Arno Ros:

Mentale Verursachung und mereologische Erklärungen. Eine einfache Lösung für ein komplexes Problem.

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1. Einleitung1 Der Ausdruck „mentale Verursachung“ wird in der neueren philosophischen Diskussion zumeist in einem sehr umfassenden Sinne gebraucht. Es gibt jedoch gute Gründe dafür, zwischen zwei Verwendungsweisen dieses Ausdrucks, einer engeren und einer weiteren, zu unterscheiden. „Mentale Verursachung“ im engeren Sinne bezeichnet alle jene Fälle, in de- nen psychische Aktivitäten eines Individuums Veränderungen in seinem Körper, und Geschehen im Körper eines Individuums Veränderungen in seiner psychi- schen Verfassung hervorzurufen scheinen. Wenn die Vorstellung einer angstbe- setzten Situation eine Erhöhung des Noradrenalinspiegels im Blut des betreffen- den Individuums mit sich bringt, oder wenn die Einnahme eines aus Hanf (canna- bis sativa) gewinnbaren Stoffs beruhigend wirkt, Schmerzen verringert sowie zu gesteigertem Appetit, stärkeren Gefühlen und intensiveren Sinnesempfindungen führt, hat man es mit Beispielen für diese Art von mentaler Verursachung zu tun. Mit dem weiteren Gebrauch des Ausdrucks „mentale Verursachung“ hinge- gen sind, abgesehen von dem soeben Genannten, auch noch jene Fälle gemeint, in denen jemand aufgrund zuvor von ihm realisierter psychischer Aktivitäten zum Vollzug einer weiteren psychischen Aktivität oder zum Vollzug einer Handlung gelangt. Wer es für richtig hält, auch in diesem weiteren Sinne von mentalen Verursachungen zu sprechen, würde beispielsweise sagen wollen, dass gewisse Überlegungen, die jemand angestellt hat, ihn dazu „verursacht“ hätten, sich zum Kauf einer bestimmten Sorte Kaffee zu entscheiden und diesen Kauf dann auch tatsächlich zu tätigen.

Probleme mit dem im weiteren Sinne verstandenen Begriff der mentalen Verursachung Ob der weitere Gebrauch des Ausdrucks „mentale Verursachung“ sinnvoll ist, ist allerdings fraglich. Mit der Rede von „Verursachungen“ ist in solchen Zusam- menhängen die Überzeugung verbunden, dass die in psychologischen Erklärungen erörterten Beziehungen zwischen den psychischen Phänomenen und den Hand- lungen eines Menschen, beziehungsweise die in solchen Erklärungen angespro- chenen Beziehungen zwischen den psychischen Phänomenen eines Menschen allein, in allen wesentlichen Punkten den Beziehungen gleichen, welche innerhalb kausaler – „Ursachen“ und „Wirkungen“ thematisierender − Erklärungen für das Eintreten physischer Geschehen erörtert werden. Und das aber ist, trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen in der neueren Literatur, in Wirklichkeit nicht der Fall. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass psychologische und kausale Erklärungen ei- ne Reihe von Gemeinsamkeiten aufweisen. Verwunderlich ist dies freilich nicht: Schließlich dienen beide Erklärungen dazu, das Eintreten von im weiteren Sinne

1 Ich danke Henning Moritz für Hinweise und Kritik. Ros_Mentale_Verursachung, 3 zu verstehenden Geschehen verständlich zu machen. Bedeutsamer ist, dass es abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten auch eine Reihe spezifizierender Diffe- renzen zwischen ihnen gibt. So gilt zum Beispiel: Wenn wir von Ursachen benen- nenden kausalen Erklärungen sprechen, meinen wir damit Fälle, in denen es bei einem bestimmten Gegenstand zu einer Veränderung gekommen ist, ohne dass dieser Gegenstand zu dieser Veränderung selber beigetragen hat. Wenn wir hingegen psychologische Erklärungen heranziehen, haben wir Fälle im Auge, in denen es bei einem Individuum zu einer Veränderung gekommen ist, zu der dieses Individuum im Regelfall sehr wohl in einem mehr oder weniger großen Ausmaß selber beigetragen hat. Tatsächlich fassen wir die Handlungen eines Individuums ja als Aktivitäten auf, die nicht einfach „ablaufen“ oder dem betreffenden Indivi- duum „widerfahren“, sondern als Aktivitäten, welche dieses Individuum „selber hervorbringt“. Begriffliche Eigenheiten so auffälliger Art sind ein deutliches Indiz dafür, dass wir in einigen Teilen unserer alltagsweltlichen Unterscheidungspraxis mit Konstellationen eines wesentlich anderen Typs rechnen als dort, wo wir von Ursache-Wirkung-Beziehungen sprechen. Nicht umsonst sagen wir eben nicht, dass jemand sich zum Kauf von Kaffee einer bestimmten Sorte entschieden habe, weil vorausgegangene Überlegungen diese Entscheidung verursacht hätten; wir sagen vielmehr, dass diese Überlegungen der Grund für diese Entscheidung gewe- sen seien. Dieser Differenzierung aber würde man nicht gerecht werden, wollte man auch im Hinblick auf solche Fälle von mentalen Verursachungen sprechen. Nun sind einmal eingespielte Unterscheidungsgewohnheiten selbstverständ- lich nicht sakrosankt. Und da es auch heute noch, trotz langjähriger Bemühungen, schwer fällt, genauer zu explizieren, worin eigentlich der rational nachvollziehba- re Kern dessen liegt, dass Handlungen, und zumindest zum Teil auch psychische Aktivitäten, uns als Aktivitäten gelten, die von ihrem jeweiligen Träger „selber hervorgebracht“ werden, liegt die Versuchung nahe, dafür zu plädieren, von die- sen Eigenheiten unserer Alltagspsychologie einfach abzusehen.2 Aber wer so vorgeht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er ein bestimmtes, in unserer herkömmlichen Begrifflichkeit steckendes Rätsel nicht gelöst, sondern lediglich handstreichartig beiseite geschoben hat.3

2 So zum Beispiel D. Davidson (1971). 3 Die aktuell weit verbreitete „kausalistische“ Interpretation der Beziehung zwischen den psychischen Phänomenen eines Menschen und seinen Handlungen – die ihren prominentesten philosophiehistorischen Vorläufer in David Hume hat − ist insbesondere durch Carl Gustav Hem- pels Aufsatz „Rational Action“ (1961/1962) sowie Donald Davidsons Aufsatz „Actions, Reasons, and Causes“ (1963) geprägt worden. Eine kurz darauf entwickelte Gegenposition zu dieser Auffas- sung findet sich in G. H. von Wrights Explanation and Understanding (1971). Zum Verhältnis zwischen dem Ansatz Davidsons und dem von Wrights vgl. G. Keil (2007). Zu einem neueren Vorschlag, die Rede vom „Hervorbringen“ von Handlungen und die damit zusammenhängenden Eigenheiten psychologischer Erklärungen systematisch verständlich zu machen, s. A. Ros (2005, Teil V). Auf einen Teil dieses Vorschlags greife ich im Abschnitt 3 dieses Aufsatzes zurück. Ros_Mentale_Verursachung, 4

Probleme mit dem im engeren Sinne verstandenen Begriff der mentalen Verursachung Probleme wirft freilich auch der im engeren Sinne verstandene Begriff der menta- len Verursachung auf, jener Begriff also, der ausschließlich dazu dient, auf Bezie- hungen zwischen den psychischen und den körperlichen Phänomenen eines Indi- viduums aufmerksam machen zu können. Allerdings sind diese Probleme anders gelagert als die, welche mit der weiteren Fassung dieses Begriffs verknüpft sind. Befürworter des im weiteren Sinne verwendeten Begriffs der mentalen Verur- sachung sprechen sich dafür aus, Fälle, die wir alltagsweltlich nicht als kausale Beziehungen interpretieren, gleichwohl als solche zu verstehen. Wobei sie diese Auffassung im Übrigen häufig mit der Behauptung begründen, dass es nur so möglich sei, bei einem Individuum eintretende psychische Veränderungen und von ihm vollzogene Handlungen in einer rationalen, wissenschaftlichen Standards genügenden Weise zu erklären. Dass es im engeren Sinne verstandene mentale Verursachungen – kausale Be- ziehungen zwischen den psychischen Phänomenen eines Individuums und Abläu- fen in seinem Körper − tatsächlich gibt, entspricht hingegen durchaus bereits unserem alltagsweltlichen Selbstverständnis: Wir haben in der Regel keine Be- denken, zu sagen, dass Angstvorstellungen bei dem jeweiligen Individuum kör- perliche und die Einnahme gewisser chemischer Substanzen psychische Verände- rungen verursachen können. Nur scheinen in diesem Fall Überlegungen, die eng mit einem bestimmten Verständnis wissenschaftlich-rationaler Zugänge zur Welt verknüpft sind, zu dem Schluss zu nötigen, dass es dergleichen Ursache-Wirkung- Beziehungen in Wirklichkeit gar nicht geben kann. Die Schwierigkeit, mit der man es hier zu tut hat, lässt sich in besonders über- sichtlicher Form als ein Trilemma zwischen drei Grundannahmen darstellen, die allein für sich genommen plausibel zu sein scheinen, in Verbindung mit den je- weiligen beiden anderen Annahmen gesehen aber zu Widersprüchen führen: 1. Prinzip von der Existenz im engeren Sinne verstandener mentaler Verursachungen: Es gibt Fälle, in denen ein Individuum mit seinen psy- chischen Aktivitäten Veränderungen in seinem Körper hervorruft; und es gibt Fälle, in denen Veränderungen im Körper eines Individuums dessen psychische Verfassung beeinflussen. 2. Prinzip von der Bereichsspezifität von Erklärungen: Veränderungen von Gegenständen eines bestimmten Gegenstandsbereichs sollten immer nur dadurch erklärt werden, dass man sich auf Einflussnahmen bezieht, die von Gegenständen desselben Gegenstandsbereichs ausgehen. 3. Prinzip von der Bereichsdifferenz zwischen psychischen und materiel- len Phänomenen: Die psychischen Eigenschaften und Aktivitäten eines Individuums gehören einem anderen Bereich von Gegenständen an als die materiellen Eigenschaften und Aktivitäten, die seinem Körper zuzurechnen sind. Ros_Mentale_Verursachung, 5

Unter diesen drei Prinzipien verdient insbesondere das Prinzip von der Be- reichsspezifität von Erklärungen besondere Beachtung.4 Historisch gesehen hängt dieses Prinzip eng mit dem Entstehen der Wissenschaften in der griechischen Antike zusammen. Es ist eine von mehreren Formen, in denen das damalige Be- mühen zur Abgrenzung von magisch-religiös geprägten Umgängen mit der Welt – für die das Prinzip von der Bereichsspezifität von Erklärungen gerade nicht gilt – zum Ausdruck kommt. Demokrit zum Beispiel, so berichtet Aristoteles in seiner Schrift De generatione et corruptione, „behauptet, Wirkendes und Leidendes müssten dasselbe und einander ähnlich sein. Denn es gehe nicht an, dass andersgeartete und verschiede- ne Dinge aufeinander einwirkten, nein, auch da, wo andersartige aufein- ander wirkten, täten sie es nicht, sofern sie von anderer Art seien, son- dern von gleicher.“ Und wenig später vertritt Aristoteles sogar selbst die Auffassung: Alles, was aufeinander einwirken könne, müsse zwar nicht der Art, wohl aber der Gattung nach dasselbe sein: „Die Natur will es, dass Körper von Körper, Geschmack von Geschmack, Farbe von Farbe Wirkung erfährt, allgemein ein Ding von einem andern der gleichen Gattung.“5 In der Praxis der einzelnen empirischen Wissenschaften gilt die Orientierung an einer solchen Richtlinie auch gegenwärtig weiterhin durchweg als selbstverständ- lich. Die neuere philosophische Diskussion hat zwar häufig allein eine bestimmte Untervariante dieser Richtlinie besonders herausgestellt: Die unter dem Titel „Prinzip von der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt“ geläufige Forde- rung, Veränderungen eines physischen Gegenstands allein unter Verweis auf das Eintreten weiterer physischer Geschehen, und die Annahme von Gesetzmäßigkei- ten zwischen physischen Geschehen, zu erklären.6 Doch in Wirklichkeit liegen entsprechend spezifizierte Prinzipien auch der Praxis anderer Wissenschaften, und zum guten Teil auch der Praxis alltagsweltlicher Erklärungen, zugrunde. So würden wir es zum Beispiel normalerweise ablehnen, die Handlungen und psychischen Phänomene eines Individuums durch etwas anderes zu erklären als durch weitere Handlungen und psychische Phänomene dieses Individuums. Schon Sokrates weist in jener bekannten Passage des Phaidon, in der es um die Erklä- rung für seine Bereitschaft geht, das über ihn verhängte Todesurteil hinzunehmen, alle Versuche nach einer allein körperlichen Erklärung zurück: Das, was ihn zu

4 Der genauere Status dieses Prinzips ist kontrovers. Während manche davon überzeugt sind, dass es sich bei ihm um eine universelle empirische Behauptung über Teile der Welt handeln müsse, verstehen andere es als normative Festlegung für den sinnvollen wissenschaftlichen Zu- gang zu Teilen der Welt. Ich orientiere mich im Folgenden an der normativen Deutung dieses Prinzips. 5 Aristoteles, De generatione et corruptione, A 7.323b-34a. 6 So zum Beispiel, neben vielen anderen, Peter Bieri (1993, 5). Ros_Mentale_Verursachung, 6 diesem Entschluss gebracht habe, sei allein seine Überzeugung, dass es „besser und schöner“ sei, „dem Staate die Strafe zu büßen, die er verordnet“.7 Darüber hinaus fällt auf, dass es beispielsweise innerhalb der Biologie üblich ist, die Aktivitäten eines als solches verstandenen Lebewesens entweder teleono- misch (das heißt unter Hinweis auf bestimmte Zweckmäßigkeiten) oder unter Rückgriff auf das Einwirken von Reizen zu erklären: Da beides Erklärungsarten sind, die sich weder mit den für die Physik noch mit den für die Psychologie kennzeichnenden Weisen des Erklärens decken, lässt sich mit gutem Grund nicht nur von einem Prinzip der Autonomie des Psychischen, sondern auch von einem Prinzip der Autonomie des Biologischen sprechen.8 Überdies gibt es vergleichba- re, und ebenfalls gut begründete Ansprüche auf eigenständige Formen des Erklä- rens auch in den Wissenschaften, die sich mit Individuen befassen, welche im- stande sind, sich an Regeln zu orientieren – den Sozial- und Geisteswissenschaf- ten also.9 Es ist mithin kein Zufall, dass jeder, der die Erklärungsverfahren verlässt, die für die wissenschaftliche Erforschung eines bestimmten Gegenstandsbereichs kennzeichnend sind, je nach Sachlage mit dem Vorwurf des „Psychologismus“, „Biologismus“, „Physikalismus“, usw. rechnen muss. Gleichwohl weichen wir nun aber, wie es scheint, in einigen Fällen vom Prinzip der Bereichsspezifität der Erklärungen ab. Zwar erweckt jemand, der ernsthaft behauptet, er sei fähig, allein mit Hilfe bestimmter Vorstellungen Löffel zu verbiegen oder Tische zu verrücken, unter aufgeklärten Menschen nicht etwa Interesse, sondern würde, günstigenfalls, als Sonderling betrachtet werden. Aber wenn es um die physischen Abläufe im Kör- per eben des Individuums geht, das die eine oder andere psychische Aktivität vollzieht, sehen wir die Dinge anders. Menschen sind bereits seit langem davon überzeugt, durch bloßes Meditieren auf ihre körperliche Verfassung Einfluss nehmen zu können10, so, wie sie auch keinen Zweifel daran haben, dass emotiona- le Beeinträchtigungen die körperliche Beschaffenheit eines Menschen in Mitlei- denschaft ziehen können. Und auf der anderen Seite gilt es als ebenso selbstver- ständlich, dass Abläufe im Körper eines Menschen dessen psychische Verfassung verändern können. Tatsächlich mehren sich in den letzten Jahrzehnten sogar Bemühungen, dergleichen Wirkungszusammenhänge technisch und kommerziell zu nutzen. Ein Beispiel für Unterfangen, in denen die Möglichkeit der Beeinflussung von Materiellem durch Psychisches genutzt werden soll, sind die gegenwärtig inner-

7 Platon, Phaidon, 99a. 8 So zum Beispiel E. Mayr (1991, 16-35); ders. (1997, dt. Ausgabe 56-59). 9 Wie das Beispiel Ernst Mayrs und zahlreiche weitere Beispiele aus der Biologie sowie anderen Wissenschaften belegen, ist es schlicht nicht wahr, wenn J. Schröder (2004, 269) behaup- tet, die Forderung, sich bei der Suche nach Wirkungszusammenhängen immer innerhalb eines bestimmten Bereichs aufzuhalten, besitze „für uns heute keine Kraft mehr“. 10 Vgl. dazu zum Beispiel die von G. R. Taylor (1982, 139ff.) zusammengetragenen Belege. Ros_Mentale_Verursachung, 7 halb einiger Teile der Neurowissenschaften unternommenen Anstrengungen zur Herstellung so genannter Brain Computer Interfaces (BCIs). Ziel eines Großteils dieser Bemühungen ist es, Menschen, die krankheits- oder unfallbedingt an einer weit reichenden Muskellähmung leiden, in die Lage zu versetzen, mit Hilfe psy- chischer Aktivitäten beispielsweise einen Computer, einen Fernseher oder einen Roboterarm ihren Wünschen gemäß zu steuern.11 Herkömmlicherweise versucht man solchen Menschen zu helfen, indem man auf ihre häufig noch vorhandene Fähigkeit, die Augen zu bewegen oder mit ihnen zu blinzeln, zurückgreift: Solche Bewegungen werden mit einer Kamera aufgenommen und können dann mit Hilfe eines bestimmten Codes in Befehle zur Verschiebung eines Cursors auf einem Computerbildschirm umgesetzt werden. Dem an der fortschreitenden Muskelläh- mung ASL (Amyotrophe Lateralsklerose) erkrankten Stephen Hawking bei- spielsweise gelingt es mit Hilfe dieser Technik, einen Sprachcomputer zu bedie- nen. BCIs hingegen setzen tiefer an: Menschen bringen, so der Grundgedanke dieser Techniken, mit ihren Vorstellungen bestimmte Abläufe in ihrem Gehirn hervor, und die können genutzt werden, um entweder in einem Gehirnimplantat oder in einem am Kopf angebrachten Aufzeichnungsgerät, wie zum Beispiel einem Elektroenzephalographen, elektrische Impulse zu erzeugen, die sich als Signale zur Steuerung unterschiedlicher Geräte verwenden lassen.12 Beispiele für die technische und kommerzielle Nutzung in die umgekehrte Richtung ablaufender Wirkungszusammenhänge lassen sich der Produktion und dem Vertrieb von Psychopharmaka und Nootropika – Stoffen zur Behandlung psychischer Störungen beziehungsweise zur Steigerung kognitiver Fähigkeiten − entnehmen, die in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben.13 Nur ändert die Selbstverständlichkeit, mit der wir von der Existenz solcher Fälle ausgehen, nichts daran, dass wir offenbar nicht verstehen, warum sie eigent- lich möglich sind, sondern uns in das vorhin dargestellte Trilemma verstricken.14 Und so stellen sich in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Fragen: (a) Gibt es gute Gründe dafür, dass wir es für möglich und sinnvoll halten, zur Erklärung für manche der im Körper eines Menschen stattfindenden physi-

11 Vorstellbar sind natürlich auch ganz andere, zum Beispiel militärische Nutzungen der Er- gebnisse solcher Forschungen. Und zusätzliche, gegenwärtig freilich gänzlich utopische Gedan- kenschritte führen zu jenen Bereichen der Science-fiction, die von Cyborgs (cybernetic organisms) bevölkert sind, das heißt von Wesen, die zum Teil Mensch und zum Teil Roboter sind. 12 Ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung findet sich in H.-A. Marsise, A. Meyer (2006). Vgl. auch V. Ahne (2006). 13 Vgl. dazu S. Schleim (2005), M. S. Gazzaniga (2005). 14 Man beachte nochmals, dass sich dieses Trilemma erst stellt, wenn man als Richtschnur für die Beurteilung der Richtigkeit von Erklärungen nicht die in dieser Hinsicht vergleichsweise unbefangenen Erklärungspraktiken der Alltagswelt, sondern die drei oben genannten, für wissen- schaftliche Vorgehensweisen kennzeichnenden Prinzipien verwendet. Manche Autoren, so zum Beispiel L. R. Baker (1995), haben angesichts dieser Sachlage dafür plädiert, das eine oder andere jener Prinzipien (gedacht wird meist an das Prinzip von der Bereichsspezifität von Erklärungen) einfach fallen zu lassen. Aber wer so vorgeht, verkennt, dass es für die Orientierung an jedem der drei Prinzipien gute Gründe gegeben hat und auch weiter gibt, und man gerne wissen möchte, worin genau eigentlich der Fehler liegt, der zu jenem Trilemma führt. Ros_Mentale_Verursachung, 8

schen Geschehen nicht, oder zumindest nicht nur, auf weitere physische Ge- schehen zurückzugreifen − wie es das Prinzip von der kausalen Geschlossen- heit der physischen Welt fordert −, sondern (auch) auf von diesem Menschen vollzogene psychische Aktivitäten? (b) Gibt es gute Gründe dafür, dass wir es für möglich und sinnvoll halten, zur Erklärung für das Eintreten mancher bei einem Menschen anzutreffender psy- chischer Veränderungen nicht, oder zumindest nicht nur, auf psychische Akti- vitäten und/oder Handlungen dieses Menschen zurückzugreifen − wie es das Prinzip von der Autonomie des Psychischen fordert −, sondern (auch) auf physische Geschehen im Körper dieses Menschen? Beide Fragen sind Gegenstand der folgenden Ausführungen.

2. Bisherige Lösungsansätze Die in der philosophischen Tradition am häufigsten anzutreffenden Versuche, Antworten auf die Fragen (a) und (b) zu entwickeln, gehen von entweder sub- stanzdualistischen oder substanzmonistisch-materialistischen Grundannahmen aus. Nach einer gegenwärtig weitgehend geteilten Überzeugung haben alle diese Bemühungen bisher indes zu keinen systematisch befriedigenden Lösungsmög- lichkeiten geführt.15 Vertreter substanzdualistischer Ansätze wie zum Beispiel Descartes oder Leibniz scheitern zunächst einmal bereits an dem Umstand, dass der von ihnen in Anspruch genommene Begriff unabhängig vorkommender psychischer Phänome- ne in Form von Seelen oder Geistern sich allem Anschein nach nicht auf eine methodisch befriedigende Grundlage stellen lässt: Alle bisher entwickelten Vor- schläge zur Klärung dieser Begriffe greifen auf ihrerseits unklare Begriffe zurück, verstricken sich in Zirkel, oder führen zu einer Explikation von Begriffen, die in Wirklichkeit keine Begriffe für psychische, sondern für spezielle Arten von physi- schen Phänomenen sind.16 Darüber hinaus wird substanzdualistischen Positionen häufig, und zu Recht, entgegengehalten, dass es von den Prämissen solcher Auffassungen aus gesehen mysteriös bleiben muss, warum wir es für sinnvoll halten, zur Erklärung für das Eintreten mancher physischer Geschehen auf Psychisches, und zur Erklärung für das Eintreten mancher psychischer Geschehen auf Physisches zurückzugreifen. Descartes hatte diese Abweichung vom Prinzip der Bereichsspezifität der Erklä- rungen zwar durch die Behauptung zu rechtfertigen versucht, dass es im Men- schen, vermittelt über die Zirbeldrüse, zu einer wechselseitigen Einflussnahme, einer „Interaktion“, zwischen psychischen und physischen Phänomenen kommen könne. Da physische Substanzen räumlich lokalisierbare Gegenstände sind, und Einwirkungen auf solche Gegenstände, Descartes’ eigenen Grundannahmen nach,

15 So auch das Resultat der beiden, auf einen Überblick über die aktuelle Diskussionssitua- tion zielenden Monographien von A. Beckermann (2001) sowie von S. Walter (2006). 16 Ausführlichere Darlegungen dazu finden sich in A. Ros (2005, 209-213). Ros_Mentale_Verursachung, 9 nur von weiteren räumlich lokalisierbaren Gegenständen ausgehen können, würde eine solche Interaktion jedoch voraussetzen, dass auch die psychischen Substan- zen räumlich lokalisierbare Gegenstände sind – genau das aber sind sie innerhalb des von Descartes in Anspruch genommenen grundbegrifflichen Rahmens gerade nicht.17 Vertreter substanzmonistisch-materialistischer Positionen haben aus Befun- den wie diesen den Schluss gezogen, dass nur die Begriffe für unabhängig vor- kommende Phänomene, die physische (= materielle) Phänomene sind, oder sich in einer methodisch einwandfreien Weise aus Begriffen für physische Phänomene rekonstruieren lassen, als sinnvolle Begriffe gelten dürfen.18 Auf diese Weise, so die mit diesen Positionen verknüpfte Hoffnung, müsste es zugleich auch möglich sein, das Prinzip von der Bereichsdifferenz zwischen psychischen und physischen Phänomenen aufzuheben, oder zumindest soweit abzuschwächen, dass das oben genannte Trilemma verschwände. Doch auch die bisher vorliegenden drei wich- tigsten Varianten jener Ansätze – der eliminative Materialismus, der identitätsthe- oretische Materialismus und der nicht-reduktive Materialismus − sind gravieren- den Bedenken ausgesetzt. Der eliminative Materialismus19, der pauschal alle Begriffe für psychische Phänomene, sowohl die substantialistisch („Seele“, „Geist“, usw.) wie die attribu- tiv („empfinden“, „meinen“, „beabsichtigen“ usw.) verstandenen, als methodisch unhaltbar einschätzt und sie daher zumindest aus wissenschaftlichen Kontexten verbannen möchte, sieht sich unter anderem mit dem Einwand konfrontiert, dass keine wissenschaftliche Position, auch nicht die des eliminativen Materialismus selbst, nach bestem gegenwärtigem Wissen als eine wissenschaftliche, Behaup- tungen aufstellende und Begründungen für diese Behauptungen vortragende Position formuliert werden kann, ohne dass die Befürworter einer solchen Auffas- sung direkt oder indirekt von psychologischen Begriffen wie zum Beispiel „glau- ben“, „meinen“, „beabsichtigen“ usw. Gebrauch machen. Die von Anhängern der identitätstheoretischen Variante des Materialismus befürwortete These von der Identität psychischer Phänomene mit bestimmten Konstellationen von materiellen Phänomenen kann sich einmal auf die Identität

17 So zum Beispiel bereits Pierre Gassendi im vierten Punkt seiner Einwände gegen die sechste von Descartes’ Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Vgl. R. Descartes (1994, 309-315). 18 Viele neuere Befürworter einer solchen Position formulieren ihre Grundthesen freilich nicht in dieser begriffsbezüglichen Form. Üblich sind vielmehr objektbezügliche („ontologische“) Aussagen der Art „Das Einzige, was es auf der Welt gibt, sind die physischen Phänomene, bezie- hungsweise Phänomene, die sich ausnahmslos aus physischen Phänomenen zusammensetzen“. Solche Formulierungen haben den Nachteil, dass sie nicht hinreichend deutlich zu erkennen geben, ob man sich zu empirischen oder begrifflich-philosophischen Aspekten des Geist-Materie- Problems äußern möchte. Um der Eindeutigkeit des jeweils Beabsichtigten willen sollten sie daher besser vermieden werden. 19 Innerhalb der neueren Diskussion ist W. V. O. Quine mit seinem erstmals 1953 veröffent- lichen Aufsatz „On mental entities“ einer der ersten gewesen, die eine solche Position befürwortet haben. Gegenwärtig wird diese Position nur noch von wenigen, so zum Beispiel von Paul M. Churchland (1979), vertreten. Ros_Mentale_Verursachung, 10 konkreter und einmal auf die Identität abstrakter Gegenstände beziehen.20 Von der für den gegenwärtig verfolgten Zusammenhang allein systematisch bedeutsamen zweiten, sich auf die Identität abstrakter Gegenstände beziehenden Version sind ihrerseits zwei verschiedene Fassungen möglich und auch faktisch entwickelt worden. Der ersten zufolge gilt, dass psychische Phänomene von ihrem Begriff her identisch sind mit bestimmten Konstellationen von materiellen Phänomenen („intensionale“ Fassung der Identitätsthese); mit der zweiten wird behauptet, dass alle die Gegenstände, die unter Begriffe für psychische Phänomene fallen, zugleich auch unter Begriffe für bestimmte Konstellationen von materiellen Phä- nomenen fallen, und dass das Umgekehrte auch zutreffe („extensionale“ Fassung der Identitätsthese). Die These, dass unsere Begriffe für psychische Phänomene identisch seien mit Begriffen für bestimmte Konstellationen von materiellen Phänomenen und erstere daher mit Hilfe von geeigneten Definitionsverfahren ohne Bedeutungsver- lust in bestimmte Begriffe für materielle Phänomene übersetzt werden könnten, ist erstmals in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts von Autoren wie Rudolf Carnap und Carl Gustav Hempel, unter dem Titel „Semantischer Physikalismus“, vorgetragen worden.21 Bisher sind allerdings alle Bemühungen, diese These in die Tat umzusetzen, gescheitert. So komplex die Konstellationen von Begriffen für materielle Phänomene auch sein mögen, auf die man zu diesem Zweck zurück- greift: Es ist offenbar grundsätzlich ausgeschlossen, mit den vom Semantischen Physikalismus zu diesem Zweck vorgesehenen Mitteln die Kluft zwischen Begrif- fen für physische Phänomene und Begriffen für Individuen mit psychischen Phä- nomenen zu überbrücken.22 Im Gegensatz zur intensionalen Fassung der Identitätsthese handelt es sich bei der extensionalen Fassung dieser These nicht um eine begrifflich-philosophische, sondern um eine empirische These.23 Eben daraus resultieren auch die Vor- und Nachteile dieser These. Seit den durch den französischen Anatomen Paul Broca (1824-1880) eingelei- teten Untersuchungen ist es der empirischen Forschung zunehmend gelungen, zahlreiche Korrelationen zwischen psychischen und neurophysiologischen (und letztlich damit auch physischen beziehungsweise chemischen) Phänomenen nach- zuweisen, Korrelationen, die in manchen Fällen sogar auf ursächliche Zusammen- hänge schließen lassen. Zwar hat sich in vielen Fällen erwiesen, dass ein bestimm- tes psychisches Phänomen bei unterschiedlichen Menschen, und nicht selten auch bei demselben, über längere Zeiträume hinweg wiederholt untersuchten Men-

20 Ausführlicheres zum Folgenden findet sich in A. Ros (1997). 21 R. Carnap, „Psychologie in physikalischer Sprache“ (1932/1933), C. G. Hempel, „The Logical Analysis of Psychology“ (1949). 22 Vgl. dazu zum Beispiel A. Beckermann (2001, 86-90). 23 Repräsentativ für diese Version des identitätstheoretischen Materialismus sind die Studien von U. T. Place, „Is Consciousness a Brain Process?“ (1956), H. Feigl, „The ‚Mental’ and the ‚Physical’“ (1958) und J. J. C. Smart, „Sensations and Brain Processes“ (1959). Ros_Mentale_Verursachung, 11 schen, mit unterschiedlichen Konstellationen von neuronalen und letztlich auch chemischen Phänomenen korreliert sein kann (um von den Unterschieden zwi- schen den neuronalen Korrelaten einer bei Menschen einerseits und zum Beispiel Reptilien andererseits auftretenden Schmerzempfindung ganz zu schweigen). Und das ist innerhalb der neueren philosophischen Literatur häufig als Einwand gegen die extensionale Fassung der Identitätsthese herangezogen worden.24 Aber dieser Einwand ist unberechtigt. Denn dass man innerhalb der empirischen Forschung lediglich auf Korrelationen minderen Allgemeinheitsgrads stößt, ist gang und gäbe und mindert die Qualität entsprechender Befunde keineswegs.25 Die eigentli- che Kritik, welche die extensionale Identitätsthese auf sich zieht, resultiert aus etwas ganz anderem: Sie ergibt sich daraus, dass man mit dieser These das Um- feld der Fragen verlassen hat, die in dem philosophischen Kontext, in dem die These formuliert worden ist, die eigentlich interessierenden Fragen sind. Chemisch betrachtet besteht der menschliche Körper aus größeren Mengen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, aus einigen kleineren Mengen Stickstoff, Magnesium, Phosphor und Natrium sowie aus ein paar weiteren, in bloßen Spuren auftretenden Elementen. Alle diese Elemente sind entweder, wie der Wasserstoff, bereits in den Anfangsstadien des Weltalls vorhanden gewesen, oder im Laufe der Entwicklung der Sterne im Weltall entstanden. Man kann daher mit einer gewis- sen Berechtigung sagen, dass Menschen im Grunde nichts anderes seien als Ster- nenstaub.26 Nur ändert diese Sachlage selbstverständlich nichts daran, dass wir einige die- ser Sternenstaubhaufen nun einmal nicht nur als solche, sondern auch als Men- schen auffassen. Und es ist eben dieser Umstand, der Umstand also, dass ein und dasselbe Phänomen unterschiedlich gedeutet werden kann (und von uns häufig auch unterschiedlich gedeutet wird)27, der zu philosophischen Fragen Anlass gibt. Was wir innerhalb der Philosophie wissen wollen, ist zum Beispiel: Welche Ei- genschaften sind für die eine oder andere dieser Deutungen kennzeichnend und welche nicht? Lassen sich methodisch nachvollziehbare Schritte benennen, die es erlauben, zu verstehen, wie es zu solchen unterschiedlichen Deutungen ein und derselben Art von Phänomenen kommen kann? Oder, um auf den hier verfolgten speziellen Themenkomplex zurückzukommen: Ist es möglich, die oben genannten Merkwürdigkeiten der Beziehung zwischen bei Menschen auftretenden psychi- schen Phänomenen und Vorgängen, die in ihrem Körper ablaufen, dann auf eine rational einsichtige Grundlage zurückzuführen, wenn man sie vor dem Hinter-

24 Als Ausgangspunkt dieser Kritik gelten gemeinhin die Ausführungen H. Putnams in „Psychological Predicates“ (1967; später unter dem Titel „The Nature of Mental States“ wieder abgedruckt). 25 So auch bereits J. Kim (1989, dt. 255-259). Für Kim, der den im Folgenden genannten Einwand gegen die extensionale Identitätsthese offenbar gar nicht kennt, ergibt sich aus dieser Sachlage, dass eine „Reduktion“ des Psychischen auf Physisches offenbar sehr wohl möglich ist. 26 So der US-amerikanische Physiker und Weltraumforscher William Alfred Fowler in der Rede, mit der er sich für den ihm im Jahre 1983 verliehenen Nobelpreis bedankte. 27 Immer noch einschlägig dazu: E. Cassirer (1944). Ros_Mentale_Verursachung, 12 grund der Besonderheiten der Deutungsvorgänge betrachtet, mit denen wir gewis- se Ansammlungen chemischer Stoffe mal als solche und mal als Menschen mit psychischen Zuständen und psychischen Aktivitäten auffassen? Solche Fragen aber – die eigentlich philosophischen Fragen − geraten aus dem Blickfeld, sobald man sich bei der Diskussion um die Beziehungen zwischen psychischen und physischen Phänomenen auf die mit den methodischen Mitteln der empirischen Wissenschaften zu klärenden Beziehungen zwischen den Gegen- ständen konzentriert, die unter die Begriffe für diese Phänomene fallen, und diese Begriffe selbst (und damit auch die mit diesen Begriffen verknüpften Verfahren des Deutens von etwas als etwas) nicht weiter erörtert. Bleibt also der nicht-reduktive Materialismus. Wie andere Materialisten auch vertreten Befürworter dieser Position die Auffassung, dass nur Begriffe für physi- sche Phänomene, beziehungsweise Begriffe, die sich aus Begriffen für physische Phänomene methodisch konstruieren lassen, als sinnvolle Begriffe aufgefasst werden dürfen. Und ebenso wie andere Materialisten ziehen nicht-reduktive Mate- rialisten daraus den Schluss, dass substantialistisch verstandene Begriffe für psy- chische Phänomene wie „Geist“ oder „Seele“ keinen methodisch ausweisbaren Sinn besitzen. Im Gegensatz zu den eliminativen Materialisten behaupten nicht- reduktive Materialisten aber nicht, dass auch die Begriffe für attributive psychi- sche Phänomene unsinnig seien; und sie behaupten ebenfalls nicht, wie die Be- fürworter der intensionalen Fassung identitätstheoretischer Varianten des Materia- lismus, dass die Begriffe für attributive psychische Phänomene logisch äquivalent seien mit Begriffen für Attribute bestimmter Konstellationen von physischen Phänomenen und daher auf diese reduziert werden könnten. Unsere Begriffe für attributiv verstandene psychische Phänomene gestatten es vielmehr, so wird hier zugestanden, zu Beschreibungen von Teilen der Welt zu gelangen, in denen etwas zum Ausdruck gebracht wird, was sich von Beschreibungen, in denen allein Be- griffe für physische Phänomene verwendet werden, wesentlich unterscheidet. Freilich haben nicht-reduktive Materialisten sich mit dem Zugeständnis, dass psychische Phänomene bereits von ihrem Begriff her nicht mit physischen Phä- nomenen identisch sind, offenbar auch genau des Hilfsmittels begeben, das Mate- rialisten zumindest auf den ersten Blick gesehen Chancen auf eine Klärung des Problems mentaler Verursachung zu eröffnen scheint.28 Denn wenn alle Phäno- mene, von denen sich mit Sinn reden lässt, aus Konstellationen von materiellen Phänomenen bestünden beziehungsweise mit solchen identisch wären, wären vernünftig verstandene mentale Verursachungen natürlich in Wirklichkeit ledig- lich Verursachungen zwischen allein materiellen Phänomenen. Und das brächte es

28 Natürlich ist dies nicht das einzige Problem, mit dem Befürworter eines nicht-reduktiven Materialismus konfrontiert sind. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass sie zeigen können müssen, in welcher Hinsicht es zutreffen soll, dass Begriffe für psychische Phänomene sich aus Begriffen für physische Phänomene rekonstruieren lassen, ohne deswegen mit Kombinationen von Begriffen für physische Phänomene identisch zu sein. Vgl. dazu auch weiter unten, Abschnitt 3, Anm. 45, sowie die ausführlicheren Darlegungen in A.Ros (2005, Teil III, Kap. 5). Ros_Mentale_Verursachung, 13 zwar mit sich, dass das Prinzip von der Autonomie des Psychischen gegenstands- los wird; aber das Prinzip der Bereichsspezifität der Erklärungen – das dann mit dem Prinzip von der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt zusammen- fällt − wäre in einem solchen Falle nicht verletzt. Gibt man hingegen den elimina- tiven beziehungsweise identitätstheoretischen Materialismus zugunsten eines nicht-reduktiven Materialismus auf, ergibt sich anscheinend eine andere, offenbar von vornherein in Aporien führende Sachlage. Insbesondere Jaegwon Kim, dem einige der wichtigsten neueren Beiträge zu der gesamten Diskussion zu verdanken sind, hat Befürwortern des nicht-reduktiven Materialismus vorgehalten, mit einem für sie unauflösbaren Dilemma konfrontiert zu sein:29 Halten nicht-reduktive Materialisten am Prinzip von der kausalen Geschlos- senheit der physischen Welt fest, ist nicht einzusehen, welchen Sinn es überhaupt haben soll, zur Erklärung für das Eintreten mancher physischer Geschehen nicht nur nach weiteren physischen, sondern auch nach nicht-physischen Geschehen Ausschau zu halten – da es doch bereits die physischen Zusammenhänge allein sind, welche die gewünschten Erklärungsmöglichkeiten bereitstellen müssten.30 Behaupten nicht-reduktive Materialisten hingegen, dass das Eintreten mancher physischer Geschehen sich nur dann erklären lasse, wenn man nicht nur physi- sche, sondern auch psychische Faktoren berücksichtige, geben sie zugleich, ähn- lich wie Descartes mit seiner These vom psychophysischen Interaktionismus, das Prinzip von der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt preis. Und damit wird fragwürdig, inwiefern Vertreter einer solchen Position sich überhaupt noch als „Materialisten“ bezeichnen dürfen. Faktisch wechseln sie dann zu substanzdu- alistischen Positionen, und ziehen damit auch die gegen diese Auffassungen gel- tenden Einwände auf sich.31

Ein neuer Ansatz Eine ausweglose Situation also? – Der hier vertretenen Auffassung nach, nein. In Wirklichkeit stehen Befürwortern nicht-reduktiver materialistischer Auffassungen mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als man aufgrund des Verlaufs der bisherigen Diskussion annehmen sollte. Um diese Möglichkeiten erkennen und nutzen zu können, ist allerdings insbesondere eines unumgänglich: Man sollte sich bewusst machen, dass die Erklärungen, derer man sich faktisch innerhalb der Praxis empi- rischer wissenschaftlicher – und zum Teil auch schon alltagsweltlicher – Erkennt- nisbemühungen bedient, seit langem aus guten Gründen wesentlich vielfältiger

29 Kim hat die im Folgenden wiedergegebene Argumentation in zahlreichen Arbeiten vorge- tragen. Eine besonders prägnante Zusammenfassung bietet sein Aufsatz „The Non-Reductivist’s Trouble with Mental Causation“ (1995), vgl. aber auch ders. (1989), sowie ders. (1996, Kap. 6). 30 Da sich aus dieser Überlegung ergibt, dass psychische Faktoren zum Zweck der Erklä- rung für das Eintreten physischer Geschehen grundsätzlich „ausgeschlossen“ werden können, wird dieses Argument häufig als „Ausschluss-“ beziehungsweise „Exklusionsargument“ bezeichnet. 31 Ein Beispiel für neuere, gleichwohl in diese Richtung unternommene Bemühungen findet sich bei A. Corradini (2007). Ros_Mentale_Verursachung, 14 sind, als in großen Teilen der philosophischen Diskussion um Phänomene menta- ler Verursachung angenommen wird. Zwar ist richtig, dass einige dieser Erklärungen darauf zielen, verständlich zu machen, aufgrund welcher externer und/oder interner Anlässe sich ein Gegen- stand, oder eine bestimmte Klasse von Gegenständen, verändert hat. Und im Hinblick auf diese Erklärungen leuchtet weiterhin ein, dass man versuchen sollte, sich mit ihnen innerhalb des Bereichs von Gegenständen zu bewegen, dem der Gegenstand, dessen Veränderung man erklären möchte, zuzurechnen ist. Aber abgesehen von diesen Erklärungen gibt es auch noch solche ganz anderen Typs, so zum Beispiel, neben anderen, Erklärungen, die dazu dienen, Zusammenhänge einsichtig zu machen, welche die interne Struktur eines komplexen, aus Teilen zusammengesetzten organisierten Ganzen betreffen. Und da diese Teile häufig anderen Bereichen von Gegenständen zuzurechnen sind, als die Ganzheiten, zu denen sie gehören, ergibt es von vornherein keinen Sinn, sich auch bei der Suche nach solchen Erklärungen am Prinzip der Bereichsspezifität von Erklärungen zu orientieren. Die These, die mit den folgenden Darlegungen näher dargestellt und begrün- det werden soll, schließt an diese Überlegung an: Dieser These zufolge lassen sich alle jene Fälle, in denen es zu Zusammenhängen zwischen den psychischen Phä- nomenen eines Menschen und in seinem Körper ablaufenden physischen Gesche- hen kommt, bei genauerer Betrachtung als entweder systematisch unproblemati- sche Fälle von Zusammenhängen zwischen Ganzen und ihren Teilen, oder als systematisch ebenfalls unproblematische Kombinationen von solchen Zusammen- hängen mit Zusammenhängen anderer Art auffassen.

3. Biologische und physische Phänomene als Teile von psychischen Phänomenen Die soeben genannte These setzt voraus, dass Individuen mit psychischen Zustän- den und psychischen Aktivitäten, ebenso wie diese Zustände und Aktivitäten selbst, grundsätzlich als Ganzheiten verstanden werden können, die sich in einer hoch integrierten, funktionsbezogenen Weise aus Teilen zusammensetzen, welche für sich genommen letztlich aus physischen Phänomenen bestehen. Eine solche Voraussetzung versteht sich freilich nicht von selbst, und es versteht sich auch keineswegs von selbst, was mit ihr genauer besehen gemeint ist. Mit der von Descartes vertretenen Position beispielsweise (hinter der eine lange, bis in vorgeschichtliche Phasen der menschlichen Kulturentwicklung rei- chende Denktradition steht) ist jene These nicht zu vereinbaren. Für Descartes sind Menschen das Resultat des Zusammentretens zweier im Prinzip unabhängig vorkommender Phänomene: Ein Resultat dessen, dass es irgendwann und irgend- wie zu einer Verknüpfung zwischen einer Anhäufung von physischen Phänome- nen mit einer Seele beziehungsweise einem Geist gekommen ist. Dass Menschen als eine besonders komplexe, hochorganisierte Erscheinungsform materieller Ros_Mentale_Verursachung, 15

Phänomene allein verstanden werden können, lag offenbar noch ganz außerhalb der für Descartes und seine Zeit möglichen Denkspielräume. Es mag daher sinnvoll sein, an einem etwas ausführlicher dargestellten Bei- spiel zu erläutern, wie man sich das hier befürwortete Gegenmodell zur cartesi- schen Position im Einzelnen vorzustellen hat. Bevor ich damit beginne, empfiehlt es sich jedoch, einen weiteren wichtigen Punkt anzusprechen.

Über die Wichtigkeit der Berücksichtigung von Zwischenstufen Zu einer der besonders auffallenden Eigenheiten großer Teile der neueren Diskus- sion um das Geist-Materie-Problem gehört die ebenfalls deutlich in der Tradition der cartesischen Zwei-Substanzen-Lehre stehende Überzeugung, dass ausnahms- los alles, was es überhaupt an konkreten Gegenständen gibt, entweder physischer oder psychischer Natur sei,32 und dass es daher im Rahmen philosophischer Über- legungen zum Geist-Materie-Problem allein darum gehen könne, Begriffe für Individuen mit bestimmten psychischen Eigenschaften und Fähigkeiten unmittel- bar mit Begriffen für physische Phänomene zu konfrontieren. Denn in Wirklich- keit ist dies eine Auffassung, die nahezu zwangsläufig zu Aporien führt. Die Situation, in die man auf diese Weise gerät, gleicht der eines Evolutions- biologen, der sich die Frage stellt, wie aus bloßen Haufen von Sternenstaub Men- schen entstehen konnten, und der darauf setzt, diese Frage mit dem Hinweis auf einen einzigen evolutionären Schritt beantworten zu können. In Wirklichkeit kommt man hier selbstverständlich erst dann zu systematisch aussichtsreichen Antworten, wenn man zahlreiche Zwischenstufen berücksichtigt, Zwischenstufen, innerhalb derer sich aus Gegenständen mit einer bestimmten Ordnung und Integ- rationsform immer wieder Gegenstände mit einer weiteren, komplexeren Ordnung und Integrationsform gebildet haben. Nicht umsonst besteht eine der wichtigsten Aufgaben der Evolutionsbiologie gerade darin, auf den ersten Blick unerklärlich wirkenden „Sprüngen“ der Evolution – beim Entstehen von Zellen mit Zellkern, von Tieren mit Augen oder Lungenatmung, usw. – durch empirisch belegbare Hinweise auf Zwischenstufen ihre Rätselhaftigkeit zu nehmen. Analog dazu gilt: Es ist illusionär zu glauben, man könne die Eigenheiten der Begriffe, die wir verwenden, um uns selbst als Menschen mit bestimmten psychi- schen Eigenschaften und Fähigkeiten beschreiben zu können, allein im Zuge eines unmittelbaren Vergleichs mit unseren Begriffen für physische Phänomene ver- ständlich machen. Wissenschaften wie zum Beispiel die Evolutionsbiologie, die Paläoanthropologie, die Entwicklungspsychologie und die historisch orientierten

32 So, neben vielen anderen, P. Bieri (1993, 3). Kritisch zu einer solchen Auffassung zum Beispiel C. F. Gethmann, Th. Sander (2002), M. R. Bennett, P. M. S. Hacker (2003, 117f.). Inner- halb der neueren englischsprachigen Literatur haben sich insbesondere Daniel C. Dennett und an Dennett orientierte Autoren wie zum Beispiel William G. Lycan zunehmend von der cartesischen Zwei-Welten-Lehre zugunsten der Lehre von einer vielfältig gestuften Welt distanziert. Vgl. zum Beispiel D. C. Dennett (1987, 1996); W. Lycan (1987). Diese Autoren sind daher von den folgen- den Ausführungen ausgenommen. Ros_Mentale_Verursachung, 16

Kulturwissenschaften haben sich nicht umsonst schon seit langem genötigt gese- hen, zur adäquaten Erfassung der von ihnen untersuchten Entwicklungsverläufe Unterscheidungen für zahlreiche Zwischenstufen zu treffen. Ob die so entstande- nen Begriffe in allen einzelnen Fällen einer kritischen Musterung standhalten, mag zwar strittig sein. Grundsätzlich gesehen aber sind diese Begriffe Ausdruck der Einsicht, dass es zwischen den wirklich nur als bloße Sternenstaubansamm- lungen zu charakterisierenden Anhäufungen chemischer Stoffe und den Anhäu- fungen chemischer Stoffe, die wir selber sind, offenbar zahlreiche unterschiedlich strukturierte Fälle gibt, die Möglichkeiten für unterschiedlich komplexe Deutun- gen und unterschiedlich komplexe Beschreibungs- und Erklärungsverfahren bie- ten. Was aber soll man sich angesichts dieser Sachlage von philosophischen Be- mühungen erhoffen, deren Autoren darauf setzen, die Begriffe, von denen wir bei unseren Selbstbeschreibungen Gebrauch machen, einsichtig machen zu können, ohne einen gründlichen Blick auf zumindest einige der Unterscheidungssysteme zu werfen, mit denen Vertreter wohletablierter, erfolgreicher Wissenschaften sich bereits seit längerem darum bemühen, jene Zwischenstufen zwischen uns und allein als solchen zu verstehenden physischen Phänomenen kenntlich zu ma- chen?33 Tatsächlich hatten Einsichten dieser Art bereits in manchen Teilen der Philo- sophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so zum Beispiel in der Philosophi- schen Anthropologie Max Schelers, Arnold Gehlens und, insbesondere, Hellmut Plessners zu ausführlichen Überlegungen über die Eigenarten der unterschiedli- chen, bis zum Menschen führenden „Stufen des Organischen“ (Plessner) geführt. Und damit systematisch zusammenhängende Einsichten sind auch in die Überle- gungen eingegangen, die beispielsweise George Herbert Mead zu seinen Arbeiten über die Entstehung der Sprachfähigkeit und Jean Piaget zu seinen umfangreichen Studien über die Entwicklung der Intelligenz und der Fähigkeit moralischen Urtei- lens bei Kindern und Jugendlichen geführt haben. Zwar ist der methodische Status dieser Untersuchungen heute, im Licht der speziell durch den späten Wittgenstein entwickelten Standards begrifflich-philosophischer Reflexionen, gewiss an der einen oder anderen Stelle revisionsbedürftig. Aber das ändert nichts daran, dass diesen und weiteren, ähnlich angelegten Studien34 zahlreiche Einsichten über die Unterscheidungssysteme entnommen werden können, die wir benötigen, wenn wir die Beziehungen zwischen allein physischen Gebilden und Menschen auch nur mit einigen Aussichten auf Erfolg verständlich machen möchten.

33 Dieser Einwand gilt auch gegenüber dem vom Franz von Kutschera vertretenen Konzept eines „polaren Dualismus“ zwischen physischen und psychischen Phänomenen, der jedoch in einigen anderen wichtigen Punkten der hier befürworteten Position durchaus gleicht. Vgl. dazu F. von Kutschera (2003, 2004) sowie die Weiterentwicklung des Ansatzes von Kutscheras in U. Meixner (2004). 34 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere Norbert Elias’ – leider nur frag- mentarisch ausgearbeitete – „Gedanken über die große Evolution“ (1987). Ros_Mentale_Verursachung, 17

Darüber, wie viele solcher Stufen insgesamt in Rechnung gestellt werden soll- ten, lässt sich freilich naturgemäß keine definitive Aussage treffen: Das hängt davon ab, wie sehr man bei der Betrachtung solcher Stufen ins Detail gehen möchte. Auf jeden Fall aber ist es im Regelfall unumgänglich, zwischen zumin- dest vier Arten von Stufen, und Begriffen zur Beschreibung und Erklärung auf diesen Stufen auffindbarer Phänomene, zu unterscheiden: den Stufen der physi- schen (materiellen) Gegenstände, der (im engeren Sinne zu verstehenden) Lebe- wesen, der (im engeren Sinne zu verstehenden) Handlungssubjekte und der Perso- nen.35 Innerhalb des hier verfolgten Zusammenhangs ist es von besonderem Interes- se, einen Blick auf den Übergang zwischen unseren Begriffen für im engeren Sinne zu verstehende Lebewesen – Begriffen der Biologie also − zu Begriffen für im engeren Sinne zu verstehende Handlungssubjekte zu werfen. Denn es ist dieser Übergang, der erstmals zur Verwendung von Begriffen für psychische Phänomene führt.

Im engeren Sinne zu verstehende Handlungssubjekte und intelligentes Verhalten Mit im engeren Sinne zu verstehenden Handlungssubjekten sind hier Individuen gemeint, denen sich zwar Handlungen zu- oder absprechen lassen, die aber, an- ders als Personen, (noch) nicht fähig sind, von einer Sprache Gebrauch zu ma- chen. Innerhalb der Ethologie – des Teilgebiets der Biologie also, das sich mit dem tierischen Verhalten befasst – werden die vorsprachlichen Handlungen, mit denen man es hier zu tun hat, auch als „intelligentes Verhalten“ oder „Verhalten aus Einsicht“ bezeichnet.36 Genau genommen ist der Begriff des intelligenten Verhaltens für die Etholo- gie allerdings ein Grenzbegriff. Denn dass ein Individuum ein nicht-zufälliges Verhalten vollzieht, wird innerhalb der Biologie normalerweise, wie weiter oben bereits kurz angedeutet, entweder teleonomisch oder mit dem Hinweis auf die Einwirkung von Reizen erklärt, auf die das Individuum in der einen oder anderen Weise reagiert. Und das ist zwar bereits etwas anderes als die für die Physik und Chemie kennzeichnenden kausalen Erklärungen (wenn eine rollende Billardkugel aufgrund des Aufpralls auf eine Bande ihre Laufrichtung verändert, tut sie dies nicht deswegen, weil dies „zweckmäßig“ ist, und der Aufprall stellt für sie auch keinen „Reiz“ dar, auf den sie „reagiert“). Auf der anderen Seite stellen die teleo- nomischen beziehungsweise die auf Konstellationen von Reizen zurückgreifenden Erklärungen der Biologie aber auch noch keine psychologischen Erklärungen dar – Begriffe für psychische Phänomene kommen in diesen Erklärungen schließlich noch nicht vor. Ein Ethologe, der ein von einem Tier realisiertes Verhalten mit dem Hinweis auf von diesem Tier vollzogene kognitive Aktivitäten erklärt, ver-

35 So zum Beispiel auch H.-P. Krüger (2005, 683). 36 Vgl. zum Beispiel I. Eibl-Eibelsfeldt (1987, 439-446); H. Penzlin (1991, 608f.) Ros_Mentale_Verursachung, 18 lässt daher das für die Biologie konstitutive System sprachlich vermittelter Unter- scheidungen und wechselt zu dem der Psychologie. Zur Begründung für diesen Schritt verweisen Ethologen häufig darauf, dass man es hier mit Verhaltensweisen zu tun habe, die mit Hilfe der Begriffe der Biologie nicht mehr adäquat beschrieben werden könnten. Wenn ein Schimpanse zum ersten Mal in seinem Leben, ohne dies je probiert oder bei anderen gesehen zu haben, mehrere Kästen übereinander stapelt und sich so Zugang zu einer sonst nicht erreichbaren Frucht verschafft, handle es sich offenkundig nicht um eine aus bloßem Zufall vollzogene Aktivität. Mit dem Bezug auf das Vorliegen bestimmter Reize lasse sich diese Aktivität aber auch nicht erklären. Denn ein auf Reize reagierendes Verhalten (ebenso im Übrigen wie ein teleonomisch zu erklärendes Verhalten eines Tieres) sei von seinem Begriff her ein Verhalten, das entweder angeboren oder erlernt ist. Hier aber habe man es mit einer Aktivität zu tun, die nicht erlernt, und erst recht nicht angeboren ist. Und so müsse man zum Zweck der Erklärung einer solchen Aktivität unterstellen, dass jener Schimpanse offenbar imstande ist, die Ergebnisse unterschiedlicher, ihm möglicher Aktivitäten „im Kopf“ vorwegzunehmen, miteinander zu vergleichen und eine dieser Aktivitäten auszuwählen. Schaut man genauer zu, zeigt sich freilich, dass die biologische Beschrei- bungsweise angesichts solcher Fälle keineswegs auf unüberwindbare Grenzen stößt. In Wirklichkeit haben wir es hier mit Aktivitäten zu tun, die unterschiedli- che Deutungen zulassen, die psychologische wie aber auch, weiterhin, die biologi- sche. Darüber hinaus ist es sogar möglich, die Schritte zu benennen, die es erlau- ben, den Übergang von der einen dieser beiden Deutungen zur anderen metho- disch nachzuvollziehen. Zum besseren Verständnis dieser Schritte ist insbesondere zweierlei hilfreich: Ein Blick auf den biologischen Lernbegriff und ein Blick auf das für die Biologie kennzeichnende Verhältnis zwischen Erklärungen, mit denen man einmal Prozes- se des Entstehens und der Entwicklung, und einmal Prozesse der Veränderung von Lebewesen verständlich zu machen versucht.

Der biologische Lernbegriff In vielen Fällen besteht das Geschehen, das üblicherweise als „Lernen“ bezeichnet wird, aus zwei Komponenten: Daraus, dass ein Individuum innerhalb einer be- stimmten Situation zufälligerweise eine für dieses Individuum neue Aktivität vollzieht; und daraus, dass diese neue Aktivität sich bei dem betreffenden Indivi- duum konsolidiert und damit in die Gesamtheit seines Repertoires an (bei Bedarf immer wieder aktualisierbarer) Verhaltensfähigkeiten aufgenommen wird. Der biologische Begriff des Lernens ermöglicht es, solche Geschehen gänzlich ohne die Verwendung von Begriffen für psychische Phänomene zu erfassen: • Dass ein Tier in einer bestimmten Situation ein für es neues Verhalten zu vollziehen vermag, hängt biologisch betrachtet damit zusammen, dass es zwi- Ros_Mentale_Verursachung, 19

schen den sensorischen, neuronalen, hormonalen und motorischen Zellen ei- nes Tieres häufig deutlich mehr Verbindungen gibt, als die, die sich bereits zu einem festen Wirkungskreis zusammengefügt haben und in der Form eines wiederholbaren Verhaltens sichtbar werden. Dieser Überschuss an Verbin- dungen ist der Grund dafür, dass es – natürlich immer nur innerhalb der für die jeweilige Spezies kennzeichnenden Spielräume überhaupt möglicher Aktivitä- ten – bei einem Tier zu einem neuen Verhalten kommen kann.37 • Dass ein von einem Tier erstmals vollzogenes einmaliges Verhalten sich zu einer immer wieder aktualisierbaren Verhaltensfähigkeit festigen kann, hängt biologisch betrachtet mit der Rolle zusammen, die Erbkoordinationen bei Tie- ren spielen können. Unter Erbkoordinationen (englisch fixed action patterns) sind angeborene reflektorische Aktivitäten zu verstehen, die innerhalb be- stimmter Funktionskreise, so zum Beispiel der Nahrungssuche und Nahrungs- aufnahme (Schnapp-, Beiß-, Schluckreflexe), der Körperreinigung (Kratz-, Putzreflexe), der Partnersuche (Balz-, Lockreflexe), der Begattung (Beschwichtigungs-, Klammer-, Stillhaltereflexe), der Brutpflege (Nestbau-, Fütterreflexe), des Schutzes gegenüber Feinden (Flucht-, Totstell-, Droh-, Im- ponierreflexe), usw., auftreten. Wird eine solche Erbkoordination durch ein zuvor vollzogenes Verhalten ausgelöst, kann sich dies auf die Fähigkeit zum erneuten Vollzug dieses Verhaltens bestätigend oder abschwächend auswir- ken. Ein von einem jungen Eichhörnchen beim Umgang mit einer Nuss zufäl- ligerweise vollzogenes, für dieses Eichhörnchen neues Verhalten, das zur Fol- ge hatte, dass die Schale der Nuss gesprengt wurde und dass der nunmehr zu- gänglich gewordene essbare Kern Schnapp- und Schluckreflexe auslöste, kann auf diese Weise verstärkt und zu einer dauerhaft reproduzierbaren Verhaltens- fähigkeit im Umgang mit Nüssen werden; begibt eine Meerkatze sich zufälli- gerweise in ein mit Büschen einer bestimmten Art bewachsenes Gebiet, in dem sich häufig für Meerkatzen gefährliche Schlangen aufhalten, und gerät sie dabei in eine Situation, in der bei ihr ein Fluchtreflex ausgelöst wird, wird sie normalerweise in Zukunft vermeiden, sich in die Nähe von Büschen jener Art zu begeben, usw. usw.38 Wie man sieht, besteht eines der Kennzeichen so verstandenen Lernens daraus, dass das lernende Individuum in doppelter Hinsicht ein äußerlich sichtbares Ver- halten zeigt: Es vollzieht zufälligerweise eine Art Probeaktivität, und es kommt

37 Vgl. dazu zum Beispiel A. Damasio (1994, dt. 267); E. Pöppel (2002, 41). 38 Man beachte die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem so verstandenen bio- logischen Begriff des Lernens und dem biologischen Begriff der Evolution neuer Verhaltensfähig- keiten: Mit beiden Begriffen sind durch Zufälle mitbestimmte Prozesse des Entstehens neuer Verhaltensfähigkeiten und Prozesse der Konsolidierung einiger dieser neuen Fähigkeiten gemeint. Aber für die biologische Evolution von Verhaltensfähigkeiten sind zufallsbedingte Veränderungen bei der Weitergabe des Erbguts von Individuen und die Selektion einiger dieser Neuerungen im Wechsel der Generationen wesentlich, während Lernen aus dem zufälligen Entstehen von neuen Verhaltensfähigkeiten und der Konsolidierung einiger dieser Neuerungen im Laufe der Entwick- lung eines Individuums allein besteht. Ros_Mentale_Verursachung, 20 bei ihm zur Auslösung einer bestimmten Erbkoordination. Bemerkenswerterweise ist es im Laufe der biologischen Evolution allerdings zum Entstehen von Lebewe- sen gekommen, bei denen die zum Lernen erforderlichen äußerlich sichtbar wer- denden Probeaktivitäten und Erbkoordinationen nur noch in verkürzter Form auftreten. Ein typisches Beispiel dafür ist das bei vielen Jungtieren zu beobachtende Lernen durch spielerisches Verhalten: Hier genügt es häufig, das zu erlernende neue Verhalten nur in einigen wichtigen Teilen zu vollziehen; und zur Konsolidie- rung dieses Verhaltens braucht die dafür eigentlich erforderliche Erbkoordination – das Töten eines Beutetieres nach einem gelungenen, neu ausprobierten Beute- fangverhalten zum Beispiel – nur noch in Ansätzen realisiert zu werden. Wie sich zeigen lässt, hat sich diese Entwicklung zu einer Form des Lernens, das nur noch auf Teile äußerlich sichtbaren Verhaltens angewiesen ist, bei den Individuen einiger biologischer Arten sogar noch fortgesetzt: Bis hin zu Fällen, in denen die für Lernen erforderlichen Verhaltensweisen ganz, oder fast ganz auf ihre inneren, das heißt also neuronalen, hormonalen und zum Teil auch sensori- schen Bestandteile verkürzt sind. Lernen kann daher bei diesen Individuen allein „im Kopf“ stattfinden: Da- durch, dass Probeaktivitäten vollzogen werden, die auf ihre im Körper des jewei- ligen Individuums ablaufenden Bestandteile reduziert sind, und dadurch, dass die eine oder andere dieser Probeaktivitäten eine ebenfalls auf ihre innerkörperlichen Bestandteile verkürzte Erbkoordination auslöst39, die dann beispielsweise dazu führt, dass die zunächst nur vorläufig, und in äußerlich nicht sichtbarer Weise, vollzogene Aktivität in Zukunft bei entsprechenden Bedingungen zur Gänze, und dann natürlich auch äußerlich erkennbar, zur Verfügung steht. Und es ist nun, wie Befunde der neueren Neurobiologie zunehmend bestätigen, eine solche Konstella- tion, mit der man es bei Individuen zu tun hat, die imstande sind, ein intelligentes Verhalten beziehungsweise eine Handlung zu vollziehen.40

Veränderungs- und entstehungsbezogene Erklärungen innerhalb der Bio- logie Einer der innerhalb der Biologie üblichen Einteilungsweisen nach lassen sich biologische Forschungen danach unterscheiden, ob mit ihnen beabsichtigt wird, zu erklären, warum ein Lebewesen, oder eine Klasse von Lebewesen, sich in einer bestimmten Hinsicht verändert hat, oder ob mit ihnen beabsichtigt wird, zu erklä-

39 Auch hier sind freilich noch Zwischenstufen möglich und kommen auch faktisch vor. Ge- legentlich treten zum Beispiel Kopf- und Augenbewegungen auf, die den Anschein erwecken, als würden bestimmte Abläufe mit den Augen nachvollzogen. Und dass bei jemandem im Zuge innerlicher Vorgänge Erbkoordinationen ausgelöst werden, die zur Konsolidierung und anschlie- ßenden Realisierung einer neu entstandenen Aktivitätsfähigkeit führen, wird beispielsweise daran äußerlich erkennbar, dass Teile von Schluckbewegungen auftreten, usw. 40 Ansätze zu einer solchen biologischen Deutung intelligenten Verhaltens finden sich erst- mals bei Ch. S. Peirce. Vgl. dazu S. Kappner (2004). Ros_Mentale_Verursachung, 21 ren, warum ein Lebewesen, oder eine Klasse von Lebewesen, entstanden ist. Fragen, die im Zusammenhang mit Erklärungsbemühungen der ersten Art auftre- ten, sind Fragen der Funktionsbiologie, im Zusammenhang mit Erklärungsbemü- hungen der zweiten Art entstehende Fragen sind Fragen der Evolutions- bezie- hungsweise Entwicklungsbiologie.41 Angenommen zum Beispiel, dass die an der Müritz heimischen Kraniche am 25. Oktober des Jahres 2006 ihr Revier verlassen und den Zug in den Süden be- gonnen haben: Die Erklärung dafür, dass sie dies getan, und damit ihren Aufent- haltsort verändert haben, ist eine Aufgabe der sich mit veränderungsbezogenen Erklärungen befassenden Funktionsbiologie. Die Frage hingegen, wie es dazu gekommen ist, dass Vögel wie zum Beispiel die Kraniche sich so entwickelt haben, dass sie imstande sind, den langen und aufwändigen Flug in den Süden und wieder zurück zu meistern, ist eine Frage der Evolutionsbiologie. Zwischen Funktionsbiologie und Evolutions- beziehungsweise Entwicklungs- biologie zu unterscheiden, bietet sich für die Biologie unter anderem deswegen an, weil die Kontexte, innerhalb derer es zum Entstehen bestimmter Verhaltensfähig- keiten kommt, bei vielen Lebewesen deutlich von den Kontexten getrennt sind, innerhalb derer eine einmal erworbene Verhaltensfähigkeit aktualisiert wird: Die Stammesgeschichte, die zur Entwicklung von Vögeln mit der Fähigkeit geführt hat, im jahreszeitlichen Wechsel zwischen weit voneinander entfernten Futterge- bieten hin- und herzuziehen, umfasst ganz andere Zeiträume als beispielsweise der innerhalb einiger weniger Herbstwochen realisierte Flug von Europas Norden in Gegenden des Mittelmeers. Bemerkenswerterweise besitzen Fälle intelligenten Verhaltens jedoch auch in dieser Hinsicht eine Besonderheit. Zwar ist es schon für erlerntes Verhalten we- sentlich, dass die Phasen des Erwerbs einer neuen Verhaltensfähigkeit in eine sehr viel größere zeitliche Nähe zu den Zeitpunkten der Realisierung dieser Verhal- tensfähigkeit rücken: Die Zeitspannen, innerhalb derer gelernt wird, schließen ja nicht mehr ganze Generationenfolgen, sondern allein bestimmte Phasen in der Geschichte eines Individuums ein. Gleichwohl sind das Entstehen und die Aktua- lisierung einer bestimmten Aktivitätsfähigkeit auch hier noch zeitlich deutlich voneinander getrennt. Bei den Verhaltensweisen hingegen, die üblicherweise als „intelligent“, als „Verhalten aus Einsicht“ bezeichnet werden, ist dies anders. Hier sind die Phasen des Erlernens und der Aktualisierung einer neuen Aktivitätsfähig- keit (oder des Entstehens der Bereitschaft zu einer solchen Aktualisierung) zeit- lich eng miteinander verkoppelt, oder können es zumindest sein. Der Grund dafür liegt natürlich darin, dass man es an dieser Stelle mit Indivi- duen zu tun hat, bei denen sich Lernvorgänge in der vorhin geschilderten verkürz- ten Weise, allein „im Kopf“, abspielen können. Ein Individuum, das zu intelligen- tem Verhalten fähig ist, kann mit einer für dieses Individuum neuen und womög-

41 Vgl. dazu zum Beispiel E. Mayr (1991, 86), der dort eine Bemerkung von Colin S. Pit- tendrigh aufgreift. Ros_Mentale_Verursachung, 22 lich ein Problem aufwerfenden Situation konfrontiert werden, diese Situation kann Anlass dafür sein, dass es bei diesem Individuum zu innerlich stattfindenden Probeaktivitäten und einer Selektion einer dieser Aktivitäten qua Einwirkung von ebenfalls innerlich ablaufenden Erbkoordinationen kommt, und das Resultat dieses inneren Lernprozesses kann sein, dass das Individuum ein bestimmtes, nunmehr wieder äußerlich sichtbares Verhalten zeigt, das immer noch auf die jeweilige Ausgangssituation bezogen ist. Ein Verhalten, mit dem ein Individuum auf den ersten Anschein hin direkt auf eine bestimmte Situation reagiert, stellt sich bei genauerer Betrachtung also als ein Verhalten heraus, das in Wirklichkeit keineswegs direkt erfolgt, sondern durch einen inneren, biologisch erfassbaren, im Vergleich zu anderen Fällen allerdings außerordentlich rasch ablaufenden Lernprozess vermittelt ist. Genau dies ist der Grund, warum die Verhaltensweisen, die innerhalb der Ethologie häufig mit psychologischen Begriffen wie zum Beispiel „intelligent“, „erfolgt aus Einsicht“ usw. beschrieben werden, auch eine ausschließlich biologische Deutung erlauben. Zwar ist richtig: Wenn man sich ausschließlich mit der Beziehung zwischen der jeweiligen Ausgangssituation und dem äußerlich sichtbaren Verhalten des auf diese Situation reagierenden Individuums befasst, stößt man auf das Problem, dass dieses Verhalten offenkundig in einer nicht-zufälligen Weise erfolgt, zugleich aber auch nicht dadurch erklärt werden kann, dass man die Ausgangssituation als einen Reiz auffasst, der das Verhalten ausgelöst hat. Und das ist, wie erinnerlich, das Problem, welches viele Ethologen dazu veranlasst, an dieser Stelle von Beg- riffen der Psychologie Gebrauch zu machen. Tatsächlich aber ist dieser Schritt vermeidbar. Man muss sich nur darum bemühen, die Beziehung zwischen der Ausgangssituation und dem äußerlich sichtbaren Verhalten bei der Betrachtung solcher Fälle in Teilsequenzen aufzulösen. Die gesamte Sachlage wird mit den begrifflichen Mitteln der Biologie erfassbar, wenn man zwei spezielle Schritte vollzieht: (a) Wenn man die Ausgangssituation als Situation deutet, die den Anfang eines mit entstehungsbezogenen Erklärungen zu thematisierenden inneren Lernpro- zesses bildet, und (b) wenn man sich mit den veränderungsbezogenen Erklärungen, mit denen man das vom jeweiligen Individuum vollzogene Verhalten erklären möchte, nicht auf die Ausgangssituation bezieht, sondern auf die Situation, die sich im Inne- ren des Individuums nach dem Ablauf des inneren Lernprozesses ergeben hat.

Möglichkeiten des Übergangs zwischen Begriffen der Biologie und der Psychologie Eine biologische Deutung intelligenter Verhaltensweisen wird also möglich, indem man das, was sich auf den ersten Blick als eine übergreifende Einheit von Ausgangssituation und Aktivität darstellt, zum Zweck der genaueren Betrachtung in unterschiedliche Phasen zerlegt: In eine Phase, in der das Individuum sich qua Ros_Mentale_Verursachung, 23

Lernen zu einem Individuum mit einer neuen Aktivitätsfähigkeit entwickelt; und eine Phase, in der diese neue Aktivitätsfähigkeit durch eine innere Konstellation von Reizen ausgelöst wird. Nun sind solche Zerlegungen einer ursprünglich als eine Einheit aufgefassten Aktivitätssituation freilich etwas, was man zwar machen kann, aber nicht machen muss. Wir können schließlich, um ein bereits von Wittgenstein verwendetes Bei- spiel heranzuziehen42, auch einen Besen gedanklich (oder sogar faktisch) in ein- zelne seiner Elemente, bis hin zu den Molekülen, aus denen er sich zusammen- setzt, auflösen. Und unter bestimmten Umständen mag dies durchaus sinnvoll sein. Aber es gibt auch Umstände, unter denen ein solches Vorgehen unsinnig ist und man besser daran tut, den Rahmen einmal eingespielter Anschauungsweisen nicht zu verlassen und einen Besen weiterhin als Besen, das heißt als ein einheitli- ches Ganzes, und nicht als Ansammlung von Holzteilen und Borsten, oder gar als einen Haufen von Molekülen, aufzufassen. Genau so verhält es sich auch mit der Betrachtung intelligenten Verhaltens. Schließlich legt die hier gegebene Beziehung zwischen einer bestimmten Ausgangssituation und einem darauf folgenden Verhalten es geradezu nahe, das gesamte Geschehen nicht als eine bloße Reihe unabhängig voneinander eintreten- der Aktivitätselemente, sondern als eine aus bestimmten Teilaktivitäten bestehen- de, übergreifende Aktivitätseinheit aufzufassen: Das ist eine unmittelbare Folge dessen, dass Prozesse des Entstehens einer neuen Aktivitätsfähigkeit und Prozesse der Auslösung dieser neuen Aktivitätsfähigkeit in diesen Fällen zeitlich eng an- einander gerückt sind. Wobei die Orientierung an dem, was sich innerhalb einge- spielter, als selbstverständlich in Anspruch genommener Anschauungsweisen für uns als ein einheitliches Ganzes darbietet, natürlich auch der Grund dafür ist, warum man selbst innerhalb der professionellen Biologie dazu neigt, angesichts solcher Fälle zu Begriffen der Psychologie zu wechseln und von einem „Verhalten aus Einsicht“ zu sprechen. Die Begriffe der Biologie sind nun einmal darauf zugeschnitten, Prozesse des Entstehens und Prozesse des Auslösens einer Aktivitätsfähigkeit als unabhängig voneinander ablaufende Prozesse aufzufassen. Wer Beschreibungen dieser Pro- zesse anlässlich bestimmter, dafür geeigneter Fälle im Zuge einer übergreifende- ren Betrachtungsweise zu einem einheitlichen Aktivitätsganzen „synthetisieren“ möchte, kommt daher nicht umhin, das für die Biologie kennzeichnende System von Unterscheidungen zu verlassen und zu anderen Weisen des Unterscheidens zu wechseln: Er kommt nicht umhin, sich der Begriffe der Psychologie zu bedienen. Denn es ist eine der systematischen Pointen der Begriffe der Psychologie, dass sie auf Individuen zugeschnitten sind, die über die Fähigkeit verfügen, auf für sie problematische Situationen ohne Verlassen des Situationszusammenhangs, in dem sie sich befinden, unter vorheriger Veränderung ihres Aktivitätsrepertoires zu reagieren

42 L. Wittgenstein (1969, § 60). Ros_Mentale_Verursachung, 24

Philosophische Bemühungen zur Bewusstmachung der Kennzeichen, die für unsere übliche Rede von Handlungen charakteristisch sind, sind unter anderem auf zwei solcher Kennzeichen gestoßen (weiter oben, in der Einleitung zu diesen Ausführungen, war von ihnen bereits andeutungsweise die Rede): Im Gegensatz zu physischen oder biologischen Aktivitäten gelten uns Handlungen auffallender- weise als Aktivitäten, die von ihrem jeweiligen Aktivitätsträger, dem „Handlungs- subjekt“, selber hervorgebracht werden, die unter der „Führung“ ihres jeweiligen Subjekts stattfinden, wie es gelegentlich auch heißt.43 Und zur Erklärung dafür, dass jemand eine bestimmte Handlung vollzogen hat, gilt es uns als unumgäng- lich, auf psychische Einstellungen und psychische Aktivitäten des jeweiligen Handlungssubjekts zurückzugreifen. Beide Merkmale des Handlungsbegriffs lassen sich, wie sich jetzt zeigt, als eine Folge des im soeben skizzierten Sinne verstandenen Übergangs von den Begriffen der Biologie zu denen der Psycholo- gie erklären: (a) Dass Handlungen von ihrem Handlungssubjekt „selber hervorgebracht wer- den“, lässt sich als eine Folge dessen verstehen, dass die Aktivitäten des inne- ren Lernens, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen, aus der übergreifenden psychologischen Sichtweise heraus gesehen keine isoliert für sich stehenden Aktivitäten, sondern vom Träger der gesamten Aktivität voll- zogene Teilaktivitäten sind. Aus einem solchen Verständnis der Sachlage er- gibt sich nämlich, dass man es hier mit einem Individuum zu tun hat, das bis zu einem gewissen Maße an der Ausgestaltung der von ihm vollzogenen Akti- vitäten selber beteiligt ist. (b) Dass der Vollzug einer Handlung unter Bezug auf psychische Einstellungen und psychische Aktivitäten des jeweiligen Handlungssubjekts erklärt werden muss, lässt sich als eine Folge dessen verstehen, dass psychologische Begriffe unter anderem dem Zweck dienen, den einen oder anderen Aspekt eben der Aktivitäten zu benennen, mit denen Handlungssubjekte an der Ausgestaltung der Form ihrer jeweiligen Handlungen beteiligt sind.44 Genau diese Sachlage lässt im Übrigen auch in einer etwas weiter reichenden Weise erkennen, in welcher Hinsicht man, wie bereits weiter oben angedeutet, eine wichtige systematische Pointe unserer herkömmlichen Unterscheidungspra- xis verfehlt, wenn man psychische Aktivitäten wie zum Beispiel Vorstellungen nicht als „Gründe“, sondern als „Ursachen“ für den Vollzug einer Handlung auf- fasst. Denn mit dem Begriff der Ursache, anders als mit der Rede von Gründen, beziehen wir uns auf Anlässe für die Realisierung von Aktivitäten, deren Schema dem jeweiligen Aktivitätsträger vorgegeben ist. Ein Gewässer, das einem Tempe- ratursturz ausgesetzt ist, der Temperaturen von deutlich unter 0 Grad Celsius mit

43 Vgl. H. Frankfurt (1987) 44 Tatsächlich sind die ersten Begriffe für genuin psychische Phänomene innerhalb der eu- ropäischen Kulturgeschichte in einem engen Zusammenhang mit der Herausbildung eines neuen Verständnisses der Möglichkeiten menschlicher Eigenständigkeit entstanden. Deutliche Belege dafür finden sich insbesondere in der frühgriechischen Lyrik. Vgl. dazu B. Snell (1980). Ros_Mentale_Verursachung, 25 sich bringt, macht sich nicht erst einmal daran, die Veränderungen, zu denen es bei ihm im Anschluss an diesen Temperatursturz kommen wird, einem inneren Testlauf zu unterwerfen: Es reagiert auf eine solche Situation so, wie es nun ein- mal für Gewässer kennzeichnend ist. Und deswegen sagen wir, dass jener Tempe- ratursturz die „Ursache“ für das Gefrieren des Gewässers war. Bei der Rede von Handlungssubjekten hingegen haben wir komplexe, hochorganisierte Ganzheiten im Auge, die sich (unter anderem) in dieser Hinsicht von allein physischen Ge- genständen deutlich unterscheiden.

Biologische und physische Phänomene als Teile von psychischen Phä- nomenen Eine mit den Mitteln der Psychologie formulierte Erklärung dafür, dass ein Schimpanse zum ersten Mal in seinem Leben ohne vorherige Probierversuche Kästen aufeinander stapelt, um so an eine für ihn sonst nicht erreichbare Frucht zu gelangen, würde beispielsweise lauten können: Der Schimpanse habe sich vorge- stellt, dass er jene Frucht dann, wenn er jene Kästen aufeinander stapelt, würde erreichen können; und das habe bei ihm, vor dem Hintergrund des Drangs nach jener Frucht, dazu geführt, dass er die Kästen tatsächlich in einer zumindest im Prinzip zweckmäßigen Weise aufeinander schichtete. Und eine genauere Reflexi- on über die Beziehungen zwischen psychologischen und biologischen Beschrei- bungs- und Erklärungsweisen macht, wie zu zeigen versucht wurde, deutlich: • Mit dem psychologischen Begriff der Vorstellung beziehen wir uns an dieser Stelle unter anderem auf innerhalb des jeweiligen Individuums ablaufende, zum Entstehen und der Konsolidierung neuer Verhaltensvarianten führende biologische Aktivitäten des Lernens, die wir aus dieser psychologischen Sicht- weise heraus aber nicht als für sich allein stehende Einzelaktivitäten, sondern als Teilaktivitäten einer bestimmten übergreifenden Gesamtaktivität, einer „Handlung“, interpretieren. • Mit dem psychologischen Begriff des „Drangs“ beziehen wir uns an dieser Stelle unter anderem auf innerhalb des jeweiligen Individuums aufzufindende Tendenzen beziehungsweise Prozesse des Auslösens einer soeben erlernten neuen Aktivitätsfähigkeit, die wir aus dieser psychologischen Sichtweise her- aus aber ebenfalls nicht als isolierte Einzelphänomene, sondern als Teilkom- ponenten einer als eine übergreifende Gesamtaktivität verstandenen Handlung deuten. Die Beziehung zwischen psychischen und biologischen Phänomenen besteht in solchen Fällen also daraus, dass letztere, die aus der biologischen Perspektive heraus gesehen bloße für sich genommene Elemente sind, im Rahmen der psycho- logischen Perspektive als Teile bestimmter psychischer Phänomene auftreten, wobei diese psychischen Phänomene ihrerseits Teilaspekte eines übergreifenden, Prozesse des Entstehens von Aktivitätsschemata einschließenden zeitlichen Gan- Ros_Mentale_Verursachung, 26 zen – einer faktisch vollzogenen oder für das jeweilige Individuum zumindest möglichen Handlung – sind. Eine vergleichbare Beziehung liegt im Übrigen auch, wie sich unschwer zei- gen ließe, zwischen den hier relevanten biologischen Phänomenen und bestimm- ten physischen beziehungsweise chemischen Phänomenen vor. Zwar ist der Über- gang von einer Deutung, im Rahmen derer gewisse chemische Prozesse nur als solche, und einer weiteren Deutung, im Rahmen derer dieselben Prozesse als Teile der Aktivitäten eines Lebewesens interpretiert werden, in seinen einzelnen Details durch andere Schritte vermittelt als der Übergang von biologischen zu psycholo- gischen Beschreibungsweisen.45 Aber der Schlüssel zum Verständnis dieser Über- gänge liegt hier wie dort darin, dass im Zuge des Wechsels zur jeweiligen kom- plexeren Begrifflichkeit die Möglichkeit genutzt wird, in bestimmten, dafür ge- eigneten Fällen bei der Betrachtung einer bestimmten Aktivität die Entstehungs- geschichte des Schemas dieser Aktivität gleichsam von vornherein mitzusehen.46

Biologische und physische Phänomene als „Realisierungen“ von psychi- schen Phänomenen? Chemische Abläufe wie zum Beispiel die oxidativen Abbauprozesse der in Koh- lehydraten, Eiweißen und Fetten enthaltenen potentiellen chemischen Energie können jederzeit als allein für sich ablaufende Geschehen untersucht werden. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sie sich aber auch als Teile übergrei- fender zeitlicher Abläufe verstehen, zu deren Beschreibung und Erklärung wir die Begriffe der Biologie benötigen. Und diese wiederum können, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, als Teile von psychischen Aktivitäten aufgefasst wer- den, die ihrerseits Aspekte von Handlungen sind.

45 Näheres dazu in A. Ros (2005, Teil IV). − Man beachte, dass die Verfahren, mit denen sich der so verstandene Übergang von Begriffen einer Beschreibungsebene zu denen einer anderen Beschreibungsebene methodisch nachvollziehen lassen soll, nicht allein daraus bestehen können, dass man sich formaler logischer Mittel wie zum Beispiel der Junktoren und Quantoren bedient, um mit ihrer Hilfe die jeweils vorgegebenen, und für sich genommen unverändert bleibenden Begriffe der einfacheren Beschreibungsebene in mehr oder weniger komplizierter Weise mitein- ander zu kombinieren. Gefordert sind vielmehr Vorgehensweisen, im Zuge derer die Begriffe der jeweils vorgegebenen Beschreibungsebene selber noch verändert werden, im Zuge derer man sie beispielsweise von Begriffen für bloße Elemente in Begriffe für Teile eines Ganzen transformiert. Genau dies ist im Übrigen der Grund, weswegen sich die Begriffe für ein bestimmtes Makrophä- nomen zwar nicht in allen, wohl aber vielen Fällen nicht auf bloße Kombinationen von Begriffen bestimmter Mikrophänomene reduzieren lassen; mit einer aus der philosophischen Tradition geläufigen These gesprochen: Warum ein Ganzes (im Gegensatz zu einem bloßen „Haufen“) mehr ist als die Summe seiner Teile. Zugleich ergibt sich aus der Berücksichtigung dieses Umstands einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem weiter oben bereits angesprochenen Semanti- schen Physikalismus von R. Carnap und C. G. Hempel und der Position eines (nicht-reduktiven) synthetischen Materialismus, die den hier vorgetragenen Überlegungen zugrundeliegt. 46 Dieser Befund bestätigt – und präzisiert – die bereits für Ansätze innerhalb des Pragma- tismus kennzeichnende, und vom späten Wittgenstein in ähnlicher Weise formulierte These, „dass das Wort ‚menschliches Verhalten’ (…) eine Art von Verhalten charakterisiert, in dem Ergebnisse der Vergangenheit und Ausblick auf die Zukunft zusammenfallen“ (J. Dewey (2003, 300)). Ros_Mentale_Verursachung, 27

Eine solche Sicht der Dinge steht allerdings, jedenfalls dem ersten Anschein nach, in einem eigentümlichen Gegensatz dazu, wie die Beziehungen zwischen physischen und psychischen Phänomenen in großen Teilen der neueren philoso- phischen Literatur dargestellt werden. Denn dort ist häufig nicht von Beziehungen zwischen allein für sich betrachteten Geschehen, Teilgeschehen und Gesamtge- schehen die Rede, sondern davon, dass bestimmte physische Phänomene psychi- sche Phänomene „realisieren“ würden.47 Nun ist freilich nicht immer klar, ob mit dieser Redeweise tatsächlich etwas anderes gemeint ist als das, was innerhalb der sonst üblichen Terminologie mit Hilfe der Unterscheidung zwischen allein für sich genommenen Phänomenen, Teilen und Ganzheiten zum Ausdruck gebracht werden soll. Festzuhalten bleibt aber auf jeden Fall, dass zumindest die Wortwahl, und in wenigstens einigen Fällen auch das mit dieser Wortwahl Gemeinte, irreführend sind. Schließlich suggerieren dergleichen Formulierungen, dass man von psychischen Phänomenen wie zum Beispiel den Vorstellungen, Absichten und Wünschen, die wir intelligen- ten Lebewesen zuzusprechen gewohnt sind, eigentlich nicht sagen darf, dass es sie wirklich gibt; dass eigentlich nur die physischen Phänomene, aus denen sich intelligente Lebewesen, nebst den ihnen zuschreibbaren Aktivitäten, zusammen- setzen, tatsächlich existieren.48 Das aber ist eine gänzlich irrige Auffassung. Konkrete Gegenstände einer bestimmten Art bezeichnen wir üblicherweise dann als „reale“ Gegenstände, wenn sich zeigen lässt, dass es sich bei dem Begriff dieser Gegenstände um eine methodisch nachvollziehbare, sprachlich artikulierba- re Weise des Unterscheidens beziehungsweise Einordnens von Gegenständen als Gegenstände einer bestimmten Art handelt, und wenn darüber hinaus belegt wer- den kann, dass zumindest ein mit Hilfe unserer Sinnesorgane direkt oder indirekt nachweisbarer Gegenstand die Kriterien erfüllt, welche die Anwendung jenes Begriffs regeln. Es ist dieser Wortgebrauch, der den begrifflichen Hintergrund dafür abgibt, dass innerhalb der aktuellen Physik über die Realität von Strings und dunkler Materie kontrovers diskutiert werden kann, und dass die Realität der von Wolfgang Pauli am Ende des Jahres 1930 noch allein aus theoretischen Gründen postulierten Neutrinos mittlerweile, seit den in den fünfziger Jahren des 20. Jahr- hunderts von Frederick Reines und Clyde Cowan durchgeführten Untersuchun- gen, als gesichert gilt. Und es ist derselbe Wortgebrauch, der es uns erlaubt, zum Beispiel Nukleinsäuren, Farne, Kraniche, intelligente Kreaturen sowie die Produk- te mancher intelligenter Kreaturen wie zum Beispiel Besen nach bestem gegen-

47 Vgl. dazu zum Beispiel H. Putnam, (1960, 1967). 48 Vgl. zu einer solchen Position zum Beispiel Jerry Fodor (1987, 97). Fodor spricht dort davon, dass es intentionale Phänomene – Wünsche, Absichten, Meinungen, usw. – nur insofern geben könne, als sie mit Konstellationen von physischen Phänomenen identisch sind; was dann freilich auch zu dem Zugeständnis nötige, dass das, was es da gibt, in Wirklichkeit gar nicht mehr aus intentionalen Phänomenen besteht. Auch Daniel C. Dennett hat eine solche Position in frühe- ren Publikationen, so zum Beispiel in dem 1971 veröffentlichen Aufsatz „Intentional Systems“, vertreten – um sie dann allerdings in späteren Schriften, etwa in The Intentional Stance (1987), zugunsten einer realistischen Deutung unserer Begriffe für psychische Phänomene aufzugeben. Ros_Mentale_Verursachung, 28 wärtigem Wissen als „real“ zu bezeichnen – genau so wie die Vorstellungen, Absichten und Wünsche, die man intelligenten Kreaturen zusprechen kann. Der Umstand hingegen, dass einige der Teile, aus denen sich Lebewesen zusammen- setzen, in jedem Fall aus Nukleinsäuren bestehen, liefert keinen Grund, zu sagen, dass Nukleinsäuren in irgendeinem Sinne „realer“ seien als die Lebewesen, in denen sie auftreten, oder dass sie mit dazu beitrügen, Lebewesen zu „realisieren“. Ohnehin ist der eigentliche systematische Zusammenhang, in den die Rede von der „Realisierung“ von etwas gehört, ein ganz anderer als der, innerhalb dessen sie in vielen aktuellen philosophischen Beiträgen zum Geist-Materie- Problem auftritt. Von der „Realisierung“ eines bestimmten Phänomens sprechen wir in der Alltags- und Bildungssprache beispielsweise dann, wenn wir erörtern möchten, wie ein bestimmtes Vorhaben in die Tat umgesetzt werden sollte. Und in der Logik ist es üblich, mit Hilfe des Ausdrucks „Realisierung“ die Beziehung zwischen abstrakten und konkreten Gegenständen (englisch: zwischen types und tokens) zu thematisieren: Beispielsweise, indem man Theateraufführungen in der Stadt A und der Stadt B als unterschiedliche „Realisierungen“ (auch „Aktualisie- rungen“) desselben Theaterstücks, oder zwei karmesinfarbene Flecken auf einer Wand als unterschiedliche Realisierungen (auch „Instanzen“, „Instanziierun- gen“49) der Farbe Karmesin bezeichnet. Mit dieser Beziehung aber hat die Bezie- hung zwischen einem psychischen Phänomen und den zu diesem psychischen Phänomen gehörenden physischen Teilphänomenen selbstverständlich nichts zu tun. Denn diese Beziehung liegt ja zwischen gleichermaßen konkreten (oder, je nach Betrachtungszusammenhang: gleichermaßen abstrakten) Phänomenen vor.

4. Formen des Erklärens und psycho-physische Zusammenhänge Die neuere Wissenschaftstheorie hat es lange Zeit als selbstverständlich unter- stellt, dass die Erklärungen, die für die Praxis der empirischen Wissenschaften von Bedeutung sind, ausschließlich aus veränderungsbezogenen Erklärungen bestehen. Relikte dieser Einstellung finden sich auch heute noch in großen Teilen der philosophischen Diskussion um den einen oder anderen Aspekt des Geist- Materie-Problems. Nun haben wir uns jedoch in den Überlegungen des vorausge- gangenen Abschnitts vergegenwärtigt, dass es in der Biologie – und selbstver- ständlich nicht nur dort – in Wirklichkeit üblich ist, zwei Arten von empirischen Erklärungen anzustreben: solche, mit denen erklärt werden soll, warum ein Ge- genstand, oder eine Klasse von Gegenständen, sich verändert hat; und solche, mit denen erklärt werden soll, wie es dazu gekommen ist, dass ein Gegenstand, oder eine Klasse von Gegenständen, entstanden ist. Und schaut man genauer zu, stößt man, wie noch weiter oben bereits angedeutet, in der Praxis wissenschaftlicher Forschungen auf mindestens einen zusätzlichen häufig eingesetzten Typus empiri-

49 Tatsächlich, und ebenfalls irreführenderweise, ist innerhalb der aktuellen Diskussion auch des Öfteren davon die Rede, dass die Teile, aus denen sich ein Ganzes zusammensetzt, „Instanziie- rungen“ dieses Ganzen seien. Vgl. dazu zum Beispiel R. Cummins (1983, 15). Ros_Mentale_Verursachung, 29 scher Erklärungen: auf Erklärungen, die aus der Absicht heraus vollzogen werden, zu einer vertieften Einsicht in die Art und Weise zu gelangen, in der sich ein bestimmtes Ganzes aus seinen Teilen zusammensetzt.50 Erklärungen dieses letzteren Typs werden in Ableitung vom griechischen Wort meros („Teil“) gemeinhin als „mereologische“ Erklärungen bezeichnet.51 Sie können in zwei unterschiedlichen Formen auftreten. Im einen Fall dienen sie dem Ziel, einen auffallenden Zug eines Ganzen aus der Art und Weise heraus verständlich zu machen, in der dieses Ganze sich aus bestimmten Teilen zusam- mensetzt. Man hat es hier also mit Erklärungen zu tun, in denen gewissermaßen eine „aufwärts“-Beziehung (englisch bottom up relation) − von den Teilen aus- gehend zum jeweiligen Ganzen − erörtert wird. Im anderen Fall dienen mereolo- gische Erklärungen dem Ziel, einen auffallenden Zug eines der Teile eines Gan- zen aus der Art und Weise heraus verständlich zu machen, in der dieses Teil in das jeweilige Ganze integriert ist: Die Beziehung, die hier erörtert wird, wird dann mithin gleichsam als eine „abwärts“-Beziehung (englisch top down relation) − vom jeweiligen Ganzen ausgehend zu dem einen oder anderen seiner Teile − thematisiert. Im Regelfall dienen mereologische Erklärungen dem Zweck, verständlich zu machen, warum ein Gegenstand, oder eine Klasse von Gegenständen, eine be- stimmte Eigenschaft aufweist (wobei der Begriff der Eigenschaft hier in einem weiten Sinne gebraucht wird, so, dass er beispielsweise auch Fähigkeiten ein- schließt). Mereologische Erklärungen werden daher des Öfteren auch als „eigen- schaftsbezogene“ Erklärungen bezeichnet.52 Ein typisches Beispiel für eine aufwärtsgerichtete eigenschaftsbezogene me- reologische Erklärung lässt sich den Ausführungen entnehmen, mit denen der englische Naturwissenschaftler Robert Hooke (1635-1703) verständlich zu ma-

50 Die Unterscheidung zwischen diesen drei Arten von Erklärungen findet sich zumindest in Ansätzen bereits in Aristoteles’ Unterscheidung zwischen Erklärungen, in denen entweder auf eine causa efficiens, eine causa finalis oder eine causa materialis zurückgegriffen wird (Aristoteles, Physikvorlesung, II.3 194b15-195a23). Zu einem kurzen Blick auf die Wirkungsgeschichte eines vierten von Aristoteles in diesem Zusammenhang unterschiedenen Erklärungsbegriffs – des Begriffs der Erklärungen, in denen auf eine causa formalis zurückgegriffen wird – vgl. zum Beispiel A. Ros (2003). 51 Aristoteles sind auch bereits erste wegweisende Analysen der genaueren Struktur von me- reologischen Erklärungen zu verdanken. Überlegungen Platons aufgreifend, weist Aristoteles unter anderem darauf hin, dass man die Teile eines Ganzen in zweifacher Weise betrachten könne: einmal, wie gesagt, als Teile eines Ganzen; einmal aber auch als Gegenstände, die gänzlich für sich, unabhängig von ihrer Einbettung in ein Ganzes, genommen werden. Im zweiten Fall tritt uns der fragliche Gegenstand nicht mehr als ein Teil, sondern als ein „Element“ (stoicheîon) entgegen. Darüber hinaus hat Aristoteles bereits darauf aufmerksam gemacht, dass es wichtig ist, zwischen zwei Arten der Zusammenfügung von Elementen zu unterscheiden: Im einen Fall, in dem die zusammengefügten Elemente lediglich einen „Haufen“ (sorós) bilden, bleibt der Spielraum der Eigenschaften, der diesen Gegenständen zugeschrieben werden kann, konstant; im anderen, in dem sich die Elemente zu Teilen eines Ganzen (hólon) wandeln, verändert er sich. Vgl. zu einer kurzen Übersicht über diesen Teil der aristotelischen Ausführungen A. Ros (1989-1990, Bd. 1, 95-100). 52 So zum Beispiel von R. Cummins, der in The Nature of Psychological Explanation (1983) zwischen veränderungsbezogenen und eigenschaftsbezogenen Erklärungen (transition explanations und property explanations) unterscheidet. Ros_Mentale_Verursachung, 30 chen versuchte, warum Kork auf Wasser schwimmt und bis zu einem gewissen Grad elastisch ist: Nach mehrfachen Blicken durch ein Mikroskop meinte Hooke, diese beiden Eigenschaften von Kork ließen sich aus dem Umstand erklären, dass Kork sich aus kleinen, seinem Vorschlag nach als „Zellen“ zu bezeichnenden Gebilden zusammensetze, die mit Luft gefüllt seien. Ein weiteres, diesmal der jüngeren Forschung entnommenes Beispiel für eine mereologische aufwärtsge- richtete und zugleich eigenschaftsbezogene Erklärung betrifft die Fähigkeit von Geckos, sich kopfüber an der Decke eines Raums bewegen zu können: An den Zehen von Geckos sitzen Millionen Härchen, die in kleine pinselförmige Gebilde gespalten sind. Diese Pinsel sind nicht mehr als 200 Nanometer breit. Das aber ist eine Größenordnung, in der eine zwischen Molekülen herrschende schwache Anziehungskraft, die so genannte Van-der-Waals-Kraft, wirksam wird. Millionen- fach multipliziert, bringt diese Kraft es mit sich, dass Geckos über besagte Fähig- keit verfügen. Eigenschaftsbezogene mereologische Erklärungen treten aber selbstverständ- lich auch in der abwärtsgerichteten Variante auf. Angenommen etwa, man stößt bei der Untersuchung der Flugmuskulatur von Kolibris darauf, dass die Zellen dieser Muskulatur, anders als die Muskelzellen anderer Spezies, die Eigenschaft aufweisen, dicht mit Fetttröpfchen besetzt zu sein: Wer sich innerhalb der Physio- logie nach einer Erklärung für dieses Phänomen erkundigt, wird darauf die Ant- wort erhalten, dass dies mit den enormen Flugleistungen von Kolibris zusammen- hänge. Diese seien nämlich unter anderem nur deswegen möglich, weil Fette deutlich mehr Energie liefern als die sonst als Energiereservoir dienenden Kohle- hydrate.

Mereologische und veränderungsbezogene Erklärungen Es ist von erheblicher Bedeutung, sich bewusst zu machen, dass mereologische Erklärungen sowohl der aufwärts wie der abwärts gerichteten Form sich von den veränderungsbezogenen Erklärungen deutlich unterscheiden. Das besagt freilich nicht, dass man im Zuge mereologischer Erklärungen keine Veränderungen the- matisieren könnte. Dergleichen ist vielmehr sehr wohl möglich und kommt auch durchaus des Öfteren vor. Allerdings werden Veränderungen unter diesen Um- ständen in einer anderen Weise erörtert als dann, wenn sie Gegenstand von im üblichen Sinne verstandenen veränderungsbezogenen Erklärungen sind: Es geht dann nicht um das, was die jeweilige Veränderung veranlasst hat, sondern um das, was die eine oder andere Eigenschaft der jeweiligen Veränderung verständ- lich werden lässt. Man stelle sich einen Menschen vor, der Geräusche hört, die er deutlich als zwei unterschiedliche Geräusche wahrnimmt, von denen er aber nicht zu sagen vermag, welches dieser beiden Geräusche das frühere und welches das spätere ist: Die von der neueren Neurobiologie bereitgestellte Erklärung für Phänomene dieser Art stützt sich auf Einsichten in die Art und Weise der neuronalen Aktivitä- Ros_Mentale_Verursachung, 31 ten, die beim Hören eine wichtige Rolle spielen.53 Oder gesetzt den Fall, man möchte wissen, warum sich auf der Oberfläche eines Gewässers gerade dünne, kristallartige Strukturen herausbilden, die speziell an den Randzonen dieses Ge- wässers auftreten: Eine denkbare Erklärung für diesen Befund würde mit dem Hinweis beginnen, dass das Gewässer gerade zu gefrieren beginnt, und dass der Prozess des Gefrierens eines Gewässers normalerweise mit dünnen Kristallbil- dungen am Rande des Gewässers einsetzt. In beiden Fällen haben wir es mit Aktivitäten, und folglich mit Veränderun- gen, zu tun − einem Hörvorgang im einen Fall, einem Prozess der Kristallbildung im anderen. Gleichwohl sind die soeben angesprochenen Erklärungen nicht des veränderungsbezogenen, sondern des mereologischen Typs. Und der Grund dafür liegt darin, dass das Ziel dieser Erklärungen eben nicht darin besteht, verständlich zu machen, warum es zum Eintreten der jeweiligen Veränderung gekommen ist, sondern warum diese Veränderung eine bestimmte Eigenschaft aufweist. Wir möchten in einem solchen Zusammenhang entweder wissen, in welcher Weise der Aufbau eines übergreifenden Geschehens aus bestimmten Teilgeschehen Folgen für den einen oder anderen Zug des Gesamtgeschehens mit sich bringt. Oder wir möchten wissen, ob, und wenn ja, wie die eine oder andere Eigenschaft eines bestimmten Geschehens mit dem Eintreten des übergreifenden Geschehens zu- sammenhängt, in das das zunächst einmal allein für sich betrachtete Geschehen als Teilgeschehen eingebunden ist. Wer eine Veränderung zum Gegenstand einer Erklärung machen möchte, soll- te daher mit besonderer Sorgfalt vorgehen und präzise erläutern, was genau ihn an jener Veränderung interessiert. Die bloße Frage zum Beispiel, warum sich auf der Oberfläche der Randzone eines Gewässers gerade dünne kristallartige Strukturen herausbilden, ist mehrdeutig. Wer so fragt, ist vielleicht zufrieden gestellt, wenn man ihm erklärt, dass Wasser bei einer bestimmten Temperatur seinen Aggregat- zustand von flüssig zu fest zu ändern beginnt, und dass diese Temperatur gerade erreicht worden ist – womit sich zugleich zeigen würde, dass er offenbar wissen wollte, was der Anlass dafür war, dass sich das Wasser an dem Ufergebiet eines bestimmten Gewässers in einer bestimmten Weise verändert hat. Es kann aber auch sein, dass so jemand nach eigenem Bekunden dann eine ihm wichtige Infor- mation erhält, wenn man ihm mitteilt, dass das zur Diskussion stehende Gewässer gerade (wodurch auch immer veranlasst) gefriert, und dass der Prozess des Gefrie- rens eines Gewässers normalerweise während seines Beginns Teilprozesse auf- weist, die aus bestimmten Gründen aus der Bildung kristallartiger Strukturen an seinem Rand bestehen – woraus sich ableiten ließe, dass ihn offenbar die Frage interessiert hat, warum der Prozess des Gefrierens eines Gewässers die Eigen- schaft aufweist, normalerweise am Rande dieses Gewässers einzusetzen.

53 Vgl. E. Pöppel (1997, 23ff.) Ros_Mentale_Verursachung, 32

Mereologische Erklärungen und Ursachen Aus dem Unterschied zwischen veränderungsbezogenen Erklärungen, mit denen der Anlass für das Eintreten eines Geschehens benannt werden soll, und Eigen- schaften thematisierenden mereologischen Erklärungen ergeben sich wichtige Konsequenzen für den Gebrauch der Ausdrücke „Ursache“ und „Wirkung“. Misslicherweise sind wir es gewohnt, diese beiden Ausdrücke in einem sehr weiten Sinne zu verwenden.54 So sagen wir zum Beispiel, dass die Ursache für dünne Kristallbildungen auf der Oberfläche eines Gewässers darin liegt, dass die Wassertemperatur auf unter 0 Grad abgesunken ist, und meinen in einem solchen Falle eine Ursache im Sinne eines Anlasses für das Eintreten eines bestimmten Geschehens. Wir sprechen aber auch davon, dass die Art und Weise, in der Kork sich aus den von Robert Hooke gemeinten Zellen zusammensetzt, die Ursache dafür ist, dass Kork über eine gewisse Elastizität verfügt – und haben dann selbst- verständlich nicht den Anlass für das Eintreten eines bestimmten Geschehens im Auge (ein solches gibt es hier ja gar nicht), sondern eine bestimmte Beziehung zwischen einem Ganzen und seinen Teilen. Angesichts so deutlicher Unterschiede zwischen diesen beiden Fällen ist es unumgänglich, immer dann, wenn man von „Ursachen“ spricht, klarzustellen, ob man damit Ursachen im Sinne von Anlässen oder in mereologische Zusammen- hänge gehörende Ursachen im Auge hat – wenn man es nicht sogar, um der Ein- deutigkeit der Terminologie willen, vorzieht, immer dann, wenn man mereologi- sche Zusammenhänge erörtern möchte, auf die Rede von Ursachen gänzlich zu verzichten. Alternative Ausdrucksmöglichkeiten gibt es schließlich zur Genüge: Man kann davon sprechen, dass die Art und Weise, in der Kork sich aus bestimm- ten Teilen zusammensetzt, mit sich bringt, dass Kork über eine gewisse Elastizität verfügt; man kann davon sprechen, dass das Gefrieren eines Gewässers norma- lerweise anfängliche dünne Kristallbildungen an den Uferzonen beinhaltet, usw. In Teilen der Literatur sind diese Vorsichtsregeln allerdings nicht immer be- achtet worden. Einen besonders deutlichen Beleg dafür liefern Überlegungen, in denen von der Möglichkeit von „Abwärtsverursachungen“ (downward causati- ons) ausgegangen wird. In einem kurzen, im Jahre 1969 veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel „A Modified Concept of Consciousness“ schreibt beispielsweise der Neurophysiologe Roger W. Sperry (dem bahnbrechende Untersuchungen über die funktionale Spezialisierung der beiden Hälften des menschlichen Gehirns zu verdanken sind), er vertrete die Auffassung, dass „die bewussten Phänomene der subjektiven Erfahrung mit dem Gehirnprozess interagieren und dabei einen akti- ven kausalen Einfluss (active causal influence) ausüben. Bewusstsein wird dieser Sicht nach als etwas aufgefasst, was innerhalb der Bestimmung des fließenden

54 Auch Aristoteles war ja dabei geblieben, ohne weitere sprachliche Differenzierung von aitíai zu sprechen, obwohl er darauf aufmerksam gemacht hatte, dass man beim Gebrauch dieses Ausdrucks zwischen vier deutlich andersartigen Fällen unterscheiden sollte. Ros_Mentale_Verursachung, 33

Musters der cerebralen Erregung eine lenkende Rolle (directive role) besitzt.“55 Im Prinzip habe man es hier mit einer Situation zu tun, die derjenigen gleiche, in der „Wassertropfen durch einen örtlichen Strudel in einem Strom mitgeführt werden, oder in der die Moleküle und Atome eines Rades mitgeführt werden, wenn dieses Rad hügelabwärts rollt, unabhängig davon, ob die einzelnen Molekü- le und Atome dies schätzen oder nicht“.56 Es ist offenkundig, dass solche Formulierungen gegen das Prinzip von der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt verstoßen und kritische Fragen nach der Art des Mechanismus, der dergleichen Geschehen angeblich zugrunde liegt, geradezu provozieren.57 Vor dem Hintergrund des bisher Vorgetragenen wird freilich auch deutlich, dass derartige Überlegungen fehlerhaft sind, und worin genau der hier begangene Fehler liegt: Sie sind eine Folge unzulässiger Vermischungen von Teil-Ganzes-Beziehungen mit Beziehungen zwischen Verän- derungen und Anlässen für Veränderungen. Vermeiden kann man die hier auftre- tenden Probleme, wenn man sich von vornherein klarmacht, dass beispielsweise die Rede von einem sich drehenden Rad zwar selbstverständlich beinhaltet, dass sich auch die Teile, aus denen es sich zusammensetzt, bewegen – aber dass man gegen geltende und offenkundig auch sinnvolle semantische Regeln verstößt, wenn man sagen würde, dass dieses Rad die Bewegungen seiner Teile veranlasst und in diesem Sinne „verursacht“.58

Mereologische Erklärungen und Supervenienz Der Umstand, dass veränderungsbezogene und mereologische Erklärungen sich in wichtigen Punkten unterscheiden, sollte aber natürlich nicht vergessen machen, dass es zwischen beiden Arten von Erklärungen auch Gemeinsamkeiten gibt. So ist zum Beispiel für beide Arten von Erklärungen charakteristisch, dass sie in der Regel vor dem Hintergrund der Annahme allgemeiner empirischer Gesetzmäßig- keiten formuliert werden. Wobei innerhalb veränderungsbezogener Erklärungen freilich, ihrer zeitlichen Bezüge wegen, grundsätzlich auf Verlaufsgesetze zurück-

55 R. W. Sperry (1969, 533). 56 R. W. Sperry (1969, 534). Eine ausführlichere Darstellung seiner Position hat Sperry in dem 1980 veröffentlichten Aufsatz „Mind-Brain Interaction: Mentalism, Yes; Dualism, No“ vorgetragen. 57 So zum Beispiel A. Stephan (1999, 206). Sperry hat sich zwar in Sperry (1980) ausdrück- lich von einem substanzdualistischen Interaktionismus, wie er, in der Nachfolge von Descartes, zum Beispiel von John Eccles und Karl R. Popper (1977) entwickelt worden war, distanziert. Aber Stephan bezweifelt zu Recht, dass es Sperry gelungen ist, in seinen Überlegungen zu einer syste- matisch konsistenten Alternative zu jener Position zu gelangen. 58 Konsequenterweise hat Sperry die Auffassung vertreten, dass es neben der Abwärts- auch eine Aufwärtsverursachung gebe, auch wenn man, was den aufwärtsgerichteten Aspekt der „Inter- aktion“ zwischen Hirnaktivitäten und Bewusstseinphänomenen angehe, noch ganz am Anfang der Forschung stehe: „Gegenwärtig sind sogar die allgemeinen Prinzipien, mit Hilfe derer cerebrale Wirkungskreise bewusste Wirkungen hervorrufen (produce conscious effects), unklar.“ (1969, 535). Aber auch derartige Überlegungen sind das Resultat begrifflicher Konfusionen. Oder wollte man im Ernst davon sprechen, dass die Bewegungen der Speichen eines Rades „veranlassen“ beziehungsweise „hervorrufen“, dass sich dieses Rad bewegt? Ros_Mentale_Verursachung, 34 gegriffen wird, während die Gesetzmäßigkeiten, auf die sich mereologische Erklä- rungen stützen, keine zeitlichen Bezüge aufweisen müssen. Überdies gilt natürlich für beide Arten von Erklärungen das Prinzip, dass gleiche (zunächst noch im weiteren Sinne verstandene) Ursachen grundsätzlich gleiche Wirkungen mit sich bringen. Für mereologische Erklärungen lässt sich dieses Prinzip spezifizieren, beispielsweise indem man festhält: Wenn sich zwei Ganzheiten weder im Hin- blick auf die Art der Teile, aus denen sie bestehen, noch im Hinblick auf die Art und Weise der Zusammenhänge zwischen diesen Teilen voneinander unterschei- den, unterscheiden sie sich auch nicht als Ganzheiten voneinander. Man beachte freilich, dass es sich bei diesen Prinzipien um Richtlinien für die empirische Forschung handelt. Aufgrund des zweiten, spezieller gefassten Prin- zips wird man beispielsweise dann, wenn man bei der Betrachtung zweier einan- der weitgehend gleichender Gegenstände darauf stößt, dass sie sich zumindest in einigen kleineren Details doch voneinander unterscheiden, zu dem Schluss kom- men, dass es dann auch Unterschiede in der Art und Weise geben müsse, in der sie sich aus Teilen zusammensetzen – auch wenn diese Unterschiede beim aktuellen Stand der Erkenntnisse noch nicht bekannt sind. Auf keinen Fall aber wird mit diesen Prinzipien etwas über die Beziehungen zwischen den Begriffen – den sprachlich vermittelten Verfahren für die Einordnung von etwas als etwas einer bestimmten Art − gesagt, die wir zur Beschreibung der jeweils gemeinten Gegen- stände heranziehen. Der Umstand, dass Wasser bei einer Temperatur von über 0 Grad Celsius flüssig, und bei tiefer liegenden Temperaturen fest ist, erklärt sich bekanntlich aus der Art und Weise, in der die H2O-Moleküle, aus denen sich Wasser zusammen- setzt, bei Temperaturen einmal über und einmal unter 0 Grad Celsius miteinander verbunden sind. Und wie die neuere neurobiologische Forschung gezeigt hat, hängen manche Charakteristika von Angstempfindungen mit der Verteilung be- stimmter Hormone im Blut des Angst empfindenden Individuums zusammen. Aber diese Befunde, so wichtig sie in vielerlei Hinsichten auch sind, verschaffen uns selbstverständlich noch keine neuen Erkenntnisse darüber, in welchem Ver- hältnis unsere Begriffe für H2O-Moleküle und Wasser beziehungsweise für Hor- mone und für psychische Verfassungen von Individuen zueinander stehen. Es bleibt vielmehr dabei, dass die Ausdrücke „H2O-Molekül“ und „Wasser“ Begriffe unterschiedlicher Gegenstandsbereiche bezeichnen, ebenso wie die Ausdrücke „Hormon“ und „Angstempfindung“. Und es bleibt dabei, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, Begriffe für Ganzheiten (hier: „Wasser“, „Angstempfindung“) ohne Bedeutungsverlust durch Kombinationen von Begriffen für die Teile bezie- hungsweise Elemente des jeweiligen Ganzen (hier: „H2O-Molekül“, „Hormon“) zu ersetzen und auf diese Weise auf solche Begriffskombinationen zu „reduzie- ren“.59

59 Man vergegenwärtige sich aber nochmals, dass die Unmöglichkeit, Begriffe für Ganzhei- ten auf Kombinationen von Begriffen für deren Teile beziehungsweise Elemente zu reduzieren, Ros_Mentale_Verursachung, 35

Um Sachlagen dieses Typs – empirisch festzustellende gesetzesartige Zu- sammenhänge zwischen den Eigenschaften eines Ganzen und der Art und Weise seiner Zusammensetzung aus Teilen beziehungsweise Elementen einerseits, und Nicht-Reduzierbarkeit der Begriffe des jeweiligen Ganzen auf Kombinationen von Begriffen für die Teile beziehungsweise Elemente, aus denen das Ganze sich zusammensetzt, andererseits – zu kennzeichnen, hat Donald Davidson in einer viel beachteten Passage seines erstmals 1970 veröffentlichten Aufsatzes „Mental Events“ auf den (bereits von Autoren wie George Edward Moore und Richard Mervyn Hare verwendeten) Begriff der „Supervenienz“ zurückgegriffen. Mit Hilfe dieses Begriffs könne man, so schreibt Davidson dort, zweierlei zum Aus- druck bringen. Zum einen, „dass sich zwei Ereignisse, die sich in jeder physikali- schen Hinsicht gleichen, nicht in einer mentalen Hinsicht unterscheiden können, oder dass sich ein Objekt nicht in einer mentalen Hinsicht verändern kann, ohne sich in einer physikalischen Hinsicht zu verändern.“ Und zum anderen, dass „De- pendenz oder Supervenienz dieser Art nicht Reduzibilität mittels eines Gesetzes oder einer Definition impliziert.“60 Diese Bemerkung hat in der nachfolgenden Diskussion zu einer weit ver- zweigten Auseinandersetzung über den Begriff der Supervenienz geführt.61 Wie sich im Einzelnen zeigen lässt, führt dieser Begriff freilich immer dann zu Schwierigkeiten, wenn man es versäumt, zwischen den empirischen und den begrifflichen Aspekten des von Davidson Gemeinten zu unterscheiden. Ein Beispiel für eine Schwierigkeit dieser Art findet sich bei Jaegwon Kim. Kim resümiert in einer Stelle seines Aufsatzes „Der Mythos vom nicht- reduktionistischen Materialismus“ zunächst richtig, dass eine im Sinne Davidsons verstandene Supervenienzbeziehung zwei Forderungen genügen müsse: „Erstens

nach dem im Abschnitt 3 Ausgeführten nicht besagt, dass es keine Möglichkeit gibt, den Übergang von der einen dieser begrifflichen Ebenen zur anderen methodisch nachzuvollziehen und insofern verständlich zu machen. 60 D. Davidson (1970, dt. 230) − An einer späteren Stelle dieses Aufsatzes (S. 239) hat Da- vidson behauptet, dass es „wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen der mentalen und der physikalischen Begriffssysteme“ keine „streng psychophysischen Gesetze“ geben könne. Doch diese Behauptung – die in der neueren philosophischen Literatur gelegentlich unter dem Titel „nomologische Inkommensurabilität des Psychischen und Physischen“ geführt wird − wirft Prob- leme auf. Zunächst einmal ist erläuterungsbedürftig, was hier unter einem „strengen“ Gesetz zu verstehen ist. Sollten mit dieser Formulierung strikt deterministische Gesetze gemeint sein, stellt sich die Frage, wie sich Davidsons Auffassung mit der in der neueren Physik durchgängig vertre- tenen statistischen Deutung von Naturgesetzen vereinbaren lässt. Darüber hinaus (und das ist der für den gegenwärtig betrachteten Zusammenhang wichtigere Punkt) wäre es hilfreich gewesen, wenn Davidson Auskünfte darüber erteilt hätte, ob er nur an Verlaufsgesetze oder auch an mereo- logische Gesetze dachte. Hätte Davidson allein Verlaufsgesetze im Auge gehabt, hätte er ohne Zweifel Recht: Er hätte damit einen speziellen Aspekt der Bereichsspezifität von (veränderungsbe- zogenen) Erklärungen angesprochen. Wären allerdings auch mereologische Gesetze gemeint, hätte Davidson Unrecht: Die aktuelle Neuropsychologie beispielsweise beansprucht mit guten Gründen, im Verlaufe der Forschungen der letzten Jahrzehnte eine Vielzahl mereologischer gesetzesartiger Zusammenhänge zwischen den psychischen Phänomenen eines Individuums und Abläufen in seinem Körper einsichtig gemacht zu haben. 61 Vgl. dazu die Hinweise auf diese Diskussion bei Th. Metzinger (2007, 245-273). Ros_Mentale_Verursachung, 36 muss die Beziehung nicht-reduktionistisch sein, das heißt, ein gegebener Phäno- menbereich kann über einen anderen supervenieren, ohne auf ihn reduzierbar zu sein. Zweitens muss es sich um eine Abhängigkeitsbeziehung handeln: Wenn ein Bereich über einen anderen superveniert, muss es einen feststehenden Sinn der Abhängigkeit des ersteren vom letzteren geben bzw. der Weise, wie der letztere den ersteren bestimmt“.62 Anschließend aber behauptet Kim, dass es Probleme bereite, eine solche Beziehung zu finden. Wobei die Hauptschwierigkeit, auf die man hier stoße, auf der folgenden Sachlage beruhe: „Wenn eine Beziehung schwach genug ist, um nicht-reduktionistisch zu sein, ist sie wahrscheinlich auch zu schwach, um als Abhängigkeitsbeziehung gelten zu können; ist umgekehrt eine Beziehung stark genug, um von Abhängigkeit zu sprechen, ist sie wahrscheinlich zu stark – stark genug, um Reduzierbarkeit zu implizieren.“63 Berücksichtigt man hingegen, dass es in diesem Zusammenhang, anders als von Kim unterstellt, zwei Arten von Beziehungen zu unterscheiden gilt: die empirischen zum einen und die begrifflichen zum anderen, löst sich die von Kim umschriebene Schwierigkeit auf. Denn empirisch festzustellende gesetzesartige Beziehungen zwischen zwei Arten von Phänomenen implizieren selbstverständlich keineswegs auch bereits, um es nochmals zu sagen, dass sich die Begriffe, die wir im Zuge der Beschreibung der einen Art von Phänomenen verwenden, auf die Begriffe reduzieren lassen, die wir bei der Beschreibung der zweiten Art von Phänomenen heranziehen.64

Psychologische Erklärungen für physische Geschehen und abwärtsge- richtete mereologische Erklärungen Das menschliche Blut setzt sich zu circa 45 % aus festen Bestandteilen und zu circa 55 % aus Plasma zusammen. Dieses Plasma besteht seinerseits zu etwa 90 % aus Wasser, während die restlichen 10 % sich aus 8 % Proteinen und 2 % Rest- stoffen zusammensetzen. Zu den Reststoffen gehören auch die beiden Hormone Noradrenalin und Adrenalin. Bei Menschen, die sich im Normalzustand befinden, bleibt das Ausmaß, in dem diese beiden Hormone im Blut enthalten sind, unter einem bestimmten Schwellenwert. In manchen Fällen finden sich im Blut eines Menschen jedoch deutlich erhöhte Mengen dieser beiden Hormone (wobei sich in solchen Fällen auch deren Mischungsverhältnis ändern kann). Wie würden denk- bare medizinische Erklärungen für einen solchen Befund ausschauen? − Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine der an einer solchen Stelle innerhalb der Medizin gebräuchlichen Erklärungen würde aus dem Hinweis bestehen können, dass derjenige, bei dem sich jener Befund nachweisen ließ, von Vorstellungen und Befürchtungen über den schlechten Ausgang einer ihm bevorstehenden Prüfung

62 J. Kim (1989, dt. 260). 63 ebd. 64 Weiter oben (Anm. 18) wurde darauf hingewiesen, dass viele Teilnehmer der aktuellen Diskussion über das Geist-Materie-Problem es versäumen, hinreichend scharf zwischen den empirischen und den begrifflich-philosophischen Aspekten dieses Problems zu unterscheiden. Hier hat man eine der sich aus diesem Versäumnis ergebenden Schwierigkeiten. Ros_Mentale_Verursachung, 37 geplagt wird, und dass dergleichen Vorstellungen beziehungsweise Befürchtungen normalerweise einen erhöhten Noradrenalin- und Adrenalinspiegel im Blut bein- halten. Hier hätte man also einen Fall, in dem, wie es scheint, zum Zweck der Erklä- rung physischer Veränderungen im Körper eines Menschen auf psychische Akti- vitäten dieses Menschen verwiesen wird. Gleichwohl hat man es, genauer bese- hen, nicht mit einer veränderungsbezogenen Erklärung zu tun. Denn die soeben genannte psychologische Erklärung dient nicht dazu, den Anlass zu benennen, der jene Veränderung des Hormonspiegels bewirkt hat. Sie dient vielmehr zur Ver- mittlung der Einsicht, dass man es hier mit physischen Abläufen im Körper eines Menschen zu tun hat, die sich momentan deswegen beobachten lassen, weil diese Abläufe Bestandteile von übergreifenden psychischen Aktivitäten sind, welche gerade von dem als eine Ganzheit betrachteten Menschen vollzogen werden. Statt mit einer Erklärung, die Anlässe für Veränderungen aufdecken soll, haben wir es mit einer abwärtsgerichteten mereologischen Erklärung zu tun. Wer sich in einem solchen Fall tatsächlich auf die Suche nach einer verände- rungsbezogenen Erklärung begeben möchte, müsste einer ganz anderen Spur folgen: Er müsste zum Beispiel darauf verweisen, dass der Erhöhung des No- radrenalin- und Adrenalinspiegels eine Erhöhung der Aktivität des Sympathikus ursächlich vorausging, die ihrerseits durch bestimmte Aktivitäten im Hypothala- mus des betreffenden Menschen hervorgerufen worden war, usw. usw. Kein Zweifel, dass die im Rahmen dieses zweiten Erklärungsverfahrens the- matisierten Geschehen aus vielerlei Gründen wichtig sein können. Aber es wäre unsinnig – und würde einer wohletablierten Praxis wissenschaftlichen Erklärens widersprechen −, wollte man nur dem einen Erklärungsverfahren einen wissen- schaftlichen Wert zugestehen und dem anderen nicht. Denn die psychologisch- mereologische Erklärung öffnet den Blick für andere, nicht minder bedeutsame Zusammenhänge. Im voraufgegangenen Abschnitt ist zu zeigen versucht worden, dass Vorstel- lungen sich in zumindest einigen Fällen unter anderem aus Verhaltensweisen zusammensetzen, die auf ihre innerhalb eines Individuums ablaufenden neurona- len, sensorischen, hormonalen usw. Teile reduziert sind. Überdies ist zu zeigen versucht worden, dass diese inneren Verhaltensweisen zur Auslösung von Erbko- ordinationen führen können, die ebenfalls auf ihre innerkörperlichen Komponen- ten verkürzt sind. Zu solchen Erbkoordinationen können unter anderem reflektori- sche Reaktionen auf für den Organismus gefährliche Situationen gehören – ein- schließlich der für solche Reaktionen innerhalb des Organismus erforderlichen chemischen Prozesse, die es ermöglichen, zunächst sehr rasch, und dann auch für einen etwas längeren Zeitraum, einen erhöhten Energieverbrauch zu gewährleis- ten, so, wie es durch die vermehrte Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin ermöglicht wird. Und aus solchen, nunmehr etwas ausführlicheren mereologi- schen Überlegungen heraus wird verständlich, warum die bloße Vorstellung einer Ros_Mentale_Verursachung, 38 gefährlichen Situation und mit dieser Vorstellung verbundene Befürchtungen bestimmte chemische Abläufe im Körper eines Menschen beinhalten können. Etwas kompliziert werden Sachlagen dieser und vergleichbarer Arten freilich dadurch, dass viele der Erklärungen, die aus der Absicht heraus vollzogen werden, physische Abläufe – beziehungsweise bestimmte Eigenschaften von physischen Abläufen − unter Hinweis auf psychische Aktivitäten und psychische Zustände eines Individuums verständlich zu machen, aus sowohl psychologisch- mereologischen wie veränderungsbezogenen physischen Erklärungen bestehen, die eng miteinander verzahnt sind. Ein besonders deutliches Beispiel dafür sind jene Darlegungen, innerhalb de- rer man die Bewegungen eines Cursors auf einem Bildschirm mit dem Hinweis darauf zu erklären versucht, dass jemand, der über ein Brain Computer Interface mit dem zum Bildschirm gehörenden Computer verbunden ist, sich jene Bewe- gungen vorgestellt habe. Der systematisch haltbare Kern einer solchen Erklärung wird dann sichtbar, wenn man sie in mindestens zwei unterschiedliche Erklärun- gen zerlegt: In eine psychologisch-mereologische Erklärung, mit der darauf hin- gewiesen wird, dass Vorstellungen unter anderem aus inneren Verhaltensweisen bestehen, die ihrerseits unter anderem bestimmte Aktivitäten im Gehirn dessen, der jene Vorstellungen vollzieht, beinhalten; und in eine im engeren Sinne verän- derungsbezogene Erklärung, in der darauf hingewiesen wird, dass diese neurona- len Aktivitäten, beziehungsweise die in diesen neuronalen Aktivitäten als Teilge- schehen eingeschlossenen chemischen und elektrischen Prozesse, sich in einer bestimmten Weise auf die Aktivitäten des Computers, und schließlich auch auf die Bewegungen des Cursors auf dem Bildschirm, auswirken. Ganz gleich freilich, in welchem Ausmaß in die faktisch vollzogenen psycho- logischen Erklärungen für das Eintreten physischer Veränderungen veränderungs- bezogene physische Erklärungen eingehen: In einem ihrer wesentlichen Teile bestehen solche Erklärungen in jedem Fall aus mereologischen Erklärungen, und damit also aus Erklärungen, in denen nicht von Ursachen im Sinne von Anlässen für das Eintreten eines bestimmten Geschehens die Rede ist.

Materielle Erklärungen für psychische Veränderungen und aufwärtsge- richtete mereologische Erklärungen Mit den Erklärungen, im Zuge derer psychische Eigenheiten eines Individuums durch den Verweis auf physische Abläufe im Körper dieses Individuums verständlich gemacht werden sollen, verhält es sich ganz analog zu den soeben betrachteten psychologischen Erklärungen für Physisches. Auch diese Erklärungen bestehen in ihrem systematischen Kern aus mereologischen Erklä- rungen, nur dass es sich hier nicht um mereologische Erklärungen des abwärts-, sondern des aufwärtsgerichteten Typs handelt. Und auch hier kommt es häufig zu einer Verschränkung von mereologischen und veränderungsbezogenen Erklärun- gen. Ros_Mentale_Verursachung, 39

So wäre es zum Beispiel irreführend, zu sagen, dass die rhythmischen Kon- traktionen des Magens, die für das Auftreten von Hungergefühlen charakteristisch sind, die im Sinne eines Anlasses zu verstehende Ursache für das Auftreten von Hungergefühlen sind – sie sind vielmehr ein physiologischer Bestandteil dessen, was wir üblicherweise als Hunger bezeichnen. Zu einer angemesseneren Darstel- lung dieser Sachlage käme man daher dann, wenn man eine für mereologische Beziehungen übliche Ausdrucksweise wählen würde, und beispielsweise davon spräche, dass jene Kontraktionen üblicherweise Hungergefühle mit sich bringen. Solche Überlegungen schließen aber selbstverständlich nicht aus, im Rahmen einer veränderungsbezogenen Erklärung zusätzlich darauf zu verweisen, dass jene rhythmischen Kontraktionen Reflexe sind, die durch den schlaffen leeren Magen ausgelöst worden sind. Und es ist eine Kombination einer solchen veränderungs- bezogenen Erklärung mit der zuvor genannten mereologischen Erklärung, als die man eine Erklärung des Typs „sein leerer Magen verursachte bei ihm Hungerge- fühle“ verstehen sollte.

5. Resümee Die Erklärungen, die wir in nicht-wissenschaftlichen wie wissenschaftlichen Kontexten vollziehen, dienen in vielen Fällen einem für unsere Orientierung in der Welt besonders wichtigen Zweck: Wir ziehen sie heran, um Phänomene, die wir zunächst als rätselhaft empfinden, verständlich zu machen. Das besagt freilich nicht, dass derartige Unterfangen Aktivitäten darstellen, die von vornherein eine einheitliche, wohl geordnete Gestalt besitzen. In Wirklichkeit bestehen Erklärun- gen aus sprachlichen Betätigungen, die überaus vielfältig sind, und deren Form sich überdies im Laufe der menschlichen Kulturgeschichte erheblich verändert hat. Kein Wunder daher, dass mit dem Entstehen wissenschaftlich orientierter Weltzugänge – für die es generell kennzeichnend ist, dass Verfahren des Wissens- erwerbs nicht nur praktiziert, sondern auch überdacht werden − das Bedürfnis entstand, diese Vielfalt zu ordnen und an ausdrücklich formulierte Richtlinien zu binden. Eine dieser Richtlinien besteht aus dem bereits in vorsokratischer Zeit formu- lierten Prinzip der Bereichsspezifität von Erklärungen: Aus der Forderung, Ver- änderungen eines Gegenstands eines bestimmten Gegenstandsbereichs immer nur mit dem Verweis auf Einflussnahmen zu erklären, die von Gegenständen dessel- ben Gegenstandsbereichs ausgehen. Im Kontext der damaligen Situation hatte dieses Prinzip zunächst einmal die Funktion, wissenschaftliche Erklärungsbemü- hungen von magisch-religiösen Erklärungspraktiken abzugrenzen. Darüber hinaus diente es aber alsbald auch dazu, auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass wir es gewohnt sind, sowohl im Alltag wie auch in den Wissenschaften zwischen mehreren Bereichen von Gegenständen zu unterscheiden, und dass es offenbar sinnvoll ist, die Art der jeweils herangezogenen Erklärungen mit der Art des Gegenstandsbereichs in Einklang zu bringen, mit dem man sich gerade befasst. Ros_Mentale_Verursachung, 40

Diese zweite Funktion hat das Prinzip der Bereichsspezifität von Erklärungen auch heute noch. Deutlich sichtbar wird dies in den Autonomieansprüchen, mit denen viele Wissenschaften – so zum Beispiel die Physik, die Biologie, die Psy- chologie, die Soziologie, die Geisteswissenschaften, usw. − ihre Eigenheiten in Abgrenzung zu anderen Wissenschaften herauszustellen versuchen. Misslicherweise ist dieses Prinzip allerdings anscheinend zu keiner Zeit in ei- ner hinreichend deutlich ausgearbeiteten Weise auf die ebenfalls bereits sehr früh, insbesondere von Aristoteles, gewonnene Einsicht abgestimmt worden, dass wir mit den Erklärungen, die wir üblicherweise verwenden, nicht nur Gegenstände unterschiedlicher Gegenstandsbereiche thematisieren, sondern auch unterschiedli- che Aspekte von Gegenständen: Einige Erklärungen dienen dazu, zu verstehen, warum sich Gegenstände verändert haben; andere sollen uns zu Einblicken darin verhelfen, wie Gegenstände entstanden sind; wieder andere sollen begreiflich machen, warum Gegenstände die eine oder andere Eigenschaft aufweisen, usw. Eine solche Abstimmung beider Arten des Nachdenkens über die richtige Form von Erklärungen wäre eigentlich unumgänglich gewesen. Denn die Orien- tierung am Prinzip der Bereichsspezifität von Erklärungen ergibt ersichtlich nur dann Sinn, wenn man ausfindig machen möchte, was der Anlass dafür gewesen ist, dass sich ein bestimmter Gegenstand verändert hat. Schon die Erklärungen, mit denen das Entstehen von Gegenständen nachvollziehbar gemacht werden soll − Erklärungen im Rahmen der Kosmologie, der Evolutionsbiologie, der Entwick- lungspsychologie, der Kulturgeschichte, usw. also − kommen in vielen Fällen nicht umhin, Übergänge zwischen Gegenständen unterschiedlicher Gegenstands- bereiche zu thematisieren. Und auch für die Erklärungen, die vollzogen werden, um verständlich zu machen, warum Gegenstände die eine oder andere Eigenschaft aufweisen, ist es charakteristisch, dass in ihrem Rahmen häufig Beziehungen zwischen Gegenständen mehrerer Gegenstandsbereiche untersucht werden. Eigen- schaftsbezogene Erklärungen sind im Regelfall nämlich mereologische Erklärun- gen, Erklärungen also, mit denen Einblicke in das Verhältnis zwischen einem bestimmten Ganzen und den Teilen beziehungsweise Elementen gewonnen wer- den sollen, aus denen sich jenes Ganze zusammensetzt. Und diese Teile bezie- hungsweise Elemente bestehen häufig aus Gegenständen, die wir einem anderen Bereich von Gegenständen zurechnen als das jeweilige Ganze. Es ist dieser allgemeine, die Natur von Erklärungen überhaupt betreffende Hintergrund, vor dem die Diskussion um Phänomene im engeren Sinne verstan- dener mentaler Verursachungen gesehen werden sollte, die Diskussion um jene Fälle also, in denen Individuen anscheinend mit ihren psychischen Aktivitäten Geschehen in ihrem Körper, und physische Geschehen im Körper eines Indivi- duums anscheinend dessen psychische Verfassung beeinflussen. Denn es ist zwar richtig, dass diese Fälle auf den ersten Blick gegen das Prin- zip der Bereichsspezifität von Erklärungen verstoßen. Aber die sich auf diese Weise ergebenden Probleme lassen sich auflösen, wenn man berücksichtigt, dass Ros_Mentale_Verursachung, 41 in der wissenschaftlichen wie auch der alltagsweltlichen Praxis auf sehr unter- schiedliche Formen des Erklärens zurückgegriffen wird, und dass die Erklärun- gen, um die es in den momentan interessierenden Zusammenhängen geht, in Wirklichkeit gar keine veränderungsbezogenen Erklärungen, sondern mereologi- sche Erklärungen (oder Kombinationen von mereologischen Erklärungen mit anderen, zum Beispiel veränderungsbezogenen Erklärungen) sind. Wobei diese mereologischen Erklärungen zweierlei Zwecken dienen können: Das eine Mal soll mit ihrer Hilfe verständlich gemacht werden, dass physische Abläufe im Körper eines Individuums deswegen bestimmte Eigenschaften aufweisen, weil sie in einer im Einzelnen genauer darzulegenden Weise als Teilphänomene in eine von jenem Individuum vollzogene psychische Aktivität oder in einen bei jenem Menschen vorliegenden psychischen Zustand eingebunden sind (= abwärtsgerichtete mereo- logische Erklärungen). Das andere Mal soll mit ihrer Hilfe verständlich gemacht werden, dass sich ein Individuum deswegen gerade in einer bestimmten psychi- schen Verfassung befindet, weil es im Körper dieses Menschen zu physischen Geschehen kommt, die als Teilphänomene bestimmter psychischer Phänomene eben diese psychischen Phänomene mit sich bringen (= aufwärtsgerichtete mereo- logische Erklärungen). Man kann daher festhalten, dass richtig verstandene und richtig formulierte psychologische Erklärungen für Aspekte physischer Geschehen im Körper eines Menschen nicht dem Prinzip von der kausalen Geschlossenheit des Physischen, und dass richtig verstandene und richtig formulierte materielle Erklärungen für Eigenheiten der psychischen Verfassung eines Menschen nicht dem Prinzip von der Autonomie des Psychischen widersprechen. Freilich ist zu überlegen, ob man die innerhalb solcher Erklärungen themati- sierten Zusammenhänge tatsächlich, wie gegenwärtig weithin üblich, unter der Bezeichnung „mentale Verursachung“ führen sollte. Denn der Ausdruck „Ursa- che“ ist vieldeutig. Mal steht er für das, was eine bestimmte Veränderung veran- lasst; mal für den einen oder anderen Zug eines aus Teilen bestehenden Ganzen; und in weiteren Zusammenhängen wird er wieder anders verwendet. Der termino- logischen Klarheit wegen empfiehlt es sich daher eigentlich, allenfalls im Hin- blick auf solche Phänomene von Ursachen zu sprechen, die innerhalb verände- rungsbezogener Erklärungen thematisiert werden sollen. Allerdings hätte dies zur Folge, dass es mentale Verursachungen aus begrifflichen Gründen gar nicht geben kann. Wer diese Konsequenz scheut, sollte in Zukunft zumindest deutlich machen, in welcher Weise er jeweils von Ursachen sprechen möchte. Orientiert man sich am engeren, Anlässe für das Eintreten von Veränderungen meinenden Sinn des Begriffs „Ursache“ ist es also ausgeschlossen, zu sagen, ein Individuum habe mit einer seiner psychischen Aktivitäten physische Veränderun- gen in seinem Körper verursacht. Bei diesem Gebrauch des Ausdrucks „Ursache“ ist die Ursache für das Eintreten physischer Geschehen grundsätzlich – sofern sie Ros_Mentale_Verursachung, 42 denn überhaupt eine Ursache haben und nicht spontan vorkommen – in weiteren physischen Geschehen zu suchen. Freilich können physische Geschehen in umfassende, unter Umständen nicht nur Prozesse des sich Veränderns, sondern auch des Entstehens von Gegenständen einschließende Geschehniszusammenhänge eingebunden sein, Geschehniszu- sammenhänge, zu deren Beschreibung es in vielen Fällen nicht nur der Begriffe der Physik, sondern auch der Biologie, der Psychologie, usw., bedarf. Und das eröffnet die Möglichkeit, davon sprechen, dass die psychischen Aktivitäten eines Individuums bestimmte physische Abläufe in dessen Körper als Teile jener Akti- vitäten einschließen („beinhalten“, usw.), wobei diese physischen Abläufe dann natürlich andere physische Geschehen verursachen können. Doch das sind aus unterschiedlichen Sachlagen zusammengesetzte Fälle, Fälle, deren sachgerechte Erörterung eben auch die kombinierte Verwendung unterschiedlicher Arten von Erklärungen verlangt. Bleibt die Frage nach der genaueren Natur der im weiteren Sinne verstande- nen mentalen Verursachungen, jener Fälle also, die Beziehungen zwischen von einem Individuum vollzogenen psychischen Aktivitäten und seinen Handlungen, oder zwischen seinen psychischen Aktivitäten allein, betreffen. Wir hatten diese Fälle deswegen aus unseren Überlegungen ausgeschlossen, weil die Rede von „Verursachungen“ sich hier bereits bei einer ersten, kurzen Überlegung als irre- führend erwies. Denn die mit dem herkömmlichen Begriff der Verursachung gemeinten Beziehungen zwischen einer Ursache und ihrer Wirkung betreffen Veränderungen eines Gegenstands, zu denen dieser Gegenstand selbst nichts beiträgt – während wir von den psychischen Aktivitäten und Handlungen eines Individuums unterstellen, dass sie zumindest in der Mehrzahl der Fälle nur unter Beteiligung ihres jeweiligen Trägers, des „Handlungssubjekts“ oder der „Person“, zustande kommen. Dass wir gewöhnlich nicht von den „Ursachen“ für den Voll- zug einer bestimmten psychischen Aktivität oder einer Handlungen sprechen, sondern von den „Gründen“, aus denen heraus das jeweilige Individuum etwas tut, hängt eng damit zusammen. Wie weiter oben bereits erwähnt, stand dieses Argument freilich bisher immer unter dem Vorbehalt, dass die Rede von Aktivitäten, zu denen der Träger dieser Aktivitäten selber beiträgt – die er selber „hervorbringt“, wie wir auch sagen – offensichtlich klärungsbedürftig ist. Aber die hier im Abschnitt 3 vorgetragenen Überlegungen zum Übergang zwischen den Begriffen für biologische Phänomene und den Begriffen für Individuen mit psychischen Phänomenen lassen sich auch als Überlegungen lesen, die – gemeinsam mit anderen, weiterführenden Überle- gungen – zeigen, dass solche Klärungen durchaus möglich sind.65

65 Ausführlicheres dazu in A. Ros (2005, Teil V und Teil VI), sowie ders. (2007) Ros_Mentale_Verursachung, 43

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