital meiner Liebe für die Schweiz. Zinsen laufen da keine mehr auf.“16 In der Frage der Schweizer Presse nahm er deshalb häufig einen scharfen Stand- punkt ein. Die Presse gab ihm auch immer wieder Anlass dazu.

1934

Der Bundesratsbeschluss vom 26. März 1934 – der erste Schritt zum Pressenotrecht Im Frühjahr 1934 mehrten sich die deutschen Angriffe auf die schweizerische Presse erneut. Der Bundesrat, der, wie es scheint, nichts unversucht liess, um die Spannungen mit Deutschland im Pressebereich zu entschärfen, war verun- sichert. Er sah sich veranlasst, konkrete Vorschriften gegen den Missbrauch der Pressefreiheit zu erlassen. Es erfolgte ein Bundesratsbeschluss vom 26. März 1934 als erster Schritt hin zum Pressenotrecht. Der Beschluss, der sofort in Kraft trat, gab dem Bundesrat ein Mittel in die Hand, besonders schwere Presseaus- schreitungen, welche die guten Beziehungen zu anderen Staaten gefährden könnten, umgehend zu ahnden. Im Falle eines Vergehens wurde als erste Mass- nahme eine Verwarnung ausgesprochen. Bei Nichtbefolgung der Verwarnung konnte die Publikation des entsprechenden Blatts für eine Zeit lang verboten werden. Der Bundesrat hatte dabei auf Antrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) über ein solches Verbot zu entscheiden, wobei die 17 Kantone für die Durchführung des Verbots zu sorgen hatten. 16 Akten zur dt. Auswärtigen Politik, Serie C, Band II/2, Weizsäcker-Papiere, Akte 76. Mit dem erwähnten Bundesratsbeschluss fand eine gewisse Einschränkung der 17 Der Bundesrat hatte dazu das EJPD ermächtigt, den Kantonen ein Kreisschreiben zuzustellen, in Pressefreiheit statt. Geahndet werden sollten jedoch lediglich schwere Aus- welchem diese eingeladen wurden, Druckschrif- schreitungen. Ziel war es, die Beziehungen zu ausländischen Nationen in schwie- ten (mit Ausnahme von Zeitungen), Bilder und ähnliche Darstellungen vom öffentlichen Aus- rigen Zeiten nicht unnötig zu belasten durch unvorsichtige und tendenziöse stellen und vom Vertrieb auszuschliessen, vor- Berichterstattung. Der Bundesratsbeschluss verlangte von Presseleuten selbst- läufig zu beschlagnahmen und der Bundesan- waltschaft zuzustellen. Die Bundesanwaltschaft kritische Verantwortung und nur in Ausnahmefällen sollte eingeschritten wer- konnte beim Bundesrat die definitive Einzie- de. Eine unfreundliche Haltung gegenüber den Nachbarländern reichte nach hung der entsprechenden Publikation beantra- Meinung des Bundesrates noch keineswegs für eine Begrenzung der Presse- gen. Der Beschluss war nicht nur gegen schwei- zerische Presseerzeugnisse gerichtet, sondern freiheit. Die Öffentlichkeit nahm es jedoch nicht einfach so hin, dass elementa- ebenso gegen ausländische Publikationen. re Grundrechte wie die Meinungsäusserungs- und die Pressefreiheit auf Druck Der Bundesrat ermächtigte damit die Bundes- anwaltschaft, Presseerzeugnisse aus dem Aus- des Auslandes eingeschränkt wurden. Feldmann schrieb an diesem 26. März in land zu beschlagnahmen und beim Bundesrat sein Tagebuch: einen Antrag auf Einziehung zu stellen. Diese Bestimmungen blieben in Kraft, bis der Bundes- „Bundesrat erlässt, gestützt auf Artikel 102 Ziffern 8 und 9 BV, pressenotrechtli- rat den Zeitpunkt des ausser Kraft Tretens che Bestimmungen betreffend internationale Beziehungen. Bundesrat Motta hat bestimmte. Somit sollten diese administrativen Notstandsmassnahmen auf die Dauer der kriti- sich offensichtlich an unsere seinerzeitigen Abmachungen nicht gehalten. Sofor- schen Zeit, in der sich die Schweiz damals tig Aufklärungsaktion namens des Vereins der Schweizer Presse notwendig. befand, beschränkt bleiben.

146 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Höchst ärgerlicher Zwischenfall. Man scheint im Bundeshaus die Presse, offen- bar aus der allgemeinen, krisengeladenen Spannung heraus, an die Kandare nehmen zu wollen.“18

Um die Bürgerinnen und Bürger zu beruhigen – die in diesem Beschluss eine partielle Einschränkung eines ureigenes Grundrechtes erblickten – sah sich der Bundesrat genötigt, weitere Erklärungen zum Beschluss vom 26. März 1934 abzugeben. Auch diese Worte beruhigten den Zentralvorstand und die Präsi- denten der Sektionen des „Vereins der Schweizer Presse“ an ihrer Konferenz vom 15. April in Lugano wenig. Ihr Kommentar zum Bundesratsbeschluss war vernichtend. Man erkannte zwar, dass die internationalen Beziehungen nicht durch offensichtlichen Missbrauch der Pressefreiheit belastet werden dürften. Bedauert wurde jedoch aus grundsätzlichen sowie praktischen Erwägungen, dass der Bundesrat seine Massnahmen nicht vorgängig mit den Presseorgani- sationen besprochen habe, wie dies sonst bei allen Berufs- und Wirtschaftsver- bänden bei solch einschneidenden Massnahmen üblich sei. Die Hauptkritik fiel dahingehend aus, dass der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 26. März 1934 die Presse in Friedenszeiten viel ungünstiger stellte als alle diesbezüglichen Erlas- se in den Jahren des Ersten Weltkrieges, weil die Presse zur Anwendung dieses Beschlusses nichts zu sagen haben sollte.

Eine konsultative Pressekommission Intensive Bemühungen des „Vereins der Schweizer Presse“ (VSP) sowie des „Schweizerischen Zeitungsverlegerverbandes“ (SVZ) führten dahin, dass sich der Bundesrat am 25. Mai 1934 gezwungen sah, eine konsultative Pressekom- mission, zusammengesetzt aus Verlegerschaft und Redaktoren, ins Leben zu rufen. Diese Pressekontrollkommission wirkte u.a. bei der praktischen Handha- bung des Pressenotrechts mit, indem sie Ermahnungen und Verwarnungen aus- sprach. In gravierenden Fällen übergab die Kommission die Angelegenheit dem Bundesrat, der dann die fehlbaren Personen seinerseits verwarnte. Die prakti- sche Bedeutung der Pressekommission war gering, tagte sie doch jährlich ledig- lich zwei bis drei Mal und ermahnte zwischen 1934 bis 1939 nur rund 20 Zei- tungen.

Sie setzte sich immer wieder dafür ein, dass Kritik an aussenpolitischen Gesche- 18 Feldmann, 26. März 1934. hen erlaubt sein müsse. Beleidigende Äusserungen jedoch würden die Bezie- 19 Rings, S. 267. 20 Im Juni 1937 erinnerte die Kommission bei- hung zum Ausland trüben und daher sollten solche Verfehlungen der Redakto- spielsweise die Herausgeber und Schriftleiter ren verhindert werden. Als Beispiele von tendenziösen Ausdrücken, welche der schweizerischen Zeitungen an den Bundes- ratsbeschluss vom 26. März 1934, wonach gemäss der Pressekommission nicht objektiv und somit unzulässig seien, wur- Presseorgane verwarnt und bei Nichtbefolgung den etwa erwähnt: der Verwarnung auf bestimmte Zeit verboten werden können. Gleichzeitig bedauerte die Meuchelmörder, Brandstifterregierung, Henker, Mordanführer, Diktaturbestien Kommission, „dass eine Anzahl von schweize- etc. rischen Zeitungen sich nicht gescheut hätten, in der Schweiz akkreditierte Diplomaten persön- lich anzugreifen. Erst vor kurzem seien anläss- Auf Antrag der Pressekommission sprach der Bundesrat erstmals am 7. Oktober lich der Ernennung von zwei Vertretern auslän- 1938 ein Erscheinungsverbot für eine schweizerische Zeitung aus, und zwar für discher Regierungen in Bern über diese besonders unangebrachte Bemerkungen in der das Westschweizer „Journal des Nations“. Trotz ihrer beschränkten Aktivität Presse erschienen. Die „konsultative Presse- erfüllte die Pressekommission ihren Zweck befriedigend.19 Sie wurde von der kommission“ macht die Zeitungen darauf auf- merksam, dass auch die Würde der Schweiz deutschen Gesandtschaft – ein Beweis ist zum Beispiel ein Schreiben vom spä- eine derartige Schreibweise verbiete und dass teren deutschen Botschafter Otto Carl Köcher an das Auswärtige Amt vom es daher nötig sei, der Kritik Grenzen zu zie- hen.“ Pressekommission an Schriftleiter, Juni 11. Juni 1937 – mit Genugtuung wahrgenommen, da sie immer wieder eine 1937. AfZ MF 2828, E 445950-51. mässigende Einwirkung auf die Presse habe.20

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 147 Der Pressekrieg geht weiter Ein Bericht der „Thurgauer Zeitung“21 über eine Rede Goebbels im Berliner Sportpalast löste in Berlin starkes Missfallen aus. Weizsäcker erfuhr vom Aussen- ministerium, die Rede sei so dargestellt worden, „als drohe Dr. Goebbels mit einer ,Judenschlächterei’.“22

Am 22. Mai 1934 attakierte der „Angriff“ mit einem Artikel „Zeitungen aus der Schweiz“ die Schweizer Presse grob. Weizsäcker übersandte am 28. Mai 1934 diverse Reaktionen seitens der Schweizer Presse an das Auswärtige Amt in Ber- lin. Sein Kommentar zu diesem Artikel beschränkte sich darauf hinzuweisen, dass es sich nicht bestreiten lasse, dass gewisse Wendungen in diesem Artikel den übelgesinnten Elementen der schweizerischen Presse Handhaben gegen die verständigeren Kreise geliefert habe und dem vom „Angriff“ verfolgten Zweck daher nicht gedient hätten. Es lasse sich nicht bestreiten, dass die „Behaup- tung, die schweizerischen Blätter seien für die politisch Unmündigen geschrie- ben“, beleidigend war. Die „National-Zeitung“ konterte in der Ausgabe vom 23. Mai 1934 diesen Seitenhieb gekonnt mit folgenden Worten: „Es braucht aller- dings weniger Mut, seine Wut über diese fatale Lage an der ausländischen Pres- se auszulassen, als dahin zu wirken, dass die der eigenen Presse auferlegten Schranken gesenkt oder beseitigt werden.“23

Weizsäcker war in einer schwierigen Lage. Anlässlich eines Gespräches mit Feld- mann am 8. Juni, erklärte er fast verzweifelt, er habe in letzter Zeit der Versu- chung widerstehen müssen, seiner Regierung den Bündel hinzuschmeissen; „denn gewisse Leute machen einem ja doch das Resultat aller mühsamer Arbeit kaputt.“24

Drei Tage später fragt er Feldmann um Rat an, „welche Massnahmen er in Ber- lin noch vorschlagen könnte, um zur Entspannung beitragen zu können. Das Recht auf Zeitungsverbote werde man sich in Berlin natürlich nicht nehmen las- sen und er befürchte mit dem Eintreten allfälliger schweizerischer Repressalien einen Pressezustand wie zwischen Deutschland und Österreich.“25

Die blutigen Ereignisse vom 30. Juni, die brutale Ausschaltung Röhms, bela- steten das Verhältnis neu. Die Beschlagnahmung schweizerischer Blätter häuf- te sich. Ausser dem bereits verbotenen „Vaterland“ traf es wiederum die „Neue Zürcher Zeitung“ und die „Nationalzeitung“. Der Bundesrat entschloss sich zu Gegenmassnahmen und verbot vorläufig für zwei Wochen den „Völkischen Beobachter“, den „Angriff“ und die „Berliner Börsenzeitung“.26

Am gleichen Tag erhielt Aschmann auch von Frick ein Schreiben in welchem

dieser Aschmann mitteilte, dass das auf die Dauer von zwei Wochen befristete 21 Vgl. Thurgauer Zeitung, Ausgabe Nr. 111. Verbot der Zeitung „Der Bund“ nicht aufgehoben werden könne. Insbesondere 22 Die „Thurgauer Zeitung“ wurde aber erst ein die Artikel „Die blutigen Ereignisse“ in Nr. 301 der Zeitung vom 2. Juli und „Ein Jahr später mit einem Verbot belegt und zwar in der Zeit vom 5. April bis am 30. Juni 1935 Kampf unter Paladinen“ in Nr. 303 der Zeitung vom 3. Juli 1934 stellten derart sowie ab dem 1. August 1935. Crull an Weizsäc- grobe Verunglimpfungen der deutschen Regierung dar, dass er, Frick, aus innen- ker vom 2. Juni 1934. AfZ MF 3365, E 597764. Vgl. auch Protokoll der Bundesratssitzung vom politischen Gründen auf die beabsichtigten Massnahmen keinesfalls glaube ver- 2. Juli 1935. zichten zu können.27 Der Zeitungskrieg hat somit eine weitere Verschärfung erfah- 23 National-Zeitung Nr. 229 vom 23.5.1934. AfZ MF 3365, E 597794. ren. 24 Feldmann, 8. Juni 1934. Motta wünschte sich im Gespräch mit Weizsäcker am 11. Juli 1934 keinen Zei- 25 Feldmann, 11. Juni 1934. 26 Feldmann, 6. Juli 1934; vgl. auch: Bericht, S. 13. tungsverbotskrieg, um nicht Nachteile zu erhalten bei den im Gang befindlichen 27 MF 3365, E 597727-28. handelspolitischen Verhandlungen.28 Die Ausweglosigkeit im Pressekrieg ging 28 MF 3365, E 597968-71.

148 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 auch Weizsäcker an die Substanz. Mit Eintrag vom 12. Juli 1934 wünschte sich der deutsche Gesandte, dass die Schweizer Blätter doch auf chinesisch geschrie- ben wären. Er schreibt: „Ich hatte in dieser Woche die bisher unbequemste Unter- haltung mit den Schweizern. Der Zeitungsstreit droht Eigenleben zu bekommen und Schaden ringsum anzurichten.“29 Tatsächlich wiegelte sich der Streit hoch. Auf die schweizerischen Verbote reagierte Berlin nur wenige Tage später mit einem sechsmonatigen Verbot für die „Neue Zürcher Zeitung“, die „Basler Natio- nal-Zeitung sowie des „Berner Bundes“.30 Als Gegenreaktion beschloss der Bundesrat am 17. Juli 1934, dass die von ihm erlassenen Zeitungsverbote auf unbestimmte Zeit verlängert werden.

Die deutschen Gegenrepressalien erfolgten sofort und folgten sich in regel- mässiger Reihenfolge bis in den Winter hinein. Das Presseproblem war für Weizsäcker, wie er sich am 17. November 1934 wiede- rum ausdrückte, ein „täglicher Ärger“.31 In seinen Erinnerungen über seine Zeit der Gesandtschaft in Bern urteilte er über diesen „täglichen Ärger“ etwas anders, nämlich so: „Dem deutschen Publikum hätte es sehr gut getan, solche auslän- dischen Stimmen zu verfolgen (...) Vergeblich bemühte ich mich darum, dass verbotene Schweizer Blätter wieder bei uns zugelassen würden.32

Diese letzte Aussage kann belegt werden. So setze sich Weizsäcker – z.B. mit Schreiben vom 24. August 1934 an das Auswärtige Amt – dafür ein, von einem weiteren Verbot der „Neuen Berner Zeitung“ abzusehen, und zwar mit folgen- der Begründung: „Das Blatt vertritt also eine schweizerische Parteirichtung, die in verschiedenen Punkten den Grundsätzen des neuen Deutschlands nahesteht oder doch weit- gehendes Verständnis entgegenbringt. Einer der vornehmsten Repräsentanten dieser Partei ist der derzeitige schweizerische Kriegsminister, Bundesrat Min- ger. Der Chefredakteur des Blattes ist Dr. Feldmann, zur Zeit Präsident des Ver- eins der Schweizer Presse. Beide Persönlichkeiten gehören ohne Zweifel zu den Männern, die dem neuen Deutschland mit Wohlwollen und Verständnis gegen- über stehen und deren Empfindungen von uns pfleglich behandelt werden soll- ten. Ein Verbot der „Neuen Berner Zeitung“ würde in all den Kreisen (...) ohne Zweifel grossen und sichtbaren politischen Schaden anrichten. (...) In tatsäch- licher Beziehung ist es schliesslich unzutreffend, wenn das Geheime Staatspo- lizeiamt geltend macht, die „Neue Berner Zeitung“ bringe in jeder Nummer gehässige Angriffe gegen Deutschland. (...) Ich kann nur dringend davon abra- ten, ein schweizerisches Blatt, wie die „Neue Berner Zeitung“, auf längere Zeit zu verbieten, das objektive und deutschfreundliche Berichte über Deutschland zum Ausdruck bringt, die man in anderen schweizerischen Blättern vergeblich suchen wird. Ich möchte daher empfehlen, bei dem bisher gehandhabten Ver- fahren zu verbleiben und nur solche Ausgaben zu beschlagnahmen, die uner- trägliche Angriffe gegen Deutschland enthalten sollten.“33

Auch sprach sich Weizsäcker einmal gegen ein Verbot der „Basler Nachrichten“ 29 Weizsäcker-Papiere, 84. aus. Weizsäcker meinte, dass man bei einem Verbot dieses Basler Blattes in die 30 Fink, S. 119. 34 31 Weizsäcker-Papiere, Nr. 83. Hände der Franzosen arbeiten würde. Es ist jedoch verständlich, dass sich Weiz- 32 Weizsäcker Erinnerungen, S. 116. säcker nur gegen Verbote von Zeitungen aussprach, die in seinen Augen relativ 33 Weizsäcker an das Auswärtige Amt, 24.8.1934. AfZ MF 3365, E 597721-23. deutschfreundlich waren und sich vor allem für einflussreiche Persönlichkeiten 34 Weizsäcker an das Auswärtige Amt einsetzte, mit denen er vertraute Beziehungen pflegte. Sowohl die „Basler Nach- (Aschmann), 14.5.1935 betreffend Verbot der „Basler Nachrichten“ in Deutschland. AfZ MF richten“ wie auch die „Neuen Berner Zeitung“ besassen gegenüber Deutsch- 3365, E 597812. land offen gesinnte Chefredaktoren.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 149 Am 19. November 1934 erkundigte sich Weizsäcker in einem Brief an Aschmann um dessen Anweisung betreffend den am 10. Januar 1935, also ausgerechnet wenige Tage vor dem Saarabstimmungstermin, auslaufenden Verboten der „Neuen Zürcher Zeitung“, des „Berner Bundes“ sowie der „Basler National-Zei- tung“. Fünf Tage zuvor hatte er Feldmann über diesen Versuch so orientiert: „Persönlich habe ich keine grosse Hoffnung, dass bei der ganzen Sache etwas Positives herausschauen wird.“35

Aschmann antwortete Weizsäcker, dass ein neues Verbot den Zeitungskrieg ledig- lich erneut anfachen würde. Deutschland wäre in diesem Fall das Land, das den Kampf erneut ansagen würde. Er empfahl daher, das Verbot auslaufen zu las- sen und die Zeitungen in Deutschland wieder zuzulassen, falls die Schweiz ihre Verbote ebenfalls zeitgleich aufhebe. „Sollte diese Absicht bestehen – ich möch- te daran nicht zweifeln, wäre der Verbotskrieg damit beendet. Natürlich müs- sten wir uns vorbehalten, im Falle neuer Verfehlungen der Blätter (...) erneut zu Verboten zu schreiten.“36 Doch Aschmann und Weizsäcker, die sich der Sache einig waren, hatten die Rechnung ohne den Führer gemacht.37 Dieser befahl: „Die Verbote sind mithin zu verlängern (...) und zwar am zweckmässigsten in der von der schweizerischen Regierung gewählten Form des unbefristeten Ver- bots, damit die Reichsregierung bei etwaigen späteren Verhandlungen vom glei- chen Ausgangspunkt wie die Schweiz ausgehen kann und ein erneuter Fristab- lauf sie nicht zu neuer Kundgebung mit entsprechender Verschärfung des Tones usw. zwingt.“38

Am 22. Dezember 1934 erging an die Landesregierungen, den Reichspostmini- ster, die Hauptverwaltung der deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, den Reichs- minister der Finanzen sowie das Auswärtige Amt und das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda ein Schnellbrief des Reichs- und Preussi- schen Minister des Innern mit folgendem Inhalt: „Auf Grund der Verordnung 35 Feldmann, 14. November 1934. des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 36 Aschmann an Weizsäcker, 30.11.1934, AfZ MF 3365, E 597782-88. wird die Verbreitung der nachstehend genannten, bis zum 10. Januar 1935 bereits 37 Der Schnellbrief von Aschmann an das Reichs- verbotenen ausländischen Druckschriften bis auf weiteres verboten (...) Die an und Preussische Ministerium des Innern vom 10. Dezember 1934 fruchtete nicht wie gewollt. die Empfänger im Inland gerichteten verbotenen Druckschriften sind einmalig Aschmann beantragte, im Einverständnis mit nach dem Verbot an die Absender zurückzusenden. Weitere im Inland eintref- dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, die am 10. Januar 1935 ablau- 39 fende Sendungen gelten als beschlagnahmt und sind zu vernichten.“ fenden Verbote der schweizerischen Zeitungen zunächst nicht zu verlängern. Man plane die Es hat sich in der Schweiz das Gerücht verbreitet, Hitler habe alle regimekriti- Gesandtschaft in Bern anzuweisen, die eidge- nössische Regierung [...] wissen zu lassen, dass schen Presseberichte in einer schwarzen Mappe gesammelt, um sie allenfalls deutscherseits eine Verlängerung der Verbote als Beweise für Neutralitätsverletzungen benützen zu können. nicht beabsichtigt sei, falls die schweizerische Regierung ihre Verbote („Völkischer Beobach- ter“, „Angriff“, „Berliner Börsen-Zeitung“) zum gleichen Termin aufheben würden. Dabei wür- de unser Gesandter ferner zum Ausdruck zu Aktivität der Schweizer Gesandtschaft in Berlin bringen haben, dass, falls bedauerlicherweise Die schweizerische Gesandtschaft in Berlin blieb selbstverständlich auch nicht neue hetzerische oder verleumderische Aufsät- tatenlos. Der schweizerische Gesandte, Paul Dinichert, beschwerte sich immer ze in den Blättern erscheinen, man zu neuen Verboten zu schreiten gezwungen sehen wür- wieder beim Auswärtigen Amt oder beim Reichsministerium des Innern, dass de.“ Weizsäcker hatte in seinen Meldungen sich die Repressionen von Landesstellen, Verbote und Verzögerungen durch die betont, dass eine Nichtverlängerung der Verbo- te Vorteile bringen würde. AfZ MF 3365, E Vorzensur auf den Vertrieb der schweizerischen Zeitungen äusserst störend aus- 597772-73. wirke. Des weitern rügte er, dass einzelne Ausgaben von den lokalen Polizeibe- 38 Befehl des Führers AfZ MF 3365, E 597774. 39 Befehl an die Dienststellen, 22.12.1934, AfZ MF hörden ohne Angabe von Gründen beschlagnahmt worden seien. Er bat, zu prü- 3365, E 597770. fen, ob nicht wenigstens die Vorzensur beschleunigt werden könne und damit 40 Dinichert an Aschmann, Schreiben vom 11. 40 Juni 1934. AfZ MF 3365, E 597738. Gegenstand der Verzögerung Einhalt geboten werden könne. Teilweise wurde er von den dieser Beschwerde waren wiederholte Schika- beiden deutschen Amtsstellen unterstützt, besonders, wenn die Zensur schwei- nen gegen die “Basler Nachrichten”.

150 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 zerischer Blätter die eigenen Interessen beeinträchtigte.41 Machtlos war Dini- chert gegen die Attacken der nationalsozialistischen Presse. Der „Völkische Beob- achter“ tat sich besonders hervor. Meistens hatte er den Hauptgegner des neu- en deutschen Reiches im Visier, die „Neue Zürcher Zeitung“.42 Er hat deshalb wohl nicht ganz ohne Genugtuung in einem höflichen Brief das Aussenmini- sterium über den Schritt des Bundesrates informiert, jetzt auch deutsche Zei- tungen zu verbieten: „Ich bin in der Lage Ihnen mitteilen zu müssen, dass der Schweizerische Bundesrat zu seinem Bedauern sich genötigt sieht, als Gegen- massnahme gegen die Benachteiligung schweizerischer Zeitungen in Deutsch- land die Einfuhr und die Vertreibung folgender deutscher Zeitungen in der Schweiz vorläufig für vierzehn Tage zu verbieten: Der „Angriff“, die „Berliner Börsen-Zeitung“ und der „Völkische Beobachter“.43

Ausweisungen Neben der „Neuen Zürcher Zeitung“ war aber dem deutschen Regime insbe- sondere der Korrespondent der „Basler Nachrichten“ in Berlin, Dr. Ernst Klein, ein Dorn im Auge. Anfang Juni 1934 trafen sich Weizsäcker und der Chefredak- tor der „Basler Nachrichten“, Albert Oeri44, wobei Weizsäcker Oeri unterrichte- te, er habe persönlich und vertraulich gewisse Informationen über die Tätigkeit von Klein in Berlin erhalten, welche erheblich beanstandet werden müssten. Oeri selbst legte auf freundschaftliche Beziehungen zum Dritten Reich grossen Wert. Doch er konnte nicht akzeptieren, dass sein Korrespondent, der Österrei- 41 Aschmanns an das Reichsministerium, 13. Juni 1934. AfZ MF 3365, E 597749-55. Aschmann cher und Jude war, ohne Nachweis eines Fehlverhaltens aus Deutschland aus- setzte sich beispielsweise wegen devisentechni- gewiesen werden sollte. Die wahren Gründe der Ausweisung lagen, wie sich scher und ausfuhrpolitischer Gründe für ein Aufheben des Verbots der „Basler National- später herausstellte, nicht in der journalistischen Tätigkeit Kleins, sondern in Zeitung“ ein. Bülow unterrichtete mit Brief vom seiner Herkunft. Dies wurde jedoch von deutscher Seite stets verschwiegen. 25. Juni 1934 Aschmann, dass Dinichert sich ein weiteres Mal in einem Gespräch über die Oeri’s fester Haltung in dieser Sache war es zu verdanken, dass nach einem per- Willkür der Massnahmen beschwert habe. Der sönlichen Gespräch mit Reichsaussenminister Neurath Klein vorderhand in Gesandte „wollte mit mir besprechen, wie eine Berlin bleiben durfte. Klein wurde in der Folge immer wieder verwarnt. so bei- Vereinheitlichung der innerdeutschen Handha- bung herbeigeführt werden könnte. Ich lehnte spielsweise in einer Aussprache mit Katzenberger vom Auswärtigen Amt am meinerseits diese Erörterung ab und gab ihm 25. Mai 1935. Gemäss Katzenbergers Aufzeichnung zu diesen Gespräch habe er zu verstehen, dass dies eine Einmischung in innerdeutsche Verhältnisse sei, weil uns unbe- Klein gegenüber eine letzte Warnung ausgesprochen und ihm an Hand von eini- nommen bleiben müsse, die Handhabung so zu gen Artikeln ein Sündenregister vorgehalten. „Herr Dr. Klein warf ein, dass Herr regeln, wie es uns zweckmässig erschiene. [...] Ferner wies ich ihn darauf hin, dass sich ge- Oeri immer noch zwischen Nationalsozialismus und Deutschland unterscheide. wisse Zeitungen [...] einen grossen deutschen Ich setzte Herrn Dr. Klein eingehend auseinander, dass diese Unterscheidung Leserkreis geschaffen hätten und füglich auf nicht möglich sei und dass, wenn Herr Oeri seine Politik unter diesem Gesichts- diese Tatsache Rücksicht nehmen müssten, wenn sie nicht den gleichen Beschränkungen winkel weitertreibe, er die deutsche Politik niemals richtig sehen könne und zu wie unsere eigenen Zeitungen zwangsweise falschen und infolgedessen auch oft zu abfälligen Äusserungen über Deutsch- unterworfen werden wollten. Dieser Gesichts- punkt des Überhandnehmens des Absatzes land kommen müsse.“ schweizerischer Zeitungen war dem Gesandten Katzenberger betonte, dass man es nicht zulassen könne, dass durch einen Pres- neu und machte ihm einen gewissen Eindruck.“ Bülow an Aschmann, 25.6.1934. AfZ MF 3365, sekrieg, bei dem so oft mit vergifteten Waffen gearbeitet würde, das noch gute, E 597734-35. freundnachbarliche Verhältnis gestört werde.45 42 Vgl. Völkischer Beobachter, Artikelfolge mit Erst vierzehn Monate später traf Klein das gleiche Schicksal wie viele seiner aus- dem Untertitel „Zeitungshetze gegen Deutsch- land“, 1. Juli 1934 (Teil I, Nr. 182) sowie 2. Juli ländischen Kollegen und er wurde ausgewiesen.46 1934 (Teil II, Nr. 183). 43 Dinichert an Aschmann, 6.7.1934, AfZ MF 3365, E 597731 44 Vgl. Teutenberg, René et. al.: Albert Oeri (1875- 1935 1950. Journalist und Politiker aus Berufung, Basel 2002. 45 Aufzeichnung Katzenberger (Auswärtiges Amt), Neue Konflikte – das Verbot der „Basler Nachrichten“ 25.5.1935. AfZ MF 3365, E 597836-37. 46 Zu Oeri’s Einsatz für Klein siehe Rings, Gemäss einem Schreiben von Weizsäcker an das Auswärtige Amt vom 3. Janu- S.133-136. ar 1935 wurden nach seiner Einschätzung die abermaligen Verbote der drei

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 151 Schweizer Zeitungen („Der Bund“, die „Basler National-Zeitung“ sowie die „Neue Zürcher Zeitung“) nur mit wenigen Worten in der schweizerischen Öffentlich- keit erwähnt.47 Die drei verbotenen Zeitungen verzichteten „freiwillig“ auf ein doch relativ erhebliches Absatzvolumen zugunsten sachgerechter Information.48 47 Demgegenüber hatten diese Zeitungen gemein- Im Gegenzug war man aber nicht bereit, wie ein Brief an den Stellvertreter des sam folgende, Deutschland wenig schmeicheln- Führers, Reichsminister Rudolf Hess, vom 7. März 1935 klar zeigt, die verbote- de, aber doch sachlich neutral und korrekt nen drei Schweizer Blätter wieder in Deutschland zuzulassen, weil die vom Füh- wiedergebende Erklärung abgedruckt: „Die in Deutschland neuerdings ohne Begrün- rer und Reichskanzler gestellte Bedingungen eines massvolleren Verhaltens der dung und auf unbestimmte Zeit verbotenen schweizerischen Zeitungen auch heute noch nicht erfüllt seien.49 schweizerischen Zeitungen (...) haben festge- stellt, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Schreibweise den ungewöhnlichen Anforderun- Im Verlauf des Jahres 1935 musste der Bundesrat feststellen, dass fast alle bedeu- gen anzupassen, die für die Zulassung der deutschsprachigen neutralen Presse in tenden deutschsprachigen Zeitungen der Schweiz von deutschen Verboten betrof- Deutschland offenbar gestellt werden, da eine fen waren. Das Presseproblem war omnipräsent und Weizsäcker meldete im Mai freie und unabhängige Würdigung ausländi- an das Auswärtige Amt, dass er diese Angelegenheit bei seinen Besuchen im scher politischer Verhältnisse und Vorgänge schon mit Rücksicht auf die Wünschbarkeit Bundeshaus fast immer anschneiden müsse. In einer der Besprechungen mit einer objektiven Unterrichtung der schweizeri- dem Generalsekretär des Aussenministers, de Stoutz, schlug Weizsäcker eine schen Öffentlichkeit unumgänglich ist. Wie die Pressepolitik der deutschen Regierung in den Lösung vor, wie man nach seiner Meinung die Pressebeziehungen zwischen den vergangenen anderthalb Jahren gezeigt hat, beiden Ländern verbessern könnte. Das Mittel sei eine Zensur, „ein gründlicher kann kein Blatt, das die schweizerischen Inter- essen und Auffassungen ohne Rücksicht auf erzieherischer Eingriff der Schweizerischen Regierung gegenüber der Schwei- den Absatz im Auslande vertritt, heute auf zerpresse“.50 ungehinderte Verbreitung in Deutschland rech- nen. Die erwähnten drei Zeitungen haben aus Würdigung dieser Lage den Schluss gezogen, So wie Weizsäcker in Bern vorsprach, musste auch Dinichert in Berlin seine Ein- dass eine Änderung ihrer allgemeinen Haltung wände gegenüber Presseangelegenheit kund tun. Just am gleichen 14. Mai 1935 nicht in Frage kommt. Sie lehnen es ebenfalls ab, aus geschäftlichen Erwägungen eine äus- beschwerte er sich ein weiteres Mal bei Aschmann betreffend einem unbe- serlich besonders zu recht gemachte Auflage gründeten befristeten Verbot der Zeitung „Die Ostschweiz“.51 Auch die Bemü- für Deutschland herauszugeben.“ Mit dem letztem Satz wurde auf die reichsdeut- hungen Weizsäckers und Aschmanns, die „Basler Nachrichten“ von einem Ver- sche Ausgabe der „Basler Nachrichten“ ange- bot zu verschonen, fruchteten nicht. Aschmann musste Weizsäcker informieren, spielt, welche von Lörrach aus zur Verteilung und zum Versand kam. Gemäss Einschätzung dass der Einfluss des Auswärtigen Amtes sich gegen ein Verbot dieser Zeitung von Weizsäcker soll diese Zeitung eine Wochen- in Deutschland einzusetzen, keine Früchte tragen werde. Aschmann hoffe, dass auflage von ca. 40‘000 Stück, sowie eine Sonn- die letzte scharfe Rede des Führers und Reichskanzlers „mässigend auf Herrn tagsauflage von bis zu 55‘000 Exemplaren erreicht haben. Oeri und Konsorten“ einwirke. Jedenfalls sehe er sich gezwungen, bei einer wei- 48 Ein Schreiben von Hess an Neurath vom 28. teren Übertretung der „Basler Nachrichten“ auf Druck von oben ein Verbot aus- Februar 1935 sprach davon, dass die „Basler Nachrichten“ eine tägliche Auflage von ca. 52 zusprechen. Bereits die Ausgabe vom 12. Juni 1935, Nr. 158, zog eine Beschlag- 30‘000 Exemplare habe. Im gleichem Schreiben nahmung nach sich.53 wurde vom Reichsleiter für die Presse, Direktor Amman, verlangt, dass bei der Schweizer Bundesregierung Schritte betreffend der Aufhe- Wie wenig es brauchte, damit der Vertrieb einer Zeitung verboten wurde, zeigt bung des Verbotes des „Völkischen Beobach- nachfolgendes Zitat aus dieser Ausgabe. Unter dem Titel „Aufsehenerregende ters“ zu unternehmen seien. AfZ MF 3365, E 597847. Predigt eines Franziskanerpaters im Rheinland“ sollen folgende Worte gefallen 49 Neurath an Hess, 7.3.1935. AfZ MF 3365, E sein: „Nicht Blut und Rasse sind massgebend, sondern allein die Liebe. Uns ist 597845. 50 „Ich griff“ – meldete er – „auf meine fast bei ein Neger und Mulatte mit reiner Seele lieber als der sündige Arier, weil er auch jedem amtlichen Besuch auf dem Bundeshaus vor Gott lieber ist.“ Diese Ausgabe wurde wegen dieses Zitats, dessen Inhalt vorgebrachten Einzelfälle öffentlicher Anpöbe- leien und Verunglimpfungen der deutschen geeignet sei, die öffentliche Ordnung zu stören, beschlagnahmt und eingezo- Regierungsmitglieder zurück und beschwerte gen. Nur wenige Tage nach dieser Beschlagnahmung wurde die Zeitung Oeris mich bitter darüber, dass allen diesen meinen ganz verboten.54 Geheimrat Renthe-Fink, stellvertretender Leiter der Abteilung Vorstellungen bisher sozusagen kein Erfolg beschieden gewesen sei. ( ...) Ich erklärte Herrn II des Auswärtigen Amtes, übermittelte dem schweizerischen Gesandten Dini- de Stoutz (...) wenn man nach der Presse gehe, chert das Verbot am 28. Juni 1935.55 man niemals auf einem solchen Tiefpunkt ange- langt gewesen wie jetzt. Dieser Zustand sei ebenso unnötig wie unerträglich. Es müsse ein- Mit dem unbefristeten Verbot der „Basler Nachrichten“ hatte der Pressekonflikt gegriffen werden, um der immer mehr absin- kenden Kurve unseres früher freundschaft- mit Deutschland eine weitere Verschärfung erhalten. In diesem Zusammenhang lichen Verhältnisses eine Wendung nach oben traf Dinichert sogar Neurath persönlich, welcher das Zeitungsverbot ebenfalls zu geben. Herr de Stoutz bestritt nichts von die- sen meinen Ausführungen.“ Weizsäcker an nicht für nötig befand und offenbar diesbezüglich direkt mit Hitler Kontakt auf- Aussenministerium, 14.5.1935, AfZ MF 3365, nahm. Doch auf Veranlassung Hitlers und Goebbels wurde die Zeitung trotzdem E 597842-44.

152 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 mit einem unbeschränkten Vertriebsverbot belegt. Ein solches Verbot hätte nur vermieden werden können, wenn die Zeitungsredaktion Goebbels ganz bestimm- te Zusicherungen hätte abgeben können betreffend die künftige Haltung des Blattes. Auf eine solche Zumutung wollte die Zeitung nicht eingehen. Angesichts der Massnahme gegenüber dieser letzten grossen in Deutschland noch in erheb- lichem Masse verbreiteten deutsch-schweizerischen Zeitung, deren stets kor- rekte Haltung gegenüber dem nördlichen Nachbar vom Politischen Departement festgestellt wurde, konnte der Bundesrat nicht untätig bleiben. Dies auch, weil sie dem widersprach, was Motta mit Goebbels und Neurath am 26. September 1933 in Genf besprochen hatte, nämlich dass die deutsche Regierung bereit sei, vernünftige und sachgerechte Kritik der Schweizer Presse anzunehmen. Zudem 51 Dinichert hatte im Reichsanzeiger gelesen, dass diese Zeitung in Deutschland befristet, d.h. vom sei das Verbot nicht aufgrund einer Änderung des Tons und der Schreibweise 13. Mai bis am 15. Juli 1935, verboten worden des Blattes verursacht, sondern allein mit innerdeutschen Propagandamotiven war. Er erinnerte Aschmann an die „seinerzeit zu begründen.56 zwischen uns getroffene Verabredung [...] die Gesandtschaft jeweilen von beabsichtigten Ver- boten schweizerischer Zeitungen verständigen Mit Schreiben vom 3. Juli 1935 informierte Dinichert Renthe-Fink über die vom zu wollen unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Gründe, die der gedachten Massnahme zu Bundesrat getroffenen Gegenmassnahmen. Ein allgemeines Verbot sämtlicher Grunde liegen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, deutscher Presseerzeugnisse wurde seitens der Schweizer Regierung geprüft, wenn Sie es ermöglichen könnten, dass ferner- hin dem in Aussicht genommenen Verfahren doch sah man aus wirtschaftlichen und politischen Gründen davon ab. Somit nachgelebt würde. Dinichert an erstreckten sich die Sanktionen lediglich auf drei Presseerzeugnisse in der Aschmann,14.5.1935, AfZ MF 3365, E 597831. 52 Aschmann an Weizsäcker, 28.5.1935, AfZ MF Schweiz, nämlich das in Freiburg im Breisgau erschienene Blatt „Der Aleman- 3365, E 597840. ne“ und den in Nürnberg erschienenen „Stürmer“. Ebenfalls wurde das Erschei- 53 Achmann an Weizsäcker, AfZ MF 3365, nen der Zeitung „Der Reichsdeutsche“ in der Schweiz untersagt. Zur Begrün- E 597829. 54 Katzenberger begründete das allgemeine Ver- dung schrieb der Bundesrat folgendes: „Nach Auffassung des Bundesrates haben bot durch zahlreiche Beschlagnahmungen (z.B. die „Basler Nachrichten“ stets eine korrekte Haltung eingenommen und sich der Ausgaben vom 2. Mai sowie vom 1. April 1935) sowie diverse Verbotsanträge (z.B. vom durchaus im Rahmen der vor zwei Jahren von den Reichsministern des Aus- 8./9. Juni, sowie vom 11. und 12. Juni 1935) in wärtigen und für Volksaufklärung und Propaganda, Freiherrn von Neurath und der jüngeren Zeit. AfZ MF 3365, E 597826. 55 Renthe-Fink an Dinichert, 28.6.1935, AfZ MF Herrn Goebbels, ausdrücklich als annehmbar erklärten sachlichen Kritik gehal- 3365, E 597813-14. Dinichert machte Renthe- ten. (...) Der Bundesrat kann die auf dem Gebiete der Presse eingetretene Wen- Fink darauf aufmerksam, dass der Bundesrat dung nur aufs lebhafteste bedauern; denn er bleibt davon überzeugt, dass ein das Verbot der „Basler Nachrichten“ mit ent- sprechenden Gegenmassnahmen beantworten freier Gedankenaustausch allein den wahren Interessen der beiden Länder ent- werde. Gemäss dem Schweizer Gesandten spricht.“57 Dieser freie Gedankenaustausch war seitens Deutschlands jedoch würde sich der Bundesrat nicht in der Lage sehen, „über das Verbot einer so besonnenen, überhaupt nicht erwünscht. objektiven und typisch schweizerisch geschrie- benen Zeitung einfach zur Tagesordnung überzugehen“. Renthe-Fink seinerseits habe Bereits einen Monat später, am 1. August 1935, musste Dinichert aus der deut- nochmals unterstrichen, „dass die Basler Nach- schen Presse entnehmen, dass die „Thurgauer Zeitung“ bis auf weiteres in richten mit der Zeit in Deutschland faktisch Deutschland verboten worden war, ohne dass ihm die Gelegenheit gegeben pressepolitisch die Bedeutung eines grossen reichsdeutschen Blattes erhalten würden, und worden wäre, in nützlicher Frist mit dem Auswärtigen Amt in dieser Angele- dass sich naturgemäss auch die Notwendigkeit genheit Fühlung aufzunehmen. Dinichert bat Aschmann daher, ihm die Gründe ergebe, auf die Basler Nachrichten dieselben 58 59 Grundsätze anzuwenden, die für die bodenstän- dieses Verbots darzulegen. Dieser nannte vier beanstandete Artikel. dige Presse massgebend wären.“ Bericht Dini- chert vom gleichen Tag, AfZ MF 3365, E 597813-14. Um die festgefahrenen Pressebeziehungen der beiden Länder etwas zu lockern, 56 Vgl. Protokoll der Bundesratssitzung vom nahm Weizsäcker kurz vor Weihnachten mit dem Auswärtigen Amt Kontakt auf. 2. Juli 1935. Er sondierte betreffend der Aufhebung des Verbots der „Neuen Zürcher Zei- 57 Dinichert an Renthe-Fink, AfZ MF 3365, E 597821. tung“. Im Gegenzug hätte die Schweiz jedoch den „Völkischen Beobachter“ wie- 58 Dinichert an Aschmann, 2. 8. 1935, AfZ MF der zulassen müssen. Er begründete seine Idee damit, dass das Bedürfnis der 3365, E 597085. 59 Aschmann teilte Dinichert am 20. August mit, Deutschen in der Schweiz nach dem Zentralorgan der NSDAP dadurch gestillt weshalb diese Zeitung verboten wurde; näm- werden könne. Zudem würde die Verkrampfung im deutsch-schweizerischen lich wegen der Artikel „Nationalsozialismus auf Urlaub“ in Nr. 162 vom 13. Juli, „Antisemiti- Verhältnis etwas gelockert. Er war jedoch bereits so desillusioniert, dass er sche Kravalle in Berlin“ in Nr. 166 vom 18. Juli, schrieb: „An eine bestimmte Voraussetzung allerdings müsste der ganze Plan „Graf Helldorfs Mission“ und „Der Kampf gegen den Stahlhelm“ in Nr. 169 vom 24. Juli geknüpft sein, nämlich diejenige, dass nicht in sehr kurzer Zeit an gehäuften 1935. AfZ MF 3365, E 597086. Beschlagnahmungen oder erneutem Verbot der Ausgleichsversuch scheitert und

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 153 in sein Gegenteil verkehrt wird.60 Die Idee Weizsäckers, die „Neue Zürcher Zei- tung“ wieder zuzulassen wurde nicht als opportun betrachtet und nicht weiter verfolgt.

60 Weizsäcker an Auswärtiges Amt, 20. 12.1935. AfZ MF 3365, E 598013- 15. Initiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und der 61 Verfügungen und Erlasse, welche die Presse- Schweizer Presse gegen eine Einschränkung der Pressefreiheit freiheit verletzten, sollten mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten Die zwischen Bürger und Staat geschaltete Institution der Pressekontrollkom- werden können. Diese Regelung sollte auch für mission vermochte nicht sämtliche Bedenken in der schweizerischen Öffent- Verfügungen und Erlasse, die vom Bundesrat oder von anderen eidgenössischen Behörden lichkeit zu zerstreuen. Zu gross war die Angst vor Einschränkungen von ele- ausgehen oder von der Bundesversammlung mentaren Grundrechten. So kam es zu zwei bemerkenswerten Vorstössen, welche unter Ausschluss des Referendums beschlos- sen würden, gelten. Zudem sollte der Bundes- beide in die gleiche Richtung zielten: Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz ratsbeschluss vom 26. März 1934 mit einer sowie die Presseorgane selbst wurden aktiv. Der „Verein der Schweizer Presse“ Übergangsbestimmung ausser Kraft gesetzt (VSP) sowie der „Schweizerische Zeitungsverlegerverband“ (SVZ) gründeten werden. 62 Referentenführer, Sozialdemokratische Partei eine gemischte pressepolitischen Kommission. Beide Initianten verfolgten das der Schweiz, S. 4. Die Initianten waren der Ziel, den Pressefreiheitartikel in der Bundesverfassung zu verankern. Meinung, dass die bereits bestehenden gesetz- lichen Normen (Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht, Titel- Verbrechen gegen frem- Die Sozialdemokraten sahen die Pressefreiheit ernstlich in Frage gestellt. Daher de Staaten) genügten, um gegen Presseorgane auf gerichtlichem Wege vorzugehen, welche reichten sie mehr als ein Jahr nach der Gründung der konsultativen Presse- fremde Regierungen und Staatsoberhäupter in kommission, nämlich am 29. Mai 1935, ein Volksbegehren für die Revision des unzulässiger Weise beschimpften oder ver- leumdeten. Artikels 55 der Bundesverfassung ein. Nach den Initianten sollte es in Zukunft 63 Referentenführer, S. 5 f. nicht mehr möglich sein, inländische Presseerzeugnisse zu verbieten oder der 64 Der Referentenführer nannte dies einen Zensur oder anderen ähnlichen Massnahmen zu unterstellen.61 Im Referenten- „Streich, den das Bundesgericht gegen die schweizerische Pressefreiheit geführt hat“. führer schrieben die Initianten, dass mit dem Beschluss des Bundesrates vom Vgl. Referentenführer, S. 7. 26. März 1934 eine hundertjährige freiheitliche Handhabung der Pressefreiheit 65 Auf Grund des Verfassungsartikels 55 wurde das Bundesgericht angerufen. Dieses führte unterbrochen worden sei. Insbesondere wurde gerügt, dass sich der Bundesrat zum Zeitungsverbot folgendes aus: „Eine poli- angemasst habe, über die Verfassung und das Gesetz hinwegzuschreiten und zeiliche Massnahme gegen eine Druckschrift ist dann zulässig, wenn sie zur Aufrechterhaltung Zeitungsorgane zu verbieten. „Wir wiederholen es,“ schrieben sie, „dies geschah oder Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe, nicht bloss im Widerspruch zum Wortlaut und zum Geiste der Bundesverfas- Sicherheit und Ordnung notwendig erscheint, sung, sondern ebenso sehr im Widerspruch zu der bestehenden schweizerischen und liegt in der Kompetenz derjenigen Behörde, welcher die Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesetzgebung.“62 Es gehe nicht an, dass der Bundesrat Herr und Meister Ruhe, Sicherheit und Ordnung obliegt.( ...) in werde „über die Presse und ohne richterliches Verfahren, ohne die Kautelen einem Fall wie dem vorliegenden muss doch ausnahmsweise die Zensur oder die Unterdrüc- einer normalen Prozessführung, ohne regelrechte Strafuntersuchung, ohne kung einer Zeitung für kurze vorübergehende Verteidigung, ohne die Rechtsgarantien der Appellation, einfach nach Belieben Zeit durch Polizeiverfügung gestattet sein.“ Ent- scheidungen des Schweizerischen Bundesge- 63 Zeitungen verwarnen und sodann verbieten“ könne. richts (1934), Heft 2/113 und 124. Polizeiverfü- gungen können – je nach kantonalem Recht – Zudem werde mit einem Verbot die Zeitung allgemein bestraft, und nicht ein erlassen werden vom Regierungsrat, der Poli- zeidirektion, ganz allgemein den städtischen schuldhafter Redaktor. Angeprangert wurde insbesondere das Verbot der kom- und landsgemeindlichen Exekutivbehörden. munistischen Zeitschrift „Der Kämpfer“, welche die Streikenden in Zürich zu 66 Daher wurde nochmals mit grösstem Nach- druck betont, „dass der verantwortliche Zei- Gewaltakten aufgerufen hatte, was einen erheblichen Polizeieinsatz nach sich tungsredakteur oder der verantwortliche Verfas- zog.64 Der Regierungsrat des Kantons Zürich verbot daraufhin die Zeitung.65 Hier ser selbst im Falle, dass sie einen rechtswidrigen Artikel veröffentlicht haben, witterte die sozialdemokratische Partei ein gefährliches Mittel „um gegnerische einen Anspruch darauf besitzen müssen, wie politische Organe mit einem Federstrich auf Wochen im Erscheinen einzustel- jeder andere Rechtsbrecher, von einem Gericht len.“66 abgeurteilt zu werden und nicht der Willkür und dem Hass politischer Administrativbehör- den ausgeliefert zu sein. Niemals seit mehr als Der Zweck der Initiative war folgender: Sie sollte verhindern, dass die Verwal- hundert Jahren war die Presse so in ihrer Frei- heit bedroht wie heute durch den Entscheid tungs- und Gerichtsbehörden nicht mehr so handeln konnten, wie es gemäss des Bundesgerichtes vom 23. Februar 1934! Bundesratsbeschluss vom 26. März 1934 vorgesehen und wie es im Bundesge- Wir kehren zurück zu den Zeiten der Zensur und der schlimmsten Presseunterdrückung. Die richtsurteil in Sachen des „Kämpfers“ geschehen war. Den Initianten war jedoch Zensur ist für die Presse das, was die Schutz- wichtig, dass der neue Artikel der Bundesverfassung nur für inländische haft für die Person ist. Die Schutzhaft ist aber keine Institution eines Rechtsstaates, sondern Presseerzeugnisse gelten sollte. Das individuelle Freiheitsrecht der Pressefrei- eine Massnahme despotischer Willkür!“ heit müsse nicht auch ausländischen Presseerzeugnissen zu gute kommen, falls Referentenführer, S. 9.

154 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 diese aus faschistischen Staaten kommen würden, da dort die Pressefreiheit nicht gelte und Vertreter von demokratischen Auffassungen nicht zu Worte kom- men könnten.

Weiter stellten die Initianten klar, dass es auch nach der Annahme des Volksbe- gehrens nicht ausgeschlossen sei, dass ein Presseerzeugnis wegen Pressever- gehens beschlagnahmt werden könne.67 Die Anhänger der Pressefreiheits-Initi- ative waren demnach keine Anhänger einer schrankenlosen Pressefreiheit.

67 Referentenführer, S. 15 und 17. Wesentlich später, nämlich im März 1938 wurde eine gemischte pressepolitische 68 Feldmann, Tagebuch, 28. Mai 1936. Kommission gegründet. Diese Kommission unterbreitete am 6. Juli 1939 einen 69 Teilnehmer dieser Konferenz waren: Hack (Presserat der deutschen Gesandtschaft in Entwurf zur Revision des Art. 55 der Bundesverfassung. Dieser Entwurf wurde Bern), Dr. Kriegk (Scherl-Verlag), Rasche (Chef- zur Hauptsache von Nationalrat Markus Feldmann ausgearbeitet. Er bekräftigte redakteur der „NS-Rheinfront“), Schwarz van die Grundsätze der Pressefreiheit, schützte die öffentlichen Interessen vor einem Berk (Chefredakteur des „Angriff“), Dr. Feld- mann (Chefredakteur der „Neuen Berner Zei- Missbrauch der Pressefreiheit, schützte aber gleichzeitig auch die Presse vor tung“), Dr. Strub (Zentralpräsident des Schweiz staatlichen Übergriffen. Sämtliche Massnahmen, welche die Pressefreiheit gefähr- Press-Vereins, Lokalredakteur der „National- Zeitung“ in Basel), Bickel (Generalsekretär des den könnten, müssten einer richterlichen Überprüfung standhalten. Schweizerischen Press-Vereins), Dr. Kopp („Vaterland“, Luzern), Jean Rubattel (Chefred- akteur des „Feuille d’avis de Lausanne“) Das in den Jahren 1939 bis 1945 geltende notrechtliche Presseregime unter- 70 Das Ergebnis dieser Aussprache kann folgen- brach die Vorstösse zur Revision des Art. 55 der Bundesverfassung. Erst nach dermassen zusammengefasst werden: Die in Konstanz zusammengekommene Abordnung dem Kriegsende wurden die Diskussionen um die Revision des Artikels 55 der bildet eine deutsch-schweizerische Pressekom- Bundesverfassung weitergeführt. Im Bericht vom 30. Oktober 1951 des Bundes- mission. Sie setzt sich aus je vier Vertretern der rates an die Bundesversammlung für die Wahrung der Pressefreiheit (Abände- beiden Länder und dem Pressebeirat in Berlin für Deutschland sowie Dr. Feldmann für die rung von Artikel 55 der Bundesverfassung) ging der Bundesrat – 16 Jahre nach Schweiz als ständige Berater zusammen. Die der Einreichung - auf das Volksbegehren der Sozialdemokratischen Partei vom Kommission tagt abwechselnd in Deutschland und in der Schweiz. Ein Beschwerdeweg wird Mai 1935 ein. Er führte aus, das Volksbegehren habe einen Teil seiner Aktualität sofort in Gang gesetzt in der Form, dass beide durch die erfolgte Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 26. März 1934 Teile, wenn sie Anlass zu einer Beschwerde über Äusserungen in der Presse des anderen im Jahre 1945 eingebüsst. Der Bundesrat empfahl daher die Ablehnung der Initi- Landes zu haben glauben, der Gegenseite ent- ative. sprechende Mitteilung machen, die diese Klage – gegebenenfalls mit eigener Stellungnahme – an die „schuldige“ Zeitung weiterleiten soll. Zur Werfen wir nun noch einen Blick auf zwei Schlüsselereignisse der folgenden Wirkung gebracht werden soll auf beiden Sei- Jahre. ten nur die moralische Autorität der Presseor- ganisationen und keinesfalls ein staatlich-politi- scher Druck. Als allgemeiner Grundsatz wurde anerkannt, dass man nicht mit zuviel Hoffnun- gen oder Forderungen anfangen wolle, um das Deutsch-schweizerische Pressekonferenzen Verfahren langsam einzuspielen. Die deutsch-schweizerischen Pressebeziehungen verschlechterten sich derart, 71 Bei dieser Zusammenkunft sollte es u.a. darum dass neue Wege bezüglich der Versöhnungspolitik angestrebt werden mussten. gehen, den Schutz der deutsch-schweizerischen Pressebeziehungen vor Einflüssen, die mit dem Am 28. Mai 1936 schlug Nationalrat Dr. Feldmann in seiner Funktion als Chef- gegenseitigen Verhältnis der beiden Länder in redakteur der „Neuen Berner Zeitung“ dem Pressechef der deutschen Gesandt- keinem unmittelbaren Zusammenhang stünden – sprich das Emigrantenproblem – zu erörtern. schaft, Hack, eine gemischt deutsch-schweizerische Pressekommission mit je Zudem sollte auch diskutiert werden wie die drei Vertretern vor.68 Es dauerte noch fast ein Jahr, bis am 27./28. Februar 1937 beiden Länder vor übertriebener ausländischer 69 Kritik in der Stellungnahme zu den inneren Ein- die Konferenz in Konstanz stattfinden konnte. Nach einer allgemeinen Aus- richtungen der beiden Staaten und ihrer Staats- sprache mit den uns nun bekannten gegenseitigen Vorwürfen wurde dann kon- form geschützt werden könnten. Ebenfalls als struktiv über Massnahmen gesprochen, welche der Kommission gegenüber Aus- zentrales Thema sollten die Voraussetzungen diskutiert werden, welche nötig wären, um wüchsen in der Presse durchführbar erschienen.70 Schliesslich kam man überein, bestehende Zeitungsverbote aufheben zu kön- dass die Kommission im Juni 1937 zu einer weiteren Beratung zusammentref- nen. Feldmann notierte am 22. März in sein 71 Tagebuch, er habe vom Ergebnis einen zwie- fen solle. spältigen Eindruck. Auf der einen Seite seien die deutschen Partner nervös gewesen wegen der inneren Spannungen und der aussenpoliti- Die Verhandlung in Konstanz war eine geheime Angelegenheit, doch erhielt die schen Isolierung. Auf der anderen Seite hätten Schweizer Presse von dieser Konferenz Kenntnis. „Die Nation“ bemerkte – unter sie aber einen gewaltigen Druck ausgeübt. Das grössere Interesse an einer Pressekonvention dem Titel „Kulturabkommen hintenherum? Das Stelldichein in Konstanz“ – fol- liege aber bei Deutschland. gendes: „Was bewog denn den Vorstand des Schweizerischen Pressevereins,

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 155 sich vor vierzehn Tagen mit führenden gleichgeschalteten Zeitungsschreibern in Konstanz zu treffen?“72

Die Initiative sei zweifellos von Berlin aus ergangen. Man fühle in Berlin anschei- nend sehr lebhaft das Bedürfnis, die schweizerische Presse in kameradschaftli- chem Geiste jetzt endlich zu wesentlich anderen Ansichten über das Dritte Reich zu bekehren. Das Blatt forderte, das zweite Treffen in der Schweiz mit allen Mit- teln zu verhindern, es sei denn, „die schweizerische Delegation gebe offen und öffentlich Auskunft darüber, was sie, ohne Auftrag ihres Vereins, hintenherum und gewissermassen „autoritär“ mit den schreibenden Beamten des Berliner Propagandaministeriums zu besprechen und zu verhandeln für gut befand.“

Der Öffentlichkeit blieb auf Wunsch Deutschlands der Inhalt der Besprechungen 72 Vgl. Nation Nr. 12 vom 20. März 1937. verborgen, was die schweizerische Delegation ständigen Verdächtigungen über 73 Bericht des Bundesrates, 35 74 Dazu und für die folgenden Ausführungen: eine „geheime Gleichschaltung“ der schweizerischen Presse aussetzte. Der Bericht von Hack an das Auswärtige Amt vom Bundesrat jedoch schrieb in seinem Bericht vom 27. Dezember 1946 an die 22. Juli 1937, AfZ MF 2828, E 445959-70. 75 Von deutscher Seite anwesend waren wiede- Bundesversammlung über die schweizerische Pressepolitik im Zusammenhang rum Hack, Kriegk, Rasche sowie neu Dr. mit dem Kriegsgeschehen 1939-1945, dass der Zentralvorstand des Vereins der Neucheler (Hauptschriftleiter des „Führer“, Karlsruhe), und Schmitt (Aussenpolitiker des Schweizer Presse verdienstvolle Bemühungen zur Herbeiführung einer Ent- „Völkischen Beobachter“). Anwesend von spannung in den schweizerisch-deutschen Pressebeziehungen unternommen schweizerischer Seite waren Strub, Bickel, Feldmann, Kopp und neu Dr. Häfeli (Präsident habe und der Vorsteher des Politischen Departements über diese Schritte dau- des „Zentralschweizerischen Pressevereins, ernd auf dem Laufenden gehalten worden sei.73 „Luzerner Tagblatt“). 76 Die Konferenz in Luzern einigte sich, unter Vor- aussetzung der Ratifizierung durch den Reichs- Wie während der ersten Konferenz im Februar beschlossen, fand die zweite verband der deutschen Presse und den schwei- Tagung auf schweizerischem Boden, in Luzern, und zwar am 17. Juli 1937 statt.74 zerischen Presse-Verein, darauf hinzuwirken, dass die Einstellung der deutschen und der 75 Die deutsche Delegation stellte zwar gewisse Fortschritte fest, forderte jedoch schweizerischen Presse den bestehenden guten noch härtere Massnahmen gegen die ihrer Meinung nach weiterhin aggressive Beziehungen zwischen beiden Staaten ent- spricht, dass Falschmeldungen, die das gegen- schweizerische Presse mit ihren Falschmeldungen und ihrer tendenziösen Berich- seitige Verhältnis der beiden Länder zu stören terstattung. Die schweizerischer Seite wies darauf hin, dass man sehr vorsich- geeignet sind, ausgeschaltet werden und dass tig vorgehen müsse, um nicht den Eindruck zu erwecken, als solle die schwei- persönliche Beschimpfungen massgebender Regierungsvertreter Deutschlands und der zerische Presse „gleichgeschaltet“ oder ihr ein „Maulkorb“ umgehängt werden. Schweiz unterlassen werden. Diese Furcht bestehe nun einmal und sei weit verbreitet. Daher drehte sich Aufgrund der Beratungen empfahl die Kommis- sion der Presse beider Länder eine Überprü- die Aussprache vor allem um die verschiedenen deutschfeindlichen Einflüsse fung sensationeller Nachrichten, die Deutsch- innerhalb der schweizerischen Presse und um die Möglichkeiten, hier Abhilfe land oder die Schweiz schädigen können vorzunehmen sowie bei aller Wahrung des 76 zu schaffen. eigenen Standpunktes und des selbständigen Urteils den positiven Leistungen Deutschlands Schliesslich beschloss die Kommission, Ende Oktober 1937 eine weitere Tagung und der Schweiz in den Zeitungen beider Län- der gerecht zu werden und über die inneren durchzuführen, zu welcher es dann aber nie kam. Zustände in beiden Ländern sachlich zu berich- ten. 77 Gesuchsteller war der Landesgruppenleiter der Landesgruppe Schweiz der NSDAP, Oberstleut- Deutsche Einflussnahme auf schweizerische Zeitungen nant a.D. Gilfert. Das Deutsche Generalkonsulat in Zürich (Geheimrat Dr. Heide) bewilligte mit Deutsche Stellen versuchten immer wieder auf verschiedene Arten in der schwei- Schreiben vom 3. Mai 1934 an die Presseabtei- zerischen Presselandschaft Fuss zu fassen. Ein einfaches, wenn auch nicht hoch lung des Auswärtigen Amtes einen Zuschuss effizientes Mittel, stellte natürlich die Subventionierung von Deutschland freund- für diese Zeitung nach Absprache mit Gesandt- schaftsrat Dr. Dankwort. AfZ.MF 3365, E 597713 lich gesinnten Blättern dar. An erster Stelle erfolgte die finanzielle Unterstützung sowie 597703 – 07. Solche Finanzierungen des „Reichsdeutschen“ und des „Internationalen Pressedienstes“ in der kamen immer wieder vor. Siehe dazu z.B. AfZ MF 2828, E 445997, Brief von an den 77 Schweiz. Geheimrat vom 3. Februar 1936 in welchem letzterer um redaktionelle und wirtschaftliche Förderung des IPA, des Internationalen Presse- Wirkungsvoller war der direkte Einfluss auf schweizerische Redaktoren. Ein illu- dienstes, gebeten wurde, um die nationalsozia- stratives Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Chefredaktor des listische Propaganda in der Schweiz nicht unterbrechen zu müssen. Auch in früheren Jah- „Berner Tagblattes“. Dr. Heinrich E. Wechlin verliess die Zeitung aus persön- ren wurde Burri bereits von Deutschland finan- lichen Gründen per 30. Juni 1936. Während seiner Tätigkeit als Redaktor hatte ziell unterstützt.

156 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 er offenbar festgestellt, dass kleinere Zeitungen gerne eigene Informationskanäle hätten, um nicht von grossen Zeitungen abhängig zu sein. Er machte deshalb dem deutschen Presseattaché den Vorschlag, diese Marktlücke mit einem von ihm geleiteten „unabhängigen“ Nachrichtendienst in Berlin zu füllen. Wechlin war überzeugt, dass wenn „man mir nicht nur keine Schwierigkeiten bereitet, sondern von Anfang unterstützt, mir Vertrauen schenkt und begreift, dass ich meinem Lande dienen und zugleich die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland auf dem Pressegebiet verbessern helfen möchte, dann wird die Sache gelingen. (...) Die alleinige und volle Verantwortung für sämtliche Nach- richten und Artikel trage ich allein mit meinen Namen.78 Die angefragten Stel- len reagierten mehrheitlich positiv.79 Wechlin gehörte aber in das Umfeld fron- tistischer Parteien, trennte sich von der „Nationalen Front“ und gründete die „Eidgenössische sozialistische Arbeiterpartei“.80 Sein Einflussbereich war dem- entsprechend sehr beschränkt.

Am 10. Juli 1936 informierte Aschmann den deutschen Gesandten Weizsäcker betreffend der Möglichkeit des Erwerbs der Aktienmehrheit des „Berner Tag- blattes“.81 Ihm sei von vertrauenswürdiger Seite mitgeteilt worden, dass diese Mehrheit für ca. 40’000 Schweizer Franken zu erwerben wäre. „Der Erwerb könn- te durch unseren schweizerischen Figurenten geschehen. Man nimmt an, dass es alsdann möglich wäre, das Blatt in eine positivere Haltung Deutschland gegen- 78 Bericht Hack an das Auswärtige Amt, AfZ MF über allmählich hineinzusteuern. Man dürfte dann zunächst zu erreichen versu- 2828, E 446003-04. chen, die Wiedereinstellung Wechlins zu veranlassen, doch scheint mir dies 79 Weizsäcker wurde via Aschmann offenbar zur Stellungnahme betreffend des Wechlin’schen angesichts des Umstandes, dass Herr Wechlin an der Hand seiner Aufsatzreihe Nachrichtenprojekts konsultiert. In einem Brief über Deutschland in der schweizerischen Presse bereits als deutscher Agent ver- des deutschen Botschafters an Aschmann datiert vom 18. 7. 1936 zeigte sich dieser gegen- leumdet war, nicht tragbar, da dann alles erneut Geschrei erheben würde.“ über der Idee Wechlins positiv eingestellt, aller- dings nur unter der Voraussetzung, dass Dr. Wechlin vorher selbst den nötigen Rückhalt in Allerdings waren gemäss Aschmann die Devisen für diesen Kauf noch nicht gesi- der schweizerischen Presse findet. AfZ MF chert, weshalb es sich momentan lediglich um ein Projekt handle. Er frage Weiz- 2828, E 446017. Mit Schreiben gleichen Datums säcker, was er von einem solchen Plan halte und ob es bei dem Misstrauen der an den Chef der Ausland-Pressebüro GmbH, Prof. Dr. Heide, der gegenüber dem Urheber Schweizer überhaupt möglich sei, die dazu nötigen finanziellen Transaktionen des Projekts gewisse Vorbehalte hatte, schrieb getarnt durchzuführen. Und wenn ja, wie sich die allmähliche Einflussnahme Weizsäcker, dass ihm Dr. Wechlin seit längerer Zeit bekannt sei. „Ich habe seine journalistische Deutschlands vollziehen solle. Alternativ fragte Aschmann Weizsäcker, ob Tätigkeit im „Berner Tagblatt“ während dieser es nicht billiger und besser wäre, wenn es gelänge, der Zeitung einen guten Zeit verfolgt und seinerzeit auch die Artikel gelesen, die er nach seinem Besuch in Berlin zu Berliner Korrespondenten zuzuschieben; dieser würde denselben Erfolg haben. Anfang dieses Jahres geschrieben hat. (...) muss ich doch sagen, dass er sich Deutschland Bereits am 18. Juli 1936 verfasste Weizsäcker seine Gedanken zum Projekt des gegenüber in dieser Zeit nach besten Kräften loyal und anständig verhalten hat, was gerade Erwerbs der Aktienmehrheit. Er war skeptisch und mahnte: „Vor allem könnte im letzen Jahr in der Schweiz nicht leicht war.“ meines Erachtens die Durchführung dieses Planes nur dann in Frage kommen, Obwohl Wechlin deutschfreundlich geschrieben habe und obwohl er seinen Posten als Chefre- wenn von uns auf den Erwerb der Publicitas A.G., für den ja wie Sie wissen ein daktor der „Berner Zeitung“ habe aufgeben neues Angebot vorliegt, endgültig verzichtet werden sollte. Kommen wir aber müssen, sei er in der Schweizerischen Presse- landschaft ein angesehener Mann geblieben. in den Besitz der Publicitas, so lässt sich die Einflussnahme auf die einzelnen Jedenfalls habe, wie er gehört habe, „der mir Blätter, wie auch in gewissen Fällen der Kauf der Aktienmehrheit, sehr viel leich- gut bekannte und sehr seriöse Chefredaktor der ter durchführen.82 „Neuen Berner Zeitung“, Nationalrat Dr. Feld- mann, Dr. Wechlin seine Unterstützung bei der Gewinnung schweizerischer Blätter für den Der in diesem Brief erwähnte Erwerb der Nachrichtenagentur Publicitas AG ist geplanten Nachrichtendienst ausdrücklich zuge- sagt, und ihm sofort auch die Vertretung seines ein interessanter Aspekt und wesentlich von grösserem Interesse als lediglich eigenen Blattes übergeben.“ AfZ MF 2828, der Erwerb der Aktienmehrheit des „Berner Tagblatts“ mit seiner beschränkten E 446019. 80 Vgl. Bonjour, Neutralität III, S. 296. Auflage. Eine Notiz vom 12. September 1935 erläutert, dass der ehemalige Reichs- 81 Aschmann an Weizsäcker, 10.7.1936 AfZ MF angehörige Wilhelm Wever in Basel, bis vor kurzem Direktor der Publicitas AG 2828, E 446007-08. 82 Weizsäcker an Aschmann, 18.7.1936 AfZ MF der Filiale Basel, bei einer Unterredung mit einem Mittelsmann erfahren habe, 2828, E 446017. dass Jean Hegnauer nicht abgeneigt sei, die Aktienmehrheit der Publicitas AG

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 157 zu verkaufen. „Falls Deutschland Interesse habe, wieder in den Besitz der frü- heren Firma Haasenstein & Vogler zu kommen, sei jetzt mit Hilfe von deutsch- freundlich eingestellten Schweizern Gelegenheit gegeben. Eine deutsche Per- sönlichkeit dürfe aber bei den Transaktionen und auch später nicht in Erscheinung treten. Durch den Erwerb der Publicitas sei es aber möglich, bei einer Reihe wich- tiger Zeitungen in der Schweiz einen gewissen Einfluss zu gewinnen.83

Während eines Genfer Aufenthaltes von Wilhelm Hack wurde die Angelegen- heit der Publicitas AG wieder aufgeworfen. Hack schrieb am 10. Juli 1936 Aschmann,84 dass er mit dem früheren Präsidenten der Publicitas AG, Henry George, zusammengebracht worden sei und dieser ihm ein Angebot unterbrei- tet habe. „Der Verkaufspreis der Aktienmehrheit scheint annähernd derselbe zu sein wie im Dezember vorigen Jahres, nämlich zwischen 5 und 6 Millionen Schweizer Franken. (...) Das Neue an dem Angebot liegt darin, dass Herr Geor- ge sich anbietet, nicht nur die Vertretung der neuen Aktien im Verwaltungsrat, sondern auch die aktive Leitung des Unternehmens in die Hand zu nehmen und den gewünschten politischen Einfluss praktisch auszuüben. (...) Für das Funk- tionieren der ganzen Sache ist es vorteilhaft, dass auch namhafte schweizeri- sche Kreise, hinter denen auch Mitglieder der Regierung stehen, genau wie wir den Wunsch haben, dem Vordringen zersetzender und deutschfeindlicher Ele- mente in der schweizerischen Presse Einhalt zu tun, und die Schweiz wieder zu ihrer wahren Neutralität zurückzuführen. Eine Einflussnahme dieser Art würde also in der Schweiz keineswegs auffallen.“

Hack hielt das Projekt nach wie vor für äusserst wichtig und beachtenswert. Es gebe kaum eine andere Möglichkeit, in grossem Stil auf die schweizerische Pres- se einzuwirken, ganz abgesehen von den Möglichkeiten, die sich gleichzeitig in Spanien, Italien und im Südosten eröffnen würden. Keines der drei Projekte war erfolgreich. Sie zeigen aber, wie auf dem verschie- densten Wegen versucht wurde, auf die schweizerische Presse Einfluss zu nehmen.

Die Blutschuldthese

Die Gustloff-Affäre 1936 Wie wir im ersten Teil unserer Studie haben zeigen können, waren die deutsch- schweizerischen Beziehungen seit 1933 getrübt. Es waren aber einzelne Ereig- nisse, die gefährliche Erruptionen in der träge fliessenden Lavamasse der stän- dig wiederkehrenden Pressefehden auslösten und das teilweise kleinliche Gezänk plötzlich zu einer ernsthaften Krise werden liessen. Das erste Ereignis dieser Art war die Ermordung von in Davos am 4. Februar 1936.85 Der Leiter der „Landesgruppe Schweiz“ der NSDAP war von einem jugoslawischen Medizinstudenten jüdischen Glaubens namens David Frankfurter erschossen worden. Der Mörder stellte sich sofort der Polizei und wurde von der Justiz des Kantons Graubünden verurteilt. Als Grund seiner Tat gab er an: „Weil ich ein Jude bin.“ Die Verhältnisse in Deutschland hätten ihn zu dieser Rachehandlung veranlasst. Diese Äusserung involvierte die Bundesanwaltschaft, da der Fall 83 Notiz vom 12.9.1935, o.N. AfZ MF 2828, E 446015-16. damit nationale Dimensionen angenommen hatte. 84 Hack an Aschmann, 10.7.1936, AfZ MF 2828, E 446009-10. 85 Vgl. u.a. Bonjour, Edgar, Geschichte der schwei- Deutschland machte die Schweizer Presse, aber auch die Schweizer Politik und zerischen Neutralität, Band III, Basel 1967, die Schweizer Behörden für diesen Vorfall verantwortlich. Die Deutsche Presse S. 89 ff.

158 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 liess eine Diffamierungswelle anrollen. Der „Völkische Beobachter“ schrieb, dass „die masslose Pressehetze, die seit Jahren Gustloff mit Schmutz bewarf, zur Ermordung Gustloffs beitrug und die Stimmung herstellte, aus der heraus die feige Mörderkugel des Juden Frankfurter diesen Kerndeutschen, ehrlichen und aufrichtigen Nationalsozialisten hinstreckte.“86

Der Deutsche Gesandte Weizsäcker telefonierte bereits am 5. Februar 1936 mit Motta und erinnerte diesen daran, dass er sich keines Amtsgespräches mit ihm entsänne, in welchem er nicht auf das energischste gegen die schweizerische Pressehetze protestiert habe. Diese Hetze habe den Ermordeten nicht nur als Inbegriff nationalsozialistischer Zersetzung der Schweiz hingestellt, seine Aus- weisung aus der Schweiz unentwegt gefordert, sondern auch in mindestens verdeckter Form zu Tätlichkeiten gegen ihn ermuntert. Die Schuld der schwei- zerischen Presse sei also unumstösslich. Weizsäcker drohte Motta sogar, dass allgemeinpolitische Auswirkungen gemäss seiner Auffassung nach diesem Vor- fall schwerlich ausbleiben könnten.87 In einem weiteren Gespräch mit Motta vom 18. Februar 1936, in welchem der Bundesrat dem Gesandten Weizsäcker mitteilte, dass ein Verbot aller Organisationen der NSDAP in der Schweiz mög- lich werde, reagierte Weizsäcker empört, obwohl gemäss Motta mit diesem Ver- bot die Landesgruppenleitung der NSDAP lediglich mit italienisch-faschisti- schen Ortsgruppen gleich gestellt würde. Weizsäcker rief aus, man werfe sozusagen dem toten Gustloff noch seine Organisation mit ins Grab.88 Es ist beachtenswert, dass der Bundesrat an diesem Verbot festhielt. Freiherr Hans Sigismund v. Bibra wurde zwar im August 1936 als mehr oder weniger getarn- ter Nachfolger in der Gesandtschaft in Bern geduldet, doch die Parteiarbeit war damit massiv erschwert worden. Noch beachtenswerter ist, dass der Bundes- rat anfangs November 1940 alle nationalsozialistischen Organisationen in der Schweiz verboten hat, dies zu einem Zeitpunkt, als das Deutsche Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht war.

Berlin machte aus dem Mord eine Staatsaffäre ersten Ranges. In einem Tele- gramm von Aschmann an Weizsäcker im Februar 1936, in welchem die deut- sche Presse angewiesen wurde, was sie über die Ermordung Gustloffs zu schrei- ben habe, betonte Aschmann, dass die Linkspresse seit Jahren das Mass des Erlaubten überschritten habe. Immer wieder seien nachdrückliche Vorstellun- gen des deutschen Gesandten beim Bundesrat erfolgt, auch wegen der Presse- hetze gegen Gustloff, welche jedoch vergeblich gewesen seien. Das Ergebnis 86 Vgl. Völkischer Beobachter, Nr. 38 vom sei nun der Mord durch Frankfurter.89 7.2.1936. 87 „Da ich auf meinem Standpunkt beharrte, erklärte Motta, gerichtliche Untersuchung wer- Weizsäcker wandte sich am 6. März wiederum an Feldmann und zeigte sich sehr de gewiss Motive und etwaige Mitschuld der besorgt über die schlechtesten Beziehungen der vergangenen hundert Jahre. Schweizerpresse, welche er nun nicht mehr abstritt, ans Licht bringen. Auf meine weiteren „Man muss sich doch darüber im klaren sein, wohin die gegenwärtige Ent- Vorhaltungen wegen völliger Unentschlossen- wicklung führt. Die öffentliche Meinung der Schweiz hat sich heute derart von heit Schweizerischer Regierung in Einschreiten der Linie der Neutralität entfernt und gegen Deutschland einnehmen lassen, gegen Pressehetze versprach mir Motta schliesslich, sich auf das energischste für ver- dass irgend etwas geschehen muss, wenn man schweizerischerseits den schärfte Handhabung Verwarnungs- und Ver- Anspruch erheben will, dass im nächsten europäischen Konflikt, bei einer neu- botsmöglichkeiten im Rahmen schweizerischer 90 Verfassung bei Gesamtbundesrat einzusetzen.“ en europäischen Krise die schweizerische Neutralität respektiert wird.“ Weizsäcker an das Auswärtige Amt, 5.2.1936, AfZ MF 3967, E 044533-35 und 88 Weizsäcker an das Auswärtige Amt, 18.2.1936, Es verwundert nicht, dass sich auch schweizerische Stimmen erhoben, die im AfZ MF 2828, E 445983-84.. eigenen Haus ausmisten wollten, ohne gleich dem Nationalsozialismus zu ver- 89 Aschmann an Weizsäcker, o.D. AfZ MF 3957, E 044564. fallen. Exemplarisch wählen wir Hans Hausamann aus. Der Appenzeller Kauf- 90 Feldmann, Tagebuch 6. März 1936. mann hatte sich ganz in den Dienst der Armee und der Aufrüstung gestellt und

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 159 vor allem in der Sozialdemokratischen Partei Aufklärungsarbeit geleistet. Spä- ter unterstellte er seinen privaten Nachrichtendienst der Armee und opferte dafür Gesundheit und Vermögen für wenig Anerkennung.91 Er schreibt: „Was man sich gegenwärtig schweizerischerseits gegenüber Deutschland leistet genügt allein schon, um uns mit Krieg zu überziehen.“92

Hausamann forderte: „Wollen wir unsere unzweideutige Neutralität als starke Waffe des Landes zurückgewinnen, dann ist es als erstes notwendig, dass man dem Treiben der roten und linksbürgerlichen Presse unserem nördlichen Nach- barn gegenüber mit aller Energie einen Riegel schiebt.“93 Diese Pressebande, dieses „unseren Volkskörper durchseuchende Geschwür“ wäre schuld, wenn sich Hitler plötzlich zu einem militärischen Angriff entschliessen würde. Diese Beurteilung ist als „Blutschuldthese“ später immer wieder vorgebracht worden. Ein Beispiel muss genügen.

Am 24. Februar 1938 beschreibt der deutsche Gesandte in Bern, Köcher, eine Unterredung mit Botschafter Hans Frölicher, zu diesem Zeitpunkt noch im Politischen Departement und ab dem 9. Juni 1938 Nachfolger von Dinichert in Berlin.94 Dabei habe er, Köcher, die Gelegenheit wahrgenommen, bei der Bespre- chung einer Führerrede nochmals die deutsch-schweizerischen Pressebezie- hungen zur Sprache zu bringen. „Das persönliche Mithören der Rede müsse doch Bundesrat Motta, wie ihn, Frölicher, selbst davon überzeugt haben, dass der Führer in Zukunft in ganz anderer Weise auf jene Haltung der Auslands- presse zu antworten gewillt sei, die böswillig selbst ein objektives Verstehen der Innen- und Aussenpolitik des Reiches sabotiere. Die Worte des Führers könn- ten keinen Zweifel darüber lassen, dass sie auch auf die Schweiz anzuwenden seien. Die Schweizer Presse habe gerade nach den Ereignissen des 4. und 12. Februars sich in ihrer Berichterstattung als abhängig von englischen und fran- zösischen sowie von zweifelhaften Wiener Quellen gezeigt. In ganz undiszipli- nierter Weise habe sie offensichtlich die Meldungen nicht nach ihrem Wahr- heits-, sondern nach ihrem Sensationsgehalt wiedergegeben. Es liege also ein eklatantes Beispiel für die Notwendigkeit stärkerer Beeinflussung der Presse von offizieller Schweizer Seite vor. Mit der Rede vom 20. d.M. habe der Führer, auch was die Schweiz anbetrifft, eine sehr ernste Warnung für die Zukunft aus- gesprochen.“

Gemäss den Aufzeichnungen Köchers habe Frölicher erwidert, er stimme mit der scharfen Kritik betreffend der Nachrichtenpolitik sowie der Haltung der Schweizer Presse in jeder Beziehung überein. Diese Aggressivität würde gerade im Politischen Departement lebhaft bedauert. Bundesrat Motta sei auf das ernsthafteste bemüht, durch persönliche Einwirkungen auf die Redaktionen einen Wandel vorzubereiten, der freilich sich nur nach und nach fühlbar machen könne.

Diese Äusserungen Köchers waren eine erpresserische Drohung. Wieder scheint die „Blutschuldthese“ auf, die im Umfeld des „Anschlusses“ von Österreich 91 Vgl. u.a. Matt, Alphons: Zwischen allen Fronten. gefährliche Aktualität erhielt. Der Bogen kann geschlagen werden zu einer Pres- Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht des Büros sekonferenz im Oktober 1938 in Bern. Motta verlas den anwesenden Journali- Ha, Frauenfeld/Stuttgart 1969. 92 Hausamann zur Ermordung Gustloffs, AfZ MF sten Briefe und Eingaben von schweizerischen Industriellen, die sich in Deutsch- Allgemeine SOG Artikel, Zeitungsartikel zur land angesiedelt hatten. Darin wurde hingewiesen, dass die Haltung der Presse Gustloff-Affäre, AfZ MF. 93 Ebenda. die schweizerischen Finanz- und Wirtschaftsinteressen schwerstens schädige. 94 Köcher an Auswärtiges Amt, 24.2.1938, AfZ MF Wenn die Presse weiterhin fortfahre, rücksichtslos ihre Meinung zu sagen, so 3967, E 0440200-22.

160 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 werde die Schweiz am meisten darunter zu leiden haben. Motta empfahl daher den Pressevertretern einmal mehr, Rücksicht zu nehmen, d.h. auf eine ideolo- gische Parteinahme ganz zu verzichten. Das liessen sich die Pressevertreter wiederum nicht gefallen. Willy Bretscher erklärte, dass sich die schweizerische Presse das Recht nehme, ihre Leser zuverlässig zu informieren und es sei ihre Pflicht, der intensiven deutschen Propaganda entgegenzuwirken. Auf schwei- zerische Wirtschaftskreise, die ihr Kapital in Deutschland angelegt hätten, kön- ne keine Rücksicht genommen werden.95 Damit trafen die beiden Grundhaltun- gen mit voller Wucht aufeinander.

Wertung Der deutsch-schweizerische Pressekrieg war ein Teil des komplizierten Verhält- nisses der Eidgenossenschaft zum nationalsozialistischen Deutschen Reich. Die beiden Positionen stiessen sich ab wie Wasser und Öl. Immer wieder liessen Vorkommnisse die Emotionen in der Schweiz hochgehen. Selbst der sonst beson- nene Feldmann schrieb in sein Tagebuch über ein Gespräch mit dem deutschen Presseattaché über den Nürnberger Parteitag von 1937: „Ich habe wegen der Nürnbergerei vom Leder gezogen, dass die Funken sto- ben, Goebbels und Dietrich aufs schärfste verurteilt und den praktischen Wert weiterer Besprechungen in aller Form in Frage gestellt. Die Zumutung, den Nürn- berger Parteitag als für unsere Besprechungen unerheblich zu betrachten, habe ich abgelehnt unter Hinweis darauf, dass doch schliesslich diese Partei zurzeit das Deutsche Reich regiere (...) Die Arroganz Hacks, der offenbar bis zur Besof- fenheit am Nürnberger Trichter gelutscht hatte, war zeitweise unausstehlich, und ich sah wiederholt den Augenblick gekommen, da er oder ich das Telephon aufhängte.“96

Ein eigentliches Presseabkommen, die Domestizierung der schweizerischen Pres- se, kam nie zustande. Die Hauptschwierigkeit für die schweizerischen Journali- sten bestand darin, Nachrichten über deutsche Verhältnisse nicht nach ihrer Richtigkeit, sondern nach ihrer „Schädlichkeit“ für das deutsche Regime zu beur- teilen. Das wollte nur eine verschwindend kleine Minderheit, beispielsweise die Redaktoren der „Neuen Basler Zeitung“. Sie wurde verboten und bei der Durch- suchung der Räumlichkeiten Beweisstücke direkter Abhängigkeit vom Reich gefunden.

Die militante Rückweisung nationalsozialistischen Gedankengutes und der For- derung nach einer Gesinnungsneutralität durch die schweizerische Bevölkerung, die Sympathisanten erreichten nicht einmal den Status einer nennenswerten Minderheit, verunmöglichte die von deutscher Seite immer wieder gewünsch- te Zurückhaltung in der Berichterstattung. Auf deutscher Seite legten der deut- sche Propagandaministers und der Reichspressechefs der NSDAP auf eine Ent- spannung der Pressebeziehungen zwischen beiden Ländern keinen Wert, es sei denn, dass eine solche Entspannung in erster Linie auf Kosten der Bewegungs- freiheit der schweizerischen Presse zu erreichen gewesen wäre.97

Noch einige Monate vor Ausbruch des Krieges stellte Weizsäcker nach der Ana- lyse der Reaktionen auf eine Führerrede verärgert fest, dass die schweizerische 95 Vgl. Rings, S. 144 Presse die feindseligste Haltung von allen Ländern zeigte. Die schweizerischen 96 Feldmann, Tagebuch 15. September 1937. 97 Weber, S. 73 und S. 74. Kommentare gingen in ihrer Kritik weiter als selbst die angelsächsischen oder 98 Bonjour, Neutralität III, S. 141. die französischen.98

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 161 Wie ein Damoklesschwert schwebte über diesen Tapferen aber die „Blut- schuldthese“. Mit Zensur durch eine „Presse-Überwachungskommission“ und Selbstzensur der Redaktoren versuchte man auch im Krieg den eingeschlage- nen Weg zu gehen, nicht masslos zu provozieren. Immer wieder harrten schwe- re Prüfungen. Am 9. Juli 1940 verlangte beispielsweise der deutsche Presse- Attaché Georg Trump beim Verleger des „Der Bund“ die Entlassung des Chefredaktors Ernst Schürch, bei der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Entlassung von Chefredaktor Bretscher, bei der „Basler-National-Zeitung“ die Kaltstellung von Alfred Kober und bei den „Basler Nachrichten“ die Absetzung von Chefre- daktor Albert Oeri. Weder der Bundesrat noch die Presse-Überwachungskom- mission gaben nach. Beide sahen ein, dass ein Nachgeben der Anfang vom Ende sein musste. Immer wieder tönten Hetztiraden über den Rhein. Die Schweiz sei nicht neutral, verjudet, verhetzt, stehe im Sold alliierter Propaganda und ver- schliesse sich dem Neuaufbau Europas. Nach dem Überfall auf Belgien und Hol- land führe die schweizerische Presse einen „geistigen Giftgaskrieg“. Nach der Auslösung des Russlandfeldzuges gab man zu bedenken, dass die Russen nicht am Bodensee Halt machen werden. Deutschland kämpfe zur Erhaltung der euro- päischen Kultur, auch zum Wohle der Schweiz, dem Land der verlogenen Poli- tiker und der wirtschaftlichen Schmarotzer Europas. Leute die das neue Europa kritisieren, sollen eine neue Heimat in den Steppen Asiens suchen oder gleich ins Jenseits verschwinden. Auf keinen Fall hätten sie Platz in diesem neuen Europa.

In den Zeiten verschärfter Kontrolle, beispielsweise nach der Niederlage Frank- reichs im Sommer 1940, wirkten die Karikaturen der politisch-satyrischen Zei- tung „Nebelspalter“ immer wieder befreiend. Auch die Pfauenbühne in Zürich mit ihren Emigranten und die verschiedenen Kleintheater kämpften gegen die geforderte Gesinnungsneutralität an und sprachen Klartext, was ängstliche Gemüter erschreckte, welche die vernichtende Strafe durch die Deutsche Wehr- macht fürchteten.

Der Oberkommandierende der Schweizer Armee, General Henri Guisan, erreich- te erst 1942 die Unterstellung der Abteilung Presse und Funkspruch unter das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und konnte die Armeeleitung wegen der Pressekontrolle aus dem Schussfeld nehmen.

Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika und nach der zweiten russischen Winteroffensive nahmen sich die Presseorgane zunehmend gewisse Freiheiten heraus. Die Pressekontrolle wurde dann sofort nach Kriegsschluss aufgehoben. Geben wir abschliessend Albert Oeri das Wort. Damit setzen wir einen Gegen- pol zu Gustav Däniker. Es ist eine Stelle aus einem Brief, den er am 24. Juli 1940 an den Bundesrat richtete99. Er sei unsicher geworden, ob der Bundesrat dem deutschen Druck noch widerstehen wolle. Die Presse wage kaum mehr ein kräf- tiges Schweizerwort zu drucken. Das nötige Gegengewicht zu den Äusserungen von Hasenfüssen sei aus den Spalten der meisten Zeitungen verschwunden. Der Defaitismus gehe um. „Das Ausland beginnt, die Schweiz für fallreif zu halten. Man ist in Deutschland, wie ich durch sehr gute und ganz frische Informationen weiss, überzeugt, dass nur noch wenige Druckverstärkungen gegen uns nötig seien, um uns über den Haufen zu werfen. Diese Druckverstärkungen sind, wie Sie besser als ich wis- sen, im Gange. Auf dem Gebiet der Wirtschaft versucht man, uns durch die Aus- sicht auf massenhafte Arbeitslosigkeit und Hungersnot zu ängstigen. Militärisch 99 Vgl. Teuteberg, Oeri, S. 150 ff.

162 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 versucht man, uns durch den gegenwärtigen Saufmarsch an unserer West- und Nordgrenze einzuschüchtern.

Ebenso sicher aber weiss ich, dass kein massgebender Faktor in Deutschland gegenwärtig daran denkt, den schweizerischen Apfel vom Baume zu reissen, wenn er nicht von selbst herunterfällt. Ces messieurs ont d’autres chat à fouet- ter, solange England nicht besiegt ist. Diese Besiegung kann kommen. Aber sie wird, wenn die Engländer nicht plötzlich schlapp werden, durch Menschenver- luste erkauft werden müssen, die der Armee grösste Sparsamkeit mit jedem Sol- datenleben empfehlen. Die Schweiz wird darum militärisch nur angegriffen wer- den, wenn mit einem Minimum von Verlusten zu rechnen ist, à la Einmarsch in Österreich.“

Und zur Gefahr der Absetzung als Chefredaktor meinte er abschliessend: „Mein persönliches Schicksal ist mir ganz gleichgültig. Ich bin fünfundsechzig Jahre alt, habe ein glückliches Leben hinter mir und erhebe nicht den geringsten Anspruch darauf, dass es mir in meinen alten Tagen besser gehe als unzähligen braven Leuten, die durch die Weltereignisse unter die Räder geraten sind. Auch bin ich ein gläubiger Christ und schon darum nicht ängstlich für meine Person. Aber deswegen kann ich Ihnen doch nicht verschweigen, was ich sachlich als gefährlich für unsere Volksstimmung ansehen muss. Mit ausgezeichneter Hoch- achtung Ihr sehr ergebener A. Oeri.“

Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, eine Strecke zwischen pragmatischer Anpassung aus Überzeugung und trotzigem eidgenössischem Widerstand eben- so aus Überzeugung. Zur ersten Gruppe gehörten nur wenige Militärs und zur zweiten nicht nur Pressevertreter. Die ersteren hatten unrecht und die letzteren waren mutig. Die „Blutschuld“ wurde bei ihnen nicht eingefordert, dafür aber nach dem Krieg und unlängst wieder angebliche materielle und ideelle Schul- den ... aber das ist ein anderes Thema.

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 163 Hans Rudolf Fuhrer Autor PD Dr. phil Geboren am 9.5.1941 Heimatort: Winterthur und Trubschachen/BE Dozent für allgemeine und schweizerische Militärgeschichte MILAK/ETHZ; PD Universität Zürich für schweizerische Militärgeschichte

Berufliche Laufbahn

1961-1965 1961-1965 Primarlehrer 1968-1982 Sekundarlehrer, Turnlehrer ETH, Turndidaktik Sekundar- und Fachlehrerausbildung (SFA) an der Universität Zürich 1982 Doktorat, Dissertation: „Spionage gegen die Schweiz. Die geheimen deutschen Nachrichtendienste gegen die Schweiz im Zweiten Weltkrieg 1939-1945“, Frauenfeld 1982 1982-1989 Seminarlehrer SFA Universität Zürich seit 1990 Dozent für Militärgeschichte an der Militärischen Führungs- schule bzw. Militärakademie an der ETH Zürich 1995 Habilitation „Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg. Bedrohung, Landesverteidigung und Landesbefestigung“, Zürich 2003, 3. Auflage

Militärischer Grad

Oberst a.D. zuletzt Kdt Mot Inf Rgt 25, Militärwissenschaftliche Arbeitsgruppe des Chefs Heer (MWA)

Weitere Tätigkeiten

Vorstandsmitglied der Schweizerischen Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaft (SVMM); Vorstandsmitglied der Gesellschaft Militär- historischer Studienreisen (GMS); Mitglied verschiedener historischer Vereinigungen; Stiftungsratspräsident der Psychiatrischen Klinik Hohenegg, Meilen; Mitglied der Kantorei Meilen

Weitere Publikationen (Auswahl)

Dokumentation „Militärgeschichte zum Anfassen“ zur schweizerischen Militärgeschichte, bis heute 17 Studien erschienen in Deutsch, Französisch und Italienisch; Die Geschichte der schweizerischen Landesbefestigung, Zürich 1992; General Ulrich Wille. Den einen Vorbild – den andern Feindbild, Zürich 2003; diverse Beiträge in der Fachliteratur und Fachzeitschriften zur allgemeinen und schweizerischen Militärgeschichte

164 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Autor Stephan Lüchinger Dr. rer. publ. HSG Unternehmenssteuer- und Rechtsberater Geboren am 29. August 1969 Heimatort: Oberriet SG

Berufliche Ausbildung

Kantonsschule Frauenfeld 1985-1989 Universität St. Gallen (Studium mit Doktorat) 1990-1992 sowie 1994-1998 Université de Paris 1998-2000 Dissertation im Bereich Staatswissenschaften / Geschichte: Das politische Denken von Condorcet Seit 2000 Berater in der Abteilung Steuern und Recht von Deloitte & Touche AG, Zürich

Militärische Einteilung: Gefreiter / Wissenschafter MILAK/ETH

MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 165 166 MILAK Schrift Nr. 2 – 2004 Broschuere_UG_Nr2_4_2004.qxp 14.4.2004 6:46 Uhr Seite 1

DEFENSEVERTEIDIGUNG • HÖHERE KADERAUSBILDUNG DER ARMEE • FORMATION SUPERIEURE DES CADRES DE L'ARMEE DIFESA • ISTRUZIONE SUPERIORE DEI QUADRI DELL'ESERCITO DEFENCE • ARMED FORCES SENIOR CADRE TRAINING

Militärgeschichtliche Studien I Louis-Napoléon Gustav Däniker d.Ä.

Herausgeber Militärakademie an der ETH Zürich 2004 Verantwortlich für diese Nummer: PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer

Gestaltung, Satz und Druck Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA), Multimedialer Dienst (MMD)

Bildmaterial Militärakademie an der ETH Zürich ETH Zürich Militärakademie an der ETH Zürich Eidgenössische Militärbibliothek Museum Arenenberg Schriftenreihe © Militärakademie an der ETH Zürich, 2004

ISBN 3-9520950-5-2 MILAK Schrift Nr.2 Militärgeschichtliche Studien I 74 MILAK Schrift Nr. 4 – 2004