Ein biogra scher Garten Der Garten der Familie Dix in Hemmenhofen

 

s war ein wildes Gemisch aus kräigen Far- Frau Martha und den Kindern Nelly (13), Ursus (9) und «Eben », so erinnert sich Jan Dix an die Blumen- Jan (8) zog er 1936 auf die Halbinsel Höri nach Hemmen- sträusse, die seine Muer Martha und seine Schwester hofen, gegenüber von Steckborn am deutschen Ufer des Nelly aus dem Garten der Familie des Malers Oo Dix Bodensees. Die Höri war bereits anfangs des 20. Jahrhun- zusammenstellten. « Schwefelgelbe Schafgarbe neben derts als ländlicher Sehnsuchtsort von Lebensreformern nachtschwarzen Malven, vielerlei Formen und komple- und Künstlern entdeckt worden, unter ihnen auch Her- mentäre Farben, dicht gedrängte, starrköpge Zinnien mann Hesse, der sich 1907 im benachbarten Gaienhofen in ihren unwahrscheinlich reichen Farbnuancen waren für fünf Jahre niedergelassen hae. Die Dixens gehörten Motive für Blumenbilder. Kapuzinerkresse, Schwertlilie, zu einer zweiten Generation von Höri-Künstlern, die sich Nelke, alles o in Portraits als Aribut verwendet, wurde in in der Zeit der Nazi-Diktatur wohl oder übel aus dem Hemmenhofen im Garten angepanzt und gepegt. » Vom öentlichen Leben haen zurückziehen müssen. Oo Dix, Garten auf die Leinwand des Vaters waren es nur wenige der « Grossstadtmensch », pegte zeitlebens ein gespalte- Schrie. Und auch wenn Oo Dix weder Blumenmaler nes Verhältnis zu seinem neuen Lebensort, den er bis zu noch Gärtner genannt werden kann, so sind Panzenbeob- seinem Tod 1969 beibehielt. « Zum Kotzen schön », so achtungen aus dem Garten doch vielfach in seine Arbeiten Dix, sei diese Landscha, die er in den Zeiten der inne- eingeossen, wurde der Garten zum geliebten und gestalte- ren Emigration gleichwohl oder gerade deswegen immer ten Zuhause für ihn und seine Familie. Der Garten Dix war wieder als künstlerisches Motiv aufgri. ein Lebensort, der von seinen Bewohnern immer wieder Das Haus, das die Familie dank einer Erbscha von verändert wurde und gemeinsam mit ihnen alterte. Martha Dix beziehen konnte, wurde nach den Plänen des Dresdner Architekten Arno Schelcher erbaut. Schelcher hae für die Familie ein grosszügiges Landhaus im Stil der Ein neues Zuhause in Hemmenhofen Stugarter Schule entworfen – einen zweigeschossigen Walmdachbau, der sich an regionalen Vorbildern orien- Oo Dix (1891–1969) gehört zu den herausragenden tierte. Grosszügige Fensterönungen, ein umlaufender Vertretern der Neuen Sachlichkeit in Deutschland. Weil Balkon und eine Loggia im Westen unterstrichen den die Nationalsozialisten seine Kunst als « entartet » dia- Bezug des Hauses zur Landscha. Als Bauplatz wurde mierten, musste Dix im Jahr 1933 seinen Lehrstuhl an der eine schmale Geländestufe in den zum Bodensee steil Kunstakademie Dresden verlassen. Gemeinsam mit seiner abfallenden Obstwiesen ausgewählt. Zu dem weitläu- Abb. 2: Auf der grünen Wiese: Das Haus im Winter 1936/37 nach seiner Fertigstellung.

Wiese. Durch den Aushub des sandigen Materials vor dem Haus gruben sich tiefe Erosionsrinnen. Weil der Architekt keine Vorschläge für den Garten geliefert hae, machten sich die Dixens selbst ans Werk. Treibende Kra war dabei Martha Dix, die von den Kindern, vor allem Jan, tatkräig unterstützt wurde. Oo Dix, so erinnert sich Jan, « hae seine Vorstellungen auch leidenschalich eingebracht, er war aber nicht gerade ein begeisterter Gärtner ». Unter- stützt wurde die Familie anfangs durch den befreundeten Abb. 1: Vom Garten auf die Leinwand: Der Maler und das Gärtner Walter Kaesbach. Kaesbachs Vater war 1933 von Kind, 1947, Öl. den Nazis von seinem Posten als Direktor der Kunstaka- demie in Düsseldorf vertrieben worden und ebenfalls auf gen Umschwung des Hauses gehörte auch ein staliches die Höri gezogen. Kaesbach junior, der etwa 1938 ein run- Grundstück am Seeufer – Liegenschaen, die in den des Jahr im Garten Dix mitarbeitete, hae anscheinend in folgenden, wirtschalichen Notzeiten eine wichtige -Dahlem eine gärtnerische Ausbildung genossen. Kapitalreserve darstellten und teilweise wieder verkau Doch neben der professionellen Unterstützung Kaesbachs werden mussten. wurde vielfach auch allgemeine Gartenliteratur zurate gezogen. Ein praktisches Anschauungsbeispiel düre auch die Gartenpracht der Schweizerischen Landesausstellung Entstehung und Experiment in Zürich gewesen sein, welche die Familie 1939 besuchte. Ohne Berührungsängste packten die Dixens an (Abb. 3). Als die Dixens im September 1936 das Haus bezogen, Sie liessen Wege anlegen, Treppen bauen, Mauern war vom Garten noch nichts zu sehen (Abb. 2). Ausser errichten und setzten kistenweise die Panzen in ihren einem alten Kirschbaum, einem Nussbaum und ein paar Garten, die ihnen gerade geelen, wie Jan Dix berichtet: Feldgehölzen im Umfeld stand das Haus auf der grünen « Ich erinnere mich auch an Fahrten nach Steisslingen

      Abb. 3: Kistenweise Pflanzen setzen: Jan, Martha und Nelly Dix um 1940 bei der Gartenarbeit (v. l. n.r).

zur Baumschule und Staudengärtnerei Ammann mit dem Alpen aller Erdteile in unseren Gartenbereich hineinzu- Cabriolet […], vollbeladen mit Panzen, sodass ich nur ziehen ». Besonderer Beliebtheit erfreute sich in diesem noch stehen konnte. » Zusammenhang das « Schönheitsreich » Alpinum, das im Garten Dix an einigen Stellen zu einem Leitmotiv wurde. Der Garten, der nun entstand, war eine Laienschöpfung So war die Böschung am Staudengarten mit Kalksteinbro- im besten Sinne, in der sich auch die Gestaltungstenden- cken besetzt und mit Ginster, Bergkiefer, Wacholder, einer zen seiner Zeit widerspiegelten. So war das direkte Umfeld Hängebirke und Wildrosen bepanzt. des Hauses im Sinne des Architekturgartens der Kunst- Einen persönlichen Zugang zu diesem Gartenthema gewerbereform formal stark auf das Gebäude bezogen. haen nicht zuletzt eine Reise im Jahr 1935 über die Alpen Auf der Westseite des Hauses bei der Loggia wurde ein nach Venedig sowie ein Kuraufenthalt von Oo Dix 1938 im von Bäumen beschaeter Sitzplatz angelegt und ein Weg Oberengadin erönet. Zahlreiche Bilder, die Oo Dix von entlang der Südseite der Fassade geführt. Vor dem Haus- schroen Gebirgsformationen mit Fichten- und Lärchen- eingang im Osten und in der Verlängerung der Fassade wäldern anfertigte, zeugen von seiner Faszination für die kam eine Terrasse mit formalem Vorplatz und angrenzen- Alpenwelt. Und was Oo Dix auf seiner Staelei malte, das dem Staudengarten zu liegen. Eine exedrenförmige Mauer wollte er auch in Sichtweite seines Atelierfensters in Form aus Tengener Muschelkalk mit integrierter Steinbank eines Lärchen- und Fichtenwäldchens erblicken. Zahlrei- schloss den Vorplatz ab. Neben dieser repräsentativen che weitere Baumpanzungen wurden vorgenommen, um Geste folgten das weitere Umfeld und die Bepanzung dem exponierten Grundstück Rahmung und Schaen zu der Anlage stilistisch eher dem informell gestalteten geben: über dem Haus ein Robinienwäldchen, an der West- Wohngarten der Moderne, welcher an die Ästhetik des grenze eine Erlengruppe, eine Birkengruppe an der Ter- englischen wild gardening anknüpe. Der populäre deut- rasse der Loggia sowie eine Blutbuchengruppe am Fuss des sche Staudenzüchter Karl Foerster schlug diesbezüglich Grundstücks. Noch mehr Fichten, Lärchen und eine Ess- seinen Lesern vor, die « Blumenromantik der Wildnis kastanie beschaeten die serpentinenförmige Treppe, die dem Garten zu vermählen und etwas vom Schmuck und von der alten Landstrasse den Hang bis zum Vorplatz des Aroma urweltlicher Einsamkeit der Wälder, Sümpfe, Hauses erklomm. Neben « alpin » anmutenden Koniferen Strande, Steppen, Wiesen, Bäche und Teiche, Flüsse und und ederlaubigen Bäumen mit lichtem Schaen spielte

 Ein biografischer Garten  Johannes Stoffler auch der Nutzen eine Rolle bei der Gehölzwahl. So wurde spielte Jazzmusik und war morgens – zum Erstaunen der auf der oenen Wiese unterhalb des Hauses ein Obstgarten Dorewohner – ungerührt im Schlafanzug oder Mor- mit Reihen dunkler Herzkirschen und Prsichen angelegt. genmantel im Garten unterwegs. Wenn die Kinder vom Beeren- und Gemüsebeete kamen an ebeneren Stellen des « Naturschlaf », also der selbst gesetzten Schlafruhe, Hangs inmien der Wiese zu liegen. Walnussbäume und erwacht waren, stand ihnen der Garten für ihr experimen- eine blühende Feldgehölzhecke markierten die Grenze des telles Spiel zur Verfügung. Auf der sandigen, weitgehend Obstgartens entlang der Landstrasse. ungestalteten Terrasse des oberen Gartens über dem Haus stand ein Hasenstall, hing eine Schaukel im Baum, wurde Um 1940 war der Garten damit in seinen wesentlichen Boccia gespielt. In schweisstreibender Arbeit hob hier Jan räumlichen und baulichen Grundstrukturen angelegt ein gewaltiges Erdloch aus, das nach seinen Plänen ein (Abb. 4). Und doch war der Garten nie fertig. Denn durch Schwimmbad werden sollte. Das ambitionierte Projekt die Anstrengungen, Rückschläge und Erfolgserlebnisse scheiterte, weil an dem sandigen Südhang eigentlich während seiner Entstehung war das Arbeiten und Experi- beständiger Wassermangel herrschte. Für Badefreuden mentieren am und im Garten zu einer leidenschalichen verlässlicher war eindeutig der Bodensee. Gewohnheit seiner Bewohner, allen voran Martha und In den Notzeiten des Krieges und der Jahre danach Jan, geworden. wurde der Garten zu einem wichtigen Nahrungsliefe- rant – je grösser die Not, desto umfangreicher die Gemü- sebeete im Garten. Fast überall, wo es annähernd ebene Wachstum und Veränderung Flächen gab, zog man Saubohnen, Kartoeln, Salat, Paprika, Auberginen und Tomaten. Martha Dix’ gärtne- In den folgenden Jahren spielte der Garten im Alltag risches Geschick wurde sogar mit so wohlschmeckenden der geselligen und nonkonformen Künstlerfamilie eine Tomaten belohnt, dass diese an ein Feinkostgeschä wichtige Rolle. Man sass mit Freunden im sogenannten in Singen verkau werden konnten. Auch die Gelände- « Kaeegarten », einem geschützten Gartensitzplätz- terrasse über dem Haus, wo die Kinder spielten, wurde chen im Staudengarten, zusammen. Auf dem Sitzplatz einbezogen. Selbst Teile des Staudengartens wurden zum unter der Loggia trank man mit Gästen Wein, hörte oder Bohnenbeet. Und in seiner Verlängerung entstand durch

Abb. 4: Luftbild des Anwesens Dix aus dem Jahr 1945 mit Wohnhaus (1), Staudengarten mit Vorplatz (2), Sitzplatz bei Loggia (3), Garage mit Treppenaufgang (4), Lärchenwäldchen mit Alpinum (5), Fichtenwäldchen (6), Oberer Garten (7), Obstgarten (8), Gemüse- und Beerengarten (9).

      Jans selten ruhende Schaufel eine neue Terrasse für den Gemüseanbau. Mit der Rehabilitation von Oo Dix als Maler nach dem Krieg waren die mageren Jahre zu Ende gegangen. Dix wurde in zahlreichen nationalen und internationalen Aus- stellungen von München bis New York gezeigt, erhielt Aus- zeichnungen und Ehrenmitgliedschaen. Das Anwesen in Hemmenhofen blieb weiterhin der Lebensmielpunkt der Künstlerfamilie, in deren Garten nun angesichts der verbesserten nanziellen Situation munter weiter gestaltet wurde. Nicht nur ging der Gemüseanbau zurück und die Stauden machten wieder an Boden gut. Auch neue Bau- werke entstanden. Talseitig vor dem Haus wurde an der Stelle einer steilen, steingartenartig gestalteten Böschung eine Stützmauer aus Kalksteinblöcken angelegt. Die neu geschaene Terrasse vor dem Haus ermöglichte nun auch hier ein grösseres, farbenfrohes Staudenbeet mit verein- zelten Rosen (Abb. 5). Im Bereich der Loggia wurde der rote Klinkerbelag entfernt und durch polygonal verlegtes Buntsandstein-Paster ersetzt. 1961 wurde die alte Garage zur Einliegerwohnung umgebaut, die Jan nach seinem abgeschlossenen Studium als Kunstschmied vorüberge- hend bezog. Ein ligran geschmiedetes Gartentor von Jan Dix ziert seitdem den Eingang zum Gartengrundstück.

Abb. 5: Stauden, Rosen, Kletterpflanzen: 1948 auf Alterung und Zerfall der neuen Staudenterrasse vor dem Haus.

Der Höhepunkt gärtnerischer Intensität und Experimen- Wiese anheim gegeben. Periphere Bereiche des Gartens tierfreudigkeit im Garten, wie sie für die Entstehungs- und wurden sogar gänzlich aufgegeben. Weil es in Hemmen- Konsolidierungsphase des Gartens zwischen 1936–1960 hofen noch keine Müllabfuhr gab, wurde im unvollende- bezeichnend war, wich in den folgenden Jahren dem ten Swimmingpool im oberen Garten Altglas und anderer unbekümmerten Wachsenlassen der – wie die Bewohner – Unrat entsorgt. Nur im Westen des Hauses, wo weniger alternden Panzenbestände. Als Oo Dix im Jahr 1969 Bäume standen, blieb Gärtnern mit lichtbedürigen starb, war Martha Dix, die « Seele » des Gartens, bereits Stauden möglich. Nach dem Tod von Oo Dix wurde 74 Jahre alt. Die Gehölze, die das Ehepaar mit den Kin- dieser Teil zusehends zum Territorium einer neu einge- dern gepanzt hae, waren dem Haus inzwischen über das stellten Hausdame. Riersporn und Lupinen wuchsen Dach gewachsen, haen veritable Waldbestände gebildet. nun auf dem ehemaligen Gemüsebeet – der Staudengarten Zunehmend war Martha die Gartenarbeit beschwerlich erschien jetzt weniger kunterbunt und war einmal quer geworden. Im Staudengarten, in dem einst sonnenhung- durch den Garten gewandert. Das Staudenbeet auf der rige Panzen wuchsen, gedieh nun Astilbe und Efeu, oder Terrasse vor dem Haus haen der Vorliebe der Hausdame er wurde zur Pegeersparnis ganz aufgehoben und der für Zuchtrosen weichen müssen.

 Ein biografischer Garten  Johannes Stoffler Als Martha Dix im Jahr 1979 ins französische Sar- sind als zweifarbiger Abdruck auf den verputzten Wänden rians zu ihrer adoptierten Enkeltochter Beina zog, war wieder sichtbar. « Diese besondere Form der Darstellung », der Faden der Zeit, der Garten und Bewohner zusam- so Kurator Sven Beckstee, « vermielt dem Besucher menband, gerissen. Der Förderverein Oo-Dix-Haus die künstlerische Entwicklung von Oo Dix und gibt ihm Hemmenhofen, der sich 1988, drei Jahre nach Marthas zugleich ein möglichst vielfältiges Bild von der Gemein- Tod, konstituierte und dem die Gemeinde Hemmen- scha einer Künstlerfamilie im 20. Jahrhundert. » hofen als Mieterin das Anwesen zu musealen Zwecken Der Garten der Familie spielt in diesem Konzept eine zur Verfügung stellte, war der Pege des Gartens trotz zentrale Rolle. Seiner Restaurierung vorausgegangen Idealismus und Engagement nicht gewachsen. Während war deshalb das genaue Ausleuchten seiner Geschichte. das Umfeld des Gartens zunehmend überbaut wurde Neben Akten, Plänen, Lubildern, Gemälden und und zeitweise auch Teile des Gartens selbst dafür zur Familienalben waren es vor allem die lebhaen Erinne- Disposition standen, gelang es der Denkmalpege 2005, rungen von Jan Dix, die hierbei weiterhalfen. Auch im die Sachgesamtheit Haus und Garten als Kulturdenkmal bestehenden Garten, im Dickicht zwischen Wildauf- besonderer Bedeutung unter Schutz zu stellen. Eine neue wuchs und Brombeeren und vor unerklärlichen Spuren Perspektive für das Anwesen ergab sich 2010, als ein neu wie Senken, Baumstümpfen und Steinblöcken erwies sich gegründeter Stiungsverein Haus und Garten kaue und Jan Dix als wertvoller Pfadnder. Mit der Zeit wurden so sie dem Kunstmuseum Stugart zur Nutzung als Museum die Zeugnisse eines biograschen Gartens sichtbar, ihre zur Verfügung stellte. Gemeinsames Ziel war es, Haus Herkun vorstellbar. Das Leitbild des Parkpegewerks und Garten denkmalgerecht instandzusetzen und zu für den Garten verfolgte daher die Sicherung, Reparatur pegen, die Ausstellung museal neu zu konzipieren und als und Pege der authentischen Relikte und Spuren der Zeit Aussenstelle des Kunstmuseums Stugart professionell zwischen 1935–1979. als « Museum Haus Dix » zu betreiben. Dank zahlreicher Um sie verständlich zu machen, wurden Teilberei- privater und öentlicher Geldgeber konnte das Museum che den historischen Zuständen der Entstehungs- und im Sommer 2013 erönet werden. Konsolidierungsphase des Gartens bis 1960 angenähert. Handlungsbedarf bestand neben beschädigten Bauwer- ken vor allem im Panzenbestand: Wildaufwuchs musste Das Museum und sein Garten gerodet, die erhaltenen Gehölze pegend geschnien, die Wäldchen und « alpinen » Gehölze, die Obstbäume, Neu ist das Ausstellungskonzept des « Museum Haus Beeren und Ziersträucher ergänzt und wiedergepanzt Dix », welches das biograsche Lebensumfeld von Dix werden (Abb. 6). Die exakte Rekonstruktion eines einzi- ins Zentrum stellt. Der Aufenthalt im Museum soll die gen historischen Zustandes, vor allem der überwiegend « Atmosphäre eines privaten Besuches bei den Dixens » ephemeren Bestandteile des Gartens wie der Stauden- vermieln und die Vorstellungskra der Betrachter anre- beete, war jedoch weder möglich noch sinnvoll: Zu sehr gen. Das Wohnhaus wurde dafür aufwendig und original- haen sich die Panzungen fortwährend gewandelt. Die getreu restauriert. Seine Zimmer erhielten die historische Wiederbepanzung der Staudenbeete folgte daher dem Farbgebung und wurden ihrer ursprünglichen Funktion Eindruck des eingangs erwähnten « wilden Gemischs entsprechend wieder eingerichtet. Erhaltene Möbel und aus kräigen Farben ». Sie stützte sich auf die anhand der Fundstücke aus dem Haushalt wurden durch vereinfachte, Quellen identizierten Arten, verwendete historische abstrakte Rekonstruktionen von Stühlen, Tischen, Been Sorten und integrierte Relikte der alten Panzung (Iris, oder Schränken ergänzt. Die grossformatigen Bilder, die Rosen). Dort, wo sich angesichts von Wurzeldruck und ehemals die Wände dominierten und heute über die ganze Schaenwurf der alten Bäume die Standortbedingungen Welt verteilt in Museen und Privatsammlungen hängen, verändert haen, wurde das ema der Bepanzung

      Abb. 6: Relikte ergänzen: Wiederbepflanzung des Lärchen- und Fichtenwäldchens im Mai 2013. anhand von Analogieschlüssen aus der Panzenverwen- befreiten Senke des unvollendeten Swimmingpools dung der Moderne fortgeführt. Nach historischem Vorbild stecken Schaufel und Spaten. Die fragenden Besucher, die wurde auch Wechselor gepanzt, der in den kommenden diesen Gartenteil über einen neuen Rundweg erreichen, Jahren das « wilde Gemisch » potenzieren und veränder- erhalten darüber Auskun über einen tragbaren, audio- bar halten wird. visuellen Guide, der Haus und Garten anhand mehrerer Stationen erklärt. Auf konventionelle Hinweisschilder Während auf diese Weise vielerorts der Garten wieder wurde bewusst verzichtet. verständlich gemacht und auch der Einuss des Gartens auf die Malerei von Dix wieder greiar wurde, entschloss Um tatsächlich die « Atmosphäre eines privaten Besu- man sich, auf der Geländeterrasse des oberen Gartens, die ches bei den Dixens » zu vermieln, fehlen heute die als Spielort der Kinder niemals eine prägende Gestaltung schillernden Haus- und Gartenbewohner, das beständig erhalten hae und durch Quellen unzureichend dokumen- wechselnde Durcheinander von Gartenbaustellen oder tiert ist, die verbliebenen Fragmente anders zu erklären. der Geruch dampfend frischer Marmelade, der aus der Eine Installation roter Gegenstände, die an das experi- Küche zieht. Augenblicke sind nicht wiederholbar. Und mentelle Spiel der Dix-Kinder erinnern, deutet neu diesen doch durchzieht das Überraschende und Lebendige, das Ort. Ein Hasenstall, ein Vogelhäuschen, eine Schaukel diesem Garten immer anhaete, auch den Prozess seiner im Baum, Bocciakugeln gehören dazu. In der vom Müll Restaurierung: sei es, dass Funde im Erdreich die Planung

 Ein biografischer Garten  Johannes Stoffler Abb. 7: « Wildes Gemisch »: Die Staudenterrasse am Haus mit Mandelbäumchen, Rittersporn, Kapuzinerkresse und Rosen im September 2013 (vgl. Abb. 5).

Abb. 8: Fragmente erklären: Rote Gegenstände im oberen Garten erinnern an das Kinderspiel.

      korrigieren, sei es, wenn mit dem weggeräumten Gestrüpp Dr. Johannes Stoffler mit Lorenz Eugster Landschaftsarchi- auch neue Erinnerungen von Jan Dix zutage treten. Nach tektur und Städtebau GmbH, Zürich. dem Abschluss der Panzarbeiten im Herbst 2013 wächst Staudenplanung: Mirjam Bucher Bauer, Landschaftsarchi- tektin FH, Rheinfelden (D). die Geschichte des Gartens weiter. Wie der Garten künig Begleitung Gartendenkmalpflege: Dipl.-Ing. Petra Martin, gepegt und kuratorisch mit Leben gefüllt wird, wird Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen am Neckar. darüber entscheiden, ob wir vielleicht eines Tages beim Architektur: Space 4 GmbH, Stuttgart. Verlassen des Museums einen Augenblick erstaunt inne- halten, weil wir glauben, den Geschmack von Himbeer- marmelade auf der Zunge gespürt zu haben. Abb. 1: Otto Dix Stiftung, Bevaix Abb. 2: Hedwig Rieth, Archiv Jan und Andrea Dix, Öhningen Abb. 3: Archiv Jan und Andrea Dix, Öhningen 1 Dix, Jan (2008). « Erinnerungen an den Garten », in: Abb. 4: Bundesamt für Landestopografie swisstopo. Reprodu- Kicherer, Michael und Andrea Dix, Vivat, cresceat, floreat. ziert mit Bewilligung von swisstopo (BA 130325) Pflanzenmotive im Werk von Otto Dix und seinem Garten in Abb. 5: Erich Andres, Archiv Förderverein Otto Dix Haus e. V. Hemmenhofen, Ausstellungskatalog des Otto-Dix-Hauses Abb. 6: Johannes Stoffler 2013 Hemmenhofen, Hemmenhofen, o. Seitenangabe. Abb. 7: Johannes Stoffler 2013 2 Kunstmuseum Stuttgart (Hg.) (2012). Das Auge der Welt. Abb. 8: Johannes Stoffler 2013 Otto Dix und die Neue Sachlichkeit, Ostfildern. 3 « Otto Dix – Variationen zu einem Thema », Deutscher Fernsehfunk der DDR, Erstausstrahlung 1. Dezember 1966, Résumé Regie: Karl-Heinz Boxberger, Deutsches Rundfunkarchiv Babelsberg. Oo Dix (1891–1969) est considéré comme l’un des représen- 4 Dix, Jan (2008), o. Seitenangabe. tants les plus signicatifs de la « Nouvelle Objectivité » en Alle- 5 Interview von Johannes Stoffler mit Jan Dix am 19.5.2011. magne. Interdit d’exercer par les nazis en 1936, il s’enfuit avec Kaesbach wanderte anschliessend nach Brasilien aus. 6 Dix, Jan (2008), o. Seitenangabe. sa famille à Hemmenhofen, où il t construire dans le style de 7 Foerster, Karl (1913). Winterharte Blütenstauden und Sträu- l’école de Stugart une villa exposée au sud, au-dessus du Lac de cher der Neuzeit, Leipzig, S. 8. Constance. Le jardin de la famille du peintre répond à la vision 8 Karl Foerster und Alber Steiner (1937). Blumen auf Europas du couple Dix, inspirée par des jardins qu’il a visités ainsi que Zinnen, Zürich-Erlenbach und Leipzig, S. 8. par la liérature et soutenue par des jardiniers avec lesquels il 9 Die Gründung des Vereins Otto-Dix-Haus-Stiftung e. V. se lie d’amitié. Ce jardin comprend des éléments du jardin style geht auf die Initiative des Landrats Frank Hämmerle und Art déco aux lignes géométriques et du jardin « sauvage » de das Zusammenwirken der Landeshauptstadt Stuttgart, l’époque moderne. Le jardin, réalisé grâce à un travail personnel des Landkreises Konstanz, der Gemeinde Gaienhofen, des assidu, a été modié en permanence et est étroitement aaché à Kunstmuseums Stuttgart, des Fördervereins Otto-Dix-Haus l’histoire de ses habitants. Ainsi, des souvenirs du biotope alpin sowie privater Beteiligter zurück. ont été plantés ; un cellier servait aux jours de disee ; et c’était 10 Kunstmuseum Stuttgart (2010). Museum Villa Dix Hemmen- également un un lieu de rendez-vous entre amis. Après le départ hofen. Ein Konzept für ein neues Museum, Dr. Daniel Spanke de Marta Dix, l’épouse du peintre, en 1979, le jardin retourna à für den Verein « Otto-Dix-Haus-Stiftung e. V. », 30.7.2010, l’état sauvage. En 2013, le Museum Haus Dix (musée de la mai- unveröffentlichter Bericht, S. 5. son Dix) a été mis en valeur comme dépendance du Kunstmu- 11 Beckstette, Sven (2013). « Bürgerschreck im Paradies. Das seum Stugart (musée des beaux arts de Stugart). Le jardin et ‹Museum Haus Dix› in Hemmenhofen wird im Juni wieder- la maison ont été restaurés et sont associés à un nouveau concept eröffnet », in: Schönes Schwaben, Nr. 6, S. 42. muséal qui a pour thème central le lieu de la vie quotidienne de 12 Parkpflegewerk und Beratung Ausstellungskonzept Garten: la famille Dix. Dr. Johannes Stoffler, Landschaftsarchitekt BSLA, Zürich. Ausführungsplanung und Bauleitung: Planergemeinschaft

 Ein biografischer Garten  Johannes Stoffler Gartenbiogra en Orte erzählen

   

SGGK Schweizerische Gesellschaft für Gartenkultur SSAJ Société Suisse pour l’Art des Jardins SSAG Società Svizzera dell’Arte dei Giardini SSOC Societad Svizra d’Orticultura