Jesko Von Hoegen
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Politische Ikonographie 1/2009 - 1 Jesko von Hoegen Der „Marschall“ und der „Gefreite“. Visualisierung und Funktionalisierung des Hindenburg-Mythos im „Dritten Reich“ Einleitung Der Sieg in Ostpreußen wurde mit Reminiszenzen an die Schlacht bei Tannenberg aus dem Jahr 1410 ver- „Der Marschall und der Gefreite kämpfen mit uns für knüpft, in welcher der Deutsche Orden den Kampf ge- Frieden und Gleichberechtigung“. So lautete der Un- gen das Heer des Königs von Polen und des Groß- tertitel eines Wahlplakates der Nationalsozialisten zur fürsten von Litauen um die Vorherrschaft im damali- Reichstagswahl im November 1933. Es zeigte ein gen Deutschordensland verloren hatte. Die Schlacht Doppelportrait, auf dem sich der „Gefreite“ des Welt- von Tannenberg im August 1914 wurde zu einer ver- krieges, der „unbekannte Soldat“ Hitler mit dem „Mar- späteten Revanche für 1410 stilisiert, zu einer Vertei- schall“, dem „Retter“ Hindenburg, als väterlichem digung ,uralten deutschen Bodens' gegen den stets Mentor präsentierte.1 Die Distanz zwischen beiden eine Bedrohung darstellenden slawischen Feind.7 Der Männern, die noch ein Jahr zuvor als Kontrahenten im Hindenburg-Mythos entstand aus dem Gefühl der Kampf um das Reichspräsidentenamt die politischen Dankbarkeit gegenüber dem „Befreier Ostpreußens" Lager der Weimarer Republik polarisiert hatten und und war nicht das Produkt einer staatlich gelenkten die auch nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanz- Propaganda. Der „Held von Tannenberg" Paul von ler am 30. Januar 1933 durch Hindenburg zunächst Hindenburg erschien den Deutschen als „Retter", als noch bestehen blieb, sollte sichtbar verringert wer- Erlöser aus einem nationalen Krisenmoment. Die ra- den.2 Nunmehr, so die Botschaft des Plakates, stün- sche Genese des Mythos, der sich schon innerhalb den der kaiserliche Generalfeldmarschall und der in weniger Wochen nach dem Sieg bei Tannenberg in ei- Hitler personifizierte, einfache Soldat des Weltkrieges nem regelrechten Hindenburg-Kult äußerte, erklärt einträchtig, fast freundschaftlich nebeneinander, um sich nicht zuletzt aus dem enormen Bedarf des durch gemeinsam für Deutschlands Zukunft zu kämpfen. Fragmentierung und innergesellschaftliche Konflikt- Deutlich wird anhand dieses Wahlplakates die Nut- herde belasteten Kaiserreichs an Integrationsfakto- zung des im Ersten Weltkrieg entstandenen Hinden- ren.8 Die Einheit des Volkes war insbesondere im Kri- burg-Mythos durch die NS-Propaganda. senmoment des Krieges notwendig, der den Zusam- menhalt der Gesellschaft auf die Probe stellte.9 Neben „Held von Tannenberg“: Der Hindenburg-My- einer integrierenden Kriegsideologie bedurfte es einer thos im Ersten Weltkrieg Identifikationsfigur, in der sich die Einheit des Volkes personifizierte, um den Bestand der „Volksgemein- Das Fundament des Hindenburg-Mythos hatte der schaft“ während des Krieges zu sichern. Die neue Di- Sieg der Achten Armee über die auf deutsches Gebiet mension des modernen Krieges als technisierter Ver- vorgedrungenen russischen Truppen in der Schlacht nichtungskrieg verstärkte noch die Sehnsucht nach von Tannenberg (26.8.–30.8.1914) gebildet.3 Mehr einer Heldenfigur.10 Da sich der Monarch als Identifi- noch als die militärstrategische Qualität des „Vernich- kations- und damit Integrationsfigur überfordert zeig- tungssieges“4 und die hohen Gefangenenzahlen5 ließ te, fokussierte sich das Verlangen der Bevölkerung die Befreiung Ostpreußens von dem russischen Ein- nach einer charismatischen Führungspersönlichkeit dringling Tannenberg zur ,Ruhmespforte‘ Hinden- auf die Person des „Helden von Tannenberg“.11 Wäh- burgs werden. Die Wirksamkeit des Identifikationsbe- rend bei den beiden europäischen Westmächten In- griffs „Tannenberg“ lag nicht zuletzt an dessen Ein- tegration vor allem durch das Parlament und die Re- bindung in die preußisch-deutsche Staatsideologie.6 gierung gestiftet wurde, war es in Deutschland das Jesko von Hoegen Der „Marschall“ und der „Gefreite“ kunsttexte.de 1/2009 - 2 Militär als „Schule der Nation“, das Klassen übergrei- jestätischer Ruhe sitzenden, nachdenklichen Hinden- fend und überregional zu integrieren vermochte. Das burg. Die Rollenverteilung ist deutlich: Hindenburg als hohe Ansehen des Militärs im Kaiserreich und die souveräner Analytiker des Krieges und Ludendorff als monarchistische, kaisertreue Haltung des Großteils Zuarbeiter und Gehilfe des Schlachtendenkers.16 Auch der Bevölkerung ließ in Deutschland daher, anders als Karikaturen und Postkarten, die Hindenburg als in Frankreich und England, keinen demokratisch legi- „Schachspieler“ zeigten, festigten sein Image als timierten Volkstribunen, sondern den Kriegshelden „Wissenschaftler“ des Krieges.17 Die Verwissenschaft- Hindenburg zur nationalen Identifikationsfigur aufstei- lichung des Krieges förderte die Zivilisierung und da- gen.12 mit Politisierung des Hindenburg-Bildes. Die Profes- Neben zahlreichen Kriegsberichterstattern, die sionalisierung beziehungsweise Bürokratisierung des nach der Befreiung Ostpreußens zu den Hauptquar- modernen Soldatenhandwerks verlieh dem Militäri- tieren Hindenburgs ‚pilgerten’ , um einer begierigen schen bürgerliche Züge und ließ höchste militärische deutschen Öffentlichkeit ein Bild von der Arbeitswei- Führer wie Hindenburg auch für die Übernahme au- se, der äußeren Erscheinung und der Persönlichkeit ßermilitärischer Aufgaben als funktional gerüstet er- des vorher weitgehend unbekannten „Siegers von scheinen.18 Ruhe und Nervenstärke galten als die Tannenberg“ zu vermitteln13 sind insbesondere die wichtigsten Feldherrneigenschaften des „Wissen- Maler, die an die Ostfront reisten, um diesen bildne- schaftlers des Krieges“. Sie gehörten zum zentralen risch darzustellen, als Boten des Ruhmes Hinden- Kanon des Hindenburg-Bildes, wurden zu einem kon- burgs zu betrachten. Kriegsbilder-Ausstellungen, die stitutiven Element des Hindenburg-Mythos und zur den Stellenwert eines „vaterländischen Großereignis“ nationalen Tugend erhoben.19 Der als nationale Ner- erlangten, präsentierten der Bevölkerung in den Groß- venprobe empfundene technisierte Massenkrieg ver- städten eine Vielzahl von Hindenburg-Gemälden. stärkte das Bedürfnis nach einer Vaterfigur, die als Durch die Entwicklung und fortschreitende Verfeine- Verkörperung von Ruhe und Gelassenheit erschien. rung des fotomechanischen Druckverfahrens avan- ,Vater‘ Hindenburg sollte der Nation streng und sor- cierten einzelne von ihnen zu visuellen Massenmedi- gend zugleich Schutz gegen eine Welt von Feinden en. Die stilisierten Darstellungen des Volkshelden wur- bieten. den in Form von Faksimiledrucken und Postkarten re- Hindenburg selbst ist ein nicht zu unterschätzender produziert und zum Verkauf angeboten. Die Hinden- Eigenanteil an der Visualisierung und Kultivierung des burg-Bilder waren für jedermann erschwinglich und Mythos um seine Person beizumessen. Im Jahr erhielten dadurch einen hohen Verbreitungs- und Wir- 1914/15 waren Bilder noch von Hand gezeichnete kungsgrad. Sie prägten die Vorstellung der Bevölke- Portraits, deren Produktion die aktive Mitwirkung des rung von dem Volkshelden mit und transportierten ein zu Portraitierenden voraussetzte. Dies ermöglichte bestimmtes Deutungsmuster von Hindenburg in die Hindenburg einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Öffentlichkeit. 14 von dem er auch ausgiebig Gebrauch machte. Die Dominierten In der Entstehungsphase seines My- Schilderungen seines „Hof-und Leibmalers“ Professor thos noch Darstellungen Hindenburgs als martiali- Hugo Vogel von seinen Aufenthalten in den Haupt- scher „Russenbezwinger“15, erfuhr das Hindenburg- quartieren Hindenburgs an der Ostfront im Jahr 1915 Bild bald Differenzierungen. Der Feldherr Hindenburg belegen das große Interesse, welches dieser an den wurde zunehmend als „Wissenschaftler des Krieges“ von Vogel erstellten Bildern hatte und welch hohen dargestellt. So reihte zum Beispiel das massenhaft Stellenwert er ihnen beimaß. Er verwendete viel Zeit verbreitete Doppelportrait „Hindenburg und Luden- für die Sitzungen bei dem Maler und griff in dessen dorff am Kartentisch“ Hindenburg als Schlachtenden- Arbeit ein, damit eine ihm genehme Darstellung seiner ker in die Tradition Moltkes ein. Sein Generalstabs- Person in der Öffentlichkeit gewährleistet war.20 Die chef Ludendorff, fleißig über den Kartentisch gebeugt, Malerei war ein Medium, durch das sich Hindenburg bildete auf dem Gemälde einen wirkungsvollen Kon- wirkungsvoll in Szene setzen konnte und durch das trast zu dem auf dem Stuhl zurückgelehnt und in ma- ihm eine visuelle Kommunikation mit einem aufnah- Jesko von Hoegen Der „Marschall“ und der „Gefreite“ kunsttexte.de 1/2009 - 3 mebereiten Publikum in der Heimat gelang. Die Tage- zuwerten und ihn als Verteidiger der bismarckschen buchaufzeichnungen Vogels vermitteln den Eindruck Errungenschaften in die preußisch-deutsche Staats- einer regelrechten Öffentlichkeitsarbeit in den Haupt- mythologie einzugliedern. Durch den Rekurs auf den quartieren Hindenburgs und zeigen den Volkshelden Bismarck-Mythos wurden zudem die mit dem Reichs- als einen Meister der „medialen Selbstinszenierung“.21 gründer assoziierten genuin politischen Qualitäten Sichtbarster Ausdruck des Mythos um den „Retter" auch auf Hindenburg übertragen.26 Die räumliche Hindenburg war eine zwölf Meter hohe Hindenburg- Nähe des Denkmals zu der sich ebenfalls auf dem Statue aus Erlenholz, die zwischen 1915 und 1919 auf Berliner Königsplatz befindenden, den Triumph über dem Königsplatz in Berlin stand. Die Kolossalstatue Frankreich 1870/71 symbolisierenden Siegessäule "Eiserner