Die Nationalsozialistischen Bäume Im Sozialdemokratischen Wald
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7 UTOPIE kreativ, H. 97/98 (November/Dezember) 1998, S. 7-17 HANS COPPI Die nationalsozialistischen Bäume im sozialdemokratischen Wald. Die KPD im antifaschistischen Zweifrontenkrieg (Teil 2) Eine bedrohlich anwachsende rechtsextreme Szene, deren nationa- Hans Coppi – Jg. 1942, listische und rassistische Parolen unter der Bevölkerung und vor Veröffentlichungen zum allem unter Jugendlichen im Osten Deutschlands eine zunehmende Antifaschismus, zur Wider- Akzeptanz finden, stellt die Frage nach wirksamen demokratischen standsgeschichte, Schwer- punkt »Rote Kapelle«. Im Gegenstrategien. Unterschiedliche Ansätze und Methoden werden Oktober 1998 erscheint ein gegenwärtig diskutiert und praktiziert. mit Susanne Römer heraus- Ein historischer Rückblick auf Reaktionen und Gegenstrategien gegebener Reprint der Zeit- der entschiedenen Linken auf den Vormarsch der Nazis bis zum schrift »Aufbruch« (1931- Jahre 1933 verdeutlicht die Schwierigkeiten und auch die verfehl- 1933) unter dem Titel: »Auf- te Strategie im Umgang mit einer sich schnell ausbreitenden bruch« im Spannungsfeld faschistischen Bewegung. von Nationalismus und Kommunismus – eine Zeit- schrift für Grenzgänger mit Die Unfähigkeit zu antifaschistischen Bündnissen einer Einführung und einem Die KPD sah sich als einzige revolutionäre Kraft, die imstande Namensregister beim Verlag war, den Faschismus aufhalten und vernichten zu können. Darin Fölbach in Koblenz. bestünde ihre historische Mission, erklärte Hermann Remmele auf einer ZK-Sitzung im Mai 1931.1 Von den Bündnispartnern wurde 1 Vgl. SAPMO-BARCH, erwartet, die führende Rolle der KPD anzuerkennen. Ein antifa- RY/I/2/1/80, Bl. 133. schistischer Alleinvertretungsanspruch, der schließlich den Kampf gegen den unaufhaltsamen Aufstieg des Faschismus deutscher Prägung ins Leere laufen ließ, aber auch eine parteiübergreifende Massenbewegung verhinderte, die den Nationalsozialismus in sei- nem Vormarsch hätte stoppen können. Die KPD, der revolutio- nären Umgestaltung der Gesellschaft verpflichtet, war gegenüber anderen antifaschistischen Kräften, die dieses Ziel ablehnten, nicht mehr bündnisfähig. Der italienische Kommunist Antonio Gramsci sah bereits 1926 die Wirksamkeit eines antifaschistischen Bündnisses nur in dem Maße gegeben, wie es auch die Interessen anderer Bündnispartner aufzunehmen in der Lage sei. Dieses plurale Konzept schloß die Respektierung der Eigenständigkeit aller Beteiligten ein.2 Gramscis 2 Antonio Gramsci: Die Erkenntnisse blieben jedoch ebenso unberücksichtigt wie die War - Gesichtspunkte der Frage nungen französischer Kommunisten vor einer inflationären Anwen- des Südens, in: Antonio dung des Faschismusbegriffs auf alle reaktionären Maßnahmen Gramsci – ein vergessener Humanist? Eine Anthologie bürgerlicher Regierungen und der Sozialdemokratie. 1917-1936, Berlin 1991. Ende September 1930 hatte die KPD-Führung den »Kampfbund gegen den Faschismus« gegründet. In Betrieben, vor den Stempel- stellen und in den Wohngebieten sollte der Kampf gegen die brau - ne Bewegung besser organisiert und auf eine breitere Basis gestellt werden. Ein weiteres Ziel war, die »nationalfaschistischen« Reihen COPPI KPD im Zweifrontenkrieg 8 zu zersetzen und dort Gesinnungsfreunde für eine oppositionelle Tätigkeit gegen die NS-Führung zu gewinnen. Gleichzeitig sollten Stützpunkte und Kasernen der SA liquidiert werden. In der prakti- schen Arbeit richtete sich die Tätigkeit des Kampfbundes gegen Überfälle der Nazis, aber auch gegen sozialdemokratische Organi- sationen, insbesondere gegen das Reichsbanner. Ende 1930 wurden die Bezirksleitungen beauftragt, »Gegnerabteilungen« zu schaffen, die sich mit der Gewinnung sozialdemokratischer, nationalsoziali- 3 Rundschreiben Nr. 19. stischer und christlicher Arbeiter beschäftigen sollten.3 Anweisungen des Sekreta- Die beibehaltene Frontstellung gegenüber anderen antinazisti- riats vom 19.12.1930, in: schen Organisationen verhinderte, eine überparteiliche Massenor- Die Generallinie..., a.a.O., S. 272. Ferner: Unsere ganisation aufzubauen. Dem Kampfbund gegen den Faschismus Massenarbeit muß verstärkt gehörten vorwiegend Mitglieder und Sympathisanten des verbote- werden, in: Der Parteiarbei- nen Roten Frontkämpferbundes (RFB), des Kommunistischen Ju- ter, 9, 1930, Nr. 5, S. 132- gendverbandes (KJVD) und KPD-Mitglieder an. Im Dezember 134. 1931 zählte der Kampfbund über 100 000 Mitglieder, davon ent- richtete allerdings nur die Hälfte ihre Beiträge. Abweichlern aus den kommunistischen Reihen wurde die Aufnahme verweigert. Ar- beiter aus der SPD, dem Reichsbanner und anderen Organisationen waren dagegen willkommen. Die KPD knüpfte an ihren Eintritt die 4 Vgl. SAPMO-BARCH, Erwartung, daß sie ihre bisherigen Organisationen verlassen wür- RY 1/2/5/3. Ausführlicher bei den. Der Kampf gegen den Nationalsozialismus schloß für den Bernd Kaufmann, Eckhardt Kampfbund den Kampf gegen den »Sozialfaschismus« mit ein. Es Reisner, Dieter Schwips, gelang weder ein Einbruch in das »nationalfaschistische Lager« Henri Walther: Der Nach- richtendienst der KPD 1919- noch die Bündelung aller antifaschistischen Kräfte zum Zurück- 1937, Berlin 1993, S. 246ff. drängen der faschistischen Bewegung. Den wehrhaften Kampf gegen die Nationalsozialisten vernach- 5 Vgl. SAPMO-BARCH, lässigte die KPD-Zentrale nicht. Zwei Tage nach der Veröffentli- Z/C 71/1, Bl. 4f., Mertens: chung der Programmerklärung verabschiedete sie eine »Richtlinie Bericht über die Untersu- zur wehrpolitischen Arbeit«.4 Eine zuverlässige Elitetruppe für den chung des mil.pol. Appara- Kampf gegen den Faschismus sollte in Form eines »Parteiselbst- tes der KPD, Moskau 20.2.1936. Ferner Z/C 71/8, schutzes« bei den KPD-Bezirksleitungen aufgebaut werden, um Bl. 1f. Kippenberger: den Vormarsch der Nazis in den Arbeitervierteln mit Gewalt zu Parteiselbstschutz (PSS) v. stoppen. Die Wirksamkeit dieser Formation blieb jedoch sehr um- 4.2.1936. stritten. Einige ihrer Führer verlangten eine Besoldung und organi- sierten unabgestimmte Aktionen. Thälmann hatte die Erschießung 6 Hermann Remmele: der Polizeioffiziere Paul Anlauf und Franz Lenk am 9. August 1931 Diskussion auf dem XI. Ple- und die Häufung bewaffneter Überfälle auf SA-Stützpunkte in Ber- num des EKKI, in: Inprekorr, 11, 1931, Nr. 69 v. 15.7.1931, lin (Gneisenaustraße, Röntgenthal, Richardstraße) als fraktionisti- 5 S. 1542. sche Machenschaften verurteilt. 1932 wurde der Parteiselbstschutz Peer Lange vermutet, daß aufgelöst. die national bestimmte Tak- Die deutschen Kommunisten versuchten seit dem Sommer 1930, tik der KPD auf den Einfluß mit Rückendeckung aus Moskau, verstärkt die Nationalsozialisten von Karl Radek zurückzu- verbal und militant zu bekämpfen, ihre Reihen aufzulockern, sie zu führen sei, der in dieser Zeit zersetzen und ihre Anhänger mit nationalistisch gefärbten Parolen Berater Stalins war. Siehe Peer Lange: Stalinismus an sich zu binden. 1930/31 tauchten wieder Formulierungen Karl versus »Sozialfaschismus« Radeks auf. Er hatte 1923 zwischen den »beiden Armeen der Re- und »Nationalfaschismus«. volution« unterschieden, der »Vorhut« der Arbeiter und der »Nach- Revolutionspolitische Ideolo- hut« oder »Reserve«, die der Faschismus noch festhielt, die aber gie und Praxis unter Stalin bald zur »Vorhut« stoßen sollte.6 Es bestand die Illusion, daß die 1927-1935, Göppingen nationalsozialistische Woge eines Tages zurückrollen werde und 1969, S. 275. die politisierten Kleinbürger sich dann der einzig richtigen revolu- 9 COPPI KPD im Zweifrontenkrieg tionären Partei, den Kommunisten, anschließen. Die KPD, verkün- dete Thälmann, werde »früher oder später das Erbe des nationalso- zialistischen Aufschwungs antreten«.7 7 Ernst Thälmann: Die Die KPD begab sich in einen zunehmenden Konkurrenzkampf Lage in Deutschland und die Aufgaben der Kommuni- mit der NSDAP. Kommunistische Funktionäre traten gemeinsam stischen Partei Deutsch- mit Joseph Goebbels in Versammlungen auf, so Heinz Neumann lands. XI. EKKI-Tagung Ende Oktober 1930 und Walter Ulbricht Mitte Februar 1931 in Moskau, Hamburg 1931, Berlin. Jede Seite brachte die ihr vertrauten Argumente vor. Ein S. 32. Werbeimpuls geschweige denn ein »Zersetzungseffekt« ging von diesen Schauveranstaltungen nicht aus. Die Kommunisten griffen den »Legalitätskurs« Hitlers an, stellten wie bei der SPD die kor- rupten Führer den ehrlichen Mitgliedern gegenüber. Anhänger bei- der Seiten nutzten die Debatten, wenn ihnen die Argumente aus- gingen, zu massiven Saalschlachten. Volksrevolution und »Scheringer-Kurs« Die KPD hatte unter den städtischen und ländlichen Mittelschich- ten nur geringe Sympathiewerte. Ein revolutionärer Umschwung war nicht nur mit der noch von der SPD zu trennenden Arbeiter- schaft herbeizuführen. Es mußten die bisher nicht erreichten Be- völkerungsschichten angesprochen und dafür neue Aktionsformen gefunden werden. In Übereinstimmung mit ihrer national gepräg- 8 Erstmals wurde der Be- ten Propaganda entwickelte die KPD-Zentrale Ende 1930 eine griff »Volksrevolution« von neue Linie: im Rahmen einer »Volksaktion«, einer »Volksrevolu-ti- Alexander Emel, dem Leiter 8 der Abteilung Agitation beim on« unter proletarischer Hegemonie den Millionen Menschen, die ZK der KPD, eingeführt. zwar antikapitalistisch eingestellt waren, aber das kapitalistische Siehe A. Emel: Der revolu- System noch nicht überwinden wollten, eine revolutionäre Per- tionäre Marxismus und die spektive zu geben. Frage der nationalen Befrei- Die KPD rief das »Volk«, ohne diesem Begriff eine eigene Be- ung, in: Die Internationale, stimmung zu geben und ohne sich eindeutig von der volkstümeln-