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HN1194_Vorwort_Bd2.fm Seite V Mittwoch, 12. Oktober 2011 10:56 10 V Vorwort léas et Mélisande berühmt geworden der Rhapsodie für Altsaxophon und war. Später berief man ihn, Ironie des Orchester und an dem Textbuch zu Le Schicksals, gelegentlich in die Prüfungs- Diable dans le beffroi nach Edgar Allan kommission für das Fach Klavier am Poe. Dort brachte er auch die Estampes Die vorliegende dreibändige Ausgabe Konservatorium. zum Abschluss, mit denen er eine neue der Klavierwerke Claude Debussys So übernahm Debussy auch nur aus- Stufe in der Entwicklung seines kompo- (1862–1918) spannt zeitlich einen Bo- nahmsweise Uraufführungen seiner sitorischen Klavierstils erreichte. Er ließ gen von 1880 bis 1915. Sie ordnet seine Klavierwerke: „Ein großer Pianist bin in den Estampes aus Bildern der Natur, Kompositionen für Klavier in der Rei- ich nicht“, äußerte er 1914 gegenüber die er beschwor, ohne sie beschreiben zu henfolge ihrer Entstehung, auf die in einem italienischen Journalisten. „Es ist wollen, eine poetische Welt aus Land- vielen Fällen zeitnah die Erstveröffent- richtig, dass ich einige der leichteren schaften und fernen Ländern entstehen. lichung folgte. Préludes beherrsche. Aber die anderen, André Messager gegenüber erklärte er: In der kurzen Zeitspanne von 1903 wo die Noten in höchster Geschwindig- „Wenn man sich Reisen nicht leisten bis 1909 entstanden in dichter Reihen- keit aufeinander folgen, machen mir kann, muss man sie durch Phantasie folge Hauptwerke für das Klavier. Hö- Angst.“ Dennoch gibt es Kritiken, die ersetzen“ – eine Bemerkung, die bei hepunkt des zweiten Bandes unserer sein einfühlsames Spiel und seinen sub- aller Leichtigkeit des Tones doch zeigt, Ausgabe und Debussys erfolgreichstes tilen Anschlag loben. Im Lauf der Jahre wie stark er noch der symbolistischen Klavierwerk überhaupt ist das erste wurde er in der Wahl seiner Interpreten Ästhetik verpflichtet war. Heft der zwölf Préludes, komponiert ab immer anspruchsvoller. Lange Zeit setz- Die drei Sätze des Heftes stehen un- Ende 1909 und erschienen im April te er sein Vertrauen in den Katalanen tereinander in nur loser Verbindung, sie 1910. Alle weiteren Werke, darunter Ricardo Viñes, von dem er sich seine führen uns in den Fernen Osten, reichen andere Erfolgswerke der neueren Kla- Stücke zuerst vorspielen ließ, bevor die- bis nach Spanien und schließen mit viermusik wie Estampes, L’Isle joyeuse, ser sie dann öffentlich aufführte. De- einem Stück, das als Replik auf die da- Children’s Corner und Images (zweites bussy verlor schließlich das Interesse an mals entstandenen Jeux d’eau von Ra- Heft), wurden im Verlag Jacques Du- der Zusammenarbeit und reservierte die vel aufgefasst werden könnte. Zu die- rand erstveröffentlicht. Durand erhielt Uraufführung seiner Études für Walter sen Jardins sous la pluie hat ihn, wie 1905 als Freund und Förderer die Ex- Rummel. Gelegentlich lud er Pianisten es scheint, eine Szene inspiriert, die klusivrechte für sämtliche künftigen wie Edouard Risler, Maurice Dumesnil, der Maler Jacques-Emile Blanche be- und einige frühere Kompositionen Franz Liebich und Marguerite Long zu schreibt, als er an einem gewittrigen Debussys. sich ein, aber seine sehr allgemein ge- Nachmittag damit begann, ein Porträt haltene Beurteilung dieser Interpreten des Musikers zu entwerfen. „Ich war Debussy und das Klavier zeigt, wie unzufrieden er in Wirklichkeit in Auteuil und skizzierte draußen im Obwohl Debussy ausgebildeter Pianist war: „Man ist oft verraten bei den soge- Freien eine erste Studie seines Kopfes. war, hatte er ein recht kritisches Ver- nannten Pianisten! Ich kann Ihnen ver- Es regnete, die Bäume gaben seinem hältnis zum Instrument Klavier. Erst sichern, es ist unvorstellbar, wie sehr Gesicht eine grünliche Farbe, die der nach sieben Jahren am Konservatorium meine Klaviermusik entstellt worden ist, Regen wie mit Lack zu überziehen verzichtete er auf die Pianistenkarriere, so dass ich sie oft kaum wiedererkannt schien.“ Fest steht, dass Debussy hier die sich sein Vater für ihn erträumt hat- habe“, schreibt er am 12. Juli 1910 an eines der Images wieder aufgegriffen te. Er erhielt zwar 1877 einen zweiten Edgar Varèse. Während des Krieges hat, das er 1894 Yvonne Lerolle gewid- Preis, der Sprung zum ersten gelang formuliert er noch beißender: „Die met hatte, das aber zu seinen Lebzeiten ihm aber nie. Seine Lehrer waren davon meisten Pianisten sind schlechte Musi- unveröffentlicht geblieben war. Wir fin- angetan, mit welcher Leichtigkeit er ker, sie zerlegen die Musik in Einzelteile den darin bereits das Thema nach dem Notentexte las und vom Blatt spielte. – wie ein Brathähnchen“ (1. September Volkslied „Nous n’irons plus au bois“ Aber Debussy zeigte wenig Einsatz, 1915). (siehe auch das Vorwort zu den Images wenn es darum ging, die Instrumental- von 1894 aus Band I unserer Edition technik zu perfektionieren, die ihm sein der Klavierwerke). Lehrer Antoine-François Marmontel Debussy war es klar, dass der Titel vermitteln wollte. Lediglich für das Estampes L. 108 (100) des Heftes eine aufwendige Aufma- Fach Begleitung erhielt er einmal einen Debussy korrigierte im Juli 1903 wäh- chung verlangte. Er legte besonderen ersten Preis am Konservatorium. So hat rend eines Aufenthalts auf dem Lande Wert auf eine sorgfältige typographische er wohl auch mehr Mühe auf den Be- in Bichain/Département Yonne im Gestaltung des Umschlags, was auch gleitsatz in seinen Liedern als auf seine äußersten Norden der Bourgogne die aus einem Schreiben an seinen Verleger ersten Klavierstücke verwendet. Auf Druckfahnen seiner Pelléas-Partitur. hervorgeht, in dem es heißt: Ingres- diese wurde das Publikum erst aufmerk- Gleichzeitig arbeitete er an verschie- papier, Sammeltitel und Monogramm sam, als er bereits durch seine Oper Pel- denen Kompositionen, an La Mer, an des Komponisten in Mattgold, Titel der HN1194_Vorwort_Bd2.fm Seite VI Mittwoch, 12. Oktober 2011 10:56 10 VI Einzelsätze im Blauton. Noch im August gewann sehr schnell die Gunst des Pub- D’un cahier d’esquisses L. 112 (99) hatte er die Fahnen in Händen. Der likums, sodass Durand bis 1916 bereits Dieses Werk war wohl ursprünglich als Band erschien am 20. Oktober und war mehr als 7.000 Exemplare aufgelegt Mittelstück eines Triptychons zusam- Jacques-Emile Blanche gewidmet. Am hatte. men mit Masques und L’Isle joyeuse ge- 9. Januar 1904 wurde das Werk im plant. Gewisse thematische, tonale und Rahmen der Konzerte der Société na- rhythmische Eigenschaften, die es vor tionale de musique (Salle Érard) von allem in die Nähe von L’Isle joyeuse Ricardo Viñes uraufgeführt. Masques L. 110 (105) rücken, weisen darauf hin. Schließlich Ursprünglich war Masques ebenso wie wurde das Stück im Februar 1904 in L’Isle joyeuse als Teil der Suite berga- einer Musikbeilage zur Zeitschrift Paris masque gedacht, und obwohl beide illustré veröffentlicht; vermutlich 1910 L’Isle joyeuse L. 109 (106) Stücke getrennt veröffentlicht wurden, erschien es bei Schott Frères in Brüs- Das Autograph von L’Isle joyeuse trägt haben sie doch eine gemeinsame Ent- sel. Das späte Erscheinungsdatum könn- das Datum Juli/August 1904. Alle stehungsgeschichte. Dabei steht die te erklären, wieso das Werk erst am Biographen Debussys haben deshalb pianistische Nüchternheit der Masques 20. April 1910 von Maurice Ravel in die Entstehung dieses seines längsten in auffälligem Kontrast zur Brillanz der einem Konzert der Société musicale in- Klavierstücks mit seiner „Flucht“ auf L’Isle joyeuse. dépendante uraufgeführt wurde. die Insel Jersey in Zusammenhang ge- Der katalanische Pianist Ricardo bracht, wohin er sich mit Emma Bardac Viñes berichtet in seinem Tagebuch von zurückgezogen hatte, und führten den einem Besuch am 13. Juni 1903 bei virtuosen wie traumhaften Charakter Debussy; der Komponist spielte ihm da- von L’Isle joyeuse auf seine neue Liebes- mals die beiden Stücke vor und brachte Morceau de concours L. 117 (108) beziehung zurück. Das (handschrift- sie ihm bald darauf, am 4. Juli, erneut Die Zeitschrift Musica legte ihren Le- liche) Tagebuch von Ricardo Viñes je- zu Gehör, wobei er versprach, Ende des sern im Januar 1905 sechs anonyme doch widerlegt diese Interpretation ein- Monats eine Kopie zu schicken. „Welch Kompositionen vor, deren Urheber er- deutig und berichtet, dass L’Isle joyeuse ein Zufall, sage ich, daß mich diese raten werden sollten. Neben Debussy unter diesem Titel schon am 13. Juni Stücke an Bilder von Turner erinnern!, waren dies Massenet, Chaminade, Saint- 1903 fertig komponiert war, denn an worauf Debussy entgegnete, er habe tat- Saëns, Rodolphe Berger und Gaston diesem Tag spielte Debussy das Stück sächlich, bevor er mit dem Komponie- Serpette. In der Aprilnummer der Zeit- im Haus des katalanischen Pianisten. ren begann, lange Zeit im William-Tur- schrift wurden die Komponisten der Es war zu diesem Zeitpunkt als Satz für ner-Saal in London zugebracht.“ Wenig Stücke bekannt gegeben. Nach Masse- die Suite bergamasque vorgesehen. De- später änderte Debussy seine Pläne zur net, der von den Lesern 304 mal erraten bussy überarbeitete L’Isle joyeuse wäh- Zusammenstellung der Suite bergamas- wurde, folgte Debussy mit 218 Zählern. rend eines Zeitraums von über einem que. Masques wurde ein selbstständi- Debussys Beitrag stützt sich auf Skiz- Jahr und schrieb noch am 11. August ges Stück. Die endgültige Fassung von zenmaterial zu Le Diable dans le beffroi 1904 an seinen Verleger Jacques Du- Masques ist datiert mit „Juli 1904“, nach Edgar Allan Poe. rand, dass er Veränderungen vorgenom- eine Zeit, in der das Privatleben von men habe, die er für „exzellent“ halte. Debussy äußerst bewegt und span- „Wie schwer es doch zu spielen ist“, ver- nungsreich war, da er seine erste Frau traute er Durand einige Wochen später Lilly wegen Emma Bardac verließ. Am an, „dieses Stück dürfte alle Möglich- 19. August schickte er die Druckfah- Children’s Corner L. 119 (113) keiten in sich vereinigen, ein Klavier zu nen an seinen Verleger Durand zurück. Die Suite für Klavier Children’s Corner traktieren.“ Einen Monat später – nur wenige Tage, entstand zwischen 1906 und 1908. In einem Konzert am 10. Februar bevor L’Isle joyeuse erschien – wurde Zuerst komponierte Debussy wohl das 1905 in der Salle Aeolian, in dem auch Masques veröffentlicht.