Misswahlen Und Schönheitswettbewerbe: Ein filmographisches Dossier 2016
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Repositorium für die Medienwissenschaft Caroline Amann; Hans Jürgen Wulff Misswahlen und Schönheitswettbewerbe: Ein filmographisches Dossier 2016 https://doi.org/10.25969/mediarep/12800 Veröffentlichungsversion / published version Buch / book Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Amann, Caroline; Wulff, Hans Jürgen: Misswahlen und Schönheitswettbewerbe: Ein filmographisches Dossier. Westerkappeln: DerWulff.de 2016 (Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 165). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/12800. Erstmalig hier erschienen / Initial publication here: http://berichte.derwulff.de/0165_16.pdf Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0/ Attribution - Non Commercial - No Derivatives 4.0/ License. For Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz more information see: finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 165, 2016: Misswahlen und Schönheitswettbewerbe. Redaktion und Copyright dieser Ausgabe: Caroline Amann, Hans J. Wulff. ISSN 2366-6404. URL: http://berichte.derwulff.de/0165_16.pdf. Letzte Änderung: 24.3.2016. Misswahlen und Schönheitswettbewerbe: Ein filmographisches Dossier Zusammengestellt von Caroline Amann und Hans J. Wulff Die jährlichen Wahlen zur „Miss World“ finden seit den nationalen Preisträgerinnen vor allem in Ländern 1951 statt. Die Miss World Organzation ist ein Privat- der zweiten und dritten Welt „Exportartikel“, die zur unternehmen, Umsatz- und Gewinnzahlen sind nicht Außendarstellung der Nationen verwendet werden, bekannt. Die Wahlen werden regelmäßig im US-Fern- also zum symbolischen Marketing von ganzen Län- sehen ausgestrahlt. Es ist aber nicht die einzige Miss- dern gehören? Die Bezeichnung „Botschafterin“, die Wahl, die im globalen Maßstab nach der schönsten im Kontext der Miss-Berichterstattung oft fällt, deutet Frau des Jahres sucht – die „Miss Universe“ (seit zumindest darauf hin. 1952), die „Miss International“ (seit 1960), die „Miss Intercontinental“ (seit 1971) oder die „Miss Earth“ Die erste Assoziation, die sich beim Stichwort „Miss- (seit 2001) konkurrieren. Und die „Miss Tourism In- Wahlen“ einstellt, ist die Ansicht, dass es sich primär ternational“ (seit 2004) und die „Miss Supranational“ und vielleicht sogar ausschließlich um Konkurrenzen (seit 2009) sind im internationalen Maßstab noch da- zwischen Frauen handelt. Doch ist Vorsicht geboten, zugekommen. Im Vorlauf der internationalen Wettbe- die Annahme erweist sich schnell als brüchig – 1993 werbe finden Unzahlen von nationalen Veranstaltun- wurde die Wahl zum „Mr. Germany“ erstmals durch- gen statt, die ihrerseits große nationale Publizität ge- geführt; und dass es eine den Miss-Wettbewerben ähn- nießen. Nicht nur die internationalen, auch die natio- liche vom Regionalen zum Nationalen zum Globalen nalen, ja sogar die regionalen Titelträgerinnen dürfen fortschreitende Stafettenwahl zum „Mr. World“ gibt, auf nennenswerte Werbeverträge, Auftritte in den Me- sei nur am Rande festgehalten. Es finden sich eine dien und Ähnliches hoffen. Offenbar ist das Format ganze Reihe weiterer Miss-Wahlen mit männlichen Miss-Wahl auf allen Ebenen eine höchst einträgliche oder kindlichen Akteuren: Spätest seit 1947 wird auch und publikumswirksame Angelegenheit. der Titel des „Mister Universum“ als höchster Titel im Bodybuilding vergeben. Vor allem in den USA finden Dass die Schönheit ein höchst erstrebenswertes Gut manchmal höchst aufwendig ausgerichtete Kinder- ist, ist schon in den Märchen bekannt. „Wer ist die Schönheitswettbewerbe statt (oft gestaffelt nach Al- Schönste im ganzen Land?“, fragt die böse Königin in tersgruppen bis hinunter in das Vorschulalter). Schon Schneewittchen. Das Urteil des Paris, der als unschul- in der Frühzeit der Queer-Bewegung traten queere diger Jüngling sich zwischen den Göttinnen Aphrodi- Wettbewerbe dazu (oft als Travestien und Parodien te, Athene oder Hera entscheiden sollte, weist bis in der etablierten Veranstaltungen). die griechische Mythologie zurück. Die Szene wurde in der Bildenden Kunst unzählige Male immer neu Angesichts dieser Vielfalt klaffen semantische Diffe- dargestellt, durchzieht die abendländische Geschichte renzen auf, die auf den Kern der Miss-Wahlen zielen: seit der Antike, vermehrt seit dem Nach-Mittelalter. Auf ihre letztlich sexistischen Grundlagen. Zu den Knüpfen die modernen Miss-Wahlen an diese Traditi- normalen Miss-Wahlen gehört die Bademodenschau, onen an? Sind sie Kommerzialisierungsformen des in der sich die Bewerberinnen auf dem Laufsteg resp. Streitens um Schönheit? Und schließt sich hier ein Bo- auf der Bühne in Badeanzug oder Bikini zur Betrach- gen, der bis in TV-Formate wie Germany’s Next Top- tung exponieren. Ein voyeuristisches Moment ist deut- model (BRD 2006 ff.) gespannt ist? Oder werden aus lich spürbar und wurde oft als Kritik formuliert, weil Misswahlen // Medienwissenschaft, 165, 2015 /// 2 insbesondere in diesem Teil der Veranstaltung das Auch die Ausschreibung der Wahl zu einer „Miss“ Objekt-Werden der Modelle und ihre Reduktion und zu einem „Mister Handicap“ – die sicher im auf das Körperliche ins Zentrum der Inszenierung Zusammenhang mit den Paralympischen Spielen rückt. Auffallend ist, dass und wie die sexistischen (seit den späten 1940ern) zu denken und Teil der Elemente der Wahlen zur „Miss World“ mit prüder Emanzipationsbewegung der Behinderten ist – the- Sozialhygiene kombiniert wird. Für verheiratete matisiert die äußerliche Normativität herkömmli- Frauen ist keine Teilnahme möglich; heiratet sie in cher Miss-Wahlen, wenn sie sich explizit als „kei- der Zeit, in der sie den Miss-Titel trägt, muss sie ne Schönheits-Wahl“ charakterisiert, sondern sich ihn zurückgeben. Lässt sie sich nackt ablichten, auf ganz andere Qualitäten (Selbstbewusstsein, verliert sie den Titel. Diesem Regime von Regeln Charme, Leichtigkeit u.ä.) beruft. Die gewählten gegenüber steht das Bekunden, dass in das Miss- Preisträger treten nach der Wahl als „Botschafter“ Urteil die Wahrnehmung des Aussehens, der Po- der Behindertenverbände auf und werben für die sen, der Ausstrahlung, des Lächeln, der Fähigkeit, gesellschaftliche Anerkennung der handicapped sich zu artikulieren, der Makellosigkeit von Haut people. Die Preisträger und Preisträgerinnen her- und Körper, der Haare in das Urteil einfließe. Auch kömmlicher Schönheitskonkurrenzen treten dage- der Umgang mit den Knigge-Regeln gehört zum gen in das Handlungsfeld der Werbung, des Mar- Trainingsprogramm der Bewerberinnen. Oft wird keting und des Boulevards ein und werden zu den Modellen zu alledem noch ein persönlicher Agenten resp. Mitteln des Warenkreislaufs. Slogan abgefordert, an dem man das persönliche Ich der Bewerberinnen erkennen können soll. Weil es bei den Schönheitswettbewerben nicht um eine wie auch immer erreichte Leistung geht, son- Diese für die eigene Veranstaltung reklamierte dern um ein Geschmacksurteil, handelt es sich Ganzheitlichkeit des Urteils spielt bei der Wahl nicht eigentlich um Wettbewerbe. Vielmehr geht zum „Mister Universum“ (wie auch seiner Ver- es um Abstimmungen von Urteilen. Die Modelle – wandten einschließlich der weiblichen Bodybuil- also die Objekte der Urteile – haben nur materialen ding-Wettbewerbe) keine große Rolle – hier wird Status, bieten ihre Qualitäten zur Beurteilung an. nach dem Spiel und der Ausbildung der Muskeln, Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard der an Statuen gemahnenden Posen und Ähnlichem Keynes entwickelte in den 1930er Jahren das spiel- gemessen, also tatsächlich am skulpturierten Kör- theoretische Modell des Beauty Contest, bei dem er per (und man könnte einwerfen, dass dieser klare sich auf seinerzeit in amerikanischen Zeitschriften Bezug zur Körperlichkeit der Bewerber das Sexis- durchgeführte Schönheitswettbewerbe bezog, in tische am Geschehen zurücknimmt). Ändern sich denen diejenigen Teilnehmer in die Gewinnaus- die vorgegebenen Kriterien der Beurteilung (etwa schüttung einbezogen wurden, die unter den zur beim Fat Beauty Contest, vgl. den Film von 2006), Wahl stehenden Fotos das ausgewählt hatten, das treten andere Körper- oder Verhaltensideale in den auch von den meisten anderen als das schönste Vordergrund. So sehr die Miss-Wahlen im engeren ausgewählt worden war. Der Teilnehmer, der ge- Sinne darauf hinzudeuten scheinen, dass es dabei winnen will, beurteilt also nicht das auf dem Bild auch darum geht, einen idolhaften Idealkörper zu dargestellte Modell, sondern kalkuliert sein eigenes vermessen und zu propagieren (ein Funktionshori- Urteil danach, was er von den anderen Teilneh- zont, der auch am Beispiel der Pin-Up-Photogra- mern als Urteil erwartet. Die Abschätzung der At- phie und der Centerfolds der Herrenmagazine dis- traktivität der Modelle beruht nicht auf eigenem kutiert worden ist), so regt sich in vielen anderen Urteil, sondern auf der Simulation des Urteils der Miss-Ausschreibungen Widerstand: Die Phantas- anderen Mitmacher. Schönheitswettbewerbe sind magorie eines „perfekten Körpers“, die für die danach zutiefst reflexiv, indizieren weniger das Miss-Wahlen so wichtig zu sein scheint, und die Eigene als vielmehr das, was anderen unterstellt gleichzeitige Normierung eines Idealkörpers, sei- wird. ner Maße und Proportionen, ist oft kritisiert wor- den. Sie bildet in den zahlreichen Miss-Wahl-Pa- So sehr die Miss-Wahlen in diesem regionalen, rodien den