Annegret Kramp-Karrenbauer Ministerpräsidentin Saarland Im Gespräch Mit Werner Reuß Reuß
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Sendung vom 31.5.2016, 20.15 Uhr Annegret Kramp-Karrenbauer Ministerpräsidentin Saarland im Gespräch mit Werner Reuß Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zum alpha-Forum, heute aus dem "studio 4A" in Berlin, weil wir einen besonderen Gast haben. Es ist Annegret Kramp-Karrenbauer, sie ist die Ministerpräsidentin des Saarlandes und Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes. Ich freue mich, dass Sie hier sind, herzlich willkommen, Frau Ministerpräsidentin. Kramp-Karrenbauer: Vielen Dank für die Einladung. Reuß: Lassen Sie uns zunächst ein bisschen über das Saarland reden. Es ist das kleinste Flächenland der 16 Bundesländer in Deutschland mit rund einer Million Einwohnern. Das Saarland entstand als politische Einheit nach dem Versailler Friedensvertrag. Zweimal wurde es aus dem deutschen Staatsgebiet ausgegliedert und es gab dann zweimal Volksbefragungen, bei denen sich die Saarländer beide Male dafür entschieden haben, zum deutschen Staatsgebiet gehören zu wollen. Zuletzt war das 1955 so und seit 1957 ist das Saarland ein eigenes Bundesland. Was macht das Saarland eigentlich so besonders, das Land, die Region und die Menschen? Kramp-Karrenbauer: Das hat in der Tat etwas mit der Geschichte des Saarlandes zu tun. Sie haben es gerade eben gesagt: Wir personifizieren sozusagen die Entwicklung von einem Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich, von einem Stolperstein auf dem Weg zur europäischen Einigung bis heute, bis zu einem deutschen Bundesland, das im Herzen Europas in einem Dreiländereck und in einer Großregion liegt. Es prägt uns besonders, dass wir wissen, wie wichtig es ist, sozusagen zu jemandem zu gehören, denn wir haben uns ja zweimal für Deutschland entschieden. Gleichzeitig wissen wir aber auch, wie wichtig es ist, in einem friedlichen und gut nachbarschaftlichen Gebilde mit seinen Nachbarn zu leben. Deswegen sagen wir von uns: Wir sind selbstverständlich von Herzen Deutsche, wir sind aber vor allem auch überzeugte Europäer und versuchen, beides nach vorne zu bringen und miteinander zu vereinbaren. Reuß: Wenn man im Saarland unterwegs ist, dann hat man den Eindruck, die Menschen haben – ich sage das mal so – ein bescheidenes Selbstbewusstsein, d. h. die Saarländer wirken bescheiden, aber auch selbstbewusst. Sie selbst haben mal über sich gesagt: "Ich bin sicher kein Lautsprecher, aber man sollte daraus nicht schließen, dass ich eine Leisetreterin bin." Wie würden Sie daraus Ihren Politikstil ableiten? Was ist Ihnen wichtig? Kramp-Karrenbauer: Es ist mir wichtig, dass sich in der Politik wirklich etwas bewegt und dass wir Fragen und Probleme, die sich ergeben, auch tatsächlich lösen. Ich versuche, das immer mit einem ganz persönlichen Ansatz anzugehen, indem ich mich als Bürgerin frage: Wie geht es mir? Wie empfinde ich das? Was würde ich mir wünschen? Ich glaube, als Bürgerin würde ich mir vor allem wünschen, dass man versucht, egal welche politische Meinung man hat, ein Problem gemeinsam anzugehen. Dieser Ansatz, gemeinsam etwas zu tun, ist mir ganz wichtig. Das ist vielleicht auch landsmannschaftliche Prägung, wenn man aus so einem kompakten Bundesland kommt, in dem die Fragen der sozialen Beziehungen und der sozialen Interaktionen eine sehr große Rolle spielen. Das heißt, das ist ein sehr pragmatischer Politikansatz, der nicht eine Kontroverse betont, nur damit man in der politischen Kontroverse und in der politischen Diskussion vorkommt. Dennoch sagt dieser pragmatische Politikansatz schon auch sehr selbstbewusst: Es gibt Unterschiede, es gibt auch in der einen oder anderen Frage sehr grundlegende Unterschiede und die darf man dann auch nicht verwischen, nur um irgendeinen Kompromiss zu bekommen. Das heißt, ich trete nicht immer laut auf, aber dann, wenn es nötig ist, erhebe ich sehr wohl meine Stimme. Ich versuche also, genau diese Abwägung hinzubekommen. Reuß: Sie haben als eines der wichtigsten Ziele Ihrer Regierung einmal den Erhalt der Eigenständigkeit des Saarlandes genannt. Das Saarland ist aufgrund des Strukturwandels hoch verschuldet. Es gibt zwar den Länderfinanzausgleich, aus dem es auch Mittel für das Saarland gibt, aber die Länder haben eben auch die Schuldenbremse beschlossen. Das bedeutet, eigentlich dürften die Länder ja ab 2020 keine Nettokredite mehr aufnehmen, also keine Neuverschuldung mehr machen. Ist das denn durchzuhalten, vor allem auch mit Blick auf die Altlasten? Kramp-Karrenbauer: Wir sind ja schon bis 2020 an einen strengen Konsolidierungskurs gebunden. Dafür erhalten wir auch Konsolidierungshilfen und unterliegen auch der Kontrolle des Stabilitätsrates. Wir haben bisher diesen Konsolidierungskurs auch sehr klar eingehalten. Das ist ein schwieriger Prozess. Wir sind auch fest entschlossen, das weiterhin so zu machen. Aber wir wissen, dass wir ohne eine weitere solidarische Unterstützung ab 2020 nicht die Fähigkeit haben werden, die Schuldenbremse einzuhalten und gleichzeitig die Aufgaben, die wir als Bundesland haben, zu erfüllen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb wir mit den anderen Bundesländern und gemeinsam mit ihnen wiederum mit der Bundesregierung um die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ringen. Wir haben dabei auch schon den ersten großen Schritt erzielt, dass es eine Einigung gibt auf ein System der 16 Bundesländer untereinander, bei dem diese Hilfe für das Saarland – und im Übrigen auch für Bremen – unzweifelhaft anerkannt wird. Jetzt gilt es, in den weiteren Verhandlungen mit dem Bund dies durchzusetzen. Wenn man das Saarland als eigenständiges Bundesland akzeptiert und auch auf Dauer akzeptieren will, dann muss man ihm auch in einer – wie ja festgestellt wurde – unverschuldeten Haushaltsnotlage helfen. Wenn man dies jedoch nicht will, dann muss man so ehrlich sein und sagen: "Wir wollen eigentlich weniger Bundesländer haben als bisher." Reuß: Bis 1994 stand in der Verfassung in Artikel 72 die Forderung nach der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, heute spricht man hingegen von "gleichwertigen Lebensverhältnissen". Was ist damit gemeint? Kramp-Karrenbauer: Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten für mich, dass sich für die Menschen im Saarland gleiche Entwicklungschancen ergeben wie z. B. für Menschen, die meinetwegen in Bayern oder in irgendeinem anderen Bundesland leben, d. h. auch, dass es hier aufgrund der Tatsache einer Haushaltsnotlage nicht massive Unterschiede gibt. Natürlich wird es immer regionale Unterschiede geben und wir merken das z. B. an Lohngefällen. Wir im Saarland haben allerdings auch ganz andere Lebenshaltungskosten, sodass man auch mit weniger Lohn eventuell einen höheren Lebensstandard halten kann als mit einem etwas größeren Gehalt meinetwegen im Großraum München. Das muss man vernünftigerweise immer miteinander in Beziehung setzen. Aber es darf auch nicht sein, dass z. B. die Bildungschancen und die gesamte Infrastruktur in einem Bundesland nur von dessen jeweiliger aktueller Kassenlage abhängen. Dass das nicht so ist, fordert, wie ich meine, das Gebot der Gleichmäßigkeit und der gleichmäßigen Entwicklung in ganz Deutschland. Die Bundesrepublik, die ich mir wünsche, ist keine Bundesrepublik, die fünf Boom-Regionen hat, während der Rest nur noch aus grüner Wiese besteht und keine Chancen bietet. Stattdessen ist das eine Bundesrepublik, die den Menschen auch wirklich in der Breite gute Entwicklungschancen und Perspektiven bietet. Reuß: Das wäre ja auch eine der Gründe dafür, warum die Bundesrepublik föderal organisiert und strukturiert ist. Sie sind seit August 2011 auch Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch- französische Zusammenarbeit. Das liegt einerseits nahe, weil Sie aus dieser Region kommen, und andererseits, weil Sie sehr frankophil sind. Sie haben nun im Saarland auch eine diesbezügliche Strategie entwickelt, denn Sie haben vorgesehen, dass bis zum Jahr 2043 neben der deutschen Sprache auch Französisch als zweite Verkehrs- und Umgangssprache eingeführt werden soll. Das gibt es meines Wissens in keinem anderen Bundesland. Warum war und ist Ihnen das wichtig? Kramp-Karrenbauer: Wir leben ja auch an der Grenze zu Luxemburg und wir sehen jeden Tag, welche Vorteile es bringt, wenn man zwei- oder dreisprachig ist. Das ist für Luxemburger selbstverständlich. Da unsere Kinder sicherlich nicht weniger intelligent sind als die Luxemburger Kinder oder die aus anderen Ländern, stellt sich doch die Frage, wie wir das organisieren können. Das heißt, wenn man mit französischsprechenden Nachbarn so eng zusammenlebt, dann ist es aus meiner Sicht mit Blick auf das Thema des Zusammenwachsens in Europa ein Gebot und auch eine Selbstverständlichkeit, die Nachbarsprache zu beherrschen. Das bietet aber auch enorme Vorteile, denn damit verbindet sich ja auch die Kenntnis der Kultur und ein wirtschaftlicher Vorteil. Und es verbindet sich damit das Bewusstsein, dass ein relativ kleines Bundesland zusammengenommen mit seinen europäischen Nachbarn sehr wohl eine große europäische Region abbildet. Deswegen ist das für uns wirklich eine Zukunftsstrategie. Wir haben bei uns im Saarland auch tatsächlich ganz gute Voraussetzungen dafür, dass man das real umsetzen kann. Reuß: Sie sind sehr viel in Frankreich, Sie kennen Frankreich sehr gut und für das Saarland ist das deutsch-französische Verhältnis von großer Bedeutung. Man hat ja den Eindruck, dass wir mit einer Europäischen Union aufgewachsen sind, bei der es immer vorwärtsging: Es kamen mehr Mitglieder dazu, das Ganze wurde vertieft, die Grenzen fielen und wir haben eine gemeinsame Währung. Aber nicht