6 Der Oberhasler Dienstag, 7. März 2000

Serie – Meiringen–-Bahn mehr als ein Verkehrsmittel (1. Teil) Kleine Bahn mit grosser Geschichte urw. Verkehrswege, Eisenerz und die Meiringen nach Brig wieder aufnehmen Nutzung der Wasserkraft haben die möchte. Die Gemeinde habe Geschichte des geprägt und ihm diesen Wunsch durch ein Schreiben Weiterbestand der das Tal immer wieder ins Zentrum ihres Pfarrers mitgeteilt. Hertzel gab MIB gefährdet? der «grossen Politik» gestellt. Beson- dem Projekt jetzt eine Chance, weil ders beredte Zeugin davon ist ausge- Grossrat Nägeli nun nicht mehr Gemein- urw. Aus grossen Eisenbahnträu- rechnet die bescheidene Meiringen– depräsident von Guttannen sei und der men hat die Politik die bescheide- Innertkirchen-Bahn: Was schliesslich Neue vom Projekt eingenommen. «Wird ne Meiringen–Innertkirchen- zur kürzesten Schmalspurbahn der uns Ihr lieber Kanton unterstützen», Bahn gemacht. Heute stellt Spar- Schweiz wurde, war einst Bestandteil fragt Hertzel den bernischen Baudirek- politik auch deren Existenz in europäischer Bahnpolitik und Nabel- tor. Unter dem Brief steht lediglich: «ad Frage. schnur zu grossen Kraftwerkbauten. acta». Zur Zeit ist Innertkirchens Bahnan- Die Meiringen–Innertkirchen-Bahn schluss an die Welt sogar gefährdet. Eisenerz und Elektrizität ist ein umweltfreundliches Ver- Über das Haslital im Wind «politi- kehrsmittel mit einem dichten Fahr- Im Mai 1901 reichte der Zürcher Inge- scher Grosswetterlagen» berichtet der plan, den Einheimische zu schätzen nieur J.R. Müller-Landsmann beim Ei- «Oberhasler» in einer Serie zur Ge- wissen. Ausserdem ist sie Teil eines senbahndepartement ein Gesuch ein für schichte der MIB. touristischen Angebots, das die eine Schmalspurbahn von Meiringen Kraftwerke Oberhasli AG noch aus- nach Innertkirchen, die er zuerst mit Jahrhundertelang spielte die Grimsel bauen möchten. «Bahnliebhaber lie- Dampf, später elektrisch betreiben woll- eine bedeutende Rolle im internationa- ben die MIB», sagt Max Ursin, Di- te. Vom bernischen Regierungsrat hatte len Nord-Süd-Verkehr: Eine der wichti- rektionsassistent der KWO AG, Müller-Landsmann vorher eine «Con- gen Säumerrouten führte durchs Haslital welche die Bahn betreibt. Als zession zur bergmännischen Ausbeu- ins Wallis und von dort ins italienische «Bahn des öffentlichen Verkehrs» tung und Verhüttung der Eisenerze im Piemont. Bezeichnenderweise kam der erhält die MIB vom Kanton einen Oberhasli» erhalten sowie die Zusage erste Anstoss für eine Bahnverbindung Beitrag an die Betriebskosten. Da waren die Träume von einer internationalen Transitbahn über die Grimsel be- für eine Konzession zur Ausbeutung der über die Grimsel denn auch aus dem Trotzdem ist sie defizitär und sie reits ausgeträumt: Im Herbst 1925 hatte die KWO begonnen, das Kirchettunnel für Wasserkräfte der und ihrer Zuflüs- Ausland: Die Regierungen von Preussen könnte schon bald ein Opfer des all- ihre Werkbahn Meiringen–Innertkirchen auszubrechen. se. Den Strom wollte Müller-Lands- und Piemont strebten bereits um 1850 gemeinen Trends zur Kostensen- mann zum Betrieb seines Bergwerkes, eine gute Bahntransitlinie durch die kung werden. zuletzt mag aber die Linienführung der Verwirklichung der Bahn nicht auftrei- seiner Bahn und für Luftseilbahnen und Schweiz an. Selbst englische Bahninge- Grimselbahn das Oberhasli zur Ableh- ben. andere industrielle Anlagen im Oberhas- nieure befassten sich mit Plänen für eine Für die Erhaltung einsetzen nung bewogen haben: Als internationale li verwenden. Die geplante Meiringen– Bahn von Luzern via Grimsel und Sim- Transitbahn liess sie die Dörfer sozusa- Eine «Schienenlose Auto-Bahn» Innertkirchen-Bahn sollte am Eingang «Wir sind es der schuldig, plon nach «Domo d’Ossola». Für einen gen «rechts liegen». Die Bahn sollte den der Aareschlucht eine Zwischenstation uns mit allen Mitteln für die Erhal- vom deutschen Ingenieur Michaelis Zehn Jahre später trat Elias Flotron er- Brünig in einem Tunnel unterfahren und erhalten. Dies bewog die Gemeinde tung der MIB einzusetzen», sagt 1853 erstellten Bericht zu einer Bahnli- neut mit einem Sustenbahn-Projekt an von Unterfluh, immer dem Berghang Meiringen, das Projekt in der Vernehm- Max Ursin. Es seien aber nicht nie über die Grimsel rückte die Berner die Öffentlichkeit. Ein neues Argument folgend, direkt ins Gadmental gelangen, lassung abzulehnen: Man befürchte eine mehr alle KWO-Partner ohne weite- Regierung eine Prämie von 500 Franken war, eine direkte Verbindung zwischen den Pfaffenkopf mit einem Tunnel Verzögerung bei der Realisierung der res bereit, das jährliche Defizit zu heraus. Denn nun war auch ein «Gott- dem Waffenplatz Thun und den Gott- durchbrechen und, auch Guttannen bereits konzessionierten Trambahn Mei- tragen. Eine weitere Schwierigkeit hardkomitee» an der Arbeit, das eine hard-Festungen zu schaffen. Diesmal rechts liegen lassend, beim Handeckfall ringen–Aareschlucht. und besteht laut Ursin darin, dass neben Bahnverbindung nach dem Süden durch hatte Innertkirchen das Nachsehen: Flo- den Eingang zum Tunnel nach dem Innertkirchen begrüssten das Bahnpro- der MIB auch die Postauto Berner den Kanton Uri vorantrieb. Ein «Grim- trons Bahn sollte von Meiringen via Oberwallis erreichen. Die Station Mei- jekt, Müller-Landsmann erhielt 1902 die Oberland den öffentlichen Verkehr selkomitee» unter der Leitung von alt und hoch über zu ei- ringen hätte, hoch über dem Dorf, am Konzession und verlängerte sie 1906. zwischen Meiringen und Innertkir- Bundesrat Jakob Stämpfli versuchte so- nem Sustentunnel führen. Die Berner Berg gelegen. chen abdeckt. Der Kanton entschä- fort, Gegengewicht zugunsten der Grim- Regierung beantragte der Bundesver- dige heute nicht mehr gerne zwei sel zu geben. sammlung Nichteintreten, weil das Pro- Zwei Bahnen nach Innertkirchen Verkehrsmittel, die parallel prak- Anschluss an den Gotthard jekt «den Wünschen der ansässigen Be- Bereits 1904 hatten aber die Ingenieure tisch das gleiche Angebot erbringen Sind wir bloss Berner ...? Natürlich setzte die Eröffnung der Gott- völkerung nicht entspricht und ihr auch Vontobel aus Winterthur und Probst aus würden. Welche Möglichkeiten hardbahn 1885 der einträglichen Säume- nicht von Nutzen ist». Am 24. Januar 1866 entschied der berni- Luzern ein weniger spekulatives Bahn- sieht Max Ursin, um den Weiterbe- rei über die Grimsel ein abruptes Ende. sche Grosse Rat nach zwölfstündiger projekt zur Konzessionierung einge- stand der MIB zu sichern? «Wir Und bereits am 13. Juni 1888 konnten Abgelehnt wurde 1912 auch ein Projekt, Debatte, das Grimselprojekt fallen zu reicht. Weil die Eröffnung des Simplon- müssen unsere Vorteile ausspielen die Meiringer mit einem Volksfest den das auf die schmale Strasse über den Sus- lassen und die Gotthardroute zu unter- tunnels bevorstand und eine Bahn von und mit einem attraktiveren Ange- Anschluss an die Bahnwelt feiern: Die tenpass ein Geleise aus harten Steinplat- stützen. Ausschlag gegeben zu diesem Gletsch nach Visp geplant, war eine bot versuchen, das Defizit zu verrin- Brünigbahn hatte nämlich die so ge- ten legen wollte, eine «Schienenlose Entscheid hatte ausgerechnet der Ver- Schmalspurverbindung von Meiringen gern.» In Gesprächen mit der Brü- nannten «Thun-Boten» abgelöst, welche Auto-Bahn Meiringen–Göschenen», wie fechter der Grimselroute, alt Bundesrat nach Gletsch wieder interessant gewor- nigbahn und der Postauto Berner bis anhin Waren und Touristen über Thu- die Gesuchsteller Römer und Isler ihr Stämpfli. Der weitsichtige Berner den. Die «Grimselbahn» sollte mit ei- Oberland werde versucht, Zusam- ner- und Brienzersee gerudert und per Projekt nannten. Sie wollten unter ande- Staatsmann hatte erkannt, dass die Stim- nem Scheiteltunnel die Touristensaison menarbeit und Angebot zu verbes- Fuhrwerk ins Hasli gekarrt hatten. Auch rem Industrie ins Gadmental bringen mung im In- und Ausland sich schliess- verlängern und, wie die Gesuchsteller sern. Und schliesslich solle der Innertkirchen war mit der Eröffnung der und den Holzhandel fördern. lich doch der Gotthard-Variante zuwen- schrieben, den Handel mit Granitsteinen Kanton angegangen werden um Brünigbahn wieder Anwärter auf einen den würde und die Grossratsversamm- als Einnahmequelle für das Haslital und eine angemessene Anpassung der Bahnanschluss geworden, denn nun Ein Tram über Grimsel und Furka lung mit der Frage konfrontiert: «Sind die Bahn ermöglichen. Um die Grimsel- Entschädigung an die effektiven suchte man, das Berner Oberland mit der wir bloss Berner, sind wir nicht auch Inzwischen war aber der Wunsch nach bahn anzutreiben, planten Vontobel und Leistungen der MIB. Gotthardbahn zu verbinden. Die Inge- Schweizer?» einer Bahnverbindung über die Grimsel Probst, den Gelmerbach zur Strompro- nieure Alfred Bucher aus Kerns und Eli- nicht eingeschlafen, obschon jetzt eine duktion zu nutzen. Auf Antrag des berni- as Flotron aus Meiringen reichten das Oberhasli will keine Grimselbahn Fahrstrasse über den Pass führte und seit schen Regierungsrates wurde ihnen die Konzessionsgesuch ein für eine elektri- 1895 die Pferdepost den öffentlichen Bahnkonzession am 22. Dezember 1904 aufgetreten: Im April 1905 fasste die Als 1870 das Berner Volk in einer Ab- sche Eisenbahn von Meiringen über den Verkehr sicherstellte. Genau dort hakten erteilt. Sowohl die Regierung wie Von- Bernische Kraftwerke AG (BKW) den stimmung Stellung nehmen konnte, Sustenpass nach Wassen. Die Haslige- die Bieler F. Bachschmid und E. Strub tobel/Probst waren überzeugt, dass zwi- Beschluss, ein Konzessionsgesuch zur sprach sich das Oberhasli mit 267 gegen meinden konnten zu diesem Projekt ein, als sie 1897 ein Gesuch für eine schen Meiringen und Innertkirchen Nutzung der Wasserkräfte an der Grim- acht Stimmen für die bernische Unter- Stellung beziehen: Gadmen sah keinen Grimselbahn einreichten: «Jede Überan- gleich zwei Bahnen nebeneinander exi- sel einzureichen. Jetzt hatte die berni- stützung der Gotthardbahn aus. Offenbar Grund, gegen das Projekt zu opponieren strengung der Pferde ist Tierquälerei», stieren könnten: Die «Grimselbahn» und sche Regierung den schwierigen Ent- wollte man sich die lukrative Säumerei und Innertkirchen zeigte sich «weder da- heisst es im Konzessionsgesuch. Bach- die ebenfalls konzessionierte Transport- scheid zu treffen, welchem Bewerber der nicht von einer Grimselbahn nehmen für noch dagegen, hätte aber viel eher mann und Strub sahen in Gletsch ein bahn von Müller-Landsmann. Vorrang für die Nutzung der Wasserkraft lassen. Ausserdem mögen die Hasler be- den Bau einer Strasse über den Susten aufstrebendes Verkehrszentrum: «Die zu geben sei, der kantonseigenen BKW fürchtet haben, dass eine Grimselbahn begrüsst». Einzig Meiringen setzte sich schweren Wagenzüge, die sich jeden Schwieriger Entscheid in AG oder den privaten Bahn- und Indu- die vielen Alpentouristen, die den Saum- für die Sustenbahn ein, forderte aber Sommer über diese Höhen wälzen, und strieplanern. Jedenfalls sollte es noch pfad nun beschritten, zu eiligen «Passan- Winterbetrieb bis nach Innertkirchen Wegen Verzögerungen ihrer Pläne muss- das internationale Leben, das sich im lange dauern und einige politische Wir- ten» machen könnte. Meiringen zählte und Postbeförderung bis Gadmen. Als ten sowohl Müller-Landsmann wie Hotel Gletsch entwickelt, sprechen für bel absetzen, bis Innertkirchen zu sei- zu dieser Zeit 18 Hotels, sechs Restau- Bucher und Flotron 1898 die Konzessi- Vontobel/Probst ihre Konzessionen die Bedeutung dieser Verkehrsader ent- nem Bahnanschluss kam. rants und fünf Kaffeewirtschaften. Nicht on erhielten, liess sich das Geld für die lang der Aare.» Die beiden planten eine mehrmals verlängern. Inzwischen war Strassenbahn über den Kirchet nach aber ein gewichtiger anderer Interessent Fortsetzung folgt Guttannen und von dort über Grimsel und Furka nach Andermatt. Die Geleise sollten auf die Strasse gelegt werden und die Bahn hätte mehr als ein Drittel der 4.20 Meter breiten Grimselstrasse bean- sprucht. «Zur Warnung von Personen und Fuhrwerken dient eine Lufttrompe- te», heisst es im technischen Beschrieb. Das Gesuch wurde abgelehnt, nachdem der bernische Regierungsrat es negativ beurteilt hatte: «Die Grimselstrasse wur- de von Bund, Kanton und Gemeinden mit grossen Opfern für den öffentlichen Verkehr und nicht für Privatspekulatio- nen gebaut.»

Der Pfarrer hilft Von einem Versuch der Oberhasler, eine Bahnverbindung über die Grimsel selber zu bewirken, zeugt ein handgeschriebe- ner Brief vom Juni 1899. Der Basler In- genieur W. Hertzel schreibt an den Bau- direktor des Kantons Bern, dass er auf Wunsch der Gemeinden im Oberhasli Diese «Schienenlose Auto-Bahn» auf der alten Sustenstrasse sollte 1912 das Berner sein vor zehn Jahren abgebrochenes Heute muss diese Passagierin im Triebwagen der MIB um die Zukunft ihres Ver- Oberland mit der Gotthardbahn verbinden. Projekt für eine elektrische Bahn von kehrsmittels fürchten. (Fotos: KWO)