2011 Berichte der Außenstellen DAAD-Präsenz weltweit

St. Petersburg Westeuropa und die Türkei: 140 Moskau Riga Nowosibirsk Minsk London Warschau Nordamerika: 17 Brüssel Prag Kiew Paris Budapest Bukarest Toronto Rom Taschkent Almaty New York Belgrad Istanbul Tiflis Madrid Baku Bischkek Athen Eriwan Peking San Francisco Ankara Teheran Duschanbe Seoul Tokio Damaskus Erbil Islamabad Ostjerusalem Kabul Shanghai Kairo Neu Delhi Guangzhou Abu Dhabi Taipeh Havanna Mexiko-Stadt Nordafrika, Naher u. Mittlerer Osten: 25 Hanoi Hongkong Pune Chennai Bangkok San José Caracas Ho-Chi-Minh-Stadt Accra Yaounde Kuala Lumpur Bogotá Singapur Nairobi Jakarta

Lateinamerika: 33 Rio de Janeiro São Paulo Johannesburg Sydney Santiago de Chile Buenos Aires Mittel- und Osteuropa, GUS: 166

St. Petersburg Westeuropa und die Türkei: 140 Moskau Riga Nowosibirsk Minsk London Warschau Brüssel Prag Kiew Paris Budapest Bukarest Toronto Rom Taschkent Almaty New York Belgrad Istanbul Tiflis Madrid Baku Bischkek Athen Eriwan Peking San Francisco Ankara Teheran Duschanbe Seoul Tokio Damaskus Erbil Islamabad Ostjerusalem Kabul Shanghai Kairo Neu Delhi Guangzhou Abu Dhabi Taipeh Havanna Mexiko-Stadt Nordafrika, Naher u. Mittlerer Osten: 25 Hanoi Hongkong Pune Chennai Bangkok San José Caracas Ho-Chi-Minh-Stadt Asien-Pazifik: 73 Accra Yaounde Kuala Lumpur Bogotá Singapur Nairobi Jakarta Afrika Subsahara: 17 Rio de Janeiro São Paulo Johannesburg Sydney Santiago de Chile Buenos Aires

14 Außenstellen 51 Informationszentren (ICs) Verbindungsbüros 471 Lektorate Berichte der Außenstellen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes 2011

2011 lag der Anteil der Frauen unter DAAD-Geförderten bei 48 Prozent.

Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text meistens die männliche Form gewählt. Selbstverständlich beziehen sich die Angaben aber auf beide Geschlechter. iNHALt

Vorwort ...... 6

Afrika

Kairo (Dr. Michael Harms) ...... 11

Nairobi (Christoph Hansert) ...... 25

Amerika

Mexiko-Stadt (Dr. Hanns Sylvester) ...... 43

New York (Dr. Sebastian Fohrbeck) ...... 55

Rio de Janeiro (Christian Müller) ...... 69

Asien

Hanoi (Hannelore Bossmann) ...... 83

Jakarta (Dr. Helmut Buchholt) ...... 97

Neu Delhi (Christiane Schlottmann) ...... 109

Peking (Stefan Hase-Bergen) ...... 123

Tokio (Dr. Holger Finken) ...... 137

Europa

London (Dr. Andreas Hoeschen) ...... 149

Moskau (Dr. Gregor Berghorn) ...... 161

Paris (Dr. Klaudia Knabel) ...... 175

Warschau (Dr. Randolf Oberschmidt) ...... 189

Adressen ...... 204

5 Dr. Dorothea Rüland ist Generalsekretärin des DAAD.

6 Vorwort

Der DAAD weltweit – Rückschau auf das Jahr 2011

2011 war ein bewegtes Jahr: Es begann mit dem „Arabischen Frühling“, dem dramatischen Aufbruch in einer Region, die jahrzehntelang von politischem Stillstand geprägt war. Die Protestwelle gegen die bestehenden Regime und Machthaber nahm in Tunesien, Algerien und Ägypten ihren

Anfang und breitete sich rasch in andere arabische Länder aus. Kurze Zeit später schaute die

Welt besorgt nach Japan: Ein schweres Erdbeben und ein anschließender Tsunami zerstörten weite Landstriche und lösten im Kernkraftwerk Fukushima eine nukleare Katastrophe aus.

Sowohl in Japan als auch in Ägypten ist der DAAD mit Außenstellen vertreten. Die Mitarbeite­ rinnen und Mitarbeiter in Tokio und Kairo erlebten diese außergewöhnlichen Geschehnisse aus nächster Nähe mit. In ihren Jahresberichten informieren sie über die politischen und wirtschaft­­ lichen Auswirkungen, aber vor allem auch über die hochschulpolitische Situation und die Arbeit des DAAD in diesen bewegten Zeiten. Während der Krise leiteten sie sofort Schritte ein, um die Sicherheit von Mitarbeitern, Stipendiaten und Lehrkräften zu gewährleisten, und bereiteten gleichzeitig Maßnahmen vor, um die Hochschul- und Wissenschaftsstrukturen in den Regionen langfristig zu unterstützen. Eines haben die Ereignisse eindrücklich bestätigt: Die internationale akademische Zusammenarbeit wird sowohl im Rahmen von Transformations­­prozessen als auch bei der Lösung von globalen Umweltfragen weiterhin eine tragende Rolle spielen.

Insgesamt unterhält der DAAD 14 Außenstellen weltweit. Sie nehmen in ihren jährlichen

Berichten ergänzend zum Jahresbericht des DAAD den Blickwinkel des Auslands ein. Dabei sind die DAAD-­­Außenstellen Teil eines weltweiten Auslandsnetzwerks, zu dem 51 Informations­ zentren, 471 Lektorate, 14 Zentren für Deutschland- und Europastudien, rund 40 Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland sowie über 280.000 Alumni gehören.

7 Die Aufgabe der Außenstellen besteht vor allem in dem optimalen Einsatz der Fördermittel für die jeweilige Region sowie in der Konzeption neuer Programme und deren Abstimmung mit den ausländischen Partnern. Wie auch die kleineren Informationszentren bieten sie einen

Informations- und Beratungsservice für Fragen über das deutsche Hochschulwesen und Studien­ möglichkeiten in Deutschland und im Ausland an. Dabei arbeiten sie eng mit den Deutschen

Botschaften und anderen deutschen Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut, der Alexander von Humboldt-Stiftung oder Forschungseinrichtungen zusammen. Die Außenstellen tragen somit auf vielfältige Weise dazu bei, die Aufgaben des DAAD im Ausland zu fördern.

Der Trend zur Internationalisierung von Hochschulen und Wissenschaft setzt sich überall auf der Welt fort – das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland und dem DAAD ist groß. Im vergangenen Jahr stand bei vielen Außenstellen die Ausweitung und Vertiefung der Kooperationen mit den ausländischen Partnern im Vordergrund. Viele Länder unterstützen die Inter­­na­­tio­­na­lisierung von Hochschulen und Wissenschaft bereits gezielt durch spezielle

Regierungsprogramme. Ein herausragendes Beispiel im Jahr 2011 war die Entscheidung der brasilianischen Staatspräsidentin, ein neues Stipendienprogramm für Auslandsmobilität auf­ zulegen: In den kommenden vier Jahren sollen 100.000 junge Brasilianerinnen und Brasilianer im Ausland studieren oder forschen.

Der DAAD ist bei vielen dieser Planungen und Diskussionen als Ratgeber gefragt und profitiert seinerseits von der Zusammenarbeit. Mit dem „Ohr direkt am Markt“ greifen unsere Außenstellen

Entwicklungen im Gastland auf und stellen ihr neu gewonnenes Wissen für die Gestaltung der DAAD-Programme zur Verfügung. Gleichzeitig setzen sie sich für die „Vermarktung“ und die

8 Vorwort

Internationalisierung der deutschen Hochschulen ein. Mit zahlreichen Messeteilnahmen und

Informationsveranstaltungen trugen sie auch im Berichtsjahr erheblich zum Erfolg des Marketings für den Studien- und Forschungsstandort Deutschland bei.

Großen Wert legen die Außenstellen auf den Aufbau und die Pflege ihres Netzwerks. Von zentraler Bedeutung sind dabei die zahlreichen DAAD-Alumni, die in die vielfältigen Tätigkeiten und Veranstaltungen der Außenstellen eingebunden werden. Hervorzuheben ist das große

Engagement der Lektoren und Sprachassistenten, die in Zusammenarbeit mit den Außenstellen in den einzelnen Ländern zahlreiche kreative Wege finden, Interesse am Erlernen der deutschen

Sprache zu wecken.

Die Berichte der Außenstellen und der Jahresbericht des DAAD stehen auch auf der Website

(www.daad.de/berichte) bereit, ergänzt um zusätzliche Informationen zu den einzelnen Ländern und Programmen. Darüber hinaus steht Ihnen der DAAD gerne mit seinem Auslandsnetzwerk zur Beratung und Planung Ihrer Vorhaben in den verschiedenen Regionen zur Verfügung.

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Ihre

Dr. Dorothea Rüland Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes

9

Kairo Revolution in Ägypten – zwischen Hoffnung und Enttäuschung

frühling in der region in die Geschichte eingegangen. Die Demons­ tranten wollten vor allem eines – den Rücktritt Das Jahr begann mit einem Frühling. In Anleh­ des verhassten Präsidenten Husni Mubarak, nung an die demokratische Reformbewegung der das Land seit fast drei Jahrzehnten auto­ in der damaligen Tschechoslowakei prägten kratisch regierte, oppositionelle Parteien nach Journalisten und politische Beobachter den Gut dünken unterdrückte sowie missliebige Begriff vom „Arabischen Frühling“. Gemeint Andersdenkende inhaftieren und foltern ließ. waren die Massendemonstrationen und Auf­ Zwar erlebte Ägypten in seiner Regierungszeit stände in der Region, die mit der Selbstverbren­ einen beträchtlichen wirtschaftlichen Auf­ nung des Obsthändlers Mohamed Bouazizi im schwung – allerdings kam der nur einer ver­ Dezember 2010 in Tunesien ihren Anfang nah­ schwindend geringen Minderheit zugute, wäh­ Dr. Michael Harms leitet men und zur Absetzung mehrerer Auto kraten rend ein Großteil der Bevölkerung in bitterer die Außenstelle kairo seit und Diktatoren in den Ländern Nordafrikas Armut und ohne jede Hoffnung auf Verände­ September 2010. Die und des Nahen Ostens führten. rung lebte. Mubarak selbst sowie die höchsten Außenstelle besteht seit Generäle des ägyptischen Militärs bereicherten dem Jahr 1960 und hat zur- Der erste war der tunesische Präsident Zine sich in der drei Jahrzehnte währenden Regent­ zeit zehn Mitarbeiterinnen el­Abidine Ben Ali, der am 14. Januar nach mas­ schaft schamlos: Seriöse Schätzungen gehen und Mitarbeiter. siven Protesten sein Amt und sein Land ver­ von bis zu 40 Mrd. US­Dollar aus, die Husni lassen musste. Ermuntert durch diesen Erfolg Mubarak, seine Ehefrau Suzanne sowie seine gingen die Menschen auch in Ägypten auf die beiden Söhne Gamal und Alaa während dieser Straße. Der 25. Januar markiert hier den Beginn Zeit angehäuft haben sollen, andere Quellen der Massenproteste und ist als „Tag des Zorns“ sprechen gar von bis zu 70 Mrd. US­Dollar. Ferner sollen bis zu 40 Prozent der gesamten ägyptischen Wirtschaft unter der direkten Transformations - Kontrolle der Armee und ihrer Generäle stehen partnerschaft – sie ist die wahre Wirtschaftsmacht am Nil. Wissenschafts- kooperationen angebahnt wendepunkt 25. Januar 2011

Demokratische Wahlen Der 25. Januar stellt einen historischen Wende­ Arabischer Frühling punkt dar. Er gilt als Beginn der Revolution, weil die Unzufriedenen zum ersten Mal in bis Demonstrationen dahin unvorstellbaren Massen auf den Tahrir­ und Gewalt Platz drängten und angesichts ihrer schieren

12 Afrika : Kairo

Anzahl gemeinsam die Angst vor dem brutalen Polizeiapparat überwanden. Der Unmut und die Frustration der Bevölkerung haben viele Gründe: die alle Lebensbereiche durchziehende Korruption, der Mangel an demokratischer Teil­ habe, eine grassierende Inflation und sprung­ haft angestiegene Lebensmittelpreise. Besonders stark ins Gewicht fiel eine als bleiern empfun­ dene Perspektivlosigkeit, von der besonders die junge und gut ausgebildete Generation­ betrof­ fen ist. Die Ziele des Aufstand waren zunächst klar definiert und deutlich zu benennen: Neben dem Rücktritt des Präsidenten forderten die erfasste das Land: Junge Menschen ­säuberten Dank ihrer geschützten Demonstranten freie und geheime Wahlen, die den Tahrir-Platz und andere Straßen der Lage auf der Nilinsel Beschneidung der Machtbasis eines neuen Staats­ Hauptstadt, sie strichen Bordsteinkanten und ­Zamalek konnte die DAAD- oberhaupts, eine demokratische Änderung der Laternenpfähle­ in den Farben der allgegen­ Außenstelle während der Verfassung, eine wirksame Bekämpfung von wärtigen ägyptischen Trikolore rot-weiß- Revolution Zuflucht bieten. Korruption sowie die Aufhebung der seit 30 Jah­ schwarz und berauschten sich an der Aussicht ren geltenden Notstandsgesetzgebung. Die auf eine ­bessere, freiere Zukunft. In diesem Versuche­­ des Regimes, die Demonstra­ tionen­ Hochgefühl war freilich schon ein Dilemma zunächst durch Gewalt und Repression zu ersti­ angelegt: So gigantisch und komplex wie die cken, später dann durch Zugeständnisse wie die Probleme des Landes ist auch die Erwartungs­ Installation eines Vizepräsidenten zu beschwich­ haltung seiner Bürgerinnen und Bürger. Viele, tigen, verfingen nicht bei den Unzufriedenen vor allem die Ärmsten, hoffen, dass sich ihre am Tahrir-Platz und in den anderen Städten des unmittelbaren Lebens­ver­hält­nisse schnell und Aufstands. Nach 18 Tagen ununterbrochener spürbar verbessern. Proteste, die mehrere Hundert Menschen das Leben kosteten, musste Mubarak am 11. Februar Dabei ist bis heute das Gegenteil der Fall – die Im Hochgefühl nach seinen Rücktritt erklären.­ An seine Stelle trat ohnehin fragile Wirtschaft des Landes brach ­Mubaraks Rücktritt ist ein der Militärrat (SCAF, Supreme Council­ of the nach der Revolution dramatisch ein. Touristen, Dilemma angelegt: So Armed Forces). Er bekannte sich wortreich und verstört durch immer wieder aufflammende gigantisch und komplex pathetisch zu den Zielen der Revolution, stellte Gewalt in den Straßen, stornierten ihre Buchun­ wie die Probleme des freie, unabhängige Wahlen sowie die Aufhe­ gen und mieden das Land. Ausländische Inves­ ­Landes ist auch die Erwar- bung des Ausnahmezustands in Aussicht. De toren, ebenfalls beunruhigt durch die schlechte tungshaltung seiner facto wird das Land seit dem Rücktritt des Prä­ Sicherheitslage und die ungeklärten politischen ­Bürger. Viele, vor allem sidenten von einer Militärjunta regiert. und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Ärmsten, hoffen, dass zogen ihr Geld aus Ägypten ab. Einige Zahlen sich ihre unmittelbaren verdeutlichen dies: Der wichtigste Börsenindex Lebensverhältnisse schnell Enthusiasmus und EGX 30 hat im Laufe des Jahres 2011 um 40 Pro­ und spürbar verbessern. große Erwartungen zent an Wert verloren, ausländische Investi­ tionen sanken um zwei Drittel von 6,7 Mrd. In Ägypten herrschten zunächst überschäumen­ US-Dollar auf 2 Mrd. US-Dollar. Die Tourismus­ de Freude und grenzenlose Euphorie – viele branche brach im Februar um 90 Prozent ein Menschen konnten ihr Glück kaum ­fassen, eine und wird die Zielmarke von 14 Millionen Gäs­ bis dahin nicht gekannte ­Aufbruchsstimmung ten, die das Land 2010 hatte, weit verfehlen. ›

13 Afrika : Kairo

Allein der Branchenführer TUI verringerte Entfremdung zwischen seine Flüge nach Ägypten um 40 Prozent. Volk und Armee Die Bedeutung dieser Zahlen wird noch deut­ licher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage der ­Tourismus 2010 einen Anteil von 11,6 Pro­ liegt zweifelsohne bei der Armee oder besser zent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte und dem SCAF. Traditionell genießt das Militär in jeder ­sechste Ägypter im Fremdenverkehr Ägypten große Sympathie, ja Bewunderung. beschäftigt ist. Am Ende des Jahres 2011 stand Zurückzuführen ist das Ansehen auf die Tat­ Ägypten nicht nur wirtschaftlich, sondern sache, dass das Militär sich zu weiten Teilen auch politisch vor einer äußerst ungewissen aus Wehrpflichtigen, also den „Söhnen des Vol­ Zukunft. Wie hatte es dazu kommen können? kes“, zusammensetzt. Ferner gründet sich der Warum währte die Euphorie über die histori­ hohe Stellenwert auch auf die Erfolge während sche Leistung­ der Absetzung des Diktators nur des Ramadankriegs 1973, als Israel sich aus ­wenige Wochen? dem besetzten Sinai zurückziehen musste. ›

Wahlsieger überwältigende Mehrheit ein. Lichts“ (Nour) mit einem Zu­­ Sie werden zusammengenom- spruch von circa einem Viertel Muslimbrüder und ­Salafisten men voraussichtlich eine satte aller Wählerinnen und Wähler Zweidrittelmehrheit erreichen, sowie die Wasat-Partei, die als Seit dem 28. November 2011 das Parlament dominieren eine „liberale“ Abspaltung der hatte Ägypten – zum ersten sowie einen spürbaren Einfluss Freiheits- und Gerechtigkeits­ Mal in seiner 5.000-jährigen bei der Ausarbeitung einer partei auf knapp 5 Prozent Geschichte – die Möglichkeit, neuen Verfassung ausüben kommt. Neben diesen drei Par- in freien und geheimen Wahlen können. teien gibt es noch weitere, ein demokratisch legitimiertes aber wenig bedeutende islamis- Parlament zu wählen. Trotz des Doch wer sind die Islamisten? tische Splittergruppen. sehr komplizierten Ablaufs, der Mitnichten handelt es sich um aus drei Runden mit jeweils zwei einen monolithischen Block, Damit ist klar: Die Muslim­brüder Wahltagen plus Stichwahl sowie im Gegenteil. Einige der vielen werden im neuen Ägypten die einer Mischung aus Mehrheits- religiösen Gruppierungen sind entscheidende politische Kraft und Listenwahlrecht bestand, untereinander sehr zerstritten, darstellen. Sie verfügen über war die Beteiligung der Ägypte- ob sie im Parlament zu einer mehr als 80 Jahre nach ihrer rinnen und Ägypter erfreulich gemeinsamen Arbeit zusam- Gründung durch den Volksschul­ hoch und lag nach Angaben menfinden, ist mehr als fraglich. lehrer Hasan al-Banna über ein der zuständigen Wahlkommis- Die wichtigsten Gruppierungen weitverzweigtes und bestens sion bei über 60 Prozent. Die sind – in absteigender Reihen- organisiertes Netzwerk in allen Ergebnisse der drei Runden folge – die Muslimbrüder, die als Landes­teilen. Insbesondere waren sowohl für die säkula- „Partei der Freiheit und Gerech- unter den einfachen Bürgern ren und liberalen Revolutionäre tigkeit“ antraten und bei den genießen die Brüder wegen der ersten Stunde als auch für ersten beiden Wahlrunden auf ihres verlässlichen sozialen und westliche Beobachter eine herbe knapp 40 Prozent Stimmen­ karitativen Engagements hohes Enttäuschung: Die Parteien des anteil kamen, die salafistische, Ansehen, die jahrelange Unter- politischen Islam fuhren eine radikal-islamische „Partei des drückung durch Husni Mubarak

14 verleiht ihnen Glaubwürdigkeit, Ge­­bräuche zu Zeiten des obwohl sie nicht zu den Revo- ­Propheten Mohammed und lutionären der ersten Stunde stellen den Koran über alle gehörten. Die Bandbreite der weltlichen Dinge – also auch Meinungen und Überzeugungen über Demokratie, säkulare in der Muslimbrüderschaft ist Bürger­rechte oder von Men- groß: Obwohl es zweifelsohne schen gemachte Gesetze. Sie auch unter ihren Mitgliedern verteufeln west­liche Lebens- Anhänger radikaler Positionen formen als dekadent und gibt, geben sich die Vertreter unislamisch. Einflussreiche der Freiheits- und Gerechtigkeit- Salafisten halten Frauen und spartei islamisch gemäßigt. Sie Christen per se für ungeeignet, sprechen sich für Demokratie, politische Verantwortung zu Religionsfreiheit und Pluralis- übernehmen. Für die Entwick- mus aus und haben erklärt, für lung Ägyptens der nächsten Kammer, der Schura, sowie die Keine Revolutionäre der das Wohl des Landes auch mit Jahre wird es entscheidend mit Abstand wichtigste – die ersten Stunde: Erst im den liberalen und weltlichen sein, ob es eine Zusammen­ Wahl eines neuen Präsidenten, Laufe der Proteste artiku- Parteien zusammenzuarbeiten arbeit zwischen Muslimbrüdern die nach dem neuen Fahrplan liert sich der politische und sich nicht mit der salafisti- und Salafisten im Parlament des Militärrats bis Juli 2012 ab­­ Islam (oben). schen Nour-Partei zusammen- geben und wie diese aussehen geschlossen sein soll. schließen zu wollen. wird. Ferner wird es entschei- Ägypterinnen und Ägypter dend sein, welchen Einfluss die stehen stundenlang gedul- Radikaler als die Muslim­brüder Radikalen bei der Gestaltung dig vor den Wahllokalen sind die Salafisten. Der Ausdruck der neuen Verfassung und der (unten). Salafiyya bezeichnet zunächst neuen Gesellschaftsordnung einmal nur die Orientierung an haben werden. Bis dahin stehen den „Alt­vorderen“. Salafisten Ägypten allerdings noch weitere idealisieren die Sitten und ­ Wahlen bevor: die zur zweiten

15 Am 28. Januar 2011 griff die ägyptische Armee Seiten der Revolution und ermöglichte damit in die Revolution ein und wurde von den überhaupt erst ihren Erfolg. Dieses Vorgehen Demonstrierenden frenetisch bejubelt. In stand in krassem Gegensatz zum Gebaren der Sprechchören beschworen sie, dass „Armee und regulären Polizei und der wegen ihres beson­ Volk eine Hand“ seien – und tatsächlich ging ders brutalen Vorgehens berüchtigten Ein­ das Militär in diesen entscheidenden Tagen heiten der paramilitärischen Central Security nicht systematisch gegen die Aufständischen Forces. Kurz nach dem Ausrücken der Armee vor, sondern positionierte sich frühzeitig auf zogen sich nahezu sämtliche Polizeieinheiten

16 AfrikA : Kairo

aus den Straßen Ägyptens und der übrigen Militärtribunalen abgeurteilt wurden – mehr Ägypter sind die Diktatur Städte zurück und hinterließen damit ein als in der 30­jährigen Amtszeit von Husni Mubaraks leid (oben links), Macht­ und Sicherheitsvakuum, das Plünderer, Mubarak. und das Militär erklärt Randalierer und Diebe rücksichtslos ausnutz­ früh, nicht auf die Demons- ten. Viele Ägypter sind überzeugt, dass diese Innerhalb weniger Monate verspielte der Mili­ tranten zu schießen (oben Tage des Chaos und der nahezu ungehinderten tärrat sämtlichen Kredit, den die Armee über rechts). Junge Menschen Anarchie von den Kräften des alten Regimes Jahre bei der Bevölkerung genossen hatte. Doch räumen auf und streichen orchestriert und forciert wurden. Gefängnisse je mehr Ägypterinnen und Ägypter argwöhn­ die Bordsteinkanten (unten wurden geöffnet, Schwerkriminelle befreit und ten, dass die Übergabe der Macht an eine zivile links) – den rücktritt zu Plünderungen und Brandstiftungen gerade­ Regierung verschleppt und verzögert werden Mubaraks begleiten sie mit zu aufgefordert. Die Logik hinter diesem Vor­ sollte, je mehr das Auftreten des SCAF an Jubel (Mitte rechts). Aber gehen ist durchschaubar: Gesetzlosigkeit und die Praktiken während der Mubarak­Diktatur die Gewalt flammt wieder Unordnung wurden bewusst geschürt, um die erinnerte und „ausländische Kräfte“ wie die auf: Armee und Bürger lie- demokratische Revolte zu diskreditieren. Konrad­Adenauer­Stiftung für die Destabili­ fern sich Straßenschlach- sierung des Landes verantwortlich gemacht ten (unten rechts). Der Armeeführung, gestartet mit dem beschrie­ wurden, desto lauter forderten sie vorgezogene benen beispiellosen Vertrauensvorschuss, ist Präsidentschaftswahlen und einen konkreten es jedoch nach der Machtübernahme nicht Übergabetermin an eine demokratisch gewähl­ gelungen, den Übergangsprozess hin zu einer te Regierung. Tatsächlich musste der Mili­ demokratischen Gesellschaft überzeugend zu tärrat dem Druck der Straße nachgeben. Am organisieren und zu moderieren. Zu den ent­ 23. November verkündete der SCAF, dass der scheidenden Fehlern gehörte, dass sich die von Präsident spätestens im Juli 2012 gewählt wer­ der SCAF eingesetzten Premierminister und den wird und nicht erst zu einem unbestimm­ Kabinettsmitglieder nahezu ausschließlich aus ten Termin im Laufe des Jahres 2013. ehemaligen Funktionsträgern der Mubarak­ Ära rekrutierten. Damit waren sie für die Revolutio­ näre inakzeptabel. Ferner bekam der Militärrat Außenstelle bietet Schutz die fragile Sicherheitslage nicht in den Griff. und Bettenlager Immer wieder flammte Gewalt auf, die nicht selten von der Armee selbst provoziert wurde, Zu Beginn des Jahres, während der „heißen wie bei der brutalen Räumung eines Zelt dorfes Phase“ der 18­tägigen Proteste, öffnete die DAAD­ auf dem Tahrir­Platz am 19. November. Auf Außenstelle ihre Tore für alle im Land ansäs­ dem „Platz der Befreiung“ und in den angren­ sigen deutschen DAAD­Geförderten – Stipen­ zenden Straßen kam es anschließend zu bürger­ diaten, Sprachassistenten, Lektoren, Langzeit­ kriegsähnlichen Schlachten zwischen Demons­ dozenten sowie Gastwissenschaftler und ihre tranten und Sicherheitskräften. Nach Angaben Angehörigen. Die Sicherheit auf den Straßen des ägyptischen Gesundheitsministeriums Kairos war zusammengebrochen. Geschäfte wurden dabei mindestens 36 Menschen getötet sowie symbolträchtige Gebäude des Regimes und fast 2.000 Personen verletzt. Zum zuneh­ und zum Teil auch private Wohnhäuser wurden mend rücksichtslosen und brutalen Vorgehen geplündert und gebrandschatzt, vereinzelt Pas­ der Armee gehören zynische und erniedrigende santen angegriffen und überfallen. Durch die „Jungfräulichkeitstests“ bei jungen Demonstran­ günstige Lage der Außenstelle auf der Nilinsel tinnen ebenso wie die traurige Tatsache, dass Zamalek, den Schutz durch einen hohen Zaun seit dem Rücktritt des Präsidenten laut Hu ­ und Sicherheitspersonal sowie die unmittel­ man Rights Watch etwa 12.000 Zivilisten vor bare Nähe zur Deutschen Botschaft stellte die ›

17 Außenstelle einen „sicheren Hafen“ dar, um die neue Stipendiaten­ auszuwählen und ihre Tage bis zur Ausreise mit Sondermaschinen Ausreise­­ nach Deutschland vorzubereiten. der Lufthansa zu überbrücken. Vom 29. ­Januar Für die strukturierten Masterprogramme 2011 an waren die Mitarbeiter des Kairoer (Aufbaustudiengänge­ mit entwicklungsländer­ Büros rund um die Uhr damit beschäftigt, für bezogener Thematik­ sowie Public Policy and Eine Woche lang waren die bis zu 60 Personen Schlafplätze bereitzustellen, Good ­Governance) hat die Außenstelle ihre Mitarbeiter der DAAD- zu kochen, Informationen zur Lage zu eruieren Marketing­aktivitäten sogar deutlich gesteigert, Außenstelle Kairo rund um sowie in Zusammenarbeit mit der Botschaft woraufhin es mehr qualifizierte Bewerbungen die Uhr damit beschäftigt, die Ausreise nach Deutschland zu organisieren. gab. Posi­tive Folge: Noch nie waren Bewerber für bis zu 60 Personen Diese zog sich angesichts der vielen deutschen aus Ägypten so erfolgreich wie in diesem Jahr. Schlafplätze bereitzustel- Staatsangehörigen in Ägypten über eine Woche len, zu kochen, Informatio- hin bis zum 4. Februar 2011. Danach war die nen zur Lage zu eruieren Außenstelle vorübergehend geschlossen. Sozialwissenschaftliche sowie in Zusammenarbeit ­Forschung gewinnt an Gewicht mit der Botschaft die Aus- reise nach Deutschland zu Wiedereröffnung und Sicherung Zu den vielen Auswirkungen der Revolution organisieren. der Programmarbeit auf die Wissenschaft in Ägypten gehört auch eine gewisse Verschiebung von Forschungs­ Schon wenige Tage nach dem Rücktritt Muba­ schwerpunkten. Während die ägyptischen Part­ raks kehrten der Außenstellenleiter und die ner in den kofinanzierten Programmen bislang deutschen Mitarbeiter nach Kairo zurück, um stets die sogenannten „harten Disziplinen“ wie zusammen mit den ägyptischen Kollegen die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften Wiedereröffnung des DAAD-Büros vorzube­ oder Medizin favorisierten, ist nun eine deut­ reiten. Am 20. Februar 2011, gut zwei Wochen liche Offenheit für die Geistes- und Sozialwis­ nach der durch die Revolution erzwungenen senschaften spürbar. Eine große Konferenz, die Schließung, nahm die Außenstelle ihren regu­ der ägyptische Science and Technology Deve­ lären Betrieb wieder auf. Zunächst galt es, die lopment Fund (STDF) gemeinsam mit dem Zukunft der drei kofinanzierten Regierungs­ Bundesministerium für Bildung und Forschung stipendienprogramme German-Egyptian Short- (BMBF) Ende Mai 2011 ausrichtete, zeugt von Term Scholarship (GERSS), German-Egyptian der Bereitschaft, bei der Gestaltung des demo­ Long-Term Scholarship Program (GERLS) und kratischen Reformprozesses in Ägypten stärker German Egyptian Scientific Projects (GESP) als bislang die Erkenntnisse und Methoden zu sichern. In mehreren Gesprächen mit den der Sozialwissenschaften zu berücksich­tigen. Kollegen des ägyptischen Ministry of ­Higher Organisiert wurde die hochrangig besuchte Education and Scientific Research sowie dem Tagung, die unter der Schirmherrschaft des Minister selbst konnte eine Fortführung aller ägyptischen Premierministers Essam Sharaf Programme zu den gleichen Rahmenbedin­ stand, von der Außenstelle in Zusammenarbeit gungen erreicht werden – in dieser schwieri­ mit dem Internationalen Büro des BMBF. Zu gen Situation keine Selbstverständlichkeit und den Rednern gehörten der ägyptische Minister ganz ohne Frage eine Anerkennung der jah­ für Hochschulwesen und Forschung, Prof. Amr relangen erfolgreichen und vertrauensvollen Salama, BMBF-Staatssekretär Dr. Georg Schüt­ Koopera­tion zwischen dem DAAD und dem te sowie DAAD-Generalsekretärin Dr. Doro­ ägyptischen Ministerium. Tatsächlich ist es 2011 thea Rüland. Die weiteren Teilnehmer waren trotz der widrigen Umstände gelungen, alle Vertreter unterschiedlicher Disziplinen von Programme wie vorgesehen auszuschreiben,­ Universitäten und Forschungseinrichtungen

18 Afrika : Kairo

Als Partner auch in der Krise gefragt: deutsche Wissenschaft und For- schung (links). aus Ägypten und Deutschland. Ergebnis: Die Impulse für eine sozial­ Wissenschaftler erarbeiteten Empfehlungen wissenschaftliche Aus- und Vorschläge für eine dezidiert sozialwissen­ schreibung: gemeinsame schaftlich orientierte Ausschreibung im Rah­ Konferenz STDF und BMBF men des Deutsch-­­Ägyptischen Forschungsfonds (rechts). GERF, den die DAAD-Außenstelle gemeinsam mit ihren Partner BMBF und STDF adminis­ Diskussionen mit dem triert. Die Ausschreibung konnte nach einem ­Rektor über studentische längeren Abstimmungsprozess im Dezember Mitbestimmung (unten). 2011 veröffentlicht werden. Bevölkerung des Landes. Ein Großteil der Sied­ lungen ist informell und ohne Genehmigung Intensive Wissenschafts­ entstanden, hier sind die Lebensverhältnisse kooperation der Einwohner besonders prekär. Die Teilneh­ mer der Sommerschule bereiteten sich auf ihre Die gemeinsame große Konferenz von BMBF Rolle als zukünftige Experten und Stadtmana­ und STDF war nur der Auftakt. Schon kurz ger vor und lernten Ansätze einer partizipati­ nach dem Rücktritt von Präsident Mubarak bot ven Stadtplanung kennen. die Bundesregierung der neuen ägyptischen Führung eine Transformationspartnerschaft Zudem war die Außenstelle an Exkursionen auf dem Weg zu einer demokratischen Gesell­ von gewählten Studierendenvertretern ägypti­ schaft an. Diese Partnerschaft soll die beste­ scher und deutscher Universitäten beteiligt. Ein hende Zusammenarbeit in Wissenschaft und Beispiel: Studierende der Universität Helwan Forschung deutlich intensivieren, um damit und der Pädagogischen Hochschule (PH) Lud­ die demokratische Entwicklung des Landes wigsburg besuchten sich gegenseitig an ihren zu unterstützen. Mehr als ein Dutzend Dele­ Hochschulen. Ziel der Reisen war es, sich über gationen von deutschen Universitäten und studentische Mitbestimmung in gewählten Uni- Forschungseinrichtungen besuchten 2011 die Gremien auszutauschen. Die gemeinsam ver­ DAAD-Außenstelle und ließen sich über Koope­ brachte Zeit, je eine Woche in Deutschland und rationsmöglichkeiten mit ägyptischen Partnern in Ägypten, war für beide Seiten sehr ertrag­ beraten. Ferner konnte die Außenstelle aus reich. Viele Ägypter waren zum ersten Mal in Mitteln der Transformationspartnerschaft eine Deutschland. Diese neue kulturelle Erfahrung Reihe von kurzfristigen Maßnahmen unterstüt­ war ein Gesprächsthema mit deutschen Studie­ zen. Dazu gehörte eine Sommerschule der Tech­ renden, Funktionsträgern der PH Ludwigsburg nischen Universität Berlin und der Ain Shams sowie Politikern und anderen Personen des Universität vom 30. September bis 9. Oktober öffentlichen Lebens. Der rege Austausch ging 2011. Sie widmete sich dem Problem der Urba­ aber darüber hinaus. Thematisiert wurden die nisierung des Großraums Kairo, die als eine der historischen Erfahrungen Deutschlands vom größten Herausforderungen Ägypten gilt. Kairo diktatorischen Regime des Dritten Reiches beherbergt schon jetzt ein Viertel der gesamten bis hin zu einem demokratischen Rechtsstaat, ›

19 Deutsche Hoch- keine verlässliche Datenbasis, Europa schule in El-Katameya, schulen stehen bei aber die Studienberater der gro- Kairo, die als Gäste die Beverly Studien anfängern ßen Kairoer Schulen sprechen Hills Schule Kairo, die Deutsche von einem deutlichen Anstieg Evangelische Oberschule Kairo hoch im kurs derjenigen Hochqualifizierten, (DEO) sowie die Deutsche Schu- die in den vergangenen Jahren le der Borromäerinnen (DSB) aus Nicht nur die Zahlen der Deutsch- ein Studium an einer deutschen Kairo und Alexandria begrüßte. Deutsche Hochschulen lerner in Ägypten steigen weiter, Hochschule aufgenommen ha- Neu in diesem Jahr war, dass zeigen interesse: Acht Uni- auch das Interesse der ägypti- ben oder dies planen. Um dem Repräsentanten von acht deut- versitäten und fachhoch- schen Abiturienten deutscher großen Informationsbedürfnis schen Hochschulen eigens nach schulen reisten eigens zum Auslandsschulen an einem Stu- dieser Zielgruppe entgegenzu- Kairo gekommen waren, um Studieninformationstag dium in Deutschland wächst kommen, richtet die Außenstelle über ihre Einrichtungen zu infor- nach Ägypten. kontinuierlich. Zwar gibt es hier in Kooperation mit der Zentral- mieren. Damit bekommt der stelle für Deutsche Auslands- Studien informationstag nahezu schulen seit einigen Jahren Messecharakter. Die Außenstel- einen Studieninformationstag le hatte ferner deutsche Studie- aus, zu dem Schülerinnen und rende „zum Anfassen“ eingela- Schüler der fünf anerkannten den, die bei den Schülerinnen Deutschen Auslandsschulen in und Schülern besonders beliebt Ägypten eingeladen werden. waren und Auskunft über Noch nie war der Zuspruch so Studentenleben und ihr persön- hoch wie in diesem Jahr – knapp liches Studium in Deutschland 400 Abiturienten der 11. und gaben. 12. Klassen folgten der Einla- dung. Ausrichtungsort war die

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Gelegenheit zum Aus- tausch: die Cairo talks on transformation and Change (links). der von seinen Bürgern durch Wahlen, zivil­ Ergebnisse der ersten Runde der ägyptischen Zertifizierung von Deutsch- gesellschaftliches Engagement und eine freie Parlamentswahlen. Die Politikwissenschaft lerin kenntnissen – der DAAD ist Presse mitgestaltet wird. Anlässlich des Gegen­ Ivesa Lübben von der Universität Marburg anerkanntes testzentrum besuchs der deutschen Studierendenvertreter beleuchtete die Erfolge der islamistischen Par­ (rechts). in Ägypten organisierte die DAAD­Außenstelle teien, während ihr Kollege Dr. Samer Soliman, ein Treffen mit dem amtierenden Präsidenten Associate Professor der American University der Helwan­Universität, bei dem es zu einer in Cairo, anschaulich erläuterte, dass vor allem inten siven Diskussion zwischen allen Beteilig­ die armen Bevölkerungsschichten und Frauen ten kam – in dieser Form ein Novum in der zu den Verlierern der Revolution gehören: Im Geschichte ägyptischer Universitäten. Beide Parlament kommen sie nahezu gar nicht vor. Reisen waren ein großer Erfolg, so dass gegen­ Die Reihe CTTC wird fortgeführt, um die Aus­ seitige Besuche von Studierendenvertretern wirkungen des Transformationsprozesses auch 2012 auch anderen ägyptischen Universitäten weiterhin wissenschaftlich zu begleiten. angeboten werden sollen. Ebenfalls 2011 beteiligte sich die DAAD­ Das neue Veranstaltungs- Außenstelle an der Etablierung der Kairoer kairoer talks und klimagespräche format, Cairo talks on Klima gespräche – eine Veranstaltungsreihe transformation and Change Das Bedürfnis nach wissenschaftlichem Aus­ mit lan des weiter Sichtbarkeit. Kooperations­ (CttC), richtet sich an tausch und Diskussion über die Revolution partner sind die Deutsche Botschaft in Kairo, ägyptische wissenschaft- und ihre mannigfaltigen Auswirkungen auf das ägyptische Umweltministerium und seine ler, Studierende sowie die alle Bereiche der Gesellschaft ist seit dem Umwelt behörde EEAA sowie die Deutsche interessierte Öffentlich- Sturz des Präsidenten enorm. Gemeinsam Gesellschaft für Internationale Zusammen­ keit. Alle zwei Monate dis- mit den Partnern vom Orient Institut Beirut arbeit (GIZ) und das Egyptian German High kutieren ägyptische und und der Freien Universität Berlin in Kairo Level Joint Committee for Renewable Energy, deutsche forscher verschie- trug die DAAD­Außenstelle dieser Nachfrage Energy Efficiency and Environmental Protec­ dene themen der histori- Rechnung und konzipierte eine völlig neue tion (JCEE). Anlässlich der UN­Klima konferenz schen Zäsur mit einem ste- Veranstaltungs reihe. in Durban befasste sich die Auftaktveranstal­ tig wachsenden Publikum. tung der Kairoer Klima gespräche mit den Seit dem Frühjahr 2011 richten sich die Cairo Erwartungen und Perspektiven der internati­ Talks on Transformation and Change (CTTC) onalen Gemeinschaft an die Klimapolitik. Zur an ägyptische Wissenschaftler, Studierende Eröffnung sprachen Michael Bock, Deutscher sowie die interessierte Öffentlichkeit. Alle zwei Botschafter, sowie Dr. Hossam elDinAli Hegazi, Mo nate diskutieren ägyptische und deutsche Direktor der ägyp tischen Umwelt behörde in Forscher verschiedene Themen der historischen Vertretung des Ministers. Das dezidierte Ziel Zäsur mit einem stetig wachsenden Publikum. der Reihe ist es, einen Beitrag zur Bewusstseins­ Thema tisiert wurden bislang die Ver fassungs ­ bildung innerhalb der ägyptischen Öffentlich­ ent wick lung, der Einfluss der Armee im keit zu schaffen sowie Kooperationen zwischen Um bruchs prozess oder auch die Rolle von Frau­ politischen Entscheidungsträgern, der Geschäfts ­ en während und nach der Revolution. Die vor­ welt, der Scientific Community und der Zivil­ erst letzte Veranstaltung analysierte Ablauf und gesellschaft zu fördern. ›

21 Die DAAD-Außenstelle kairo rezitierten in Paar­ und Gruppenarbeiten Stücke als testzentrum … von Kleist und spielten sie szenisch nach. Zum Repertoire der Vortragenden gehörten Auszüge Nachdem im Jahr 2010 die DAAD­Außenstelle aus seinen Novellen „Der Findling“ und „Die Kairo die Lizenz erhielt, zertifizierte Tests in Marquise von O…“ sowie Szenen des Dramas Kooperation mit dem TestDaF­Institut Bochum „Penthesilea“. Die gelungensten Darbietungen abzunehmen, wurden TestDaF und TestAS zum wurden am Ende des Wettbewerbs von einer festen Bestandteil des Prüfungsangebots. Zuvor vierköpfigen Jury prämiert. Eigens zum Zweck war bereits der onDaF­Test im Rahmen ausge­ der Lesung verwandelte sich die Außenstelle in wählter Stipendienprogramme zum Einsatz eine orientalische Kulisse. Die Sprachprüfung gekommen, eine computergestützte Prüfung zur Bestimmung der Lese­ und Schreibkompe­ testDaf hat an Attrakti- fazit und Ausblick vität gewonnen, da sich tenz sowie des Grammatik­ und Wortschatz­ eine wachsende Zahl wissens. Am 25. Oktober 2010 nahmen erstmals Trotz einer durch die Revolution äußerst junger Ägypter für einen zwölf Studienbewerber an TestDaF teil. Die schwie rigen Ausgangslage ist es der DAAD­ Studienplatz in Deutsch- Sprachprüfung, die für die Immatrikulation an Außenstelle Kairo 2011 gelungen, ihre Akti vi­ land interessiert. deutschen Hochschulen erforderlich ist, hat an täten auszubauen: Neue Veranstaltungs formate Attraktivität gewonnen, da sich eine wachsende wurden erschlossen, neue Partner gewonnen Zahl junger Ägypter für einen Studienplatz in und neue Initiativen erfolgreich gestartet. Von Deutschland interessiert. Ebenso verhält es sich deutscher Seite sind alle Voraussetzungen mit dem Studierfähigkeitstest TestAS, von dem dafür geschaffen, die Wissenschaftskoopera­ vornehmlich Germanistikstudierende Gebrauch tion auch unter veränderten politischen Vor­ machen, aber auch Vertreter anderer Studien­ zeichen fortzusetzen. Mit der Transformations­ richtungen und Abiturienten. Die Bilanz nach partnerschaft stellt die Bundesregierung zusätz­ einem Jahr kann sich sehen lassen: Bis Novem­ liche Mittel bereit, um die traditionell sehr gute ber 2011 hatten insgesamt 126 Teilnehmer Test­ Zusammen arbeit zwischen beiden Ländern DaF und TestAS durch laufen, Tendenz steigend. weiter zu vertiefen. Eine zusätzliche Chance Die Außenstelle hat sich damit als ein wichtiges deutet sich durch das große Interesse deutscher Testzentrum in Ägypten etabliert. Hoch schulen an, Vertretungsbüros in Kairo zu eröffnen. Glänzende Perspektiven also für die Weiter entwicklung deutsch­ägyptischer … und Veranstaltungsforum Wissen schafts kooperation! Neben der wissenschaftlichen Arbeit hat sich « die Außenstelle Kairo zu einem Zentrum für Kulturaustausch entwickelt. So veranstaltete die Außenstelle nicht nur zahlreiche Vorträge, Ausstellungen und Ringvorlesungen, sondern gemeinsam mit anderen Kulturmittlern auch die erste „Fachbuchmesse Deutsch“ in Kairo. Ferner folgte die Außenstelle dem Aufruf der Heinrich­von­Kleist­Gesellschaft und des Inter­ nationalen Literaturfestivals Berlin und betei­ ligte sich am 21. November, dem 200. Todestag des Dichters, am sogenannten World Wide Rea­ ding. 17 ägyptische und deutsche Studierende

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tabelle 1 : Statistischer Überblick Ägypten 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 1.001.450 km2 1 Studiengebühren / Studienjahr 2010/11* Bevölkerungszahl 81,12 Mio. an staatlichen Institutionen überw. kostenfrei Frauen 49,8 % an privaten Institutionen 3.500-18.000 Männer 50,2 % Ausländische Studierende gesamt 49.099 Bevölkerungsdichte 81,5 Einw./km2 nach Herkunftsländern 2010: Bevölkerungswachstum 1,7 % 1. Malaysia 1042 Urbanisierungsgrad 2 43,5 % 2. Palästina 537 Analphabetenrate 34,6 % 3. Somalia 334 4. Katar 314 2. wirtschaftsdaten 5. Kuwait 263 BiP * 218,9 Mrd. Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS BiP pro kopf * 2.698 davon in Deutschland k.A. Anteil am globalen BiP k.A. knowledge Economy index (kEi) rang 90 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 2010 wirtschaftswachstum 5,1 % 1. USA inflation 11,3 % 2. Deutschland 3. Großbritannien 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 4. Japan Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2008/09* 4,86 Mrd. 5. Kanada Ausgaben für Bildung und Erziehung (Anteil des BIP) 3,8 %

Hochschultypen * Angaben in US-Dollar staatliche Universitäten private Universitäten 1 davon nur ca. 4 % landwirtschaftlich nutzbar Anzahl der Hochschulen gesamt 40 2 Menschen in städtischen Ballungsräumen mit mehr als 1 Mio. Einwohner staatlich 20 Quellen: privat 20 worldbank Anzahl Hochschullehrer 69.237 3 www.worldbank.org/ davon ordentliche Professoren k.A. Higher Education in Egypt – reviews of Policies for Education, Eingeschriebene Studierende 2010/11 hrsg. von weltbank und oECD MoHESr – Ministry of Higher Education and Scientific research an staatlichen Institutionen 1.238.889 Supreme Council of Universities an privaten Institutionen 48.329 Frauenanteil 51 % Anteil ausländischer Studierender 2,5 % Studierende der Naturwissenschaften 23,6 % Studierende der Geisteswissenschaften 76,4 % Doktoranden k.A. Abschlüsse 2010/11 250.450 Bachelor’s Degree (Diploma) 123.900 Master’s Degree 93.944 Doctorate 32.606

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Tabelle 2 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Ägypten

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 74 I. individualförderung – gesamt A 388 1. nach Status D 42 grundständig Studierende A 103 D 18 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 267 D 4 davon Doktoranden A 206 D 14 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 18 2. nach Förderdauer D 5 < 1 Monat A 45 D 48 2–6 Monate A 58 D 21 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 285 3. nach ausgewählten Programmen D 1 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 58 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 190 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 5 Lektoren A D 1 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 1 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 40 D 10 Praktikanten A 27 D 3 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 15

D 193 II. Projektförderung – gesamt A 508 1. nach Status D 58 grundständig Studierende A 161 D 54 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 208 D 28 davon Doktoranden A 61 D 81 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 139 2. nach Förderdauer D 154 < 1 Monat A 306 D 38 2–6 Monate A 171 D 1 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 31 3. nach ausgewählten Programmen D 24 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 6 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 1 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 52 D 32 Austausch in Projekten (PPP) A 13

D 267 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 896 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.163

24 Nairobi Wachstum und Dürre, Reform und Beharren, Integration und Invasion

wachstum und Dürre Ein erheblicher Teil der Hungerkatastrophe ist durch mangelnde Vorsorge und die jahr­ Dadaab heißt seit 2011 die drittgrößte Stadt zehntelange Vernachlässigung des Nordostens Kenias. Über 400.000 registrierte Menschen haus gemacht. Insbesondere die katastrophal leben in diesem weltweit größten Flüchtlings­ schlechten Straßen sowie fehlende oder nicht lager im Norden, die meisten von ihnen kom­ gewartete Nahrungsmittel­ und Wasserspei­ men aus dem Bürgerkriegsland Somalia. Aber cher werden immer wieder als Ursachen auch Kenia selbst ist von der schlimmsten genannt. Und das, obwohl Kenia stark in seine Dürre der letzten 60 Jahre betroffen. Fast vier Infrastruktur investiert: Das Straßennetz im Millionen Kenianer im Nordosten des Landes bevölkerungsreichen Südwesten hat sich im sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, ein vergangenen Jahr weiter verbessert, der Flug­ Zehntel davon leidet unter akuter Unterernäh­ hafen Nairobi wird erheblich erweitert. Als rung. Trotz Dürre und der damit verbundenen weitere wichtige Ursache nennen Oxfam und Christoph Hansert leitet menschlichen Katastrophe wuchs das keniani­ und die United Nations Conference on Trade die Außenstelle Nairobi sche Bruttoinlandsprodukt laut Projektion der and Development (UNCTAD) die Zunahme der seit August 2010. Die Weltbank vom Dezember 2011 um 4,3 Prozent, Spekulation mit Nahrungsmitteln an den Börsen. Außenstelle Nairobi das Pro­Kopf­Wachstum betrug knapp 2 Pro­ Mitten in der Hungerkrise gab es im Süden besteht seit dem Jahr 1973 zent. Gute Ernten im Süden haben die Verluste Kenias genügend Mais, die Menschen im Nord­ und hat zurzeit sieben des Nordens nahezu ausglichen. osten konnten ihn jedoch nicht bezahlen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige kenianische Politiker kalkulierten offen­ bar so: Warum soll man eigene Ressourcen in Doktorandenauswahl Vorsorge investieren, wenn man in einer Not­ vor Ort situation plakativ internationale Hilfe verteilen kann, die man durch seine guten internatio­ Drohender Qualitätsverlust nalen Beziehungen „eingeworben“ hat? Ohne diese internationale Hilfe wären Zehntausen­ de gestorben. Neben anderen Gebern hatte Ostafrikanische Alumni Deutschland seine Hilfe deutlich aufgestockt werden aktiv und über 100 Mio. Euro zusätzlich bereit gestellt. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusam­ menarbeit und Entwicklung Dirk Niebel war Neues DAAD-Verbindungsbüro im August nach Kenia gereist. Auch innerhalb in Addis Abeba Bauboom an Kenias engagierten sich die Menschen: Überall den Hochschulen wurden erfolgreich Spenden gesammelt, die

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man vor allem dem kenianischen Roten Kreuz und steigende Öl­ und Nahrungsmittelpreise, anvertraute, das für seine Effizienz und Trans­ lag zeitweise bei über 18 Prozent, für Basisgü­ parenz landesweit anerkannt ist. ter sogar bei 26 Prozent. Die Preissteigerung betraf – wie immer – die Armen überdurch­ Aber auch globale Phänomene spielen eine schnittlich stark. Nach massivem Eingreifen Rolle: Die zyklische Erwärmung des Ozeans, la der Zentral bank ging sie am Jahresende wieder niña, trifft Ostafrika in immer kürzeren Abstän­ leicht zurück. Im Wesentlichen trägt der Dienst­ den und führt zu sehr unregelmäßigen Nieder­ leistungssektor das Wachstum der Wirtschaft, schlägen. Laut Deutschem Institut für Entwick­ vor allem die Telekommunikationsbranche. lungspolitik bringt es die durchaus vorhande­ Inzwischen hat statistisch jeder Erwachsene nen indigenen Vorsorgesysteme zum Kippen. mehr als ein Handy. Smartphones mit Internet­ zugang verbreiten sich nach der Markteinfüh­ Das kenianische Budgetdefizit erreichte 2011 rung günstiger chinesischer Modelle zu Beginn fast das Ausmaß des Defizits in Griechenland. des Jahres immer schneller. 14,3 Millionen Die Inflationsrate, vor allem ausgelöst durch Kenianer nutzen das Internet, ein Anstieg von eine massive Abwertung der Währung sowie über 60 Prozent in nur einem Jahr. Das globale durch eine Ausweitung privater Kreditvergabe Netz schafft ganz neue Verdienstmöglichkeiten ›

internet via Handy: Allein in kenia nutzen 14 Millionen Menschen diesen Zugang – tendenz stark steigend. für jobsuchende Bachelorabsolventen: Bloggen, in Den Haag – keineswegs spontan ausge bro ­ Korrekturlesen und Onlinetutoring bringen oft chen, sondern von langer Hand durch illegale mehr Einkommen als eine Lehrerstelle. Nun Organisationen und politische Meinungs macher gilt es, die Stromversorgung für die immer geplant. Die Fäden sollen auf der einen Seite komplexeren Endgeräte auch auf dem Land zwei ehemalige Minister und drei frühere Poli­ sicherzustellen – dezentrale Solarlösungen sind zei­ und Militärkommandeure gezogen haben, ein Weg. Außerdem wurden umfangreiche auf der anderen Seite wurde die Anklage gegen Investitionsverträge für einen Windpark am den inzwischen zurückgetretenen Leiter des Turkanasee im Norden und weitere Geother­ Präsidialamts Francis Muthaura und den eben­ miekraftwerke nahe Naivasha abgeschlossen, falls demissionierten Finanz minister Uhuru jeweils mit deutlichen Finanzierungsanteilen Kenyatta geprüft. Viele Kenianer sehen das Ver­ internationaler Banken. fahren durch den IStGH positiv. Sie werten es als ein Zeichen, dass die Zeiten unantastbarer politischer Führungs eliten zu Ende gehen. Mit DÜrrE iN oStAfrikA der offiziellen Prozesseröffnung ist in einigen was unternimmt der DAAD? Monaten zu rechnen, das Urteil wird nicht vor Im Dezember wurde an der Agraruniver- den nächsten Wahlen in Kenia erwartet. sität JKUAT in enger Kooperation mit der TU Kaiserslautern und mit Unterstützung Am 26. August 2011, ein Jahr nach der Verab­ des DAAD das Wasser forschungsinstitut schiedung der neuen Verfassung, wurden die WARREC gegründet. Zentrale Themen sind sieben Richter des neu eingerichteten Supreme Wasserspeicherung, Bewässerung und die Court eingeschworen. Das neu geschaffene oft auf die Dürre folgenden Überflutungen. Gericht wird unter anderem bei der Auslegung Dabei steht der semi-aride Norden Kenias der Bürgerrechtscharta und bei künftigen Wahl­ im Mittelpunkt. disputen das letzte Wort haben. Dabei hatte das Jahr mit einem Paukenschlag begonnen. Präsident Mwai Kibaki ernannte ohne weite­ re Abstimmung mit seinem Koalitionspartner reform und Beharren einen neuen Chief Justice (Vorsitzenden des Im September verfolgten mehr als drei Vier­ Obersten Gerichtshofs). Die in der neuen Ver­ tel der erwachsenen Kenianer geduldig Live­ fassung für die Prüfung von Kandidaten vor­ übertragungen aus einem niederländischen gesehene Judical Service Commission (Richter­ Galt bisher das Justizwesen Gerichtssaal – mit juristischen Vorträgen, wahlausschuss) und das Parlament waren nicht neben der Polizei als kor- Zeugen anhörungen und Richterfragen. Der einbezogen worden. Nach einer massiven Welle rupteste instanz im Land, Internationale Strafgerichtshof in Den Haag öffentlichen Protests und der Weigerung des setzt die Bevölkerung (IStGH) wollte sich Gewissheit verschaffen, ob Parlamentspräsidenten, die Kandidaten zur nun große Hoffnung auf ein formelles Verfahren gegen sechs einfluss­ Abstimmung zuzulassen, zog der Präsident unabhängigere Gerichte. reiche Kenianer wegen der landesweiten Gewalt seine Vorschläge zurück. nach den Wahlen von 2007 eröffnet werden soll. Dabei mussten sich die Mächtigen ihres Der neue Chief Justice Willy Mutunga ist Landes ungeheure Anschuldigungen durch die ein Reformaktivist der ersten Stunde; er war Anklage anhören. Die Unruhen nach den Wah­ sowohl Vorsitzender der kenianischen Men­ len im Dezember 2007 im Rift Valley, bei denen schenrechtskommission als auch der einfluss­ mehr als 1.200 Kenianer starben, waren – so reichen Vereinigung kenianischer Juristen. argumentierte Chefankläger Moreno Ocampo Als unabhängiger Leiter der Judikative hat er

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umfassende Kompetenzen. Zur Bekämpfung koMPEtENZZENtrUM fÜr oStAfrikANiSCHE iNtEGrAtioN der immer noch allgegenwärtigen Korruption Der Ende 2011 erschienene Aufsatzband „Processes of Legal Integration brachte er im November mehrere kompeten­ in the East African Community“ basiert auf zwei rechtswissenschaft- te Richter in zentrale Positionen. Außerdem lichen Konferenzen, die das Tansanisch-Deutsche Fachzentrum für wurde eine Überprüfung aller Richter beschlos­ Rechtswissenschaft veranstaltet hat. Das Zentrum ist ein gemeinsames sen. Galt bisher das Justizwesen neben der Projekt der Universität Dar es Salaam und der Universität Bayreuth; es Polizei als korrupteste Instanz im Land, setzt wird vom DAAD gefördert. Der neue Sammelband stößt in Ostafrika die Bevölkerung nun große Hoffnung auf unab­ auf großes politisches Interesse. Der deutsche Botschafter in Tansania, hängigere Gerichte. Allerdings hat die Gruppe Klaus-Peter Brandes, hat den Band anlässlich seiner Ernennung zum um den Präsidenten eine Sicherung eingebaut: Special Representative bei der Ostafrikanischen Gemeinschaft dem Im Paket mit den reformorientierten Richtern Generalsekretär der EAC überreicht. wurde ein mit der Macht eng verbundener Generalstaatsanwalt ernannt, der entscheiden kann, ob Strafverfahren überhaupt eingeleitet der Integration in Tansania noch weit entfernt. werden. Auch die neu organisierte Antikor­ Wahrscheinlich ist jedoch eine schnelle Erwei­ ruptionsbehörde kann nicht, wie ursprünglich terung: insbesondere Uganda und Kenia setzen vorgesehen, eigenständig Verfahren einleiten, sich für die baldige Auf nahme des neuesten sondern ist auf die Initiative eben dieses Gene­ afrikanischen Staates Süd sudan ein. ralstaatsanwalts angewiesen. Nachdem die somalische Islamistenmiliz Al kenias Einmarsch in Soma- Auch für die Präsidentenwahl 2012 ist wenig Shabaab versucht hatte, die Kontrolle im Lager lia hat innenpolitische kon- Neues in Sicht; es sind die alten Gesichter, Dadaab zu übernehmen, und als Mitarbeiter sequenzen, die noch nicht die teils neue, nahezu ausschließlich ethnisch von Hilfsorganisationen und Touristen nach absehbar sind. basierte Parteien gründeten. Nur der jetzige Somalia verschleppt und ermordet wurden, Premierminister Raila Odinga hat sich eine forderten die kenianischen Medien eine klare Basis über seine Heimatethnie hinaus schaffen Reaktion der Regierung. Am 17. Oktober mar­ können. Moderne Parteien, die etwa den durch schierte die kenianische Armee während der Kartelle abgesicherten Einkommensquellen der andauernden Hungerkatastrophe ins Nachbar­ Reichen eine Politik des fairen Wettbewerbs land Somalia ein. Mittelfristiges Ziel ist offen­ entgegensetzen könnten, sind nicht erkennbar. bar die Schaffung einer Pufferzone mit von Kenia abhängigen somalischen Provinzgouver­ neuren im Süden des Landes. Die innenpoliti­ integration und invasion schen Auswirkungen sind nicht zu unterschät­ 2011 wurde erstmals ein Bürger der neuen zen. Die Nation einte sich hinter der Armee und Mit gliedsstaaten, Burundi und Ruanda, zum dem Präsidenten. Die nicht eingeplante Kriegs­ General sekretär der Ostafrikanischen Gemein­ finanzierung fehlt überall im Haushalt, und der schaft (EAC) ernannt: der ehemalige ruandi­ Weg zur Verschuldungsfinanzierung ist ange­ sche Gesundheitsminister Richard Sezibera. sichts der hohen Defizitquote versperrt. Harte Nach der Unterzeichnung des Protokolls zum Sparanstrengungen, die auch den Hochschul­ gemeinsamen Markt im Vorjahr ging die not­ bereich betreffen könnten, sind daher trotz des wendige Umsetzung in nationale Gesetze nur kommenden Wahljahres wahrscheinlich. In der sehr schleppend voran. Von der für 2012 ge plan ­ Hauptstadt gibt es inzwischen überall Metall­ ten Währungsunion ist Ostafrika nicht zuletzt detektoren, eine symbolische Sicherheitsan­ wegen der wachsenden Budget defizite im Kern ­ strengung zur Abwehr eines allseits erwarteten land Kenia und der großen Skepsis gegenüber großen Terrorangriffs in Nairobi. ›

29 Östliches Afrika: Privatinvestoren werden neue Studentenheime Sudan und Uganda und Universitätsbibliotheken gebaut. An der Kenyatta-Universität hat der Staatspräsident Am 9. Juli wurde der Südsudan nach jahr­ den Grundstein für ein komplettes Universi­ zehntelangem Bürgerkrieg unabhängig. Damit tätsklinikum gelegt, dessen Aufbau China mit entstand einer der am wenigsten ­entwickelten erheblichen Mitteln unterstützt. Staaten der Erde mit über neun Millionen Ein­ wohnern. Mehr als 70 Prozent der über 15-Jähri­ Kenias Hochschulsektor expandiert immer gen sind Analphabeten, ein Viertel der Bevölke­ schneller. Die Quote der öffentlich geförderten rung ist unterernährt, eine Verkehrsinfrastruk­ Studienanfänger wurde innerhalb eines Jahres tur ist kaum vorhanden, die Staatsbediensteten um 60 Prozent auf über 32.000 erhöht. Auch sind oft unzureichend ausgebildet. Eine zusätz­ der Kreis der Hochschuleinrichtungen wird liche Belastung wird die Integration von etwa größer: Waren es 2005 zwölf und 2011 schon vier Millionen Südsudanesen, die außerhalb des 44 anerkannte Institutionen, erhöhte sich die neuen Staates leben. Die im Bürgerkrieg nach Zahl 2011 auf 54 sowie zwölf weitere, die sich Khartum ausgelagerten südsudanesischen Hoch­ um eine Akkreditierung bemühen. Gleichzeitig schulen kehrten zwar zurück, sind aber noch wurde das im Vorjahr stark gestiegene Budget auf absehbare Zeit nicht voll funktionsfähig.­ etwa auf das Niveau von 2009 gekürzt. Immer mehr Menschen schreiben sich für ein Studium In Uganda wurde am 18. Februar Yoweri ein: Zurzeit gibt es 200.000 Studierende in Kenia. ­Museveni mit mehr als zwei Dritteln der Stim­ Die Zahl der Schulabgänger mit der Mindest­ men für weitere fünf Jahre zum Präsidenten note für die Hochschulzulassung lag 2011 bei gewählt und steht seit 25 Jahren an der Spitze 96.000 und wird sich bis 2015, wegen der dann des Staates. Die Beobachtermission der Europä­ ins Hochschulalter kommenden ersten Jahrgän­ ischen Union rügte die ungleichen Ausgangs­ ge nach Einführung der freien Grundschulaus­ bedingungen für die Kandidaten, insbesondere bildung, laut Vorsitzendem der kenianischen die Einschränkung des Demonstrationsrechts, Hochschulrektorenkonferenz, auf voraussicht­ die einseitige Berichterstattung des Staats­ lich über 150.000 erhöhen. Die ­Schere zwischen fernsehens und die Verteilung von Geld und Studienberechtigten und Zuge­­lassenen wird Geschenken durch die Regierungspartei wäh­ daher immer weiter aufgehen. rend des Wahlkampfs. Mit der abzusehenden großen Zahl von Studien­ anfängern wird der Mangel an qualifizierten Hochschulbildung in Kenia: Hochschullehrern immer deutlicher. Die Unter­ Die Qualität gerät in Gefahr richtsbelastung steigt, die Seminare werden, vor allem in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaf­­­ Kenias Hochschulsektor Schaut man auf die Campus in Kenia, fällt der ten, immer größer. Die Folgen wiegen schwer: expandiert: Bauboom an enorme Bauboom ins Auge. Das Geld für die Abschlussarbeiten werden nur noch spo­­radisch staatlichen Hochschulen, neuen Gebäude kommt zunehmend von Studie­ betreut – mit entsprechenden Folgen für die die Zahl der Studierenden renden aus sogenannten Parallelprogrammen Qualität. Die meisten Studierenden lernen nicht steigt. der staatlichen Hochschulen. Diese Programme mehr, wissenschaftlich zu arbeiten, und nur ermöglichen Sekundarschulabsolventen, die eine kleine Minderheit erreicht das Ausgangs­ wegen mittlerer Noten im regulären Verfah­ niveau für eine Promotion. Daher steht das ren nicht zugelassen wurden, ein gebühren­ kenianische Hochschulsystem vor einem sich pflichtiges Studium. In Zusammenarbeit mit ständig verschärfenden Nachwuchsproblem.­

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hinaus werden künftig die kenianische Akkre­ Neue Stipendiaten: Die ditierungsagentur CHE und die professionellen deutsche Botschafterin Kammern enger zusammenarbeiten, um die Margit Hellwig-Boette Qualität der Studiengänge kontinuierlich zu und die kenianische Hoch- sichern. Die Instrumente dafür haben DAAD schulministerin Margaret und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in kamar überreichen per- einem seit 2006 laufenden Projekt zum Aufbau sönlich 60 Stipendiaten- eines ostafrikanischen Qualitäts siche rungs­ urkunden an kenianer und systems mit erarbeitet; die notwendige Exper­ afrikanische Drittland- tise, Verfahren und Handbücher sind vorhanden stipendiaten. Die Nachbarländer stehen vor ähnlichen Heraus­ und sollen nun breiter angewendet werden. forderungen. Nur in Tansania, wo es bislang nur vergleichsweise bescheidene Parallel pro­ Dem Wissenschaftsministerium bleibt Konti­ gramme gibt, bleibt noch mehr Zeit für die nuität versagt: Nach zwei Umbesetzungen 2010 Forschung. Darüber hinaus hat die dortige musste im August 2011 nach einer Kabinetts­ Regierung mit Hilfe eines Weltbankkredits umbildung Hellen Sambili gehen. Neue Wissen ­ den Hochschulausbau vorangetrieben. Neben schafts­ und Forschungsministerin ist Margaret der neuen Universität von Dodoma schuf das Kamar, ehemalige Vizepräsidentin für Lehre Ministerium mit dem Nelson Mandela African der renommierten Moi­Universität. Sie hat die Institute for Science and Technology in Arusha stärkere Zulassung von Ärmeren und Benach­ eine Postgraduierteninstitution für die Aus bil­ teiligten zum Thema gemacht und im drohen­ dung einer neuen Wissenschaftler generation. den Streik der Hochschullehrer um Inflations­ ausgleich mit Verweis auf die Kosten des Krie­ ges in Somalia bislang unnachgiebig reagiert. wissenschaftspolitik: Die wirtschaft verlässt die Zwei Zukunftsprojekte wurden auf den Weg Zuschauerbank gebracht: Jeweils etwa eine halbe Million Euro wurden für den Aufbau einer Fernuniversität Die kenianische Ingenieurkammer hat erstmals › Abschlüsse einiger staatlicher Universitäten nicht mehr anerkannt. Die Wirtschaft spürt, dass die Qualität der Hochschulabsolventen DAAD ErÖffNEt VErBiNDUNGSBÜro iN ADDiS ABEBA sinkt und die Investitionen für Brückenpro­ Am 21. November wurde in der äthiopischen Hauptstadt ein DAAD- gramme steigen. Dies bestätigten führende Verbindungsbüro eröffnet. Die deutsche Botschafterin Lieselore Cyrus, Unternehmer bei einem von DAAD und kenia­ der äthiopische Staatsminister Kaba Urgessa und die DAAD-Gruppen- nischem Privatwirtschaftverband gemein­ leiterin Martina Schulze enthüllten das DAAD-Logo am Eingang. sam initiierten Abendessen in der Residenz Das Büro wird vorerst gemeinsam von Gerhard Albert und Jana Zehle, der deutschen Botschafterin. An dem Treffen zwei an der Addis-Abeba-Universität tätigen deutschen Hochschul- nahmen auch der Vizeminister für Wissen­ lehrern, geleitet. Das Aufgabenspektrum ist vielfältig: Neben der schaft, der Generalsekretär des Forschungs­ Information und Beratung zum DAAD-Angebot vertreten die beiden rats und mehrere Hochschulpräsidenten teil. Leiter den DAAD in einem Projekt mit der äthiopischen Regierung. Unternehmer und Forschungsrat wollen sich Es geht dabei um die Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Inge- nun in Deutschland gemeinsam ein Bild von nieur fakultäten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit erfolgreichen Kooperationsmodellen zwischen mit den über 2.000 Deutschland-Alumni im Land. Hochschule und Wirtschaft machen. Darüber

31 forschungsseminar wasser in Slums Aktionsbündnisse von Slum- dass Überflutungsschutz von wasser: wissenschaftler bewohnern, Vertreter der Slums ein bislang vernachläs- erkundigen sich bei Praktiker und Universitäten Stadt verwaltung Nairobis sowie sigtes Thema ist, sowohl in der Nutzern vor der ruai arbeiten zusammen Forscher und Doktoranden Forschung als auch in der Ent- Sewage treatment Plant unter schiedlicher Disziplinen wicklungszusammenarbeit. in Nairobi. Wasser ist Schwerpunktthema aus zehn afrikanischen Ländern der Entwicklungszusammen- und Deutschland. Fünf inter- arbeit in nahezu allen Ländern disziplinäre Teams recherchier- der Region, so auch in Kenia. ten in zwei Stadtgebieten Nai- Der Rohstoff Wasser ist immer robis und stellten die Ergebnisse häufiger Forschungsthema an in einem großen Stakeholder- ostafrikanischen Hochschulen forum vor. – auch in Kooperation mit deut- schen Partnern. Daher lag es Die Resultate des von der Uni- nahe, gemeinsam mit der Deut- versität Siegen koordinierten schen Gesellschaft für Internati- Seminars sind aufschlussreich. onale Zusammenarbeit (GIZ) ein Es existiert offenbar eine Forschungsseminar zum Thema Wasser mafia, die Tankwagen Wasser und Abwasser für städ- und illegale Anschlüsse kontrol- tische Armutsgruppen zu ver- liert und kein Interesse an einem anstalten. Es ging um neue, in gut funktionierenden Versor- Kenia entwickelte Modelle zur gungssystem hat. Kostenlose Wasserversorgung, um deren Anwälte für die Aktionsbünd- praktische Umsetzung und nisse könnten daher helfen, vorläufiges Scheitern in einigen korrupte Verbindungsleute der Wohngebieten. Die Teilnehmer illegalen Kartelle in den Wasser- waren Praktiker aus den kenia- unternehmen vor Gericht zu nischen Wasserunternehmen, bringen. Ermittelt wurde auch,

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und eines Exzellenzzentrums für Ingenieur­ interessiert an forschung: wissenschaften und Technologie reserviert Bundeskanzlerin Angela – das Exzellenzzentrum soll zur im Dezember Merkel im Gespräch mit neu gegründeten Panafrikanischen Universität DAAD-Promotionsstipen- gehören. diatin racheal Aye am international Lifestock research institute (iLri) in Hochschulzusammenarbeit kenia. – aus der Arbeit des DAAD

Bundeskanzlerin nimmt sich Zeit 42 Stipendiaten der Abschlussjahrgänge zu für die wissenschaft einem Treffen mit Fortbildungsangebot ein. Die Masterstudierenden lernten, wie man systema­ Im Juli besuchte Bundeskanzlerin Angela tisch kostenfreie E­Journals für die Erstellung Merkel Kenia. Während ihres eintägigen Staats­ einer Masterarbeit nutzt. Die Promotionssti­ besuchs traf sie am Internationalen Agrar­ pendiaten übten, wie sie die Ergebnisse ihrer forschungsinstitut ILRI DAAD­Stipendiatinnen Forschung mit einem Poster bei einer Tagung aus Ostafrika. Zuvor hatte sie bei einer live in präsentieren können. Neben diesen wissen­ vier Fernsehsendern übertragenen Grundsatz­ schaftlichen Themen illustrierten ein Religions­ rede an der Universität von Nairobi ausdrück­ wissenschaftler, ein Linguist, ein Eisenbahn­ lich eingeladen: „Sie, die jungen Menschen hier historiker und ein Künstler ihren Blick auf das Bundeskanzlerin Merkel in Kenia, können neuen Chancen entgegen­ Thema „Rauch“ und lieferten den Auftakt zu diskutierte – durchaus sehen: den Chancen durch mehr Austausch anregenden Diskussionen. kritisch – mit jungen for- – sei es durch den Deutschen Akademischen schern. Dass dies ohne Austauschdienst, durch Studien, durch das Die deutsche Botschafterin Margit Hellwig­Boette kontrolle durch die regie- Erlernen der Sprache – und den Chancen, überreichte beim Jahresempfang im November rung möglich war, ist ein auswärts etwas zu lernen und dann mit neuem gemeinsam mit der kenianischen Hochschul­ beredtes Zeichen für den Wissen in das eigene Land zurückzukehren.“ ministerin Margaret Kamar über 60 Stipen­ gelungenen weg zur Danach diskutierte die Bundeskanzlerin – dienurkunden an Kenianer und afrikanische Meinungs freiheit in kenia. durch aus auch kritisch – sehr angeregt mit den Drittlandstipendiaten. Dabei erhielten die Nach­ Zuhörern, unter denen sich 100 DAAD­Alumni wuchswissenschaftler nicht nur Promotions­ befanden. Dass dies ohne Kontrolle durch die stipendien nach Deutschland, sondern auch Regierung möglich war, ist ein beredtes Zeichen Vor­Ort­ und Drittlandstipendien in Kenia und für den gelungenen Weg zur Meinungsfreiheit die ersten Urkunden im neuen Postdoc­Pro­ im Land – und für das gewachsene Selbstbe­ gramm für afrikanische Alumni. In Äthiopien wusstsein der Kenianer. übergab DAAD­Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland die Stipendienurkunden gemeinsam Erstes DAAD-Stipendiatentreffen in kenia mit Botschafterin Lieselore Cyrus.

In Kenia gehen weit über 100 DAAD­Stipen­ Erste Endauswahl von Doktoranden in kenia diaten ihren Masterstudien oder Promotionen in den vom Bundesministerium für wirt schaft­ Im November wählte in Kenia erstmals eine liche Zusammenarbeit und Entwicklung ge ­ internationale Kommission 19 Stipendiaten förderten In­Country­ / In­Region­Programmen aus 62 Bewerbungen aus. Kenianische Hoch­ nach. Im April lud die Außenstelle erstmals schuldozenten, meist DAAD­Alumni oder ›

33 Die deutsche Botschafterin Informationsseminare für 302 Teilnehmer in Margit Hellwig-Boette allen Regionen des Landes. Da die Bewerber­ beim DAAD-Alumni-treffen zahlen weit höher lagen und die Evaluierungen zur Verfassungsreform in ausgesprochen positiv waren, soll das Angebot kenia. 2012 fortgeführt und möglichst auf die Nach­ barländer ausgeweitet werden.

Die Außenstelle bereitet die künftigen Stipen­ diaten noch intensiver auf ihre Ausreise nach Deutschland vor. Neben einer halbtägigen Vorstandsmitglieder des kenianischen For­ interkulturellen Einführung finden die ersten schungsrats, und erfahrene Auswahlprofes­ beiden Monate des Deutsch­Sprachkurses nun soren aus Deutschland bildeten das Auswahl­ im Goethe­Institut Nairobi statt. Die Teilneh­ komitee. Künftig soll die Endauswahl jährlich mer können während der „DAAD Wednesday vor Ort stattfinden. In Dar es Salaam konnten Afternoons“ ihre Fragen zum bevorstehenden in einer vergleichbaren Sitzung sechs Stipen­ Deutschlandaufenthalt stellen und kommen mit dien im gemeinsamen Programm mit der tansa­ den anderen Stipendiaten ins Gespräch. nischen Regierung vergeben werden. In beiden Ländern gab es zum Jahresende noch einen roadmap to Quality zweiten Aufruf, bei dem bis Mitte 2012 bis zu 25 weitere Stipendien zu vergeben sind. Im März stellte Pierre Nkurunziza – Präsident Burundis und amtierender Ratspräsident der Erweitertes kursangebot des regionalbüros Ostafrikanischen Gemeinschaft – das vom DAAD und dem ostafrikanischen Hochschulrat Seit zwei Jahren finden in der Außenstelle (IUCEA) herausgegebene Handbuch „Roadmap Seminare zum Verfassen von Stipendien­ to Quality“ vor. Die Präsentation des verbind­ anträgen statt. 2011 wurde der Workshop lichen Handbuchs zur Qualitätssicherung an erstmals zweiteilig angeboten: Die besten ostafrikanischen Hochschulen fand im Rahmen der 64 Teilnehmer konnten im zweiten Teil der Jahresversammlung des IUCEA statt. Wäh­ ein Auswahlgespräch simulieren. Darüber rend des Treffens und einer im Mai anschlie­ hinaus organisierten kenianische DAAD­ ßenden Konferenz diskutierten die Teilnehmer Alumni gemeinsam mit der Außenstelle die gemeinsame Initiative von IUCEA, DAAD und dem nationalen Forschungsrat sieben und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zur Entwicklung von Qualitätssicherung an Hoch­ schulen in Ostafrika. Seit Beginn der Initiative EDULiNk-iNforMAtioNSSEMiNAr im Jahr 2006 waren im Rahmen des DIES­Hoch ­ Das Interesse war groß: Trotz erheblichen Eigenanteils hätten gerne schulmanagement­Programms rund 50 Pro ­ we sent lich mehr als 100 Hochschullehrer am EDULINK-Informations- grammevaluierungen durchgeführt und 30 neue seminar in Nairobi teilgenommen. Das Team des DAAD-Referats für Abteilungen für Qualitätssicherung gegründet EU-Drittlandkooperationen organisierte gemeinsam mit der Außenstelle worden. Nach einer positiven Zwischenevaluie­ eine praxisorientierte Veranstaltung, die es den Teilnehmern aus rung wird die Initiative bis 2015 fortgeführt. Im Deutschland und Afrika ermöglichte, noch vor der erwarteten EDULINK- September übernahm die Außenstelle Nairobi Ausschreibung Konsortien zu bilden und sich rechtzeitig auf die Antrag- die Federführung für den deutschen Beitrag. stellung vorzubereiten. Die Verantwortlichkeit für das Gesamtprojekt soll künftig stärker vor Ort liegen.

34 Afrika : N a i r o b i

DAAD-Alumni: Ostafrika wird aktiv Außenstellenleiter ­Christoph Hansert eröffnet das neu Die DAAD-Alumni in Ostafrika werden immer gestaltete Büro in ­Nairobi. aktiver. In Kenia waren zur Veranstaltung mit dem Thema „Hochschule und Verfassungs­ reform“ auch Bürgermeister und Chefs von Bezirksverwaltungen aus allen Landesteilen gekommen. Sie diskutierten intensiv mögliche Fortbildungen für Mitarbeiter der 47 neu ent­ stehenden Bezirksverwaltungen und zu schaf­ fende Kooperationen beim Hochwasserschutz. Langer Atem erfolgreich: Deutsch stärker nachgefragt Auch die Alumni im Sudan, in Tansania und Äthiopien organisierten gemeinsam mit der 2011 stieg die Zahl der Studienanfänger für DAAD-Alumni aus Ost­afrika Außenstelle Jahrestreffen zu wissenschafts­ Deutsch schlagartig an. Neben einer landes­ referierten auf wissen- politischen Themen. Im Sudan stand die Rolle weiten Kampagne und Besuchen in den Sekun­ schaftlichen und hoch- der Forschung an Hochschulen im Zentrum, darschulen im Vorjahr könnten die schrittweise schulpolitischen Tagungen in Tansania diskutierten die Alumni die Rolle modernisierten Lehrpläne die Ursache sein. zu den Themen E-Learning, der Wissenschaft für Wertschöpfungsketten im Im Sudan gibt es laut dortigem Goethe-Institut Naturprodukte aus Afrika, Agrarsektor und in Äthiopien ging es um Quali­ nicht zuletzt wegen des Ausfalls der USA als Geoinformatik für Umwelt- tätssicherung und afrikaweite Harmonisierung Studienort eine große Nachfrage nach Deutsch schutz, Insektenforschung, von Hochschulabschlüssen. In Tansania wurde und einen großen Bedarf nach gut ausgebilde­ Management von Inge­ im Anschluss an das Treffen nach fünfjähriger ten Sprachlehrern. nieurfakultäten. Pause erstmals wieder ein Vorstand der wieder­ belebten Alumni-Vereinigung gewählt. Alumni- Kontakt auf allen Kanälen Jahrestreffen sollen künftig in Ostafrika zu einer festen Einrichtung werden. Die DAAD- Smartphones verbreiten sich in Ostafrika Alumni-Arbeit gilt als international vorbildlich: gegenwärtig rasend schnell, insbesondere bei Die kenianische Alumni-Vereinigung KDSA jungen Akademikern – und damit auch der wurde von der Französischen Botschaft eingela­ Zugang zum Internet. Die Außenstelle hat den, ihre Arbeit den Alumni der französischen daher ihren Facebookauftritt reaktiviert und Förderprogramme vorzustellen. überarbeitet; die Nutzerzahlen sind schnell gewachsen – aber hier bleibt noch viel zu tun. Das regionale Netzwerk der Alumni von Hoch­ Der Newsletter wurde weiterentwickelt und schulmanagementkursen (REAL) agiert sehr erscheint seit Mitte des Jahres quartalsweise; lebendig. In Kenia, Äthiopien und Uganda er wird in der gesamten Region, auch über die organisierten die ehemaligen Kursteilnehmer aktiven Alumni-Foren im Internet, verteilt. Der eigene Fortbildungen. In Kenia beispielsweise persönliche Kontakt mit dem Hochschulma­ luden sie gemeinsam mit der Außenstelle, der nagement bleibt weiter zentral, informelle Tref­ kenianischen Hochschulkommission und dem fen mit allen Dekanen einer Universität oder nationalen Forschungsrat zu einem dreiteiligen die Teilnahme an Senatssitzungen wurden als Kurs für 25 Direktoren und Vizedirektoren neue Formate erfolgreich getestet. von Universitätsstandorten ein, die 2012 in › eigenständige Hochschulen umgewandelt ­werden sollen.

35 AfrikA : Nairobi / JohaNNesburg

informationszentrum Die Hoch schulen ihrerseits beklagen zuneh­ Johannesburg mende Einschränkungen der in Südafrikas Verfassung ga ran tierten Freiheit der akademi­ Hochschulsystem im wandel schen Forschung.

Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen Außenpolitisch nimmt Südafrika die Rolle 2013 haben die rivalisierenden Fraktionen im einer regionalen Vermittlungs­ und Ordnungs­ regierenden African National Congress (ANC) macht für sich in Anspruch. Das erste Jahr begonnen, ihre Ansprüche geltend zu machen. Südafrikas als nichtständiges Mitglied im Präsident Jacob Zuma versucht schon länger, UN­Sicherheitsrat war von Unruhe geprägt. Dr. ralf Hermann (l.), mögliche Gegner in den eigenen Reihen mit Immerhin hatten die Vermittlungsmissionen Leiter des informations- allen Mitteln zu entmachten. So konnte er den in der Elfenbeinküste, dem Sudan / Südsudan, zentrums (iC) Johannes- Aufstieg des populistischen ANC­Youth­League­ Madagaskar und Simbabwe (teilweise) Erfolg. burg, und seine Mitar- Präsidenten Julius Malema im November Weltweite Aufmerksamkeit fand Südafrika beiterinnen Julia Augart erfolgreich stoppen: Malema wurde in einem Ende 2011 durch die Ausrichtung des Welt­ und iris Vernekohl (r.). Disziplinarverfahren für fünf Jahre von der Par­ klimagipfels in Durban. Der Gastgeber konnte tei ausgeschlossen. Die Anhörungen Malemas sich als vielfach vernetzter Mittler positionie­ waren von heftigen Ausschreitungen begleitet, ren, der sowohl mit den Schwellenländern als in denen sich dessen Anhänger gegen die ältere auch mit den vom Klimawandel besonders ANC­Elite richteten. Die Regierung düpierte stark betroffenen afrikanischen Staaten und zudem eine Gallionsfigur des Kampfes gegen den Hochtechnologie­Nationen des Nordens die Apartheid, Erzbischof Desmond Tutu. Sie Gemeinsam keiten aufweist. Während die öffent­ hintertrieb die Visaerteilung für den zu seinem liche Bewertung der Gipfelergebnisse die ganze 80. Geburtstag eingeladenen Dalai Lama. Bandbreite zwischen Scheitern und Durch­ bruch umfasste, verdiente sich Süd afrika als Schon oft warfen zivilgesellschaftliche Organi­ Gastgeber und Moderator einhellig gute Noten. sationen dem ANC vor, das demokratische und menschenrechtliche Erbe des eigenen Befrei­ Südafrika reagiert mit seiner Energiepolitik ungskampfes preiszugeben. Am 22. November, auf die Herausforderungen des Klima wandels dem „schwarzen Dienstag“, brachte die Regie­ und rückt erneuerbare Energien immer stär­ rung Zuma mit der „Protection of State Infor­ ker in den Blickpunkt öffentlicher Diskus­ Der ANC entmachtet weg- mation Bill“ ein Gesetz zur Wahrung von Staats­ sion. Zu gleich sieht der nationale „ Integrated gefährten und bedroht die geheimnissen durchs Parlament, das Kritiker Resources Plan“ einen erheblichen Ausbau Pressefreiheit. Die Hoch- als Instrument zur Verschleierung von Korrup­ der Kern energie vor. Die Schockwelle von schulen beklagen Ein- tion und als massiven Angriff auf die Presse­ Fukushima kam in Süd afrika nur sehr ge ­ schränkungen der in Süd- freiheit werten. Mit bis zu 25 Jahren Haft kön­ dämpft an, Risiko erwägungen spielen in der afrikas Verfassung garan- nen künftig Journalisten bestraft werden, wenn öffentlichen Diskussion gegenüber den Themen tierten freiheit der akade- sie Wissen aus als geheim eingestuften Akten Ver sorgungs sicherheit und Arbeitsplatzschaf­ mischen forschung. publizieren. Noch immer droht die Ein führung fung eine untergeordnete Rolle. Bis 2030 sol­ eines Medientribunals mit Rechenschafts pflicht len 9,6 Gigawatt aus Kernenergie gewonnen gegenüber dem Parlament, das an die Stelle werden. Das entspricht der Leistung von sechs der derzeitigen Selbstregulierungsmechanis­ Kraftwerken, und auch die neu zu bauenden men der südafrikanischen Medien treten soll. sollen küstennah errichtet werden. Die franzö­ Die Kampagne „Right to Know“ organisiert sische Atomindustrie umwirbt Südafrika als dagegen anhaltenden zivilen Widerstand. strategischen Markt.

36 Diversität im Grundstudium ­erfolgreichen Doktoranden stagnierte, stock­ Ehrung: DAAD-Stipendiatin Erfolge bei der Umwandlung des Hochschul­ ten das Department of Science and Technology Sylvie Namwase aus systems kann Südafrika vor allem im Bereich (DST) und die National Research Foundation Uganda erhält den Victor- des grundständigen Studiums vermelden. Lag (NRF) die Mittel für das „South African PhD Dankwa-Preis für ihre her- der Anteil von Studierenden der durch die Project“ nochmals deutlich auf. ausragende Arbeit zum Apartheid benachteiligten Bevölkerungsgrup­ Thema Menschen­rechte in pen 1994 nur bei 55 Prozent, nähert er sich Das DST betreibt den weiteren Ausbau der For­ Afrika – es gratuliert Pro- inzwischen mit 80 Prozent der Bevölkerungs­ schungsinfrastruktur. Zusätzlich zu den beste­ fessor Frans Viljoen. proportion an. Viel geringer wird diese Erfolgs­ henden 92 nationalen „South African Research quote, wenn es um das Erreichen des ersten Chairs“ wurden 62 weitere an allen Univer­ Abschlusses, des postgradualen Studiums und sitäten ausgeschrieben, um dem Braindrain der Promotion geht. Die begabtesten schwarzen­ südafrikanischer Forscher gegenzusteuern. Die Studierenden werden oft frühzeitig von Unter­ Initiative zielt zudem darauf, den Rückstand nehmen, die ihrerseits Quoten zu erfüllen haben, von Technischen Universitäten und ländlichen abgeworben. Auch die Auswahlen des DAAD sowie strukturell benachteiligten Hochschulen für die Vergabe von Stipendien sehen sich mit gegenüber den führenden Forschungsuniversi­ unbefriedigenden Zahlen von Bewerbern mit täten zu verringern. Die Forschungskooperation Die Forschungskooperation benachteiligtem Hintergrund konfrontiert. Die zwischen Südafrika und Deutschland wächst zwischen Südafrika und bessere Bewerbung der Programme an ländli­ stetig, was sich in zahlreichen neuen Hoch­ Deutschland wächst stetig, chen Universitäten – neben der fortgesetzten schulabkommen ebenso zeigt wie in dem für was sich in zahlreichen Kooperation mit den führenden Forschungsuni­ 2012/2013 vom Bundesforschungsministerium neuen Hochschulabkom- versitäten – bildete daher einen Schwerpunkt und DST geplanten Deutsch-Südafrikanischen men ebenso zeigt wie in der DAAD-Bemühungen in Südafrika. Wissenschaftsjahr. dem für 2012/2013 geplan- ten Deutsch-Südafrikani- Die ehrgeizigen Ziele zur mehrfachen Erhö­ Gespannt sieht Südafrika der Vergabe eines schen Wissenschaftsjahr. hung der Ph.D.-Abschlüsse bis 2025 sind noch globalen Forschungsprojekts entgegen: Das nicht annähernd in Sichtweite. Nachdem „Square Kilometer Array“ (SKA), das größte­ trotz erheblicher Investitionen die Zahl der Radioteleskopsystem der Welt, wird die ›

37 ­Möglichkeiten der astronomischen Forschung Ein eigenständiges Department of Higher revolutionieren. Südafrika arbeitet gemeinsam­ ­Education and Training (DHET) ist seit seiner mit acht afrikanischen Ländern in diesem ­Gründung 2009 mit der Suche nach Konzepten ­Projekt und erhält auch aus dem 7. Forschungs­ für einen weitreichenden Ausbau der tertiä­ rahmenprogramm der EU-Programme Unter­ ren Bildung befasst. Das Verhältnis zwischen stützung. Die abschließende Entscheidung, Berufs- und Weiterbildungseinrichtungen ob das Projekt in Südafrika oder Australien (Colleges)­ einerseits und Universitäten ande­ realisiert wird, ist für 2012 angekündigt. rerseits wird öffentlich diskutiert, oft als gegen­ sätzliche Pole der Strategieentwicklung. Dabei Über drei Millionen 18- bis 24-jährige Süd­ spielen Schnittmengen zwischen beiden Berei­ afrikaner haben nach dem Schulabschluss chen keine Rolle und werden bislang kaum weder den Weg ins Berufsleben noch Anschluss erkannt, obwohl dies der gewünschten Ver­ an weitere Bildungsmöglichkeiten gefunden.­ mittlung anwendungsorientierter Fertigkeiten Daher kommen dem tertiären Bildungssegment ent­gegen­käme. In Zukunft könnten deutsche Schlüsselaufgaben für die wirtschaftli­ che­ und Hochschulen mit entsprechenden Profilen hier soziale Zukunftsfähigkeit Südafrikas zu. ein Kooperationsfeld finden.

zu den Programmen des DAAD, ­Stellen­­bosch University Gigband, der Alumni-Arbeit, der deut- featuring DAAD Alumni-Präsi- schen Hochschul- und For- dent Chats Devroop (Saxofon), schungslandschaft sowie zur begleitet. Navigation durch entsprechen- de Online-Angebote ­wurden Die Rückmeldungen der Teil- Workshops angeboten, in nehmer waren überaus positiv: denen sich die Stipendiaten mit Es sei gelungen, eine DAAD- ­Themen wie dem Verfassen von ­Fellowship-Identität zu erzeu- Förderanträgen, dem Selbst- gen, den Stipendiaten die nach- und Zeitmanagement und der haltig ausgerichtete Motivation akademischen Karriereplanung der DAAD-Förderung zu vermit- beschäftigten. In moderierten teln und sie untereinander zu Workshops ging es um Fragen vernetzen. Die Workshops wur- im Vorfeld eines konkreten den zudem als sehr konstruktive Erstes DAAD-In-Country- DAAD-Stipendiaten- Promotionsvorhabens, um die Begleitung der wissenschaft- Stipendiatentreffen: treffen Zusammenarbeit zwischen lichen Projekte angenommen. 77 südafrikanische Master- Doktoranden und Betreuern Das DAAD-IC konnte überdies und Ph.D.-Kandidaten 77 südafrikanische Master- und sowie um den Umgang mit seine Kontakte zur Universität ­kommen in Stellenbosch Ph.D.-Kandidaten nahmen am Themenausrichtung und -struk- Stellenbosch, die sich erneut zusammen. 1. Treffen der DAAD-In-­Country- turierung, wie sie bei Langzeit- als ausgezeichneter Partner Stipendiaten vom 25. bis 27. No­­ projekten häufig auftreten. Den präsentierte, und zu anderen vember in Stellenbosch teil. Das kulturellen Rahmen der Eröff- Univer­sitäten vertiefen. Treffen wurde von General­ nung bot das Crossover-Duo konsul Hans-Werner ­Bussmann ­Mahororo (Cello und Mbira). eröffnet. Neben Plenar­veran­ Der Besuch auf einem ­Weingut staltungen mit Informa­tionen wurde ­musikalisch von der

38 Afrika : Nairobi / Johannesburg

Schwerpunkte des IC Johannesburg

Stärkerer Deutschlandbezug der Stipendiaten Obwohl der DAAD in einem gemeinsamen Programm mit der National Research Foundation­ (NRF) jährlich bis zu 100 In-Country-­Stipendien für Masterstudierende und Doktoranden bereit­­stellt, fehlt dem Programm bislang ein wirksamer Deutschlandbezug. Der DAAD ver­ stärkte seine Bemühungen um eine nach­haltige Zusammenarbeit mit dieser Stipendiaten­gruppe. Erstmals wurden die DAAD-NRF-Stipendiaten Netzwerk­arbeit des DAAD durch die Förderung Gemeinsame Zukunft: zu einem landes­weiten Treffen eingeladen. Es von Exzellenzzentren in der Region sowie die Die gesamtafrikanische erwies sich als eine der effizientesten Koope­ Initiativen zur Qualitätssicherung der Hoch­ Rektorenkonferenz CORE- rationsveranstaltungen mit südafrikanischen schulen in Ostafrika, an denen auch in anderen VIP hat einen einheitlichen Partnern in den letzten Jahren. Der DAAD stellte Subregionen Interesse bestünde. Nachdem das Forschungsraum im Blick. außerdem 15 zusätzliche Stipendien für For­ African Network of Science and Technology schungskurzaufenthalte in Deutschland bereit. Institute seine Rektoren­ - und Dekanskonferenz Für den Ausbau der Kontakte mit Deutschland COVIDSET aus Sicherheitsgründen von Abuja warb das Informationszentrum (IC) des DAAD nach Johannesburg verlegen musste, nahm das auf mehreren ­Veranstaltungen: Bei der Eröff­ DAAD-IC auch daran beobachtend teil. nung der 1. NRF Winter School für Postgradu­ ierte, an der eine Reihe von DAAD-In-Country- In der ersten Jahreshälfte erarbeitete das DAAD- Geförderten teilnahm und bei der Graduierung IC eine Alumni-Verbleibstudie, die auch der der DAAD-In-Region-Stipendiaten im prestige­ Vorbereitung auf das geplante nationale Alumni- Über drei Millionen Süd­ reichen LL.M.-Kurs „Human Rights und Demo­ Treffen 2012 dient. 290 Kontaktdatensätze von afrikaner haben nach dem cratisation in Africa“. DAAD-Alumni und deutschen Hochschulen Schulabschluss weder den konnten durch die Studie aktualisiert werden, Weg ins Berufsleben noch Ende März fand in Stellenbosch die gesamt­ insgesamt führen die DAAD-Datenbanken gut Anschluss an ­weitere Bil- afrikanische Rektorenkonferenz COREVIP 2.000 südafrikanische Einträge. dungsmöglichkeiten statt, die den Aufbau eines „African ­Higher gefunden – dem tertiären ­Education and Research Space“ (AHERS) anvi­ Germanistik und Deutsch als Bildungssegment kommt siert. Wichtige Themen waren dabei Schwer­ Fremdsprache eine Schlüssel­aufgabe für punktbereiche wie Informations- und Kom­ Nachdem die Zahl der Deutschlerner an süd­ die wirtschaftliche und munikationstechnologien an den Hochschulen afrikanischen Schulen und Hochschulen in soziale Zukunftsfähigkeit sowie die Schaffung von regionalen Exzellenz­ jüngerer Zeit rückläufig war, zeigten die Imma­ Südafrikas zu. zentren und Netzwerken. Das Südafrikateam trikulationszahlen an mehreren Hochschulen­ des DAAD-IC und der Lektorenkolleginnen jüngst positive Trends auf. Dennoch sind weckte mit einer Präsentation­ und einem weitere Deutsch-Institute von der Schließung Informationstisch großes Interesse. Unter den bedroht. Mit der geplanten und nachvollzieh­ Spitzenvertretern­ der afrikanischen Hoch­ baren Stärkung afrikanischer Sprachen als uni­ schulen fanden sich zahlreiche DAAD-Alumni. versitärem Lehrangebot wird die Werbung für Als vorbildlich würdigten die Vertreter der Asso­ das Deutschstudium mit noch schwierigeren ciation of African Universities die regionale Voraussetzungen leben müssen. Auf Initiative ›

39 Nachdem die Zahl der der Deutschen Botschaft beschäftigt sich eine Deutschlerner an südafri- Fachgruppe aus Vertretern des Goethe-Instituts, kanischen Schulen und des DAAD, der Zentralstelle für das Auslands­ Hochschulen in letzter Zeit schulwesen sowie der Deutschen Schulen und rückläufig war, zeigten die der Außenhandelskammer mit der Koordinie­ Immatrikulations­zahlen an rung von landesweiten Initiativen zur Stärkung mehreren Hoch­schulen des Faches sowie mit der bildungspolitischen jüngst positive Trends auf. Lobbyarbeit und dem Marketing vor Ort.

Der DAAD unterstützte die Tagung „Magie und Sprache“ des Germanistenverbands im südli­ chen Afrika, der seine Zusammenarbeit mit dem westafrikanischen Fachverband stetig aus­ baut. Für die Tagung „Hospitality and Hostility in the Multilingual Global Village“ an der Uni­ versität Witwatersrand (Wits) in Johannesburg konnten dank der DAAD-Unterstützung inter­ national renommierte Germanisten als Haupt­ referenten gewonnen werden. Das DAAD-IC lud Phillip Khabo-Köpsell, einen junger Poetry Performer mit südafrikanischen Wurzeln aus Berlin, zur Konferenz in die Deutschabteilun­ gen der Wits und der Universität Stellenbosch ein und vermittelte ihn zu einem Poetry Slam ans Goethe-Institut Johannesburg. «

40 Afrika : Nairobi / Johannesburg

Tabelle 3 : Statistischer Überblick Kenia 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 580.367 km2 Studiengebühren / Studienjahr 2011/12 * Bevölkerungszahl 41 Mio. an staatlichen Institutionen ca. 680 Bevölkerungsdichte 67 Einw./km2 an privaten Institutionen ca. 2.700-12.000 Bevölkerungswachstum 2010 2,6 % Ausländische Studierende Urbanisierungsgrad 2010–15 (geschätzt) 26 % 1 nach Herkunftsländern 2009: Lebenserwartung (geschätzt) 59,5 Jahre USA 881 Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 2. Wirtschaftsdaten davon in Deutschland, WS 2009/10 518 BIP * 37 Mrd. BIP pro Kopf * 875 Beliebteste Zielländer für Studierende 2009 Anteil am globalen BIP 0,051 % USA 5.780 Knowledge Economy Index (KEI) 2009 Rang 113 Großbritannien 2.394 Wirtschaftswachstum 4,3 % Australien 1.426 Inflation (geschätzt) 13 % Malaysia 658 Arbeitslosigkeit 2008 40 %

Anstieg Güter-Export im Vergleich zum Vorjahr 10,2 % * Angaben in US-Dollar

3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 1 4,2 % jährliche Veränderung Staatliche Bildungsausgaben im Haushaltsjahr 2011/12 * Quellen: Gesamthaushalt 12,7 Mrd. Kenya National Bureau of Statistics Hochschuletat 2011/12 606 Mio. Kenya Commission for Higher Education: Report 2010 Hochschultypen The World Bank. Data and Statistics. December 2011 Öffentliche Hochschulen 7 3 www.web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/COUNTRIES/AFRICAEXT/ „Constituent Colleges“ öffentlicher Hochschulen 13 KENYAEXTN/0,,menuPK:356536~pagePK:141132~piPK:141109~theSiteP K:356509,00.html Private Hochschulen mit staatlicher Anerkennung 11 The World Bank. KEI and KI Indexes 2009 Private Hochschulen mit vorläufiger oder 3 www.info.worldbank.org/etools/kam2/KAM_page5.asp befristeter staatlicher Anerkennung 13 Index Mundi. Kenya Demographics Profile 2012 Anzahl der Hochschulen gesamt 44 3 www.indexmundi.com/kenya/demographics_profile.html staatlich 20 Kenya Open Data. IMF World Economic Outlook 2011 www.opendata.go.ke/Financial-Sector/IMF-World-Economic-Outlook-2011- privat 24 3 Kenya-GDP-Per-Capi/m57k-5r2b Anzahl Hochschullehrer 2010 9.000 State House Kenya. Budget Statement for the Fiscal Year 2011/12 davon promoviert (nur staatliche Hochschulen) 2.000 3 www.statehousekenya.go.ke/publications/07-06-2011-12-BudgetSpeech- davon ordentliche Professoren 300 Distribution%20Final%20_MF.pdf Eingeschriebene Studierende 2010 183.000 International Monetary Fund: World Economic Outlook Database, January 2011 www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2010/02/weodata/index.aspx an staatlichen Institutionen 146.000 3 German Trade and Invest: Wirtschaftsdaten Kompakt: Kenia, November 2011 an privaten Institutionen 37.000 3 www.gtai.de/ext/anlagen/PubAnlage_7775.pdf Frauenanteil 38 % CIA Factbook: Kenya, January 2011 Ausländische Studierende k.A. 3 www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/ Studierende der Naturwissenschaften 2010 29 % World University News: Articles on Kenya in 2011 Studierende der Geisteswissenschaften 2010 71 % 3 www.universityworldnews.com U.S. International Institute of Education, Open Door Data, January 2011 Doktoranden 2010 1.900 3 www.iie.org/en/Research-and-Publications/Open-Doors/Data Abschlüsse 2009 DAAD, HIS: Wissenschaft Weltoffen, 2011 Bachelor’s Degree k.A. 3 www.wissenschaft-weltoffen.de/daten/1/2/1 Master’s Degree (nur öffentliche Hochschulen) 3.240 Kenya Commission for Higher Education: Report 2011 Doctorate (nur öffentliche Hochschulen) 220 Kenya commission for Higher Education. Status of Universities in Kenya. 3 www.che.or.ke/status.html

41 Afrika : Nairobi / Johannesburg

Tabelle 4 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Kenia

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 57 I. individualförderung – gesamt A 243 1. nach Status D 46 grundständig Studierende A 13 D 5 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 219 D 4 davon Doktoranden A 108 D 6 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 11 2. nach Förderdauer D 2 < 1 Monat A 5 D 49 2–6 Monate A 27 D 6 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 211 3. nach ausgewählten Programmen D 2 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 34 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 8 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 115 D 2 Lektoren A D 1 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 1 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 3 D 46 Praktikanten A 7 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 1

D 92 II. Projektförderung – gesamt A 343 1. nach Status D 33 grundständig Studierende A 19 D 25 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 124 D 6 davon Doktoranden A 56 D 34 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 200 2. nach Förderdauer D 60 < 1 Monat A 309 D 30 2–6 Monate A 11 D 2 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 23 3. nach ausgewählten Programmen D 29 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 1 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 11 D Austausch in Projekten (PPP) A

D 149 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 586 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 735

42 Mexiko-Stadt „Wir müssen uns nicht verstecken“

Das Bild Mexikos in Deutschland wird in ­erster Generell ist Mexiko weiterhin ein Schwellen­ Linie durch Schlagworte wie „Urlaub in der Kari­ land mit einer wachsenden Industrie auf der bik“, „Drogenkrieg“ und vielleicht auch „Proble­ einen Seite und einer großen Bevölkerungs­ me der Megacity Mexiko-Stadt“ geprägt. Es gibt gruppe in Armut (47 Prozent von 112 Millionen jedoch noch eine Vielzahl anderer Realitäten. Einwohnern) auf der anderen Seite. Viele Men­ schen können sich nur durch Erwerbstätigkeit Die Wirklichkeit der mexikanischen Hochschul­ im informellen Sektor (67 Prozent) ernähren. landschaft näher zu erkunden, war das Ziel Für die Finanzkraft des Staates ist dies beson­ des Besuchs eines deutschen Fachjournalisten ders ungünstig. Auch wenn sich offiziellen im Februar 2011. Im März war dann in der Angaben zufolge in den vergangenen Jahren Wochenzeitung Die Zeit die Feststellung einer die Steuermoral verbessert haben soll, fehlen Dr. Hanns Sylvester leitet mexikanischen Hochschulvertreterin in Bezug dem Staat die Mittel zur adäquaten Förderung die Außenstelle Mexiko- auf internationale Kooperationen zu lesen: des Bildungswesens. Stadt seit 2009. Die Außen- „Wir müssen uns nicht verstecken.“ stelle besteht seit 2001 und Selbst in der Hauptstadt haben 17 Prozent der hat zurzeit sechs Mitarbei- Ähnlich positive Eindrücke von den Studien­ jungen Menschen weder Ausbildung noch terinnen und Mitarbeiter. bedingungen gewann eine Gruppe von Journa­ Arbeit (sogenannte „ninis“, „ni educación, ni listik-Studierenden, die im Rahmen der DAAD- trabajo“). Weil in den strukturschwachen Pro­ Kampagne „go out! studieren weltweit“ im Sep­ vinzen wie Michoacán und Chiapas dieser Wert tember mit deutschen Kommilitonen in Mexiko sogar 26 Prozent erreicht, liegt der landesweite und Vertretern der jeweiligen Univer­sitäten Durchschnitt dieser orientierungslosen Jugend­ sprach. In Artikeln, Radio- und Videobeiträgen lichen bei 20,9 Prozent. Somit kann ein Fünftel sowie Blogs auf der „go out!“-Webseite und der jungen Mexikaner nicht zur Entwicklung bei den Medienpartnern der Kampagne veröf­ des Landes beitragen und ist zudem anfällig für fentlichten sie ihre Eindrücke: Mexiko ist ein kriminelle Aktivitäten. Dafür bietet die Lage attraktives Studienland.­ Mexikos zwischen den Produktionsstätten für Rauschgift im Süden und dem Hauptabnehmer Die Förderzahlen des DAAD bestätigen diese im Norden günstige Voraussetzungen. Beobachtungen. Während 2008 genau 440 deut­ sche Geförderte nach Mexiko gingen – nach Die Regierung hat den Mangel an Arbeitsplät­ einem Einbruch 2009 wegen der H1N1-Grippe –, zen als eine weitere Ursache der Kriminalität stieg die Zahl im Jahr 2010 auf 581 Personen. erkannt. Auch wenn 2011 von offizieller Seite Vor allem mehr Studierende kamen nach die Schaffung hunderttausender neuer Arbeits­ ­Mexiko, was auf ein gutes Image der Hoch­ plätze als Erfolg verkündet worden ist, so schulen zurückzuführen ist. sind ähnlich erfreuliche Entwicklungen in der

44 AMErikA : MexiKo-stadt

Vergangenheit stets vom Bevölkerungswachs­ NACHwUCHSJoUrNALiStEN-rALLYE iN MEXiko tum aufgezehrt worden. Den Wirtschaftsda­ Gemeinsam mit dem ten zufolge steigt das Einkommensniveau in Bundesministerium Mexiko nicht in vergleichbarer Weise wie in für Bildung und Brasilien oder Chile. Mexiko verharrt auf dem Forschung (BMBF) Stand einer günstigen Fertigungsstätte mit schickte der DAAD geringer Innovationsleistung. Die Politiker und mit der Nachwuchs- die Medien sind auf ausländische Investitionen journalisten-Rallye fixiert, die aber in der Regel wieder nur auf „Go out!“ drei Teams die Schaffung neuer Fertigungsstätten hinaus­ rund um die Welt. laufen. Deshalb steht Mexiko weiterhin in der Die je dreiköpfigen Teams waren vom 26. September bis zum 10. Okto- Konkurrenz mit anderen Billiglohnländern ber 2011 auf drei verschiedenen Routen unterwegs, in Indien, Osteuropa und kann ganze Wirtschaftsbereiche an diese und Lateinamerika. Konkurrenten verlieren, wie bereits die Textil­ industrie. Als Produktionsstätte für die zahl­ reichen Exporte in die USA macht Mexiko Industrie, der petrochemischen Industrie und für die Entwicklung Mexi- außerdem alle Schwankungen im Konsum­ des Tourismus meist im Küstenraum konzen­ kos spielen innovationen verhalten des großen Nachbarn mit. triert. In jüngster Zeit fokussieren sich die eine wichtigere rolle als Werksneugründungen ausländischer Investo­ ausländische investitionen Der DAAD stellt aber fest, dass zumindest in den ren auf das zentrale Hochland von Puebla im – dies wird an mexikani- mexikanischen Hochschulen die große Bedeu­ Süden bis Guadalajara im Norden. Zugleich schen Hochschulen erkannt tung von Innovation statt ausländischer Investi­ wandern nach Angaben der deutschen Außen­ und hier bieten sich inter- tionen für die Entwicklung des Landes erkannt handelskammer Industriebetriebe aus den essante kooperationsfelder wird. Hier bieten sich interessante Kooperations­ nördlichen Grenzregionen aus Sicherheits­ für deutsche Hochschulen. felder, in denen deutsche Hochschulen eine gründen ab. Im vergangenen Jahr soll der Tou ­ wichtige und von den mexikanischen Partnern rismussektor, ausgehend von einem ausge­ nachgefragte Rolle spielen können. sprochen niedrigen Niveau 2009 wegen der H1N1­Grippe, wieder deutlich zugelegt haben. › Mexikanische realitäten

Im Vergleich zu Deutschland hat Mexiko eine etwa fünfeinhalbmal so große Gesamtfläche. Vielfältige Zwischen den wenigen Ballungszentren mit Hochschullandschaft mehreren Millionen Einwohnern liegen weite Gebiete mit einfacher ländlicher Struktur. Entwicklungsunterschiede sind deutlich, wenn­ Kooperationen erwünscht gleich eine Grundinfrastruktur auch in den Attraktives Studienland Provinzen gegeben ist. Aber im Bildungswesen sind die Ballungszentren klar im Vorteil, wie Starkes Interesse es an der höheren Dichte von weiterführenden an Deutsch Schulen und Hochschulen abzulesen ist. Ausgezeichnete Ebenso ist auch die Wirtschaftskraft Mexikos Forschungsbedingungen auf einzelne Schwerpunkte der fertigenden

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friedensmärsche und Unternehmer, sondern auch verzichten. Dieses Abkommen, die Katholische Bischofskon- unterzeichnet von zahlreichen Mehrtägiger friedens- Angeführt vom Schriftsteller ferenz sowie die Zapatisten- großen Tageszeitungen, Zeit- marsch: Mexikaner Javier Sicilia protestierten wäh- Guerilla. Trotz vieler Unter- schriften, Fernseh- und Radio- demonstrieren geschlos- rend eines mehrtägigen Frie- schiede und Probleme in der sendern sowie Internetnach- sen gegen Gewalt. densmarsches Ende April meh- mexikanischen Gesellschaft ver- richtendiensten, soll verhindern, rere zehntausend Menschen deutlichten die zahlreichen von dass das organisierte Verbre- in Mexiko-Stadt und in über Mexikanern initiierten Kund- chen durch die mediale Bericht- 30 weiteren Städten. Sicilias gebungen im Ausland das große erstattung eine Plattform zur Sohn war zusammen mit sechs Verlangen, der Gewalt endlich Selbstdarstellung erhält. Die anderen Jugendlichen einige ein Ende zu setzen. zehn formulierten Kriterien Wochen zuvor ermordet wor- sollen darüber hinaus Opfer und den, woraufhin der Autor einen Journalisten schützen. emotionalen Artikel voller Kritik Medien an den immer drastischeren Zuständen in Mexiko verfasste. Im März 2011 unterzeichneten Seine Worte trafen den Nerv der 715 Medienvertreter eine Erklä- mexikanischen Bevölkerung, so rung, in der sie sich zu professi- dass sich daraufhin eine breite oneller Berichterstattung über Öffentlichkeit formierte. Ihre die Sicherheitslage in Mexiko Solidarität mit Sicilia und ihren verpflichten. Die Berichterstat- Unmut über die anhaltende tung der Medien soll künftig Gewalt im Drogenkrieg und die ihren Fokus auf die Darstellung Korruption im Land äußerten der Fakten beschränken und nicht nur Intellektuelle, Bauern auf propagandistische Einflüsse

Einige Tourismuszentren wie Acapulco oder löst der Druck der Ordnungskräfte heftige Mazatlán leiden dennoch wegen der ausblei­ Auseinan dersetzungen zwischen den Kartellen benden Kreuzfahrtschiffe erheblich. Die Rück­ aus, die ihre Claims für den Drogen­, Waffen­ überweisungen der im Ausland arbeitenden und Menschen handel ständig neu abstecken Mexikaner haben offensichtlich zu Beginn des müssen. Da in dieser Situation auch die Krimi­ Jahres 2011 zugenommen. Allerdings wurde nalität außerhalb des organisierten Verbrechens dieser Mehrwert durch den starken Peso gegen­ zunimmt, ist es äußerst ratsam, sich an die Reise­ über dem US­Dollar gemindert, so dass in den hinweise des Auswärtigen Amtes zu halten. Zeitungen erneut von steigender Kinderarbeit berichtet wird. Andere Kommentatoren schrei­ Im Juli 2012 wird in Mexiko ein neuer Präsi­ ben hingegen über positive wirtschaftliche dent gewählt. Abhängig von diesem Wahl­ Entwicklungen durch die Rücküberweisungen ausgang wird sich der Umgang mit der organi­ nach Mexiko. sierten Kriminalität verändern, denn die Kan­ didaten der verschiedenen Parteien vertreten Die Sicherheitslage ist durch den hohen Verfol­ hierbei unterschiedliche Auffassungen. gungsdruck auf die Drogenkartelle durch die Bundespolizei und das Militär gekennzeichnet. Ein besonders erfreulicher Aspekt ist das Die häufigen Erfolgsmeldungen der staatli­ kulturelle Leben in Mexiko, das sowohl in den chen Institutionen können aber nicht darüber Ballungszentren als auch in den kleineren hinwegtäuschen, dass sich der Nachwuchs Städten von einer außerordentlichen Dichte der Kartelle schnell rekrutieren lässt. Zudem der Veranstaltungen, hoher Qualität und reger ›

46 im Stadtteil Polanco ist das Museo Soumaya nach kurzer Zeit ein Publikumsmagnet geworden. Nicht nur von der Avenida reforma aus ist die Bicen- tenario-Stele ein Blickfang.

15­monatiger Verspätung fertiggestellt werden. Sie bietet nachts in Mexiko­Stadt einen ein­ drucksvollen Orientierungspunkt.

Hochschulen Auch wenn die erste Hochschulgründung in Mexiko auf das 16. Jahrhundert zurückgeht, reichen die Wurzeln heutiger Universitäten nur bis ins frühe 19. Jahrhundert. Die größte staatliche Universität, die Universidad Nacio­ nal Autónoma de México (UNAM), entstand 1910. Ihr folgten kurz darauf weitere staatliche Hochschulen, bis Mitte des 20. Jahrhunderts der Boom von privaten Hochschulgründungen begann. Heute zählt Mexiko 3.852 Hochschulen unterschiedlichen Typs und unterschiedlicher Kapazität. Als echte akademische Bildungs­ einrichtungen können die Universitäten (Uni­ versidades Públicas) und die Technologischen Institute (Institutos Tecnológicos Públicos) angesehen werden, weil sie vielfältige Aktivi­ täten in Lehre und Forschung entwickeln. Auch mit etwas geringer Fokussierung auf die Lehre sind die sehr kompetenten 27 Bundes­ forschungszentren (Centros Públicos de Investi­ gación) hochinteressant für Kooperationen mit deutschen Partnern.

Vor zehn Jahren gab es die ersten Gründungen Nachfrage gekennzeichnet ist. Zwei Projekte in von Technischen Universitäten (Universidades der Hauptstadt zeigen darüber hinaus die hohe Tecnológicas Públicas) und Polytechnischen Innovationskraft der mexikanischen Künstler Hochschulen (Universidades Politécnicas Públi­ und Architekten. Zum einen ist hier das Museum cas), die erst seit jüngstem auch akademische Eine Analyse der stark Soumaya des Industriellen Carlos Slim zu Abschlüsse anbieten und somit für Koopera­ heterogenen Hochschul- nennen: In dem futuristischen Bau sind etwa tionen mit deutschen Hochschulen attraktiv landschaft für mögliche 7.000 Exponate ausgestellt – ein Ausschnitt aus werden. Seit etwa zwei Jahren zeigen die kooperationen aus deut- Slims Privatsammlung von 65.000 Ob jekten Polytechnischen Hochschulen Interesse, mit scher Sicht erleichtern aus prähispanischer Zeit bis hin zu europäi­ deutschen Hochschulen zusammenzuarbei­ die Publikationen mexika- schen Künstlern des 20. Jahrhunderts. ten – neben den bestehenden Kooperationen nischer Akkreditierungs- mit französischen Politechnikons. Solch einen einrichtungen. Zum andern verfügt die Stadt über ein neues Wunsch äußerte beispielsweise die Universidad Wahrzeichen. Eine Bicentenario­Stele an der Tecnológica de Querétaro im Februar 2011 bei Avenida Reforma konnte aufgrund ihrer auf­ der Gründung eines Zweigwerks des deutsch­ wendigen aktiven Lichtinstallation erst mit französischen Luftfahrtkonzerns Eurocopter.

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wiSSENStrANSfEr

Am 3. Dezember 2011 stellten DAAD- Alumni von verschie- denen Hochschulen Die privaten Hochschulen bieten bis zur Pro­ Mexikos und Costa motion alle Abschlüsse an und unterscheiden Ricas auf dem Messe- sich erheblich in ihrer Größe und Qualität. gelände der Feria Internacional del Zurzeit gibt es laut der deutschen Hochschul­ Libro (FIL) gemeinsam mit Prof. Thomas Baaken von der Fachhochschule rektorenkonferenz 226 schriftlich fixierte Münster eine Publikation über Wissenstransfers aus den Hochschulen Kooperationen zwischen mexikanischen und in die Wirtschaft vor. Bei dieser Veranstaltung wurde auch der Beginn deutschen Hochschulen. Eine prominente Rolle einer Qualifizierungsmaßnahme von „Science to Business“-Experten in spielt dabei das DFG­Studienkolleg „Zwischen einem Verbund von Hochschulen aus Deutschland, Mexiko und Costa den Räumen“ an der Akademie der Wissen­ Rica ab 2013 bekannt gegeben. schaften COLMEX (El Colegio de México). Am COLMEX und an der UNAM ist auch der Mit der gleichen The- DAAD­geförderte Lehrstuhl „Cátedra Guillermo matik wandte sich y Alejandro de Humboldt“ beheimatet, der seit die mexikanische August 2011 mit dem Soziologen Dr. Günther Rektorenkonferenz Maihold besetzt ist. Die Veranstaltungen des ANUIES (Asociación Lehrstuhls im zweiten Halbjahr zur Sicherheit Nacional de Universi- in Lateinamerika und zum kommenden Welt­ dades e Instituciones gipfel G20 in Cancún 2012 wurden viel beachtet. de Educación Supe- rior) an den DAAD und bat um eine Informationsreise für Rektoren und Eine Analyse der stark heterogenen Hochschul­ Direktoren mehrerer autonomer Universitäten nach Deutschland. Das landschaft für mögliche Kooperationen aus Ziel: Kennenlernen der Verbindung zwischen Hochschule und Wirtschaft. deutscher Sicht erleichtern die Publikationen mexikanischer Akkreditierungseinrichtungen wie zum Beispiel COPAES (Consejo para la Acre­ in Lehre, Forschung und Entwicklung. Damit ditación de la Educación Superior, www.copaes. befasste sich auch 2011 in mehreren Foren org.mx). Informativ ist auch die PNPC­Liste eine Gruppe von Alumni, die an verschiedenen Von 2008 bis 2010 bewar- (Programa Nacional de Posgrados de Calidad) Hochschulen in Mexiko arbeiten. ben sich jährlich zwischen des nationalen Forschungs­ und Technologierats 880 und 980 mexikanische CONACYT (Consejo Nacional de Ciencia y Für die deutsch­mexikanische Hochschulkoope­ Akademiker erfolgreich um Tecnología). Sie gibt eine Übersicht von post­ ration gibt es weitere aktuelle Themenfelder, ein DAAD-Stipendium für gradualen Programmen, an die CONACYT nach die sich auch der politischen Unterstützung den Besuch einer deut- Evaluierung seine Master­ und Promotionsstipen ­ von mexikanischer Seite erfreuen. Dies sind schen Hochschule oder for- dien vergibt. Um sich vor Ort besser orientieren Wasserversorgung, erneuerbare Energien und schungseinrichtung. zu können, wurden deutsche Hochschuldelega­ Bio diver sität. So verglich der mexikanische Prä­ tionen bei Besuchen in Mexiko zeitweise von sident Calderón im März die bedrohliche Lage Mitarbeitern der DAAD­Außenstelle begleitet. bei der Versorgung mit sauberem Trink wasser Darüber hinaus bot die Außenstelle ein Forum mit der Situation in einigen afrikanischen für die Begegnung der Delegationen mit Vertre­ Ländern. Die Energieversorgung konnte Mexi­ tern mexikanischer Forschungseinrichtungen. ko in den vergangenen 20 Jahren nur durch die Beide Maßnahmen erhielten ein positives Echo. Verwendung von mehr fossilen Brennstoffen sichern. Dass jetzt eine Wendemarke erreicht Ein Querschnittsthema, das nahezu alle mexi­ worden ist, zeigen die geplanten Investitio­ kanischen Hochschulen gespannt verfolgen, nen in Windenergieparks in den Provinzen ist die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Baja California und Oaxaca, die sich bis 2015 ›

49 friDA-kAHLo-StiPENDiEN

Marketing und Mobilität

Von 2008 bis 2010 bewarben sich jährlich zwischen 880 und 980 mexikanische Akademi­ ker erfolgreich um ein DAAD­Stipendium für den Besuch einer deutschen Hochschule oder Forschungseinrichtung.

2011 zeigten mexikanische Schüler, Studierende und Graduierte ein stark wachsendes Interes­ se an Studien­ und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland. Ebenso stiegen die Besucher­ zahlen der DAAD­Informationsveranstaltungen, ohne jedoch bisher zu mehr Bewerbungen zu führen. Es ist zu vermuten, dass der Schritt vom Interesse an den deutschen Angeboten zur In den nächsten Jahren werden der DAAD und das mexikanische Außen- Identifikation eines konkreten Studien­ oder ministerium Künstlerinnen aus Deutschland und Mexiko für ein Jahr Forschungsortes noch nicht benutzerfreundlich fördern. Claudia de la Torre Álvarez (oben) arbeitet in Karlsruhe an genug gestaltet ist. Deshalb berät und unter­ multi disziplinären Installationen zum Archivieren. Stephanie Hecht stützt der DAAD dazu gezielt. inszeniert in Mérida ein Tanztheaterstück über das Aufeinandertref- fen indigener und spanischer Kultur im 16. Jahrhundert. Ab 2012 wird 2011 lud die DAAD­Außenstelle zu Veran stal­ Corinna von der Groeben mit ihren Fotografien das tägliche (Über-) tun gen rund um Forschungsmarketing in den Leben in den Vorstädten von Mexiko-Stadt dokumentieren. Bundesforschungszentren des CONACYT ein – ge meinsam mit den nationalen Vertreterinnen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf insgesamt 11,7 Mio. Euro belaufen sollen. und der Alexander von Humboldt­Stiftung. Die Ein möglicher weiterer Projektbereich könnte Veranstaltungen fanden am CIDETEQ ( Centro nach Angaben des nationalen Statistikinstituts de Investigación y Desarrollo Tecnológico in Mexiko arbeiten etwa INEGI (Instituto Nacional de Estadística y Geo­ Querétaro) in Querétaro und am IIE (Instituto 3.000 DAAD-Alumni in Ver- grafía) die Erstellung eines Inventars der ver­ de Investigaciones Eléctricas) in Cuernavaca waltung, wirtschaft und schiedenen biologischen Spezies im Altiplano statt: Die dort tätigen Forscher und Graduierten Hochschulen. Grundsätz- im Rahmen des staatlichen Aktionsplans gegen interessierten sich stark für eine Zusammen­ lich ist die Bereitschaft zur den Klima wandel sein. Mexiko liegt weltweit, arbeit mit deutschen Forschungseinrichtungen. Zusammenarbeit mit deut- was die Artenvielfalt betrifft, an zweiter Stelle schen Partnern stark aus- und bietet somit exzellente Möglichkeiten der In der ersten Oktoberwoche tourte die erste geprägt. Klimafolgenforschung. EuroPosgrados­Roadshow durch Mexiko. Sie führte 35 Aussteller (darunter drei deutsche Generell stellt Mexiko ein reizvolles Land für Hochschulen, ein Konsortium und zwei Exceed­ ausländische Studierende und Wissenschaftler Partnerschaften) nach Guadalajara, Querétaro dar. Das belegt nicht nur die wachsende Zahl und Mérida. Rund 3.200 Besucher informierten der Deutschen in Mexiko – laut nationalem sich über postgraduale Studienmöglichkeiten Statistikinstitut hat sich die Zahl der auslän­ in Europa. Die DAAD­Außenstelle Mexiko wie dischen Studierenden in Mexiko von 2000 bis auch die Mitorganisatoren Campus France 2011 verdoppelt. (Frankreich), Nuffic / Neso (Niederlande) und

50 AMErikA : MexiKo-stadt

Universidad.es (Spanien) sind sehr zufrieden DEUtSCHEr PAViLLoN AUf DEr BUCHMESSE iN GUADALAJArA mit der hohen Besucherzahl in den Provinzen. Zur 25. Internatio- Es scheint auch außerhalb der Zentralregion nalen Messe FIL und im bisher weniger beachteten Süden Mexi­ (Feria Internacional kos ein Potenzial für die deutsch­mexikanische del Libro) für den Hochschulzusammenarbeit zu geben. spanischsprachigen Buchmarkt vom 26. November bis Alumni 4. Dezember war Deutschland als In Mexiko arbeiten etwa 3.000 DAAD­Alumni Gastland eingeladen. in Verwaltung, Wirtschaft und Hochschulen. Den mehr als In unterschiedlichem Maße kooperieren sie 650.000 Besuchern präsentierte sich Deutschland mit einer Vielzahl mit deutschen Organisationen, Firmen und von Verlagen und Autoren im Deutschen Pavillon. Dort war auch der Hochschulen; grundsätzlich ist die Bereitschaft DAAD mit einem gut besuchten Informationsstand vertreten. Er unter- zur Zusammenarbeit mit deutschen Partnern stützte vor allem die Aktivitäten der parallel verlaufenden FIL-Acadé- stark ausgeprägt. Um die in verschiedenen mica: Er entsandte 24 deutsche Wissenschaftler in die verschiedenen Fach gebieten tätigen Alumni besser anzu­ wissenschaftlichen Kongresse und förderte drei Alumni-Seminare. sprechen, hat die DAAD­Außenstelle Mexiko seit zwei Jahren eine Reihe von Fachveran­ staltungen mit den Ehemaligen organisiert – der Zuspruch ist groß. Das Spektrum reicht förderung der von Architektur über Automobilkonstruktion, deutschen Sprache Chemie, Philosophie bis hin zur Umwelttech­ nologie. Deutsche Wissenschaftler werden als Das Interesse von Studierenden an der deutschen Gastredner eingeladen, was zumeist der erste Sprache ist nicht nur in den großen Städten, Schritt für künftige gemeinsame Vorhaben sondern auch in der Provinz stark. Verschiedene ist. Im Jahr 2011 wurden mehr als 20 solcher Anbieter und Hochschulen verzeichnen hier eine Treffen durchgeführt, und vielfach nahmen hohe Nachfrage nach Anfängerkursen. Wird auch Vertreter der Deutsch­Mexikanischen im Studium jedoch Deutsch als zweite Fremd­ Handels kammer, deutscher Firmen und Orga­ sprache gewählt, nimmt die Zahl der Teilnehmer nisationen daran teil. in den höheren Semestern nach Absolvieren der Pflichtkurse schnell ab. Dennoch bewerben Ein Höhepunkt war für eine kleine Gruppe sich sehr viele Interessenten mit guten Deutsch­ von DAAD­Alumni das Treffen mit dem dama­ kenntnissen auf A2­Niveau für das DAAD­ ligen Bundespräsidenten Christian Wulff in Undergraduate­Programm für Ingenieurstudie­ der Residenz der Deutschen Botschaft im Mai rende. Der DAAD fördert mit vier Lektoraten die 2011. Die ehemaligen Stipendiaten berichteten Verbreitung der deutschen Sprache in Mexiko. über ihre Erfahrungen in Deutschland und Die Lektoren in Mexiko­Stadt (2), in Guadala­ betonten die besondere Bedeutung ihres mit jara (1) und Monterrey (1) unterstützen die DAAD­Mitteln finanzierten Aufenthaltes an dortigen Hochschulen in der Germanistik und deutschen Hochschulen. Der Bundespräsident im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Institu­ war sichtlich beeindruckt von den hervorragen­ tionell ist dies durch den Auf­ und Ausbau von den Deutschkenntnissen der Alumni und ihren Studiengängen abgesichert – teilweise in enger breit gefächerten Arbeitsgebieten. Kooperation mit deutschen Hochschulen. ›

51 ZEHN JAHrE DAAD-AUSSENStELLE iN MEXiko-StADt

Am 6. Dezember 2011 veranstaltete die Außenstelle Mexiko- Stadt einen Work- shop für Alumni, die 2011 ein kleines fachlich orientier- tes Alumni-Seminar durchgeführt hat- ten oder ein solches für 2012 planen. Mit der Kurzvorstellung ihrer Projekte zeigten die Alumni den Vertretern der deutschen Orga- nisationen im Publikum, welche thematische Bandbreite mit solchen Seminaren erreicht werden kann. Anschließend feierte die Außenstelle ihr zehnjähriges Bestehen gemeinsam mit den Alumni sowie Vertretern der Deutschen Botschaft, der Handelskammer CAMEXA, der politi- schen Stiftungen sowie der Deutschen Schulen und Medien. Die Plakate verschiedener Seminare aus dem vergangenen Jahrzehnt luden die Besucher zur Erinnerung ein. Gemeinsam mit der Vertreterin des mexi- kanischen DAAD-Alumni-Clubs Dr. Julieta Rojo wurde der Geburtstags- kuchen angeschnitten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Mexiko attraktive Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Wissenschaftler bietet und ein spannendes Zielland für deutsche Studierende ist. Die Forschungsbedingungen sind ausge­ zeichnet und die Hochschulen auf ausländische Studierende gut vorbereitet. Auch sollten die deutschen Hochschulen die Bewerbungen mexi­ kanischer Studierwilliger wohlwollend prüfen. Die Absolventen der vier deutschen Schulen in Mexiko verfügen über das Abitur, den Interna­ tional Bachelor oder den mexikanischen Bachil­ lerato General, wobei nur Letzterer den Besuch des Studienkollegs in Deutschland nötig macht. Die Bewerber um einen Studienplatz in post­ gradualen Angeboten sind hochmotiviert und besitzen gute Vorkenntnisse. Es ist zu wün­ schen, dass sich die gute deutsch­mexikanische Hochschulzusammenarbeit aufgrund dieser günstigen Voraussetzungen auch in den nächs­ ten Jahren weiter vertiefen wird. «

52 AMErikA : MexiKo-stadt

tabelle 5 : Statistischer Überblick Mexiko 2011

1. Grunddaten 1 Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 1.964.375 km2 Studiengebühren / Studienjahr * Bevölkerungszahl (Juli 2011, gesch.) 113.724.226 an staatlichen Institutionen bis zu 100 Frauen 58.137.262 an privaten Institutionen bis zu >10.000 Männer 55.586.964 Ausländische Studierende gesamt 2.880 Bevölkerungsdichte 2010 58 Einw./km2 nach Herkunftsländern 2007/08 Bevölkerungswachstum (gesch.) 1,1 % 1. USA 34,4 % Urbanisierungsgrad bei Entwicklungsländern 2010 78 % 2. Frankreich 15,5 % Altersdurchschnitt in Jahren (gesch.) 27,1 3. Kanada 6,3 % Frauen 28,1 4. Spanien 6 % Männer 26,0 5. Deutschland 5,5 % Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 2009 26.864 2. wirtschaftsdaten 2 davon in Deutschland 2010 1.607 BiP * (Atlas method) 1.008,0 Mrd. Bildungsausgaben in % des BiP (laut SEP) 6,6 % BiP * (PPP, current international) 1.621,38 Mrd. BiP pro kopf * (per capita, Atlas method) 8.890 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 5 BiP pro kopf * (per capita, PPP) 14.290 1. USA 14.606 Anteil am globalen BiP k.A. 2. Spanien 2.880 knowledge Economy index (kEi) 2009 rang 67 3. Frankreich 1.836 wirtschaftswachstum (GDP growth annual) 5,4 % 4. Deutschland 1.482 inflation (GDP deflator annual) 4,4 % 5. Großbritannien 1.327

3 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen * Angaben in US-Dollar Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2011 * 65,94 Mrd. Hochschulbildung 2010 7,93 Mrd. 1 CIA Factbook & Worldbank, Dezember 2011 2 Worldbank, Dezember 2011 mit Daten von 2010 Hochschultypen 3 DAAD, INEGI, Atlas of Student Mobility, UNESCO Institute for Statistics – Global Universidades Education Digest 2011 Institutos Tecnológicos 4 laut INEGI 2011, keine aktuelleren Angaben verfügbar Universidades Tecnológicas 5 nach UNESCO Institute for Statistics – Global Education Digest 2011 Universidades Politécnicas Quellen: Escuelas Normales (Lehrerausbildung) 3 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mx.html Anzahl der Hochschulen gesamt 2009/10 3.852 3 http://data.worldbank.org/country/mexico staatlich 1.685 3 http://info.worldbank.org/etools/kam2/KAM_page5.asp privat 2.167 3 http://quinto.informe.gob.mx/archivos/informe_de_gobierno/pdf/3_3.pdf Anzahl Hochschullehrer 2009/10 300.924 3 http://www.uis.unesco.org/Library/Documents/global_education_ digest_2011_en.pdf davon ordentliche Professoren k.A. 3 http://www.iie.org/Services/Project-Atlas/Mexico/International-Students- Eingeschriebene Studierende 2010/11 (gesch.) 2,614 Mio. In-Mexico an staatlichen Institutionen 1,81 Mio. 3 http://www.inegi.org.mx/Sistemas/temasV 2/Default.aspx?s=est&c=19007 an privaten Institutionen 2009 33 % 3 http://www.daad.de/ausland/studienmoeglichkeiten/laenderinformationen- Frauenanteil 2009 50 % und-studienbedingungen/00639.de.html?id=56&typ=land Anteil ausländischer Studierender 2007 2.880 Doktoranden 18.200 Abschlüsse 2010 4 424.754 Associate Degree k.A. Bachelor’s Degree 373.418 Master’s Degree 45.776 Doctorate 5.560 Professional Degree k.A. Frauenanteil 54 % Abschlüsse in Natur- und Ingenieurwissenschaften 23 % Abschlüsse in Geistes- und Sozialwissenschaften 73 %

53 Amerika : Mexiko-Stadt

Tabelle 6 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Mexiko

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 137 I. individualförderung – gesamt A 726 1. nach Status D 50 grundständig Studierende A 354 D 47 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 357 D 11 davon Doktoranden A 163 D 40 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 15 2. nach Förderdauer D 32 < 1 Monat A 28 D 43 2–6 Monate A 30 D 62 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 668 3. nach ausgewählten Programmen D 28 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 94 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 528 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 2 D 5 Lektoren A D 2 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 29 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 5 D 24 Praktikanten A 15 D 5 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 15

D 267 II. Projektförderung – gesamt A 333 1. nach Status D 168 grundständig Studierende A 96 D 68 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 116 D 9 davon Doktoranden A 29 D 31 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 121 2. nach Förderdauer D 66 < 1 Monat A 204 D 176 2–6 Monate A 97 D 25 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 32 3. nach ausgewählten Programmen D 160 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 74 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 48 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 97 D 9 Austausch in Projekten (PPP) A 2

D 404 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 1.059 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.463

54 New York „Wir sind die 99 Prozent“

Politische Blockade mit dem erzwungenen Regimewechsel in Liby­ en wichtige Erfolge zu verzeichnen. (Man ver­ Nachdem die Wahl des ersten afro-amerika­ gleiche die Kosten für den Regierungs­wechsel nischen Präsidenten Barack Obama im Jahre in Libyen, bei dem kein einziger amerikani­ 2008 von großen Hoffnungen auf Veränderung scher Soldat ums Leben kam, mit den Kosten begleitet war, stellt sich die Situation nach drei von 800 Mrd. US-Dollar für den von Obama Jahren seiner Amtszeit und nach dem sehr beendeten Irakkrieg seines Amtsvorgängers.) deutlichen Sieg der Republikaner bei den Zwi­ Allerdings besteht Konsens darüber, dass die schenwahlen 2010 eher als die einer allgemei­ entscheidende Frage – Wiederwahl oder nicht ner Blockade dar: Die republikanische Mehrheit – wie stets eine Frage der Wirtschaftslage im Abgeordnetenhaus verhindert, wo es eben sein wird: Wenn sich das Wirtschaftswachs­ geht, Gesetzes- und Personalvorschläge der tum nicht erhöht und die Arbeitslosigkeit von Regierung – man will dem amtierenden Präsi­ immer noch über 8 Prozent nicht deutlich Dr. Sebastian Fohrbeck denten keine Erfolge gönnen und seine Amts­ sinkt, werden den Republikanern gute Chancen ­leitet die Außenstelle New zeit möglichst auf eine Wahlperiode beschrän­ eingeräumt, die Wahl zu gewinnen. Allgemein York seit Anfang 2009. ken. Diese Blockadepolitik bezieht sich auch auf wird davon ausgegangen, dass das Schicksal Die Außenstelle besteht den von Obama vorgelegten Plan zur Belebung des amerikanischen Präsidenten auch stark von seit 1971 und hat zurzeit der Wirtschaft; selbst Elemente, die die Repub­ den Entwicklungen in Europa abhängt: Nur zwölf Mitarbeiterinnen likaner immer befürwortet haben, wie Steuer­ wenn es dort gelingt, die Euro- und Verschul­ und Mitarbeiter. erleichterungen für kleine und mittlere Unter­ dungskrise zu bewältigen, wird sich die Welt­ nehmen, werden auf einmal abgelehnt. Der wirtschaft so entwickeln, dass eine Wiederwahl große innenpolitische Erfolg der Regierung, die Obamas wahrscheinlich wird. Dies hat zu einer Krankenversicherung für alle, ist nach einer Prominenz der deutschen Bundeskanzlerin Klage, der fast die Hälfte aller Bundesstaaten Angela Merkel in den amerikanischen Medien beigetreten ist, jetzt vor den Gerichten gelan­ geführt, wie sie wohl keinem Bundeskanzler det. Eine Entscheidung des Supreme Court, des vor ihr zuteil geworden ist. amerikanischen Verfassungsgerichts, wird im Laufe des Jahres 2012 erwartet und könnte Die amerikanischen Staatsschulden waren 2010 die Wahlkampagne noch gehörig durcheinan­ mit 93,6 Prozent des Bruttosozialprodukts im derbringen, da die Verhinderung des im Gesetz Vergleich etwas höher als die des Euroraums enthaltenen „Versicherungszwangs“ für die mit 92,7 Prozent. Das Haushaltsdefizit 2010 lag Republikaner eine Glaubensfrage darstellt. in den USA mit 8,9 Prozent ebenfalls deutlich höher als im Euroraum mit 6 Prozent. Die eige­ Außenpolitisch hat Obama mit der Festnahme­ ne Schuldenkrise haben die Amerikaner nicht und Tötung des Al-Kaida-Chefs Bin Laden und in den Griff bekommen. Das zu diesem Zwecke

56 AMErikA : New YorK

Hochverschuldete Studierende

Präsent in social media eingesetzte überparteiliche „Super­Komitee“ des Kongresses ist im November an der Auf­ gabe einer deutlichen Reduzierung der Neu­ GAIN-Netzwerk wächst verschuldung spektakulär gescheitert. Theo­ Zugpferd des retisch setzen nun, nach einem Beschluss des Wissenschaftsaustauschs Kongresses, Anfang 2013 automatische Einspa­ rungen in beträchtlicher Höhe ein, davon die Hälfte im Militärhaushalt. Gleichzeitig enden die Steuersenkungen für die Reichsten, die noch aus der Bush­Ära stammen. Beide Maß­ nahmen würden tatsächlich die Neuverschul­ die Ende 2011 ausgelaufen wäre, unter dem Ein­ dung erheblich senken, aber schon jetzt zeich­ druck der Debatte über Ungleichheit zunächst net sich ab, dass die republikanische Mehrheit bis Ende 2014 zu verlängern – mit Zustimmung im Abge ordneten haus vor allem die sich daraus der Republikaner. ergebende Reduzierung des Rüstungshaushalts revidieren wird. Neues aus Hochschule Während seines Wahlkampfes hatte Obama und wissenschaft eine überparteilichere Regierungsweise in Aus­ sicht gestellt und zu Beginn seiner Amtsfüh­ Trotz der restriktiven Haushaltspolitik des rung versucht, Konsens mit den Republikanern Kongresses sind 2012 für den Bildungsbereich herzustellen. Nach dem offensichtlichen Schei­ nur leichte Kürzungen vorgesehen: Der Haus­ tern dieser Strategie betont er jetzt das Thema halt des Bildungsministeriums schrumpft um soziale Ungleichheit und damit verbunden das 0,189 Prozent. Der lange umstrittene Höchst­ Thema „Verschwinden der amerikanischen betrag von 5.500 US­Dollar pro Jahr beim „Pell Mittelklasse“: „Was auf dem Spiel steht, ist die Grant“ (einer Art nicht rückzahlbares BAföG) Frage, ob dies ein Land ist, in dem arbeitende konnte gehalten werden, wenn auch die Lauf­ Menschen genug verdienen können, um eine zeit dieser Stipendien gekürzt und die Bemes­ Familie zu ernähren, bescheidene Ersparnis­ sungsgrenze (das höchstzulässige Elternein­ se zu bilden, ein Haus oder eine Wohnung zu kommen) gesenkt wurde. Im Wissenschafts­ besitzen und ihre Altersversorgung zu sichern.“ bereich gibt es noch leichte Zuwächse: Die Der Präsident greift damit Themen auf, die die National Institutes of Health (NIH), die größte „Occupy Wall Street“­Bewegung 2011 auf die Forschungsförderungsorganisation, erhält Straßen amerikanischer Städte trieb. Während 1 Prozent mehr als im Vorjahr und die National die „Tea­Party­Bewegung“, die Anfang 2009 ent­ Science Foundation (NSF) 2,5 Prozent mehr. stand, mit ihrer strikten Gegnerschaft zu jeder Dies ist beides freilich weit entfernt von der Form erhöhter Steuern den Republikanern jährlich zehnprozentigen Steigerung für die Rückenwind gibt und den konservativen Flügel Forschungsförderung, die die Obama­Adminis­ der republikanischen Partei stärkt, hat „Occupy tration ursprünglich geplant hatte. Wall Street“ Themen wie soziale Ungleichheit wieder ins Gespräch gebracht, die den Demo­ Das Thema gesellschaftlicher Ungleichheit, kraten in die Hände spielen. So gelang es zum das unter dem Einfluss von „Occupy Wall Beispiel dem demokratischen Gouverneur des Street“ jetzt stark in der allgemeinpolitischen Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, eine Diskussion auftaucht, wird auch im Hoch­ sogenannte Millionärssteuer dieses Staates, schulbereich zunehmend diskutiert: Während ›

57 nach jüngsten Daten des US Census Bureau Untersuchung eines Harvard-Doktoranden an fast 49 Prozent aller Asiaten in den USA einen 30 Elitehochschulen zeigt, dass Bewerber mit Hochschulabschluss haben, sind es bei den verwandtschaftlichen Beziehungen zu Alum­ Weißen 29 Prozent, bei den Afroamerikanern ni eine mehr als dreimal so hohe Zulassungs­ 17 Prozent und bei den Hispanics nur 12,5 Pro­ chance haben wie der Durchschnitt und damit zent. Asiaten haben damit viermal so häufig deutlich bessere Zukunftschancen. Die bessere einen Collegeabschluss wie Hispanics und fast Chancen der Elterngeneration werden also 70 Prozent häufiger als Weiße. Eine neuere weitergegeben. Während an den „for-profit“-

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Occupy Wall Street ist zwischen 1988 und 2008 ­Einkommensungleichheit eines leicht gesunken, was den Nach- Landes misst, erreicht für die USA Die „Occupy Wall Street“- richtensender CNN zu der den zweithöchsten Wert aller Demonstrationen begannen Überschrift veranlasste: „How OECD-Länder nach der Türkei. im September 2011 in einem the Middle Class Became the kleinen öffentlichen Park in Underclass“. Als eine der wich- Begünstigt wird die Einkom- der Nähe des amerikanischen tigsten Ursachen für die unglei- menskonzentration durch Finanz­viertels Wall Street in che Einkommensentwicklung die Steuergesetzgebung: New York. Sie richten sich gilt der Bedeutungsverlust der Die Steuer­belastung für die gegen soziale und ökonomische Gewerkschaften. 400 reichsten Amerikaner, Ungleichheit, hohe Arbeits­ die laut Steuer­behörde 1995 losigkeit, über­höhte Profite und Nach Angaben der Statistik­ noch bei 30 Prozent lag, fiel Bonus­zahlungen im Finanz­ behörde leben jetzt 46,2 Millio- bis 2008 auf 18 Prozent. War- sektor sowie einen übergroßen nen Amerikaner unterhalb der ren Buffett, einer der reichsten Einfluss dieses Sektors auf die Armutsgrenze, die höchste Zahl Männer der USA, beschwer- Regierung. Eine ihrer Haupt­ seit Beginn der Messungen vor te sich öffentlich, er zahle Nach Angaben der Sta- forderungen besteht darin, dass 52 Jahren. Das Durchschnitts- prozen­tual weniger Steuern als tistikbehörde leben die Verantwortlichen für das vermögen eines amerikanischen seine Sekretärin – und ver- jetzt 46,2 Millionen Finanzdebakel 2008 gerade­ Haushalts fiel durch die Wirt- langte ebenso wie Bill Gates Amerikaner unterhalb stehen. Ihr Slogan „Wir sind schaftskrise zwischen 2005 und eine gerech­tere Steuergesetz­ der Armutsgrenze, die die 99 Prozent“ bezieht sich 2009 um 28 Prozent von 97.000 gebung. Selbst Republikaner höchste Zahl seit auf die wachsende Ungleich- auf 70.000 US-Dollar, mit rie- nehmen inzwischen mit Sorge Beginn der Messungen heit zwischen den reichsten sigen Unterschieden zwischen zur Kenntnis, dass nach einer vor 52 Jahren. Amerikanern und dem Rest den ethnischen Gruppen: bei Reihe sozial­­­wissenschaftlicher der Gesellschaft. Nach einem den Hispanics ein Rückgang Untersuchungen der Kern- Bericht der New York Times um zwei Drittel von 18.000 auf bestandteil des „American bezieht 1 Prozent der ameri- 6.000 US-Dollar, bei den Afro- Dream“, die soziale Mobilität kanischen Familien 17 Prozent amerikanern eine Halbierung von unten nach oben, in den der gesamten Einkommen und von 12.000 auf 6.000 US-­ USA ­geringere Chancen auf das oberste 0,01 Prozent, also Dollar – das bedeutet für beide Verwirklichung hat als in Kana- jeder Zehn­tausendste, immer Gruppen, dass nach Abzug der da und vielen west­­europäischen noch 6 Prozent des Nationalein­ Schulden kein Vermögen mehr Ländern. Nach­­dem die Repu- kommens. Wenn man nicht das vorhanden ist. Bei den Asiaten blikaner die nach wie vor jährliche Einkommen, sondern halbierte sich das Vermögen unbefriedigende Wirt­schafts­­­ das angesam­melte Vermögen von 168.000 auf 78.000 US- lage zum Hauptthema ihres betrachtet, gehörten 2007 sogar Dollar, und die Weißen mussten ­Präsidentschaftswahlkampfes gut ein Drittel (34,6 Prozent) eine Senkung um 16 Prozent 2012 machen wollen, sieht es so einem Prozent der Bevölkerung. von 135.000 auf 113.000 US- aus, als würden sich die Demo- Das Durchschnittseinkommen Dollar pro Haushalt verkraften. kraten auf das Thema soziale der amerikanischen ­Bevölkerung Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit ­konzentrieren.

Hochschulen fast ausschließlich Empfänger Die Verschuldung amerikanischer Hochschul­ staatlicher Studienstipendien studieren, ist der absolventen wächst und wird immer mehr Anteil der Pell-Grant-Empfänger an den Elite­ zum politischen Thema: Nach einem Bericht hochschulen verschwindend gering: An der der New York Times überschritten die gesam­ Harvard University waren es 2008/2009 nur ten Studienschulden 2011 die Marke von 6,5 Prozent, am California Institute of Techno­ 1.000 Mrd. Dollar und überstiegen damit die logy nur 11 Prozent (im Vergleich zu US-weiten Kreditkartenschulden aller amerikanischen 26 Prozent an allen Hochschulen). Haushalte. Die daraus entstehende psychische ›

59 Kanada – du hast Ausstieg aus den Kyoto-Klima- Jahren: Etablierte Wissenschaft- es besser? vereinbarungen, die Kanada ler erhalten 1,5 Mio. CAD für nicht eingehalten hatte und zunächst sieben Jahre, Nach- Obwohl Kanada deutlich weni- wofür demnächst Strafzahlun- wuchswissenschaftler 0,5 Mio. ger unter der Wirtschaftskrise gen in zweistelliger Milliarden­ CAD für fünf Jahre. Von den nach 2008 gelitten hat als die höhe fällig gewesen wären. bisher berufenen 1.845 Profes- USA, kam es auch dort – wie Beim internationalen akade- soren sind 290 Ausländer und schon bei den Zwischenwah- mischen Austausch schlug sich 256 aus dem Ausland zurück- len in den USA 2010 – zu einer der neue Geist in einer Suspen- gekehrte Kanadier. Mit dieser ­klaren politischen Trend­wende: dierung des Erasmus-ähnlichen Maßnahme konnte Kanada dem Den Konservativen unter Austauschprogramms zwischen traditionell starken Braindrain Premier­minister Stephen ­Harper Kanada und der EU nieder. Die in die USA zum Teil gegensteu- gelang es, bei den Wahlen Studiengebühren in Kanada sind ern. Darüber hinaus wurden im Mai 2011 nach drei Jahren im Vergleich zu den USA immer 2010 zehn ­weitere „Excellence Minder­heitsregierung eine klare noch niedrig (Undergraduates Research Chairs“ eingerichtet. Die neue Regierung Regierungsmehrheit zu bilden in Ontario zahlen im Schnitt Ihre Zahl wurde 2011 um weitere suspendierte das Eras- und damit die lange Vorherr- 5.853 Kanadische Dollar (CAD), 19 erhöht. mus-ähnliche Aus- schaft der liberalen Partei zu Undergraduates in Quebec tauschprogramm zwi- beenden. Diese wurde bei den 2.519 CAD), dennoch stiegen schen Kanada und der Wahlen nur dritte nach den sie um 4,3 Prozent gegenüber Europäischen Union. Konservativen und der links- dem Vorjahr. Studiengebühren orientierten New Democratic werden somit für die Finanzie- Party, die die Zahl ihrer Sitze rung kanadischer Universitäten im Parlament verdreifachen wichtiger. ­konnte. Die Separatisten in Quebec gingen aus den Wahlen Sehr erfolgreich war die Ein- deutlich geschwächt hervor. richtung von 2.000 von der kanadischen Bundesregierung Die neue Regierung nutzte ihre finanzierten Forschungsprofes- Mehrheit unter anderem zum suren in den vergangenen zehn

Das Thema gesellschaft­ und soziale Belastung junger Erwachsener in Restschuld. Dies könnte sich als politisch licher Ungleichheit taucht der Phase der Familiengründung kann man geschickter Schachzug im Wahljahr erweisen. unter dem Einfluss von sich nur schwer vorstellen; sie wird durch die „Occupy Wall Street“ stark momentan unsicheren Arbeitsmarktaussichten Die langsame wirtschaftliche Erholung spie­ in der allgemeinpolitischen noch verschärft. Im Oktober 2011 unterbrachen gelt sich auch in den Einnahmen amerikani­ Diskussion auf – auch an Tausende von Studierenden an über 75 Hoch­ scher Hochschulen wider: 2010 nahmen sie den Hochschulen wird es schulen den Unterricht als Teil von „­Occupy gegenüber dem Vorjahr 0,5 Prozent mehr heftig diskutiert. Colleges“, einem Spross der „Occupy Wall Spenden ein und sind damit wieder bei dem Street“-Bewegung. Sie protestierten gegen die Aufkommen vor der Wirtschaftskrise im schlechten Arbeitsmarktbedingungen, hohen Jahr 2006 angelangt. Inflationsbereinigt ist Studien­­gebühren und die hohe Verschuldung diese scheinbare Steigerung allerdings ein von Studienabsolventen. Ende Oktober griff Minus von 8 ­Prozent. Die Stiftungsvermö­ Obama das Thema in einer Pressekonferenz auf gen amerikanischer Hochschulen sind nach und kündigte an, dass Absolventen mit nied­ den letzten verfügbaren Zahlen aufgrund der rigem Einkommen ab 2012 geringere monat­ Erholung des Aktienmarkts um 12 Prozent liche Rückzahlungsverpflichtungen haben gewachsen, die durchschnittliche Rendite der sollen: nur 10 Prozent des tatsächlich ­erzielten ­Stiftungs­vermögen lag wieder wie vor der Krise ­Einkommens für 20 Jahre, danach Erlass der bei knapp 20 Prozent.

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NEUE SPitZEN-UNiVErSitÄt iN NEw York

Als 2009 die Entscheidung über den Standort des Deutschen Wissenschafts- und Innova tionshauses in Nordamerika gegen harte Konkurrenz aus Boston und San Der Kampf der Regierung um eine stärkere Francisco auf New York fiel, war eines der Qualitätskontrolle der privaten „for­profit“­ Argumente, dass New York der größte For- Hochschulen richtete sich auf den Nachweis, schungs- und Hochschulstandort der USA sei – gemessen an den Aus- dass die Studiengänge erfolgreich abgeschlos­ gaben für Forschung und Entwicklung, den Studierendenzahlen und sen werden und genügend Absolventen eine der Zahl der Abschlüsse. Was gegen New York sprach, war die Tatsache, entsprechend gut bezahlte Arbeit finden, um dass sich dort bei weitem nicht so viele forschungsorientierte Jung- die öffentlichen Studiendarlehen zurück zahlen unternehmen („start-ups“) angesiedelt haben wie im Umkreis des zu können. Die „for­profit“­Hochschulen gelten MIT in Boston und der Stanford University bei San Francisco, die der als wenig selektiv, und viele beziehen ihre Motor des Silicon Valley ist. Dies soll sich nun ändern: Nach einem Einnahmen überwiegend aus Studiendarlehen weltweiten Bieterverfahren, an dem unter anderen die Stanford der Bundesregierung: 285 dieser Hochschulen University, die Carnegie Mellon University, die Columbia University erhalten mehr als 85 Prozent ihres Einkom­ und die New York University teilnahmen, wurde vor Weihnachten mens aus öffentlichen Mitteln; an gewinn­ 2011 entschieden, einem Konsortium aus Cornell University und orientierten Hochschulen studieren nur 12 Pro­ Technion – Israel Institute of Technology die Federführung für eine zent aller Studierenden, sie erhalten aber fast neue technische Spitzenuniversität zu übertragen. Sie entsteht auf ein Viertel aller Pell Grants. Nach einer der Roosevelt Island rund 500 Meter von der DAAD-Außenstelle und dem größten Lobby­Kampagnen der amerikanischen Wissenschaftshaus entfernt, mit einem Campus ausschließlich für Geschichte gelang es dem rasch expandieren­ Graduierte. Die Stadtverwaltung gibt ein freies Grundstück und den Sektor mit Hilfe der republi kanischen 100 Mio. US-Dollar Startkapital. Die Cornell University brachte die Mehrheit des Abgeordnetenhauses, die staat­ größte private Spende in ihrer Geschichte ein: 350 Mio. US-Dollar lichen Kontrollbestimmungen weitgehend zu ausschließlich für dieses Projekt. Da die Universität, die im Norden des entschärfen. Wie viel Geld mit gewinnorien­ Bundesstaats New York liegt, ihre medizinische Fakultät bereits tierten Hochschulen zu verdienen ist, zeigen in unmittelbarer Nähe des neuen Grundstücks hat, glaubt man, schon folgende Zahlen: Die Studien gebühren betru gen im Herbst 2012 mit dem Vorlesungsbetrieb für die neuen Master- an privaten „for­profit“­Hoch schulen 2007/2008 studien gänge beginnen zu können. durchschnittlich 30.900 US­ Dollar, an privaten „non­profit“­Hochschulen 26.600 US­Dollar und an staatlichen Hochschulen 15.600 US­ etwa beim Wechsel von einem zweijährigen Dollar. Die tatsächlichen Ausgaben pro Student Community College zu einem Vierjahrescollege. für die Lehre sehen dagegen ganz anders aus: Einzelne Bundesstaaten wie Kalifornien oder Die privaten „for­profit“­Hochschulen gaben New York bemühen sich verstärkt, die Anrech­ 2.659 US­Dollar aus, die privaten „non­profit“­ nung zu verbessern. Hochschulen 15.289 US­Dollar und die staatli­ chen Hoch schulen 9.418 US­Dollar – das Ver­ Unter dem Titel „The Master’s as the New hältnis liegt also bei den „for­profits“ bei mehr Bachelor’s“ weist die New York Times darauf als elf zu eins. hin, dass aufgrund der Arbeitsmarktschwie­ rigkeiten zunehmend auf höhere Abschlüsse Im März hat das amerikanische Bildungsminis­ gesetzt wird: Hatten 1990 noch knapp sieben terium Empfehlungen zum Aufbau eines – dem Millionen Personen einen Masterabschluss, gut europäischen ECTS vergleichbaren – Credit zwei Millionen Professional Degrees (wie Arzt Transfer Systems herausgegeben. Hintergrund oder MBA) und eine Million einen Doktortitel, ist, dass zwei Drittel aller Studierenden vor lagen die Zahlen 2009 bereits bei 12,3 Millionen, dem Bachelorabschluss mehr als eine Einrich­ 3,2 Millionen beziehungsweise 1,8 Millionen tung besuchen, sich der Credit Transfer aber als Personen. schwierig erweist, was zu Zeitverlusten führt, ›

61 „Crossing the Atlantic“: Am 8. April 2011 eröffnete erstmals seit vielen Jahren wieder eine kunstausstel- lung von DAADlern.

Beträchtliches Aufsehen erregte die Entschei­ Deutsch-Amerikanischer dung des Eliteclubs American Association of Austausch floriert Universities (AAU), dem 59 amerikanische und zwei kanadische Universitäten angehö­ Anlass zur Freude waren auch in diesem Jahr ren, zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Mit­ wieder die Zahlen des Statistikbandes „Open glied, die University of Nebraska at Lincoln, Doors“ der DAAD­Schwesterorganisation Ins­ wegen unzureichender Forschungsleistungen titute of International Education (IIE). Wenn 3.826 Amerikaner waren auszuschließen. Die Syracuse University in man alle Auslandaufenthalte, einschließlich der 2009/2010 an einer New York State kam einem Ausschluss durch kurzen unter Leitung amerikanischer Hoch­ deutschen Hochschule eigenen Austritt zuvor. schullehrer, zusammenzählt, waren 2009/2010 ein geschrieben. Damit insgesamt 8.551 Amerikaner zum Studium war Deutschland das Eine neuere Entwicklung in den USA ist die in Deutschland und damit erneut 2,7 Prozent dritt wichtigste Zielland Errichtung amerikanischer Hochschulen mehr als im Vorjahr. Deutschland befindet sich von amerikanischen im Ausland. Davon gibt es nach Zahlen des somit unter den Zielländern amerikanischer Studierenden. Observatory on Borderless Higher Education Studierender auf Platz 7. Relevanter ist jedoch inzwischen mehr als 80, wobei der größte Teil die Zahl der amerikanischen Studierenden, die (80 Prozent) nach 1999 entstanden ist. Bei­ im Ausland an dortigen Hochschulen tatsäch­ spiele sind die Temple University Tokyo mit lich eingeschrieben ist. Zu dieser Gruppe gehör­ mehr als 1.200 Studierenden, die Carnegie ten 2009/2010 insgesamt 3.826 Amerikaner an Mellon University mit Auslandsstandorten deutschen Hochschulen: Deutschland war das in Japan, Australien, Mexiko, Portugal, Katar drittwichtigste Zielland dieser „ernsthaften“ und Ruanda und die St. Louis University Auslandsstudenten – nach Großbritannien und mit einem Campus mit 675 Studierenden in Kanada, doch deutlich vor Frankreich und Aus ­ Madrid. Diese Ausgründungen helfen beim tralien. Das ist sicher auch ein Erfolg der Marke ­ Auslands studium, so stammt beispielsweise auf tingbemühungen deutscher Hochschulen und dem Campus in Madrid die Hälfte der Studie­ der Einführung zahlreicher englischsprachiger renden aus Amerika. Studiengänge in Deutschland.

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40 Jahre Außen­ mit DAAD-­Stipendiaten: vor der Höhepunkt der Feierlichkeiten stelle New York Pause ­Klassik, nach der Pause war am 9. April eine Veranstal- Jazz. Rechtzeitig zum Konzert tung im Deutschen Haus der Musik, Kunst und Dichtung lag die CD „10 Jahre Sound New York University, bei der Understanding“ mit Beispielen der DAAD-Lehrstuhlinhaber für 2011 feierte die Außenstelle aus vergangenen Konzerten vor. zeitgenössische Poetik, Marcel ihr 40-jähriges Jubiläum. Die- Beyer, und einer der bekanntes- ses fiel zusammen mit dem Am 8. April eröffnete erstmals ten amerikanischen zeitgenös- 10. ­Carnegie-Hall-Konzert der seit vielen Jahren wieder eine sischen Autoren, Jeffrey Eugeni- DAAD-Stipendiaten und 15 Jah- Kunstausstellung von DAAD- des (Gast des Berliner Künstler- ren Alumni-Verein. lern: „Crossing the Atlantic“ im programms 1999/2000), lasen. ­Chelsea Art Museum mit fünf Mit rund 100 Teilnehmern war Die Feiern begannen am 7. April aktuellen Stipendiaten und das Deutsche Haus komplett mit einem Empfang, zu dem ­sieben Alumni (davon zwei gefüllt. der stellvertretende DAAD- aus dem Berliner Künstlerpro- Generalsekretär Ulrich ­Grothus gramm). Die Eröffnung war 40 Jahre DAAD-Außen­ und die Vorsitzende des Alum- mit über 250 Teilnehmern sehr stelle New York: Die Gäste ni-Vereins, Helene Zimmer- gut be­­sucht; am 21. April begrüßt der stellvertreten- Loew, begrüßten, gefolgt vom schloss die Ausstellung mit de DAAD-Generalsekretär 10. „Sound Understanding“- einer ­Finissage. Es entstand ein Ulrich Grothus. Konzert in der Carnegie Hall attraktiver Katalog.

Verhaltener verläuft die Entwicklung beim Außenstelle verwalteten 21 Förderprogramme Zusammen mit den beiden Auslands­studium Deutscher in den USA: für Nordamerikaner. Webinare werden auch für Informationszentren in Hier liegt die neue Zahl bei 9.458 und damit die Vorbereitung neu ausreisender Stipendiaten San Francisco und Toronto 0,9 Prozent niedriger als im Vorjahr; Deutsch­ aus den USA und Kanada fortgesetzt. Im Früh­ hat die DAAD-Außenstelle land nimmt damit in den USA weiterhin jahr 2011 schaltete die Außenstelle ihre neue New York durch vielfältige Platz 12 unter den wichtigsten Herkunftslän­ ­anwenderfreundliche Webseite für den nord­ Marketing­aktivitäten dern ein; erstaunlicherweise­ direkt hinter amerikanischen Markt frei. Außerdem betei­ zur Steigerung der Zahlen Nepal (auf Platz 11), aber vor Großbritannien ligte sich die Außenstelle gemeinsam mit den im deutsch-nordameri­ und Frankreich.­ beiden Informationszentren am Forschungs­ kanischen Austausch bei­ marketing auf Fachkongressen und Career getragen. Fairs und arbeitete dabei mit der Deutschen Aus der Arbeit des DAAD Forschungsgemeinschaft (DFG), der Alexander in Nordamerika von Humboldt-Stiftung und dem New Yorker Wissenschaftshaus eng zusammen. Zusammen mit den beiden ihr zugeor­dneten Informationszentren (IC) in San Francisco Das gemeinsam von DAAD und DFG verant­ und Toronto hat die DAAD-Außenstelle New wortete­­ Deutsche Wissenschafts- und Inno­va­ York durch vielfältige Marketingaktivitä­ tionshaus­ New York hat 2011 insgesamt 26 Ver­ ten zur Steigerung der Zahlen im deutsch- anstaltungen durchgeführt; inzwischen waren nordamerikanischen Austausch beigetragen: dort drei Nobel- und zwei ­Leibniz­preisträger Zu den Aktivitäten­ gehörten Newsletter für zu Gast. Das Haus hat sich zu einem Zugpferd 15.560 Abonnenten, Messebeteiligungen, Info­ des transatlantischen Wissenschaftsaustauschs touren, Präsenz auf zahlreichen Webseiten, entwickelt. Beispiele für gelungene Veranstal­ Vorträge auf nationalen und internationalen tungen sind der Nanotechnologie-Workshop Konferenzen, Webinare, Einsatz von Facebook, mit der Nanokunstausstellung, die nach Tokio YouTube und Twitter. Die Bewerberzahlen und Moskau weiterwandert, die Biotechnologie- stiegen ebenfalls für fast alle teilweise von der ­Veranstaltung „Better Living Through Science“,­ ›

63 die Veranstaltung „The Aging Brain“ mit Nobel­ Alumni­Vereins kandidierten zahlreiche Frei­ preisträger Eric Kandel sowie die Veranstal­ willige, so dass die Wieder gründung gesichert tung mit der Deutschen Botschaft Washington scheint. Ergebnisse von der großen Alumni­ und der Fraunhofer­Gesellschaft zum Deut­ Tagung zu Umweltthemen im Vorjahr in New schen Innovationsmodell. Das Netzwerk des York sind in einem Sammelband im renom­ Wissenschaftshauses umfasst inzwischen mehr mierten Springer­Verlag fest gehalten. als 3.500 Organisationen und Einzel personen. Neben der Arbeit mit seinen amerikanischen Um die Wiedergründung einer DAAD Alumni Alumni versucht der DAAD gemeinsam mit der Association in Kanada anzuregen, organisier­ DFG und der Alexander von Humboldt­Stif­ te die Außenstelle am 28. und 29. Oktober in tung, die deutschen Wissenschaftlerinnen Toronto ein Treffen mit Ehemaligen und feierte und Wissen schaftler in Nordamerika – vom mit ihnen das 40­jährige Bestehen der Außen­ Doktoranden bis zum Nobelpreisträger – im stelle New York – und zwar mit einem literari­ German Academic International Network schen Abend mit dem deutschen Autor Thomas (GAIN) zusammenzu führen. Für Rückkehrer Pletzinger. Für den Vorstand des kanadischen wird Hilfe stellung ange boten; für Wissen­ schaftler, die in Nord ame rika bleiben, steht ein Netzwerk der Zusammen arbeit mit Deutsch­ GAiN-JAHrEStAGUNG iN SAN frANCiSCo land zur Verfügung. Es um fasst inzwischen Die 11. GAIN-Jahres- rund 4.000 Wissen schaftler. Im Mai 2011 bot tagung deutscher GAIN eine Informationsveran staltung mit Wissenschaftlerin- Prof. Ernst­Theodor Rietschel in Toronto an. nen und Wissen- Webinare, ein monatlicher News letter mit schaftler in Nord- Ausschreibungen und Stellenangeboten, Reise­ amerika fand im Sep- kosten zuschüsse für die European Career Fair tember 2011 an der in Boston und nicht zuletzt Stammtische an University of Califor- über 30 Orten rundeten das Angebot ab. nia in San Francisco statt. Zu den Teilnehmern gehörten Prof. Birgitta Wolff, Wissenschafts- Als ein Hauptziel der Arbeit des DAAD in Nord­ ministerin von Sachsen-Anhalt und Vizepräsidentin der Kultusminister- amerika gilt weiterhin die Förderung deutsch­ konferenz, Prof. Sabine Kunst, Wissenschaftsministerin Brandenburgs, landeskundlicher Studien und der deutschen Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Sprache. Nach fünf jährlichen Ausschreibungen Bildung und Forschung, eine Bundestagsdelegation sowie die Präsiden- wurde das wettbewerbsorientierte Programm zur tinnen und Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen. Unter den Förderung von Deutschland­ und Europastudien rund 450 Teilnehmern waren so viele junge Wissenschaftler und Vertre- in Kanada evaluiert. Das Programm folgt der ter aus Deutschland wie noch nie. Auf der Talent Fair präsentierten sich Phase institutioneller Förderung des Kanadischen über 30 Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen Zentrums für Deutschlandstudien (York Univer­ sowie vier Unternehmen. Im Vorfeld der Tagung führte eine ganztägige sity / Université de Montréal) und ähnlicher Veranstaltung ins Silicon Valley und ermöglichte Gespräche mit Grün- Initiativen an anderen Universi täten. Die Ergeb ­ dern, Wissenschaftlern und Abgeordneten. Sie knüpft an die Bemühun- nisse der Begutachtung, die 2012 erwartet wer ­ gen an, ein transatlantisches Entrepreneurship-Netzwerk zu etablieren den, sollen zur Neustrukturierung der Zentren ­ (GAIN-TEN). Die Jahrestagung stieß auf ein begeistertes Echo: 78 Pro- förderung in ganz Nordamerika genutzt werden. zent der Teilnehmer gaben an, neue Impulse für eine Rückkehr nach Deutschland erhalten zu haben. Wie jedes Jahr trafen sich am Rande der Tagung der German Studies Association in

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Young Ambassadors: 42 Studierende mit Deutschlanderfahrung vernetzen sich und unterstützen die Arbeit des DAAD in den USA.

Louisville, Kentucky, die Zentren­ Direktoren und die German­ Studies­Dozenten zum Aus ­ tausch untereinander und mit dem DAAD.

Neben den Informationszentren in San Fran­ cisco und Toronto und dem engagierten Team der Außenstelle wurde die Arbeit des DAAD in Nordamerika unterstützt von den weiter gewachsenen Netzwerken „Young Ambassa­ dors“ (Studierende mit Deutschlanderfahrung, jetzt 42 statt 41) und „Research Ambassadors“ (Forscher mit Deutschland erfahrung, jetzt 46 statt 34). Sie kamen im August zu ihrer Jahres­ tagung in New York zusammen. Hilfe leisten auch die im Deutschen Wissenschafts­ und Innovationshaus vertretenen Verbindungsbüros deutscher Hochschulen, von denen das der Uni­ versität zu Köln neu hinzukam. Allen Mitarbei­ terinnen, Mit arbeitern und Freiwilligen gebührt Dank für ihren großen Einsatz. «

65 Tabelle 7 : Statistischer Überblick USA 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 9.826.675 km2 Durchschnittsgehälter der Professoren 2010/11* Bevölkerungszahl 313.232.044 staatliche Institutionen Frauen 158.967.429 Professor 105.780 Männer 154.264.615 Associate Professor 76.242 Bevölkerungsdichte 33,9 Einw./km2 Assistant Professor 64.711 Bevölkerungswachstum 0,96 % private Institutionen Professor 131.589 2. Wirtschaftsdaten Associate Professor 84.648 BIP 2010* 14.586 Mrd. Assistant Professor 71.014 BIP pro Kopf 2010 * 47.390 Studiengebühren / Studienjahr 2009/10 * Anteil am globalen BIP 2010 23,1 % an staatlichen Zweijahresinstitutionen 2.285 Knowledge Economy Index (KEI) Rang 9 an staatlichen Vierjahresinstitutionen 6.695 Wirtschaftswachstum 2010 3 % an privaten Vierjahresinstitutionen 23.210 Inflation 2010 0,8 % Zuwend. d. Bundesstaaten f. Hochschulbetriebsk. 2010/11 * 78,9 Mrd. Verhältnis Importe / Export aus / nach Deutschland Rang 5 / Rang 6 1 Staatliche Ausgaben zur Studienförderung 2009/10* 4 228,4 Mrd. Forschungsausgaben an Hochschulen 2008/09* 54,9 Mrd. 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen Ausländische Studierende gesamt 723.277 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2009 7 % des BIP 2 nach Herkunftsländern 2009/10: Forschungsausgaben 2010 2,82 % des BIP 3 1. China 157.558 Anzahl der Hochschulen gesamt 2009/10 4.495 2. Indien 103.895 staatlich 1.672 3. Südkorea 73.351 privat 2.823 4. Kanada 27.546 privat for-profit 1.199 5. Taiwan 24.818 privat non-profit 1.624 Studierende mit Studienaufenthalt im Ausland 270.604 Anzahl Hochschullehrer (Herbst 2009) 728.977 davon in Deutschland 8.551 davon ordentliche Professoren 177.581 Eingeschriebene Studierende 2009 20.427.771 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 2008/09 an staatlichen Institutionen 14.810.642 1. Großbritannien 32.683 an privaten Institutionen 5.617.069 2. Italien 27.940 Undergraduate 17.565.320 3. Spanien 25.411 Graduate and Professional 2.862.391 4. Frankreich 17.161 Frauenanteil 57,1 % 5. China 13.910 Anteil ausländischer Studierender 3,4 %

Bildungsgrad der Bevölkerung 2009 * Angaben in US-Dollar bis Klasse 8 6,3 % High School ohne Abschluss 8,5 % 1 Deutschland ist der fünftgrößte Importpartner (4,3 % in 2010) und High School mit Abschluss 28,5 % der sechstgrößte Exportpartner der USA (3,3 % in 2010). 2 Das entspräche für 2011 bei gleichem Prozentsatz 1.021,0 Mrd. Dollar Hochschulbesuch ohne Abschluss 21,3 % 3 Das entspräche für 2011 bei gleichem Prozentsatz 411,3 Mrd. Dollar Associate Degree 7,5 % 4 Stipendien, Steuervergünstigungen und zinsvergünstigte Kredite Bachelor’s Degree 17,6 % Master’s Degree 7,2 % Doctoral Degree 1,2 % Professional Degree 1,9 % Abschlüsse 2009 Associate Degree 787.325 Bachelor’s Degree 1.601.368 Master’s Degree 656.784 Doctorate 67.716 Professional Degree 92.004

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Tabelle 8 : Statistischer Überblick Kanada 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 9.984.670 km2 Studiengebühren / Studienjahr 2010/11 * Bevölkerungszahl 34,031 Mio. an staatlichen Institutionen 5.271 Frauen 17,35 Mio. an privaten Institutionen unterschiedlich Männer 16,66 Mio. Ausländische Studierende gesamt 174.760 Bevölkerungsdichte 3,41 Einw./km2 nach Herkunftsländern: Bevölkerungswachstum 0,8 % 1. China 49.980 (28,6 %) 2. Indien 17.715 (10,1 %) 2. Wirtschaftsdaten 3. Süd Korea 14.520 (8,3 %) BIP * 1.577 Mrd. 4. USA 10.625 (6,1 %) BIP pro Kopf * 46.340 5. Frankreich 10.045 (5,7 %) Anteil am globalen BIP 2,5 % Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 45.892 Knowledge Economy Index (KEI) Rang 6 davon in Deutschland k.A. Wirtschaftswachstum 3,2 % Inflation 2,9 % Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 1 1. USA 29.209 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 2. Großbritannien 5.350 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2008 * 30,5 Mrd. 3. Australien 4.390 Staatliche Bildungsausgaben (Anteil des BIP) 2009 5,2 % 4. Frankreich 1.373 Hochschultypen 5. Irland 605 Universities 102

Colleges 162 * Angaben in US-Dollar Anzahl der Hochschulen gesamt 264 staatlich 250 1 nach dem IIE „Atlas of Student Mobility 2009“ privat 16 Quellen: Anzahl Hochschullehrer Statistik USA davon ordentliche Professoren 42.000 Atlas of Student Mobility Eingeschriebene Studierende 2009/10 1.174.200 3 www.atlas.iienetwork.org/?p=48048 an staatlichen Institutionen CIA: The World Fact Book: an privaten Institutionen 3 www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook The Chronicle of Higher Education: The Almanac of Higher Education 2011/12 Frauenanteil 56 % 3 http://chronicle.com/section/Almanac/536 Anteil ausländischer Studierender 10 % OECD: Education at a Glance 2009 Studierende der Naturwissenschaften 3 www.oecd.org Studierende der Geisteswissenschaften 32 % Open Doors Doktoranden 45.000 3 www.iie.org/en/Research-and-Publications/Open-Doors Worldbank: Data & Statistics: Abschlüsse 2008 244.380 3 web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/DATASTATISTICS/0,,contentMDK:2053 Bachelor’s Degree 171.882 5285~menuPK:1192694~pagePK:64133150~piPK:64133175~theSiteP Master’s Degree 36.423 K:239419,00.html Doctorate 5.421 U.S Census Bureau 3 www.census.gov/foreign-trade/statistics/highlights/top/top1108yr. html#total Statistik Kanada AUCC: Trends in Higher Education, Volume 1, June 2011 3 www.aucc.ca/wp-content/uploads/2011/05/trends-2011-vol1- enrolment-e.pdf 3 www.iie.org/en/Services/Project-Atlas/Canada 3 www.worldbank.org/ 3 www.statcan.gc.ca/start-debut-eng.html 3 www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ca.html

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Tabelle 9 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern USA und Kanada

D = Deutsche ins Ausland Kanada USA A = Ausländer nach Deutschland gesamt gesamt D 351 1.685 I. individualförderung – gesamt A 183 816 1. nach Status D 98 351 grundständig Studierende A 123 434 D 128 678 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 51 334 D 108 458 davon Doktoranden A 27 139 D 125 656 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 9 48 2. nach Förderdauer D 179 769 < 1 Monat A 13 63 D 106 449 2–6 Monate A 125 452 D 66 467 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 45 301 3. nach ausgewählten Programmen D 43 262 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 28 207 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 4 17 Lektoren A D 2 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 178 765 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 14 56 D 74 258 Praktikanten A 109 331 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 8 45

D 501 2.340 II. Projektförderung – gesamt A 183 1.030 1. nach Status D 292 1.495 grundständig Studierende A 42 438 D 151 639 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 98 239 D 24 88 davon Doktoranden A 34 125 D 58 206 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 43 353 2. nach Förderdauer D 124 771 < 1 Monat A 132 638 D 300 1.330 2–6 Monate A 51 316 D 77 239 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 76 3. nach ausgewählten Programmen D 279 1.437 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 130 527 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 2 37 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 41 302 D 27 70 Austausch in Projekten (PPP) A

D 852 4.025 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 366 1.846 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.218 5.871

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Eine Präsidentin bringt Brasilien auf internationalen Kurs

im Jahr eins nach „Lula“ musste sich nicht nur gegen die eher schwache Opposition wehren, sondern auch gegen Ein­ Die acht Jahre währende Regierungszeit des flussnahmen der alten Machtzirkel um „Lula“ Präsidenten Luiz Inácio „Lula“ da Silva ist aus und der zahlreichen anderen Parteien, die die heutiger Betrachtung zu einer Ära „geronnen“. Regierungskoalition bilden. Die wirklichen Mit seinem Namen ist der Wandel Brasiliens Mutproben bestanden in einer Serie von Kor­ hin zu einem „global player“ untrennbar ver­ ruptionsskandalen, denen sechs ihrer Minister knüpft. Auch wenn die meisten der positiven zum Opfer fielen. Ein siebter, der Verteidi­ Entwicklungen schon vor seinem Amtsantritt gungsminister, ging immerhin nur aus Grün­ angelegt waren, so blieb doch das Spür­ und den politischer Meinungsverschiedenheiten. Sichtbare als Leistung des Präsidenten „Lula“ So sehr diese Reihe von finsteren Affären eine im kollektiven Gedächtnis haften. Ahnung von der ethisch­moralischen Politik­ auffassung der Regierung aufkommen ließ, so Christian Müller leitet die Umso mehr liegt sein großer Schatten auf Präsi­ wenig hat die Präsidentin in der öffentlichen Außenstelle rio de Janeiro dentin Dilma Rousseff: Als erste Frau ist sie seit Meinung daran Schaden genommen. Im Gegen­ seit 2009. Die Außenstelle Januar 2011 Staats­ und Regierungschefin und teil: Es scheint, als hätten ihr die beherzten besteht seit dem Jahr Entscheidungen, sich von nicht mehr trag baren 1972 und hat zurzeit acht Kabinettskollegen zu trennen, Sympathien Mitarbeiterinnen und eingebracht. Mitarbeiter. Das Jahr eins beendet die Regierung daher mit einem uneinheitlichen Bild. Technisch sind die Deutschland als Zielland wichtigen Aufgaben gut bewältigt: Eindäm­ fest verankert mung der Inflation, Handelsbilanz­Überschuss, hoher primärer Haushaltsüberschuss, Schaf­ 100.000 Brasilianer ins Ausland fung von Arbeitsplätzen, Bekämpfung der Wachs tumsrisiken, die durch die internationale Finanz­ und Eurokrise entstanden. Politisch hat Hochschulen investieren stetig sich aber nur die Präsidentin selbst Anerken­ nung verschafft. Inzwischen bewerten 72 Pro ­ Zu wenige Fachkräfte für zent der Bevölkerung ihre Leistungen mit „gut“ Forschung und Wissenschaft oder „sehr gut“ – die höchste Akzeptanz, die ein Regierungschef in Brasilien nach dem ersten Jahr je erreicht hat. Damit hat Rousseff auch Umfangreiches Stipendiensystem ihren Vorgänger „Lula“ über flügelt, trotz dessen

70 unstreitig stärkerem Charisma und größerer geht. Gleichwohl werden die Ansätze – und vor Brasília: Vor 60 Jahren die Volksnähe. Vermutlich ist es für das Land güns­ allem die Wirkungen – der sozialen Programme Utopie einer modernen tig, angesichts der enormen globalen Risiken auch international sehr beachtet und positiv Stadt, heute Machtzent- für die Wirtschaft eine eher technokratische bewertet. Brasilien ist längst von einem Emp­ rum eines aufstrebenden und ideologieschwache Regierung zu haben. fängerland von Entwicklungshilfe zu einem Landes. Netto­Geberland geworden. Die neue Regierung der alten Partei (PT, Arbeiter­ partei) hat dabei wichtige politisch motivierte Insgesamt blickt Brasilien mit Befriedigung Programme beibehalten. Dazu gehört vor allem auf das zurückliegende Jahr und mit Zuver­ das Programm zur Armutsbekämpfung: „Brasil sicht auf 2012. Das ist für ein Land, das immer sem Miséria“. In diesem Aktionsplan will die heftig zwischen Euphorie und abgrundtiefem Regierung die ärmsten 8 Prozent der Bevölke­ Pessimis mus oszillierte, eine solide positive Brasilien ist längst von rung – rund 16 Millionen Menschen – aus der Grundstimmung. Die krisenhaften Entwick­ einem Empfängerland extremen Not herausführen. Dazu gehören lungen in Europa werden mit höchster Auf­ für Entwicklungshilfe zu Maßnahmen des Einkommenstransfers, des merksamkeit verfolgt. Öffentlich behauptet die einem Netto-Geberland Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen, zu Re gierung tapfer, Brasilien sei zwar nicht frei geworden. Gesundheitsversorgung und Bildung, zur Ver­ von der Gefahr, in eine weltweite Rezession sorgung mit Strom und Abwassersystemen hineingerissen zu werden, aber doch gut ge ­ sowie zur Eingliederung in die Arbeitswelt. Das rüstet. Die deutliche Abkühlung der Konjunk ­ Programm wird, wie die Vorläufer­Initiativen, tur und die nachlassende Produktion der von verschiedenen Seiten kritisiert. Ökonomen Industrie haben am Jahresende 2011 aber Warn­ warnen vor Gewöhnungseffekten an staatliche zeichen aufleuchten lassen. Ein Abschwung Alimentierung. Politiker mutmaßen, dass es der in Europa und in der Folge ein gemin derter Regierung um die Wählerstimmen der Armen Bedarf an Rohstoffen in Asien sowie ein ›

71 „Ciência sem Fronteiras – Science without Borders“?

Das für die DAAD-Arbeitsfelder wichtigste – und dabei überraschendste – Novum war 2011 die Entscheidung der Staatspräsidentin, ein neues Stipendienprogramm für Auslands­ mobilität aufzulegen (siehe Seite 76). Mit dem Programm „Ciência sem Fronteiras – Science ­without Borders“ platziert sich Brasilien pro­ minent auf der Weltkarte der „international education“. Bislang waren die Zahlen im Aus­ land studierender Brasilianer eher gering im Vergleich zur Gesamtzahl (knapp 30.000 von 6 Millionen, also 0,5 Prozent). Ebenso gehören­ ausländische Studierende an den brasilia­ nischen Campus nicht zum typischen Bild. Ausgestattet mit Stipendien aus dem neuen Programm, sollen nun in den kommenden vier Jahren 100.000 Brasilianer im Ausland studie­ ren oder forschen. Eine so große Anstrengung, die Internationalisierung von Hochschulen und Forschung voranzubringen, ist in diesem Maß­ stab ungewöhnlich. Sie zeigt dreierlei: Erstens die deutlich gestiegene Finanzkraft des Landes,­ die nötig ist, um hohe Zahlen gut dotierter Auslandsstipendien auszuloben; zweitens das gewachsene Selbstbewusstsein, dass die eige­ nen Hochschulen genügend Talente hervorbrin­ gen, die an führenden Hochschulen im Ausland erfolgreich sein werden; drittens die Einsicht, dass Brasilien auf dem Weg in eine globalisierte Wissensgesellschaft die Fachleute fehlen, die entscheidende Karrierestationen im Ausland Marode Prachtvilla und ­Nachlassen der Preise an den Rohstoffbörsen verbracht und sich internationale Netzwerke entspanntes Leben am könnten Brasilien empfindlich treffen. Exper­ aufgebaut haben. Strand: Gegensätze prägen ten halten dagegen: Für die brasilianische das aufstrebende Brasilien Wirtschaft ist der Binnenmarkt­ weitaus wichti­ Tatsächlich ist „Ciência sem Fronteiras“ nur – aber die Stimmung ist ger, das Finanzsystem ist stabil und die Abhän­ der am deutlichsten sichtbare Indikator einer durchweg gut. gigkeit von Importen wird langfristig weiter im Ganzen positiven Entwicklung in Hoch­ abnehmen. Dies, verbunden mit einer weiter­ schulen und Forschung. Die langjährige Investi­ hin hohen und steigenden Staatsquote, gibt der tion in ein leistungsfähiges System von öffent­ Regierung den nötigen finanziellen Spielraum lich finanzierten Studiengängen im Bereich für neue ­Ansätze, die auch der Bildung und For­ von Master und Promotion trägt Früchte. Die schung zugutekommen. brasilianischen Universitäten bilden damit

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weit gehend den eigenen Bedarf an Wissen­ Besucher daher Gebäude in desolatem Zustand. schaftlern und Administratoren aus. Eine von Auf lange Sicht wird dieses Problem nicht nur der Regierung getragene Evaluation dieser durch öffentliche Mittel zu lösen sein. Studienprogramme im Drei­Jahres­Rhythmus sichert die Qualität. Ein ebenfalls öffentlich Beispiele für Forschungslabors, die durch finanziertes Portal für wissenschaftliche Perio­ Gelder des halbstaatlichen Erdölkonzerns dika stellt allen Hochschulangehörigen einen Petro bras finanziert wurden, zeigen den Weg: kostenlosen und Internet­basierten Zugang zu Petro bras ist der größte private Investor in For­ den wichtigsten wissenschaftlichen Journalen schung und Entwicklung. Der Konzern trägt in bereit (inzwischen fast 30.000 Titel). Darauf vielen Fällen die gesamten Kosten für die Inf­ wurde im vergangenen Jahr circa 42 Millionen rastruktur von Gebäuden und Labors, die meist Mal zugegriffen. Ein umfangreiches System auf dem Campus einer Universität liegen und von Stipendien fördert junge Studierende in den Besitz und Betrieb der Universität über­ durch das Programm „Einführung in wissen­ gehen. Viele dieser Institute sind ausgezeichnet schaftliches Arbeiten“. Mit über 50.000 Stipen­ ausgestattet und können sich mit internationa­ diaten werden pro Jahr mehr als die Hälfte len Partnerinstituten messen. aller Masterstudierenden von der öffentlichen Hand unterstützt. Doktoranden können mit Hingegen scheint der private Sektor des Hoch­ einem staatlichen Stipendium rechnen, ent­ schulwesens in einem Anpassungsprozess weder aus Bundes­ oder aus Landesmitteln. zu stecken. Nach Jahren der Expansion sind möglicherweise zu viele Studienplätze entstan­ Besonders bei den öffentlichen Hoch schulen den. Die stärkere Besteuerung privater Betrei­ zeigen die stetig steigenden Investitionen bergesellschaften und die schärfere Prüfung Ergebnisse: Die Zahl der Bundesuniversitä­ von Gemeinnützigkeit haben die Ertragslage ten ist zwischen 2003 und 2011 von 45 auf 59 zusätzlich verschlechtert. Insofern zeigt sich ein gestiegen, nachdem sie fast 20 Jahre lang sta­ Trend zu Zusammenschlüssen und Aufkäufen. gnierte. Die Zahl der von ihnen betriebenen Größere Gesellschaften erwerben sogenannte Campus und Zentren wuchs von 148 auf 282, so „Fakultäten“, schließen bisweilen Standorte dass sich auch die Zahl der Städte und Gemein­ oder legen Studienprogramme zusammen. Der den, in denen eine Bundeshochschule präsent Anteil Studierender im privaten Sektor ist mit ist, verdoppelt hat, besonders im Landesinne­ 74,3 Prozent weiterhin sehr hoch, allerdings im ren. Spezielle Förderprogramme haben den vergangenen Jahr nicht mehr gewachsen. Hochschulbau vorangetrieben. Einige Campus, vor allem im Nordosten, vermitteln im Moment Interessant ist in diesem Zusammenhang das den Eindruck von Großbaustellen. Allerdings langsame Erscheinen von internationalen ist hier auch viel Versäumtes nachzuholen: Der Anbietern: Die Gruppe Laureate International Zustand von Lehr­ und Forschungsgebäuden Universities (USA) hat seit 2006 zielstrebig pri­ war vielerorts beklagenswert. Häufig werden vate Hochschulen angekauft und unterhält nun öffentliche Bauten schnell errichtet und von ein Netz von zehn Einrichtungen an verschie­ Landes­ oder Bundespolitikern mit viel Pomp denen Orten des Landes mit etwa 130.000 Stu­ eröffnet. Für Gebäudeerhaltung und Reno­ dierenden. Nach eigener Aussage sollen in den vierung, die weniger medienwirksam sind, nächsten vier Jahren wiederum 600 Mio. US­ oft aber nicht weniger teuer, sind dann keine Dollar investiert werden, um das Netzwerk zu Mittel vorgesehen. Auch auf den Campus gro­ verdoppeln. Auf einer ganz anderen Ebene tre­ ßer und berühmter Universitäten findet ein ten private amerikanische Elite­Universitäten ›

73 Das Engagement internati- auf: Die Universität Harvard unterhält seit 2006 nicht die Fördergelder für Projekte das Problem onaler Bildungsanbieter eine Brasilien-Repräsentanz, die vor allem die seien. Gute Anträge hätten beste Chancen auf belegt einen Wandel, der Study-abroad-Programme für amerikanische Bewilligungen. Die eigentliche Herausforde­ mit der stärkeren Öffnung Studierende organisiert, aber auch Seminare rung bestehe darin, das ausgebildete und fähige des Landes und der Libera- für Brasilianer anbietet und Studierende und Personal zu finden, das die Projekte durchführt lisierung der Wirtschaft Wissenschaftler rekrutiert. In ihrem Kielwas­ und Ergebnisse produziert. Insofern ist die einhergeht und auch von ser will auch die Yale-Universität stärker prä­ Lage, auf bestimmte Fächer gemünzt, von der deutschen Universitäten sent sein und Talente auf ihren Campus holen: in Deutschland nicht so verschieden. Konse­ beobachtet werden sollte. Die „2011 Yale Week in Brazil“ war mit dem quenterweise zielt das Regierungsprogramm Provost, einem Dekan und drei Professoren „Ciência sem Fronteiras“ auch darauf ab, aus­ hochrangig besetzt und mit erstklassigen bra­ ländische Wissenschaftler anzuwerben. silianischen Einrichtungen gemeinsam organi­ siert (Unicamp, Stiftung Fiocruz). Sie bot ein wissenschaftlich anspruchsvolles Programm Aus der Arbeit des DAAD aus Vorträgen und Diskussionen. Dabei sind die in Brasilien Dimensionen ausländischen Engagements noch keinesfalls mit Asien oder den Golf-Staaten zu Das neue Programm für Regierungsstipendien vergleichen, und die eher protektionistische „Ciência sem Fronteiras – Science without Bor­ Haltung von Politik und Justiz zu Investitionen ders“ droht mit seiner Leuchtkraft alles andere im Hochschulsektor ist nach wie vor bestim­ in den Schatten zu stellen, was 2011 unternom­ mend. Die Beispiele belegen aber einen Wandel, men und erreicht wurde. Das Programm hat der mit der stärkeren Öffnung des Landes und – wenn sich die Pläne der Regierung umsetzen der Liberalisierung wirtschaftlicher Ordnungs­ lassen und die Mobilität brasilianischer Aka­ politik einhergeht und auch von deutschen demiker sich in vier Jahren verfünffacht – das Universitäten beobachtet werden sollte. Potenzial, alles zu Randerscheinungen werden lassen, was bisher an Austausch und Koopera­ Trotz der boomenden Konjunktur in vielen tion Tagesgeschäft war. Umso mehr muss die Fachbereichen ist es nicht leicht, gute Graduier­ jahrelange Arbeit des DAAD und seiner bra­ te für die Wissenschaft zu halten – zu attraktiv silianischen Partner, die oft in gemeinsamen sind für Ingenieure, Informatiker, Mediziner Förderprogrammen und Projekten mündeten, und Juristen die Einkommens- und Aufstiegs­ in Erinnerung gerufen werden. Diese Arbeit hat chancen im privaten Sektor. Dabei unterschei­ dazu beigetragen, dass ein solches Programm den sich die Gehälter an den guten Universi­ mit einer prominenten politischen Platzierung täten Brasiliens nicht wesentlich von denen in überhaupt konzipiert wurde und dass Deutsch­ Deutschland oder in Großbritannien. Aber die land und der DAAD zu zentralen Partnern der Privatwirtschaft wie auch die großen Staats­ Regierung wurden. konzerne können noch mehr zahlen und mehr Nebenleistungen bieten. Dieses Konkurrenzver­ An erster Stelle sei auf die traditionellen Pro­ hältnis in Verbindung mit einer allgemeinen gramme der Individualförderung verwiesen: Knappheit an gut ausgebildeten Fachkräften Stipendien zur Promotion in Deutschland in und Wissenschaftlern könnte die weitere Ent­ drei Varianten und enger Zusammenarbeit wicklung des Hochschul- und Forschungs­ mit den brasilianischen Partnerorganisationen­ systems hemmen oder verzögern. Die aktiven CAPES und CNPq; Förderung des Wissen­ Forscher an brasilianischen Universitäten schaftler-Austauschs mit Forschungsaufent­ melden übereinstimmend, dass im Moment halten (gemeinsam mit CAPES und mit den ›

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Vertragsunterzeichnung in Rio de Janeiro: DAAD- Generalsekretärin Dorothea Rüland, CNPq-Präsident Oliva und CAPES-Präsident Guimarães de­­bat­­tieren neue Kooperationen und unterzeichnen die Verein- barung zum Programm „Science without Borders“ (oben).

Forschungsmesse SBPC: Der brasilianische Minister für Forschung und Techno- logie, Aloizio Mercadante, begrüßt Mitarbeiter der Außenstelle auf dem DAAD-Stand (2. Reihe von oben).

Münster und Berlin: Vertre- ter brasilianischer Univer­ sitäten informieren sich über Studien- und For- schungsbedingungen in Deutschland (2. Reihe von unten).

Künftige Stipendiaten: Der DAAD bereitet die jungen Wissenschaftler in Rio de Janeiro auf ihren Deutsch- landaufenthalt vor (unten).

75 „Ciências sem Auftritte in den sozialen Netz- Konsequenterweise haben fronteiras“ werken unterstreichen das star- sich daher ausländische Regie- ke Interesse, das Programm zu rungsvertreter und Delegatio- „Ciências sem Fronteiras – Sci- einem Erfolg werden zu lassen. nen in Brasília die Klinke in die ence without Borders“, oder kurz Hand gegeben. Der DAAD hat „CsF“: Ein Regierungsprogramm Für den Zeitraum 2012 bis 2015, frühzeitig darauf hingewirkt, dieser Größenordnung ist auch mit Vorarbeiten bereits 2011, dass Deutschland – angesichts für aufstrebende Nationen wie stellt die Regierung rund 1,4 Mrd. der engen wissenschaftlichen Brasilien ungewöhnlich. Ebenso Euro zur Verfügung. Aus diesen Beziehungen zwischen deut- ungewöhnlich ist die politische Mitteln werden 75.000 Stipen- schen und brasilianischen Bedeutung, die das Programm dien ausgelobt. Davon sollen Hochschulen – als wichtiges durch die Präsidentin erhält. 34.400 für die Promotion im Zielland im Programm verankert So absolvierte Dilma Rousseff Ausland (als Voll- und als Teil- wird. Umso erfreulicher ist es, 2011 zwei große öffentliche Promotion), 11.500 für Postdoc- dass bereits seit dem Besuch Auftritte für das Stipendienpro- Aufenthalte, 27.100 für Studien- des damaligen Bundespräsi- gramm – zuletzt am 13. Dezem- aufenthalte für Undergraduates denten Christian Wulff im Mai ber, als sie die Ausschreibung für verwendet werden sowie 1.200 2011 Deutschland als zentraler Stipendien nach Deutschland für Stipendien für ausländische Partner des Programms „ Ciência annoncierte. Wissenschaftler, die nach Bra- sem Fronteiras“ angesehen silien kommen. Die restlichen wurde. Diese Auffassung ist 800 Plätze sind für berufsbe- mehrfach bekräftigt worden zogene Trainings im Ausland und fand ihren Niederschlag im vorgesehen. Weitere 26.000 Sti- Abschluss von Kooperationsver- pendien werden von der priva- einbarungen zwischen DAAD, ten Wirtschaft finanziert; die CAPES und CNPq im September Ausgestaltung dieser Förderung 2011 (s. Seite 78 Deutsch-Brasili- ist noch unklar. „Ciências sem anische Wirtschaftstage). Eine Fronteiras“ ist ausgerichtet auf Reise der Präsidenten von CAPES Ingenieurwissenschaften und und CNPq nach Deutschland Technologie sowie auf Natur- mit einer Gruppe brasiliani- wissenschaften, insbesondere scher Rektoren und Professoren Biomedizin. bekräftigte das Interesse an Brasília: Öffentliche Vor- US-Präsident Barack Obama soll einer Zusammenarbeit im neuen stellung des Programms bei seinem Brasilienbesuch im Insgesamt sollen 100.000 Bra- Programm: Am 23. November „Science without Borders“ März 2011 das Thema gesetzt silianer in den kommenden vier traf die Delega tion in Bonn mit durch die Staatspräsidentin haben. Seine Frage „Warum Jahren im Ausland studieren über 100 Vertretern deutscher Dilma rousseff und die studieren in den USA über oder forschen. Diese Zahl ist Hochschulen zusammen, um in Minister für forschung und 100.000 Inder, aber nur 9.000 auch im internationalen Ver- einem Kick-off-Workshop die technologie und für Bil- Brasilianer?“ soll Präsidentin gleich enorm hoch. Die brasilia- Grundlinien des Austauschs von dung, Dezember 2011. Rousseff veranlasst haben, diese nische Regierung und die von ihr Studierenden und Wissenschaft- Situation zu analysieren und zu beauftragen Agenturen CAPES lern zu diskutieren. Seit Anfang ändern. Nur wenige Wochen und CNPq haben die Magie der 2012 läuft das Bewerbungs- und später legten CAPES und CNPq großen Zahlen und die Wirkung Auswahlverfahren. einen Masterplan vor, dem das von prominenten Auftritten Programm „Ciência sem Fron- richtig eingeschätzt und einzu- teiras“ zugrundeliegt. Werbean- setzen gewusst. Dementspre- zeigen in großen Zeitschriften, chend ist die internationale Videos im Internet, Spots in Aufmerksamkeit für „Ciência Radio und TV sowie zahlreiche sem Fronteiras“ überaus groß.

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­Landes-Förderinstitutionen wie FAPESP, nachhaltige Nutzung des Tropenwalds sowie FAPEMIG und anderen), Kurzzeitdozen­turen erneuerbare Energien / Energieeffizienz. Das für deutsche Professoren; Stipendien für Bra­ Programm wird in gemeinsamer Arbeit von silianer zur Teilnahme an Aufbaustudiengän­ DAAD, CAPES und Deutscher Gesellschaft für gen mit Entwicklungsländerbezug ebenso wie Internationale Zusammenarbeit (GIZ) getragen. Masterprogramme im Themenfeld „Public Außer der üblichen Förderung der Personen­ Policy and Good Governance“; Stipendien für mobilität gewährt NoPa auch Beihilfen zu For­ Hochschul-Winterkurse in Sprache und Lan­ schungskosten, Mittel für die Organisation von deskunde und viele mehr. Durch die institu­ Sommerschulen, für die Teilnahme an Fachta­ tionellen Programme können systematische gungen sowie Personalkosten für Konzeption Austauschprojekte innerhalb des Bachelorstudi­ und Koordination an der deutschen Hochschule. ums (UNIBRAL) und der Forschung und Pro­ motion (PROBRAL) gefördert werden. All diese Grundidee von NoPa ist, dass die Projekte sich Maßnahmen bereiten den Boden für institutio­ an der lokalen Nachfrage nach neuen Erkennt­ nelle Verbindungen und bilaterale Forschungs­ nissen und Lösungen orientieren. Die bilatera­ kooperationen. Dies ist zum Beispiel sichtbar len Forschungsprojekte müssen daher anwen­ an Programmen wie BRAGECRIM, in dem die dungsorientiert sein und sollen Synergien Deutsche Forschungsgemeinschaft gemeinsam zwischen Forschung und Praxis herstellen. Um mit brasilianischen Partnern 14 Forschungs­ dies sicherzustellen, wurden zwei innovative projekte in der Produktionstechnik fördert und Elemente in das Verfahren eingeführt: deren Koordinatoren im Vorfeld überwiegend durch den DAAD nach Deutschland kommen. 1. Bildung von Fachberatergruppen: In je zwei­ Die DAAD-Austauschprogramme mit Studieren­ tägigen Sitzungen in Brasília trafen sich Fach­ den wiederum ebnen die Wege, auf denen in leute aus Regierung, Wissenschaft, Wirtschaft Zukunft viel größere Zahlen von Stipendiaten und NGOs für jeden der beiden Themenberei­ mobil werden sollen. che. Sie identifizierten die jeweilige Nachfrage und erarbeiteten Kriterien als Leitfaden für BMZ-Sonderprogramm „NoPa – Neue die Ausschreibung und Auswahl der ­Projekte. ­Partnerschaften“ 2. Matchmaking: In Matchmaking-Seminaren in Belém zum Thema Tropenwald und in Das Programm NoPa steht für „Neue Partner­ Rio de Janeiro zu erneuerbaren Energien schaften in der Akademisch-Technischen Zusam­ ging es darum, Interessenten von Universi­ menarbeit zwischen Brasilien und Deutschland“. täten, Forschungsinstituten und der Industrie Es wurde im Rahmen des „Deutsch-Brasiliani­ aus Deutschland und Brasilien zusammen­ schen Jahres der Wissenschaft, Technologie und zubringen. Innovation 2010/2011“ konzipiert. Inhaltlich orientiert sich das Programm an gemeinsamen Die hohe Zahl guter Anträge hat gezeigt, dass Interessen beider Länder, am brasilianischen sowohl die Forschungsthemen in beiden Län­ „Nationalen Plan zum Klimawandel“ und an dern bereits fest verankert sind als auch die zwei Themenschwerpunkten in der Entwick­ Matchmaking-Seminare neue Partnerschaften lungszusammenarbeit mit Brasilien (Tropen­ anstoßen konnten. Die gemischte Kommission­ wälder und Energie) des Bundesministeriums hat fünf Anträge zur Energie- und drei zur für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent­ Tropenwald-Forschung bewilligt. Damit starte­ wicklung (BMZ). Folgerichtig werden zwei ten Ende 2011 acht neue bilaterale Forschungs­ strategische Bereiche gefördert: Schutz und projekte für die Laufzeit von zwei Jahren. ›

77 „Brasilien-Tag“ in Münster und der beiden Länder statt. Rio de Janeiro war Hochschulvertreter auf Tour ­Schauplatz der 29. Wirtschaftstage vom 18. bis 20. September 2011, die auch diesmal wieder Um den Austausch zwischen beiden Ländern mit knapp 2.000 Teilnehmern sehr gut besucht zu stärken, müssen sich die Hochschulen Bra­ waren. Der DAAD nutzte die Wirtschaftstage, siliens und Deutschlands noch besser kennen­ um über seine Arbeit in Brasilien zu berichten lernen. Viele gute Projekte kommen nur schlep­ und Kontakte zu Alumni in Wirtschaftsunter­ pend oder gar nicht in Gang, weil man zu nehmen zu knüpfen sowie mit Unternehmen wenig über den Partner weiß oder persönliche selbst ins Gespräch zu kommen. Kontakte fehlen. Daher schlug der DAAD im Der DAAD nutzte die Rahmen des Deutsch-Brasilianischen Wissen­ Die deutsche Regierungsdelegation wurde Deutsch-Brasilianischen schaftsjahres vor, einen „Brasilien-Tag“ an einer ge­leitet von Staatsminister Dr. Werner Hoyer Wirtschaftstage, um über deutschen Hochschule zu veranstalten und in Vertretung des Außenministers. Das Auswär­ seine Arbeit in Brasilien dazu brasilianische Hochschulvertreter nach tige Amt stellte das Projekt „Deutschlandjahr zu berichten und Kontakte Deutschland einzuladen. in Brasilien 2013/2014“ der Öffentlichkeit vor. zu Alumni in Wirtschafts- Und der DAAD machte einen ersten öffent­ unternehmen zu knüpfen So reiste eine Delegation von 17 ­Professoren lichen Aufschlag für die Zusammenarbeit im sowie mit Unternehmen und Hochschulleitern wichtiger öffent­licher Programm „Ciência sem Fronteiras“: Dr. Doro­ ins Gespräch zu kommen. Universitäten (und einer privaten) vom thea Rüland, Generalsekretärin des DAAD, lud 27. April bis 6. Mai 2011 durch das Land. Zu­ Prof. Jorge Guimarães, Präsident von CAPES, nächst stellten die brasilianischen Gäste im und Prof. Glaucius Oliva, Präsident von CNPq, DAAD und in der Hochschulrektorenkonferenz zu einem Treffen am Rande der Wirtschafts­ (HRK) die gerade bekannt gewordene Initia­ tage ein. Dabei wurden in Anwesenheit von tive der brasilianischen Präsidentin „­Ciência Staatsminister Hoyer und Vize-Außenminister sem Fronteiras“­ vor. Dann ging es weiter nach Pinto Nogueira die Memoranda zur Beteiligung Münster zum „Brasilien-Tag“ vom 29. bis Deutschlands an dem Programm unterzeichnet. 30. April. Das Brasilien-Zentrum der Univer­ Die Fraunhofer-Gesellschaft schloss ebenfalls sität Münster und der DAAD hatten ein attrak­ ein Abkommen mit dem CNPq zur Platzierung tives Programm von Diskussionen, Vorträgen, von Doktoranden an Fraunhofer-Instituten. Atelierbesuchen und künstlerischen ­Beiträgen zusammengestellt, an dem Hunderte von Für die brasilianische Öffentlichkeit und gegen­ interessierten Studierenden und Hochschul­ über den Partner-Agenturen wurde damit das vertretern teilnahmen. Für die brasilianischen Engagement der deutschen Hochschulen und Gäste war es die erste Chance, in einer kleinen des DAAD dokumentiert, als Hauptzielland für Roadshow­ mit Informationsständen ihre Uni­ die zahlreichen Auslandsaufenthalte bereitzu­ versitäten zu präsentieren. Außerdem besuchte stehen und dafür mit den notwendigen Planun­ die Delegation Berlin (organisiert durch die gen zu beginnen. FU Berlin) und München (mit dem Gast­geber TU München). Alumniportal Deutschland in Brasilien

Deutsch-Brasilianische Wirtschaftstage Ein neues Format der Zusammenarbeit mit den brasilianischen Alumni wurde 2011 erprobt. Die Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage Das „Alumniportal Deutschland“ sollte in Brasi­ sind das größte regelmäßige bilaterale Event. lien bekannter, seine Vorteile und Leistungen Sie finden seit 1982 alternierend in einem sichtbarer und die Zahl der registrierten Nutzer

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erhöht werden. Eine zunächst geplante größere „Euro­Pós São Paulo 2011“ vom 18. bis 20. No ­ Konferenz wurde wegen sehr hoher Kosten vember. Das Format dieser europäischen verworfen. Stattdessen konzipierte das Infor­ Gemeinschaftsaktion ist bereits seit Jahren in mationszentrum (IC) São Paulo unter der Asien und einigen Ländern Lateinamerikas Leitung von Dr. Martin Gegner eine Ringvor­ erprobt: Mehrere europäische Agenturen für lesung, die in vier wichtigen brasilianischen akademischen Austausch bilden eine Arbeits­ Städten gastierte: Zwischen Mitte Oktober und gruppe, die die Bildungsmesse ausrichtet. Die Anfang November veranstaltete das IC São Messe steht allen europäischen Hochschulen Paulo zusammen mit dem Alumni­Referat des offen sowie auch nationalen Agenturen, die DAAD Bonn und dem Goethe­Institut Vortrags­ ihre Hochschulsysteme vertreten. Die Europä­ abende in Curitiba, Salvador, Belo Horizonte ische Kommission fördert fallweise die Messe Angesichts der hohen Popu- und São Paulo, jeweils in den lokalen Goethe­ durch Brüsseler Projektmittel oder durch lokale larität und Akzeptanz von Instituten beziehungsweise in der Bundesuni­ Mittel der europäischen Delegation (Botschaft). sozialen Netzwerken in versität von Minas Gerais (Belo Horizonte). In Brasilien bestand das Konsortium aus DAAD Brasilien wird das Alumni- Thema der Reihe war „FIFA­Weltmeisterschaft und seinen französischen und niederländischen portal Deutschland mit 2014 und urbane Transport systeme“ – eine Partnerorganisationen: Campus France und seinen Angeboten eine aktuelle, interdisziplinäre und auf breiter Ebene Neso / Nuffic. immer stärkere rolle ein- öffentlich diskutierte Frage, die sich in konkre­ nehmen. ten Herausforderungen an diesen vier Spiel­ „Euro­Pós São Paulo 2011“ war ein großer orten der Fußballweltmeisterschaft 2014 stellt. Erfolg. Zum Auftakt luden DAAD, Campus France und Neso / Nuffic zu einem Symposium An der Ringvorlesung nahmen zahlreiche zur brasilianisch­europäischen Zusammen­ Alumni aus verschiedenen Fachgebieten teil, arbeit in Bildung und Forschung ein. In drei die sich überwiegend im Alumniportal Deutsch­ Gruppen diskutierten Experten Kernfragen der land registriert und dort die Facharbeitsgrup­ Internationalisierung der Hochschulen, der pe „Copa e Transporte“ (WM und Transport) wissenschaftlichen Forschung und der Nach­ gegründet hatten. Die Vorträge und Diskussio­ wuchsförderung. Die neue EU­Botschafterin in nen wurden auch als Video­Stream ins Alumni­ Brasilien und ein Programm direktor aus Brüs­ portal eingestellt und können von Fachleuten sel vertraten die Kommission, die damit großes und Alumni weltweit verfolgt werden. Die Interesse an dem Projekt zeigte und langfristig daraus entstandenen Vernetzungen und Koope­ in eine Förderung einsteigen dürfte. rationen bedeuten einen qualitativen Schritt gegenüber der sonst auf verteilten Veranstal­ Die Messe selbst, auf einem großen Gelände tungen beruhenden Alumni­Arbeit. Es ist zu im Norden der Stadt veranstaltet, war mit erwarten, dass angesichts der hohen Popularität knapp 100 Ausstellern ausgebucht. Neben nati­ und Akzeptanz von sozialen Netzwerken in onalen Agenturen aus Europa und der europä­ Brasilien auch das Alumniportal Deutschland ischen Delegation und über 70 Hochschulen mit seinen Angeboten eine immer stärkere war vor allem die Beteiligung aus Brasilien Rolle einnehmen wird. bemerkenswert. Die Agenturen CAPES und CNPq nahmen erstmals die Gelegenheit wahr, Euro-Pós Bildungsmesse auf einer Publikumsveranstaltung für das Programm „Ciências sem Fronteiras“ zu wer­ Das bei weitem größte und wichtigste Projekt ben – dementsprechend umlagert waren ihre des Jahres im Bereich Marketing und Informa ­ Stände. 19 Universitäten aus ganz Brasilien tion war die erste europäische Bildungsmesse beteiligten sich an der Messe, teilweise mit ›

79 Gemeinschaftsständen. Die Besucher konnten sich dadurch über Studienmöglichkeiten in Europa, über Austauschprogramme der brasi­ lianischen Hochschulen und über Stipendien aus Europa und aus Brasilien informieren. Für die deutschen Experten ergaben sich zahlrei­ che Gesprächskontakte mit brasilianischen Hochschulvertretern – eine gute Gelegenheit zum Netzwerken und zur Anbahnung neuer Kooperationen.

Ausblick

Der wandel Brasiliens Brasilien muss jetzt beweisen, dass es den berührt auch den DAAD: Hoffnungen gerecht wird, die in das Land Das umfangreiche Stipen- gesetzt werden. Große internationale Ereignisse dienprogramm „Ciência werden die Wahrnehmung der Öffentlichkeit sem fronteiras“ will in dominieren: angefangen bei der UN­Konferenz neue Dimensionen des „Rio+20“ im Juni 2012 über den Weltjugendtag akademischen Austauschs 2013 und den Confederation­Cup ebenfalls 2013 vorstoßen. insgesamt sol- bis hin zur Fußballweltmeisterschaft 2014 und len 100.000 Brasilianer in schließlich zu den Olympischen Spielen 2016 in den kommenden vier Jah- Rio de Janeiro – genügend Gelegenheiten, um ren im Ausland studieren der Welt zu zeigen, dass die positiven Verän­ oder forschen. Diese Zahl derungen in Brasilien Substanz haben und in ist auch im internationalen Leistungsfähigkeit münden. Vergleich enorm hoch. Der Wandel Brasiliens berührt auch den DAAD: Das umfangreiche Stipendien programm „ Ciência sem Fronteiras“ will in neue Dimen­ sionen des akademischen Austauschs vorsto­ ßen. Ab 2012 hat der DAAD die Federführung für die neue Infrastruktur „Deutsches Wissen­ schafts­ und Innovationshaus“ in São Paulo, mit dem sich der Wissenschaftsstandort Deutsch­ land in Brasilien eine neue Plattform für Prä­ senz und Interaktion gibt. Schließlich blickt die Außenstelle Rio de Janeiro 2012 auf ihre Grün­ dung vor 40 Jahren zurück: Eine wechselvolle Geschichte mit schwierigen und kleinen Anfän­ gen, die aber aus heutiger Sicht beweist, dass der lange Atem und die nachhaltige Zusam­ menarbeit mit den Partnern im Land zu Erfol­ gen führen. «

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tabelle 10 : Statistischer Überblick Brasilien 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 8,5 Mio. km2 1 Eingeschriebene Studierende 2010 6,4 Mio. Bevölkerungszahl 192,4 Mio. davon mit Präsenzstudium 5,4 Mio. Frauen 51 % davon Fernstudium 930.179 Männer 49 % an staatlichen Institutionen 1.643.298 Bevölkerungsdichte 22,4 Einw./km2 an privaten Institutionen 4.736.001 Bevölkerungswachstum 1,17 % 2 Frauenanteil 57 % Verstädterungsgrad 84,36 % Anteil ausländischer Studierender 0,3 % Studierende der Naturwissenschaften 319.269 2. wirtschaftsdaten Studierende der Pädagogik 743.290 BiP * 2.520 Mrd. Studierende der Geisteswissenschafte und Künste 178.937 BiP pro kopf * 12.916 Studierende der Sozial-, Wirtschafts- & Rechtswiss. 2.180.493 Anteil am globalen BiP 2,9 % Studierende der Ingenieurswissenschaften 538.009 Human Development index (HDi) rang 84 Studierende der Agrarwissenschaft und Veterinärmedizin 131.055 knowledge Economy index (kEi) rang 54 Studierende medizinischer Fächer & der Sozialpädagogik 808.893 wirtschaftswachstum 2,9 % sonstige Fächer 101.422 inflation 5,33 % Doktoranden ca. 55.000 Graduierten-Studiengänge gesamt (Master & Promotion) 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen Abschlüsse 2010 Staatliche Bildungausgaben (Bildungsetat) * 39,2 Mrd. Bachelor’s Degree 665.664 Hochschultypen Master’s Degree 35.698 Universitäten 186 Doctorate 11.368 Centros Universitários 127 Professional Degree 3.102 CEFET/IF (Fachhochschulen) 35 Studiengebühren / Studienjahr * Faculdades (private Fakultäten) 1966 an staatlichen Institutionen keine Anzahl der Hochschulen gesamt 2.377 an privaten Institutionen variabel 4 staatliche 278 Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 27.571 privat 2.099 Anzahl Hochschullehrer 359.089 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende davon mit Bachelor 31.270 1. USA davon mit Spezialisierung 104.314 2. Frankreich davon mit Mastertitel 130.614 3. Portugal davon mit Promotion 92.891 4. Spanien Anzahl forscher pro 1 Mio. Einwohner 2007 656,9 5. Deutschland Anzahl wiss. Publikationen in indexierten Zeitschriften 3 26.482 * Angaben in US-Dollar

1 das entspricht 47 % der Fläche Südamerikas 2 jährlicher Durchschnitt der letzten 10 Jahre 2000 bis 2010 3 = ISI Index 4 je nach Institution und Fachrichtung (bis zu 15.000 US-Dollar pro Jahr an den teuersten Studiengängen der privaten Institutionen)

Quellen: iBGE: instituto Brasileiro de Geofísica e Estatística, rio de Janeiro iMf: international Monetary found iNEP: instituto Nacional de Estudos e Pesquisas Educacionais, Brasília iPEA: instituto de Pesquisa Econômica Aplicada, Brasília

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Tabelle 11 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Brasilien

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 231 I. individualförderung – gesamt A 759 1. nach Status D 145 grundständig Studierende A 311 D 36 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 401 D 23 davon Doktoranden A 185 D 50 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 47 2. nach Förderdauer D 48 < 1 Monat A 29 D 136 2–6 Monate A 298 D 47 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 432 3. nach ausgewählten Programmen D 23 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 96 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 194 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 67 D 11 Lektoren A D 2 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 37 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 123 D 126 Praktikanten A 112 D 11 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 47

D 487 II. Projektförderung – gesamt A 354 1. nach Status D 213 grundständig Studierende A 125 D 108 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 135 D 68 davon Doktoranden A 40 D 166 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 94 2. nach Förderdauer D 250 < 1 Monat A 197 D 218 2–6 Monate A 100 D 19 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 57 3. nach ausgewählten Programmen D 145 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 17 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 100 D 143 Austausch in Projekten (PPP) A 1

D 718 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 1.113 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.831

82 Hanoi ASiEN : haNoi

Vietnam: Auf dem Weg zum Industriestaat

Politik und wirtschaft Wirtschaftswachstum war nur möglich, weil die Staatsbank durch zahlreiche Abwertungen Die Entwicklung der vietnamesischen Wirt­ des vietnamesischen Dong reagierte. Dabei schaft verläuft insgesamt positiv. Zunehmende verlor die vietnamesische Währung zwischen internationale Verflechtung, teilweiser Abbau Ende 2009 und Anfang 2011 knapp 20 Prozent protektionistischer Handelsbarrieren seit dem an Wert. In diesem Zusammenhang getätigte Beitritt zur Welthandelsorganisation 2007 Geldverknappungsmaßnahmen trugen zwar sowie ein zunehmend erfolgreicher Umbau der ebenfalls zur Inflationsbekämpfung bei, wirk­ ehemals stark landwirtschaftsbasierten Ökono­ ten sich aber auch negativ beispielsweise im mie haben zu einer Diversifizierung des vietna­ Hochschulbereich aus, da keine Investitionen mesischen Wirtschaftslebens geführt. Dessen getätigt werden durften. Nicht viel einfacher Auswirkungen sind auch in anderen Bereichen war die Situation des Handelsbilanzdefizits, das spürbar: So steigt etwa das Bewusstsein, wie in den ersten fünf Monaten des Jahres 2011 auf Hannelore Bossmann leitet wichtig eine breite Berufsausbildung ist. 6,6 Mrd. US­Dollar anstieg. Vietnam besitzt zwar die Außenstelle Hanoi bescheidene Geldreserven, doch beeinflusst seit 2009. Die Außenstelle Die zunehmende Kapitalzirkulation und der dieses Defizit indirekt den Staatshaushalt. besteht seit dem Jahr stetig wachsende Zugriff der Bevölkerung auf 2003 und hat zurzeit fünf Konsumgüter haben Vietnam zu einer der Unverarbeitete Rohstoffe und landwirtschaft­ Mitarbeiterinnen und Mit- erfolgreichsten postsozialistischen Transfor­ liche Produkte machen etwa ein Drittel aller arbeiter, einen Lektor z.b.V. mationsgesellschaften werden lassen. Die gleich­ Exporte aus. So musste beispielsweise Rohöl, sowie eine „kulturweit“- zeitige politische Stabilität, die nicht überall einer der wichtigsten Devisenbringer des freiwillige. in Südostasien gegeben ist, schafft zusätzlich Landes, bis vor kurzem exportiert und als ein investitionsfreundliches Klima: Sie steigert Treibstoff reimportiert werden, da Vietnam bis die Bereitwilligkeit institutioneller Geldgeber Anfang 2010 keine Raffinerien besaß. Eine aus dem Ausland, Vietnam bei der Erreichung reale Herausforderung bildet die man gelnde des Ziels, 2020 ein Industriestaat zu sein, unter­ Produktivität. Qualitativ ansprechende Pro­ stützend zur Seite zu stehen. dukte mit hoher Wertschöpfung werden noch nicht in ausreichendem Maße hergestellt. Die vietnamesische Wirtschaft wächst erfreu­ Dafür fehlen angesichts des derzeitigen Aus bil­ lich konstant. Die wirtschaftliche Zuwachs­ dungs systems die entsprechenden Fach kräfte. rate lag 2011 laut Germany Trade and Invest Das Hauptaugenmerk gilt der schritt weisen (GTAI) bei 5,8 Prozent. Dabei war 2011 für Umstellung einer ursprünglich landwirtschafts­ Vietnam kein einfaches Jahr: Die Inflations­ basierten Produktion: Zurzeit ist sie noch aus ­ rate stieg bis Mai auf 20 Prozent und erreichte gerichtet auf Wettbewerbsvorteile durch billige damit den Höchststand seit August 2008. Das Arbeitskräfte, langfristig geht es um eine

84 moderne wissensbasierte Ökonomie. 40 Pro­ sowie bestimmte Einzelstaaten haben dem Multikulti im Café Goethe: zent der Wirtschaftsunternehmen sind Staats­ Land ihre Unterstützung zugesichert. Die politi­ Auf dem Deutschlandfest betriebe mit teilweise überholten Management­ schen Rahmenbedingungen sind stabil, und ist der Dönerstand heiß strukturen. der Wille zu Veränderung und Modernisierung begehrter treffpunkt. ist ungebremst. Eine leistungsfähige, den wirtschaftlichen › Be dürf nissen des Landes angepasste Berufs­ ausbil dung befindet sich noch im Aufbau. Der Plan des 11. Parteitags sieht vor, 40 Prozent des Vietnamesisch-Deutsche Brutto inlandsproduktes (BIP) in den sozio ­ Universität ökono mi schen Bereich zu investieren. Das Ziel Erster Science Slam ist, den Lebensstandard zu erhöhen und die sozioökonomische Stabilität zu gewährleisten. Die Schlüsselsektoren sind der Arbeitsmarkt, Generalplan zum das Gesundheitswesen, die Umwelt und die Fremdsprachenerwerb Armutsbekämpfung. In einigen Bereichen wur­ den bereits beachtliche Erfolge erzielt, beispiels­ weise bei der Armutsbekämpfung: Die Armuts­ Armutsbekämpfung rate ist laut Germany Trade & Invest (GTAI) von über 50 Prozent Anfang der 1990er Jahre Kampf gegen Korruption auf mittlerweile 10 Prozent gesunken.

Auch im regionalen Vergleich steht Vietnam gut Deutschlandjahr da. Wichtige internationale Geldgeber wie erfolgreich beendet die Weltbank, die Asiatische Entwicklungsbank

85 Ein Erfolg: Die Armutsrate kontinuität statt wechsel 8 Prozent sowie eine Erhöhung des Pro­Kopf­ ist von über 50 Prozent Einkommens auf 3.000 US­Dollar. Anfang der 1990er Jahre Das herausragende politische Ereignis war der auf heute 10 Prozent 11. Parteitag der Kommunistischen Partei Viet­ gesunken. nams (KPV) im Januar 2011, gefolgt von den Vietnam und seine Nachbarn Wahlen zur 13. Legislaturperiode der National­ versammlung und der Vorstellung des neuen Vietnams Integration in Südostasien, beginnend Kabinetts im Mai. Bereits vor dem 11. Partei­ mit dem Truppenabzug aus Kambodscha 1989 tag war beschlossen worden, die Anzahl der und der Aufhebung des amerikanischen Handels­ 1.400 Delegierten um 15 Prozent über die embargos 1994, ist eine Geschichte des schritt ­ Gewählten hinaus zu erhöhen. Gleichzeitig weisen, stetigen Erfolges. Dem lang er sehn ten wurde verfügt, den Frauenanteil auf 10 Prozent Beitritt zur Welt handels organisation (WTO) anzuheben und die Quote für Mitglieder unter 2007 folgte die Gastgeberschaft für den Asia­ 50 Jahren auf mindestens 20 Prozent festzu­ tisch Pazifischen Wirtschaftsrats (APEC) 2008, legen. Durch diese neuen Bestimmungen ergab der Sitz als nichtständiges Mitglied im Sicher­ sich eine erhöhte Wettbewerbssituation. Die heitsrat der Vereinten Nationen (UN) 2008/2009 Zusammensetzung des Parteitags gelingt auf und schließlich die Präsidentschaft des Verban­ diese Weise demokratischer. des Südostasiatischer Staaten (ASEAN) 2010.

Die 1.400 Delegierten, die 3,6 Millionen Partei­ Gleichwohl gibt es auch Konfliktfelder, zu mitglieder repräsentieren, wählten ein neues denen unter anderem der Inselstreit im Süd­ 14­köpfiges Politbüro. Als zentrales Organ chinesischen Meer gehört. China und Vietnam nominiert es unter anderem den Staatspräsi­ haben sich in den vergangenen Jahren zahl­ denten, den Premierminister und den Vorsit­ reiche Scharmützel in den beiden Archipelen zenden der Nationalversammlung. Die im Mai Spratly und Paracel geliefert. In den Gebieten zusammengetretene 13. Nationalversammlung lagern erhebliche Erdölvorkommen. Der seit segnete das Kabinett formell ab. Im leicht ver­ langem schwelende Inselkonflikt brandete 2011 größerten Zentralkomitee (ZK) sind die Minis­ in ungewohnter Schärfe auf, als Vietnam erst­ terien für Verteidigung und Öffentliche Sicher­ mals Demonstrationen vor der chinesischen heit vertreten. Botschaft in Hanoi zuließ.

Inhaltlich bestätigte der Parteitag den der­ Vietnam ist bemüht, sämtliche Gespräche über zeitigen Kurs, personell gab es keine Überra­ die Archipele multilateral über die ASEAN zu schungen. Neun der 14 Mitglieder im Polit büro führen. Auch die ASEAN­Mitglieder Indone­ wurden wiedergewählt. In der abschließen­ sien, Malaysia und die Philippinen sind Opfer den Resolution wurde der Ausbau der Markt­ der chinesischen Maximalforderungsstrategie, wirtschaft als erklärtes Ziel ausgegeben. Es das gesamte Südchinesische Meer für sich zu besteht die Einsicht, dass protektionistische beanspruchen. China wiederum ist bestrebt, Handelsbarrieren abgebaut werden und die ausschließlich bilateral aus einer Position der vietnamesische Wirtschaft sich verstärkt einem Stärke zu verhandeln. Durch die am Jahresende interna tionalem Wettbewerb stellt. Das Ziel, erfolgten vietnamesisch­chinesischen Konsulta­ bis 2020 zu einer Industriegesellschaft zu tionen ist das Konfliktpotenzial zunächst ent­ werden, wurde von dem scheidenden General­ schärft. Allerdings sehen sich sämtliche Anrai­ sekretär der KPV, Nong Duc Manh, bekräftigt. nerstaaten einer chinesischen Strategie gegen­ Er avisiert ein jährliches Wachstum von 7 bis über, die auf Zeit und Stärke setzt. Während die

86 Asien : Hanoi

übrigen Staaten jeder militärischen Auseinan­ ­Folgeprogramm soll unter dem Namen „911“ dersetzung mit China aus dem Weg gehen, ist voraussichtlich ab 2012 weitergeführt werden. Vietnam das einzige Land, das diese Form der Seit 2003 wurden in Deutschland im Rahmen Konfliktaustragung nicht scheut. Ungeachtet eines Abkommens zwischen dem DAAD und der Betonung, ausschließlich an einer Verhand­ dem MOET insgesamt 291 Regierungsstipen­ lungslösung interessiert zu sein, demonstriert diaten aufgenommen. die vietnamesische Haltung ein neues Selbst­ bewusstsein, das sich der aufstrebenden Groß­ Diese Qualifizierungsprogramme flankieren macht China entgegenstellt. die 2005 erlassene „Higher Education Reform Agenda“. Sie sieht vor, bis zum Jahr 2020 insgesamt 20.000 Promovierte hervorzubrin­ Die Regierung schickte in Hochschulen und Lehre gen, davon die Hälfte im Ausland ausgebildet. den vergangenen zehn Damit geht die Forderung einher, dass mindes­ ­Jahren 7.000 Stipendiaten Mehr qualifizierte ­Wissenschaftler tens knapp die Hälfte eines Jahrgangs studiert, ins Ausland – 3.000 von sich der Privathochschulbereichs auf 40 Pro­ ihnen promovierten. Die Bildung gehört nach wie vor zu den zent erweitert sowie Hochschulen stärker mit 95 Prozent kehrten nach Schwerpunkten des vietnamesischen Regie­ ihren Forschungsleistungen Mittel einwerben. Vietnam zurück. rungsprogramms. 20 Prozent des Haushaltes Derzeit sind deutlich unter 20 Prozent eines werden für diesen Bereich bereitgestellt. So Jahrgangs an den Hochschulen eingeschrieben. soll das gesetzte Ziel, eine wissensbasierte Zudem befinden sich weniger als 5 Prozent Industriegesellschaft zu werden und dafür aller vietnamesischen Studierenden im Post­ die notwendigen Fachkräfte auszubilden, graduiertenbereich. Zahlen wie diese stießen erreicht werden. letztlich die „Higher Education Reform Agen­ da“ an und ließen sie zu einem der ambitio­ Die Qualifizierung des Hochschullehrernach­ niertesten Projekte der vietnamesischen Regie­ wuchses hat dabei oberste Priorität. Laut viet­ rung werden. namesischem Bildungsministerium (MOET) sind nur 19 Prozent der Hochschullehrer pro­ Neues Hochschulgesetz moviert. Dies reicht noch nicht aus, um ein qualifiziertes Hochschulsystem aufzubauen. Viele Hochschulen unterstehen direkt dem Bil­ Dennoch hat sich die Situation durch das Quali­ dungsministerium, zahlreiche Forschungsein­ fizierungsprogramm für Wissenschaftler unter richtungen arbeiten ausschließlich für Minis­ dem Namen „322“ seit 2001 deutlich verbessert. terien. Forschung findet an den Hochschulen Dies ergab eine Evaluierung, die am 9. Dezem­ noch nicht in ausreichendem Umfang statt. ber 2011 nach zehnjähriger Programmlaufzeit Das neue Hochschulreformgesetz soll Abhilfe vorgestellt wurde. Insgesamt wendete die Regie­ schaffen und Vietnams Hochschulen internati­ rung 125 Mio. US-Dollar auf, um 7.000 Stipen­ onal wettbewerbsfähiger machen, die Qualitäts­ diaten ins Ausland zu schicken, von denen sicherung gewährleisten und den Hochschulen 3.000 die Möglichkeit hatten, in ausgewählten mehr Eigenverantwortung übertragen. Die in Ländern zu promovieren. 95 Prozent der Sti­ diesem Zusammenhang diskutierte Autono­ pendiaten sind zurückgekehrt und arbeiten mie der Hochschulen ist sehr umstritten und in Vietnam. Aufgrund dieses Erfolgs wurde wurde mehrfach in der Nationalversammlung entschieden, das Programm fortzusetzen, um diskutiert. Zwar bedeuten mehr Entscheidungs­ schließlich das Ziel zu erreichen, 35 Prozent freiheit und Verantwortung einen Zuwachs an der Hochschullehrer zu promovieren. Das Freiraum, doch stellt sich das Problem von der ›

87 Strategische Zur Vorberei­tung des Besuchs Handelspartner­ innerhalb ­Partnerschaft war Außenminister Guido der Europäischen Union: Die ­Westerwelle im Juni nach ­v i e t namesischen Exporte Die Hanoier Erklärung von 2011 Vietnam gereist. Mit großem nach Deutschland sind deut- ist für die bilateralen Bezie- Interesse nahm die Bevölke- lich höher als die Importe aus hungen zwischen Vietnam rung die Ernennung des viet- Deutschland. Wichtigste viet- und Deutschland ein weiterer namesischstämmigen Philipp namesische Exportprodukte Meilenstein: Sie begründet Rösler zum Vizekanzler und nach Deutschland sind Textilien eine strategische Partnerschaft Wirtschafts­minister Deutsch- und Schuhe, Kaffee und Pfeffer, zwischen den beiden Ländern. lands zur Kenntnis. Er avancierte Meeresfrüchte und Holz­pro­ Bundeskanzlerin Angela Merkel in zahlreichen Internetblogs in dukte. Mit Abstand wichtigste unterzeichnete die Erklärung Vietnam zum Star und besucht Einfuhrprodukte aus Deutsch- während ihres Staatsbesuches Vietnam voraussichtlich 2012. land sind Maschinen und im Oktober in Vietnam. Neben Ausrüstungsgegenstände. Sie den politischen und wirtschaft- In der Entwicklungszusammen- werden für das Ziel benötigt, lichen Themen wird darin auch arbeit mit Vietnam rangiert bis 2020 ein Industrieland zu die Zusammenarbeit in Bildung Deutschland als drittgrößter werden. Zu den Großprojekten und Wissenschaft als wichtiges bilateraler Geber nach Japan mit deutscher Beteiligung gehö- Auf Tuchfühlung mit der Kooperationsfeld aufgeführt. und Korea und hat seit 1993 ren die bereits fertiggestellten Bundeskanzlerin: Angela Zum Anlass des Staatsbesuchs circa 1,2 Mrd. Euro für Pro- prominenten Bauten des Nati- Merkel nimmt sich wäh- wurde auch die Errichtung eines jekte aufgewendet. Bei den onalen Konferenzzentrums, das rend ihres Vietnam-Besuchs Deutschen Hauses auf einem Regierungsverhandlungen im Hanoi-Museum, der Neubau Zeit für ein Gespräch mit bundeseigenen Grundstück im Dezember 2011 wurden zusätz- des Innen­ministeriums sowie zwei Studenten der Univer- Zentrum von Ho Chi Minh City lich 288,2 Mio. Euro zugesagt. der Neubau des Parlaments- sität Frankfurt, die ein besiegelt. Es soll dem General- Sie sind für drei Schwerpunkte gebäudes. Die U-Bahn Linie 2 Semester an der Foreign konsulat sowie deutschen Orga- vorgesehen: nachhaltige Wirt- in wie sonst: Ho Chi Minh City Trade University in Hanoi nisationen und Unternehmen schaftsentwicklung, insbeson- wird ebenfalls mit ­deutscher studieren. Platz bieten, um die mannigfal- dere Berufsbildung; Umwelt- Beteiligung erstellt. tigen deutschen politik, Schutz und nachhaltige Aktivitäten Nutzung natürlicher Ressourcen Die Zahl der vietnamesischen sichtbarer zu sowie Gesundheit. Studierenden in Deutschland machen. ist zwar auf 4.189 gestiegen, Der bilaterale Handel mit allerdings ist dieser Zuwachs Deutsch­­land ist laut Außen­ zugunsten der vietnamesischen handels­kammer 2010 um Bildungsinländer in Deutschland 30 Pro­­zent auf 3,4 Mrd. Euro zu verbuchen: Sie gehören mit angewachsen. Deutschland zu den erfolgreichsten Abituri- ist damit Vietnams größter enten in Deutschland.

Überlebensfähigkeit der Hochschulen jenseits Fremdsprache und neue ­Curricula der staatlichen Förderung. Es ist ein wechselsei­ tiger Lernprozess, bei dem die schrittweise zu Englisch wird bisher nur unzureichend an Schu­ mehr Eigenverantwortung angehaltenen Uni­ len und Hochschulen vermittelt, die Fremd­ versitäten dieser auch gerecht werden müssen. sprachenkenntnisse reichen für internationale Hierzu bedarf es einer Reihe von Elementen, Beziehungen nicht aus. Die Regierung geht das die für viele Hochschulen Neuland sind, unter Problem umfassend an und hat einen General­ anderem effektive Werbestrategien, klare plan zum Fremdsprachenerwerb (2008–2020) Schwerpunktsetzungen und verlässliche Quali­ entworfen: Der sieht vor, dass künftig sämtliche tätssicherungsstrukturen. Hochschulabsolventen bilingual ausgebildet­

88 Asien : Hanoi

werden, das heißt sie müssen Englisch auf ­Lehrpersonal­ einzustellen. Was fehlt, sind B2-Niveau beherrschen. Abiturienten sollen Hochschulen, die qualitativ dem lokalen und B1-Kenntnisse nachweisen. Eine Initiative,­ regionalen Wettbewerb standhalten können. deren Erfolg davon abhängt, inwieweit die Lehrkräfte an den Sekundarschulen, insbeson­ Insofern besteht das paradoxe Problem, dass dere auf dem Land, zusätzliche Sprachkennt­ Vietnam im Universitätsbereich auch Über­ nisse erwerben können. kapazitäten hat. Da es den privaten Einrich­ tungen sowohl an Ausstattung als auch an Die Lehrpläne vietnamesischer Hochschulen qualifiziertem Personal mangelt, wollen Stu­ unterliegen staatlicher Oberaufsicht. Sie sind dierende viele dieser Neugründungen nicht in Zusammenhang mit der Grundausrichtung besuchen. Die Hochschulen waren nicht in der des Landes – der Entwicklung der Marktwirt­ Lage, sich einen Ruf aufzubauen, der die Studi­ schaft mit sozialistischen Charakteristika – zu enortentscheidung positiv beeinflussen würde. sehen. Dementsprechend ist ein Teil des grund­ Sie bilden häufig rein marktorientiert aus, ständigen Studiums für Pflichtveranstaltungen finan­zieren sich über Studiengebühren und zur Staatsbürgerkunde reserviert. Mit zuneh­ vernachlässigen die Forschung. Hier wird zum mendem Aufbau unabhängiger Lehr- und Teil dem Vorbild ausländischer Hochschulen­ Forschungseinrichtungen dürfte dieser Anteil nachge­eifert. Den Anfang machte das Royal zukünftig graduell abnehmen. Melbourne Institute of Technology, die erste ausländische Hochschule, die ihre Pforten in Auf der anderen Seite gehen die Lehrpläne Vietnam öffnen durfte. auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts und der Studie­renden ein. Viele Fachbereiche ­bieten Die Gesamtzahl der Studierenden liegt bei Spezialisierungen und Schwerpunkte an. 1,7 Millionen, davon sind 700.000 Vollzeitstu­ Gleichzeitig­­ hat die Modernisierung der Lehr­ denten. Damit bleibt die Gesamtzahl relativ inhalte im rein fachlichen Bereich stark aufge­ niedrig, nicht einmal 20 Prozent eines Jahrgangs holt, so dass der Abstand zu anderen Staaten sind eingeschrieben. Einer der Gründe liegt in in der Region verringert werden konnte. Zeit­ den nicht ausreichend vorhandenen Studien­ gemäße Lehrbücher, angepasst an die sozialen plätzen an den wenigen guten Hochschulen. Die Gesamtzahl der Studie- Veränderungen Vietnams, sorgen für ein offe­ Das Ziel der Regierung, die Einschreibequote renden ist mit 1,7 Millionen neres Lernklima als noch vor wenigen Jahren. auf 50 Prozent eines Jahrgangs anzuheben, relativ niedrig – 20 Prozent konnte durch die vielen Hochschulneugründun­ eines Jahrgangs sind einge- Hochschulinflation gen allein noch nicht erreicht werden. Zudem schrieben. Die Regierung müssen zahlreiche kleine private Hochschulen will eine Quote von 50 Pro- Um das Ziel von 450 Studierenden pro 10.000 wieder schließen, sobald die Nachfrage nach zent erreichen. Vi­etnamesen bis 2020 zu erreichen, benötigt den wenigen angebotenen Fächern sinkt. Das das Land nach Auskunft des Bildungsministe­ MOET hat im Rahmen einer Qualitäts­offensive riums knapp 600 Hochschulen. Zwar wurden in die Überprüfung von Hochschulen verschärft den vergangenen zehn Jahren zahlreiche neue und einige zweifelhafte Neugründungen rück­ Hochschulen eröffnet – rund 75 Prozent aller gängig gemacht. vietnamesischen Hochschulen sind in diesem Zeitraum gegründet worden – dabei handelt Umzug an die Peripherie es sich aber zumeist um private­­ Einrichtungen,­ die auf örtliche Klientel zugeschnitten sind Um eine Expansion der Hochschulen räumlich und Schwierigkeiten haben, qualifiziertes­ zu ermöglichen, ist deren Verlagerung an die ›

89 Begeisterung für Schwarz, Peripherie der Metropolen Hanoi und Ho Chi ­Volkskomitee entwickelter Kriterienkatalog soll Rot, Gold: Das Deutschland­ Minh City (HCMC) beschlossen worden. Ein den Umzug in drei Phasen bis 2030 regeln. fest lockte im November Großteil der Hanoier Hochschulen wird in den über 500 an Deutschland nächsten Jahren nach Hòa Lac, etwa 50 Kilo­ ̇ interessierte Gäste auf den meter südwestlich der Stadt, umziehen. Hier Aus der Arbeit der Außenstelle Campus des Vietnamesisch- entsteht ein über 1.500 Hektar großer Indus­ Deutschen Zentrums. trie- und Wissenschaftspark, in dem rund Das Deutschlandjahr in Vietnam ging am 200.000 Personen tätig sein sollen, darunter 14. Januar 2011 in der Hanoier Oper mit einer viele Studierende. 1998 beschlossen, soll der Parzivalaufführung glanzvoll zu Ende. Das Umzug bis 2020 abgeschlossen sein. Das gut Libretto für das Stück „Der durch das Tal ging“ 800-Millionen-US-Dollar-Projekt soll einen hat der deutsche Dramatiker Tankred Dorst wichtigen Beitrag zu Vietnams Entwicklung hin verfasst. Befürchtet wurde, dass nach dem Ende zu einer wissensbasierten Ökonomie leisten. des Deutschlandjahres die vielseitigen Veran­ Bis 2020 werden etwa 60.000 Studierende in staltungen und mannigfaltigen gemeinsamen Hòa Lac erwartet. Weitergehende Pläne sehen Initiativen aus finanziellen Gründen nicht fort­ ̇ bis zum Jahr 2050 dann 160.000 Studierende geführt werden können. Um dem gezielt ent­ vor. Der Plan stößt teilweise auf erheblichen gegenzuwirken, hat sich die Außenstelle früh­ Widerstand der Hochschulen. Sie befürchten, zeitig bemüht, die bestehenden Synergien zu dass nicht viele Studierende und Dozenten nutzen. Besonders gut gelang dies im Bereich bereit sein werden, weitab Hanois auf dem der Alumni-Arbeit und der deutschen Sprache. Land zu wohnen. Zudem wollen die Hochschu­ len nicht ihre günstig gelegenen Grundstü­ Viet Duc Alumnitalk cke im Innenstadtbereich aufgeben. Ähnliche Pläne gibt es für die Hochschulen in HCMC. Anknüpfend an den Erfolg der Eröffnung des Dort werden 1.750 Hektar für neue Gebäude in Alumniportals Deutschand (APD) ent­wickelten drei Universitätszonen – zwei im Norden und die Beteiligten des APD – DAAD, Deutsche eine im Südwesten – bereitgestellt. Ein im Juni Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit­ 2011 zwischen dem MOET und dem HCMC- (GIZ), Goethe-Institut – gemeinsam mit der

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­Transparency International, Vietnam belegt Platz 120. Vietnam hat allerdings beim jüngsten Parteitag die Korruptionsbekämpfung zu einem vorrangigen Thema erklärt.

Deutsch: Von Karaoke- bis Essay-Wettbewerb

Um an das erfolgreiche Deutschland-Jahr in Viet­ nam 2010 anzuknüpfen, initiierte und finanzierte­­ die Deutsche Botschaft Hanoi in Zusammen­ arbeit mit dem DAAD, dem Goethe-­Institut sowie der Zentralstelle für das Auslands­schul­wesen (ZfA) am 6. November 2011 das Deutschland- Fest. Die Veranstaltung fand im Vietnamesisch- Deutschen Zentrum an der Technischen Uni­ versität Hanoi statt. Auf dem Gelände ist auch Deutschen Botschaft ein neues Format, um die DAAD-Außenstelle angesiedelt. Das von Deutschland-Alumni anzusprechen und lang­ etwa 500 Besuchern belebte Fest wies neben fristig in Kontakt zu bleiben. Es entstand die traditionellen Volksfestelementen auch Bestand­ Idee des „Viet Duc Alumnitalk“, der einmal im teile auf, für die überwiegend der DAAD zu­ Quartal unter wechselnder Federführung eines stän­­dig war: Ein von der DAAD-Außenstelle der beteiligten Partner durchgeführt wird; in Vietnam initiierter Science Slam, ein Mobil­ „Viet“ heißt „Vietnamesisch“, „Duc“ „Deutsch“. telefonfilmwettbewerb sowie zahlreiche Vor­ Statt einer Vortragsveranstaltung wurde die träge und Präsentationen waren Teil dieser Form eines Expertengesprächs­­ gewählt: Jeweils Veranstaltung, die 2012 wiederholt werden soll. ein deutscher Experte­ und ein vietnamesischer Fachmann (Alumnus) tauschen sich im Beisein Karaoke ist eine Leidenschaft in Ostasien – auch Karaoke macht Lust auf eines Moderators zu einem allgemeinen Thema auf Deutsch sind Schüler und Studierende Deutsch: Studierende aller aus. Im Berichtsjahr waren das „Deutsche immer dafür zu haben. Die Außenstelle lud drei Hochschulen Hanois und Vietnamesen: Ähnlichkeiten und Unter­ deshalb 2011 wieder zu einem Karaoke-Festival und Schüler der Chuyen- schiede“, „Hanoi vor dem Verkehrs­infarkt“, „Das in Nord- und Südvietnam ein. Am 15. April Ngu-Oberschule rockten neue Verbraucherschutzgesetz“. Bei jeweils­­ hieß es „Bühne frei“ in Hanoi: Die sechs Teams im Bibliotheks-Festsaal der 150 Teilnehmern findet diese Veranstaltungs­ bestanden aus engagierten Studierenden aller TU Hanoi vor über 200 form, die auch Zeit für Diskussionen lässt, drei Hochschulen Hanois und der Chuyen-Ngu- begeisterten Gästen deut- regen Anklang. Oberschule. Sie rockten im Bibliotheks-Festsaal sche Lieder zum Thema der TU Hanoi vor über 200 begeisterten Gästen „Liebe und andere Katast- Vor allem in Deutschland ausgebildete Juristen deutsche Lieder zum Thema „Liebe und ­andere rophen“. nahmen an der Veranstaltung zur „Korruptions­ Katastrophen“. Beim Wettbewerb am 4. Juni war bekämpfung – deutsche Erfahrungen“ teil, die das Interesse mit neun konkurrierenden Teams die Außenstelle zusammen mit der Friedrich- und über 400 Besuchern sogar noch größer. Ebert-Stiftung veranstaltete. Rednerin war die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Die elektronische Kommunikation bei jungen Däubler-Gmelin. Deutschland steht auf Rang Menschen ist in Vietnam allgegenwärtig. Da 14 des „Corruption Perception Index“ von stellte der Aufsatzwettbewerb „Ein Jahr ohne ›

91 Am 17. Februar 2009 grün­dete Die Studiengebühren betragen sich im DAAD in Bonn der 1.500 US-Dollar pro Studienjahr. Vietnamese German University Die ersten zwölf Masterabsol- Konsortialverein. Mitglieder im venten der VGU erhielten am Verein sind aktuell 36 Hochschu- 21. November 2011 ihr Abschluss- Die ersten Absolventen: Vietnamesisch- len und Institutionen sowie der zeugnis im Beisein von Bundes- Im Beisein von Altbundes- Deutsche Universität TU9-Verein. kanzler a.D. Gerhard Schröder. kanzler Gerhard Schröder erhalten zwölf Master ihre Die Vietnamesisch-Deutsche Die VGU bietet zurzeit vier Im März 2010 öffnete das erste Abschlusszeugnisse. Universität (Vietnamese- ­Master- und zwei Bachelor­ Research Centre for Traffic and German University, VGU) in programme an: Transport. Ho Chi Minh City ist die erste staatliche Hochschule ausländi- n M.Sc. Computational Im Rahmen der „Higher Educa­ scher Herkunft. Ihr kommt die ­Engi­­nee­ring (Ruhr-Universität tion Reform Agenda“ (HERA) Rolle eines Pioniers zu, dessen Bochum), finanziert die Weltbank für die Humboldt’sche Prinzipien eine n M.Sc. Sustainable Urban VGU als „New Model Research Vorbildfunktion für das gesam- ­Development (BTU Cottbus), University“ einen Campusneu- te vietnamesische Hochschul­ n M.Sc. Business Information bau im Umfang von 180 Mio. wesen entwickeln sollen. Ziel ist Systems (Hochschule Heilbronn US-Dollar. Er soll unweit des jet- es, in den kommenden Jahr- und Hochschule Furtwangen), zigen Campus entstehen und zehnten eine erstklassige For- n M.Sc. Mechatronics and 2017 fertiggestellt sein. In Hanoi schungshochschule aufzubauen. ­Sensor System Technology hat die Vietnamesisch-Franzö- (Hochschule Karlsruhe), sische Universität University of Unterrichtet wird derzeit auf n B.Sc. Finance and Accounting Science and Technology Hanoi einem Übergangscampus 40 Ki­­lo­ (Universität Frankfurt a. M.), im Jahr 2010 ihren Betrieb auf­­ meter von HCMC entfernt in n B.Eng. Electrical Engineering genommen. Weitere interna­­tio­­ Binh Duong und Thu Duc. Derzeit and Information Technology nale Universitäten sind mit Groß­­ gibt es rund 400 Studierende. (FH Frankfurt a. M.). britannien und Japan geplant.

Alles“ für die Studierenden eine besondere Marketing und Forschung Herausforderung­ dar: Sie sollten sich vorstellen,­ wie sie ein Jahr ohne Handy, Internet oder Hochschulmesse Computer verbringen würden. Die neun besten Wichtigstes Rekrutierungsinstrument für Selbst­ der 47 Einsendungen wurden mit einem Hoch­ zahler sind die Hochschulmessen vom DAAD schulsommerkurs ausgezeichnet. und seinem französischen Partner Campus France. Diese Partnerschaft hat sich auf dem „Blickfang“ vietnamesischen Bildungsmarkt als erfolg­ reich erwiesen. Im Dezember fand bereits Mobiltelefone sind die ständigen Begleiter­ die 3. Deutsch-Französische Bildungsmesse in ­junger Vietnamesen und ­Vietnamesinnen. Hanoi, Ho Chi Minh City und erstmals auch Daher sollten Studierende mit dem „Blickfang“- in ­Danang statt. Da die meisten Stipendiaten Wettbewerb angeregt werden, ihre Vorstel­ und Selbstzahler in Frankreich und Deutsch­ lungen über Deutschland und ihre Vorlieben land aus dem Norden Vietnams kommen, für die deutsche Kultur kreativ audiovisuell sollte ein ­Zeichen gesetzt werden, indem der um­zusetzen. Es kam zu witzigen, aber auch Messe­auftakt nach HCMC verlegt und danach tief­sinnigen Zwei-Minuten-Beiträgen, die auf die Messe in Hanoi fortgesetzt wurde. Doch dem Deutschlandfest präsentiert und mit es kamen nur 800 Besucher zur Veranstal­ einem Jury- und Publikumspreis prämiert tung in HCMC. In Hanoi ließen sich dagegen wurden. 1.500 ­interessierte Schüler, Studierende und ›

92 Emsiger Betrieb: Hauptein- gang der Hanoi University of Science and Technology (oben).

Auf dem Campus: Die Hanoi University of Science and Technology (links) beher- bergt auch das Vietna­me­ sisch-Deutsche Zentrum (rechts).

Hoher Besuch: Außen­minis­ ter Guido Westerwelle in­­ for­miert sich über die Arbeit der DAAD-Außen­stelle (2. Reihe von unten, links).

Karaoke auf Deutsch: Neun Teams treten vor 400 Gästen gegeneinander an (links unten).

Teamarbeit: Die Mitarbeiter der DAAD-Außenstelle mit der Leiterin Hannelore ­Bossmann in der Mitte (rechts unten).

93 ihre Familien über ein Studium in Deutsch­ vietnamesische Dozenten zu promovieren. land und Frankreich beraten. Elf deutsche Daher ist es für deutsche Hochschulen und Hochschulen stellten ihre Studien­ und For­ Forschungsinstitutionen interessant, diese schungsprogramme vor. Im Mittelpunkt des Nachwuchsdozenten über Studien­ und For­ Publikumsinteresses standen dabei die drei schungsmöglichkeiten zu informieren. Der Studienrichtungen „Business, Wirtschaft, DAAD reagierte neben kleineren Informations­ Management“, „Ingenieurwissenschaften“ und seminaren mit einer großangelegten For­ An der Vietnam Academy „Sozialwissenschaften und Recht“. Anders als schungsmarketingveranstaltung in HCMC, die of Science and technology in anderen asiatischen Ländern möchte ein sich an zukünftige Promovenden im Süden (VASt) präsentierten der Großteil der Besucher bereits ein grundstän­ Vietnams richtete. Dieser Workshop wurde DAAD und deutsche Hoch- diges Studium in Deutschland absolvieren. in Kooperation mit der Vietnam Academy of schulen forschungs- und Science and Technology (VAST) durchgeführt, fördermöglichkeiten in Erasmus Mundus roadshow die den DAAD eingeladen hatte, um dem Infor­ Deutschland. Die 200 an - In Kooperation mit der Europäischen Kommis­ mationsdefizit zu Forschung in Deutschland gehenden Doktoranden sion und europäischen Partnerländern wurde entgegenzusteuern. 200 angehende Dokto­ interessierten sich sehr für an wichtigen Hochschulen in Hanoi, HCMC, randen und Doktorandinnen interessierten das Angebot. Da viele Hue, Danang und Cantho für das Erasmus sich sehr für die Darstellung der deutschen bereits ein Stipendium Mundus Programm geworben. Viele Vietname­ Forschungslandschaft und die Fördermöglich­ haben, wird die Anzahl der sen bekunden großes Interesse und haben sich keiten sowie die Präsentationen der deutschen Bewerber wohl hoch sein. bereits erfolgreich beworben. Von 2004 bis 2011 Hochschulen. Da die Teilnehmer ihr Stipen­ erhielten 257 Studierende ein Masterstipen­ dium mitbringen, wird die Anzahl der Bewer­ dium. In dem Programm gehört Vietnam damit ber wohl hoch sein. nach Indonesien (284) zu den Spitzenreitern « in Südostasien.

Erster Science Slam in Vietnam Die jungen vietnamesischen Forscher sind noch ungeübt in der kurz gefassten Präsentation ihrer Forschung. Diese Schwierigkeiten wir­ ken sich bei Bewerbungen und Konferenzen aus. Mit der Organisation eines Science Slam sollte eine Plattform geschaffen werden, auf der Nachwuchswissenschaftler Gelegenheit erhalten, ihre wissenschaftliche Arbeit und For­ schung knapp und unterhaltsam vorzustellen. Dank des DAAD debütierte dieses Format in Vietnam. Die sechs Slammer begeisterten das Publikum auf dem Deutschlandfest mit zehn­ minütigen Präsentationen.

forschungsmarketing an der Vietnam Academy of Science and technology Die verschiedenen genannten Qualitätsoffen­ siven im Hochschulbereich und die Regierungs­ stipendienprogramme erhöhen den Druck auf

94 Asien : Hanoi

Tabelle 12 : Statistischer Überblick Vietnam 2011

1. Grunddaten 1 Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 331.698 km2 Ausländische Studierende gesamt k.A. Bevölkerungszahl 90,5 Mio nach Herkunftsländern: Bevölkerungsdichte 263,2 Einw./km2 1. Laos k.A. Bevölkerungswachstum ca. 1,3-1,4 % 2. Kambodscha k.A. Urbanisierungsgrad lt. Weltbank 29 % 3. China k.A. 4. Mongolei k.A. 2. Wirtschaftsdaten 2 5. Russland k.A. BIP * 106,43 Mrd. Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 101.000 BIP pro Kopf * 1.160 davon in Deutschland 4.189 Anteil am globalen BIP k.A. Knowledge Economy Index (KEI) lt, Wikipedia Rang 102 / 140 Die zehn beliebtesten Zielländer für Studierende 7 Wirtschaftswachstum lt. GTAI 5,8 % 1. Australien 25.000 Inflation lt. lt. Weltbank 8,9 % 2. USA 14.888 3. China 12.500 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 3 4. Singapur 7.000 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2010 * ca. 5,2 Mrd. 5. Großbritannien 6.000 Hochschultypen 6. Frankreich 5.540 Dai hoc (Universität) 163 7. Russland 5.000 Cao dang (Kollegs mit dreijährigen Studiengängen) 223 8. Deutschland 4.189 Anzahl der Hochschulen gesamt 386 9. Kanada 3.500 staatlich 306 4 10. Japan 3.500 privat 80 5 Anzahl Hochschullehrer 74.573 * Angaben in US-Dollar davon ordentliche Professoren 2010 6 1.407 Promovierte 7.924 1 www.wikipedia.org Masterabsolventen 30.374 2 www.worldbank.org 3 www.moet.gov.vn Eingeschriebene Studierende 2010/11 2.162.106 4 197 Cao dang + 113 Dai hoc = 306 an staatlichen Institutionen 1.828.185 5 30 Cao dang + 50 Dai hoc = 80 an privaten Institutionen 333.921 6 lt. Staatlicher Berufungskommission Cao dang 726.219 7 Angaben des MOET Dai hoc 1.435.887 Frauenanteil 50 % Quellen: www.worldbank.org Vollzeit Cao dang 675.724 3 3 www.moet.gov.vn Vollzeit Dai hoc 970.644 3 www.gso.gov.vn Anteil ausländischer Studierender k.A. 3 www.wikipedia.com Studierende der Naturwissenschaften k.A. (Alle Links mit letztem Zugriff 01.2012) Studierende der Geisteswissenschaften k.A. Doktoranden k.A. Abschlüsse 2010/11 Bachelor’s Degree Dai hoc 187.379 Abschluss Cao dang 130.966 Master’s Degree k.A. Doctorate k.A. Studiengebühren / Studienjahr 2010/011 * an staatlichen Institutionen max. 480 an privaten Institutionen max. 6.000

95 Asien : Hanoi

Tabelle 13 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Vietnam

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 32 I. individualförderung – gesamt A 265 1. nach Status D 15 grundständig Studierende A 10 D 6 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 231 D 2 davon Doktoranden A 176 D 11 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 24 2. nach Förderdauer D 4 < 1 Monat A 15 D 15 2–6 Monate A 21 D 13 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 229 3. nach ausgewählten Programmen D 1 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 43 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 145 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 11 D 5 Lektoren A D Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 4 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 8 D 13 Praktikanten A 2 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 11

D 170 II. Projektförderung – gesamt A 334 1. nach Status D 36 grundständig Studierende A 50 D 29 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 133 D 8 davon Doktoranden A 33 D 105 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 151 2. nach Förderdauer D 136 < 1 Monat A 201 D 26 2–6 Monate A 76 D 8 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 57 3. nach ausgewählten Programmen D 34 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 4 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 5 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 71 D Austausch in Projekten (PPP) A

D 202 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 599 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 801

96 Jakarta Im wirtschaftlichen Aufwind

wachsende wirtschaft und Dieser Faktor, ein rund 7 Mrd. US­Dollar umfas­ Einkommensunterschiede sendes Konjunkturprogramm der Regierung sowie Zinssenkungen der Zentralbank haben Die Einschätzungen zur gegenwärtigen und die Wirtschaft stabilisiert. Zudem gab es nach künftigen wirtschaftlichen Entwicklung Indo­ den Erfahrungen der Finanzkrise 1998 zahl­ nesiens sind positiv. Dem Land werden hervor­ reiche Reformen im Finanzsektor, die sich ragende makroökonomische Daten attestiert. jetzt als Vorteil erweisen. Bemerkenswert ist Tatsächlich gehört Indonesien zu den wenigen auch das Senken der Staatsverschuldung von Ländern, in denen die Wirtschaft trotz der inter­ 130 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr nationalen Finanzkrise gewachsen ist. In den 1998 auf rund 30 Prozent im Jahr 2010. vergangenen Jahren wies Indonesien Wachs­ tumsraten um die 6 Prozent aus. Dieses Niveau Darüber hinaus ist Indonesien reich an minera­ wird nach Ansicht internationaler Beobachter lischen Rohstoffen wie Erdgas, Kohle, Öl, Bauxit auch in Zukunft erreicht werden. Die wirtschaft­ und Gold und profitiert von steigenden Rohstoff­ liche Prosperität beruht insbesondere auf einem preisen auf dem Weltmarkt. 2010 nahmen die Dr. Helmut Buchholt leitete starken Binnenmarkt, der das Land von den Exporte gegenüber dem Vorjahr um 35,4 Pro­ die Außenstelle Jakarta globalen Turbulenzen weitgehend unabhängig zent auf 157,7 Mrd. US­Dollar zu. Dadurch von 2009 bis 2011. Die macht. Der Inlandskonsum macht etwa 60 bis er höhte sich der im Außenhandel erzielte Über ­ Außenstelle besteht seit 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. schuss im gleichen Zeitraum um 12,4 Prozent dem Jahr 1990 und hat auf 22,1 Mrd. US­Dollar. Vor allem für die roh ­ zurzeit neun Mitarbeite- stoffarmen Nachbarländer China, Korea, Sin ga ­ rinnen und Mitarbeiter. pur und Japan ist Indonesien ein wichtiger Lie­ Deutschland ferant fossiler Energie­ und Industrierohstoffe. genießt hohes Image Entsprechend zählen China, Japan und Singapur zu den Haupthandelspartnern. Der Handel mit Qualitätsprobleme den traditionellen Partnern, Europa und USA, bei Abschlüssen hat sich in den vergangenen Jahren verringert.

Bildungsmarkt für Doch die Ausbeutung der Bodenschätze hat deutsche Hochschulen einen hohen Preis. In keinem anderen Land ver ­ schwinden derzeit die tropischen Regen wälder Schere zwischen schneller als in Indonesien. Drei Viertel der dor ­ Arm und Reich tigen Regenwälder sind bereits vernichtet. Geziel­ Doppeldiplomprogramme te Brandrodung durch Agrarkonzerne hat mit sind beliebt dazu beigetragen, dass Indonesien mittlerweile

98 Asien : Jakarta

nach den USA und China auf Platz drei der Definition, dann würden im Jahr 2014 über Kohlendioxid-Emissionsverursacher steht. 160 Millionen, also weit mehr als die Hälfte der Auf dem G20-Gipfel im September 2009 hat Indonesier, zur Mittelklasse gehören. Solche Susilo Bambang Yudhoyono, der Präsident von Definitions- und Rechenmodelle haben mit

Indonesien, eine Verminderung der CO2-Emissi­ der Realität nur wenig zu tun, können aber als onen von 25 Prozent bis 2020 angekündigt. Beleg dafür gesehen werden, dass sich das Land im Bewusstsein des wirtschaftlichen Aufwinds Angesichts der sehr positiven wirtschaftlichen befindet und man sich Gedanken über die Parti­ Entwicklung Indonesiens, bestätigt durch zipation an dieser Entwicklung macht. Rating-Agenturen, nahmen die ausländischen Direkt­investitionen im Jahr 2010 um 52 Prozent So verwundert es nicht, dass die Einschätzung Die Ausbeutung der auf etwa 16 Mrd. US-Dollar zu. Von den Gesamt­­ ­ der Weltbank anders lautet: Nach wie vor Bodenschätze hat einen investitionen­­ 2010 in Indonesien entfielen ­gelten 50 Prozent der Indonesier als arm, wobei hohen Preis: In keinem 71 Prozent­ auf ausländische Investoren. Diese es regionale Unterschiede gibt. Bei solchen Be­ anderen Land verschwin- stammten vorwiegend aus Singapur (über rechnungen wird in der Regel ein Einkommen den derzeit die tropischen 30 Prozent), Großbritannien (knapp 12 Prozent) von unter 2 US-Dollar pro Tag zugrunde gelegt. Regen­wälder schneller und den USA (weniger als 6 Prozent). Deutsch­ Fest steht, dass die seit 2008 erheblich gestiege­ als in Indonesien. land belegt bei den ausländischen Investoren nen Nahrungsmittelpreise die Lage der Armen zurzeit den 11. Rang. verschärft haben: Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Die Zahl Die guten makroökonomischen Daten dürfen der reichen Indonesier wächst: Gegenwärtig­ aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in geht man von etwa 30.000 Dollarmillionären­ Indonesien zwei Drittel der Wirtschaftsleistung und 20 Dollarmilliardären aus. Somit kommen im informellen Sektor erwirtschaftet werden der Verteilung des erwirtschafteten ökonomi­ und die Landwirtschaft weiterhin eine wich­ schen Einkommens und der Teilhabe der Bevöl­ tige Rolle spielt. Es wird geschätzt, dass etwa kerung eine entscheidende Bedeutung zu. 43 Prozent der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft, nur 18 Prozent in der Industrie und knapp 40 Prozent im Dienstleistungsbe­ Fehlende Infrastruktur reich arbeiten. Mehr als jeder zweite Indonesier und Korruption arbeitet ohne Vertrag. Die Zahlen über Beschäf­ tigung und Arbeitslosigkeit sind deshalb nur Trotz positiver makroökonomischer Wachs­ bedingt aussagekräftig und setzen voraus, dass tums­raten hemmt fehlende Infrastruktur in die jeweils zugrundegelegten Parameter ange­ praktisch allen Bereichen die weitere Entwick­ geben werden. lung. Um das erreichte wirtschaftliche Niveau halten und ausbauen zu können, wurde im Die wirtschaftliche Entwicklung kommt vor Februar 2011 unter Vorsitz des Präsidenten ein allem einer wachsenden Mittelschicht zugute. ehrgeiziger „Masterplan zur Beschleunigung Ein Bericht des Indonesian Economic Quarterly­ und Ausweitung des ökonomischen Aufbaus hob hervor, dass seit 2003 Jahr für Jahr sie­ Indonesiens 2011–2025“ aufgestellt. Er zielt auf ben Millionen Menschen der Aufstieg in die den Ausbau der Infrastruktur in den verschie­ Mittelklasse gelungen sei. Dazu werden gesell­ denen Regionen des Landes. Aufgeteilt in regi­ schaftliche Gruppen gerechnet, die mehr als onale Korridore, soll er den jeweiligen Erforder­ 70 Prozent ihres Einkommens für andere Güter nissen bei der Entwicklung der Infrastruktur als Nahrungsmittel ausgeben. Folgt man dieser­ Rechnung tragen. Am Ende soll nicht nur eine ›

99 rACHE PEr fACEBook

Korruptionsskandale, die das Parlament, die Polizei und die Ministerial- bürokratie betrafen, wurden als übliche Ereignisse registriert. Jedoch zeigte der Fall des Schatzmeisters der regierenden „Demokratischen Partei“, Muhammad Nazaruddin, eine neue Dimension auf. Schließlich war die Partei des Präsidenten wegen ihrer strikt auf Korruptions- Ein ungeklärtes Verhältnis: bekämpfung setzenden Parolen als Wahlsieger aus den jüngsten Parla- Staat und religion mentswahlen hervorgegangen. In der westlichen Wahrnehmung erfährt die Das Besondere an diesem Fall war, dass Nazaruddin sich nicht nur per- Frage der Religion in Indonesien zunehmende sönlich mit einer fantastischen Geldsumme aus dem Budget für die Aufmerksamkeit. Das Land mit der weltweit Südostasienspiele bereichert hatte, sondern sich aus seinen Verstecken größten islamischen Bevölkerung wird einer­ im Ausland über Twitter und Facebook an der politischen Klasse Indo- seits gern wegen seiner demokratischen Struk­ nesiens rächte, indem er täglich über neue Details aus der Korruptions- turen und religiösen Toleranz herausgestellt, praxis seiner Parteifreunde berichtete. Mit Entsetzen konnten die andererseits aber auch wegen der dynamischen Indonesier verfolgen, wie einer nach dem anderen in den Korruptions- Entwicklung des Islams besonders beobachtet. sumpf gezogen wurde. Weder die Antikorruptionsbehörde KPK noch Zahlreiche Übergriffe gegen nicht­muslimische die Familie des Präsidenten, der vor zwei Jahren als oberster Kämpfer Glaubensrichtungen, die Ermordung von Anhän ­ gegen die Korruption wiedergewählt worden war, blieben von den Ent- gern der Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya, hüllungen verschont. Als Nazaruddin schließlich in Kolumbien gefasst geringe Bestrafung der Täter und teilweise und nach Indonesien ausgeliefert worden war, bot er an, sich an nichts verharmlosende Stellungnahmen politisch Ver­ mehr zu erinnern, wenn seine Frau verschont bliebe, die ebenfalls der antwortlicher haben das Bild vom toleranten Korruption angeklagt war. Land in diesem Jahr zumindest infrage gestellt. Zudem spricht nach Ansicht von Beobachtern Das Vertrauen in die politische Elite ist durch diesen Fall grundlegend vieles dafür, dass in Indonesien radikale islami­ erschüttert worden. Nach Ansicht vieler Beobachter kann von einer sche Kräfte zunehmend an Einfluss gewinnen. tiefen Legitimationskrise gesprochen werden: Vielen Menschen falle es So seien islamische Symbole im Alltag, in der angesichts der Enthüllungen schwer, den Glauben an die Demokratie Öffentlichkeit und den Medien sichtbarer gewor ­ zu bewahren. Umso mehr komme es jetzt darauf an, zwar eine kriti- den. Weiterhin sei augenfällig, dass es trotz der sche Haltung gegenüber öffentlichen Personen einzunehmen, aber die Staatsphilosophie Pancasila, die eine weitgehen­ bisher erreichten demokratischen Errungenschaften nicht aufzugeben, de Religionsfreiheit garantiere, ein ungeklärtes weil sonst der Weg zurück in die Autokratie drohe. Verhältnis von Staat und Religion gebe.

Wenngleich alle diese Beobachtungen zutref­ bessere Infrastruktur vorhanden sein. Die Wirt­ fend sind, so bleibt doch die Frage: Wird sich schaftsstruktur soll sich auch zugunsten des Indonesien mehr und mehr zu einem islami­ tertiären Sektors so verändern, dass das durch­ schen Staat entwickeln? Es besteht kein Zweifel schnittliche Pro­Kopf­Einkommen Indonesiens daran, dass es in Indonesien radikale islami­ von derzeit veranschlagten 3.000 US­Dollar auf sche Gruppen gibt, die ihre Ziele mit Gewalt bis zu 13.000 bis 16.000 US­Dollar steigt. durchzusetzen bereit sind. Hintergrund dafür könnte sein, wie Franz Magnis­Suseno, Jesuiten­ Ein anderes zentrales Problem Indonesiens ist pater und Philosophieprofessor, bemerkte, dass die Korruption. Potenzielle Investoren beklagen der indonesische Traum von Demokratie der­ hohe, auf fast allen Stufen des Staats­ und Ver­ zeit auf Sparflamme stehe. Und für Al Makin, waltungsapparates anfallende illegale Neben­ Islamwissenschaftler und DAAD­Alumnus, kosten. Das Ausmaß und spektakuläre Fälle von scheint Radikalismus ein sicherer Hafen für Korruption haben 2011 einen neuen Höhepunkt jene, die mit der rasanten Entwicklung der Welt erreicht. Es sind gerade die politischen Eliten, die unzufrieden sind und sich im brutalen Konkur ­ dabei sind, ihre Chancen und den Glauben an renzkampf unterlegen fühlen. Beide Sicht weisen die Demokratie durch Korruption zu verspielen. zielen interessanterweise auf die Beziehung

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zwischen sozialer und politischer Realität einer­ allerdings ändern, wenn das Land von einer seits und einem möglichen Anwachsen eines schweren wirtschaftlichen Krise heimgesucht islamistischen Potenzials andererseits. würde, wie es in der Vergangenheit der Fall war.

Eine kürzlich unter Beteiligung der Konrad­ Adenauer­Stiftung durchgeführte Studie hebt Zu wenig Geld für Gesundheit hervor, dass der überwiegende Teil der Indone­ und Bildung sier sich nach wie vor einem kulturellen, nicht einem politischen Islam verbunden fühlt. Etwa Soziale Ungleichheiten zeigen sich bei gesell­ Die rolle des islam in der ein Fünftel der muslimischen Bevölkerung ver ­ schaftlichen Partizipationsmöglichkeiten, indonesischen Gesellschaft folge allerdings eine islamistische Orientierung. besonders aber im Gesundheits­ und Bildungs­ ist weiterhin ein thema, das Die Zahl der aktiven Islamisten schätzen die bereich. Medizinisch behandelt wird grund­ international große Beach- Autoren auf etwa 5 Prozent. Diese Zahlen, so die sätzlich nur, wer vorab gezahlt hat. Wer über tung findet. indonesien Studie, demonstrieren eine signi fikante ideolo­ ein hohes Einkommen verfügt, kann sich in ist das größte islamische gisch­islamische Präsenz in Indo nesien. Zudem modernsten medizinischen Einrichtungen Land der welt. Ein signifi- würden etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung behandeln lassen. Die medizinische Grundver­ kantes Anwachsen des von den Informationen des politischen Islam sorgung wird von Basisgesundheitseinrichtun­ politischen islams ist aber erreicht, ohne dass allerdings klar zu bestimmen gen (Puskesmas) übernommen. Dort sind die gegenwärtig weder erkenn- sei, inwiefern und wie weit deren politische Gebühren noch erschwinglich. Mit der Quali­ bar noch von den einfluss- Einstellungen durch die Informationen beein­ tät der Einrichtungen steigen die Kosten. Ein reichen politischen Gruppen flusst würden. Die Studie beobachtet auch eine ungelöstes Problem bildet die Sicherung der erwünscht. deutliche Zunahme an öffentlicher islamischer medizinischen Versorgung in allen Gebieten Symbolik und eine Stärkung islamischer Identität des Landes sowie die hohe Kinder­ und Mütter­ sowohl beim Einzelnen als auch in der Gemein­ sterblichkeit. Aus Sicht der Weltbank gibt die schaft. In den letzten fünf Jahren trügen deut­ indonesische Regierung zu wenig Geld für das lich mehr Muslimas Kopftücher, eine Beobach­ Gesundheitssystem aus. tung, die mit Nachdruck bestätigt werden kann. Aus der Verwendung dieser kulturellen Muster Ähnliches gilt für das Bildungssystem. Die Qua­ allerdings auf eine Stärkung des politischen lität der Schulbildung ist, auch verglichen mit Islam zu schließen, halten die Autoren der Stu­ anderen südostasiatischen Ländern, auf einem die für falsch. Ihr Fazit lautet, dass die zweifel­ niedrigen Niveau. Bei den letzten Pisa­Studien los gewachsene öffentliche islamische Symbolik erreichte Indonesien in den Naturwissenschaften kulturell bedingt und keine politische Intenti­ Platz 50 (von 57) und bei den Lesefähigkeiten on damit verbunden sei. Eine Bedrohung der Rang 48 (von 56). Neben dem staatlichen Schul­ Demokratie in Indonesien gehe mit der sicht­ system hat sich eine große Zahl von Schulen bar zunehmenden islamischen Symbolik nicht etabliert, die unter christlicher und islamischer einher. Dieser Einschätzung ist grundsätzlich Trägerschaft stehen. In diesen Schulen ist das zuzustimmen. Ein signifikantes Anwachsen Bildungsangebot oft besser, allerdings sind die des politischen Islams ist gegenwärtig weder dort anfallenden Schulgebühren für die über­ er kenn bar noch von den einflussreichen politi­ wiegende Mehrheit der Bevölkerung nicht bezahl ­ schen Gruppen erwünscht. Die wirtschaftliche bar. Eine gute Schulbildung und soziale Partizi­ Prosperität und paradoxerweise gerade das un ­ pationsmöglichkeiten hängen in hohem Maße ge klärte Verhältnis zwischen Staat und Religion vom familiären Einkommen ab. Die Schere tragen dazu bei, dass der Islamismus wenig zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter und Entfaltungsmöglichkeiten hat. Das könnte sich zeigt sich auch in der akademischen Ausbildung. ›

101 Sichtbar modern: die neue Wie viel Autonomie für ­Jahren werden in diesen sieben Universitäten Bibliothek der Universitas Hochschulen? jetzt Rektoren, Dekane und weitere Funktions­ Indonesia in Depok. träger gewählt statt politisch bestimmt. Als eine große Errungenschaft seit der Einfüh­ rung der Demokratie galt die größere Auto­ Die mit der Einführung der Reform verbun­ nomie der renommierten Hochschulen. Diese dene Anforderung an die Hochschulen, einen Entwicklung, die sich nur auf sieben Hoch­ Teil ihrer Mittel selbst zu erwirtschaften, hat schulen des Landes bezog, wurde schon 2011 zu dramatisch steigenden Studiengebühren, wieder infrage gestellt. Die Diskussion über den aber auch zu mehr Orientierung an den Bedürf­ Grad der gewährten Autonomie hält an. Das nissen der Studierenden geführt. Es gibt eine Bildungsministerium hatte zu Anfang angekün­ deutliche Tendenz zur Kommerzialisierung digt, dass der eingeleitete Prozess nach mehre­ von Bildung. Allerdings werden nun die Hoch­ ren Jahren überprüft werden müsse, bevor eine schulen in noch größerem Maße für den Stu­ endgültige Entscheidung falle. Ergebnis der dienerfolg der Studierenden verantwortlich bereits seit zwei Jahren geführten Diskussionen gemacht: Ein Studien-Misserfolg fällt somit auf ist der Kompromiss, die endgültige Entschei­ die Hochschule zurück. Die Folge ist ein Qua­ dung für ein weiteres Jahr auszusetzen. Die litätsproblem, denn die Lehrenden haben ein Überprüfung hatte Zweifel an der Sinn- oder vitales Interesse daran, allen Studierenden ein Rechtmäßigkeit dieser Regelung aufkommen Abschluss-Zertifikat zu erteilen. Das schon vor lassen und zugleich zu Unruhe in den beteilig­ Jahrzehnten bestehende Problem symbolischer ten Hochschulen geführt. statt qualitativ fundierter Bildungsabschlüsse bleibt so weiter erhalten, obwohl offiziell höhe­ Die betroffenen Hochschulen argumentieren, re und bessere Bildungsabschlüsse das erklärte dass der Autonomie-Prozess unumkehrbar Ziel der Politik darstellen. sei. Sie gehen davon aus, dass sich an der nun gängigen Praxis der letzten Jahre nichts Grund­ Lehrende an Universitäten müssen heute min­ legendes ändern werde. Tatsächlich haben die destens einen Masterabschluss, oft schon eine Hochschulen den ihnen eröffneten Raum für Promotion vorweisen. In der Vergangenheit Entscheidungen sehr weit genutzt und bei­ reichte meistens ein Bachelorabschluss für eine spielsweise Grundstücke gekauft. Sie haben Lehrtätigkeit an einer Hochschule aus. Proble­ sich umstrukturiert, Verwaltung, Management matisch ist jedoch, dass derartige Regelungen und Curricula modernisiert sowie neue Perso­ die Studienabschlüsse nicht qualitativ ver­ nal- und Evaluationssysteme eingeführt. Dazu bessert haben. Es ist zu hoffen, dass die vom gehören auch Formen der inneruniversitären Bildungsministerium angekündigten schärferen Demokratisierung. Anders als in früheren Regelungen, die mit Blick auf Qualität und

102 Asien : Jakarta

Anhebung des Niveaus in Promotionsstudien­ ­wichtigen Wettbewerbsvorteil. Europa und ins­ Besonders die sieben gro- gängen verlangt werden, umgesetzt werden. besondere Deutschland könnten und sollten ßen indonesischen Univer- Die mittelfristige Planung des Bildungsminis­ beim Auslandsstudium weiterhin eine wichtige sitäten wollen international teriums sieht vor, dass Hochschullehrer an den Rolle spielen. in Lehre und Forschung bedeutenden Universitäten promoviert sein konkurrenzfähig werden. müssen. Die angestrebte Verbesserung der Das Image Deutschlands als Hochschul-, Wirt­ Sie legen Wert darauf, dass wissenschaftlichen­ Qualität ist ein wichtiger schafts- und Kulturstandort ist hoch. Die Zahl ihre Hochschullehrer pro- und notwendiger Schritt, um internationale der indonesischen Studierenden in Deutsch­ moviert sind: Standards zu erreichen. land liegt konstant bei 2.400. In Europa ist n Universitas Indonesia Deutschland für Indonesier das wichtigste (UI) in Jakarta, Erfreulich ist, dass sich die indonesischen Hoch­ Zielland und liegt weltweit hinter Australien, n Institut Teknologi schulen weiterentwickeln wollen und sich den USA und Malaysia auf Platz 4, gefolgt von ­Bandung (ITB), ehrgeizige Ziele setzen. Besonders die bedeu­ Japan. Wenn diese Position gehalten werden n Institut Pertanian tenden Universitäten wollen international in soll, ist eine stärkere Präsenz deutscher Hoch­ Bogor (IPB), Lehre und Forschung konkurrenzfähig werden. schulen und Institutionen vor Ort erforderlich. n Universitas Gadjah Mada Deshalb ist das Interesse an Internationalisie­ Wichtige Ausbildungs- und Forschungsbereiche (UGM), Yogyakarta, rung groß. Alle wichtigen Hochschulen haben in Indonesien sind Meeresforschung, Biotech­ n Universitas Airlangga ­interne Strukturen für die Organisation und nologie, Umwelttechnologie, alternative Ener­ (UNAIR), Surabaya, die Förderung von internationaler Zusammen­ gien sowie Forschungen zu den Folgen des n Universitas Pendidikan arbeit und Austausch geschaffen und pflegen Klimawandels und zu Biodiversität – Bereiche, Indonesia (UPI), ­Bandung, vielfältige Kontakte ins Ausland oder streben­ in denen deutsche Hochschulen eine hohe n Universitas Sumatera sie an. Die indonesischen Universitäten interes­ Expertise besitzen. Utara (USU), Medan. sieren sich auch verstärkt für Doppelabschluss­ programme, die von der Regierung unter Das indonesische Bildungsministerium hat das Deutschland ist für indone- anderem mit Stipendien gefördert werden. große Potenzial erkannt, das in der Entwick­ sische Studierende das Doppelabschlussprogramme sind beliebt, weil lung der Hochschulen liegt. Es unterstützt deren Zielland Nr. 1 in Europa sie einen intensiven Wissensaustausch über Qualifizierungsbemühungen durch umfang­ und liegt weltweit hinter Studienorganisation­ und -inhalte sowie festge­ reiche Stipendienprogramme für junge gradu­ Australien, den USA und legte Standards voraussetzen. Außerdem för­ ierte Wissenschaftler, die an Universitäten oder ­Malaysia auf Platz 4, gefolgt dern sie die Entwicklung englischsprachiger Forschungseinrichtungen angestellt sind. von Japan. Studiengänge, von denen es in Indonesien erst Gefördert werden Master- und Promotions­ wenige gibt. Deutsche Universitäten zeigen sich studien im In- und Ausland. bei Kooperationen noch immer viel zurück­ haltender als zum Beispiel australische oder niederländische­ Hochschulen. Der DAAD in Indonesien

Stipendienprogramme weiterhin attraktiv Der Trend zur Ausbildung im Ausland wird sich fortsetzen, denn Ausbildung und For­ Die Nachfrage nach DAAD-Stipendien war auch schung befinden sich an indonesischen Hoch­ im Jahr 2011 groß. Die Bewerberzahlen für die schulen noch in der Entwicklung und die wichtigsten Stipendienprogramme blieben kon­ Studiengebühren sind hoch. Außerdem ist für stant oder stiegen teilweise weiter an. Bereits im die wohlhabenden Eliten ein Auslandsstudium Dezember 2010 wählte die Außenstelle, wie üb­ nach wie vor der Regelfall. Ein internationaler lich gemeinsam mit dem indonesischen Bildungs­­ ­ Studien­abschluss genießt ein hohes ­Prestige ministerium, die Jahresstipendien 2011/2012 und bedeutet auf dem Arbeitsmarkt einen aus. Von den 60 Bewerbern erhielten 16 eine ›

103 JEriN – DEUtSCHE woCHEN iN iNDoNESiEN

Von Anfang Oktober 2011 bis Ende März 2012 veranstalteten die deut- schen Institutionen in Indonesien auf Initiative der Deutschen Bot- schaft die Deutsch-Indonesischen Überaus erfolgreich sind in Indonesien die Wochen (JERIN). Die unterschied- Hoch schulmanagement­Trainingskurse für Uni ­ lichen Veranstaltungen zogen viel versi täts dozenten in Leitungsfunktionen wie Publikum an. Sie warben überzeu- UNISTAFF, UNILEAD und IDC ( International gend für Deutschland als Wirt- Deans’ Course). Diese beliebten Kurse sind wich­ schafts-, Kultur-, Bildungs- und Hochschulstandort sowie als wichtigen tige positive und nachhaltige Einflussgrößen für Partner für Indonesien. Besonders hervorzuheben ist die gelungene strukturelle Verbesserungen an den Hochschulen. Bündelung von Veranstaltungen unterschiedlicher deutscher Institu- tionen und die daraus resultierenden Synergieeffekte. Die Außenstelle Des Weiteren hat die Außenstelle zwölf meist präsentierte sich vor allem mit Alumni-Veranstaltungen, wissenschaft- junge deutsche Wissenschaftler bei ihren lichen Fachvorträgen und -seminaren, Informationsständen, Kinder- DAAD­geförderten Forschungsaufent halten universitäten und Ausstellungen. in Indonesien betreut.

Deutsche und indonesische Hochschulen ver­ Förderung. Die neuen Stipendiaten besuchten stärkten ihre Zusammenarbeit: Das Export­ Deutschkurse in Jakarta und Deutschland; vor Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule Reiseantritt im Mai lud die DAAD­Außenstelle Wismar und dem Institut Teknologi Sepuluh sie zu einem interkulturellen Training ein. Nopember (ITS) Surabaya lief mit 23 Studie­ renden an. Deutsche Hochschullehrer unter­ Im „DAAD­Aceh Scholarship of Excellence nah men mehrere Fact­Finding­Missions, um Programme“ wurden im Jahr 2011 insgesamt Koope rationsmöglichkeiten auszuloten. Berater­ 30 Studierende gefördert. programme und Hochschulpartnerschaften wurden neu begonnen oder fortgeführt. 14 Indonesier nahmen 2011 ein Masterstudium in Deutschland auf – ausgestattet mit einem förderung der deutschen Sprache begehrten Stipendium für entwicklungsländer­ bezogene Aufbaustudiengänge aus Mitteln des An indonesischen Universitäten in Jakarta und Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam­ Bandung arbeiten zurzeit vier Lektoren für Ger­ menarbeit und Entwicklung. manistik / DaF. Das Lektorat an der Universitas Indonesia (UI) wurde im August mit Dr. Svann Das ausgeschriebene Stipendienprogramm für Langguth besetzt. Die Lektoren boten neben den Masterstudien in „Public Policy and Good Aufgaben an ihren Instituten Fortbildungen für Government“ traf erneut den Bedarf – die Nach­ Deutschdozenten an anderen Standorten an und frage ist stark. berieten ausführlich über Stipendienprogram­ me und Studienmöglichkeiten in Deutschland. Im Hochschulsommerkurs­Programm wurden Jeweils eine Sprachassistentin war an der Univer­ 13 Studierende aus Deutschabteilungen in Indo­ sitas Pendidikan Indonesia in Bandung und an nesien gefördert. der Universitas Gadjah Mada in Yogyakarta tätig.

Von Studienaufenthalten sowie Wiedereinla­ Die Deutschabteilung der Universitas Indone­ dungs­ oder Forschungskurzstipendien profi­ sia in Jakarta hat 2011 ihr 50­jähriges Bestehen tierten im Jahr 2011 neun erfahrene indonesi­ mit einer großen Feier und einem Symposium sche Wissenschaftler beziehungsweise Alumni. begangen – unter den Gästen waren die Bot­ Sie konnten mehrere Monate in Deutschland schafter der deutschsprachigen Länder sowie wissenschaftlich arbeiten. Fachvertreter aus Deutschland.

104 Asien : Jakarta

Der indonesische Germanistenverband hat Rückbesinnung: in letzter die regelmäßige Veröffentlichung eines elek­ Zeit tragen immer mehr tronischen Newsletters für ganz Südostasien Muslimas Kopftücher beschlossen. (oben).

Die Außenstelle nimmt regelmäßig an den Hoher Besuch: An der Uni- Sitzungen des „Ständigen Ausschusses Deutsch versitas Indonesia spricht als Fremdsprache“ teil. Der Ausschluss wurde sich der damalige Bundes- umbenannt in „Netzwerk Deutsch“. präsident Christian Wulff vor 200 Germanistikstudie- Die DAAD-Langzeitdozentin für Meeresbiologie,­ renden und Gästen für Dr. Karen von Juterzenka, hat ihre erfolgreiche intensive bilaterale Bezie- Arbeit an der Agrarwissenschaftlichen Univer­ hungen auf politischer, sität Bogor fortgesetzt. Dank ihres Engagements wirtschaftlicher und kultu- strahlt die Dozentur auf andere Standorte aus reller Ebene aus (2. von und hat den vielen bilateralen Kooperationen, oben). Projekten und Initiativen, beispielsweise des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Neues Stipendien­abkom­­ im Bereich Meeresbiologie, wichtige Impulse men unterzeichnet: In den gegeben. kommenden Jahren wer- den etwa 180 bis 230 Pro- Seit 2011 sind die Fachlektorate in Rechts­ motionen und Forschungs- wissenschaften­­ an der Universitas Gadjah aufenthalte für indone­ Mada in Yogyakarta und in Wirtschaftswissen­ sische Studierende an schaften an der Universitas Islam Negeri in ­deutschen Hochschulen Jakarta mit Dr. Nils Wagenknecht (Recht) und finanziert (2. von unten). Dr. Margareth Gfrerer (Wirtschaft) besetzt. Bildungsmesse Jakarta: Marketing für Deutschland Über 12.000 Besucher kamen zur European ­Higher Deutschland genießt als Studien- und Bildungs­ Education Fair (unten). standort in Indonesien hohe Reputation. Indo­ nesien ist deshalb als Bildungsmarkt für deut­ sche Hochschulen sehr interessant. Information und Beratung zum Studium in Deutschland war 2011 wieder ein prägender Teil der DAAD- Arbeit vor Ort. Die Außenstelle war zudem auf zahlreichen Bildungsmessen und Informations­ veranstaltungen an Schulen und Hochschulen aktiv. Sie arbeitet mit der Deutschen Botschaft, dem Goethe-Institut, Alumni-Vereinigungen und dem Studienkolleg Indonesia zusammen. Auch die Kooperation mit den internationalen Bildungsagenturen, besonders mit den Campus France und Neso / Nuffic und der EU, läuft gut. ›

105 Lektorentreffen Yogyakarta: 2011 konnte der Infopoint in Surabaya wieder Alumni-Arbeit Regen macht dem kulturel- an zwei Tagen in der Woche regelmäßig für len Besichtigungsprogramm Beratungssuchende geöffnet werden. Die Außenstelle hat sich auch 2011 intensiv keinen Strich durch die der Pflege und dem Ausbau ihrer Kontakte Rechnung (links). Indonesian-German Scholarship gewidmet. Sie arbeitet eng mit den zahlreichen Programme (IGSP) Alumni-Vereinen in Indonesien und den regi­ Schlüsselübergabe: Irene onalen Alumni-Netzwerken zusammen und Jansen übernimmt die Das indonesische Bildungsministerium und der war in deren Veranstaltungen eingebunden. ­Leitung der DAAD-Außen- DAAD verhandelten 2011 ein Memorandum of DAAD-Alumni unterstützen die Außen­stelle stelle von Helmut Buchholt Understanding für ein Stipendienprogramm bei der Informations- und Beratungsarbeit (rechts). im Rahmen eines Debt-Swap-Abkommens zwi­ und der Stipendienauswahl. Sie sind wichtige schen Deutschland und Indonesien. Die erfor­ Ansprechpartner und Vermittler von Kontakten der­­lichen Finanzmittel wurden Ende November zwischen deutschen und indonesischen Hoch­ vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bun­des­ schulen sowie dem DAAD und den politischen tages bewilligt und am 1. Dezember 2011 vom Entscheidungsträgern in Indonesien. 2011 damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff organisierten Alumni verschiedene fachwissen­ bei seinem Besuch in Jakarta offiziell verkün­ schaftliche Veranstaltungen, darunter einige det. Am 9. Dezember unterzeichneten DAAD- mit DAAD-Förderung und unter Beteiligung Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland und der deutscher Dozenten. Darüber hinaus erhielten Generaldirektor für Hochschulangelegenheiten Alumni für ihre Anträge auf Gerätespenden im indonesischen Bildungsministerium, Prof. einen positiven Bescheid: Die Urkunde für Djoko Susanto, den Vertrag in Jakarta. Die ers­ eine große Gerätespende überreichte General­ ten Stipendiaten wurden bereits ausgewählt sekretärin Dr. Dorothea Rüland bei ihrem und reisen 2012 nach Deutschland. Besuch in Jakarta an Prof. Uras Siahaan von der Univer­ sitas­ Kristen Indonesia. European Higher Education Fair Wechsel der Außenstellenleitung Nach den ersten beiden European Higher Edu­ cation Fairs (EHEF) 2008 und 2010 sowie der Im Dezember 2011 wurde der bisherige Außen­ zweitägigen Messe Alumniportal Deutschland stellenleiter, Dr. Helmut Buchholt, in einer Feier­ im November 2009 stand im November 2011 stunde in den neuen Büroräumen der Außen­ die dritte EHEF im Zentrum der Marketing- stelle nach dreijähriger Tätigkeit in Jakarta und Alumni-Aktivitäten. Sie wurde von der EU offiziell verabschiedet. DAAD-Generalsekretärin organisiert. Insgesamt nahmen 78 Hochschulen Dr. Dorothea Rüland nutzte die Gelegenheit, die aus neun europäischen Ländern die Gelegen­ neue Außenstellenleiterin, Dr. Irene Jansen, heit wahr, sich in Indonesien zu präsentieren zu begrüßen, die im Februar 2012 ihre Arbeit – 12.300 Besucher wurden gezählt. aufnimmt. «

106 Asien : Jakarta

Tabelle 14 : Statistischer Überblick Indonesien 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 1,9 Mio km2 Abschlüsse 2009/10 Ausdehnung D1, D2, D3, D4 3 ca. 170.000 West / Ost 5.100 km Bachelor ca. 430.000 Nord / Süd 1.900 km Master ca. 43.000 Bevölkerungszahl 240 Mio Doktor ca. 1.700 Frauen 120 Mio Studiengebühren / Studienjahr * Manner 120 Mio an staatlichen Institutionen bis zu 750 4 Bevölkerungsdichte (auf ausgewählten Inseln) an privaten Institutionen bis zu 4.000 4 Java 1.027 Einw./km2 Ausländische Studierende gesamt 3.023 Bali und Ost Nusa Tenggara 174 Einw./km2 Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS ca. 30.000 Sumatra 109 Einw./km2 davon in Deutschland (lt. Statist. Bundesamt) 2.400 Sulawesi 85 Einw./km2 Kalimantan 25 Einw./km2 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 5 Molukken und Papua 10 Einw./km2 1. Australien 10.242 Bevölkerungswachstum 1,1 % 2. USA 7.700 3. Malaysia 5.704 2. Wirtschaftsdaten 4. Deutschland 1.603 BIP * 1.003 Mrd. 5. Japan 1.578 BIP pro Kopf * 4.200 Anteil am globalen BIP 1,38 % * Angaben in US-Dollar Knowledge Economy Index (KEI) Rang 103 Wirtschaftswachstum 6,1 % 1 ohne islamische HEI Inflation 5,1 % 2 nur grundständige Studiengänge 3 berufsbildende Abschlüsse unter Bachelorlevel 4 Kosten sehr unterschiedlich. Im Bachelorstudium oft zzgl. Aufnahme-, 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen Prüfungsgebühren; postgraduales Studium teurer Staatliche Bildungsausgaben * ca. 296 Mrd. 5 nach dem „Global Education Digest 2010“ Anzahl der Hochschulen gesamt 1 3.011 staatlich 83 Quellen: privat 2.928 Departmen Pendidikan Nasional, Direktorat Jenderal Pendidikan Tinggi: Tabel Rekapitulasi (Statistische Daten des indonesischen Bildungsministeriums, Hochschultypen Abteilung Hochschulen): Universität 460 3 http://evaluasi.or.id (Stand 12.2011) Hochschule (Institut & Sekolah Tinggi) 1.369 Departmen Pendidikan Nasional: Statistik Perguruan Tinggi 2009/10 Fachschule (Akademien, Polytechnika) 1.182 (Indonesischen Bildungsministerium: Statische Daten der Hochschulen Anzahl Hochschullehrer 2009/10) Global Education Digest 2010: Comparing Education Statististics Across davon ordentliche Professoren 4.040 the World, Eingeschriebene Studierende 2009/10 ca. 4.3 Mio http://www.unesco.org 1 3 an staatlichen Institutionen ca. 1,8 Mio CIA – The World Factbook, 1 an privaten Institutionen ca. 2.5 Mio https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/index.html Frauenanteil unter den Studierenden ca. 50 % 3 www.suaramerdeka.com Anteil ausländischer Studierender ca. 0,25 % Weitere Quellen für den Textteil: Studierende der Wirtschaftswissenschaften ca. 44 % Islam in the Public Sphere, The Politics of Identity and the Future of Democracy Studierende der Ingenieurwissenschaften ca. 15 % in Indonesia, published by Center for the Study of Religion and Culture (CSRC) Studierende der Geisteswissenschaften ca. 7 % UIN, Jakarta, in Cooperation with Konrad-Adenauer-Stiftung, Indonesia Studierende der Naturwissenschaften 9.7 % 3 http://LIPortal.inwent.org/Indonesien/wirtschaft-entwicklung.html Doktoranden ca. 22.000 Jakarta Post, Jakarta [email protected] Masterplan. Percepatan dan Perluasan Pembangunan Ekonomi Indonesia 2011–2025, Istana Bogor, 21. Februari 2011 3 http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Indonesien

107 Asien : Jakarta

Tabelle 15 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Indonesien

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 60 I. individualförderung – gesamt A 272 1. nach Status D 37 grundständig Studierende A 25 D 12 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 233 D 5 davon Doktoranden A 91 D 11 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 14 2. nach Förderdauer D 3 < 1 Monat A 21 D 40 2–6 Monate A 17 D 17 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 234 3. nach ausgewählten Programmen D 2 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 85 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 89 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 13 D 6 Lektoren A D 2 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 2 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 13 D 38 Praktikanten A 8 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 15

D 135 II. Projektförderung – gesamt A 449 1. nach Status D 47 grundständig Studierende A 88 D 43 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 147 D 14 davon Doktoranden A 44 D 45 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 214 2. nach Förderdauer D 72 < 1 Monat A 381 D 60 2–6 Monate A 52 D 3 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 16 3. nach ausgewählten Programmen D 74 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 33 D Austausch in Projekten (PPP) A

D 195 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 721 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 916

108 Neu Delhi ASiEN : Neu delhi

Regierung in der Krise

telekom-Skandal zieht kreise Funktionäre folgten. Raja und seine Helfers­ helfer werden beschuldigt, Mobilfunklizenzen Die Kongresspartei und die von ihr ge führte unter Wert verkauft und den Staat um 40 Mrd. Regierungskoalition United Progressive Dollar betrogen zu haben. Auch Premiermi­ Alliance (UPA) unter Premierminister Manmo­ nister Singh kam in diesem „biggest financial han Singh lavierten sich 2011 von einer innen­ scandal in the history of Independent India“ politischen Krise zur nächsten. Die diversen (The Economic Times, 19. Mai 2011) nicht Korruptionsskandale, die Ende 2010 aufge­ unbelastet davon: Ihm wurde vorgeworfen, deckt worden waren, belasteten die Regierung früh zeitig Hinweise auf Unrechtmäßigkeiten schwer. Insbesondere der Telekom­Skandal, bei der Vergabe von Lizenzen erhalten, aber der sogenannte 2G­Scam, setzte der Regie­ nicht darauf reagiert zu haben. Auch Innen­ rung heftig zu. Telekommunikationsminister minister Palaniappan Chidambaram wurde Andimuthu Raja war bereits im November 2010 beschuldigt, als ehemaliger Finanzminister aus seinem Amt entlassen worden. Das Amt Kenntnis von den Vorgängen gehabt zu haben. Christiane Schlottmann ging an Bildungsminister Kapil Sibal, der auch Die Opposition forderte sowohl Singh als auch leitet die Außenstelle Neu 2011 weiterhin beide Ministerien leitete. Im Chidambaram mehrfach zum Rücktritt auf. Delhi seit 2008. Die Außen- Februar 2011 wurde Andimuthu Raja verhaftet. stelle besteht seit dem Weitere Festnahmen ranghoher Politiker und Jahr 1960 und hat zurzeit Antikorruptionsbewegung setzt 11 Mitarbeiterinnen und regierung unter Druck Mitarbeiter. Hatte der Telekom­Skandal die Kredibilität und Akzeptanz der Regierung bereits gewaltig bilateraler Austausch erschüttert, so brachte die Antikorruptions­ vertieft bewegung unter Führung von Anna Hazare Wirtschaft die Regierung an den Rand ihrer Handlungs­ wächst langsamer fähigkeit. Im Zentrum der Auseinandersetzun­ gen zwischen dem Politaktivisten Hazare und Ausbau von E-Learning der Regierung stand die von der Regierung geplante Einführung eines Antikorruptions­ Telekom-Skandal gesetzes, über dessen Inhalt die Vorstellungen der beiden Seiten stark auseinandergingen. Bildungsreform stagniert Auseinandersetzungen um die Einfüh­ Kanzler-Stipendienprogramm rung eines Antikorruptionsgesetzes, einer

110 sogenannten Lokpal Bill, haben in Indien eine Mit seinem zweiten Hungerstreik im August totenfeuer am Manikarnika lange Tradition. Seit 1968 haben Regierungen gelang es Anna Hazare, eine Massenbewegung Ghat: Es heißt, wer sich verschiedener parteipolitischer Couleur immer in ganz Indien auszulösen. Bürger aus allen hier verbrennen lässt, kann wieder versucht, ein solches Gesetz zu imple­ Bevölkerungskreisen schlossen sich der „India den Zyklus der wieder- mentieren, bis dato ohne Erfolg. Der Grund­ Against Corruption“­Bewegung an. Hundert­ geburt beenden. gedanke der Lokpal Bill ist es, eine unabhän­ tausende von Menschen gingen auf die Stra­ gige Antikorruptionsbehörde nach dem Vorbild ßen, um gegen Korruption in Politik und einer Ombudsinstitution zu schaffen, bei der Verwaltung zu protestieren. Auf einer eigens Die Antikorruptions- Beschwerden über Korruption in Politik und eingerichteten Website (www.ipaidabribe.com) bewegung unter führung Verwaltung eingereicht werden können. berichteten sie von ihren Erfahrungen, die sie von Anna Hazare brachte tagtäglich im Umgang mit Korruption machen die regierung an den rand Mit zwei medienwirksam inszenierten Hun­ müssen. Auf dem „Corruption Perceptions ihrer Handlungsfähigkeit. gerstreiks im April und im August 2011 ver­ Index 2010“ von Transparency International Streitpunkte waren die suchte Anna Hazare, seine Vorstellungen rangiert Indien auf Platz 87 von insgesamt inhalte eines Antikorrup- von der Lokpal Bill gegenüber der Regierung 178 gelisteten Ländern. tionsgesetzes. durch zusetzen. Vor allem in der Frage, welche Personen kreise der neuen Antikorruptions­ Auch die Opposition, allen voran die Bharati­ behörde unterstellt sein sollten, gingen die ya Janata Party (BJP) – selbst zutiefst in zahl­ Meinungen auseinander: Hazare forderte, dass reiche Korruptionsfälle verstrickt –, unterstützte amtierende wie ehemalige Premierminister, Hazares Protest, forderte den Rücktritt der Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte sowie Regierung und legte mehr als die Hälfte der alle Verwaltungsbeamten in das neue Gesetz Parlamentssitzungen in der Monsoon­Sitzungs­ einbezogen werden müssten. Der Gesetzes­ periode lahm. entwurf der Regierung hingegen sah vor, dass Premierminister während ihrer Amtszeit sowie Nach 13­tägigem Hungerstreik konnte Hazare die gesamte Justiz und die unteren Ebenen schließlich triumphieren: Die Regierung brach der Verwaltung grundsätzlich ausgenommen ein, der Gesetzesentwurf wurde zur Über ar bei­ werden sollten. tung an den zuständigen parlamentarischen ›

111 Protest gegen Korruption: ­entspricht in Bezug auf den Personenkreis, der Aufgebrachte Demons­ dem Gesetz unterstellt werden soll (Premiermi­ tranten wehren sich ebenso nister, alle Minister und Abgeordneten sowie wie Anna Hazare, der 2011 alle Verwaltungsbeamten), weitestgehend den zweimal in Hungerstreik Forderungen von Hazare, weicht aber bezüglich trat. der rechtlichen Kompetenzen der neuen Behör­ de sowie einiger Verfahrensregularien von ­seinen Vorstellungen ab. Trotz heftiger Kritik aus den verschiedensten politischen Richtun­ gen passierte dieser Entwurf am 27. Dezember das Unterhaus des Parlaments und wurde an Ausschuss zurückverwiesen. Als dieser Aus­ das Oberhaus (Rajya Sabha) weitergeleitet. schuss dann in der Wintersitzungsperiode seine Empfehlungen vorlegte und diese unter Anders als im Unterhaus verfügt die Kongress­ anderem der zentralen Forderung Hazares nach partei mit ihren Alliierten im Oberhaus über Einbeziehung auch der unteren Verwaltungsbe­ keine Mehrheit. Bei der Beratung am 29. Dezem­­ ­ amten in das Antikorruptionsgesetz nicht ent­ ber, dem letzten Sitzungstag des Oberhauses in sprachen, kam es zu neuen Turbulenzen inner­ der Wintersitzungsperiode, kam es auch hier halb und außerhalb des Parlaments. Wieder zu heftigen Auseinandersetzungen, die um wurden zahlreiche Sitzungen des Parlaments Mitternacht­ ohne Abstimmung beendet wur­ blockiert. Anna Hazare drohte sofort, auch ein den. Die weitere Beratung des Gesetzes wurde drittes Mal in den Hungerstreik zu treten, sollte auf unbestimmte Zeit vertagt. das Gesetz nicht in der Wintersitzungsperiode verabschiedet werden. Anna Hazare brach seinen am 27. Dezember begonnenen Hungerstreik bereits am zweiten Die Regierung erstellte dann unter Hoch­ Tag aus gesundheitlichen Gründen ab. Außer­ druck einen neuen Gesetzesentwurf, der am dem erfuhr sein Hungerstreik geringe Reso­ 22. Dezember in das Unterhaus des Parla­ nanz in der Bevölkerung. Er kündigte an, dass ments (Lok Sabha) eingebracht wurde. Dieser er und sein Team nun andere Wege gehen

112 Asien : Neu Delhi

würden, um die von der Regierung vorgelegte der ­Lebens­mittelinflation erstmals rückläufige Die anhaltend hohe Infla­ „completely useless Bill“ (Anna Hazare, Times Tendenzen zu verzeichnen. tion und die hohen Preis- of India, 30. Dezember 2011) zu bekämpfen. steigerungsraten bei den Das Wirtschaftswachstum, das im Haushalts­ Lebensmitteln machten „The second fight for independence“ – wie jahr 2010/2011 (April 2010 bis März 2011) noch weiten Kreisen der Bevöl- Hazare seinen Protest selbst zu nennen pflegt 8,5 Prozent betragen hatte, ging in der ersten kerung schwer zu schaffen. (Times of India, 10. Dezember 2011) – hatte Hälfte des Haushaltsjahres 2011/2012 (April bis zwar im August in weiten Teilen der Bevölke­ September 2011) auf 7,3 Prozent zurück. Hatte rung Unterstützung gefunden, war aber von es im ersten Quartal noch 7,7 Prozent betragen, Anfang an auch auf kritische Stimmen gesto­ so erreichte es im zweiten Quartal mit 6,9 Pro­ ßen. Insbesondere seine Nähe zur oppositio­ zent den niedrigsten Stand seit zwei Jahren. nellen hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) und seine einseitige Fokussierung „The slowdown in the first half of 2011–12 can auf Korruptionsskandale in der Kongress­ be partly attributed to global factors viz., the partei wurden ihm von Kritikern immer wieder slowdown in the world economy, exacerbation vorgeworfen. Die schärfste Kritik kam von der of the euro zone crisis, hardening of crude oil Schriftstellerin Arundhati Roy, die mit marki­ prices in the international market, as well as to gen Worten den „aggressiven Nationalismus“ domestic factors, such as the decision to ­battle von Hazares Bewegung brandmarkte: „They inflation by tightening monetary policy and ­signal to us that if we do not support The Fast, cutting back on the fiscal stimulus.“ (Ministry we are not ‚true Indians‘. […] Who is he really, of Finance, Mid-Year Analysis 2011–2012, Seite 1) this new saint, this Voice of the People?“ (The Hindu, 21. August 2011) Für das gesamte Haushaltsjahr 2011/2012 wird India’s Growth Rates in GDP derzeit ein Wachstum von circa 7,5 Prozent prognostiziert. 2004–2005 Prices Wirtschaftswachstum Factor Cost geht zurück Zwar ist es richtig, dass selbst mit einer Wachs­ 2005/2006...... 9.5 tumsrate von nur 7,3 Prozent „Indien weltweit 2006/2007...... 9.7 Telekom-Skandal und Antikorruptionsbewe­ zu den Vorreitern gehört“ (Ministry of Finance, 2007/2008...... 9.2 gung auf der einen Seite, hohe Inflation und Mid-Year Analysis 2011–2012). Indische Unter­ 2008/2009 ...... 6.7 rückläufiges Wirtschaftswachstum auf der nehmer aber tröstet das kaum. Sie sehen darin 2009/2010...... 7.4 anderen Seite – das waren die Themen, die 2011 einen „brutal wake-up call“ (Mahindra Group 2010/2011...... 8.5 Politik und Öffentlichkeit vorrangig beschäftigt Vice-Chairman Anand Mahindra, The Hindu, 2011/2012 . . . . . (est.) 7.5 haben. 1. Dezember 2011) und zeigen sich über die wirt­ Quelle: Planning Commission, schaftlichen und politischen Entwicklungen Government of India, November 2011 Die anhaltend hohe Inflation und die hohen mehr als besorgt. Preissteigerungsraten bei den Lebensmitteln machten weiten Kreisen der Bevölkerung Auf dem „India Economic Summit“ im Novem­ schwer zu schaffen. Insbesondere die ein­ ber 2011 in Mumbai forderten sie die Regierung kommensschwachen Schichten hatten sehr auf, die durch Korruption und Antikorruptions­ darunter zu leiden. Die Gesamt­inflations­rate bewegung bedingte „policy paralysis“ (Times of wie auch die Preissteigerungsrate bei den India, 14. November 2011) zu beenden und drin­ Lebensmitteln lagen das ganze Jahr hindurch gend erforderliche Wirtschaftsreformen umge­­­ bei etwa 10 Prozent. Erst im Dezember waren hend in Angriff zu nehmen, um das Wirtschafts­­­ sowohl bei der Gesamtinflation wie auch bei wachstum nicht noch weiter zu gefährden. ›

113 „In the last 6 to 8 months, nothing has moved Mit anderen Worten: Der Bildungsmarkt wächst, due to corruption issues. We need political aber er wächst zu langsam. Immense Investi­ parties to forge a consensus to enable things tionen, die weit über die bisherigen hinausgehen to move“, so Sanjiv Bajaj, Managing Director müssten, wären erforderlich, um den Bedarf von Bajaj FinServ, auf dem Summit in Mumbai auch nur annähernd decken und die „demogra­ (Times of India, 14. November 2011). fische Dividende“ sichern zu können.

„There is an urgent need to step up both ­public Hochschul- und wissenschafts- and private investment in higher education politische Entwicklungen (including technical) […] About 18 percent of all government education spending or about 1.12 Bildungsmarkt wächst percentage of GDP is spent on higher education today. This should be raised to 25 percent and Der drittgrößte Bildungsmarkt der Welt ist auch 1.5 percent respectively. An increase of 0.38 per­ im Hochschuljahr 2010/2011 weiter gewachsen. cent of GDP means an additional allocation of Die Zahl der Studierenden stieg von 13,6 Millio­ about Rs. 25,000 crore to higher education for nen im Vorjahr auf 14,6 Millionen, die Zahl der the centre and the States taken together.“ Universitäten von 504 auf 544 und die Zahl (Faster,­ Sustainable and More Inclusive Growth, der Colleges von 25.951 auf 31.324 an. Die Gross An Approach to the 12th Five Year Plan, Plan­ Enrolment Ratio (GER, durchschnittliche ning Commission, August 2011, Seite 132/133) Immatrikulationsquote) lag bei 13,8 Prozent. Die Zielvorgaben für den weiteren Ausbau Paradigmenwechsel? lauten: Erhöhung der Gross Enrolment Ratio bis 2011/2012 (Ende des 11. Fünfjahresplan) auf Die Privatwirtschaft scheint grundsätzlich nicht 15 Prozent, bis 2016/2017 auf 21 Prozent (Ende abgeneigt, ihre Investitionen im Hochschul­ des 12. Fünfjahresplans) und bis 2020 auf sektor zu erhöhen (bereits heute sind 63 Prozent 30 Prozent. Fest steht allerdings, dass die bishe­ aller Hochschulen in privater Trägerschaft). Sie rige durchschnittliche jährliche Wachstumsrate fordert allerdings zunehmend, dass dafür das (CAGR) von 3,3 Prozent auf 8 Prozent erhöht „for-profit“-Verbot aufgehoben werden müsse. werden müsste, um diese Zielvorgaben tatsäch­ So zuletzt noch Harsh Mariwala, Präsident­ der lich erreichen zu können. Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI), in seiner Eröffnungs­­ ­ Gross Enrolment Ratio rede auf dem „FICCI Higher Education Summit (GER) 2010–2020 2011“ im November in Delhi. Die Regierung hat 30% bis dato vermieden, dieses von vielen Parteien Actual / Projected GER tabuisierte Thema in die hochschulpolitische (based on historical Diskussion einzubringen. Noch im Oktober growth) 21% 19,1% erklärte Bildungsminister Kapil Sibal: Target GER (Planning 17,3% 14,7% 15% Commission) 13,8% „I don’t think it is the right time yet to let ‚for- Target GER (MHRD) profit‘ institutions in higher education operate in the country. I am not saying such institu­ tions would never be allowed in the future. But Quelle: Private Sector participation as of now, I can say the time is not right.“ (The in Indian higher education. FICCI – Ernst & Young 2011. 2010 A 2012 P 2017 P 2020 P Indian Express, 8. Oktober 2011)

114 ASiEN : Neu delhi

In ihrem „Approach to the 12th Five Year Plan“ Gesetz gebungsprozess stecken, da das Parla­ weicht die Planungskommission erstmals von ment durch Korruptions­ und Antikorruptions­ dieser bis dato unangetasteten politischen Linie diskussion weitgehend lahmgelegt war. So ab. Unter dem „Passus Encouraging Private konnten zum Beispiel auch 2011 weder die Participation“ wird nicht mehr nur auf das „Foreign Educational Institution Bill“ noch die von Kapil Sibal favorisierte Modell der Public „National Accreditation Regulatory Authority Private Partnerships verwiesen, sondern auch Bill“, beide bereits im Mai 2010 ins Parlament für eine pragmatische Überprüfung des „for­ eingebracht, beraten werden. Die „National profit“­Verbots plädiert. Commission for Higher Education and Research (NCHER) Bill“ und die „Innovation Universities „The ‚not­for­profit‘ tag in the higher education Bill“ haben die Hürde ins Parlament noch gar should, perhaps, be re­examined in a more nicht genommen. pragmatic manner so as to ensure quality without losing focus on expansion and equity.“ Kapil Sibal selbst war in seiner Doppelfunktion ( Faster, Sustainable and More Inclusive Growth, als Bildungs­ und Telekommunikationsminister An Approach to the 12th Five Year Plan, primär mit seinem zweiten Amt beschäftigt. Planning Commission, August 2011, Seite 134) Er wurde von der Kongresspartei immer wieder an die vor derste Front geschickt, wenn es im Der reformprozess erzielte Die Planungskommission empfiehlt darüber Kontext des Telekom­Skandals und der Antikor­ 2011 keine fortschritte. hinaus einen „Shift of Focus to Quality“. ruptionsbewegung darum ging, Schaden von Viele der Bildungsreformen Regierung und Partei abzuwenden. blieben im Gesetzgebungs- „There must be a strategic shift from mere prozess stecken, da das expansion to improvement in quality higher So war auch das Jahr 2011 kein Jahr der Refor­ Parlament durch korrup- education. For this, the focus should be not only men, sondern eher ein Jahr der Planungs­ und tions- und Antikorruptions- on larger enrolment, but also on the quality of Positionspapiere. diskussion weitgehend the expansion.“ (Faster, Sustainable and More lahmgelegt war. Inclusive Growth, An Approach to the 12 th Five Ende März wurde vom Bildungsministerium Year Plan, Planning Commission, August 2011, eine Arbeitsgruppe gegründet, die eine „All Seite 132) India Survey on Higher Education“ erstellen soll. Diese Erhebung soll erstmals alle Hoch­ Die Kommission lässt allerdings offen, wie schuleinrichtungen des Landes erfassen und dieser Strategiewechsel vollzogen werden soll exakte Daten liefern zu Studierenden, Dozenten, oder kann. Studienangeboten, Prüfungen. Das Dokument soll die Planungsgrundlage für den weite ren Es bleibt daher abzuwarten, was von den Ausbau und die Reform des Hochschulsektors Empfehlungen aus dem „Approach“ letztlich in den nächsten Jahren bilden. Wann das Pro­ in den 12. Fünfjahresplan eingehen wird. jekt abgeschlossen sein soll, ist nicht bekannt. reformprozess stagniert Im April überreichte Professor C. N. R. Rao, Vorsitzender des Scientific Advisory Council Der von Kapil Sibal zu Beginn seiner Amtszeit to the Indian Prime Minister, Premier ­ im Juni 2009 zunächst mit Vehemenz initi­ minister Singh ein Positionspapier mit dem ierte Reformprozess machte auch 2011 keine Titel „ Essential Steps for Progress in Higher Fortschritte. Viele der von ihm im Bildungs­ Education: A Checklist“. Darin regte er unter bereich angestoßenen Reformen blieben im anderem an, dass das Bildungsministerium ›

115 eine Arbeitsgemeinschaft gründen solle. Das In dem im November vorgelegten Bericht wird Ziel: „to prepare an action­oriented document unter anderem vorgeschlagen, eine Meta­Uni­ to provide a roadmap for the higher education versity zu gründen, die Studierenden mit Hilfe sector“. Außerdem solle die Hochschulbildung eines E­Learning­Netzwerkes die Möglichkeit zur „national mission for the next decade“ bietet, Kurse an mehreren Hochschulen zu erklärt werden (Outlook, 27. April 2011). belegen und sich ihr Studienprogramm maß­ geschneidert zusammenzustellen. Bereits im Februar 2010 war unter Leitung von Prof. Anil Kakodkar, einem renommierten „This model is low­cost, requires no brick­and­ Wissen schaftler, eine Arbeitsgruppe konstituiert mortar, leapfrogs over conventional bottlenecks worden, „for suggesting a roadmap for auto­ of non­availability of a talented faculty pool, nomy and future of IITs [Indian Institutes of and works within existing legal systems. It Mit einem E-Learning Netz- Technology] as world class institutions for innovates on both the content and form of the werk sollen Studierende research and higher learning“ (Schreiben von twenty­first Century University and offers a kurse an mehreren Hoch- Prof. Kakodkar an Minister Sibal, in: Taking unique model for the proposed fourteen Uni­ schulen belegen und sich IITs to Excellence and Greater Relevance, April versities of Innovation mooted in India. It is ihr Studienprogramm 2011). Im April legte die Arbeitsgruppe ihre hoped that this would become a model for the maßgeschneidert zusam- Studie unter dem Titel „Taking IITs to Excellence world to emulate to move towards collaborative menstellen können. and Greater Relevance“ vor. Inwieweit das and multi­ disciplinary learning that redefines Bildungs ministerium den Empfehlungen folgen knowledge­creation and knowledge­sharing in wird, ist noch nicht entschieden. Interessant: Auf the twenty­first century“. (Report to the People, dem Weg der IITs zu „world class institutions“ First Year, National Innovation Council, Govern­ scheint Internationalisierung keine nennens­ ment of India, November 2011, Seite 20) werte Rolle zu spielen. In dem insgesamt 170 Seiten umfassenden Papier sind ganze zwei bis Das Bildungsministerium hat dem Projekt­ drei Seiten dem Thema „International / Foreign vorschlag zugestimmt. Das erste Pilotprojekt Students and Faculty“ gewidmet. soll in Delhi unter Beteiligung der Delhi Uni­ versity, der Jawaharlal Nehru University, der in Planung: „the first global Jamia Millia Islamia und des Indian Institute Meta-University“ of Technology (IIT) Delhi gestartet werden. Diese haben sich im Dezember 2011 zu einem Mitte November stellte Premierminister Singh Verbund zusammengeschlossen und planen der Presse den ersten „Report to the People“ derzeit, ihre Meta­University im Sommer 2012 des National Innovation Council vor. Der Natio­ zu eröffnen. nal Innovation Council wurde 2010 gegründet, nachdem die indische Regierung das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zur Dekade der Innovation erklärt hatte. Der Vorsitz war dem Berater des Premier ministers für Public Infor­ mation Infrastructure & Innovations Sam Pitro­ da übertragen worden. Aufgabe des neuen Gre­ miums soll es sein, „to discuss, analyse and help implement strategies for inclusive innovation in India and prepare a Roadmap for Innovation 2010–2020“ (www.innovationcouncil.gov.in).

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Deutsch-indische Beziehungen DAS NEUE kANZLEr-StiPENDiENProGrAMM Mit dem neuen Kanzler-Stipendienprogramm „Jawaharlal Nehru Award kanzlerin Merkel erhält „Jawaharlal for International Understanding – Dr. Angela Merkel Scholarship“ Nehru Award“ können erstmals gezielt die deutsch-indischen Beziehungen in den Rechtswissenschaften gefördert werden. Damit wurde ein lange Aus Anlass des 60­jährigen Bestehens der gehegter Wunsch Wirklichkeit. Die erste Ausschreibungs- und Auswahl- diplomatischen Beziehungen zwischen Indien runde mit persönlicher Vorstellung vor einer deutsch-indischen Kom- und der Bundesrepublik Deutschland besuch­ mission in New Delhi konnte bereits erfolgreich abgeschlossen werden. te Bundes kanzlerin Angela Merkel am 31. Mai Die ersten indischen Stipendiaten werden ihr Masterstudium in euro- Delhi, um mit der indischen Regierung die päischem Recht im Herbst 2012 in Deutschland aufnehmen. ersten deutsch­indischen Regierungsgespräche zu führen. Sie wurde begleitet von Bundes­ innenminister Hans­Peter Friedrich, Vertei­ minister Kapil Sibal zusammen, um Themen der digungsminister Thomas de Maizière, Ver­ bilateralen Zusammenarbeit zu erörtern. Kapil kehrsminister Peter Ramsauer sowie Bildungs­ Sibal betonte, dass er sehr daran interessiert sei, minis terin Annette Schavan. Es war der zweite die Zahl indischer Studierender in Deutschland Besuch der Kanzlerin in Indien nach 2007. und die Zahl der Deutschlernenden an indi­ schen Schulen und Hochschulen zu erhöhen. Im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung Als neues gemeinsames Projekt schlug er vor, im Präsidentenpalast überreichte Staats präsi­ ein Konsortium von deutschen und indischen dentin Pratibha Patil der Bundeskanzlerin den Exzellenzuniversitäten zu gründen, die unter „ Jawaharlal Nehru Award for International anderem gemeinsame Master­ und Ph.D.­Pro­ Understanding“. Das Preisgeld von 150.000 Euro gramme konzipieren und Doppelabschlüsse stellte die Bundeskanzlerin dem DAAD für vergeben sollen. Auch stellte er in Aussicht, dass ein neues Stipendienprogramm zur Verfü­ sich die indische Seite bei einer Verlän ge rung gung. Dieses bietet indischen Studierenden der des „New Passage to India“­Programms (das Rechtswissenschaft die Möglichkeit, ein Master­ zunächst bis 2012 befristet war), an einer Finan­ studium in europäischem Recht in Deutschland zierung beteiligen werde. Er regte an, einen zu absolvieren. Der DAAD konnte den Betrag aus „Indo­German Higher Education Summit“ nach Mitteln des Auswärtigen Amts aufstocken und dem Modell des geplanten „India­US Higher Edu­ nannte das Stipendienprogramm „Jawaharlal cation Summit“ (hat zwischenzeitlich im Okto­ Nehru Award for International Understanding ber 2011 in den USA stattgefunden) in Indien zu – Dr. Angela Merkel Scholarship“. organisieren, um die im Gespräch angerissenen Themen im Rahmen einer umfassenderen Stra­ Am Abend ihres eintägigen Besuches eröffnete tegieplanung zu diskutieren. Ministerin Schavan die Kanzlerin offiziell das Deutschlandjahr in begrüßte diesen Vorschlag. Eine zeitliche und Indien „Germany & India 2011/2012 – Infinite inhaltliche Konkretisierung steht noch aus. Opportunities“ mit einem Konzert der „Euro­ pean Young Classics“ im Siri Fort Auditorium. Am Ende des Gesprächs unterzeichneten der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Wolf­ Annette Schavan trifft Amtskollegen ram Ressel, und der Direktor des Indian Insti­ kapil Sibal tute of Technology Mandi, Prof. Dr. Timothy A. Gonsalves, ein Kooperationsabkommen. Das IIT Während ihres Aufenthaltes in New Delhi traf Mandi ist eins der acht neu gegründeten Indian Bildungsministerin Schavan mit Bildungs­ Institutes of Technology. ›

117 Aus der Arbeit der Außenstelle „ Interdisciplinary Masters Program on Sustai­ nability“ erstellt. Im Februar 2012 wird die erste „A New Passage to india“ – eine IGCS Winter School eröffnet, und im Frühjahr Erfolgs geschichte 2012 wird eine weitere Dozentin das deutsche Team vor Ort ergänzen. Der vom DAAD geförderte Austausch mit Indi­ en hat seit 2008 einen beachtlichen Zuwachs zu DAS iGCS BULLEtiN verzeichnen. Von 2008 bis 2010 stieg die Zahl Im Januar 2012 erschien die erste Ausgabe der geförderten Deutschen um 75 Prozent auf des „IGCS Bulletin“. Das „IGCS Bulletin“ 1.000, die Zahl der geförderten Inder um 55 Pro ­ wird in Zukunft regelmäßig über alle Akti- zent auf 1.306. Die Gesamtzahl der Geförderten vitäten des Zentrums berichten. liegt dann um 81 Prozent höher bei 2.306. 3 www.igcs-chennai.org Einen wesentlichen Anteil an diesem Zuwachs hat das „New Passage“­Programm, das seit 2009 Das „Land und Wirtschaft“­Programm, das sich aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung in einen zweimonatigen Vorbereitungskurs und und Forschung finanziert wird. ein drei­ bis sechsmonatiges Praktikum gliedert, ging im September bereits in seine vierte Runde. Am Indo­German Center for Sustainability 13 deutsche Graduierte nahmen 2011 an dem (IGCS) am IIT Madras nahmen im Juni zwei Programm teil. Partnerhochschule für den vor ­ Langzeitdozenten ihre Tätigkeit auf, im Okto­ bereitenden Sprach­ und Landeskundekurs war ber konnten die ersten deutschen Doktoranden in diesem Jahr die Symbiosis University in Pune. am Zentrum begrüßt werden. Forschungs­ projekte wurden initiiert, die „IGCS Lecture Unverändert stark nachgefragt war auch 2011 Series“ gestartet und der Entwurf für ein das WISE­Programm („Working Internships in

Akademischer Austausch zwischen Deutschland und 2.306 indien

Geförderte Inder 1.723 Geförderte Deutsche Geförderte Gesamt

1.276 1.306 1.179 1.164 1.084 1.112 1.107 1.000 956

832 845 764 734 721 644 669 662 592 616 524 450 415 445 443 431 312 240 240

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

118 Asien : Neu Delhi

Science and Engineering“), das indischen Stu­ Besuch: Bundeskanzlerin dierenden die Möglichkeit bietet, ein dreimona­ Angela Merkel ist im Mai tiges Forschungspraktikum in Deutschland zu 2011 zu Gast bei Indiens absolvieren. Von 740 Bewerbern erhielten 140 Premierminister Manmohan ein Stipendium. Singh (oben).

Außerdem waren 46 Hochschulkooperationen Teamarbeit: Angela Merkel im bilateralen Austausch aktiv. Und nicht zu und Meira Kumar, Sprecherin vergessen sind die Zentren für Moderne Indien­ des Unterhauses, eröffnen studien an den Universitäten Göttingen, Köln das Deutschlandjahr im Siri und Würzburg, die 2011 ihre Arbeit erfolgreich Fort Auditorium (Mitte). konsolidierten. Kooperation: Wolfram Aufgrund des großen Erfolgs, den das „New Ressel, Rektor der Universi- Passage“-Programm bis dato zu ver­zeichnen tät Stuttgart, und Timothy hat, wird das BMBF die Förderung, die A. Gonsalves, Direktor des zunächst bis 2012 befristetet war, um vier Indian Institute of Tech­ Jahre verlängern. nology Mandi, unterzeich- nen einen Vertrag zur GIZ-DAAD Summer School und Zusammenarbeit ihrer Wissenschaft-Praxis-Dialog Hochschulen (unten).

Vom 5. bis 23. September 2011 fand in Pune die diesjährige GIZ-DAAD Summer School statt. Es war die zweite Summer School, die der DAAD und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gemeinsam in Indien durchgeführt haben. Sie stand auch in diesem Jahr unter dem Motto „Sustainable Habitats in India“. Hochschulpartner und Gastgeber auf indischer Seite war das Bharati Vidyapeeth Insti­ tute of Environmental Education and Research. Wissenschaftlicher Partner auf deutscher Seite efficiency“ im Kontext von „planning­ and gov­ Peer Learning, Feldfor- war das Geografische Institut der Universität ern­­ance of sustainability of urban habitats“. In schungen, Lerndialoge mit zu Köln. Die Leitung der Summer School lag der ersten Woche wurden sie mit der Methodik Experten aus Wissenschaft, wiederum bei Dr. Regine Schönenberg. Ziel des „Peer Learning“ vertraut gemacht und be­ Politik und Entwicklungs- auch der diesjährigen Summer School war es, rei­teten gemeinsam die Feldforschungen vor. zusammenarbeit: Das den Dialog zwischen Wissen­schaft und Praxis Diese führten sie in der zweiten Woche, aufge­ besondere Konzept der zu fördern. teilt in drei Arbeitsgruppen, in Entwicklungs­ GIZ-DAAD Summer School hilfeprojekten in Pune, Mysore und Kochi durch. stieß 2011 wieder auf Drei Wochen lang beschäftigten sich 30 Studie­ In der dritten Woche fanden sich alle wieder in äußerst positive Resonanz rende, Doktoranden und junge Berufstätige Pune ein, um die Ergebnisse der Feldforschungen unter den Teilnehmern. unterschiedlichster­ Fachrichtungen aus Indien,­ aufzubereiten und in Lerndialogen mit Exper­ Deutschland, Ägypten und dem Iran mit Fragen ten aus Wissenschaft, Politik und Entwicklungs­ von „sanitation, low cost housing and ­energy zusammenarbeit zu diskutieren. ›

119 Feldforschung des Indo- German Center for Sustai- nability: Messkampagne im Krishnagiri District (oben).

GIZ-DAAD Summer School: Studierende, Doktoranden und junge Berufstätige aus Indien, Deutschland, Ägyp- ten und dem Iran arbeiten zusammen (unten). Das besondere Konzept der GIZ-DAAD ­Summer the end in the form of the final report. […] Now School stieß auch 2011 auf äußerst positive I feel myself more a researcher-practitioner Resonanz unter den Teilnehmern. Ein Dokto­ instead of a simple Ph.D. student.“ rand aus dem Iran fasste seine Lernerfahrung wie folgt zusammen: Eine ausführliche Dokumentation ist auf der Plattform http://sustainable-india.ning.com „ ‚How to do team research?‘ really impressed eingestellt. me, and this is one of the main achievements of « this summer school for me. We were a group of graduates, Ph.D. students, researchers, govern­ ment employees with different backgrounds, nationalities, disciplines and areas of interest, and it was the magic of this brand methodology which made a very coherent and coordinated body out of us with the best achievements at

120 Asien : Neu Delhi

Tabelle 16 : Statistischer Überblick Indien 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 3.287.263 km2 Studiengebühren / Studienjahr 2010/11 * Bevölkerungszahl 1,21 Mrd. an staatlichen Institutionen 50-1.100 Frauen 623 Mio. an privaten Institutionen 2.000-12.000 Männer 586 Mio. Ausländische Studierende gesamt 21.778 Bevölkerungsdichte 382 Einw./km2 nach Herkunftsländern 2008/09 Bevölkerungswachstum 1,34 % 1. Iran 2.972 Urbanisierungsgrad 31,16 % 2. Äthiopien 1.937 3. Vereinigte Arabische Emirate 1.726 2. Wirtschaftsdaten 4. Nepal 1.711 BIP 2010 * 1.729 Mrd. 5. Afghanistan 1.192 BIP pro Kopf 2010 * 1.477 6. Saudi-Arabien 1.043 Anteil am globalen BIP 2010 2,4 % Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 195.107 Knowledge Economy Index (KEI) 2009 Rang 109 davon in Deutschland 2009 3.629 Wirtschaftswachstum 2010 8,5 % davon in Deutschland 2010/11 5.038 Inflation 2010 12 % Die beliebtesten Zielländer für Studierende 2009 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 1. USA 101.563 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2011/12 ca. 11,5 Mrd. 2. Großbritannien 34.065 Hochschul-Etat * ca. 2,9 Mrd. 3. Australien 26.573 Hochschultypen 4. Kanada 10.059 Universitäten (staatlich und privat) 5. Neuseeland 7.297 Colleges (staatlich und privat) 6. Russland 4.286 Anzahl der Hochschulen gesamt 2010/11 7. Deutschland 3.629 Universitäten 544 Colleges 31.324 * Angaben in US-Dollar Anteil privater Institutionen 2006 63,2 % Anzahl Hochschullehrer 2010/11 699.000 Quellen: Universitäten 100.000 CIA Factbook; Worldbank, Atlas of Student Mobilty, Education at a Glance, Colleges 599.000 Ministry of Human Resource Development (MHRD) India, FICCI/Ernst & Young. davon ordentliche Professoren k.A. Eingeschriebene Studierende 2010/11 14,6 Mio. Universitäten 1.919.000 Colleges 12.706.000 an staatlichen Institutionen 2006 48,5 % an privaten Institutionen 2006 51,5 % Frauenanteil 41,6 % Anteil ausländischer Studierender 0,2 % Studierende der Naturwissenschaften 19,3 % Studierende der Geisteswissenschaften 42 % Doktoranden 0,6 % Abschlüsse 2007/08 674.415 Bachelor’s Degree k.A. Master’s Degree k.A. Doctorate 20.131

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Tabelle 17 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Indien

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 208 I. individualförderung – gesamt A 586 1. nach Status D 104 grundständig Studierende A 214 D 57 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 320 D 19 davon Doktoranden A 159 D 47 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 52 2. nach Förderdauer D 41 < 1 Monat A 26 D 121 2–6 Monate A 270 D 46 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 290 3. nach ausgewählten Programmen D 8 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 92 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 6 Lektoren A D 1 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 26 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 11 D 91 Praktikanten A 203 D 8 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 33

D 514 II. Projektförderung – gesamt A 695 1. nach Status D 229 grundständig Studierende A 79 D 211 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 422 D 57 davon Doktoranden A 139 D 74 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 194 2. nach Förderdauer D 166 < 1 Monat A 288 D 331 2–6 Monate A 335 D 17 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 72 3. nach ausgewählten Programmen D 137 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 44 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 59 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 191 D 23 Austausch in Projekten (PPP) A 29

D 722 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 1.281 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 2.003

122 Peking Fünf Jahre nachhaltiges Wachstum

Mit zu erwartender großer Mehrheit (96,6 Pro­ Geplant sind beispielsweise steigende Mindest­ zent) stimmten die 2.875 Delegierten des chi­ löhne, die Schaffung von 45 Millionen neuen nesischen Volkskongresses am 14. März 2011 Jobs in den Städten sowie die Anhebung der dem neuen Fünfjahresplan zu. Der Nationale Realeinkommen um 7 Prozent jährlich. Volkskongress ist Chinas höchstes Staatsorgan und entscheidet über die Verfassung und Geset­ ze, bestätigt die Regierung und verabschiedet Heimischen Konsum ankurbeln den Haushalt. Allerdings sind alle Entscheidun­ gen schon vorher in den Führungskreisen, im Als Exportweltmeister ist China bisher stark von Politbüro der Kommunistischen Partei, gefallen Ausfuhren abhängig. Nun soll die ­Wirtschaft so – der Volkskongress hat in seiner Geschichte umstrukturiert werden, dass künftig der heimi­ noch nie ein Gesetz abgelehnt. sche Konsum stärker zum Wachstum beiträgt. Ziel sind eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur­ Stefan Hase-Bergen leitet Nach den Jahren des rasanten Aufstiegs, der und mehr Unabhängigkeit von außenwirtschaft­ die Außenstelle Peking China 2010 zur zweitstärksten Volkswirtschaft lichen Entwicklungen. Außerdem soll der seit 2007. Die Außenstelle machte, ist für die Zeit von 2011 bis 2015 eine Anteil des Dienstleistungssektors an der Gesamt­ besteht seit dem Jahr Phase nachhaltigen und qualitativen Wach­ wirtschaft von 43 auf 47 Prozent steigen. 1994 und hat zurzeit zwölf sens vorgesehen. Das Wirtschaftswachstum, ­Mitarbeiterinnen und das im Schnitt bei über 11 Prozent lag, soll auf Als weltweit größter Energieverbraucher und ­Mitarbeiter. 7 Prozent gedrosselt werden; die anhaltend Klimasünder plant China, den Energie­verbrauch hohe Inflation von rund 5 Prozent soll dadurch für jeden erwirtschafteten Yuan um 16 Pro­ gesenkt werden. Die enormen Preissteigerun­ zent zu senken. Der Ausstoß von Kohlendioxid gen vor allem auf dem Immobilienmarkt sowie soll um 17 Prozent reduziert werden. In abso­ bei Lebensmitteln führen zu zunehmender luten Zahlen allerdings werden sowohl der Unzufriedenheit besonders in den Städten. Energie­verbrauch als auch der Ausstoß von Treibhaus­ gasen­ wegen des starken Wachstums Neben der Inflation bereitet die mangelnde ­weiter zu­­­­­nehmen. Um seinen Energiehunger soziale Sicherheit der Bevölkerung Sorgen, zu stillen, plant China, weitere 40 Atomreak­ denn das soziale Netz ist grobmaschig. Daher toren zu bauen. ist geplant, insbesondere das System der Renten- und Krankenversicherung weiter Eine entscheidende Rolle spielt in dem neuen auszubauen. Fünfjahresplan die Förderung eigener Inno­ vationskraft: der Übergang von „Made in China“ Insgesamt sollen mehr Chinesen am Wirt­ zu „Designed in China“. Dazu wird die Regie­ schafts­­wachstum und am Wohlstand teilhaben. rung gezielt in Forschung und Entwicklung

124 ASiEN : PeKiNg

investieren. Als strategisch wichtig wurden Anwendungsnahe sieben Felder definiert: Biotechnologie, neue Ausbildung Energiequellen, Energieeffizienz / Umweltschutz, angestrebt Fahrzeuge mit sauberer Energie, Material­ Deutsche Studierende wissenschaften, Informationstechnologie und willkommen Produktion hochwertiger Endprodukte. Hier soll mehr Innovation gelingen. Dabei erhält der Schutz des geistigen Eigentums einen Mehr Gewicht auf Innovation immer höheren Wert. Ein weiteres Ziel ist es, die Forschungsergebnisse effektiver auf den Markt zu bringen. Auslandsstudium immer beliebter „Jasmin-revolution“ und wachsende Unzufriedenheit?

Die Proteste und Revolutionen in Nordafrika für den wirtschaftlichen Erfolg ist das neue sind auch in China aufmerksam registriert Hochgeschwindigkeitsnetz der chinesischen worden. Anfang 2011 wurde im Internet ano­ Eisenbahn: Fahrten zwischen Peking und nym zu Sonntagsspaziergängen in der Pekinger Shanghai dauern nur noch fünf Stunden. Aber Innenstadt sowie in weiteren 22 Großstäd­ die Unzufriedenheit bei den Verlierern der ten Chinas aufgerufen – sie sollten in einer Wirtschaftsentwicklung wächst und macht sich „Jasmin­Revolution“ münden. Die Machthaber in Tausenden zum Teil großen lokalen Auf­ reagierten darauf sehr nervös und versuch­ ständen Luft. Behördenwillkür, katastro phale Eine entscheidende rolle ten mit Festnahmen, verschärfter Zensur und Umweltverschmutzung sowie grassierende Kor­ spielt in dem neuen fünf- Kontrolle jegliche Opposition einzuschüchtern ruption im üblen Zusammenspiel von Firmen­ Jahres-Plan die förderung und zu unterdrücken. Die Inhaftierung des bossen und Parteikadern, auch in den höchs­ eigener innovationskraft regimekritischen Künstlers Ai Weiwei ist sicher ten Regierungskreisen, führt zu einer großen – der Übergang von „Made in diesem Zusammenhang zu sehen. Auch Frustra tion gerade auf dem Land und in den in China“ zu „ Designed der 90. Jahrestag der Kommunistischen Partei westlichen Landesteilen. Arm und Reich driften in China“. Chinas, die ihren unangefochtenen Führungs­ immer weiter auseinander. Die hohe Inflation anspruch kompromisslos durchsetzt, sowie der von über 5 Prozent und steigende Preise für anstehende Führungswechsel 2012 dürften ein Lebensmittel von über 10 Prozent verschär­ Grund für die stärkeren Kontrollen sein. Insbe­ fen die Lage für die Armen. Noch richtet sich sondere die Medienberichterstattung und das der Unmut gegen lokale Machthaber. Mit der Internet werden so rigide wie lange nicht mehr Zentral regierung sind laut Umfragen 87 Pro­ eingeschränkt und unterdrückt. zent der Menschen zufrieden. Das aber kann sich rasch ändern, wenn diese Zufriedenheit Generell haben die enormen wirtschaftlichen nicht mehr durch ein hohes Wachstum erkauft Erfolge Chinas in den vergangenen Jahren vor werden kann. Aus der Mittelschicht gibt es allem bei der wachsenden Mittelschicht die bereits kritische Stimmen, denn zum ersten Zustimmung zur Regierung erhöht, so dass Mal seit langem sind Ende 2011 die Preise für zunächst nicht von einem großen revolutionä­ Immobilien – für viele Chinesen die wichtigste ren Potenzial auszugehen ist, besonders nicht Geldanlage – nach Jahren eines rasanten in den boomenden Großstädten. Ein Symbol Anstiegs gesunken. ›

125 wahrzeichen und wächter auf dem Campus der Peking-Universität.

126 Asien : Peking

Deutsch-Chinesische Bezie­­ Wissenschaft und hungen auf dem Höhepunkt Bildung

Im Juni 2011 fanden die ersten Regierungs­ Die Zahl der Teilnehmer an der zentralen Hoch­ konsultationen zwischen Deutschland und schulaufnahmeprüfung „gaokao“ ist 2011 gegen­ China statt. Auf Einladung von Bundeskanz­ über dem Vorjahr um 240.000 auf 9,33 Millio­ lerin Angela Merkel reiste Ministerpräsident nen gesunken. Die Gründe für den Rückgang, Wen Jiabao mit 13 Ministern nach Berlin. der seit der Rekordzahl von 10,5 Millionen Zahlreiche Abkommen sollen in den kommen­ Teilnehmern im Jahr 2008 nun zum dritten Mal den Jahren die Zusammenarbeit beider Länder zu beobachten ist, liegen zum einen in der Ein- verstärken. Ein zentrales Thema ist der Ausbau Kind-Politik und der damit verbundenen niedri­ Ändern sich die Kriterien der exzellenten Wirtschaftsbeziehungen. So geren Zahl von Schulabsolventen. Zum andern für die Hochschulzulassung soll das Handelsvolumen von 130 Mrd. Euro gehen immer mehr Abiturienten zum Studium in Deutschland, könnten (2010) auf 200 Mrd. Euro pro Jahr wachsen. ins Ausland – 2011 waren es 200.000. Insbeson­ hiesige Hochschulen ernst- Schon heute ist Deutschland mit Abstand dere amerikanische Hochschulen bemühen sich hafte Mitbewerber um ­Chinas wichtigster Handelspartner in Europa. um die Absolventen herausragender chinesi­ exzellente chinesische Abi- scher Mittelschulen. Für die deutschen Hoch­ turienten werden, denn das Auch zu Bildungs- und Forschungsfragen unter­ schulen bleiben die formalen Zulassungsbedin­ Interesse am Studium in zeichneten das Bundesministerium für Bildung gungen der Kultusministerkonferenz vorerst Deutschland ist sehr groß. und Forschung (BMBF) und die chinesischen ein Hindernis, um diese Absolventen zu gewin­ Ressorts für Bildung (MOE) sowie Wissenschaft nen. Ein Umdenken weg von formalen hin zu und Technologie (MOST) fünf Erklärungen: qualitativen Kriterien für die Hochschulzulas­ sung könnte Deutschland zu einem ernsthaften 1. Gemeinsame Erklärungen betreffend die Mitbewerber um diese interessante Klientel Förderung­ von umfassenden Kooperatio­ machen, denn das Interesse am Studium in nen und die Gründung einer strategischen Deutschland ist in China groß. Partnerschaft­ im Hochschulwesen 2. Gemeinsame Absichtserklärung betreffend Es wird erwartet, dass bis zum Jahr 2018 die die Gründung einer deutsch-chinesischen Zahl der gaokao-Teilnehmer weiter sinkt. Allianz für Berufsbildung Für die chinesischen Hochschulen, die sich 3. Gemeinsame Erklärung bezüglich der zu einem großen Teil über Studiengebühren Deutsch-Chinesischen Innovationsplattform finanzieren, kann das zu erheblichen Proble­ für Lebenswissenschaft men führen. Viele von ihnen sind durch den 4. Gemeinsame Erklärung zum Aufbau einer Ausbau ihrer Infrastruktur und die Schaffung Deutsch-Chinesischen Innovationsplattform neuer Kapazitäten hoch verschuldet. Nach 5. Gemeinsame Erklärung über ein deutsch- chinesischen Medienberichten haben über ­chinesisches Forschungs- und Innovations­ 1.100 Hochschulen Schulden von zusammen programm „Sauberes Wasser“ mehr als 30 Mrd. Euro. Spitzenreiter ist die Jilin-Universität mit über 365 Mio. Euro Schul­ Ein Höhepunkt 2011 war auch die Ausstel­ den. Durch die sinkenden Einnahmen aus lung „Kunst der Aufklärung“ im Chinesischen Studiengebühren verschärft sich das Problem Nationalmuseum.­ Sie wurde am 1. April eröff­ gerade für weniger renommierte Hoch­schulen. net und dauerte ein Jahr. Für die Studienbewerber hingegen lässt der enorme Konkurrenzdruck um die ­begehrten Studienplätze nach. 2011 erhöhte sich die ›

127 während sich viele – auch Zulassungsrate der gaokao­Teilnehmer von Arbeitsplatz, der ihrer Ausbildung entsprach. deutsche – Unternehmen 69 auf 73 Prozent: 6,8 Millionen Bewerber Daraufhin wies das chinesische Bildungsminis­ in China über einen Mangel erhielten einen Studienplatz. terium die Hochschulen an, bei Kursen, deren an gut ausgebildeten fach- Absolventen schlechte Arbeitsplatzchancen kräften beklagen, fanden Die Statistik 2010 zeigt, dass die Zahl der Hoch­ haben, die Immatrikulationszahlen zu senken 2011 bis zu 25 Prozent der schulen leicht zugenommen hat, ebenso die oder diese zu schließen. Das betrifft in erster rund 6,6 Millionen Hoch- Zahl der Studierenden in vierjährigen grund­ Linie Jura, Fremdsprachen oder Business Admi­ schulabsolventen keinen ständigen Studiengängen und Masterstudien­ nistration. Absolventen in Ingenieurwissen­ Arbeitsplatz, der ihrer Aus- gängen. Dennoch sind die Steigerungen im schaften oder Buchhaltung haben hingegen bildung entsprach. Vergleich zum rasanten Wachstum am Anfang hervorragende Berufsaussichten. des Jahrtausends sehr moderat. Bereits 2010 hatte die chinesische Regierung fit für den Arbeitsmarkt einen Bildungsreformplan für die nächsten zehn Jahre verabschiedet, um die Ausbildung in Um für den Konkurrenzkampf auf dem engen den Hochschulen besser auf die Anforderungen Arbeitsmarkt besser gewappnet zu sein, qua­ der Arbeitswelt zuzuschneiden. In der beruf­ lifizieren sich viele Studenten durch ein Mas­ lichen Bildung hat das deutsche duale System terstudium weiter. Hier hat die Zahl deutlich in China schon lange eine Vorbildfunktion. zugenommen. Das verweist auf ein dringendes 2011 wurde die Zusammenarbeit intensiviert Problem: die hohe Arbeitslosigkeit unter Hoch­ durch die Bildung einer deutsch­chinesischen schulabsolventen. Während sich viele – auch Allianz für Berufsbildung. Für das chinesische deutsche – Unternehmen in China über einen Bildungs ministerium spielt die Entwicklung Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften bekla­ der beruflichen Bildung eine herausragende gen, fanden 2011 bis zu 25 Prozent der rund Rolle. Deutschland gilt als eines der bevorzug­ 6,6 Millionen Hochschulabsolventen keinen ten Partner länder.

tabelle 18 : Entwicklung der Zahlen von Hochschulen, Studierenden, Absolventen und Hochschullehrern 2000–2010 Steigerungen 2000 2009 2010 2000-2010 2009-2010

Reguläre Hochschulen 1.041 2.305 2.358 126,5% 2,3% Hochschulen mit vierjährigen grundständigen Studiengängen 599 1.090 1.112 85,6% 2,0% Berufsbildende Hochschuleinrichtungen 442 1.215 1.246 181,9% 2,5% Institutionen, die Masterabschluss oder Promotion anbieten 738 796 797 8,0% 0,1%

Zugelassene Studienanfänger 2,2 Mio. 6,6 Mio.* 6,8 Mio.** 209% 3,0% Studierende an regulären Hochschulen insgesamt 5,8 Mio. 22,8 Mio. 23,8 Mio. 310,3% 4,4% Studierende in vierjährigen grundständigen Studiengängen 4,1 Mio. 11,8 Mio. 12,6 Mio. 207,3% 6,8% Absolventen an regulären Hochschulen insgesamt 949.767 5,3 Mio. 5,8 Mio. 505,8% 8,3%

Studierende in Masterstudiengängen 233.900 1,2 Mio. 1,3 Mio. 447,0% 10,4% Masterabsolventen 47.565 321.255 332.585 599,2% 3,5%

Studierende in Promotionsstudiengängen 67.293 246.319 258.950 284,8% 5,1% Promovenden 11.004 46.616 47.407 330,8% 1,7%

Hochschullehrer insgesamt 462.772 1,3 Mio. 1,3 Mio. 190,2% 3,7% Ordentliche Professoren 43.674 138.161 148.552 240,1% 7,5%

* Daten von 2010 / ** Daten von 2011; Quelle: Chinesisches Bildungsministerium 2010; Zusammenstellung: DAAD-Außenstelle Peking

128 ASiEN : PeKiNg

Auch in der anwendungsorientierten Hoch­ unterschiedlich: Angesichts einer wachsen­ schulausbildung bieten sich verstärkt Mög­ den Mittelschicht, die viel Wert auf eine gute lichkeiten der Kooperation. Deutsche Fach­ Ausbildung ihrer Kinder legt, ist davon auszu­ hochschulen können mit ihrer Praxisnähe und gehen, dass das Interesse an einem Auslands­ ihrem Anwendungsbezug in Lehre und For­ studium steigt. Zudem ist die internationale schung wichtige Impulse geben. Drei Modell­ Mobilität auch politisch gewollt. Diesem Trend projekte chinesisch­deutscher Hochschulzusam­ steht aber der Rückgang von Teilnehmern an menarbeit in Hangzhou, Hefei und Shanghai der Hochschulaufnahmeprüfung „gaokao“ konzentrieren sich auf die Anwendungsorien­ gegen über. Der durch die Ein­Kind­Politik tierung. Mit dem Chinesisch­Deutschen Forum bedingte Geburtenrückgang wird auch zu einer für Angewandte Hochschulausbildung (CDAH), niedrigeren Zahl von Studierenden führen, die dem sich mehr als 30 deutsche und chinesi­ ins Ausland gehen. Außerdem erfüllen sich sche Hochschulen angeschlossen haben, gibt es für zahlreiche Rückkehrer ihre oft überhöhten zudem eine wichtige Plattform für Dialog und Erwartungen an einen guten Arbeitsplatz in Zusammenarbeit. Im September 2011 disku­ China nicht. Vielen Arbeitgebern ist inzwischen tierten mehr als 130 Teilnehmer auf der dritten Berufserfahrung wichtiger als ein internatio­ Tagung des CDAH in Nanjing über Ausbil­ naler Abschluss. dungsqualität, Besonderheiten im Curriculum sowie spezielle Anforderungen für die Lehren­ Die Anstrengungen der chinesischen Hoch­ Viele chinesische Hoch- den. Für die chinesischen Hochschulen bietet schulen, sich für die Welt zu öffnen, haben sich schulen wünschen sich sich in einer konsequenten Anwendungsorien­ mit der Verabschiedung des Bildungsreform­ deutlich mehr deutsche tierung und einer arbeitsmarktgerechten Aus­ plans und der darin formulierten Aufforderung Studierende auf ihrem bildung mit innovativen Lehrmethoden eine zu mehr Internationalisierung verstärkt. Viele Campus. große Chance zur Profilbildung und zu mehr chine sische Hochschulen baten die DAAD­ Attraktivität. Das gilt insbesondere für diejeni­ Außenstelle um Hilfe bei der Suche nach gen Hochschulen, die nicht zu den vom chine­ deutschen Hochschulpartnern. Dabei interes­ sischen Bildungsministerium im „211­Projekt“ sieren sie sich besonders für einen Austausch oder „985­Projekt“ geförderten Top universitäten von Studierenden in beide Richtungen und gehören. wünschen sich deutlich mehr deutsche Studie­ rende auf ihrem Campus. Unterstützt werden reform und internationalisierung die Internationalisierungsbemühungen durch umfang reiche Stipendienprogramme des China In Shenzhen startete im März 2011 mit der Scholar ship Council (CSC). South University of Science & Technology of China (SUSTC) die erste unabhängige Hoch­ Das Interesse ausländischer Hochschulen an schule in China mit 45 Studierenden – als Re ­ Ausgründungen in China wächst. Bisher gibt es form projekt. Die Forschungsuniversität nimmt zwei renommierte Projekte: Nottingham/ beispielsweise Studierende ohne die übliche Ningbo seit 2003 und die Xi’an Jiaotong­Liver­ Hoch schulaufnahmeprüfung „gaokao“ auf. Bisher pool University in Suzhou seit 2005. 2010 kam erfährt die SUSTC allerdings noch nicht die die New York University in Kooperation mit Billigung des Bildungsministeriums, sondern der East China Normal University in Shanghai nur der lokalen Behörden in Shenzhen. dazu und 2011 kündigten die Duke University und die Lancaster University Ausgründungen Was die künftige Mobilität chinesischer Stu­ in Kunshan bei Shanghai beziehungsweise mit dierender angeht, sind die Einschätzungen der Fremdsprachenuniversität Guangdong an. ›

129 DEUtSCHLAND StEHt BEi DoktorANDEN AUf PLAtZ 2 Bildungsministerium einen Strategie­Workshop Von 2007 bis 2011 hat der China Scholarship Council (CSC) jährlich zu Hochschulkooperationen. 5.000 Stipendien für einen Promotionsaufenthalt (Vollpromotion oder Sandwich-Promotion) im Ausland an Studierende von 60 chinesischen innovatives Stipendienprogramm Spitzenhochschulen sowie weitere 1.000 Stipendien an andere chine- sische Hochschulen vergeben. Deutsche Hochschulen und Forschungs- Zum Ende des Jahres 2011 schrieb der DAAD einrichtungen haben in den fünf Auswahljahren hervorragend abge- ein innovatives Stipendienprogramm in China schnitten: 10,8 Prozent der chinesischen CSC-Stipendiaten entschieden aus: Chinesische Masterstudierende aller Fach­ sich für einen Promotionsaufenthalt in Deutschland. Im internationalen richtungen, die einen Promotionsaufenthalt in Vergleich bedeutet das Platz 2 hinter den USA (43,3 Prozent) und vor Deutschland planen, können sich im Rahmen Großbritannien (9,9 Prozent), Japan (8,7 Prozent) und Kanada (7,4 Pro- ihrer Masterarbeit für einen ein­ bis dreimo­ zent). Dabei konnte Deutschland seinen Anteil kontinuierlich erhöhen. natigen Forschungsaufenthalt an einer deut­ Bei den Vollpromotionen ist Deutschland 2011 sogar noch vor den USA schen Hochschule oder außeruniversitären beliebtestes Zielland. Der DAAD hat das CSC-Programm mit intensiven Forschungseinrichtung bewerben. Die chinesi­ Marketing-Maßnahmen begleitet. schen Stipendiaten sollen die deutsche Hoch­ schul­ und Forschungslandschaft kennenlernen Ab 2012 beginnt eine neue Förderperiode des CSC mit 6.000 Stipendien und im Hinblick auf eine spätere Promotion jährlich: Davon sind 3.500 Stipendien für eine Sandwich-Promotion von Kontakt zu einem möglichen Betreuer knüp­ Bewerbern der „211-Hochschulen“ – der Top-Universitäten – gedacht fen können. Umgekehrt soll das Programm sowie 2.500 Stipendien für eine Vollpromotion für Bewerber aller Hoch- deutschen Professoren die Möglichkeit bieten, schulen, von Institutionen außerhalb der Hochschulen sowie für Kandi- potenzielle Doktoranden aus China persönlich daten, die im Ausland sind (etwa Masterabsolventen ausländischer Hoch- zu erleben. schulen). Zudem sollen 1.000 Stipendien für Bachelorstudenten, vor allem im Rahmen von Hochschulpartnerschaften, angeboten werden. Im Jahresstipendienprogramm des DAAD stan­ den wegen der schlechten Bewerberzahl durch die Konkurrenz des chinesischen „5.000 er­ Die University of Birmingham hat 2011 eine Programms“ im Jahr 2011 nur 20 statt 30 Pro­ Forschungsstation in Guangzhou eingerichtet, motionsstipendien zur Verfügung, von denen aus der später ein Campus hervorgehen könnte. 19 vergeben wurden. Im gemeinsam mit der Diese Entwicklung zeigt, dass China mit seiner Chinese Academy of Sciences (CAS) durchge­ zum Teil durchaus zahlungskräftigen Bevöl­ führten Stipendienprogramm war sowohl die kerung für internationale Bildungsanbieter Zahl der Bewerbungen als auch die Qualität der immer attraktiver wird. Deutsche Hochschu­ Kandidaten wieder sehr erfreulich, so dass alle len bieten in China bisher vor allem einzelne zehn Stipendien vergeben wurden. Für die neu Studien gänge an. ausgewählten DAAD­Stipendiaten veranstalte­ te die Außenstelle am 27. und 28. August 2011 Der DAAD in China zum dritten Mal ein Ausreiseseminar zur inter­ kulturellen Vorbereitung. Zum ersten Mal seit Jahren gab es 2011 keine Großveranstaltung, in die die DAAD­Außen­ 120 deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten stelle Peking eingebunden war oder die sie des DAAD und des CSC aus ganz China fanden selbst organisierte. Dadurch blieb mehr sich vom 28. bis 30. Oktober auf Einladung Zeit, um sich mit inhaltlichen Fragen in den des DAAD zum Stipendiatentreffen in Peking Förderprogrammen zu befassen. So orga­ ein. Zusätzlich organisierte die Außenstelle am nisierte der DAAD mit dem chinesischen 20. Dezember ein Treffen von Pekinger DAAD­

130 Asien : Peking

Stipendiaten mit deutschen DAAD-Alumni, bei dem der bekannte China-Autor Frank Sieren einen Vortrag hielt.

Das Programm „Sprache & Praxis China“ (S & P) feierte 2011 sein 15-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass lud der DAAD am 26. und 27. November 50 ehemalige und aktuelle S & P-Stipendiaten nach Peking zu einer Jubi­ läumsveranstaltung ein. Pünktlich dazu hatte die Außenstelle einen Festband mit Berichten von Ehemaligen erstellt.

Hochschul- und Forschungsmarketing

Die wichtigsten Hochschulmessen waren für den DAAD 2011 erneut die China ­Education Besuch in der Hauptstadt: Expo (CEE) im Oktober und der Ph.D.-Work­ 120 deutsche DAAD-­Sti­pen­ shop im November. Bei der CEE, der meist­ diaten aus ganz China besuchten und wichtigsten chinesischen Bil­ kamen nach Peking zum dungsmesse, organisierte der DAAD – wie Stipendiatentreffen schon in den Vorjahren – für über 30 deut­ und zum Empfang in der sche Hochschulen und Bildungseinrichtun­ ­Botschaft. gen den Auftritt des deutschen Pavillons auf den Messestationen­ Peking, Qingdao, Xi’an, ­Shanghai, Wuhan, Chengdu und Guangzhou. Der Besucherandrang­ bei den deutschen Stän­ Der DAAD organisierte wie bisher die Teilnahme den war hoch. Es fiel auf, dass in erster Linie von 25 deutschen Hochschul- und Forschungs­ gut vorbereitete Studierende von chinesischen einrichtungen. Über ein Online-Tool tauschten Spitzenhochschulen die Gelegenheit zur Bera­ sich Hochschulvertreter und Ph.D.-Kandidaten tung durch deutsche Hochschulvertreter nutz­ bereits vor der Veranstaltung aus und verab­ ten. Laut einer DAAD-Umfrage streben rund redeten sich für Bewerbungsgespräche. Auf 60 Prozent der Besucher einen Masterabschluss diese Weise konnten in den Vorjahren viele in Deutschland an. Die Qualifikation der Besu­ Kandidaten für eine Promotion in Deutschland cher hat sich deutlich erhöht, so der Eindruck gewonnen werden. Auch der Workshop von der deutschen Messeteilnehmer. 2011 verspricht wegen der hohen Beteiligung von 1.300 Ph.D.-Kandidaten in diesem Sinne Der Ph.D.-Workshop fand im November in erfolgreich zu werden. Vor dem Workshop lud Peking zum dritten Mal statt. Hierbei han­ der DAAD zu einer Netzwerkkonferenz ein, delt es sich um eine zweitägige internationale um Vertreter deutscher und chinesischer Hoch­ Rekrutierungsmesse­ zur Gewinnung hoch­ schulen und Wissenschaftseinrichtungen mit­ qualifizierter chinesischer Doktoranden, von einander ins Gespräch zu bringen. denen ein Großteil entweder schon ein CSC- Stipendium des „5.000er-Programms“ hat oder Der DAAD hatte 2011 in rund 30 Veranstal­ gute Aussichten besitzt, eines zu bekommen. tungen an chinesischen Hochschulen etwa ›

131 Asien : Peking

Ausflug ins Grüne: Bei einem Treffen in Suzhou tauschten sich 70 Lektoren aus China und der Mongo- lei über ihre Erfahrungen aus (oben).

Andrang: Bei den deut- schen Studientagen in Peking und Tianjin war das Interesse groß (Mitte).

Beratung für Doktoranden: Was muss ich bei einer Pro- motion in Deutschland beachten? Informationen dazu gab es beim Ph.D.- Workshop sowie bei 30 In­­ formationsveranstaltun- gen an chinesischen Hoch- schulen (Mitte links).

Nachwuchs erwünscht: Die Kinderunis in Wuhan und Nanjing waren mit etwa 130 Gästen gut besucht. DAAD-General­ sekretärin Dorothea Rüland überreichte die Teilnehmer­­urkunden in Wuhan (unten links und rechts).

132 Strategisch geplant

Hochschul kooperationen

Im Kontext des chinesischen ein gemeinsames Programm aufweisen, die in Regierungs- konferenz: Um koopera- Bildungsreformplans von 2010 bieten: gesprächen bereits festgelegt tionen zwischen deutschen veranstalteten das chinesische wurden, wie Umwelt- und und chinesischen Hoch- Bildungsministerium und der 1. Es wird eine Förderung von Klimawissenschaften, Energie, schulen ging es beim DAAD an der Zhejiang-Univer- Projekten gewünscht, die Mobilität, Logistik. treffen von DAAD und sität in Hangzhou vom 17. bis eine größere Sichtbarkeit 5. Die Förderung soll sowohl chinesischem Bildungs- 18. März 2011 einen Workshop, gewährleisten. forschungs orientierte als ministerium. um die jeweilige Förderpolitik 2. Es sollen besonders Projekte auch anwendungsorien- abzustimmen. Dabei zeigte sich, gefördert werden, die bereits tierte Hochschulen umfassen. dass die chinesischen Partner bestehende Kooperationen Wichtigstes Kriterium ist ein Modellprojekte mit großer vertiefen und Modell- inhaltlich überzeugendes Sichtbarkeit wünschen. Die charakter haben; die Hoch- Konzept, das die Kooperation Deutschen setzen den Schwer- schulen müssen gut zuein- in Bildung und Forschung auf punkt auf die Anwerbung guter ander passen. ein neues Niveau hebt. Studierender und Doktoranden 3. Die Förderung wird von beiden sowie die Ausbildung künfti- Seiten getragen. Dafür muss Eine Erklärung zu einem derarti- ger Partner. Einig waren sich es eine gemeinsame Aus- gen neuen Programm deutsch- beide Seiten in dem Ziel, mehr schreibung geben und eine chinesischer Modellpartner- deutsche Studierende für einen gemeinsame Auswahl der zu schaften wurde im Rahmen der Studienaufenthalt in China zu fördernden Projekte. gemeinsamen Regierungskon- gewinnen. 4. Das Angebot soll sich nicht sultationen unterzeichnet. auf ein oder zwei Fächer Folgende Rahmenbedingun- beschränken, sondern mög- gen könnten die Grundlage für licher weise Schwerpunkte

3.000 potenzielle Doktoranden über die Promo­ zum Studium in Deutschland eingestellt und tionsmöglichkeiten in Deutschland informiert. diskutiert. Studien beratung ist auf diesem Insgesamt konnten 2011 in China mit Betei­ Diskussions forum direkt möglich. In einem ligung der beiden IC­Büros in Shanghai und weiteren Folder finden sich DAAD­Bilder und Guangzhou auf mehr als 150 Veranstaltungen Filme. Der Blog hat bereits über 2.100 „Fans“ wie Messen, Studientagen und Vorträgen über gefunden: http://site.douban.com/116194/. 22.000 junge Chinesen über Studium und For­ schung in Deutschland beraten werden. 2011 erstellte die Außenstelle einen neuen Newsletter, der zweimal im Jahr per E­Mail an Seit 25. März betreut der DAAD einen chine­ rund 12.000 Adressaten versandt wird. Er ist sischsprachigen Blog beim populären Anbie­ auf der DAAD­Webseite unter http://www.daad. ter Douban. Der Douban­Auftritt ist inhalt­ org.cn/publikationen­archiv­aktuelles­und­links/ lich dreigeteilt: Auf der Startseite werden aktuelle­publikationen abrufbar. Zudem wurde DAAD­Veranstaltungen angekündigt, in einem 2011 die Webseite der Außenstelle komplett Forum dann Informationen und Nachrichten überarbeitet: www.daad.org.cn ›

133 GrÜNDUNG DEr CHiNESiSCH-DEUtSCHEN HoCHSCHULE

Am 23. März 2011 wurde an der Tongji-Universität in Shanghai die Chinesisch-Deutsche Hochschule (CDH) gegründet. Sie bildet ein gemeinsames Dach für mehrere deutschlandbezogene Einrichtungen und Projekte an der Tongji-Universität. Dazu gehören das vom DAAD seit 1998 geförderte Chinesisch-Deutsche Hochschulkolleg (CDHK), die Chinesisch-Deutsche Hochschule für Angewandte Wissenschaften (CDHAW) sowie das Chinesisch-Deutsche Institut für Berufsbildung (CDIBB). Diese Einrichtungen bleiben weitgehend selbstständig und werden von Synergien profitieren. Hinzu kommt der neu eingerichtete Chinesisch-Deutsche Campus (CDC). Er dient den über 40 deutsch-chi- nesischen Projekten an der Tongji-Universität als Plattform für Vernet- zung, Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsorganisation.

Mit großem Erfolg koordinierte die CDH vom 11. bis 21. Oktober 2011 die erste Deutsche Woche an der Tongji-Universität. Über 15.000 Besucher, zumeist Studierende, aber auch hochkarätige Gäste, nahmen an den Alumni für Alumni“ organisierte Fach semi nare, vielfältigen Veranstaltungen zu Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur teil. ein Rechts­Kolloquium mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammen­ arbeit (GIZ), eine Podiumsdiskussion am Zent­ Von kinderunis und Alumni-treffen rum für Deutschlandstudien sowie ein Treffen für deutsche DAAD­Alumni. Die meisten Ver­ Vom 14. bis 16. Oktober fand an der Huazhong anstaltungen wurden aus BMBF­Mitteln des University for Science and Technology in Programms „Deutschland­Alumni in China“ Wuhan das fünfte Treffen deutscher und chi­ (DACH) finanziert. Erfolgeiches team: die nesischer Hochschulpräsidenten statt, unter­ Mitarbeiter der Außenstelle stützt vom Chinesisch­Deutschen Zentrum für Die DAAD­Lektoren aus ganz China und der Peking (rechts oben). Wissen schaftsförderung. DAAD­Generalsekre­ Mongolei kamen vom 21. bis 25. November tärin Dr. Dorothea Rüland nahm an der Veran­ an der Fudan­Universität in Shanghai zusam­ staltung teil. Im Mittelpunkt der Diskussion men. Kollegen aus Ulan Bator, Tokio, Seoul standen die Zusammenarbeit in der Forschung und Südchina berichteten von ihrer Arbeit. und in der Doktorandenausbildung, die Einbin­ Prof. Ulrich Ammon, Universität Duisburg­ dung von Hochschulen in die regionale wirt­ Essen, und Dr. Matthias Wermke, langjähriger schaftliche Umgebung, Mobilität von Studie­ Leiter der Duden­Redaktion, hielten Vorträge renden sowie das Thema geistiges Eigentum. rund um das Thema Sprache. Eine Exkursion nach Suzhou rundete das Programm ab. Etwa Generalsekretärin Rüland war auch Gast bei der 70 Orts­ und DAAD­Lektoren nahmen an die­ von DAAD­Lektorin Dr. Heidrun Hörner organi­ sem Treffen teil. sierten Kinderuni an der Huazhong­Universität in Wuhan am 14. Oktober. Dort überreichte sie internes 50 „Jungstudierenden“ ihre Urkunden. Einen Tag später organisierte DAAD­Lektor Dr. Dietmar Personalwechsel in der Außenstelle Peking: Mehrens eine Kinderuni mit 80 „Nachwuchs­ Neu im Team sind Sun Wenjing (Marketing) forschern“ an der Nanjing­Universität. und Liu Jie (Stipendienbearbeitung). Verlas­ sen haben die Außenstelle Zheng Yi und Jin Die DAAD­Außenstelle Peking organisierte oder Zhenshan, die jeweils an die Hochschulbüros unterstützte 2011 31 Alumni­Veranstaltungen der Universität Jena beziehungsweise der TU mit rund 1.550 Teilnehmern. Dazu zählten München wechselten. unter anderem 14 lokale Alumni­Treffen, acht « von Alumni im Rahmen des Programms „Von

134 Asien : Peking

Tabelle 19 : Statistischer Überblick VR China 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 9,6 Mio. km2 Ausländische Studierende gesamt 265.090 Bevölkerungszahl 1,34 Mrd. nach Herkunftsländern 2010: 5 Frauen 48,08 % 1. Süd-Korea 2009 64.232 (27,1 %) Männer 51,92 % 2. USA 2009 18.650 (7,8 %) Bevölkerungsdichte 139 Einw./km2 3. Japan 2009 15.409 (6,5 %) Bevölkerungswachstum 0,5 % 4. Vietnam 2009 12.247 (5,1 %) Urbanisierungsgrad bei Entwicklungsländern 45 % 5. Thailand 2009 11.379 (4,8 %) 6. Deutschland 2010 4.873 (1,8 %) 2. Wirtschaftsdaten Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 950.000 BIP * 5.926 Mrd. Studienbeginn 2010 284.700 BIP pro Kopf * 4.270 davon in Deutschland 22.779 Anteil am globalen BIP 9,3 % Knowledge Economy Index (KEI) 2009 Rang 81 Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 6 Wirtschaftswachstum 10,4 % 1. USA 157.558 Inflation 6,6 % 2. Japan 86.173 3. Australien 75.558 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 4. Großbritannien 60.705 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2010 * 3,66 % 5. Kanada 49.980 Forschungsetat 1,76 % Hochschultypen 2010 * Angaben in US-Dollar reguläre Hochschulen 1 2.358 2 davon 1. HS mit vierjährigen grundst. Studiengängen 1.112 1 vom Bildungsministerium anerkannte Hochschulen davon 2. HS mit speziellen Kursen 3 1.246 2 davon wiederum 323 An-Institute darunter Einrichtungen für Master und Promotion 797 3 z. B. für Berufsbildung 4 in vierjährigen Studiengängen davon 1. Hochschulen 481 5 2009 waren es 238.184 davon 2. Forschungseinrichtungen 316 6 nach dem „Atlas of Student Mobility 2010“ Einrichtungen für Erwachsenenbildung 365 Private reguläre Hochschuleinrichtungen 836 Quellen: Anzahl Hochschullehrer 2010 1.343.127 Bildungsministerium der VR China (Hg.): Educational Statistics Yearbook of China 2010, Peking 2011 davon ordentliche Professoren 148.552 Bildungsministerium der VR China: Eingeschriebene Studierende 2010 3 www.moe.edu.cn (29.12.2011) an staatlichen Institutionen 22.317.929 Wissenschaftsministerium der VR China: an privaten Institutionen 4.766.845 3 www.most.gov.cn (03.01.2012) Frauenanteil 50,86 % China Education and Research Network: www.edu.cn (03.01.2012) Anteil ausländischer Studierender 1 % 3 Atlas of Student Mobility: Doktoranden 258.950 3 www.iie.org (03.01.2012) Abschlüsse 2010 Abschlüsse in drei- und vierjährigen Studiengängen 5.754.245 davon: Bachelor’s Degree 4 2.435.867 Master’s Degree 332.585 Doctorate 47.407 Studiengebühren (pro Studienjahr) 2010 * an staatlichen Institutionen (je nach Studiengang) ab 1.000 an privaten Institutionen k.A.

135 Asien : Peking

Tabelle 20 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern VR China

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 457 I. individualförderung – gesamt A 403 1. nach Status D 125 grundständig Studierende A 64 D 128 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 252 D 59 davon Doktoranden A 166 D 204 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 87 2. nach Förderdauer D 185 < 1 Monat A 33 D 115 2–6 Monate A 83 D 157 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 287 3. nach ausgewählten Programmen D 64 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 110 D 1 Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 25 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A 1 D 38 Lektoren A D 6 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 135 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 27 D 77 Praktikanten A 9 D 37 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 60

D 904 II. Projektförderung – gesamt A 1.317 1. nach Status D 445 grundständig Studierende A 619 D 267 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 561 D 60 davon Doktoranden A 116 D 192 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 137 2. nach Förderdauer D 434 < 1 Monat A 416 D 373 2–6 Monate A 633 D 97 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 268 3. nach ausgewählten Programmen D 420 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 219 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 200 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 368 D 105 Austausch in Projekten (PPP) A 3

D 1.361 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 1.720 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 3.081

136 Tokio Japan nach der Katastrophe

Am 11. März 2011 um 14.46 Uhr Ortszeit Japan). Über 200.000 Menschen mussten direkt erschütterte ein Erdbeben mit einer Stärke nach der Tsunamikatastrophe in Notunterkünf­ von 9,0 auf der Richterskala die Nordost ­ ten untergebracht werden, hinzu kamen zeit ­ region (jap. Tohoku) der japanischen Haupt­ weise bis zu 80.000 Evakuierte nach der Reaktor­ insel Honshu. Das Beben löste einen Tsunami katastrophe. Die Folgen des weltweit größten mit einer durchschnittlichen Wellenhöhe von Kernkraftwerksunfalls seit Tschernobyl im Jahr 10 Metern sowie Unfälle in mehreren Kern­ 1986 werden in Japan noch lange nachwirken. kraftwerken Ost japans aus. Sie führten ab dem 12. März im Kernkraftwerk Fukushima I in Immens waren auch die wirtschaftlichen drei Reaktor blöcken zu Kernschmelzen. Schäden: Fast 130.000 Gebäude wurden ganz und über 230.000 teilweise zerstört sowie Die Natur­ und Technikkatastrophe überschat­ 3.900 Straßen und 78 Brücken beschädigt. Dr. Holger finken leitet die tete und bestimmte in Japan das gesamte Jahr Der Tsunami überflutete auch den Flughafen Außenstelle tokio seit 2011. Der Tsunami, der sich teilweise bis zu Sendai, der über einen Monat lang geschlossen 2009. Die Außenstelle 10 Kilometer ins Landesinnere aus breitete, blieb. Unmittelbar nach dem Erdbeben lag auch besteht seit dem Jahr 1978 kostete viele Menschenleben: Bis zum 10. März in Tokio der Eisenbahn­ und U­Bahn­Verkehr und hat zurzeit sieben 2012 meldete die Polizei 15.854 Tote und zunächst still, erst nach einigen Stunden konn­ Mitarbeiterinnen und Mit- 26.992 Verletzte, 3.155 Personen wurden noch ten manche Strecken wieder befahren werden. arbeiter. vermisst (Quelle: National Police Agency of In Ostjapan fielen zeitweise etwa ein Drittel der Stromproduktion und 10 Prozent der Raf­ fineriekapazität aus; bis zum Sommer kam es daher zu rollierenden Stromabschaltungen. Wiederaufbau der Erdbebengebiete Gravierende Schäden gab es an den Gebäuden und Anlagen der Universitäten im Katastro­ phen gebiet, so etwa an der Tohoku­Univer sität 25 Jahre DAAD Tomonokai in Sendai (Schadenssumme etwa 800 Mio. 150 Jahre Euro) und an der Tsukuba­Universität (etwa diplomatische Beziehungen 70 Mio. Euro).

Zahlreiche Ausländer verließen nach der Kata­ Arbeitgeber sollen strophe Japan. Etwa 4.000 der vorher über Auslandsstudium wertschätzen 5.000 ansässigen Deutschen reisten nach Anga­ ben der Deutschen Botschaft aus, rund 1.600 DAAD-Stipendien attraktiv endgültig.

138 Asien : Tokio

Erneuter Wechsel im Amt sehr umfangreich ist des Premierministers und auch eine Klärung der weiteren Energiepo­ Die seit Juni 2010 amtierende Regierung von litik umfasst, sind die Premierminister Naoto Kan (Demokratische beiden anderen Politik­ Partei, DPJ), deren Rücktritt wegen schlechter felder sehr umstritten. und weiter sinkender Umfragewerte allgemein für spätestens April 2011 erwartet worden Trotz der Proteste, insbesondere der japani­ Nach dem Jahrhundert­ war, blieb nach der Katas­trophe vom 11. März schen Bauern, hat Premierminister Noda am beben der Stärke 9,0 am zum Krisenmanagement zunächst im Amt. 11. November 2011 entschieden, dass Japan 11. März 2011 überspülte ein Im August setzte Naoto Kan mit der Drohung Verhandlungen über seinen Eintritt in die Frei­ 14 Meter hoher Tsunami einer Auflösung des Unterhauses und vorzei­ handelszone der Trans-Pacific Strategic Econo­ das Kernkraftwerk tiger Neuwahlen noch drei wichtige Gesetze mic Partnership (TPP) aufnimmt, die die USA, ­Fukushima I. In den Tagen durch: einen zweiten Zusatzhaushalt für 2011 Australien, Vietnam und weitere sechs Länder danach führte der Ausfall für Wiederaufbaumaßnahmen in den Erdbe­ auf beiden Seiten des Pazifiks umfasst. der Kühlsysteme zu Wasser­ bengebieten, ein Gesetz über die Förderung stoff­explosionen, Kern­ erneuerbarer Energien und ein Gesetz für die Am 6. Januar 2012 beschloss die Regierung, noch schmelzen und zur Frei­ Ausgabe weiterer Staatsanleihen zur Finanzie­ im laufenden Haushaltsjahr (bis 31. März 2012) setzung großer Mengen rung des Haushaltsdefizits. Danach trat Kan einen Gesetzentwurf über die Anhebung der radio­­aktiver Substanzen. am 26. August zurück und machte den Weg Mehrwertsteuer­­ von derzeit 5 auf 8 Prozent ab frei für die Neuwahl des DPJ-Vorsitzenden und April 2014 und 10 Prozent ab Oktober 2015 ein­ Premier­ministers am 29. August 2011, bei der zubringen. Die Einnahmen aus der Steuererhö­ sich der bisherige Finanzminister Yoshihiko hung sollen ausschließlich zur Finanzierung der Noda im zweiten Wahlgang gegen Wirtschafts­ durch den demografischen Wandel stark belas­ minister Banri Kaieda durchsetzte. teten Sicherungssysteme verwendet werden.­

Yoshihiko Noda studierte an der Waseda- Die Zustimmung für die Regierung Noda ist Die Regierung Noda hat Universität­­­­ und danach am vom - inzwischen von 65 Prozent im September 2011 wie ihre Vorgängerin keine ­Gründer Konosuke Matsushita geschaffenen auf 35,7 Prozent im Januar 2012 gefallen. Aus Mehrheit im Oberhaus und renommierten Matsushita Institute of Govern­ Protest gegen die Pläne zur Erhöhung der Mehr­ steht vor den gleichen ment and Management. Er wird dem konser­ wertsteuer sind im Januar 2012 mehrere Abge­ Heraus­forderungen: Wie- vativen Flügel der DPJ zugerechnet. Neuer Haus­ ordnete aus der Partei ausgetreten. Am 13. Januar­­ deraufbau der Erdbeben­ herr im Wissenschaftsministerium (MEXT) 2012 stärkte Premierminister Noda schließlich gebiete, Klärung des wurde der bisherige Vizeminister Masaharu das Lager der Befürworter einer Steuererhöhung außenwirtschaftlichen ­Nakagawa (DPJ), der an der Georgetown Uni­ durch eine Regierungsumbildung. ­Kurses und Sanierung der versity in Washington, D.C., Internationale Staatsfinanzen. Beziehungen studierte. Ihn löste allerdings schon am 13. Januar 2012 Hirofumi Hirano ab. Wissenschafts- und Energiepolitik­ Die Regierung Noda hat wie die Regierung Kan keine Mehrheit im Oberhaus und steht vor den Wie jedes Jahr referierte Prof. Masuo Aizawa, gleichen Herausforderungen wie diese: Wieder­ Executive Member des Council for Science aufbau der Erdbebengebiete, Klärung des außen­ and Technology Policy (CSTP) der japanischen wirtschaftlichen Kurses und Sanierung der Regierung, vor den Mitgliedern des Science Staatsfinanzen. Während der erste Problemkreis­ and Technology Diplomatic Circle, in diesem ›

139 gebaut werden. Vielleicht kommt ein Atom­ ausstieg in Japan sogar relativ schnell: Da die Reaktoren regelmäßig zur Wartung abgeschal­ tet werden und zum Wiederanfahren die Zu­ stimmung der lokalen und regionalen Behör­ den erforderlich ist, die aber jetzt sehr zögerlich erteilt wird, liefen am 25. Dezember 2011 nur sechs der 54 Kernreaktoren des Landes. Im Som­ mer 2012 stehen weitere Regelabschaltungen an.

Die 1858 gegründete Keio- Jahr am 9. November in der kanadischen Bot­ Allerdings ist die Gefahr von Engpässen in Universität mit derzeit schaft. Hauptgegenstand des Vortrages war der Stromversorgung in Japan real. Eine kurz­ 34.000 Studierenden ist der „Fourth Science and Technology Basic Plan fristige Gegenmaßnahme ist die Energieeinspa­ neben der Waseda-Uni­ 2011–2016“. Dieser soll in enger Verzahnung mit rung: Schon im Sommer 2011 wurde nach dem versität eine der beiden der Wachstumsstrategie der Regierung bis zum Ausfall zahlreicher Kraftwerke nach der Erdbe­ wichtigsten privaten Hoch­ Jahre 2020 (Kabinettsbeschluss vom Juni 2010) benkatastrophe der Stromverbrauch im Nord­ schulen in der japanischen und dem Wiederaufbauplan für die Erdbeben­ teil der Hauptinsel durch teilweise drastische Hauptstadt. Das Foto zeigt gebiete umgesetzt werden. Schwerpunktberei­ Aktionen wie Verlegung der Produktion auf die geschichtsträch­tige che bleiben Umwelt („Green Innovation“) und Samstag und Sonntag um 15 Prozent gesenkt. Bibliothek. Gesundheit („Life Innovation“), nun ergänzt Eine längerfristige Maßnahme ist die stärkere durch „Wiederaufbau und Revitalisierung“. Nutzung fossiler Energieträger. So wird erwar­ tet, dass die Gasimporte 2012 um knapp 30 Pro­ Wegen der hohen Ausgaben für den Wieder­ zent ­steigen. Das oben genannte Klimaziel wird aufbau der Erdbebengebiete und der allgemein dabei wohl nicht erreicht werden: 2012 wird angespannten Haushaltslage wird aber 2012 der Ausstoß von Kohlendioxid knapp 19 Pro­ weniger Geld für Bildung und Wissenschaft zur zent über dem Bezugsjahr 1990 liegen. Verfügung stehen als 2011: Der entsprechen­ de Budgetposten sinkt um 1,9 Prozent (Japan In jedem Fall braucht Japan eine neue Energie­ Times, 28. Dezember 2011). strategie. Dazu setzt die Regierung auf unab­ hängige Experten, die sich an der Erarbeitung Nach der Katastrophe im Kernkraftwerk einer Strategie in einem beratenden Grundsatz­ ­Fukushima I ist der energiepolitische Kurs des ausschuss beim Wirtschaftsministerium METI Landes neu zu bestimmen. Der erst im Juli 2010 beteiligen. Die Abhängigkeit von der Kernkraft verabschiedete Basisenergieplan sah zur Ver­ wird künftig, ganz im Gegensatz zur ­bisherigen ringerung des Ausstoßes an klimaschädlichen Linie, verringert werden – ob auf null, gilt noch Gasen die Erhöhung des Kernenergieanteils auf als offen. Die neue Energiestrategie soll im 53 Prozent und den Neubau von 14 Reaktoren Sommer 2012 vorgelegt werden. So oder so bis 2030 vor. Japan hatte sich 2009 verpflichtet, wird aber die Bedeutung erneuerbarer Energien­ von 1990 – dem Bezugsjahr des Kyoto-Proto­ steigen: Sah der Basisenergieplan von 2010

kolls – bis 2020 seinen CO2-Ausstoß um 25 Pro­ deren Ausbau auf 20 Prozent bis 2030 vor, so zent zu verringern. Vom Ausbau der Kernkraft soll dieses Ziel nun bereits 2020 erreicht werden. ist nach dem Unfall im KKW Fukushima I keine Rede mehr – Gegner und Befürworter der Kern­ Was die Laufzeiten der bestehenden Kernkraft­ energie in Japan sind sich zumindest darin werke betrifft, so wird Japan sie noch für eine einig, dass auf lange Sicht keine Reaktoren mehr ganze Reihe von Jahren so sicher wie möglich

140 ASiEN : toKio

betreiben müssen. Im Dezember 2011 wurde in Herbst 2011 ausgewählten bilateralen Koope­ Vom Ausbau der kernkraft Anlehnung an US­amerikanische Regelungen rationsprojekten nehmen die deutschen Univer­ ist nach dem Unfall im die maximale Laufzeit für KKW auf 40 Jahre sitäten RWTH Aachen (mit dem Tokyo Institute kkw fukushima i keine begrenzt. Die Aufsicht über die Kernkraftwerke of Technology und der Keio­Universität), Bonn, rede mehr – Gegner und erhält eine neue Behörde im Umweltministe­ FU Berlin (mit der Tsukuba­Universität) sowie Befürworter der kern- rium. Sie ersetzt in dieser Aufgabe das Wirt­ die TU München und die TU Darmstadt (mit energie in Japan sind sich schaftsministerium, bisher größter Befürworter der Keio­Universität) teil. darin einig, dass auf lange der Kernenergie. Die Behörde erhält mehr Kom­ Sicht keine reaktoren petenzen und soll bis April 2012 geschaffen Nach mehrfachen Terminverschiebungen mehr gebaut werden. werden (Japan Times, 3. Januar 2012). wurde im März 2011 das neue Kurzstipendien­ programm „Short Stays / Short Visits“ (SSSV) der Japan Student Services Organization internationalisierung des (JASSO) ausgeschrieben. Im Rahmen von japanischen Hochschulwesens bilateralen Hochschulvereinbarungen werden hier „Schnupperaufenthalte“ japanischer Bei seinem ersten Interview mit Pressevertre­ („short visit“, SV) und ausländischer Stu­ tern forderte Wissenschaftsminister Masaharu dierender („short stay“, SS) von ein bis drei Nakagawa, selbst Absolvent der Georgetown Mo naten Dauer an der jeweiligen Partner­ University, USA, von der japanischen Gesell­ hochschule gefördert. Idealerweise sollen die schaft größere Anerkennung für ein Auslands­ Austauschzahlen in beide Richtungen ausge­ studium. Die japanischen Studierenden glichen sein. hätten Interesse an einem Auslandsaufenthalt, befürchteten aber Nachteile bei der Arbeits­ Im SSSV­Programm wollte die japanische wissenschaftsminister platzsuche nach ihrer Rückkehr. Der Wissen­ Regierung mit 2,2 Mrd. Yen (etwa 22 Mio. Euro) Masaharu Nakagawa schaftsminister monierte die mangelnde im Haushaltsjahr 2011 insgesamt je 7.000 Kurz­ fordert von Arbeitgebern Wertschätzung des Auslandsstudiums von stipendien in beide Richtungen fördern. Real und der japanischen Seiten der Arbeitgeber, insbesondere von gab es in der ersten Runde 2011 nicht nur die Gesellschaft größere Unternehmen und Kommunalregierungen. Die geplanten 14.000, sondern sogar 18.339 Stipen­ Anerkennung für ein japanische Gesellschaft müsse sich dahinge­ dien, davon allerdings 11.369 an japanische Auslands studium. hend ändern, dass ein Auslandsstudium ohne Studierende und nur 2.064 an Ausländer, sowie Karriere sorgen nach der Rückkehr möglich sei. 4.906 im Rahmen von bilateralen Projekten. Nakagawa äußerte, er werde mit führenden Die durchschnittliche Dauer der Aufenthalte Personen aus der Wirtschaft über diese Prob­ beträgt 1,2 Monate, das heißt, dass der mögliche leme der Studierenden sprechen (Japan Times, Zeitrahmen von drei Monaten bisher nur selten 24. September 2011). ausgeschöpft wird.

Das Wissenschaftsministerium schafft seit 2010 nach dem Muster von Erasmus ein ostasia­ Akademischer Austausch ti sches Austauschsystem unter dem Namen CAMPUS Asia (Collective Action for the Mobility An deutschen Hochschulen studieren derzeit Program of University Students). Beteiligt sind etwa 2.100 Japaner. Davon sind 45 Prozent in neben Japan auch China und die Republik den Geistes­ und Sozialwissenschaften, fast Korea. Gleichzeitig werden verstärkt bilaterale 40 Prozent in Musik und Kunst und 15 Prozent Austauschprogramme mit den USA, Europa in den Natur­ und Ingenieurwissenschaften und anderen Ländern gefördert. An den im eingeschrieben. ›

141 Prof. Dr. Jochen Schieck vom Exzellenzcluster „Uni- verse“ präsentiert im nati- onalen Zentrum für Hoch- energiephysik in Japan (KEK) den Pixel-Vertex­ detektor. Er ist das Kern- stück des neuen Belle-II- Experiments am Teilchen- beschleuniger Super KEKB des Interna­tional Linear Ihnen stehen 393 deutsche Studierende an wurden (mit anderen Deutschen und Ausländern) Collider (ILC). Hochschulen in Japan gegenüber (Stand Mai am 14. März mit Bussen der Botschaft und des 2011). Vor allem wegen der Naturkatastrophe Technischen Hilfswerks aus Sendai nach Tokio im März 2011 waren dies etwa 160 (29 Prozent) evakuiert und reisten ab 15. März aus Japan aus. weniger als im Vorjahr. Die Stipendiaten in den nicht von Strom- und Im Jahr 2010 besuchten 567 geförderte japa­ Internetausfall betroffenen Gebieten Japans nische Wissenschaftler Deutschland. Über informierte die DAAD-Außenstelle in enger 238 deutsche Wissenschaftler reisten nach Absprache mit dem zuständigen Referat ab Japan (Statistik der Japan Society for the Pro­ 12. März per Rundmail und Homepage, dass sie motion of Science 2011). Laut Statistik der Japan ohne Nachteile für ihre Stipendienverein­ Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (2011) sind barung verlassen könnten. Von den 115 Geför­ 114 deutsche und 162 japanische Hochschulen derten, die zum Zeitpunkt der Katastrophe in an Partnerschaften beteiligt. Der DAAD fördert Japan waren, nahmen 92 dieses Angebot an. derzeit 14 deutsch-japanische Hochschulpart­ Der DAAD übernahm zusätzliche Reisekosten nerschaften, drei davon in einer trilateralen und zahlte die Stipendienraten zum Ausgleich akademischen Kooperation zwischen Deutsch­ für Miete, Mietausfallkosten und Sonstiges bis land, Japan und der Republik Korea. Ende April 2011. Bis Mai kehrten etwa 70 Sti­ pendiaten wieder nach Japan zurück, 19 bra­ chen ihren Aufenthalt in Japan endgültig ab. Die Arbeit der DAAD-­Außenstelle Die Außenstelle Tokio schloss im Einklang mit Nach dem Erdbeben vom 11. März 2011 konzen­ der Teilreisewarnung des Auswärtigen Amtes trierte sich die DAAD-Außenstelle in enger Zu­­­ für den Nordosten der Hauptinsel Honshu und sammenarbeit mit dem zuständigen Referat der den Großraum Tokio-Yokohama vom 17. März bis DAAD-Zentrale, der Deutschen Botschaft, der 11. April 2011. Die Geschäfte führten das zustän­ Krisenbeauftragten des DAAD und dem Krisen­ dige Referat in Bonn und der Außenstellenleiter stab des Auswärtigen Amtes auf die Kontakt­ ­­­ per E-Mail von außerhalb weiter, wobei er Ende aufnahme zu den DAAD-Geförderten in Japan. März zeitweilig nach Tokio reiste und dort Drei DAAD-Stipendiaten an der Tohoku-­­Univer­ ­ ­Termine mit japanischen Partnern wahrnahm. sität in Sendai, also nahe am Epizentrum, konn­ ten nach dem Erdbeben und Tsunami wegen Der DAAD, die HRK und die Alexander von Strom- und Internetausfalls nicht mehr kontak­ Humboldt-Stiftung eruierten bei den deut­ tiert werden. Die Kontakt­ aufnahme­ erfolgte erst schen Hochschulen den Bedarf an kurzfris­ am 13. März per Handy. Die drei Stipendiaten tiger Unterstützung ­betroffener japanischer

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­Partnerinstitutionen.­ Die zuständige Referats­ attraktiv bleiben. Der temporäre Einbruch bei leiterin Dr. Ursula ­Toyka-Fuong vertrat den den Geistes- und Sozialwissenschaften im Vor­ DAAD im entsprechenden Gesprächskreis beim jahr hat sich nicht wiederholt. Die Bewerber um Bundesministerium für Bildung und Forschung ein DAAD-Stipendium kommen weiter durch­ (BMBF). Das BMBF bewilligte auf Antrag des weg von den besten Universitäten Japans. DAAD Mittel in einer Gesamthöhe von rund 260.000 Euro für verschiedene Sonderförde­ Im Partnerschaftsprogramm vereinbarte der rungen ab September 2011, unter anderem für DAAD mit der Tsukuba-Universität, die seit Mai ein zwei­semes­triges Austauschprogramm für 2010 ihr Europa-Büro in einem Gebäude der 20 Studierende der Wirtschaftswissenschaften Bonner DAAD-Zentrale unterhält, 2011 erstmals der Tohoku-Universität in Sendai an der Uni­ ein Partnerschaftsprogramm auf „Matching versität Paderborn. Funds“-Grundlage – die Förderung soll 2013 beginnen. Eine ähnliche Vereinbarung wird seit DAAD-Programme mit Japan 2011 mit der Chuo-Universität vorbereitet. Zum Jahresende nahm der DAAD auch Verhandlun­ Der DAAD bietet in Japan Stipendien für Dok­ gen mit der Waseda-Universität in Tokio auf. Die DAAD-Graduierten­ toranden und Masterstudierende, Hochschul­ stipendien für junge japa- sommerkurse und Intensivsprachkurse sowie 150 Jahre diplomatische Beziehungen nische Wissenschaftler Wiedereinladungen an. Für das Hochschuljahr bleiben trotz starker inter- 2012/2013 wurden 24 Graduiertenstipendien Trotz der Katastrophe im März 2011 begingen nationaler und innerjapani- an Japaner vergeben. Japan und Deutschland das 150. Jubiläum der scher Konkurrenz attraktiv. deutsch-japanischen Beziehungen. Am 2. April Nach den insgesamt niedrigeren Bewerber­ kam Bundesaußenminister Guido Wester­ zahlen im Vorjahr sind in der Auswahlrunde welle als zweiter hochrangiger ausländischer 2011 die Bewerberzahlen insgesamt um über Politiker nach der Katastrophe nach Tokio, im 8 Prozent gestiegen. Besonders stark stieg die Juni folgten CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Zahl der Bewerbungen bei den nichtgerma­ Volker Kauder und Jürgen Trittin (Bündnis nistischen Geistes- und Sozialwissenschaften. 90 / Die Grünen). Am 15. September traf sich die Bei den Studienzielen waren die Promotion deutsch-japanische Parlamentariergruppe­ unter in Japan, die Promotion in Deutschland und Leitung ihres Vorsitzenden Rolf ­Mützenich Forschungsaufenthalte ohne Abschluss in etwa (SPD) im Rahmen eines ausgedehnten Japan­ gleich oft vertreten, die restlichen 10 Prozent besuchs in Tokio mit den Vertretern der entfielen auf Bewerbungen um Stipendien für deutschen Mittlerorganisationen. Im Herbst Masterstudiengänge in Deutschland. Dabei war besuchte die Bundesministerin für Bildung und die Promotion in Japan bei den Geistes- und Forschung Annette Schavan Japan und erhielt Sozialwissenschaften bei weitem das häufigste am 3. Oktober 2011 die Ehrendoktorwürde der Studienziel, während sich bei den Natur- und Meiji-Universität in Tokio. Ingenieur­wissenschaften die Promotion in Deutschland und Forschungsaufenthalte ohne Das Jubiläumsjahr erreichte mit dem Besuch des Abschluss etwa die Waage hielten. japanischen Kronprinzen Naruhito in Berlin­ im Juni und dem Deutschlandfest in Tokio am 23. Ok­ Die wieder höheren Bewerberzahlen zeigen, tober­­ in Anwesenheit des damaligen Bundes­ prä­ ­ dass die DAAD-Graduiertenstipendien für junge siden­ ten­ Christian Wulff seinen Höhepunkt. Die japanische Wissenschaftler trotz starker inter­ DAAD-Außenstelle Tokio war beim Deutschland­­­ nationaler und innerjapanischer Konkurrenz fest mit einem Stand ­vertreten und präsentierte ›

143 den Hochschulstandort 12. Mai 2011 zum dritten Mal den ­German Deutschland auf zwölf Innovation Award (GIA) für japanische Wissen­ Informationsveranstal­ schaftler. Der DAAD stellt als Partner des GIA tungen an Hochschulen den Preisträgern Stipendien für einen zweimo­ des Landes: Universität natigen Aufenthalt an einer Universität oder Tokio, Tokyo Institute Forschungseinrichtung in Deutschland of Technology,­­ Tohoku- zur Verfügung. Der erste Preis ging 2011 an Universität in Sendai, Prof. Motonari Uesugi von der Universität Nagoya-Universität, Kyoto und sein Team für Forschungen über die Keio-Universität und Verwendung synthetischer kleiner Moleküle Meiji-Universität in für die Zelltherapie. Den zweiten Preis erhielt Tokio, Chuo-Universität Prof. Akira Ohtomo vom Tokyo Institute of in Hachioji, Kanagawa- Technology für Untersuchungen zu Anwendun­ Universität in Yokohama gen metalloxidischer Interfaces in der Elek­ sowie Chitose Insti­ tronik. Drei dritte Preise gingen an Prof. Jun tute of Technology K. Takeuchi und Prof. Takashi Yatsui (Bio- bzw. Deutschlandfest in Tokio: in Hokkaido.­ Dazu kamen drei Infor­­ mations­­­ Ingenieurwissenschaften, beide Universität Der damalige Bundespräsi- veranstaltungen über die DAAD-Pro­­gramme Tokio) sowie Dr. Masayoshi Higuchi vom Natio­ dent Christian Wulff mit vor dem DAAD-Alumni-Kreis Kobe, bei der nal Institute for Materials Science. den Fußball-Weltmeisterin- JDG Hokkaido in Sapporo und bei einer Study- nen von 2011 Kozue Ando ­abroad-Veranstaltung der Präfektur Saitama. Germanistik und deutsche Sprache in Japan (r.) und Karina Maruyama (oben) und Auszeichnung Zwei Veranstaltungen zum 150. Jubiläumsjahr Die bisherige DAAD-Lektorin Dr. Katrin Shimizu- der Preisträger des „Hertz muss­­ten verschoben werden: Das Symposium Dohlus (seit 2009) schied zum 31. März 2011 und Pixel“-Audio- und „Rechtstransfer in Japan und Deutschland“ aus – die angestrebte Nachbesetzung des Lek­ Videowettbewerbs in Tokio auf den 3. bis 5. November, die erste torats mit Entsendung des designierten Nach­ (unten). European Higher Education Fair in Japan auf folgers gelang aufgrund der Katastrophe vom Mai 2012. März nicht sofort. Stefan Buchenberger, Pro­ fessor an der Kanagawa-Universität in Yokoha­ Trotz der schwierigen Verhältnisse feierte der ma in Japan, übernahm die Lehrverpflichtung. DAAD das große Alumni-Symposium anläss­ Zudem konnte mit Hilfe des DAAD-Berater­ lich des 25-jährigen Bestehens der Vereinigung netzes ein Teil der jährlichen Veranstaltungen DAAD Tomonokai am 16. und 17. April 2011. angeboten werden, insbesondere zwei Interuni- Auch der Audio- und Videowettbewerb „Hertz Seminare für Deutschlerner an japanischen und Pixel“ und das Symposium „Scientific Solu­ Universitäten und ein Lektorentreffen mit tions to Common Challenges. Biocatalysts for 25 Teilnehmern in Kanazawa. Mit dem neuge­ Future Feedstock Utilization“ am 26. April 2011 wählten Vorstand der Japanischen Gesellschaft am Nara Institute of Science and Technology für Germanistik diskutierte der DAAD die (NAIST) fanden wie geplant statt. gemeinsamen Vorhaben für 2012. Der Außen­ stellenleiter sowie Mitglieder des Beraternetzes German Innovation Award nahmen als Jurymitglieder­­ an deutschen Rezi­ tations- und Redewettbewerben­­ an der Waseda- Das Deutsche Wissenschafts- und Innovations­ Universität in Tokio, der Fremdsprachenuni­ haus Tokio und die Deutsche Industrie- und versität in Kyoto und der Nanzan-Universität Handelskammer in Japan organisierten am in Nagoya teil. ­Stefan Buchenberger beteiligte

144 Asien : Tokio

DAAD-Tomonokai: Der japanische Alumni-Verein des DAAD feiert in Kyoto sein 25-jähriges Bestehen mit einem großen Wissen- schafts- und Kulturpro- gramm (links). Prof. Max Huber, Prof. Ryuichi ­Higuchi, Prof. Hans-Jürgen Papier mit Ehefrau, Dr. ­Holger 25 Jahre DAAD Zu den Mitorganisatoren gehör- anderem für Japan zuständigen ­Finken, Dr. Ursula Toyka-­ Tomonokai ten die Japan Society for the Referates im DAAD Bonn. Fuong, Generalkonsul Promotion of Science (JSPS), ver- Dr. Alexander Olbrich, Prof. Der DAAD Tomonokai, die treten durch den Direktor ihres Am 17. April 2011 diskutierte Masahisa Deguchi von der japanische DAAD-Alumni-Ver- Bonner Büros Prof. Dr. ­Keiichi eine Gruppe junger Alumni, die Ritsumeikan-Universität, einigung, feierte am 16. April Kodaira, und der JSPS-Club innerhalb der letzten Jahre in Prof. Keiichi Kodaira 2011 mit einem Festakt an der Deutschland, vertreten durch Deutschland waren, mit Ursula (v.l.n.r.). ­Ritsumeikan-Universität in DAAD-Langzeitdozent Prof. Dr. Toyka-Fuong und Außenstellen- Kyoto seinen 25. Geburtstag. Heinrich Menkhaus. leiter Dr. Holger Finken über die Der japanische Alumni-­ Tomonokai-Präsident Prof. Stipendiengestaltung und die Verein des DAAD feierte Ryuichi Higuchi von der Meiji- Die Fachvorträge hielten Prof. Betreuung durch den DAAD. sein 25-jähriges Bestehen Gakuin-Universität in Tokio Dr. Shouou Okuda, Oberpriester mit einem Wissen­schafts- begrüßte rund 170 Gäste. Zu den des berühmten Shitennoji- und Kulturprogramm in Gratulanten zählten der dama- ­­Tempels in Osaka, der ehe­­ma­­lige Kyoto (rechts). lige DAAD-Vizepräsident Prof. Präsident des Bundes­­ver­­fas­­ Max Huber und der ­deutsche sungs­­gerichts Prof. Dr. Hans- Generalkonsul in Osaka-­Kobe Jürgen Papier sowie Dr. Ursula Dr. Alexander Olbrich. Toyka-Fuong, Leiterin des unter

sich als ­Vertreter des DAAD-Beraternetzes in Die Gewinner der vier Kategorien: Yuri Japan am Treffen der deutschen Ortslektoren in ­Yoshikawa, Gakushuin-Universität Tokio, Keiko China an der Fudan-Universität in Shanghai im Shirai, Universität Niigata, eine Gruppe von November 2011. Studierenden der Universität Niigata sowie Takashi Kunimoto aus Kobe. Der am 16. Oktober 2010 im Rahmen des 150. Ju­ biläumsjahres­­ eröffnete Audio- und Videowett­ Perspektiven für 2012 bewerb der Lektorenarbeitsgruppe „Hertz und Pixel“ war ein großer Erfolg. Zum Deutsch­ Vom 11. bis 20. Februar 2012 besuchte DAAD- landfest in Tokio am 23. Oktober 2011 verlieh Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland auf die AG „Hertz und Pixel“ die Preise in den Einladung des japanischen Außenministeriums vier Sparten Audio fiktional und non-fiktional zahlreiche Institutionen und Hochschulen des sowie Video fiktional und non-fiktional. Hinzu Landes und diskutierte neue Möglichkeiten der kamen von dem bekannten japanischen Schau­ akademischen Kooperation. spieler Issey Ogata gestiftete zusätzliche Prei­ se. Die Beiträge aller Preisträger sind neben Im März 2012 fand erstmals ein gemeinsames dem didaktischen Material zur Produktion von Treffen der DAAD-Alumni aus Japan, der Repu­ ­Audios und Videos im DaF-Unterricht unter blik Korea und Taiwan in der koreanischen www.hertzundpixel.net einsehbar. Hauptstadt Seoul statt. Davon erhofft sich der ›

145 das Japanisch-Deutsche Zent- Der damalige DAAD-Vizepräsi- rum Berlin (JDZB) und die Keio- dent Prof. Max Huber hielt die Universität in Tokio. Laudatio. Er überreichte dem langjährigen Vorsitzenden und Dr. Birgit Grundmann, Staatsse- jetzigen Ehrenpräsidenten der kretärin im deutschen Bundes- DAAD-Alumni-Vereinigung ministerium der Justiz, sprach „DAAD Tomonokai“, dem Juris- „Zur politischen Dimension des ten Prof. Akira Ishikawa, die Symposium „Rechts­transfer Rechtstransfer Rechtstransfers – die deutsche Medaille sowie eine Urkunde, in Japan und Deutschland“: Sicht“. Katsuyuki Nishikawa, die sein Engagement für den Prof. Akira ­Ishikawa Symposium an der Keio- Staatssekretär im japanischen akademischen Austausch zwi- (Mitte), Jurist von der Keio- Universität in Tokio Justizministerium, referierte schen Deutschland und Japan Universität sowie lang­ über die japanische Perspektive. würdigte. Prof. Ishikawa feierte jähriger Vorsitzender und Am 3. und 4. November 2011 am 27. November 2011 seinen jetziger Ehrenpräsident kamen etwa 200 Wissenschaft- Weitere Themen waren die 80. Geburtstag. des DAAD Tomonokai, ler zur Tagung „Rechtstransfer Europäisierung und Moder- erhält die Ehrenmedaille in Japan und Deutschland“ auf nisierung des deutschen Den Abschluss des Symposiums des DAAD – es gratulieren dem Mita Campus der Keio- Schuldrechts, deutsche und bildete am 5. November eine Dr. Holger Finken, Eiko Universität in Tokio zusammen. europäische Einflüsse auf das Tagung japanischer und deut- Seki , Kaori Shimada und Sie hörten Vorträge zur gemein- japanische Recht und die Straf- scher Nachwuchsjuristen zu den Prof. Max Huber. samen Rechtsgeschichte und rechtsvergleichung. Während Funktionen des Vertrags im Pri- zum Rechtstransfer in Reform- des Abendempfangs des deut- vatrecht, Strafrecht und Öffent- staaten. Das Symposium organi- schen Botschafters in Japan, lichen Recht. sierten gemeinsam die Deutsch- Dr. Volker Stanzel, wurde zum Japanische Juristenvereinigung zweiten Mal überhaupt und (DJJV), der DAAD, die Alexander zum ersten Mal in Japan die von Humboldt-Stiftung (AvH), DAAD-Ehrenmedaille vergeben.

DAAD, dass sich länderübergreifende Alumni- Junior Researchers (Eurodoc) und das Institute und Fachnetzwerke in Ostasien bilden. of International Education die europäische Doktorandenausbildung in sieben außereuro­ 2012 wird für die Außenstelle zudem stark im päischen Industrieländern. Zeichen der Zusammenarbeit mit den europä­ « ischen Partnerorganisationen stehen: Vom 10. bis 12. Mai 2012 wird die erste European High­ er Education Fair an der Meiji-Universität in Tokio und der Kobe-Universität nachgeholt. Der DAAD arbeitet dabei mit der EU-Delegation in Japan, Campus France und dem British Coun­ cil zusammen. Im Herbst folgt die Japan-Phase des Erasmus-Mundus-Projekts PromoDoc. In diesem Projekt präsentieren Campus France, der DAAD, Nuffic, der British Council, der ­European Council of Doctoral Candidates and

146 ASiEN : toKio

tabelle 21 : Statistischer Überblick Japan 2011

1. Grunddaten 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen Gesamtfläche des Landes 377.915 km2 Studiengebühren (pro Studienjahr) 2009* 1 Bevölkerungszahl 126,5 Mio. an staatlichen Institutionen (Regelsatz seit 2005) 6.869 Frauen 64,9 Mio. an privaten Institutionen (Durchschnitt 2010) 11.003 Männer 61,6 Mio. Ausländische Studierende gesamt 138.075 Bevölkerungsdichte 335 Einw./km2 nach Herkunftsländern 2010: Bevölkerungswachstum -0,28 % 1. China 87.533 2. Republik Korea 17.640 2. wirtschaftsdaten 3. Taiwan 4.571 BiP * 5.458 Mrd. 4. Vietnam 4.033 BiP pro kopf * 42.831 5. Malaysia 2.417 Anteil am globalen BiP 8,7 % Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 2 66.833 knowledge Economy index (kEi) rang 20 davon in Deutschland 2.234 wirtschaftswachstum 4 % inflation -0,7 % Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende (2008) 2 1. USA 29.264 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 2. China 16.733 Staatliche Bildungsausgaben 2012 (geplant)* 1 3. Großbritannien 4.465 Bildungsausgaben 52.710 Mio. 4. Australien 2.974 Forschungsausgaben 16.594 Mio. 5. Deutschland 2.234 Hochschultypen

Universitäten 780 * Angaben in US-Dollar Kurzstudienhochschulen (Tanki Daigaku) 387 Fachhochschulen (Kotosenmon Gakko) 57 1 1 US-Dollar = 78 Yen Anzahl der Hochschulen gesamt 1.224 2 lt. MEXT 2010 staatlich (national) 137 Quellen: staatlich (lokal) 122 CiA: the world factbook: privat 965 3 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/index.html Anzahl Hochschullehrer 176.663 (12.2011) davon ordentliche Professoren 70.983 weltbank: Data & research: www.worldbank.org (12.2011) Eingeschriebene Studierende 3.102.659 3 Ministry of finance, Japan: an staatlichen Institutionen (national) 676.604 3 http://www.mof.go.jp/budget/budger_workflow/budget/fy2012/seifuan24/ an staatlichen Institutionen (lokal) 156.231 yosan001.pdf (28.12.2011) an privaten Institutionen 2.269.824 Portal Site of official Statistics of Japan: Frauenanteil 43,3 % 3 http://www.e-stat.go.jp/SG1/estat/NewList.do?tid=000001011528 (12.2011) Japan Student Services Association (JASSo): international Students Anteil ausländischer Studierender 2010 4,6 % in Japan 2011: Studierende der Naturwissenschaften 32 % 3 www.jasso.go.jp/statistics/intl_student/data11_e.html (20.01.2012) Studierende der Geisteswissenschaften 56 % Ministry of Education, Culture, Sports, Science and technology, Japan (MEXt): Doktoranden 74.655 3 http://www.mext.go.jp/b_menu/houdou/22/12/1300642.htm (12.2011) Abschlüsse im Jahr Associate Degree 77.154 Bachelor’s Degree 552.794 Master’s Degree 74.675 Doctorate 15.893 Professional Degree 8.812

147 Asien : Tokio

Tabelle 22 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Japan

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 218 I. individualförderung – gesamt A 146 1. nach Status D 67 grundständig Studierende A 46 D 107 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 88 D 37 davon Doktoranden A 49 D 44 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 12 2. nach Förderdauer D 36 < 1 Monat A 27 D 61 2–6 Monate A 36 D 121 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 83 3. nach ausgewählten Programmen D 47 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 79 D 28 Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 1 Lektoren A D 2 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 29 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 23 D 27 Praktikanten A 22 D 7 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 9

D 205 II. Projektförderung – gesamt A 216 1. nach Status D 105 grundständig Studierende A 106 D 76 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 88 D 32 davon Doktoranden A 12 D 24 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 22 2. nach Förderdauer D 58 < 1 Monat A 91 D 127 2–6 Monate A 76 D 20 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 49 3. nach ausgewählten Programmen D 82 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 51 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 4 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 85 D Austausch in Projekten (PPP) A

D 423 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 362 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 785

148 London Europa : London

Krawalle, Krise und königliche Hochzeit

In seiner Neujahrsansprache 2011 äußerte ehemaliger Herausgeber zum Kommunikati­ Premierminister­ David Cameron die Erwar­ onschef der neuen Regierung ernannt worden tung, dass in den nächsten zwölf Monaten war. Das Boulevardblatt des Medienkonzerns Groß­britannien „wieder auf die Beine kommen“ von Rupert Murdoch hatte offensichtlich syste­ werde. Stimmungsmäßig lief das Jahr nicht matisch Film- und Fernsehstars, Labourpolitiker schlecht an. Durchaus passend zur nunmehr sowie die Angehörigen von Verbrechens­opfern konservativen Führung des Landes trug dazu und Kriegsgefallenen ab­hören lassen und sich das Traditionsgut der britischen Gesellschaft mit Hilfe von Polizeikontakten weitere illegale bei: Im Februar gewann die einheimische Informationen beschafft. In der Folge wurde Filmproduktion „The King’s Speech“, in der der zu Jahresbeginn entlassene Kommunika­ König George VI. sein Stottern überwindet, vier tionschef verhaftet und Rupert Murdoch vor Oscars, und acht Wochen später beging sein einen Parlamentsausschuss zitiert, der ihn zu Urenkel eine perfekt inszenierte und weltweit seiner Verantwortung befragte. Die zeitgleich Dr. Andreas Hoeschen lei- beachtete Prinzenhochzeit, die dem Volk einen einsetzende öffentliche Diskussion über den tet die Außenstelle London zusätzlichen Feiertag bescherte. Im Mai bestä­ Umgang des Murdoch-Konzerns mit seiner seit September 2008. Die tigte das Referendum über eine Wahlrechts­ Medienmacht betrifft jedoch nicht nur die Ver­ Außenstelle besteht seit reform zum Unterhaus das gültige Mehrheits­ flechtungen der amtierenden Regierung mit dem Jahr 1952 und hat zur- wahlrecht – ganz im Sinne der Konservativen. dem einflussreichen publizistischen Unterstüt­ zeit sechs Mitarbeiterinnen Die Hoffnung der Liberaldemokraten auf ein zer der Konservativen, da Murdoch in der Blair- und Mitarbeiter. Abstimmungsverfahren, das stärker Proportio­ Ära vorübergehend die Seiten gewechselt und nen berücksichtigt, wurde dagegen enttäuscht. „New Labour“ unterstützt hatte. Dadurch verschoben sich in der Regierungs­ koalition die Gewichte zulasten des liberalen Negative Schlagzeilen dominierten die zweite Die Jugendarbeitslosigkeit Partners, der zudem deutliche Einbußen bei Jahreshälfte: Im August brannten vier Nächte erreichte im November den zeitgleich stattfindenden Kommunal- und lang halbe Straßenzüge in London und anderen 2011 den Rekordstand von Regionalwahlen erlitt. englischen Großstädten während der heftigsten 1,16 Millionen: Mehr als Krawalle seit den 1980er Jahren. Die Ursachen 20 Prozent aller 16- bis Auch außenpolitisch konnte sich der neue Pre­ sind bis heute umstritten. Erklärungsversuche­ 24-Jährigen befinden sich mier im ersten Halbjahr profilieren. Gemeinsam reichen von einer durch Smartphones und weder in einem Beschäfti- mit Frankreichs Präsident Sarkozy ergriff er die ­soziale Medien technisch erleichterten sponta­ gungs- noch Ausbildungs- Führungsrolle bei der militärischen Unterstüt­ nen Organisation eines kriminellen Mobs verhältnis. Die allgemeine zung des Aufstands gegen das libysche Gaddafi- bis zu Analysen, die einen fortschreitenden Arbeitslosenquote liegt bei Regime. Weniger erfreulich hingegen entwi­ Verfall sozialer Kohäsion ausmachen, insbe­ 8,3 Prozent, ebenfalls ein ckelte sich für David Cameron der weitreichen­ sondere unter den von sozialem Ausschluss Höchststand. de Skandal um die News of the World, deren bedrohten Jugendlichen. Tatsächlich erreicht

150 die Jugendarbeitslosigkeit in England im der Finanz­ und Schuldenkrise nicht bestätigt. Mehr als eine Million November 2011 den Rekordstand von 1,16 Mil­ Dieser sah vor, die drastischen finanziellen Ein ­ Besucher aus aller welt lionen. Mehr als 20 Prozent aller 16­ bis 24­Jäh­ schnitte im öffentlichen Sektor bereits in diesem reisten für die Prinzen- rigen befinden sich weder in einem Beschäfti­ Jahr durch eine Konjunkturbelebung im privat­ hochzeit nach London. gungs­ noch Ausbildungsverhältnis. Die allge­ wirtschaftlichen Bereich auszugleichen. Ein meine Arbeitslosenquote ist im Vereinigten Anstieg von Konsum und Beschäftigung sollte Königreich ebenfalls deutlich angestiegen. Sie folgen. Dank Einsparungen und Wachstum erreichte im Dezember mit 8,3 Prozent einen sollte nach fünf Jahren der Anteil der Neuver ­ Höchststand seit 1996. Doch auch wer Arbeit schuldung den prozentualen Anstieg der Wirt ­ hat, spürt die Krise. Das Jahr 2011 brachte den schafts leistung nicht mehr übertreffen, das struk ­ meisten Briten zum ersten Mal seit über 20 Jah­ turelle Haushaltsdefizit dadurch beseitigt sein. ren reale Lohnverluste: Den durchschnittlichen Lohnanstieg von 2,3 Prozent kehrte die Inflati­ Trotz dieser volkswirtschaft lichen Rahmen­ onsrate von knapp 5 Prozent ins Minus. daten hat sich die oppositionelle Labourpar­ tei laut Meinungsumfragen bislang nicht als wirtschaftspolitisch kompetente Alternative finanzkrise dauert an › Eine schlechte Nachricht lieferte im Oktober der Bericht des Finanzministers George Osborne Schwerer Stand über die mittelfristigen Haushaltshaltsperspek­ Hohe Forschungsleistung für Deutsch tiven. Er musste einräumen, dass aufgrund des unerwartet geringen Wirtschaftswachstums unterhalb der Ein­Prozent­Marke die Neuver­ schuldung höher als erwartet ausfällt und die Studiengebühren verdreifacht angestrebte Haushaltskonsolidierung innerhalb der laufenden Legislaturperiode nicht zu errei­ Reform der chen ist. Damit hat sich die ursprüngliche Projek­ Hochschulfinanzierung Promovieren tion seines sogenannten Plan A als Ausweg aus im Ausland wird attraktiver

151 Bei den heftigsten Unru- präsentieren können. Sie hatte den Sparkurs Das Vereinigte Königreich wickelt den größten hen seit 30 Jahren wurden der Regierung eher graduell kritisiert und in Teil seines Außenhandels auf dem europäi­ in London und anderen der jetzigen Phase Wachstumsförderung vor schen Binnenmarkt ab. Im Jahr 2008 gingen englischen Großstädten Schuldenbegrenzung gefordert. Der Ansatz der 57 Prozent aller Exporte in EU­Länder und während vier Nächten im Blair­ und Brown­Ära, auf der Basis eines dere­ 55 Prozent aller Importe kamen von dort. Diese August 2.500 Geschäfte gulierten Finanzkapitalismus eine expansive Zahlen haben sich seither nur marginal ver­ geplündert. Sozialpolitik zu gestalten, hat in der Krise seine schoben. Dagegen nahm beispielsweise China Überzeugungskraft verloren, ohne dass bereits als Zielland für britische Güter mit nur 2 Pro­ ein neues Konzept nach „New Labour“ vorläge. zent den gleichen Rang ein wie die Schweiz. Vielmehr scheint der neue Oppositionsführer Auch als Einfuhrland bewegt sich China mit Ed Miliband noch vollauf damit beschäftigt, 8 Prozent aller Importe in einer eher mittleren parteiintern seine Autorität zu festigen. Größenordnung. Aus ökonomischer Sicht steht demnach außer Frage, dass die Beziehung Groß­ In der öffentlichen Wahrnehmung hat seit britanniens zu seinen europäischen Partner­ Herbst 2011 die Eurokrise die binnenwirtschaft­ ländern oberste Priorität besitzt. Die britische liche Entwicklung überstrahlt. Der drohende Volkswirtschaft ist weiterhin dadurch geprägt, Staatsbankrott Griechenlands und die sich ver­ dass das produzierende Gewerbe eine ver­ schlechternde Finanzlage anderer südeuropäi­ gleichsweise untergeordnete Rolle spielt. Ledig­ scher EU­Mitgliedstaaten gaben der britischen lich um die 12 Prozent des britischen Bruttoin­ Regierung Gelegenheit, ihre restriktive Fiskal­ landsprodukts werden durch Warenfertigung politik öffentlichkeitswirksam zu verteidigen. erwirtschaftet, während etwa 75 Prozent auf Dargestellt wird sie nun als alternativloser Halt den Dienstleistungssektor entfallen, hierunter vor dem finanzpolitischen Abgrund, in dem mehr als 10 Prozent in den Banken vor allem viele Beobachter von der Insel den Euro früher der City of London – nach New York dem welt­ oder später unweigerlich verschwinden sehen. weit zweitgrößten Finanzplatz. Doch auch mit Blick auf die eigenen Wachstums­ prognosen wird die Entwicklung auf dem Kon­ Zwar unterschreitet die volkswirtschaftliche tinent aufmerksam zur Kenntnis genommen. Relevanz des Finanzsektors anteilsmäßig die

152 EUroPA : loNdoN

wesentlich beschäftigungsintensivere Industrie, Alleingang Schottlands? dennoch beeinflusst der Finanzsektor direkt die britische Europapolitik: Am 8. Dezember Nicht nur die Zukunft Großbritanniens in stimmte Cameron gegen die von den übrigen Europa erscheint Ende 2001 offener denn 26 EU­Mitgliedsländern unterstützte Vertrags­ je. Der Fortbestand der Union von England, änderung zur Finanzregulierung. Er begründe­ Wales, Schottland und Nordirland selbst steht te das von einem britischen Premierminister plötzlich infrage. Bei den Regionalwahlen zum erstmalig eingesetzte Veto – das faktisch jedoch schottischen Parlament gewann die Scottish einen Selbstausschluss bedeutet – mit dem National Party (SNP), die bisher eine Minder­ vorrangigen nationalen Interesse, den Finanz­ heitsregierung gebildet hatte, erstmals die abso­ standort London zu schützen. lute Mehrheit der Mandate. Ihr selbstbewusster Führer Alex Salmond kündigte bald darauf an, Auch innenpolitische Gründe dürften diese ein Referendum über die von der SNP ange­ Entscheidung mitbestimmt haben, die einer strebte Unabhängigkeit abhalten zu wollen. Umfrage zufolge knapp 60 Prozent der Briten Stattfinden soll es im Jahr 2014 – passend zum gutheißen. Ende Oktober erlebte Cameron eine 700­jährigen Jubiläum der Schlacht von Ban­ Revolte der eigenen Fraktion. Gegen seinen nockburn, bei der ein englisches Heer vom erklärten Willen stimmte eine beachtliche schottischen König Robert Bruce vernichtend Minderheit von 83 konservativen Parlamen­ geschlagen wurde. Das innerhalb der Legisla­ tariern dafür, eine Volksabstimmung über die turperiode spät angesetzte Datum verdankt sich Zukunft Großbritanniens in der EU anzube­ wohl nicht nur historischen Sentimentalitäten. raumen. Vor allem aber hatte sich die konser­ In aktuellen Umfragen unterstützt nur etwa vative Parteiführung selbst vor der Wahl im ein Drittel der Schotten die Forderung nach der Mai 2010 unmissverständlich für ein Referen­ Loslösung Schottlands aus dem Vereinigten dum ausgesprochen, sollte der im Jahr 2008 Königreich. Diese Zahl könnte steigen, je mehr durch die damalige Labourparlamentsmehrheit sich der schottische Landesteil von der konser­ ratifizierte Lissabon­Vertrag nochmals abgeän­ vativen Führung des Gesamtsstaats entfremdet dert werden. Außerdem bekennt sich der Pre­ fühlt. Bei den letzten Unterhauswahlen konnte mierminister zur generellen Parteilinie, länger­ die Partei David Camerons nur einen einzigen fristig Kompetenzen von Brüssel nach London der 59 schottischen Wahlkreise gewinnen, bei zurückzuholen, keinesfalls aber weitere Souve­ den Regionalwahlen erreichte sie einen Stim­ ränitätsrechte abzutreten. Vor diesem Hinter­ menanteil von weniger als 14 Prozent. Die eher grund wurde das Veto zur Vertragsänderung sozialdemokratisch orientierte SNP verknüpft im Land zwar kontrovers und vom liberalen die Vision eines unabhängigen Schottland mit Koalitionspartner mit deutlicher Distanzierung, der Anlehnung an die Gesellschaftsmodelle jedoch ohne Überraschung aufgenommen. Die der skandinavischen Nachbarländer und stellt europakritische Presse stellte Überlegungen an, gesellschaftspolitische Differenzen zu der durch ob vielleicht Großbritannien als EFTA­Staat im London dominierten englischen Haus­ und Binnenmarkt, aber außerhalb der politischen Grundbesitzerdemokratie in den Vordergrund. Union besser gestellt wäre. Pro­europäische Stimmen hingegen befürchteten, dass sich ein Welche Konsequenzen eine Auflösung der 1707 verminderter britischer Einfluss in einem Euro­ geschlossenen Union zwischen England und pa der „zwei Geschwindigkeiten“ auch auf die Schottland hätte, ist völlig offen. Lediglich die eigenen ökonomischen Perspektiven negativ fort gesetzte Regentschaft von Queen Eliza beth II. auswirken würde. über einen dann souveränen schottischen Staat ›

153 gilt als unumstritten. Ob Schottland das Pfund Das ist fast dreimal mehr als die gegenwärtige Sterling behalten dürfte, oder – wie der bri­ Obergrenze zulässt. Sozialverträglichkeit will tische Finanzminister George Osborne droh­ der Staat gewährleisten, indem er Studieren­ te – gezwungen werden könnte, der Eurozone den die Gebühren durch zinsgünstige Volldar­ beizutreten, bleibt fraglich. Unklar ist auch, lehen vorstreckt, die erst ab einem späteren welche Verbindlichkeiten aus der Schuldenmas­ Mindesteinkommen von 21.000 Pfund im Jahr se Großbritanniens Schottland zufielen und wie getilgt werden müssen. Schottische Universitä­ tragfähig die Einnahmen aus dem Nordseeöl als ten erheben hingegen weiterhin keine Studien­ Basis für eine prosperierende schottische Volks­ gebühren für Landeskinder und EU-Bürger, wirtschaft wären. Der fortbestehende Rest des wohl aber für Studierende aus England. Vereinigten Königreichs und das dann weitest­ gehend englische Parlament in Westminster Die Regierung – insbesondere Hochschul­ hätten vermutlich die Aufgabe, sich neu über minister David Willetts – geht davon aus, dass konstitutionelle Grundlagen zu verständigen. der Systemwechsel zu einem weitestgehend Ab 2012/2013 wird die Sicher ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein, gebührenfinanzierten Hochschulsystem mehr staat­liche Grundfinanzie- dass die britische Regierung ein Referendum Effizienz und Rationalität auf allen Seiten mit rung der Lehre zurückge- nicht blockieren wird. Einmischen will sie sich sich bringen wird. Die Studierenden würden fahren – teilweise bis auf gleichwohl in die Terminsetzung und die genaue das Studium künftig vorrangig als renditeträch­ null. Im Gegenzug dürfen Fragestellung. Einsatz für den Erhalt der Union tige Investition in ihre Zukunft betrachten und die eng­lischen Universi­ ist auch von der oppositionellen Labourpartei der für sie richtigen Studienwahl noch mehr täten Studiengebühren zu erwarten, die ohne ihre traditionell starke Aufmerksamkeit schenken. Die Universitäten von bis zu 9.000 Pfund pro schottische Wählerbasis kaum Aussicht hätte, in wären gezwungen, Kundenzufriedenheit als Jahr er­heben. Das ist fast absehbarer Zeit wieder einen Premierminister in obersten Leitwert zu beachten. Sie müssten dreimal mehr als bisher. die Downing Street zu entsenden. angesichts verschärfter Konkurrenz unablässig an der Verbesserung ihrer Produkte ­arbeiten. „Wir wollen die Kräfte des Konsums entfesseln“,­ Große Finanzreform brachte David Willetts seine Position in einem der Hochschulen Beitrag für die Fachzeitschrift Times Higher Education auf den Punkt. Hunderte Professoren 2011 bereiteten sich die englischen Universitäten protestierten darauf gegen die Reform im Mani­ auf die bald in Kraft tretende Reform der Hoch­ fest „In Defence of Public Higher Education“. schulfinanzierung vor. Nach Einschätzung des Die Kritiker halten Willetts entgegen, dass die Oxforder Historikers Howard Hotson ist sie „das englischen Universitäten gerade dank der Ver­ radikalste Experiment, dem jemals ein größeres bindung von öffentlicher Finanzierung und Hochschulsystem in der modernen Welt unter­ autonomer akademischer Steuerung sehr erfolg­ zogen worden ist“. Ab 2012/2013 wird die staat­ reich gewesen seien und auch deshalb eine so liche Grundfinanzierung der Lehre stufenweise hohe internationale Reputation hätten. Dies zurückgefahren. Die geistes- und sozialwissen­ werde aufs Spiel gesetzt, wenn zukünftig allein schaftlichen Disziplinen erhalten nach jetzigem die unsichtbare Hand des Gebühren­marktes Planungsstand keine Mittel mehr, laborkostenin­ darüber entscheiden solle, welche Fächer wo tensive und strategisch hoch bedeutsame Fächer studiert werden können, wie die Zukunft der einen noch nicht genau definierten Restbetrag. Wissenschaften in England aussehen wird. Im Gegenzug dürfen die englischen Universitä­ ten für das grundständige Studium Gebühren Während die akademische Welt noch diskutierte, von bis zu 9.000 Pfund pro Studienjahr erheben. mussten die Hochschulleitungen handeln.­ Wie

154 EUroPA : loNdoN

ProMoViErEN UND forSCHEN iN DEUtSCHLAND

„Research in Germany – Land of Ideas“ – unter diesem Kampagnendach präsentierten sich 15 deutsche Universitäten und Forschungseinrich- tungen sowie DAAD, Alexander von Humboldt-Stiftung und Deutsche Forschungsgemeinschaft am 22. September auf der 5. Naturejobs Career erwartet, beschlossen die meisten englischen Expo in London. Mehr als 1.000 Graduierte aus den Naturwissenschaf- Universitäten, für sämtliche grundständigen ten besuchten diese eigens für sie konzipierte Karrieremesse. Angebote demnächst 9.000 Pfund zu fordern – darunter alle forschungsorientierten Hoch­ Über 50 Nachwuchswuchswissenschaftler britischer Universitäten schulen der Russell Group und der 1994 Group. informierten sich zusätzlich über das strukturierte Doktorandenstudium Nur eine Minderheit – vornehmlich frühere an deutschen Hochschulen. Der Workshop entstand in Zusammen- polytechnische Hochschulen – planen mit etwas arbeit der DAAD-Außenstelle und dem DAAD-Forschungsmarketing mit niedrigeren Gebühren, die sich größtenteils den Graduiertenschulen der Universitäten Freiburg, Mainz und Münster. zwischen 7.500 und 8.500 Pfund bewegen. Auf diese zumeist schon im Frühjahr getroffenen Entscheidungen antwortete Ende Juni das lang Ob die Bilanz von staatlichen und privaten erwartete hochschulpolitische „White Paper Investitionen in das englische Hochschulsys­ Higher Education“ der Regierung. Darin wird tem gemessen am jetzigen Stand positiv oder die Vision einer konsumentenorientierten Nach­ negativ ausfallen wird, ist noch nicht abschätz­ fragesteuerung durch das neue Hochschulfi­ bar und weithin umstritten. In jedem Fall wird nanzierungsmodell größtenteils wiederholt und es unter den Universitäten Gewinner und Ver­ bekräftigt. Zusätzlich ließ David Willetts aber lierer geben und die englische Hochschulland­ die Zulassungsregeln modifizieren, um mehr schaft sich noch stärker differenzieren. Wettbewerb unter den Universitäten anzure­ gen. So dürfen ab 2012/2013 die englischen Universitäten über ihr vorgegebenes Kontin­ Moderater Bewerberrückgang gent an Studierenden hinaus frei um bestimm­ te Gebührenzahler konkurrieren: britische Als die zentrale Zulassungsstelle für alle briti­ Abiturienten mit Bestnoten. Außerdem sollen sche Universitäten (UCAS) zu Jahresende die insgesamt bis zu 20.000 zusätzliche Studien­ vorläufigen Bewerberzahlen für das Studienjahr plätze solchen Universitäten zugutekommen, 2012/2013 veröffentlichte, gab es einen ersten die Studiengebühren unter 7.500 Pfund pro Hinweis darauf, wie sich die höheren Studien­ Jahr verlangen. Langfristig folgenreicher für gebühren auf die Studierwilligkeit auswirken: die Wettbewerbssituation wird vermutlich eine Im Vergleich zu 2010 sank die Zahl der briti­ andere im „White Paper“ angekündigte Absicht schen Bewerber im grundständigen Studium sein: Private und darunter auch profitorien­ um 15 Prozent – mit überpropor tional weniger tierte Bildungsanbieter sollen nach entspre­ Studierwilligen über 25 Jahre. Die Zahl der chender Qualitätsprüfung Universitätsstatus Bewerber aus der EU ging um 13 Prozent zurück, erhalten. Somit profitieren ihre Studierenden während sich aus dem nichteuropäischen Aus­ ebenfalls vom staatlich vorfinanzierten und land fast 12 Prozent mehr Studien interessierte garantierten Darlehenssystem. Kalkül dabei bewarben. Für Letztere ist die bevorstehende ist, den Wettbewerb um das attraktivste Lehr­ Gebührenerhöhung allerdings irrelevant, da angebot bei niedrigsten Preisen zu befördern. sie bereits jetzt weit mehr als Briten und EU­ Diese private Konkurrenz könnte vor allem die Bürger für das Studium bezahlen müssen. Der öffentlich finanzierten Universitäten mit einem Rückgang britischer Bewerber ist vergleichs­ Schwerpunkt in der Lehre und eher geringen weise moderat, berücksichtigt man, dass die Forschungsmitteln betreffen und in Bedrängnis Bewerber zahl für das vorausgegangene Studien­ bringen – voraussichtlich vor allem um Stu­ jahr – letztmalig noch zum alten Gebühren­ dierende der Betriebswirtschaftslehre und der tarif – um gut 10 Prozent höher lag als in den Rechtswissenschaft. Vor jahren. Gemessen an der Gesamtzahl der ›

155 von der Hochschulfinan zierungsbehörde kon­ forschungsstandort tingentierten Studien plätze besteht weiterhin Großbritannien kein Nachfrage mangel. Ob dies aber auch für die einzelnen Institu tionen und Fächergruppen Attraktive Bedingungen für Nachwuchs wissen­ zutrifft, bleibt abzuwarten. schaftler sind aus britischer Sicht eine Heraus­ forderung, die für die Zukunft des Forschungs­ Trotz höherer Kosten ist das Interesse, ein standorts von großer Bedeutung ist. Die vom Studium an englischen Universitäten aufzu­ zuständigen Wirtschaftsministerium in Auftrag nehmen, relativ stabil. Eine Erklärung lautet gegebene Studie „International Comparative Per­ vermutlich, dass es kaum eine Alternative formance of the UK Research Base 2011“ kommt Neben der Sprachbarriere von hochwerti gen Ausbildungsangeboten im zu einem insgesamt sehr positiven Ergebnis: spricht die rekrutierungs- beruflichen Bereich gibt. Ebenso ist das Aus­ Großbritannien ist Weltmeister, was Forschungs­ praxis britischer Unterneh- land keine Option für die Masse der englischen produktivität angeht. An den Universitäten und men gegen ein Studium im Studien interessierten. Neben den Sprach ­ Forschungsinstituten des Landes werden mehr Ausland. Viele interessie- barrieren spricht die enge und eigentüm liche Aufsätze pro Forscher geschrieben und mehr ren sich mehr dafür, an Beziehung zwischen dem differenzierten Zitationen pro Aufsatz generiert als in jeder welcher britischen Uni- britischen Hochschulsystem und dem heimi­ anderen Wissenschaftsnation. Außerdem gelingt versität die Bewerber schen Arbeitsmarkt gegen ein grundständiges dies zu vergleichsweise geringen Kosten. Groß­ studiert haben, als dafür, Studium im Ausland. Unternehmen aus dem britannien wendet nicht nur in absoluten Zah­ um welches fach es sich Finanz­ und Dienstleistungsbereich interes­ len weniger für Forschung und Entwicklung auf handelte. sieren sich auch heute noch mehr dafür, an als seine inter nationalen Haupt konkurrenten welcher britischen Universität die Bewerber USA, Deutschland, China und Japan, sondern studiert haben, als dafür, um welches Fach es auch relativ zum durch Publikationen und Zita­ sich handelte. tionen messbaren Forschungsertrag. Gleichzei­ tig warnt die Studie vor Nachwuchsmangel: For­ Anders könnte sich die Neigung zum Auslands­ scher aus unterschiedlichen Disziplinen berich­ studium unter britischen Nachwuchs wissen­ teten in Interviews im Rahmen der Studie von schaftlern entwickeln, die einen Master abschluss wachsenden Schwierigkeiten, hochqualifizierte oder die Promotion im Blick haben. Die post­ Nachwuchswissenschaftler zu gewinnen. gradualen Studienangebote englischer Uni­ versitäten werden sich nach Voraussagen aller Vor diesem Hintergrund warten die Universi­ Hochschulexperten ebenfalls deutlich verteu­ täten mit großem Interesse auf die Grundlinien ern. Es fällt auch hier die – allerdings immer der Forschungspolitik, die in einem für das Jahr schon wesentlich geringere – staatliche Grund­ 2012 angekündigten „White Paper“ der Regie­ finanzierung weg. Außerdem wird die Finanzie­ rung dargestellt werden sollen. Hoffnungen rung von Promotionsplätzen durch die staatli­ richten sich auf die Förderung des Nachwuch­ chen Forschungsförderorganisationen – sieben ses. Mehr Studierende als bisher sollen inter­ nach Disziplingruppen geordneten Research nationale Erfahrung sammeln, wie Wirtschafts­ Councils – weitgehend auf Groß projekte redu­ minister Vince Cable und sein ihm untergeord­ ziert. Dadurch könnten die Angebote deutscher neter Hochschulminister David Willetts mehr­ Hochschulen im Bereich Master und Promotion fach bekräftigt haben. Universitäts vertreter deutlich an Attraktivität für Briten und mehr und British Council setzen sich dafür ein, dass noch für internationale Studierende im Verei­ die Regierung ihre flankierende finanzielle nigten Königreich gewinnen, die eine Forscher­ Unterstützung für den Erasmus­Austausch auf ­ karriere einschlagen wollen. rechterhält. Bislang kompensiert das staatliche

156 Europa : London

Erasmus-Fee-Waiver-Programm die an der bri­ Hochschulzusammen­­ tischen Heimatuniversität anfallenden Studien­ arbeit und Mobilität sind gebühren für ein Erasmus-Auslandsjahr. Noch die Schlüsselthemen der ist ungeklärt, ob oder mit welcher Einschrän­ deutsch-französisch-­ kung diese Regelung ab 2012/2013 aufrechter­ britischen Konferenz zur halten wird, wenn die dreifachen Gebühren fäl­ Internationalisierung der lig werden. Diese Entscheidung betrifft sowohl Wirtschaftswissenschaften das Mobilitätsverhalten der Studierenden als (London, 23. Juni 2011). auch die Entwicklung der Studienangebote und der französischen Botschaft und der ESCP die Nachfrage. Ein Bachelorstudiengang in den Europe organisierte Konferenz zur britisch- Fremdsprachenphilologien etwa enthält ein deutsch-französischen Hochschulkooperation obligatorisches Auslandsjahr, dauert vier Jahre in den Wirtschaftswissenschaften. Mehr als und würde ohne Studiengebührenkompensati­ 70 britische Universitätsvertreter beteiligten on deutlich teurer sein als die meisten anderen sich an der Diskussion, die den Mehrwert von Abschlüsse. Wenn also auch klar ist, dass mit internationaler Erfahrung für Absolventen dem nächsten Jahr ein struktureller Umbruch der Wirtschaftswissenschaften fokussierte. im englischen Hochschulsystem­ bevorsteht, Auf den Panels, die institutionelle Internatio­ bleibt auf vielen Feldern noch offen, welche nalisierungsstrategien, die Ausgestaltung von Richtung er nehmen wird. erfolgreichen Austauschprogrammen und die Perspektive der Wirtschaft selbst thematisier­ ten, sprachen unter anderem Nina Lemmens Grenzüberschreitende (Abteilung Internationalisierung und Kommu­ Hochschulkooperationen nikation DAAD), Simon Williams (Abteilung EU-Programme beim British Council), Pierre Zu den Kernaufgaben der Außenstelle London Tapie (Conférences des grandes écoles), John gehört es, unter den Nachwuchswissenschaft­ Edwards (Aston University), David Marsh (Ger­ lern britischer Universitäten für Studium und man-British Forum), Andreas Zaby (Hochschule Forschung in Deutschland zu werben und die für Wirtschaft und Recht Berlin), Baldur Veit institutionelle Zusammenarbeit der Hochschu­ und Julia Brüggemann (Hochschule Reutlin­ len beider Länder zu fördern. Beide Aktivitäten gen). Die Generalsekretärin der britischen Rek­ haben angesichts der aktuellen hochschulpoli­ torenkonferenz (Universities UK), Nicola Dan­ tischen Entwicklungen an Bedeutung gewon­ dridge, leitete die Konferenz mit einem klaren nen. Das Londoner Team beteiligte sich unter Plädoyer für bessere Mobilitätsbedingungen anderem an fünf Postgraduiertenmessen sowie britischer Graduierter ein: Gerade Wirtschafts­ der von der Deutschen Botschaft organisierten wissenschaftler müssten auf die internationa­ „Think German Career Fair“ und informiert len Anforderungen in der modernen Wissens­ seit 2011 über die sozialen Medien im Internet. gesellschaft angemessen vorbereitet werden. Außerdem organisierte es hochschulpolitische Informationsveranstaltungen für Mitarbeiter Akademischer Auslandsämter aus Deutschland Deutsch zwischen Schule im Rahmen eines Seminars der Internationalen und Universität DAAD-Akademie (iDA). Die Germanistik in Großbritannien steht wei­ Ein Höhepunkt war die im Juni von der DAAD-­ terhin vor großen Herausforderungen. Wie alle Außenstelle gemeinsam mit der Kultur­ abteilung­ geisteswissenschaftlichen Fächer in England ›

157 wANDErLUSt – DAAD Art EXHiBitioN

Ebenfalls im November bot sich den deutschen Kulturmittlern eine besondere Gelegenheit, im bildungsautonomen Schottland für die deutsche Sprache zu werben. Auf Initiative und eingeleitet vom deutschen Generalkonsul Wolfgang Mössinger berichteten die DAAD­ Außenstelle London, das Goethe­Institut Glas­ gow und die Jugendaustauschorganisation „Wanderlust“ lautete 2011 der Titel der DAAD Art Exhibition im Londoner UK­German Connection im schottischen Parla­ East End. Die Ausstellung ist für die deutschen Jahresstipendiaten im ment über ihre Arbeit. 15 Parlamentarier und Bereich Kunst, Design und Architektur ein Höhepunkt ihres Aufenthalts. Vertreter schottischer Bildungsorganisatio­ Vom 1. bis 6. Oktober präsentierten die Stipendiaten zahlreichen Besu- nen ließen sich informieren und bekräftigten chern ihre Arbeiten und gaben ihnen einen Einblick, wie Kunst aussieht, ihre Unter stützung für die Bestandssicherung die aus Fernweh und der Erfahrung einer neuen Umgebung entsteht. von Deutsch als Fremdsprache im nördlichen Landes teil Großbritanniens.

muss sie sich darauf einstellen, dass die staat­ Zum Jahresabschluss im Dezember versammel­ liche Grundfinanzierung ihrer Lehre komplett ten sich DAAD­Alumni, Auswahlkommissions­ entfallen wird. Im gesamten Vereinigten König­ mitglieder und andere Freunde des DAAD reich schwindet zudem weiterhin der Nach­ in London. Gastredner war der Publizist und wuchs aus dem sekundären Bildungssektor. britische Europaexperte Misha Glenny. Auf Der DAAD unterstützt die Präsenz der deutschen dem Fest wurden die Gewinner der jährlichen Sprache in der britischen Wissenschaftswelt DAAD­Competition gekürt. Gefragt waren durch die Förderung von derzeit mehr als die studentischen Teilnehmer danach, wie sie 40 DAAD­Lektoren an germanistischen Institu­ sich Deutschland im Jahr 2051 vorstellen. Die Mit mehr als 40 Lektoren ten und weiteren Universitätsabteilungen mit Antworten zeigten ein breites Spektrum von an germanistischen insti- Deutschbezug. 2011 beteiligten sich die DAAD­ Zukunftsphantasien. Sie reichten von einer Visi­ tuten und Universitäts- Lektoren mit einer Fülle von öffentlichkeits­ on der Vereinigten Staaten Europas, in denen abteilungen mit Deutsch- wirksamen Maßnahmen an der „Outreach for deutsche Sprache und Kultur einen Aufschwung bezug unterstützt der German“­Initiative der DAAD­Außenstelle. Ziel erleben, über das andere Extrem eines post­ DAAD die deutsche Sprache dieser Kampagne war, den Kontakt zwischen europäischen Deutschlands bis hin zu einer in der britischen wissen- der universitären Germanistik und Schulen zu ökologischen Utopie, in der das Leben sich in schaftswelt. unterstützen und exemplarische Aktionsformen technisch hochentwickelten Solarsiedlungen zu entwickeln, um Schüler für das Deutsch­ abspielt und Berlin zu einer Geisterstadt verfällt. studium zu interessieren. Auf der im November Was sich hier spielerisch im Science­Fiction­ von der Außenstelle zusammen mit dem Goe­ Genre erproben ließ, wird 2012 eine wichtige the­Institut organisierten Abschlusskonferenz Aufgabe der Außenstelle London bleiben: den zogen um die 50 Deutschlehrer, Schulleiter und Dialog mit Studierenden, Nachwuchs wissen­ Professoren sowie DAAD ­Lektoren Bilanz und schaftlern und Forschern über die deutsch­ diskutierten die Möglichkeiten einer nachhalti­ britische und die gemeinsame europäischen gen Vernetzung der Deutschbereiche von Schu­ Zukunft anzuregen und zu fördern. len und Hochschulen. Tagungsort war – ganz « im Sinne des Postulats der Mehrsprachigkeit – die Repräsentanz der Europäischen Kommis­ sion in London.

158 Europa : London

Tabelle 23 : Statistischer Überblick Großbritannien 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 243.610 km2 Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 2009 18.519 Bevölkerungszahl 62,218 Mio. davon in Deutschland 7 % Frauen 51 % Männer 49 % Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 1 Bevölkerungsdichte 257 Einw./km2 1. USA 8.558 Bevölkerungswachstum 0,7 % 2. Frankreich 2.580 3. Irland 2.184 2. Wirtschaftsdaten 4. Australien 1.674 BIP * 2.248 Mrd. 5. Deutschland 1.260 BIP pro Kopf * 38.370 Erasmus Participation 2009 Anteil am globalen BIP 3,57 % Erasmus Inward 16.065 Knowledge Economy Index (KEI) 9,1 / Rang 7 Erasmus Outward 7.429 Wirtschaftswachstum 0,5 % Inflation 4,7 % * Angaben in US-Dollar

3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 1 nach dem „Atlas of Student Mobility 2009“ Staatliche Bildungsetat 2010 in GBP 88,3 Mrd. Quellen: Forschungs-Etat 2010/11 in GBP 4,6 Mrd. 3 http://stats.oecd.org/Index.aspx?DatasetCode=RGRADSTY Hochschultypen 179 3 http://www.iie.org/en/Services/Project-Atlas/United-Kingdom Universitäten 115 3 http://www.hesa.ac.uk/index.php?option=com_content&task=view&id Colleges of Higher Education 64 =1897&Itemid=239 http://www.hesa.ac.uk/content/view/2355/393/ Anzahl der Universitäten 3 3 http://www.ukpublicspending.co.uk/education_budget_2010_2.html staatlich 114 3 http://www.universitiesuk.ac.uk/Publications/Pages/ privat 1 Highereducationinfactsandfigures-Summer2011.aspx Anzahl Hochschullehrer 181.185 3 http://www.bis.gov.uk/assets/biscore/science/docs/a/10-1356-allocation- davon ordentliche Professoren 17.465 of-science-and-research-funding-2011-2015.pdf www.direct.gov.uk Eingeschriebene Studierende 2010/11 2.501.295 3 an staatlichen Institutionen 2.499.960 an privaten Institutionen 1.335 Frauenanteil 56 % Anteil ausländischer Studierender 16,28 % Studierende der Naturwissenschaften 41 % Studierende der Geisteswissenschaften 59 % Abschlüsse 2010 716.935 Other undergraduate degrees 139.750 Bachelor’s Degree 350.860 Master’s Degree 207.570 Doctorate 18.755 Professional Degree k.A. Studiengebühren / Studienjahr in GBP an staatlichen Institutionen 3.290 Ausländische Studierende gesamt 455.600 nach Herkunftsländern: 1. China 13,3 % 2. Indien 8,9 % 3. USA 5,2 % 4. Deutschland 4,3 % 5. Frankreich 4,1 %

159 Europa : London

Tabelle 24 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Großbritannien

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 766 I. individualförderung – gesamt A 241 1. nach Status D 115 grundständig Studierende A 155 D 430 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 68 D 169 davon Doktoranden A 38 D 221 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 18 2. nach Förderdauer D 158 < 1 Monat A 97 D 134 2–6 Monate A 106 D 474 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 38 3. nach ausgewählten Programmen D 348 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 36 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 58 Lektoren A D Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 151 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 84 D 61 Praktikanten A 71 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 18

D 590 II. Projektförderung – gesamt A 265 1. nach Status D 441 grundständig Studierende A 149 D 126 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 46 D 60 davon Doktoranden A 23 D 23 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 70 2. nach Förderdauer D 207 < 1 Monat A 231 D 329 2–6 Monate A 26 D 54 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 8 3. nach ausgewählten Programmen D 446 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 57 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 23 D 31 Austausch in Projekten (PPP) A

D 1.356 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 506 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.862

D 3.053 1. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandsstudium) A D 1.115 2. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandspraktikum) A D 273 3. ERASMUS-Personalmobilität (Dozenten, sonstiges Personal) A 17

160 Moskau EUroPA : MosKau

Widersprüche nehmen zu

Politische und wirtschaftliche Ungelöste Probleme Entwicklung Die Terroranschläge vom 24. Januar 2011 auf Die von Präsident Dimitrij Medwedew wieder­ dem Flughafen Moskau­Domodedovo, die holt angemahnte umfassende Modernisierung Anschläge auf die Skiliftbahn im Elbrus unweit des Landes wird inzwischen auch von gro­ von Sotschi in Kabardino­Balkarien und weitere ßen Teilen der Bevölkerung eingefordert. Die Terrorakte erinnerten an die noch immer nicht Massen demonstrationen gegen die Parlaments­ gelösten Probleme im Nordkaukasus. Die hohe wahlen im Dezember 2011 belegen eindeutig, Arbeitslosigkeit in der Kaukasusregion schafft dass der Gedanke der Modernisierung in grö­ ein Sammelbecken, aus dem die Terroristen­ ßeren Teilen der Bevölkerung ernst genommen führer immer wieder neue Kämpfer rekrutieren wird. Das erstmalig in diesem Ausmaß artiku­ können. Dabei haben sich die Ziele der Terroris­ lierte politische Selbstbewusstsein der Bürger ten verschoben: Ging es Ende der 1990er Jahre Dr. Gregor Berghorn leitet stellt in der jüngeren politischen Vergangenheit um ethnischen Nationalismus und politisch die Außenstelle Moskau des Landes eine neue Dimension dar. motivierte Separationsbestrebungen, kämpfen seit September 2009. Die sie heute für einen von Russland losgelösten Außenstelle besteht seit Kaukasus mit islamistischer Ausrichtung. dem Jahr 1992 und hat zur- zeit zwölf Mitarbeiterinnen Die Forderung, Russland solle die nordkaukasi­ und Mitarbeiter. schen Republiken aufgeben und in die Selbst­ Nationale ständigkeit entlassen, findet in Russland immer Mega-Science-Projekte mehr Zustimmung. Das Problem wird durch die „De­Russifizierung“ des Nordkaukasus mit der Abwanderung der ethnischen Russen aus den muslimisch geprägten Republiken verschärft. Zweistufiges Studiensystem Nur massive wirtschaftliche Investitionen, verbindlich begleitet von der Wiederherstellung des Rechts­ Politisches staates, umfangreichen Bildungsmaßnahmen Selbstbewusstsein und der Wahrung religiöser Traditionen, wären Dramatischer wächst geeignet, ein endgültiges Abgleiten in eine Nachwuchsmangel von Scharia, Clanstrukturen und Traditionen bestimmte Gesellschaft zu verhindern. Daher verfolgen die Verantwortlichen aufmerksam die Entwicklung in den Republiken Tatarstan und Stipendien für Ingenieure Baschkortostan, die sich von dem Extremismus ›

162 Die kul-Scharif-Moschee in kasan (tatarstan) ist die zweitgrößte Moschee russlands. Die Stadt kasan gilt als Zentrum des russischen islam.

163 des Kaukasus deutlich distanzieren und für der russischen Gesellschaft besteht Misstrauen ein friedliches Miteinander der Religionen und gegenüber der Regierung, Angst vor weiterer Kulturen eintreten. materieller Verschlechterung, vor der Zunahme des Wohlstandgefälles oder vor extremistischen Wie sehr auch eine Modernisierung im tech­ Tendenzen. nischen Bereich erforderlich ist, haben die zahlreichen Katastrophen im letzten Jahr auf Eine soziologische Studie der Moskauer Higher alarmierende Weise demonstriert. School of Economics (HSE) hat ergeben, dass das zwischenmenschliche Vertrauen in der rus ­ Besonders deutlich werden die Modernisie­ si schen Gesellschaft drastisch zurückgegangen rungsanforderungen auf einem Gebiet, das in ist und es eine viel zu kleine Bevölkerungs­ der früheren UdSSR herausragende Leistungen schicht gibt, von der Kreativität und Innovations­ zeigte – auch im internationalen Vergleich: fähigkeit erwartet werden kann. Nach Ansicht Um mit modernen Anfor- Luft­ und Raumfahrt. Heute drohen technische russischer Politikwissenschaftler zeichnet derungen Schritt zu halten, Rückschläge die Qualität und Zuverlässigkeit sich die nicht sehr umfangreiche russische müsste russland sehr stark der russischen Luftfahrt­ und Weltraumkom­ Mittelklasse durch Misstrauen gegen den in forschung und technik petenz infrage zu stellen. 2011 häuften sich von Wladimir Putin und Dimitrij Medwedew investieren. Die aktuellen die Unfälle. So gab es bei den als zuverlässig geprägten Staat aus. In Einschätzung der realen fehlleistungen werden geltenden Sojus­Raketen Fehlstarts, der Start Machtverhältnisse habe sie sich aber aus der besonders in der Luft- und des Raumtransporters zur Versorgung der ISS aktiven Politik herausgezogen und sei vielmehr raumfahrt, der früheren misslang ebenso wie die Mission zum Mars­ damit beschäftigt, sich gegen die allmächtige „Parade disziplin“ der mond Phobos im November. Die Weltraum­ und korrupte Bürokratie zu wehren. Viele prüf­ UdSSr, deutlich. behörde ROSKOSMOS leitete eine Ursachen­ ten im Stillen, ob sie nicht emigrieren sollten. forschung ein. Sie nennt ähnliche Erklärungen Die Folge ist, dass die Schicht, die Modernisie­ für die Fehlschläge, wie man sie bereits aus den rung fordert, dünner wird. Apathie und Resig­ Universitäten kennt: Überalterung von Wissen­ nation prägen das allgemeine Verhalten. schaftlern und Technikern, Abwanderung hoch­ qualifizierter Spezialisten in lukrativere Wirt­ Die Enttäuschung verstärkte sich ab Septem­ schaftsbereiche, eine vergleichsweise schlechte ber 2011, nachdem die russische Regierung Entlohnung der Fachkräfte und kaum Zugang die Rochade der Ämter von Medwedew und qualifizierter Nachwuchskräfte. Putin ab März 2012 verkündete. Die Distanz der Bürger zum Staat vergrößerte sich noch­ Die Enttäuschung wächst mals und die Zustimmung zur Partei „Einiges Russland“ ging erheblich zurück. Als dann aber Trotz ständiger Appelle zur Bekämpfung am 4. Dezember diese Partei mit immer noch der Korruption, zur Erneuerung von Gesell­ knapp 50 Prozent als numerische Gewinnerin schaft, Wirtschaft und Technologie herrscht aus den Parlamentswahlen hervorging – gegen­ in Russland weitgehend Enttäuschung über über 2007 hatte sie dennoch fast 15 Prozent das Ausbleiben der angekündigten Reformen. ihrer Stimmen verloren –, kam es zu einer Der Ruf nach Modernisierung wird gehört und unerwarteten Reaktion: Die Überzeugung, das verstanden, aber die täglichen Erfahrungen Wahlergebnis sei manipuliert worden, führ­ der Bürger mit Behörden, Institutionen und te im Dezember zu Massendemonstrationen dem „Staat“ lassen die Widersprüche zwischen in Moskau, St. Petersburg und zahlreichen Anspruch und Wirklichkeit immer wieder deut­ weiteren russischen Städten. Forderungen nach lich hervortreten. Quer durch alle Schichten Neuwahlen wurden laut.

164 Europa : Moskau

Die neue und besondere Qualität des Protestes Modernisierung der Wirtschaft. Neben einer liegt darin, dass die Bürger mehr als nur die stärker diversifizierten Energieversorgung Empörung über den vermeintlichen Wahlbe­ liegt ihr strategisches Ziel vor allem darin, sich trug zum Ausdruck bringen. Die unterschied­ längerfristig­ aus der energetischen und finan­ lichen politischen Gruppierungen üben klare ziellen Dominanz der fossilen Brennstoffe Öl Kritik am bestehenden System: Die Protest­ und Gas zu lösen. Schließlich steht und fällt Die Mittelschicht sendet bewegung hat sich zwar an den Wahlmanipu­ die russische­ Wirtschaft mit den Rohstoff­ deutliche Signale: Sie will lationen entzündet, geht aber auf eine tiefer preisen, vor allem mit dem des Erdöls. Denn als verantwortungsvoller sitzende Enttäuschung zurück. Die Mittel­ das Wachstumspotenzial­­ der großen Konzerne­ Leistungsträger wahrge- schicht sendet deutliche Signale: Sie will nicht ist erschöpft. In der Vergangenheit konnten nommen und respektiert länger paternalistisch behandelt werden, son­ sie ihre Bilanzen durch steigende Preise, nicht werden. dern ihren Platz einnehmen und als verant­ jedoch durch steigende Produktionsraten wortungsvoller Leistungsträger wahrgenom­ glän­­­zen lassen. Die Ausbeutung der fossilen men und respektiert werden. Res­­sourcen hat ihren Zenit erreicht. Und die Erschließung neuer Erdölfelder – wie zum Wirtschaftliche Diversifizierung Beispiel das Stockmann-Feld in der Barents­ – mehr Atomkraft see – wäre nur unter finanzieller und vor allem technologischer Beteiligung aus dem Ausland Bereits im Februar hatte Präsident Medwedew möglich. Druck auf Staatsunternehmen ausgeübt, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das auf Rohstoffen und Konsum aufgebaute In allen russischen Staatsunternehmen sollen Wirtschaftsmodell ist an seine Grenzen gesto­ Innovationsbeauftragte installiert werden. ßen. Daher setzte Premierminister Putin eine Expertengruppe zur Bearbeitung der „Strategie Im Zuge der Wirtschaftsförderung will die rus­ 2020“ ein, an der unter anderem die Rektoren sische Regierung die Privatisierung von circa der Higher School of Economics, Jaroslav Kuz­ 1.000 Staatsunternehmen forcieren. Der Prozess minov, und der Akademie für Volkswirtschaft Russland setzt weiterhin geht aber nur schleppend voran, da Liberalisie­ und Staatsverwaltung Wladimir Mau beteiligt auf Atomkraft: Bis 2030 rung und Stärkung des Wettbewerbs und der sind. An Stelle des gegenwärtigen Wirtschafts­ soll der Anteil der Atom- Zwang zu effizienter und marktgerechter Arbeit modells, das weitestgehend vom Öl- und Gas­ energie auf 25 Prozent weiterhin fehlen. Gleichwohl ist die russische preis abhängig ist, sollen unternehmerische gesteigert werden Regierung an der Gewinnung ausländischer und soziale Komponenten in das neue Modell – mit 26 neu zu bauenden Investoren interessiert und hat hierfür einen einbezogen werden. Insgesamt steht die rus­ Atomanlagen. Fonds in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar aufgelegt. sische Regierung vor gewaltigen Aufgaben: Inflation und Zinsen sollen gesenkt, der Unter­ Im Gegensatz zu Deutschland und trotz der nehmer­geist stimuliert, die Renten-, Gesundheits- Reaktorkatastrophen in Japan im März 2011 hält und Erziehungssysteme reformiert wer­­den. Russland an seinem Atomenergie-Programm Insbesondere das nichtgelöste Renten­problem fest und will bis zum Jahr 2030 den Anteil der hat sich für die weitere Entwicklung der rus­ Atomenergie am Gesamtenergie-Mix von derzeit sischen Wirtschaft als das größte Handicap 16 Prozent auf insgesamt 25 Prozent steigern. herausgestellt. Hierzu sollen 26 neue Atomanlagen­ im eigenen­ › Land gebaut und viele weitere ins Ausland verkauft werden. Die Regierung sieht die För­ derung der Atomindustrie als einen Pfeiler zur

165 Bildungs- und von ­leistungs­starken Studierenden am meisten Wissenschaftspolitik nachgefragten Fachrichtungen gehören Medi­ zin und Gesundheitswesen, Informationstech­ Zum Studienjahr 2010/2011 wurde außer für nologie, Wirtschaft und Management, Natur­ Medizin das zweistufige Studiensystem mit wissenschaften und Physik, während ­Waffen- einem vierjährigen Bachelor (Bakalavr) und und Rüstungstechnologie, Forstwesen und einem zweijährigen Master (Magister) ver­ Landwirtschaft, Meerestechnik und klassische bindlich. Die Einführung des neuen Systems Ingenieurberufe­ von schwächeren Studierwilli­ hat der Diskussion um das Zentralabitur EGE gen gewählt werden. Bildungsminister Andrej neuen Zündstoff geliefert. Kritisiert wird die Fursenko hat angekündigt, bis Mai 2012 über Aussagekraft des EGE, dem man vorwirft, die Schließung ineffizienter Hochschulen und kein belast­bares Wissen widerzuspiegeln. Die Hochschulfilialen zu entscheiden. „guten“ Noten im EGE gelten häufig als wenig aussagekräftig. Zudem wächst das Misstrauen „Wissenschaft muss der Wirtschaft dienen“ an einem korrekt durchgeführten Prüfungs­ verfahren beziehungsweise Aufnahmeverfah­ Um das gesamte Hochschulwesen zu moder­ ren an der Hochschule. nisieren, hat die russische Regierung bereits vor 2011 weitreichende Schritte eingeleitet: Sie Dennoch erweist sich das EGE inzwischen als führte ein neues Zentralabitur und das zweistu­ ein Steuerinstrument, das der Hochschulpolitik fige Studiensystem ein, identifizierte „Führende der Regierung entgegenkommt. Die Mobilität Hochschulen“ und entwickelte Bildungsstan­ der Studierwilligen wächst, der Konkurrenz­ dards der Dritten Generation. Zum Verständnis: druck unter den Hochschulen steigt. Die Nach­ Als Erste Generation bezeichnet man den hoch­ frage der Studierenden führt zu neuer Profi­ zentralistischen Ausbildungsansatz der Sowjet­ lierung der Hochschulen und Fachrichtungen, union, die Zweite Generation waren die maß­ und die staatlich finanzierten Studienplätze vollen Reformen der 1990er Jahre mit Ansätzen werden wieder stärker besetzt: Qualifizier­ zu individuellem Studium, in der Dritten Gene­ te Hochschulen ziehen gute Studierende an, ration sind die zentralen Vorgaben reduziert: während schwächere Hochschulen von weni­ Innerhalb der neu geschaffenen Freiräume ger guten nachgefragt werden. So verzeichnen können die Hochschulen und die Studierenden zum Beispiel die Moskauer Textilhochschule, ihre Inhalte stärker als bisher selbst gestalten. die Staatliche Universität Smolensk oder die ­Baltisch-­Technische Universität für Marine­ Die Modernisierung greift aber weit über admi­ technik in St. Petersburg empfindliche Rück­ nistrative Maßnahmen und inhaltliche Rund­ gänge bei Studienanmeldungen. Das Bildungs­ umerneuerungen hinaus. Bereits bei der For­ ministerium hat diesen Hochschulen empfoh­ mulierung der neuen Bildungsstandards, die len, sich stärker auf eine angewandte Ausbil­ ab 2011 verbindlich geworden sind, ist die Aus­ dung umzuorientieren. bildung an den Hochschulen auf Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet worden. Dies gilt Die Zahl der Schulabsolventen im Jahr 2010 ­insbesondere für die 39 „Führenden Hoch­ hat sich gegenüber 2005 mehr als halbiert. schulen“, die sich zu einer Assoziation zusam­ Die negative demografische Entwicklung mengeschlossen haben. Der stellvertretende in Russland fördert nicht nur die Mobilität, Premierminister Iwanow brachte es auf den sondern auch eine bewusste Auswahl der Punkt: „Die Wissenschaft muss der Wirtschaft Studienfächer und der Hochschule. Zu den dienen.“ Die Kooperation mit der ­Wirtschaft

166 Europa : Moskau

soll zum festen Programm der Hoch­schulen Gesetz zur Anerkennung werden. Wirtschaftsministerin Elvira ausländischer Abschlüsse ­Nabiullina fordert zudem von der Wirtschaft, erheblich mehr in Innovation und Moderni­ Zurzeit liegt dem Parlament ein Gesetzentwurf sierung zu investieren, um den Universitäten zur Anerkennung ausländischer Hochschul­ und Hochschulen als ebenbürtiger Partner abschlüsse vor, was zum einen mit dem Vorha­ gegenüberzutreten. Eine erste Initiative star­ ben korreliert, Studierende und Doktoranden teten fünf Nationale Forschungsuniversitäten zum Studium beziehungsweise zur Forschung aus Moskau, St. Petersburg und Tomsk sowie ins Ausland zu schicken. Zum anderen soll es der Fonds Skolkowo. Sie gründeten auf dem den Hochschulen leichter gemacht werden, IV. Internationalen Innovationsforum im Sep­ ausländische Wissenschaftler nach Russland tember in St. Petersburg die „Assoziation der einzuladen. Unternehmer-­Universitäten“. Ihr gemeinsames Ziel ist es, technische Innovationen schneller Der Entwurf sieht eine „automatische“ Aner­ Das Ansehen des Inge­ in Produkte umzusetzen und wirtschaftlich kennung von Hochschulabschlüssen vor, wenn nieur­berufes ist erheblich zu nutzen. das an dieser Anerkennung interessierte Aus­ gesunken – um den Nach- land dem russischen Bildungsministerium eine wuchs für ein Studium zu Ingenieurausbildung und neue Stipendien Liste seiner führenden Hochschulen übergibt begeistern, gibt es künftig und mit der Regierung der Russischen Föde­ höhere Studienstipendien Bei dem Wunsch nach technischen Innovatio­ ration eine entsprechende Vereinbarung trifft. und zudem 2.000 Stipen­ nen kommt der zeitgemäßen Ausbildung von Die ausländischen Hochschulen müssen sich dien für ein Studium im Ingenieuren eine Schlüsselfunktion zu. Die unter den ersten 250 bis 300 Nennungen in ­Ausland. Qualität und Aktualität der Ingenieurausbil­ der Shanghai- und der QS World University- dung lässt aber zu wünschen übrig. Das Curri­ Rankingliste befinden. Die Anerkennung von culum muss modernisiert, die Grundlagen­ Abschlüssen an Hochschulen, die nicht auf forschung intensiviert werden. Es fehlt eine einer dieser beiden Listen stehen, unterliegen gezielte Weiterbildung nach der ersten beruf­ weiterhin einem Nostrifikationsverfahren. lichen Erfahrung. Das Hauptproblem sind Überalterung und Unterfinanzierung des Im Jahr 2011 bestanden erhebliche Probleme Lehr­körpers sowie das Fehlen von Nachwuchs­ bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, dem kräften. In der Bevölkerung ist das Ansehen Russland 2003 beigetreten ist: So wurden west­ des Ingenieurberufes erheblich gesunken, eine europäische Absolventen dreijähriger Bache­ Imagekampagne zur Verbesserung des Berufs­ lorstudiengänge nicht zu russischen Masterstu­ bildes ist dringend erforderlich. Nach Informati­ diengängen zugelassen, mit der Begründung, onen der „Agentur für Strategische Initiativen“­­ ihnen fehle ein Studienjahr. Der russische (ASI) sollen ab 2012 russische Studierende und Bachelorabschluss dauert vier Jahre, wobei die Doktoranden aus den Bereichen Ingenieurwe­ Hochschulzugangsberechtigung in elf Schul­ sen und Hochtechnologie, Medizin und Life jahren erworben wird. Sciences, IT, Energetik, Luft- und Raumfahrt intensiver gefördert werden, um dem Nach­ Skolkowo – das neue Silicon Valley wuchsmangel zu begegnen. Neben einem höhe­ ren Inlandsstipendium für Studierende dieser Das am Stadtrand von Moskau gelegene Fachrichtungen sollen jährlich bis zu 2.000 Sti­ ­Skolkowo ist von der russischen Regierung zum pendien für einen Auslandsaufenthalt an „füh­ Hauptinnovationszentrum, zum ­Silicon Valley renden Hochschule der Welt“ vergeben werden. der Russischen Föderation, ausersehen­ worden. ›

167 Die Regierung bemüht sich um Ansiedlung Ingenieurwissenschaftliche Forschung und internationaler Hightech­Konzerne. Beispiels­ Innovationen sollen durch eine neue Hoch­ weise plant Siemens ein Forschungs­ und schule, die sich am Vorbild des Massachusetts Schulungszentrum, das vorrangig auf den Institute of Technology (MIT) Boston orien­ Gebieten Energieeffizienz, Materialforschung tiert, gefördert werden. Das SINT (Skolkowskij und Softwareentwicklung arbeiten soll. Instytut Nauki i Technologii) soll 2012 seine Arbeit aufnehmen. Diese Hochschule ist auf Begrüßt wird, dass Konzeption, Wissenschaft die Ausbil dung von Masterstudierenden und und Innovation substantiell und mit gerin­ Doktoranden ausgerichtet und wird vornehm­ gerem bürokratischen Aufwand, als es in lich in den Fachrichtungen IT, Energetik, Russland sonst üblich ist, gefördert werden Medizin / Gesundheitswesen, Raumfahrt und sollen. Dennoch ist Skolkowo in der russischen Nuklear wissenschaften lehren und forschen. Wissenschaftsgemeinschaft umstritten. Die Der Jahres etat von SINT wird mit 6 Mrd. Rubel Skepsis macht sich an der unklaren Struktu­ (rund 150 Mio. Euro) angesetzt. rierung des Projekts, an den zu heterogenen Erwartungen und an der Frage fest, wie die Akademie der wissenschaften dem Zentrum gestellten Aufgaben konkret zu lösen sind. Nach langen und letztlich erfolglosen Be mü­ hungen hat die russische Regierung es auf­ gegeben, die Akademie der Wissenschaften nach dem Vorbild der Science Foundation der USA umzugestalten. Sie wird künftig nicht mehr als die Hauptträgerin der zukunfts­ BELArUS weisenden Innova tion in der russischen Wis­ Die politische Situation in Belarus war 2011 durch die heftigen Auseinan- sens chaftslandschaft betrachtet. Die finanzi­ dersetzungen der Regierung mit der Opposition geprägt. Als Reaktion elle Förderung wird auf andere Institutionen auf die gefälschte Präsidentenwahl im Dezember 2010 und die darauf umverteilt: Diese werden mit der Entwicklung folgenden Repressionen gegen die Opposition sprach die EU Sanktionen neuer Techno logien und der Umsetzung der gegen fast alle Mitglieder der weißrussischen Führung aus. Erstmalig Innovationspolitik Russlands beauftragt. Neben wurden Oppositionelle zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Anschlag dem neuen Zentrum Skolkowo sind dies die in der Minsker Metro vom 11. April, der vermutlich von Einzeltätern neuen nationalen Forschungsinstitute wie das begangen wurde, ließ die Lage eskalieren. Die Opposition trat mit Kurtschatow­ Institut, das Kernforschungs­ ungewöhnlichen Protestmaßnahmen an die Öffentlichkeit. Trotz eines zentrum Dubna oder Universitäten aus dem Gesprächsangebotes an die Opposition durch Präsident Lukaschenko Kreis der 39 Führenden Hochschulen. Diese und der Freilassung von neun Oppositionellen wurde gleichzeitig das Politik der Um lenkung der Geldströme kann Demonstrationsrecht erheblich verschärft, was seitens der EU zu neuen an folgenden neuen Maß nahmen festgemacht Sanktionen führte. werden:

Die wirtschaftliche Lage in Belarus hat sich deutlich verschlechtert. n Die Fonds zur Förderung der Grundlagen­ Belarus erhält zwar weiterhin preiswertes russisches Erdgas, dafür aber forschung (RFFI) beziehungsweise zur übernahm Gazprom den Pipelinebetreiber Beltransgaz. Russland hat F örderung der Geisteswissenschaften (RGNF) damit die alleinige Kontrolle der Erdgaslieferung nach Europa. Der wirt- haben im Jahr 2011 erheblich geringere schaftliche und auch der politische Einfluss Russlands in Belarus nahm Mittel zur Förderung wissenschaftlicher erheblich zu. Projekte erhalten. Beide Fonds stehen der Akademie der Wissenschaften nahe.

168 EUroPA : MosKau

n Anfang 2011 hat die russische Regierung Der DAAD und russland beschlossen, nationale Mega­Science­Projekte zu starten, für die sie bis zu 133 Mrd. Rubel Großes interesse an Deutschland (circa 3,32 Mrd. Euro) auszugeben bereit ist. Die Mega­Science­Projekte sollen in Koope­ Das Interesse russischer Graduierter, Studie­ ration mit ausländischen Partnern, aber auf render und Hochschullehrer an einem Studien ­ russischem Territorium betrieben werden. oder Forschungsaufenthalt in Deutschland In einer Ausschreibung wurden bisher sechs bleibt mit 2.664 Bewerbungen beim DAAD auf Projekte identifiziert, die von einem interna­ einem hohen Niveau. tionalen Gremium, darunter auch drei deut­ schen Experten, begutachtet werden. Auf Die Auswahlen zum „Matching Funds“­Pro gramm russischer Seite sollen drei dieser Projekte „Nikolaj Lobatchewskij“, zum Regierungs stipen­ unter der Leitung des Kurtschatow­Institutes dienprogramm „Ewgenij Sawoiskij“ – beide beziehungsweise von diesem zugeordne­ mit der Republik Tatarstan – fanden in Kasan ten Instituten in Moskau betreut werden. statt. Die Auswahl der Stipendiaten des Regie­ Weitere Standorte sind Nischnij Nowgorod, rungsstipendienprogramm mit der Republik Nowosibirsk und Dubna. Tschetschenien erfolgte in Grosnyj. Im Oktober Als Ministerpräsident Putin die Mega projekte wählte die DAAD­Kommission die Bewerber für im Juli 2011 in Dubna vorstellte, nannte er die ein Stipendium in den Programmen „Michail politischen Gründe für deren Schaffung: Die Lomonossow“ und „Immanuel Kant“ aus. Beide gute finanzielle Ausstattung soll den Brain­ Programme finanzieren der DAAD und das rus­ drain hochqualifizierter und vor allem jünge­ sische Bildungsministerium gemeinsam. rer Wissenschaftler verhindern, die Entwick­ lung des Landes und die Herstellung techno­ Die Zahl der individuellen deutschen DAAD­ logisch anspruchsvoller Produkte stimulieren, Jahresstipendiaten in Russland ist traditionell vor allem aber sollen sie dazu beitragen, den gering, 2011 waren es nur noch vier Stipendia­ Führungsanspruch Russlands im internatio­ ten. Hintergrund ist, dass deutsche Hochschu­ nalen Kontext zu festigen. len alle Kurzstipendien, einschließlich der n Die Forschungsförderung an den Universi­ für Sprachkurse, seit 2011 im Rahmen des täten hat sich mit der zweiten Runde der Promos­Programms direkt vergeben. Im Pro­ so ge nannten Mega­Grants fortgesetzt: gramm „Go East“ konnten 321 Personen, davon Russische Hochschulen können sich um 195 in Sommerschulen und 126 als Semester­ Forschungs mittel bewerben, sofern ein füh­ stipendiaten, gefördert werden. Den größten render Wissen schaftler aus dem Ausland in Teil deutscher Studierender, Doktoranden und das Projekt eingebunden ist. Ein einzelnes Hochschullehrer förderte der DAAD im Rah­ Projekt kann mit bis zu 150 Mio. Rubel (circa men bilateraler Abkommen und Kooperationen 3,75 Mio. Euro) unterstützt werden. Insge­ zwischen deutschen und russischen Partner­ samt stehen in dem Projekt 12 Mrd. Rubel hochschulen. bereit. 2011 reichten 176 Hochschulen Anträ­ ge ein, 39 wurden bewilligt. Die russische Beratung, information und Regierung hofft, mit diesen gezielten Koope­ Hochschulmarketing rationen emigrierte russische Wissenschaftler zurückzugewinnen. Daher sind unter den 39 Zweite Säule der Arbeit von der Außenstelle Wissenschaftlern 19 Russen neben zehn Ame­ ist die Beratung und Information. Dieses Tätig­ rikanern, sechs Franzosen und vier Deutschen. keitsfeld erstreckt sich von differenzierten ›

169 Europa : Moskau

Informationen über Studienmöglichkeiten in Februar und im November an der für Russ­ Deutschland oder Anbahnung von Kontakten land wichtigsten Bildungsmesse Obrasovanie i zu deutschen Hochschulen bis hin zur Beant­ Kar’era (Bildung und Karriere) in Moskau, an wortung eher pragmatischer Fragen, die aufent­ Messen in Kasan, St. Petersburg, Rostov am haltsrechtliche, finanzielle oder auch technische Don, Nowosibirsk und an kleineren Messen in Bereiche betreffen. Die Außenstelle machte Moskau selbst. das Stipendienangebot des DAAD über ihre Homepage, über persönliche Anschreiben an Aufgrund des wachsenden Informations­bedarfs die Hochschulleitungen und durch Veröffent­ im ganzen Land reisen die Mitarbeiter der lichung in der Zeitschrift POISK bekannt. Außenstelle immer häufiger zu unterschied­ lichen Hochschulorten. So unternahm eine Mit­ Die Außenstelle beteiligte sich an zehn ­Messen arbeiterin zusammen mit einem DAAD-­Lektor und Ausstellungen landesweit, darunter im im Mai erneut eine größere Informations­reise

DWIH n Wissenschaftsgespräch mit russische Wissen­schaftler, Spitzenvertretern der deut- die das Seminar­thema „Man Deutsches Wissenschafts- schen und russischen Wissen- and Energy“ inter­disziplinär und Innovationshaus schaft in Moskau. Es nahmen behandelten. Die DFG und der ­M o s k a u teil: DAAD-Generalsekretärin, DAAD waren jeweils mit ihren DFG-Vizepräsident, Präsiden- Vizepräsidenten vertreten. Die Im DWIH Moskau sind neben ten der AvH und HGF, Prorek­ ­ Veranstaltung wurde zusam- dem DAAD die deutschen tor der Universität Moskau, men mit der Union der Jungen Wissenschaftsorganisationen Präsidenten der russischen Wissenschaftler (ROSMU) Deutsche Forschungsgemein- Fonds RFFI und RGNF, stellver- durchgeführt Leuchtturm der Wissen- schaft (DFG), die Alexander von tretender russischer Bildungs- n Unterstützung von Kon­ schaft: Das Deutsche Humboldt-Stiftung (AvH), die minister, Leiter der EU-Dele- fe­renzen in Moskau und Wissenschafts- und Inno- Helmholtz-Gemeinschaft (HGF), gation in Moskau, Deutscher St. Petersburg vationshaus bringt in das Deutsche Historische Ins- Botschafter n Finanzierung von zwei Wissenschaftsgesprächen, titut (DHI) sowie die Auslands- n „Runder Tisch“ für Journa­ ­Fraunhofer-Workshops in Gastvorlesungen, Informa­ handelskammer (AHK) vertreten. listen und Wissenschaftler Samara und Moskau tions­reisen, Workshops Aktivitäten im Jahr 2011: zum Thema „Wissenschaft n Vortrag auf dem Symposium und Konferenzen deutsche und ihre journalistische „Soziologie der Innovation“ und russische Wissen- n Informationsreisen an föde­ Darstellung in Deutschland durch den Leiter des DWIH schaftler zusammen. rale und nationale For- und Russland“ an der Univer- am INION der Akademie der schungsuniversitäten und sität St. Petersburg Wissenschaften in Moskau Institute der Akademie der n „Erste deutsch-russische n Gespräche mit Rektoren Wissenschaften in St. Peters- Wo­che des Jungen Wissen­ führender Hochschulen in burg, Nischnij Nowgorod, schaft­­lers“ in Kasan im Sep- St. Petersburg Jakutsk und Archangelsk tember. Teilnehmer waren n Gastvorlesungen renom­ zwölf deut­­sche und 33 rus- In der Zeitschrift POISK sind mierter deutscher Wissen- sische Nachwuchswissen- vier Beiträge über das Moskauer schaftler an Universitäten in schaftler sowie namhafte DWIH erschienen. Moskau und Woronesh und erfahrene deutsche und

170 an die Hochschulen der Ural-Region und West­ Großes Treffen 2011: sibiriens, zwei weitere Mitarbeiter besuchten Stipendiaten der DAAD- die Veranstaltungen der Deutschen Woche in Programme „Immanuel Rostov am Don und Wladiwostok. Sur-Place- Kant“ und „Michail Kurse und weitere Veranstaltungen bot die ­Lomonossow“ (oben). Außenstelle an Hochschulen im Moskauer Gebiet, in St. Petersburg, Kasan, Kirov, Nischnij Der russische Bildungs­ Nowgorod, Ekaterinburg, Woronesh und minister Andrej Fursenko ­Krasnojarsk an. (l.) und sein tschetscheni- scher Amtskollege Ansor Der Leiter der Außenstelle nahm in Moskau Moskau das Deutsch-Russische Wissenschafts­ Muzaev (2.v.l.) eröffnen die eine Vielzahl von Terminen wahr, darunter jahr. Der DAAD wurde durch Dorothea Rüland Sprachkurse für tschetsche­ Konferenzen, Hochschuljubiläen und Seminare, vertreten. Die Außenstelle beteiligte sich am nische Regierungs­stipen­ und besuchte darüber hinaus Universitäten und Wissenschaftsjahr mit folgenden Maßnahmen: diaten vor Ort in Grosnyj, Forschungsinstitute in ganz Russland, unter Sommer 2011 (links). anderem in Archangelsk, Kasan, St. Petersburg, n Mit der Universität St. Petersburg entwi­ckelte Nischnij Nowgorod, Nowosibirsk, Orenburg, sie das Programm „Dimitrij Mendelejew“ Uljanowsk, Wladikavkas und Jakutsk. Zu Aus­ und mit der Universität Moskau (MGU) das wahlen war er in Grosnyj, Erewan / Armenien Wladimir-Wernadskij-Programm. Das Memo­ und Minsk / Belarus. randum zur Verlängerung des Lomonossow- Programms mit dem Bildungsministerium Deutsch-Russisches Wissenschaftsjahr sowie die beiden Universitätsabkommen unterzeichnete Generalsekretärin Dorothea Im Februar 2011 trafen sich die Bundesminis­­ Rüland am 23. Mai 2011. terin für Bildung und Forschung, ­Annette n Abschlussseminar mit den ehemaligen ­Schavan, und ihr russischer Amtskollege Stipen­diaten der Programme „Immanuel Andrej Fursenko zur Beratung über die Gestal­ Kant“ und „Michail Lomonossow“ 2011 in tung des Deutsch-Russischen Jahrs der Wissen­ Moskau. schaft, Bildung und Innovation in Moskau. n Eine „Erste deutsch-russische Woche des Zur Delegation der Ministerin gehörte DAAD- ­Jungen Wissenschaftlers“ in Kasan im Sep­ Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland, die im tember (siehe Kasten DWIH). Rahmen der Reise Orientierungsgespräche mit n Alumni -Seminar mit den Ehemaligen des dem stellvertretenden Bildungsminister Sergej Programms „Russlandfonds der deutschen Ivanetz und der Hochschulleitung der Nationa­ Wirtschaft“ im Dezember in Moskau. len Forschungsuniversität für Kernforschung, dem MIFI, führte. Anlässlich der Eröffnung des Wissenschafts­ jahres nahm Dorothea Rüland am Wissen­ Am 23. Mai eröffneten Annette Schavan und schaftsgespräch mit Spitzenvertretern der Andrej Fursenko an der Staatlichen Universität deutschen und russischen Wissenschaft teil ›

171 (siehe DWIH­Kasten) und führte ein Gespräch Institut für Deutsch­Russische Literatur­ und mit Rektor Viktor Martynov in der Nationalen Kulturbeziehungen (Fachzentrum Germanistik) Forschungsuniversität für Erdöl und Erdgas. eine intensive und in dieser Form in Russland einmalige Förderung der Germanistik geleistet. Stipendiatentreffen und Dort ist auch das Vladimir­Admoni­Programm Alumni-Aktivitäten angesiedelt, das speziell den wissenschaftlichen Nachwuchs unterstützt. Die Ausstrahlung des Im Januar hatte die DAAD­Außenstelle die deut­ Fachzentrums in die russische Germanistik ist schen Stipendiaten zum jährlichen Erfahrungs­ inzwischen landesweit zu spüren. und Informationsaustausch nach Moskau ein­ « geladen. In Archangelsk, Ekaterinburg, Irkutsk, Der DAAD unterstützt Kasan, Nowosibirsk, Omsk, Rostov / Don, Samara die Pflege der deutschen und St. Petersburg trafen sich die Alumni Sprache – 2011 förderte er gegen Ende des Jahres. 36 Lektoren, vier Sprach- assistenten, sechs germa- Die ehemaligen Stipendiaten der Programme nistische institutspartner- „Immanuel Kant“ und „Michail Lomonossow“ schaften und acht deutsch- trafen sich im April in Moskau. Zu diesem sprachige Studiengänge. Abschlusstreffen hielt der Rektor der Nationa­ len Kernforschungsuniversität MIFI, Michail Strichanov, einen Vortrag über die Rolle der Nationalen Forschungsuniversitäten im russi­ schen Bildungswesen. Im Dezember trafen sich 80 Alumni des Russlandfonds der deutschen Wirtschaft; als Redner und Mitgestalter des Treffens gewann die Außenstelle den FDP­Bun­ destagsabgeordneten Patrick Kurth. Unter dem Thema „Bilanz einer Investition“ schilderten die Alumni ihre Erfahrungen mit Studium und Praktikum in Deutschland, ihren Berufseinstieg und ihre gegenwärtigen beruflichen Situatio­ nen, die zum Teil beeindruckende Karrieren widerspiegeln.

förderung der deutschen Sprache

Der DAAD unterstützt die Pflege der deutschen Sprache und förderte 36 Lektoren, vier Sprach ­ assistenten, sechs germanistische Instituts­ partner schaften und acht deutschsprachige Stu dien gänge, 186 Hochschulsommerkurs­ stipendien und letztmalig auch 53 Semester­ stipendien für Studierende der Germanistik. An der Russischen Staatlichen Geisteswissen­ schaftlichen Universität (RGGU) wird am

172 EUroPA : MosKau

tabelle 25 : Statistischer Überblick russische föderation 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 17.075.200 km2 Abschlüsse 2011 1.467.900 Bevölkerungszahl 141,9 Mio. Bachelor’s Degree 126.600 Frauen 76,3 Mio. Diplom 1.306.900 Männer 65,4 Mio. Master’s Degree 26.300 Bevölkerungsdichte 8,3 Einw./km2 Studiengebühren / Studienjahr * Bevölkerungswachstum -1,8 % an staatlichen Institutionen ab 1.000 an privaten Institutionen ab 2.500 2. wirtschaftsdaten Ausländische Studierende 153.800 BiP * 1.812,303 Mrd. nach Herkunftsregionen BiP pro kopf * 12.440 1. GUS / Baltische Staaten / Georgien 116.700 Anteil am globalen BiP 3,7 % 2. Europa 1.300 knowledge Economy index (kEi) 2009 rang 55 3. Asien 28.100 wirtschaftswachstum 4,2 % 4. Zentral- und Südamerika 900 inflation 6,9 % 5. Nordamerika (USA, Kanada) 100 6. Afrika 6.700 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat)* 10,6 Mrd. Die fünf beliebtesten Zielländer für Studierende 2009 davon Forschung 7,5 Mrd. 1. Deutschland 10.175 davon extra Unterstützung der führenden Hochschulen 1 Mrd. 2. USA 4.827 Hochschultypen 3. Ukraine 4.717 Universitäten ca. 355 4. Frankreich 3.593 Akademien ca. 163 5. Großbritannien 2.953 Institute ca. 135

Anzahl der Hochschulen gesamt 2.613 * Angaben in US-Dollar staatlich 653 privat 462 1 153.800 im Jahr 2010/11 2 Angaben zu staatlichen Hochschulen weitere Filialen 1.498 Anzahl Hochschullehrer 2010/11 356.800 Quellen: an staatlichen Institutionen 324.800 russisches Statistisches Jahrbuch 2011 an privaten Institutionen 32.000 3 www.gks.ru/ Eingeschriebene Studierende 2010/11 7.049.800 3 www.worldbank.org/russia www.edu.ru an staatlichen Institutionen 5.848.700 3 3 www.csrs.ru/statis/sk/sk2010.htm an privaten Institutionen 1.201.100 3 www.mon.gov.ru/ Frauenanteil 57,2 % 3 www.stats.uis.unesco.org/unesco/ Anteil ausländischer Studierender ca. 2 % 1 Doktoranden 154.470 Absolventen der Wirtschaftswissenschaften 386.700 2 Absolventen der Geisteswissenschaften 178.900 2 Absolventen der Pädagogik, Lehrerausbildung 116.300 2 Absolventen der Ingenieurwissenschaften 131.100 2 Absolventen der Naturwissenschaften 22.500 2 Absolventen der Landwirtschaft 35.100 2 Absolventen der Gesundheitswissenschaften 33.300 2 Absolventen der IT 22.300 2 Absolventen der Sozialwissenschaften 16.400 2

173 Europa : Moskau

Tabelle 26 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Russische Föderation

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 369 I. individualförderung – gesamt A 1.263 1. nach Status D 233 grundständig Studierende A 468 D 33 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 628 D 16 davon Doktoranden A 372 D 103 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 167 2. nach Förderdauer D 158 < 1 Monat A 221 D 123 2–6 Monate A 574 D 88 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 468 3. nach ausgewählten Programmen D 12 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 251 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A 366 D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 44 Lektoren A D 12 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 18 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 178 D 43 Praktikanten A 46 D 11 Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 105

D 1.077 II. Projektförderung – gesamt A 2.419 1. nach Status D 548 grundständig Studierende A 1.051 D 163 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 679 D 58 davon Doktoranden A 144 D 366 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 689 2. nach Förderdauer D 764 < 1 Monat A 1.480 D 285 2–6 Monate A 599 D 28 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 340 3. nach ausgewählten Programmen D 211 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 96 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 140 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 278 D Austausch in Projekten (PPP) A

D 1.446 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 3.682 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 5.128

174 Paris Europa : Paris

Frankreich, Europa und „Merkozy“

Das deutsche Modell für die Eurokrise konnte das Staatsdefizit immerhin französische Wirtschaft von 7,1 Prozent im Jahr 2010 auf 5,7 Prozent gesenkt werden. Für 2012 hat die Regierung In seinen Neujahrswünschen für 2012 ließ der sogar 4,6 Prozent im Blick. Das Wachstum französische Präsident keinen Zweifel am Ernst bleibt jedoch schwach: Ende 2011 waren es nur der Lage der Nation: Von der schwersten Krise 0,4 Prozent, für 2012 werden 0,3 Prozent erwar­ seit dem Zweiten Weltkrieg war die Rede und tet. Angesichts der insgesamt beunruhigenden von einem Europa am Rande des Zusammen­ Wirtschaftslage und des ohnehin angeschla­ bruchs. In einem Ton – so war in Le Monde zu genen Images des Präsidenten schienen die lesen –, der an Churchill und de Gaulle zugleich Chancen für seine Wiederwahl verschwindend gemahnte, appellierte Nicolas Sarkozy indirekt, gering: Im März gaben nur 22 Prozent der Fran­ aber dennoch klar an die Franzosen, ihm das zosen an, Nicolas Sarkozy zu schätzen – die Schicksal des Landes durch seine Wiederwahl rechte Populistin Marine Le Pen war beliebter. Dr. Klaudia Knabel leitet erneut anzuvertrauen. Die Rede des Präsiden­ die Außenstelle Paris seit ten, der seine Kandidatur für eine zweite Amts­ Die Sozialisten, den Sommer über von der 2007. Die Außenstelle zeit bis dahin noch nicht offiziell angekündigt Affäre um ihren Favoriten für die Präsident­ besteht seit dem Jahr 1963 hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass er im schaftswahl Dominique Strauss-Kahn in Atem und hat zurzeit sieben Frühjahr 2012 noch einmal kandidieren würde. gehalten, absolvierten im Herbst 2011 den ers­ Mitarbeiterinnen und Seine Chancen sind dabei eng an die Entwick­ ten offenen Vorwahlkampf, an dem sich 1,5 Mil­ Mitarbeiter. lung der französischen Wirtschaft und an das lionen Bürger beteiligten. Im Oktober schickten Vertrauen der Franzosen in sein Krisenmanage­ sie mit einem klaren Votum François Hollande ment geknüpft. ins Rennen, dem ein überragender Sieg über Nicolas Sarkozy zugetraut wurde. Dies wäre 2007 war Nicolas Sarkozy mit dem Verspre­ wohl auch bei einer Präsidentschaftswahl im chen angetreten, Arbeitsplätze zu schaffen Oktober 2011 der Fall gewesen. Den Prognosen und die Kaufkraft zu erhöhen. Die aktuellen zufolge hätte Hollande im zweiten Wahlgang Wirtschaftsdaten geben kaum zu der Hoff­ mit 62 Prozent ein hervorragendes Ergebnis nung Anlass, dass diese Wahlversprechen noch erzielt. Sarkozy errang 2007 nur 53,06 Prozent realisiert werden können. Beim Amtsantritt und auch François Mitterrand konnte seinerzeit des Präsidenten­ lag die Arbeitslosenquote bei nur knapp mehr als die Hälfte der Franzosen 8,5 Prozent, am Jahresende 2011 erreichte sie überzeugen. Aber das Rennen um das höchste fast die Zehn-Prozent-Grenze. Die Kaufkraft Staatsamt ist noch längst nicht entschieden: war lediglich geringfügigen Schwankungen François Hollande hat bisher weder ein kon­ unterworfen, erhöhte sich jedoch nicht spürbar. sistentes Programm vorgelegt noch seine Rolle Dank zweier Sparpläne unter dem Druck der gefunden.

176 Deutsch-französische f r e u n d s c h a f t p a r excellence: Die Presse prägt den Begriff Merkozy für das Duo Merkel und Im Herbst spitzte sich zudem die Euro krise Deutschland und seine Kanzlerin dagegen haben Sarkozy. drama tisch zu und bot dem amtierenden in der Krise, wenn nicht an Ansehen, so doch Präsidenten eine Bühne für seine Paraderol­ zumindest an Sympathie verloren. Politik und le: Nicolas Sarkozy als versierter Akteur auf Medien führten den Franzosen die deutsche dem internationalen Parkett und dynamischer › Macher, der für Frankreich eine führende Rolle in Europa und in der Welt beansprucht. Dies Zu wenige Deutschlehrer hatte er zuletzt anlässlich der Libyen­Krise ein­ drucksvoll bewiesen. Da war der britische Pre­ Französische mier David Cameron als Verbündeter an seiner Hochschul landschaft im Seite; während der Eurokrise trieb Sarkozy internationalen Wettbewerb hingegen die schon legendäre deutsch­französi­ sche Freundschaft auf einen neuen Höhepunkt: Außenstelle in neuem Domizil Der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin waren plötzlich eins – wenn auch nicht immer in der Sache, so doch im Auftritt. Eliteschulen und Universitäten Das neue Duo, von der Presse kurz „Merkozy“ – überkommener Dualismus? genannt, sprach nahezu täglich miteinander und stimmte sich ab, sachliche Differenzen durch ein demonstratives „Wir“ überspielend. Hochschulen zwischen Autonomie und Offenbar hat der Franzose durch diese Strategie Sciences Po – ein Modell staatlicher Lenkung an Glaubwürdigkeit gewonnen. der sozialen Öffnung

177 Bisher rangierten franzö­ Wirtschaftspolitik täglich als nachahmens­ darin, die Attraktivität französischer Univer­ sische Hochschulen im wertes Beispiel vor – dem französischen Wachs­ sitäten zu erhöhen, ihre schwerfällige staat­ Shanghai-Ranking im Mit- tumsmodell einer kreditfinanzierten Konsum­ liche Lenkung abzulösen sowie die universitäre telfeld: Auch 2011 war förderung steht dabei die erfolgreiche deutsche ­Forschung national und international sicht­ keine französische Institu- exportorientierte Produktion der kleinen und barer zu machen. tion auf einem der vorders- mittleren Unternehmen gegenüber. Gerhard ten Plätze zu finden und Schröder rückte dabei, obwohl er dem konser­ Rankings und Strategien nur drei konnten sich über- vativen Nicolas Sarkozy politisch nicht gerade haupt oberhalb der 100 nahesteht, als Begründer des „deutschen Gilt das Shanghai-Ranking auch als eine eher behaupten. ­Wirtschaftswunders“ ins Rampenlicht. Auf der unzulängliche Messlatte für die Leistungs­ Zielgeraden vor der Wahl möchte der Präsi­ fähigkeit von Hochschulen, so wird es doch dent das „französische System einem System immer wieder gern zitiert – auch in Frankreich. anpassen,­ das funktioniert – dem deutschen Bisher machten sich die französischen Hoch­ Modell“. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht. schulen rar auf den jährlichen Listen und ran­ gierten dort eher im Mittelfeld: Auch 2011 war keine französische Institution auf einem der Hochschule und Forschung vordersten Plätze zu finden und nur drei konn­ ten sich überhaupt oberhalb der 100 behaupten: Laurent Wauquiez, seit Juni 2011 als Hoch­ Paris XI belegt Rang 40, Paris VI Rang 41 und schul- und Forschungsminister im Amt, stell­ die École normale supérieure (ENS) Rang 69. te das akademische Jahr 2011/2012 unter das Anders sieht es dagegen bei den Management­ Motto „Konkretisierung des Wandels“. Dabei schulen aus: Hier belegt Frankreich seit Jahren blickt der 36-jährige Senkrechtstarter der Partei die Spitzenplätze im Ranking der Financial UMP (Union pour un mouvement populaire) Times. Die HEC Paris (École des hautes études und jüngstes Regierungsmitglied auf das Pro­ commerciales de Paris) führt zum sechsten Mal gramm seiner Vorgängerin zurück: Von 2007 in Folge die Liste an, vier weitere französische bis 2011 trieb Valérie Pécresse die Umgestaltung Einrichtungen finden sich unter den ersten 20. der Hochschullandschaft mit voller Unterstüt­ Von den insgesamt 75 ­klassifizierten Institutio­ zung des Staatschefs voran. Wauquiez zieht nen sind 18 französisch; nur die Briten­ schnei­ eine positive Bilanz der bisherigen Politik. den mit 21 genannten Hochschulen besser­ ab. Als Beleg führt er die steigende Zahl der Erst­ semester­ sowie die insgesamt wachsende Stu­ Dieser deutliche Unterschied im internatio­ dierendenzahl an, die 2011/2012 bei mehr als nalen Vergleich zwischen der kleinen Gruppe 2,4 Millionen liegt. Weiteres Erfolgsindiz sei die von Handelsschulen und den Hochschulen gelungene Umsetzung der Hochschulreform. insgesamt macht das Spezifikum der fran­ Diese war eines der wichtigsten Projekte des zösischen Hochschullandschaft besonders 2007 gewählten Präsidenten und wurde damals deutlich: Die Dualität von Universitäten und prioritär in Angriff genommen. Die Reformen „grandes écoles“. Diese Eliteschulen decken haben Wirtschaftskrise und Sparbeschlüsse nicht das gesamte Disziplinenspektrum ab und unbeschadet und ohne Mittelkürzung über­ sind eher anwendungs- als wissenschaftlich standen und stehen nach wie vor auf der Dring­ orientiert – viele von ihnen haben kein Pro­ lichkeitsliste der Regierung ganz oben. Doch motionsrecht. Während die Universitäten in was waren die Ziele des Wandels, die 2007 der Vergangenheit chronisch unterfinanziert formuliert wurden und die es nun zu konkre­ waren, hatten die „grandes écoles“ nicht zuletzt tisieren gilt? Die ehrgeizige Aufgabe bestand dank teilweise immenser Studien­gebühren

178 Europa : Paris

keinen Grund zur Klage. Hinzu kommt als Um die ge­wünschte Restrukturierung ­weiter noch wichtigeres Plus das Qualifikations­niveau voran zu treiben, lancierte die Regierung der Schüler: Die Besten eines Jahrgangs ent­ 2008 den sogenannten „plan campus“. Er ging scheiden sich hierzulande­ vorzugsweise für über die ­Schaffung des gesetzlichen Rahmens eine „grande école“ und durchlaufen vor Ein­ für Kooperationen hinaus, indem er finan­ tritt ein hartes ­Auswahlverfahren. Beide Aus­ zielle Anreize bot. Die meisten Projektanträge bildungswege unterscheiden sich sowohl in kamen dann auch folgerichtig aus den Reihen den Zugangs­chancen und Kosten als auch in der PRES. Ziel war die Schaffung von zehn den späteren Karrierechancen­ deutlich. Dieses „campus­ d’excellence“ mit internationaler Aus­ Parallel­angebot wurde in den letzten Jahren strahlung in lokaler Kooperation von Hoch­ zu­nehmend als eine von mehreren Ursachen schulen, Forschungseinrichtungen und Unter­ 40 Universitäten profi­ für die mangelnde Sichtbarkeit französischer nehmen. Die Regierung stellte die Kapital­ tieren von der „opération Hochschulen auf internationaler Ebene einnahmen aus 5 Mrd. Euro für das Programm campus“ – sie soll Koope­ ­identifiziert. zur Verfügung: 40 Universitäten in zehn Regio­ rationen zwischen Hoch­ nen – Aix-Marseille, Bordeaux, Grenoble, Lille, schulen, Forschungs­ Ein weiterer Grund für die notorisch schlech­ Lothringen, Lyon, Montpellier, Großraum Paris, einrichtungen und Unter- ten Noten Frankreichs im internationalen Straßburg und Toulouse – profitieren derzeit nehmen fördern sowie die Vergleich ist die extreme Ausdifferenzierung von der „opération campus“. Diese soll nicht Sanierung und Moderni­ der Hochschul- und Forschungslandschaft: nur die französische Kooperationslandschaft sierung vorantreiben. Viele Städte verfügen nicht über eine, sondern umgestalten, sondern auch dem enormen über mehrere Universitäten, die sich entweder Modernisierungsbedarf an den meisten fran­ fachlich oder politisch voneinander abgrenzen. zösischen Universitäten entgegenkommen. Forschung wird sowohl an den Universitäten als auch an diversen Forschungseinrichtungen Um die Dynamik zu beschleunigen, brachte die betrieben. Eine erfolgversprechende Hochschul­ Regierung 2010 ein weiteres Programm auf den reform musste daher an diesen beiden Punkten Weg. Unter der Devise „Les investissements­ ansetzen: Finanzierung der Universitäten sowie d’avenir“, „Investitionen in die Zukunft“, ­stellte Neustrukturierung der Forschungs- und Hoch­ sie den Hochschulen und Forschungseinrich­ schullandschaft. Konsequenterweise hatte die tungen weitere 21,9 Mrd. Euro in einem Wett­ Regierung Sarkozy diese beiden Aspekte – flan­ bewerbsverfahren in Aussicht. Auf den ersten kiert von der Einführung der Hochschulauto­­ Blick beeindruckt die Summe – auch im Ver­ nomie – in Angriff genommen. gleich mit der deutschen Exzellenzinitiative, die die Franzosen mit großer Aufmerksamkeit Dabei konnte sie auf Maßnahmen aufbauen,­ verfolgten und die hier unverkennbar Pate die bereits von ihrer Vorgängerin ange­ stand. Zu beachten ist jedoch, dass nur 30 Pro­ stoßen wurden. Diese ermöglichte 2006 die zent der Mittel direkt in ausgewählte Projekte Schaffung der so genannten PRES – „pôles fließen, der Rest wird als Festgeld angelegt, von de recherche et d’enseignement supérieur“. dessen Rendite die Wettbewerbssieger profitie­ Dabei handelt es sich um Cluster von Uni­ ren. Hinzu kommt, dass ein Teil der Gelder für versitäten und „­grandes écoles“, welche die bereits laufende Projekte reserviert ist: So wur­ damals 85 Universitäten und 225 „écoles“ den die Mittel für die „opération campus“­ auf­ umfassende Hochschullandschaft konzentrie­ gestockt und ein Budget für die Finanzierung ren und regionale Profile hervorbringen soll­ des sogenannten Plateau de Saclay zur Verfü­ ten. Zählte Frankreich 2007 erst sieben PRES, gung gestellt, eines – so die Planung – euro­ so ist ihre Zahl inzwischen­ auf 21 gestiegen. päischen Silicon Valley im Süden von Paris. ›

179 Den Großteil der Gesamtsumme vergab die verbinden sich so renommierte und unter­ Agence nationale de la recherche (ANR) jedoch schiedliche Institutionen wie das Collège de in einer Reihe von Ausschreibungs verfahren. France, die ENS, das Observatorium von Paris, das Institut Pasteur, die „grande école“ Chimie Exzellenzinitiative auf französisch ParisTech, die Ecole nationale supérieure des arts décoratifs und Paris IX­Dauphine als ein­ Ähnlich wie in Deutschland geht es auch in zige Universität. Unter dem Label „Unistra“ prä­ Frankreich um die Förderung von Exzellenz. sentierte die Straßburger Universität ein grenz­ Die drei wichtigsten Förderlinien „Initatives überschreitendes Kooperationsprojekt: Die drei d’excellence (Idex)“, „Laboratoires d’excellence Straß burger Universitäten hatten sich bereits (Labex)“ und „Equipements d’excellence (Equi­ 2009 zur größten französischen Universität pex)“ tragen dieses Kriterium in ihren Namen. zusammengeschlossen, die nun mit Karlsruhe „Idex“ ist das Kernstück des Programms und und Freiburg – zwei Preisträgern der deutschen will fünf bis zehn interdisziplinäre Exzellenz­ Exzellenzinitiative – eng zusammenarbeiten zentren von Weltrang schaffen. Dafür sind will. Das Auswahlgremium lobte diesen Plan 7,7 Mrd. Euro reserviert, sie machen den und sah in dem Projekt den Nukleus einer Löwenanteil des Gesamtvolumens aus. War bei Europäischen Exzellenzregion. den prämierten deutschen Zukunftskonzepten Die drei Straßburger Uni- nur jeweils eine Hochschule involviert, so liegt Auch die beiden anderen Programmlinien versitäten schlossen sich der französische Akzent auf dem Zusammen­ „Labex“ und „Equipex“ riefen ein großes Echo 2009 zur größten franzö- schluss mehrerer Akteure: Aus der Kooperation bei Hochschulen und Forschungseinrich tungen sischen Universität zusam- pädagogisch und wissenschaftlich herausragen­ hervor. Die erste Runde des Wettbewerbs um men, die nun mit karlsruhe der Hochschul­ und Forschungseinrichtungen die Exzellenz­Laboratorien „Labex“ mit einer und freiburg – zwei Preis- in enger Kooperation mit der Wirtschaft sollen Gesamtsumme von 1 Mrd. Euro ist inzwischen trägern der deutschen regionale Zentren mit internationaler Ausstrah­ abgeschlossen: 100 prämierte Anträge er halten Exzellenzinitiative – eng lung entstehen. eine Finanzierung bis 2020. Das Projektvolu­ zusammenarbeiten will. men beträgt im Schnitt 10 Mio. Euro. Hinter Die kooperation könnte Die internationale Jury unter dem Vorsitz des dem Label „Equipex“ verbirgt sich die Finan­ sich zu einer Europäischen EUA­Präsidenten Jean­Marc Rapp entschied zierung von Forschungsgeräten. In der ersten Exzellenzregion entwickeln. nach der ersten Ausschreibung über insge­ Runde wurden 52 Anträge mit einem Förder­ samt 17 Anträge. Es bewarben sich auch die volumen von insgesamt 340 Mio. Euro bewilligt. im Rahmen des „plan campus“ formierten Für den laufenden zweiten Durchgang wurde Allianzen um eine weitere Förderung. Die drei die Förder summe auf 1 Mrd. Euro erhöht. Sieger sind in Bordeaux, Paris und Straßburg zu finden. In Bordeaux legten sieben Insti­ Minister Wauquiez zeigte sich von den Wett­ tutionen, darunter die vier örtlichen Univer­ bewerbsergebnissen in allen drei Programm­ sitäten (62.000 Studierende, 5.100 Forscher), linien beeindruckt und betonte das finanzielle ein gemeinsames Konzept vor. Die Pariser Engagement Frankreichs für Hochschulwesen Hochschul­ und Forschungslandschaft brachte und Forschung: Die Regierung habe nicht nur insgesamt sechs Konzepte und Cluster auf der die beim Amtsantritt versprochenen 9 Mrd. Basis unterschiedlicher Allianzen hervor. Sieg­ Euro investiert, sondern stelle bis 2012 sogar reich war bisher die Formation „Paris Sciences knapp 9,4 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Effek­ et Lettres“ mit insgesamt 14.000 Studierenden te dieser staatlichen Förderung können noch und 4.000 Forschern, in der sich 16 Einrich­ nicht beurteilt werden. Der Rechnungshof tungen zusammengeschlossen haben: Hier merkt jedoch schon an, dass der Einfluss der

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oben beschriebenen Cluster auf Ausbildung Im November kündigte Hochschulminister und Forschung eher bescheiden sei und hinter Laurent Wauquiez an, acht Hochschulen unter den Erwartungen zurückbleibe. Die Investi­ Haushaltsaufsicht stellen zu wollen und somit tionsprogramme wiesen zwar in die richtige die Autonomie für die betreffenden Institu­ Richtung, der Rechnungshof empfiehlt jedoch tionen auszusetzen – ein herber Rückschlag eine stärkere staatliche Orientierung und Len­ für das Prestigeprojekt des Präsidenten. Die kung der neu entstandenen Verbünde. ursprünglich vertrauliche Liste der betroffenen Institutionen wurde korrigiert, nachdem sie Autonomie oder staatliche Lenkung? an die Öffentlichkeit gelangt war: Inzwischen befinden sich nur noch fünf Hochschulen im Allerdings steht dieser Ruf nach mehr staat­ Visier des Ministers, darunter auch Paris VI, eine licher Steuerung im Widerspruch zu der vom der bestplatzierten französischen Hochschulen Ministerium 2007 ausgerufenen Hochschul­ im Shanghai-Ranking. Die Universitäten ver­ autonomie. Das Hochschulautonomiegesetz handelten in diesem Jahr mit dem Ministerium (LRU) ist inzwischen nahezu flächendeckend über eine Budgetaufstockung zur Deckung der umgesetzt. Es sieht vor, dass alle französischen Personalkosten und erhielten einen Nachschlag Universitäten bis 2012 den Autonomiestatus von 14,5 Mio. Euro für das laufende Jahr – laut erlangen – 90 Prozent haben diesen Schritt bis CPU reicht die Summe jedoch nicht aus. Anfang 2011 bereits vollzogen, bis auf die Uni­ versität von Polynesien werden die restlichen Nicolas Sarkozy hatte in einer seiner Reden planmäßig folgen. Zu Jahresende zeichnet sich an die Nation seinen politischen Veränderungs­ ab, dass der Übergang zu der neuen Form der willen auf die Formel gebracht, dass nichts „gouvernance“ nicht ganz so problemlos vor mehr sein werde, wie es einmal war. Dies für sich geht wie ministeriell gewünscht. Die LRU den Hochschul- und Forschungsbereich als gesteht den Universitäten weitgehende Selbst­ Faktum zu diagnostizieren, wäre sicherlich ständigkeit in Budget- und Personalfragen zu. falsch. Dennoch: Der tertiäre Bildungssektor ist Die Finanzmittel dafür erhalten die Universitä­ tatsächlich in Bewegung geraten und überkom­ ten derzeit noch zu 90 Prozent vom Hochschul­ mene Traditionen werden vorsichtig überdacht ministerium. Drei Viertel des Gesamthaushalts und infrage gestellt. werden in Personalkosten investiert – da diese jedoch zum größten Teil auf staatlich festgeleg­ Besonders sind die Ansätze hervorzuheben, ten Tarifen des öffentlichen Dienstes beruhen, die die strikte Trennung zwischen Univer­ kann man in diesem Punkt kaum von Auto­ sitäten und „grandes écoles“ lockern und dabei nomie sprechen. Schon bei der Einführung gleichzeitig den Zugang zu den Eliteschulen der Hochschulautonomie warnten Beobachter weiter öffnen wollen. Die Debatte um Chan­ davor, dass die Gehaltskosten bei der Zuwei­ cengleichheit ist auch in Frankreich nicht neu, sung des Globalbudgets an die einzelnen Uni­ sie erhielt jedoch Ende 2010 neue Impulse. Die versitäten nicht korrekt kalkuliert worden damalige Hochschulministerin forderte, die seien. Der Präsident der Universitätsrektoren­ Zugangs­prüfungen für die „grandes écoles“ zu konferenz (CPU) bestätigt nun diese Diagnose refor­mieren und Quoten zu vereinbaren: Alle und kritisiert die mangelhafte Abschätzung „grandes écoles“ sollten mindestens 30 Pro­ der ökonomischen Konsequenzen der LRU. zent Stipendiaten aufnehmen. Hauptargu­ Vier Jahre nach ihrer Einführung kämpfen bis ment der Reformgegner war und ist das repu­ zu 40 Universitäten mit ernsthaften Finanz­ blikanische Ideal der Gleichheit, das in dem problemen. Prinzip der Zugangsprüfung in idealer Weise ›

181 ­verwirklicht sei. Tatsächlich privilegiert jedoch Frankreich – ein attraktives Zielland für der „concours“­ mit seinem Fokus auf Sprach­ internationale Studierende fertigkeit und Allgemeinbildung Kandidaten aus bildungsbürgerlichen Haushalten und Frankreich ist ein begehrtes Ziel für auslän­ fördert die Reproduktion der Bildungseliten. dische Studierende, sei es für die europäischen Die „Conférence des grandes écoles“ (CGE) Nachbarn, sei es für Studierende aus dem wehrte sich und erreichte einen Kompromiss: frankophonen Afrika. Ihre Zahl wächst seit Die Quote von 30 Prozent soll zwar bis 2013 den 1990er Jahren beständig und stieg zwi­ erreicht sein, die zehn wichtigsten „grandes schen 1998 und 2005 um 74,8 Prozent. Laut écoles“ bleiben von dieser Regelung jedoch Angaben des Ministeriums für Hochschulen ­ausgenommen. und Forschung sind die Zahlen – nach kleinen Einbußen 2006 und 2007 – weiter nach oben Einzelne „grandes écoles“ Kein durchschlagender Sieg der damaligen geklettert. Sie erreichten 2010 mit 284.700 Stu­ versuchen den Kreis ihrer Ministerin, anderes hat sie jedoch sehr wohl dierenden (Zuwachs gegenüber dem Vorjahr: Studierenden sozial zu durchgesetzt. So wurden in diesem Jahr bedeu­ 2,3 Prozent) ein Rekordhoch. Knapp ein Viertel erweitern. Das bekanntes- tend mehr sogenannte „classes préparatoires“ der ausländischen Studierenden kommt aus te Beispiel ist Sciences Po. (Vorbereitungsklassen für den „concours“) dem Maghreb, weitere 20 Prozent aus ande­ eingerichtet, um die Zugangschancen insgesamt ren afrikanischen Staaten. Europäische Län­ zu erhöhen. Die Vorbereitungsklassen waren der belegen­ mit 24 Prozent den dritten Platz. traditionell an Elitegymnasien angesiedelt, Unter den europäischen Studierenden stellen nun werden sie zunehmend auch an Universi­ die deutschen mit 8.483 die größte Gruppe, die täten eingerichtet, um den Graben zwischen gegenüber 2009/2010 um 1,5 Prozent gewach­ den „grandes écoles“ und den Universitäten sen ist. zu ­verkleinern. Im internationalen Vergleich lieferten sich Unabhängig von dieser Debatte versuchen ein­ Deutschland und Frankreich einige Jahre lang zelne „grandes écoles“ den Kreis ihrer Studie­ ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den dritten Platz renden sozial zu erweitern. Das bekannteste auf der Hitliste der beliebtesten Zielländer für Beispiel ist Sciences Po: Die Hochschule koope­ ausländische Studierende nach den USA und riert schon seit zehn Jahren mit Schulen aus den Großbritannien. Inzwischen sind auch Austra­ sogenannten „zones d’éducation prioritaires“­ lien und China als wichtige Konkurrenten auf Frankreich verzeichnet (ZEP). Hierbei handelt es sich um vom Bildungs­ den Plan getreten. Der „World Mobility Atlas“ einen steten Anstieg der ministerium seit 1981 definierte Regionen, platziert Frankreich 2010 dennoch erneut auf Zahlen ausländischer Stu- deren Schulen aufgrund besonderer schulischer den dritten Platz. Das Land könnte jedoch dierender. Unter den Euro- und sozialer Probleme mit zusätzlichen Mitteln schon bald an Attraktivität für ausländische päern stellen die Deut- ausgestattet sind. Für diese Zielgruppe werden Studierende verlieren – als Ergebnis seiner schen die größte Gruppe. besondere Zugangsprüfungen erarbeitet – laut aktuellen Einwanderungspolitik. Sciences Po mit großem Erfolg: Der Anteil von Schülern aus einkommensschwachen Familien Denn Innenminister Claude Guéant – die Prä­ sei zwischen 1998 und 2011 von 3 auf 12 Prozent sidentschaftswahlen 2012 und die Konkurrenz gestiegen. Die Hochschule verfolgt diesen Weg des Front National im Blick – will den fran­ weiter: Die Zugangsprüfung wird 2012 refor­ zösischen Wählern eine unmissverständliche miert und verzichtet unter anderem auf die Botschaft bringen: Der Zuzug von Ausländern Prüfung der Allgemeinbildung der Kandidaten. wird eingeschränkt. Im Jahr 2010 wanderten Andere Eliteschulen wollen folgen. 200.000 Ausländer legal nach Frankreich ein,

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darunter 66.000 Studierende. Das erklärte Aus der Arbeit der Außenstelle innenpolitische Ziel besteht darin, die Gesamt­ zahl um 20.000 zu reduzieren. Dabei sind die „ALLES“ für Deutsch in den Hochschulen ausländischen Hochschulabsolventen, die nach ihrem Studium in Frankreich bleiben wollen, Hinter dem Akronym „ALLES“ steckt die „Action offensichtlich im Visier. Anders als sein Kollege pour l’allemand dans l’enseignement supérieur“ Wauquiez argumentiert der Innenminister, – eine Initiative, die vor einigen Jahren DAAD­ dass Frankreich angesichts seiner demografi­ Lektoren ins Leben riefen. Nun wurde sie in schen Entwicklung keine ausländischen Talente Zusammenarbeit mit dem Goethe­Institut, dem und Kompetenzen brauche. In diesem Sinne DAAD und anderen Partnern (Deutsch­Fran­ ergriff er zwei Maßnahmen, deren Wirkung zösisches Jugendwerk, Deutsch­Französische sich bereits abzeichnet. Hochschule, französische Deutschlehrer­ und Germanistenverbände) erneut aufgegriffen. Im September erhöhte Frankreich, von der Hintergrund damals und heute waren die Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, den rückläufigen Studierendenzahlen in der Germa­ Betrag, den ausländische Studierende für ihren nistik, allerdings stellt sich heute die Situation Aufenthalt nachweisen müssen, von 430 Euro etwas anders dar. Das klassische Studium der auf 615 Euro monatlich. Im Mai hatte Guéant Germanistik hat dauerhaft an Anziehungskraft außerdem gemeinsam mit Arbeitsminister verloren: Die Zahl der Germanistikstudieren­ Xavier Bertrand eine Verordnung erlassen, die den hat sich zwischen 1998/1999 und 2009/2010 auf Widerspruch auch in der eigenen Partei mehr als halbiert. Auch die Zahl derer, die im stieß. Der Erlass fordert die französischen Rahmen der angewandten Fremdsprachen Präfekturen auf, die Vorrangprüfung bei der Deutsch wählen, ging in diesem Zeitraum um Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen kon­ circa 40 Prozent zurück. sequenter anzuwenden und auf diese Weise die Vergabe von Arbeitsvisa stärker zu kontrollie­ Inzwischen bieten jedoch französische Hoch­ ren. Davon sind zunehmend Hochschulabsol­ schulen eine Vielzahl von Programmen an, venten betroffen, die bereits eine Stelle gefun­ in denen die deutsche Sprache eine wichtige den haben. Universitätsrektorenkonferenz und Rolle spielt. Diese siedeln sich beispielsweise Conférence des grandes écoles sprechen von in Geschichte, Jura oder Journalismus an und insgesamt 34.000 ausländischen Absolventen, haben einen deutschlandspezifischen Fokus. denen die Aufenthaltserlaubnis verweigert Andere kooperieren mit deutschen Hochschu­ wird. Nicht nur die beiden Hochschulverbän­ len im Rahmen von Doppelabschlussabkom­ de, sondern auch Studierendenvertretungen, men oder bieten das Studium der deutschen Gewerkschaften und Großunternehmen protes­ Sprache als Element etwa von ingenieur­ oder tieren gegen diese Politik, die die Attraktivität wirtschaftswissenschaftlichen Programmen französischer Hochschulen beeinträchtigen an, um die Berufschancen der Absolventen zu könne, so der Hochschul­ und Forschungsminis­ erhöhen. Deutsch steht daher besser da, als es ter. Inzwischen ist eine abgeschwächte Version die Germanistikstatistik vermuten lässt. der Verordnung in Vorbereitung. Dennoch gibt es aktuell zwei Probleme: Zum einen zeichnet sich in Frankreich ein Mangel an Deutschlehrern ab, weil es immer weniger Germanistikstudierende gibt. Zum anderen sind Abiturienten teilweise noch immer davon ›

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überzeugt, dass sie sich entweder für ein anderer­seits die vom DAAD mitgetragenen ­Germanistikstudium oder ganz gegen Deutsch Zentren in derselben Region, die sich mit entscheiden müssen. Hier setzt die ALLES- Deutschland- und Europastudien befassen. Die Kampagne an: Sie schickt momentan noch Tagung bot nicht nur Gelegenheit, die Arbeit an ausgewählten Universitätsstandorten und beider Institutionen im Lichte der aktuellen schon bald frankreichweit französische Studie­ Diskussion um Area Studies und systematische rende in Klassen, die sich auf die spätere Stu­ Disziplinen zu diskutieren, sondern auch die dien- und Berufswahl vorbereiten. Die rund praktischen Kooperationsmöglichkeiten in den 50 für diese Aufgabe geschulten „Botschafter“, einzelnen Ländern auszuloten. Im Anschluss die vorzugsweise im Tandem auftreten, berich­ an die Konferenz feierten der DAAD und das ten von ihren eigenen Erfahrungen mit dem DHI ihre neue „Wohngemeinschaft“ mit rund Deutschstudium und informieren über die 150 Gästen – Freunden und Partnern, Vertre­ vielfältigen Studienmöglichkeiten. Ein wichti­ tern französischer Hochschulen und deutscher ges Instrument ist dabei eine Datenbank, die Mittlerorganisationen, der deutschen Botschaft zu diesem Zweck alle in Frankreich angebo­ sowie Alumni, Lektoren und Stipendiaten. tenen Studienprogramme mit einer Deutsch­ komponente auflistet. Rund 50 Schulbesuche CIERA – seit zehn Jahren präsent konnten bereits realisiert werden, sie erreichten in Frankreich 1.500 Schüler. Das Centre interdisciplinaire d’études et de Außenstelle des DAAD recherches sur l’Allemagne (CIERA) ist eines der im Herzen von Paris 15 DAAD-Zentren für Deutschland- und Euro­ pastudien. Es funktioniert als Netzwerk von Das Büro des DAAD zog im Sommer um und derzeit zehn französischen Hochschulen und hat dabei nicht nur neue Räume, sondern auch Forschungseinrichtungen an den Standorten neue Partner gewonnen. Das Deutsche Histo­ Paris, Lyon und Grenoble mit einer Geschäfts­ rische Institut (DHI) machte es möglich, dass stelle in Paris. Sein Ziel ist die Vernetzung der DAAD nun zentral und sichtbar im Marais- der Deutschlandaktivitäten der Mitglieder in Viertel untergebracht ist. Beide Seiten erhoffen Lehre und Forschung, um in interdisziplinären sich von der neuen Nachbarschaft Synergien Aufbaustudiengängen künftige Deutschland­ und gemeinsame Projekte. Ein erstes Signal spezialisten auszubilden. Der Verbund, dem dafür war bereits die im letzten Jahr zum ers­ einige der renommiertesten französischen und ten Mal erfolgte gemeinsame Ausschreibung europäischen Institutionen im Bereich der von Sprachkursstipendien für Historiker in Geistes- und Sozialwissenschaften angehören, Deutschland. Ein weiteres Zeichen setzte eine feierte 2011 seinen zehnten Geburtstag. Konferenz im November, die die Außenstelle gemeinsam mit dem DHI und dem CIERA, dem Das Zentrum vergibt Stipendien für Forschungs­ vom DAAD geförderten Zentrum für Deutsch­ aufenthalte in Deutschland, unterstützt For­ landstudien in Frankreich, organisierte. Thema schungsprojekte mit einem Deutschlandfokus war die „Internationalisierung der Geistes- und wendet sich mit zahlreichen Vorträgen und Sozialwissenschaften“. Die Veranstaltung und Veranstaltungen auch an eine außeruni­ brachte zwei Netzwerke von Forschungs­ versitäre Öffentlichkeit. Die intensive Betreu­ einrichtungen miteinander ins Gespräch. Ein­ ung von Masterstudierenden und Doktoranden geladen waren einerseits die Deutschen Histori­ hat sich insbesondere in den letzten Jahren schen Institute in Europa und Nordamerika, zu einem wichtigen und sehr nachgefragten ›

184 Neues Domizil: Die DAAD- Außenstelle ist gemeinsam mit dem Deutschen Histori- schen Institut im Marais- Viertel beheimatet (oben).

Beide Seiten wollen die Synergien nutzen und feierten die neue Nachbar- schaft (Mitte links).

Jubliäumsfeier: Seit zehn Jahren ist das CIERA in Paris präsent (Mitte rechts).

Einführungsseminar: DAAD-Lektoren treffen sich in Paris (links).

Abendstimmung: Alumni der Universität Paris III machen Pause (rechts).

185 Teamarbeit: Außenstellen- ­Schwerpunkt entwickelt. So bietet das CIERA leiterin Klaudia Knabel ein spezielles Betreuungs- und Seminar­ mit fünf Mitarbeiterinnen programm für diese Gruppe. Ziel ist es, die und einem Mitarbeiter der Nachwuchswissenschaftler bereits frühzei­ Pariser Außenstelle. tig in die interdisziplinäre Forschung über Deutschland einzubinden, in die entsprechende „scientific­ community“ einzuführen und sie bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit sowohl fachlich als auch didaktisch-methodisch zu unterstützen. Rund 600 Nachwuchswissen­ schaftler nutzen dieses innovative Betreuungs­ modell. Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkei­ ten, zu denen der deutsche Botschafter in seine Residenz geladen hatte, standen der wissen­ schaftliche Nachwuchs und die Alumni konse­ quenterweise im Mittelpunkt. Die ­Ehemaligen berichteten von ihren Erfahrungen mit einer deutsch-französischen Karriere im akademi­ schen und außeruniversitären Kontext. «

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Tabelle 27 : Statistischer Überblick Frankreich 2011 1

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (Forsetzung) Gesamtfläche des Landes 632.833 km2 Studiengebühren / Studienjahr * Bevölkerungszahl 65,220 Mio. an staatlichen Institutionen 177 – 1.218 Bevölkerungsdichte 103 Einw./km2 an privaten Institutionen bis zu 44.750 Bevölkerungswachstum 0,35 % Ausländische Studierende gesamt 218.364 nach Herkunftsländern 2010/11 (Universitäten) 2. Wirtschaftsdaten 2010 1. Marokko 21.590 BIP * 2.560 Mrd. 2. China 20.752 BIP pro Kopf * 39.460 3. Algerien 20.615 Anteil am globalen BIP 4,06 % 4. Tunesien 10.856 Knowledge Economy Index (KEI) 2009 8,40 / Rang 22 5. Senegal 8.316 Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 51.288 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen davon in Deutschland 5.711 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2010 * 171,6 Mrd. Hochschultypen 2010/11 Die beliebtesten Zielländer für Studierende 2 Universitäten 79 1. USA 20 % Institut Univers. de Technologie IUT 114 2. Großbritannien 12 % Section de Techniciens Supérieurs STS 2.258 3. Frankreich 8 % Grands établissements 11 4. China 7 % Vorbereitungsklassen für Grandes Ecoles 442 5. Australien 7 % Ingenieurhochschulen 238 6. Deutschland 7 % Handelshochschulen 213 andere 1.087 * Angaben in US-Dollar Anzahl der Hochschulen gesamt 2010/11 4.442 einschließlich Überseedepartements (DOM) staatlich 2.288 1 2 nach dem „Atlas of Student Mobility 2010“ privat 2.154

Anzahl Hochschullehrer 2010/11 95.278 Quellen: davon ordentliche Professoren 21.084 Ministère de l’éducation nationale: Repères et références statistiques sur les Eingeschriebene Studierende 2010/11 2.318.700 enseignements, la formation et la recherche [RERS 2011] an staatlichen Institutionen 1.910.020 3 http://www.insee.fr http://www.studieren-in-frankreich.de/Studiengebuhren.html an privaten Institutionen 408.680 3 3 www.worldbank.org an Universitäten 1.437.104 3 http://www.statistiques-mondiales.com/france.htm an anderen Hochschuleinrichtungen 881.596 3 http://www.iie.org/en/research-and-publications/~/media /Files/Servises/ Frauenanteil (nur Universitäten) 57,2 % ProjectAtlas/Project-Atlas-Trends-and-Global-Data-2011.ashx Anteil ausländischer Studierender (insgesamt) 12,3 % 3 http://www.uis.unesco.org/Library/Documents/global_education_ digest_2011_en.pdf Anteil ausländischer Studierender (nur Universitäten) 15,2 % Studierende der Naturwissenschaften 257.758 (17,94 %) Studierende der Geisteswissenschaften 635.753 (44,24 %) Studierende anderer Fächer und nicht zuordenbar 543.593 (37,82 %) Doktoranden 64.279 Abschlüsse 2009 Bachelor’s Degree / Licence / LicenceMLD / LicProf 162.112 Master’s Degree 83.435 Doktorate 10.949 Medizinische Fächer 23.985

187 Europa : Paris

Tabelle 28 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Frankreich

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 366 I. individualförderung – gesamt A 195 1. nach Status D 100 grundständig Studierende A 80 D 150 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 107 D 49 davon Doktoranden A 14 D 116 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 8 2. nach Förderdauer D 57 < 1 Monat A 24 D 114 2–6 Monate A 94 D 195 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 77 3. nach ausgewählten Programmen D 88 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 66 D 3 Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 58 Lektoren A D Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 57 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 26 D 79 Praktikanten A 13 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 4

D 414 II. Projektförderung – gesamt A 450 1. nach Status D 144 grundständig Studierende A 121 D 128 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 197 D 97 davon Doktoranden A 137 D 142 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 132 2. nach Förderdauer D 326 < 1 Monat A 193 D 44 2–6 Monate A 103 D 44 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 154 3. nach ausgewählten Programmen D 162 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 8 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 57 D 209 Austausch in Projekten (PPP) A 12

D 780 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 645 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 1.425

D 4.555 1. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandsstudium) A D 673 2. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandspraktikum) A D 308 3. ERASMUS-Personalmobilität (Dozenten, sonstiges Personal) A 4

188 Warschau EUroPA : warschau

Leistungsstark in Europa

Das zentrale innenpolitische Ereignis in Polen ebenfalls 8 Prozent (27 Sitze). Die deutsche im Jahr 2011 waren die Parlamentswahlen Minder heit, die von der Fünf­Prozent­Hürde am 9. Oktober. Aus diesen Wahlen ging die ausgenommen ist, kam mit einem Mandat in Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform) den Sejm. Im Senat errang die PO sogar die mit 39 Prozent der Stimmen (207 Sitze) als absolute Mehrheit der Sitze (63), gefolgt von stärkste Partei hervor, gefolgt von Prawo i PiS (31), PSL (2) und vier unabhängigen Kandi­ Sprawiedliwość (PiS, Recht und Gerechtig­ daten. Die bisherige Koalition aus PO und PSL keit) mit rund 30 Prozent (157 Sitze), der erst­ bildet demnach auch die neue Regierung. Der mals angetretenen Ruch Palikota (RP, Bewe­ Sieg der PO ist als historisch zu bezeichnen: gung Palikot) mit 10 Prozent (40 Sitze), dem Zum ersten Mal seit 1989 wurde eine Regie­ Koalitions partner Polskie Stronnictwo Ludowe rung wiedergewählt. Das Wahlergebnis zeigt, (PSL, Bauernpartei) mit 8 Prozent (28 Sitze) dass die polnischen Bürger bei dieser Wahl und der (Sojusz Lewicy Demokratycznej keinen Wechsel wollten, sondern Kontinuität Dr. randolf oberschmidt (SLD, Union der Demokratischen Linken) mit anstreben. leitet die Außenstelle warschau seit 2007. Diese Wirtschaftlich hat Polen das Jahr 2011 relativ besteht seit dem Jahr gut bewältigt, denn das Bruttoinlandsprodukt 1997 und hat zurzeit sechs stieg um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mitarbeiterinnen und Die polnischen Exporte stiegen um 19 Prozent Mitarbeiter. Autonomie für Hochschulen (Stand: November 2011), die Importe legten um gut 18 Prozent zu. Polen profitierte dabei sehr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung in Gute deutsch-polnische Deutschland, seinem wichtigsten Handelspartner. Beziehungen Dennoch ist die Arbeitslosigkeit mit über 12 Pro ­ zent noch immer relativ hoch (November 2011).

Abschaffung von Außenpolitisch stand die sechsmonatige EU­ Prüfungsgebühren Ratspräsidentschaft (Juli bis Dezember 2011) im Zentrum. Diese Zeit nutzte Polen, um sich als leistungsstarkes, Europa mitgestaltendes Evaluation obligatorisch Land darzustellen und seine Position innerhalb der EU zu stärken. Ein besonderes Augenmerk legte Polen dabei auf die sogenannte Östliche 2011/2012 NRW-Polen-Jahr Partnerschaft der EU. Diese soll dazu dienen, intensiviert Zusammenarbeit die Ukraine, Weißrussland, Moldau sowie die

190 kunst in warschau: instal- lation des britischen künst- lers ryan Gander vor dem südkaukasischen Republiken Armenien, Aser­ Arbeit und skizziert die Schwerpunkte der kulturpalast. baidschan und Georgien enger an die EU anzu­ künftigen Zusammenarbeit. Deutschland und binden. Ende September fand in Warschau Polen wollen die Jugendbegegnungen sowie der zweite Gipfel zur Östlichen Partnerschaft den akademischen und wissenschaftlichen Aus­ statt. Die polnische Regierung erhoffte sich tausch weiterentwickeln und dabei insbeson­ einen Durchbruch bei den Beziehungen zu den dere die grenzüberschreitende und regionale öst lichen Nachbarn. Das Gipfeltreffen endete Zusammenarbeit vertiefen. allerdings wegen der derzeit angespannten Beziehungen der EU zu Belarus und der Ukra­ Neue Anstrengungen sollen unter nommen ine ohne konkrete Ergebnisse. werden, um die kulturelle Identität der pol ­ nisch stämmigen deutschen Bürger sowie der Die deutsch­polnischen Beziehungen waren deutschen Minderheit in Polen zu be wahren. Die Zeit der EU-ratspräsi- auch im Jahr 2011 von einer intensiven und ver­ Außenpolitisch soll die deutsch­ französisch­ dentschaft nutzte Polen, trauensvollen Zusammenarbeit geprägt. Anläss­ polnische Zusammenarbeit im Rahmen des um sich als leistungsstar- lich der 11. deutsch­polnischen Regierungskon­ „Weimarer Dreiecks“ wieder belebt werden. kes, Europa mitgestalten- sultationen in Warschau gaben beide Regie­ Außerdem wollen sich Deutschland und Polen des Land darzustellen und rungen am 21. Juni eine gemeinsame Erklärung in EU­Fragen eng abstimmen. Dass Polen seine Position innerhalb zum 20. Jahrestag der Unterzeichnung des hier eine Anlehnung an Deutschland sucht, der EU zu stärken. Vertrags über gute Nachbarschaft und freund­ machte Außenminister Radosław Sikorski in schaftliche Zusammenarbeit ab. Die Stellung­ seiner viel beachteten Berliner Rede deutlich. nahme würdigt die Ergebnisse der bisherigen Er ermun terte Deutschland zu einem noch ›

191 größeren Engagement zur Überwindung der Um die soziale Absicherung der Studierenden Euro krise. Aber nicht nur auf der Ebene der zu verbessern, erhalten Studierende aus sozial politisch Verantwortlichen sind die Bezie­ schwachen Familien leichter als bisher Studien ­ hungen gut: Wie eine im Juni 2011 vorgelegte darlehen. Auch werden mehr Stipen dien für Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach sozial Bedürftige zur Verfügung gestellt (60 Pro­ belegt, betrachten Deutsche und Polen 20 Jahre zent statt vorher 50 Prozent aller Stipendien; nach der Unterzeichnung des deutsch­polni­ 40 Prozent werden als wissenschaftliche Stipen­ schen Nachbarschaftsvertrags nicht nur ihr dien für hervorragende Studienleistungen ver­ Verhältnis als „normal“, sondern das jeweilige geben). Abgeschafft werden die Gebühren für Nachbarland wird als immer wichtiger werden­ Prüfungen, Nachprüfungen und die Bewertung der Partner angesehen. von Diplomarbeiten. Die Hochschulen schlie­ ßen mit jedem Studierenden einen zivilrecht­ lichen Vertrag, in dem die Rechte und Pflich­ Bildungs- und ten beider Seiten klar benannt werden. Zur forschungs landschaft Förderung der innerpolnischen Studierenden­ mobilität werden elektronische Studien bücher reform des Hochschulwesens eingeführt. wissenschaftliche karrie- Am 1. Oktober 2011 trat ein umfassendes Um die Qualität der Lehre zu verbessern, wird ren sollen schneller wer- Reformpaket zum Hochschulwesen in Kraft. die Bewertung der Lehrkräfte durch die Studie­ den: Mit dem „Diamanten- Zu den Zielen dieser Initiative zählen vor allem renden obligatorisch. Diese Bewertung fließt stipendium“ können die die Verbesserung der Qualität von Lehre und ein in eine Evaluierung, die alle zwei Jahre 100 besten polnischen Forschung, neue Rahmenbedingungen für das erfolgen muss. Erhält ein Dozent zum zweiten Studierenden direkt nach Hochschulmanagement, die Beschleunigung Mal hintereinander eine negative Bewertung, dem Bachelorabschluss des wissenschaftlichen Fortkommens und eine ist der Rektor verpflichtet, das Arbeits ver­ eine Promotion beginnen. intensivere Zusammenarbeit der akademischen hältnis mit dem Hochschullehrer zu beenden. Welt mit der Wirtschaft. Die Reform bringt Eingeschränkt wird auch die Möglichkeit, eine Vielzahl von Änderungen für Studierende, an anderen Hochschulen zu lehren: Künftig Wissenschaftler und Hochschulen mit sich, die darf nur noch ein zusätzliches Deputat nach nachfolgend skizziert werden: Zustimmung des Rektors an einer anderen Hochschule übernommen werden. Neu ist Änderungen für Studierende auch die Wahl eines Graduiertenvertreters an Das in Polen grundsätzlich gebührenfreie Studi­ jeder Hochschule. In dieser Position soll beson­ um ist lediglich in Form eines Vollzeit­Präsenz­ ders darauf geachtet werden, ob das Studium studiums an staatlichen Hochschulen möglich. wirklich auf die berufliche Praxis vorbereitet. Da die Anzahl dieser Studienplätze begrenzt ist, Diesem Ziel dient auch die neue Vorschrift, müssen viele Studierende auf das kostenpflich­ dass die Hochschulen dazu verpflichtet sind, tige Abend­ oder Fernstudium ausweichen. regelmäßig Verbleibstudien ihrer Studieren­ Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass den zu erstellen. Um die Lehre besser an die etliche Studierende parallel ein Zweitstudium Bedürfnisse des Arbeits marktes anzupassen, beginnen. Um mehr Studierenden das Präsenz­ erhalten die Hochschulen das Recht zur Ein­ studium zu ermöglichen, können deshalb nur führung neuer Studiengänge, die sich lediglich noch die Besten ein zweites Fach studieren – sie in die nationalen Qualifikationsrahmen ein­ erfüllen mit ihren guten Noten die Kriterien für fügen müssen. Bisher konnten nur diejenigen das sogenannte Stipendium des Rektors. Studiengänge eingerichtet werden, die von der

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Staatlichen Akkreditierungs kommission aufge­ Mehr Geld für wissenschaft listet wurden, inklusive detaillierter Vorgaben und forschung zu den Studieninhalten. Als Unterstützung für die Reform von Wissen­ schafts­ und Hochschulwesen plant die Regie­ Änderungen für wissenschaftler rung, die Ausgaben für Bildung und Forschung Ein großer Teil der Hochschulreform dient zu erhöhen. Am 5. Mai beschloss der Minister­ dem Ziel, die wissenschaftlichen Karrieren rat für das Haushaltsjahr 2012 eine Steigerung zu beschleunigen. So wird zum Beispiel das der Ausgaben für Wissenschaft und Hoch­ „ Diamantenstipendium“ (diamentowy grant) schulwesen. Das Budget für Wissenschaft ins Leben gerufen. Es eröffnet den 100 bes­ beträgt 2012 über 6 Mrd. Złoty (rund 1,5 Mrd. ten polnischen Studierenden die Möglichkeit, Euro), davon etwa 1 Mrd. Złoty (rund 250 Mio. direkt nach dem Bachelorabschluss eine Pro­ Euro) aus EU­Mitteln, was eine Steigerung motion zu beginnen, ohne vorher ein Master­ um 989 Mio. Złoty (rund 247 Mio. Euro) oder studium abgeschlossen zu haben. Die Doktoran­ 18 Prozent im Vergleich zum Budget 2011 ist. den erhalten dazu besondere Forschungsmittel. Im Vergleich zu 2007 sind die Ausgaben für Auch die Förderung der „normalen“ Doktoran­ den wird verbessert: Die besten 30 Prozent erhalten künftig bis zu 2.000 Złoty (ungefähr 500 Euro) monatlich, was einer Steigerung um BEGEHrtE HoCHSCHULEN UND StUDiENGÄNGE rund 50 Prozent entspricht. Um den an man­ Im Hochschuljahr 2010/2011 gab es in Polen 555.439 Studienanfänger chen polnischen Hochschulen herrschenden (Rückgang um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Die meisten Nepotismus zu bekämpfen, hat man besondere Bewerbungen für Bachelorstudiengänge (beziehungsweise Magister- Vorschriften entwickelt. Sie schließen aus, dass studien gänge) im Präsenzstudium entfielen auf folgende Fächer: Verheiratete oder Verwandte einander Vorge­ Bauingenieurwesen, Management, Informatik, Pädagogik, Jura, Wirt- setzte oder Untergebene sind. schaftswissenschaften, Finanzen und Rechnungswesen, Umweltinge - nieurwesen, Produktionstechnik sowie Mechanik und Maschinenbau. Darüber hinaus wurden die Altersgrenzen von Hochschulmitarbeitern geändert: Bei akade­ Die besonders stark nachgefragten Hochschulen (Anzahl der Bewer- mischen Lehrern laufen die Verträge mit dem bungen pro Studienplatz) sind: Technische Universität Warszawa / 65., bei Professoren mit dem 70. Lebensjahr Warschau (8,7), Technische Universität Gda´nsk / Danzig (7,6), Technische aus. Von dieser Regelung erhofft man sich, die Universität Pozna´n / Posen, Technische Universität Łód´z / Lodz (6,2), Karrieren des wissenschaftlichen Nachwuch­ Universität Warszawa / Warschau (5,4), Landwirtschaftsuniversität ses zu beschleunigen. Vor diesem Hintergrund Kraków / Krakau (5,1), Landwirtschaftsuniversität Lublin (4,0). wird auch die Habilitationsprozedur von elf auf fünf Monate verkürzt. Das neue Verfahren gewichtet neben Lehrtätigkeiten und internatio­ Wissenschaft sogar um 70 Prozent gestiegen. naler Zusammenarbeit wissenschaftliche Leis­ Zusätzlich sieht der Haushalt 2012 auch noch tungen in weit höherem Maße als bisher. Das Mittel in Höhe von über 1 Mrd. Złoty (rund universitäre Kolloquium und der Habilitations­ 250 Mio. Euro) vor, die für die anteilige Gegen­ vortrag werden abgeschafft. Neu ist auch die finanzierung von EU­Projekten vorgesehen Regelung, dass ausnahmslos alle wissenschaft­ sind. Außerdem sind Einnahmen aus dem lichen Stellen im konkurrierenden Verfahren sogenannten Fonds für Polnische Wissenschaft vergeben werden. Die Hochschulen müssen und Technologie in Höhe von 200 Mio. Złoty die ausgeschriebenen Stellen frei im Internet (rund 50 Mio. Euro) eingeplant, so dass im veröffentlichen. Jahr 2012 für die Wissenschaft insgesamt mehr ›

193 als 7,5 Mrd. Złoty (rund 1,8 Mrd. Euro) zur Ein weiterer Eckpfeiler der Hochschulreform ­Verfügung stehen werden. Auch für 2011 bis ist die Identifizierung der besten polnischen 2014 sind weitere jährliche Steigerungen um Wissen­schaftseinrichtungen in den einzelnen 8 Prozent eingeplant. Fachbereichen. Zur Steigerung der internatio­ nalen Wettbewerbsfähigkeit werden in einem Größte Nutznießer werden 2012 die For­ konkurrierenden Verfahren sogenannte Füh­ schungsfördereinrichtungen­ „Nationales rende Nationale Wissenschaftseinrichtungen Zentrum für Forschungen und Entwicklung“ (KNOW) an den polnischen Hochschulen ermit­ (NCBiR) sowie das „Nationale Zentrum für telt. Unabhängige Kommissionen unter Betei­ Wissenschaft“ (NCN) sein, die zusammen ligung internationaler Experten identifi­zieren 1 Mrd. Złoty (rund 250 Mio. Euro) erhalten. nach und nach bis zu maximal drei solcher Für das Hochschulwesen­ sind im Budget 2012 KNOW pro Fachrichtung. Die KNOW erhalten mehr als 10 Mrd. Złoty (rund 2,5 Mrd. Euro) zusätzliche Gelder aus einem „Qualitätsfonds“­ eingeplant. Darüber hinaus sind als Reserve des Ministeriums, die sie relativ frei verwenden sogenannte Mittel zur Qualitäts­steigerung im können (zum Beispiel für attraktivere ­Gehälter Hochschulwesen in Höhe von 230 Mio. Złoty und Doktorandenstipendien). Allerdings ver­ (rund 57,5 Mio. Euro) vorgesehen, die beispiels­ fügt der Qualitätsfonds nur über beschei­dene weise für die Förderung von „Führenden Nati­ finanzielle Mittel. Auch bei der Zuteilung onalen Wissenschafts­einrichtungen“ (Krajowy von Forschungsmitteln werden die KNOW Die Qualitätssteigerung an ­Naukowy Ośrodek Wiodący, KNOW) an den bevorzugt. Den Beginn machen die Natur- und den Hochschulen durch die polnischen Hoch­schulen verwendet werden Gesundheitswissenschaften. Reform soll mehr ausländi- sollen. sche Studierende anziehen, Um die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen­ um damit ein Gegenge- Die Wissenschafts- und Hochschulreform und Unternehmen zu erleichtern, müssen die wicht zur demografischen wird in einer Phase umgesetzt, in der Polen in Hochschulen verbindliche Richtlinien für den Entwicklung Polens zu erheb­­li­­chem Umfang auf Strukturfonds der Schutz ihres intellektuellen Eigentums und schaffen. EU zurück­­ greifen­­­­ kann. Ein Teil dieser Mittel für die Kommerzialisierung von Forschungs­ wird für die Verbesserung der Infrastruktur an ergebnissen festlegen. Zu diesem Zweck sollen Hochschulen­­­­ und Wissenschaftseinrichtungen an den Hochschulen auch vermehrt Spin-off- ­verwendet. Von 2007 bis 2013 fließen insge­ Unternehmen entstehen. Darüber hinaus erhal­ samt 16 Mrd. Złoty (rund 4 Mrd. Euro) zum ten die Hochschulen das Recht, gemeinsam mit Beispiel für den Bau neuer Laboratorien oder Arbeitgebern – oder in deren Auftrag – Studie­ Wissen­schaftszentren. Ein Teil dieser EU-Mittel rende auszubilden. soll dazu beitragen, eine höhere Absolventen­ zahl in den mathematisch-naturwissenschaft­ Ein vorrangiges Anliegen der Reform ist es, lichen und ingenieurwissenschaftlichen Studien­ das Hochschulwesen zu deregulieren und zu gängen zu erreichen. Das Ministerium bedient dezentralisieren. Daher verzichtet das Ministe­ sich dabei des Instruments „Studiengänge auf rium für Wissenschaft darauf, sämtliche Studi­ Bestellung“ (kierunki zamawiane), mit dem enordnungen und Hochschulstatuten zu billi­ Hochschulen für die oben genannten Fach­ gen. Der Gestaltungsspielraum der Rektoren richtungen zusätzliche Mittel für Ausstattung, wird deutlich erweitert. Sie können in Zukunft Konferenzen und Stipendien erhalten. Von in Eigenregie Organisationseinheiten an ihrer 2008 bis 2013 werden für diese Studiengänge Hochschule einrichten, schließen und umgestal­ mehr als eine Mrd. Złoty (rund 250 Mio. Euro) ten oder Zweigstellen gründen. Die Hochschu­ aufgewandt. len entscheiden künftig selbst, wie ihre Leitung

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(Rektor, Leiter und Stellvertreter der Arbeits­ einheiten) bestellt wird: entweder wie bisher häufig intern durch Gremienwahl oder im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung.

Ziel: Anschluss an die Spitze Europas Die Hochschulreform ist ein sehr ambitionier­ tes Vorhaben mit dem Ziel, wieder Anschluss an die Spitze in Europa zu finden. Die Diskus­ sionen um die Reform verliefen sehr intensiv und kontrovers. Einem Teil der akademischen Welt gehen die Entwicklungen zu weit. ­Kritisch betrachtet werden unter anderem die Kommer­ zialisierung der Wissenschaft und ihre zu starke Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Wirtschaft. Anderen reichen die Änderungen dagegen nicht aus. So wird moniert, dass es auch weiter­hin kaum eine innerpolnische Mobilität der Wissen­ schaftler geben wird, weil es immer noch möglich ist, dort Professor zu werden, wo man Forschungsarbeiten in Biotechnologie, Infor­ Universität Danzig zeigt studiert und promoviert hat. Ebenfalls beklagt matik und Informa­ tions­ technologien,­ Physik Flagge: Mit EU-Geldern wird, dass die Finanzierung der Hochschulen und Materialwissenschaften für Studierende, ensteht hier ein hochspezi- auch in Zukunft hauptsächlich von der Zahl der Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler. alisiertes Forschungszent- Studierenden abhängen wird. Dies ist insofern Das CeNT wird mit modernsten Laboratorien rum für Nanotechnologie. problematisch, als die Anzahl in den nächsten ausgestattet­ und steht sowohl den Studieren­ Jahren aufgrund der geburtenschwachen Jahr­ den und Doktoranden der Universität als auch gänge deutlich abnehmen wird. Die angestrebte denen anderer Hochschulen für interdiszipli­ Qualitätssteigerung durch die Hochschulreform­­ näre Lehre und Forschung zur Verfügung. ist vor diesem Hintergrund auch der Versuch, attraktiver für ausländische Studie­­rende zu Am 4. März wurde in Krakau feierlich das werden, um damit ein Gegengewicht zur demo­ Na­­tionale Wissenschaftszentrum (Narodowe grafischen Entwicklung zu schaffen. ­Centrum Nauki, NCN) eröffnet, das gemeinsam mit dem in Warschau ansässigen Natio­nalen Warschau, Krakau, Danzig Zentrum für Forschung und Entwicklung (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju, NCBiR) Anfang Februar erhielt die Universität die Hauptfördereinrichtung für Grundlagen­ ­Warszawa / Warschau im Rahmen des EU- forschung sein soll. Während das NCBiR kon­ Programms „Infra­struktur und Umwelt“ von krete Forschungsprogramme der Grundlagen­ der Europäischen­ Kommission 270 Mio. Złoty forschung ausschreibt (top-down), soll das NCN (rund 67 Mio. Euro), die für den Ausbau eines Projekte fördern, die aufgrund der Initiative Zentrums für neue Technologien (CeNT) von polnischen Forschern entstehen (bottom- verwendet werden. Auf dem Universitäts­ up). Gründungsdirektor des NCN ist Prof. campus Ochota werden in den nächsten Jah­ Andrzej Jajszczyk von der AGH (Akademia ren zwei Gebäudekomplexe errichtet. Hier Górniczo-Hutnicza, Berg- und Hütten­akademie) gibt es Platz für Lehrveranstaltungen und für in Krakau. ›

195 in Klammern) sind die Univer- und die Adam-Mickiewicz-Uni- sität Warszawa / Warschau (1) versität Pozna´n / Posen; bei der und die Jagiellonen-Universität Medizin das Collegium Medi- Kraków / Krakau (2), gefolgt von cum der Jagiellonen-Universität der Technischen Universität Kraków / Krakau, die Medizini- Warszawa / Warschau (4). Mit sche Universität Warszawa / einigem Abstand folgen auf Warschau und die Medizinische den Plätzen 4 bis 6 die Adam- Universität Pozna´n / Posen; bei Mickiewicz-Universität Pozna´n / den Lebenswissenschaften die Posen (3), die Technische Uni- Universität Warszawa / War- versität Wrocław / Breslau (5) schau, die Landwirtschaftliche und die Berg- und Hüttenakade- Universität (SGGW) Warszawa / mie (AGH) Kraków / Krakau (7). Warschau und die Adam-Mickie- Wiederum mit einiger Distanz wicz-Universität Pozna´n / Posen; auf den Plätzen 7 bis 10 folgen bei den Naturwissenschaften die Universität Wrocław / Bres- die Universität Warszawa / lau (6), die Technische Univer- Warschau, die Technische Uni- sität Łód´z / Lodz (9), die Wirt- versität Warszawa / Warschau schaftsuniversität (SGH) und die Jagiellonen-Universität Warszawa / Warschau (8) sowie Kraków / Krakau; bei den Sozi- die Medizinische Universität alwissenschaften die Universi- Pozna´n / Posen (10). Zusätzlich tät Warszawa / Warschau, die werden die einzelnen Fächer- Jagiellonen-Universität Kraków / Gut abgeschnitten: Die ranking polnischer gruppen anhand der Kategorie Krakau und die Adam-Mickie- Universität warschau Hochschulen 2011 Einschätzung durch das wissen- wicz-Universität Pozna´n / Posen (oben) und die Jagiellonen- schaftliche Umfeld (25 Prozent), sowie bei den Ingenieurwissen- Universität (unten) liegen Da polnische Hochschulen Beliebtheit bei Arbeitgebern schaften die Technische Uni- im ranking der Bildungs- in internationalen Rankings (25 Prozent), wissenschaftliche versität Warszawa / Warschau, stiftung Perspektywy auf kaum vertreten sind, bietet die Parameter (20 Prozent), Publi- die Technische Universität den Plätzen 1 und 2. Bewertung der Bildungsstif- kationen (6 Prozent), Zitierun- Wrocław / Breslau und die Berg- tung Perspektywy eine gute gen (12 Prozent) und h-Index und Hüttenakademie (AGH) Orientierung. Sechs Kategorien (12 Prozent) bewertet. Kraków / Krakau. kommen zum Tragen: Prestige (25 Prozent), Innovationsfähig- Die stärksten Hochschulen sind keit (5 Prozent), wissenschaft- demnach bei den Wirtschafts- liches Potenzial (15 Prozent), wissenschaften die Wirtschafts- wissenschaftliche Effektivität universität (SGH) Warszawa / (30 Prozent), Studienbedin- Warschau, die Universität gungen (10 Prozent) sowie Warszawa / Warschau und die Grad der Internationalisierung Wirtschaftsuniversität Pozna´n / (15 Prozent). Posen; bei den Geisteswissen- schaften die Jagiellonen-Univer- Die deutlich führenden Hoch- sität Kraków / Krakau, die Uni- schulen (Vorjahresplatzierung versität Warszawa / Warschau

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Am 20. April erfolgte die Grundsteinlegung Zusammenarbeit in vielen Bereichen intensi­ Zum 20-jährigen Jubiläum für ein Zentrum für Nanotechnologie an der viert und ausgebaut: des deutsch-polnischen Universität Gdańsk / Danzig, das 25 speziali­ Vertrags über gute Nach- sierte und modern ausgestattete Laboratori­ Am 1. Januar 2011 startete das europäische barschaft und freund- en beherbergen wird. Die Mittel für den Bau Marie­Curie­Netzwerkprojekt „BioTiNet“, das schaftliche Zusammenar- des Zentrums (mehr als 64 Mio. Złoty – rund vom Leibniz­Institut für Festkörper­ und Werk­ beit vereinbaren die regie- 16 Mio. Euro) kommen zu 85 Prozent aus dem stoffforschung Dresden (IFW) koordiniert wird. rungen die gegenseitige Europäischen Fonds für Regionalentwicklung Ziel ist die Entwicklung neuartiger titanbasier­ förderung von Deutsch und und zu 15 Prozent aus dem Budget des Ministe­ ter Werkstoffe für orthopädische Anwendun­ Polnisch. riums für Wissenschaft und Hochschulwesen. gen sowie die Ausbildung des wissenschaft­ Das Zentrum ist Bestandteil des Ausbaus der lichen Nachwuchses auf diesem Gebiet. Das Fakultät für Chemie und Biologie der Univer­ Vorhaben wird von der Europäischen Kommis­ sität, der ebenfalls größtenteils mit EU­Mitteln sion über einen Zeitraum von vier Jahren mit realisiert wird (Gesamtkosten über 236 Mio. circa 3,5 Mio. Euro gefördert. Polnischer Part­ Złoty – rund 59 Mio. Euro). ner im Netzwerk ist die Technische Universität Warszawa / Warschau. Am 17. August wurde ein nationales For­ schungs programm (Krajowy Program Badań) Bundesministerin Annette Schavan traf sich verabschiedet, das dazu dienen soll, Forschung am 19. Mai in Warschau mit ihrer Amtskolle­ und Entwicklung enger mit der Wirtschaft gin Ministerin Barbara Kudrycka zu Gesprä­ zu verbinden und Synergien in der bisher chen über die Weiterentwicklung der deutsch­ verstreuten wissenschaftlichen Landschaft polnischen Zusammenarbeit in den Wissen­ herzu stellen. Dies soll zu einer ausgewogenen schaften. In dem Dialog ging es unter anderem wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. um die „European Innovation Partnerships“ Prioritäten des nationalen Forschungspro­ sowie um die künftige Finanzierung der euro­ gramms sind neue Technologien in der Ener­ päischen Förderprogramme für Wissenschaft getik sowie Zivilisations krankheiten, neue und Innovation. Außerdem wurde das Statut Medikamente, Regenerationsmedizin; fortge­ der Deutsch­Polnischen Wissenschaftsstiftung schrittene Informations­, Telekommuni kations­ dahingehend ergänzt, dass den polnischen Stif­ und Mecha tronik­Technologien, moderne tungskuratoren mehr Mitspracherechte einge­ Materialtechnologien; Umwelt, Landwirtschaft, räumt werden. Damit kann nun auch die pol­ Forstwissenschaften, gesellschaftliche und nische Seite ihren finanziellen Beitrag (10 Mio. wirtschaftliche Entwicklung Polens angesichts Euro; deutsche Seite mehr als 50 Mio. Euro) für der globalisierten Märkte sowie nationale die Stiftung leisten. Sicherheit. Beide Ministerinnen trafen sich erneut am 21. Juni in Warschau anlässlich der 11. Deutsch­ Deutsch-polnische Polnischen Regierungskonsultationen. Diese kooperationen standen ganz im Zeichen des 20­jährigen Jubilä­ ums des deutsch­polnischen Vertrags über gute Die deutsch­polnischen Wissenschafts­ und Hoch ­ Nachbarschaft und freundschaftliche Zusam­ schulbeziehungen sind so eng wie nie zuvor. menarbeit. Für die Zukunft wurde eine Fülle Der Hochschulkompass der Hochschulrekto­ von Maßnahmen vereinbart, um die Zusam­ renkonferenz verzeichnet 1.162 Kooperationen menarbeit in den unterschiedlichen Bereichen (Stand 3. Februar 2012). Auch 2011 wurde die noch weiter zu intensivieren. Für Bildung, ›

197 Engagiert: Der Botschafter der Republik Polen in Deutschland und DAAD- Alumnus Marek Prawda (l.) hielt den Festvortrag auf einem großen Alumni- Seminar im Rahmen der Festwochen „Nachbarn 2.0“ (oben).

Gefragt: Der Botschafter der Bundesrepublik Deutsch- land in Polen Freiherr Rüdi- ger von Fritsch besucht das Willy-Brandt-Zentrum (Mitte links).

Am deutsch-französischen Messepavillon auf der Bil- dungsmesse ­Perspektywy in ­Warschau gibt es wert- volle Tipps fürs Auslands- studium (Mitte rechts).

Ausgezeichnet: Der ­polnische Linguist Łesław Cirko von der Universität Wrocław / Breslau erhält 2011 den Jacob- und ­Wilhelm-Grimm-Preis des DAAD (unten).

198 Europa : Warschau

Wissen­schaft, Forschung und Entwicklung Als Ergebnis wurden Kooperationsverträge sind dies: zwischen der Technischen Universität Dort­ mund und der Akademie der Wissenschaften n Förderung beim Erlernen von der Sprache im Bereich ­Physik und der Fakultät Bio- und des Partnerlandes auf allen Ebenen, Chemieingenieurwesen­ der Technischen Uni­ n Errichtung einer deutsch-polnischen virtuel­ versität Dortmund und der Fakultät für Umwelt- len Bibliothek für Studierende, und Prozessverfahrenstechnik der Technischen n Förderung eines Aufenthaltes in Deutsch­ Universität Łódź / Lodz unterzeichnet. land beziehungsweise Polen für Deutsch- ­beziehungsweise Polnischlerner an Hochschulen, Der DAAD und Polen n Entsendung von mehr Deutsch- und Polnisch­ lektoren an die jeweiligen Hochschulen, Gemeinsamer Messeauftritt von n Steigerung der akademischen Mobilität DAAD und Campus France ­zwischen beiden Ländern, n Erarbeitung eines trilateralen Lehrerfort­ bil­­ Die Außenstelle Warschau nimmt jedes Jahr dungsprojekts im Rahmen des „­Weimarer an Bildungsmessen teil, um polnische Schüler Dreiecks“ unter Einbeziehung der Länder der und Studierende über Studienmöglichkeiten „Östlichen Partnerschaft“, in Deutschland zu informieren. Erstmals orga­ n Intensivierung der wissenschaftlichen nisierte der DAAD zusammen mit Campus Zusammenarbeit, France einen gemeinsamen Messeauftritt von n Nutzung der Europa-Universität Viadrina ungefähr 30 deutschen und französischen für weitere grenzüberschreitende Initiativen, Hochschulen im Rahmen der Bildungsmesse n engere Zusammenarbeit im Bereich der Perspektywy vom 3. bis 5. März in Warschau, beruflichen Bildung, bei der Deutschland und Frankreich 2011 Ehren­ n umfassende Einführung des deutsch- gäste waren. Die Schirmherrschaft übernahmen ­polnischen Geschichtsbuchs an den Schulen, die deutsche und die französische Botschaft. n Erarbeitung von Konzepten für gemeinsame Der gemeinsame Messepavillon wurde rege Bildungsabschlüsse, besucht. Parallel dazu lernten sich deutsche, n Einrichtung eines Zentrums für Polenstudien französische und polnische Hochschulvertre­ an einer deutschen Universität (Projekt der ter im Rahmen eines Kontaktseminars in der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammen­ Deutschen Botschaft kennen und diskutierten arbeit, des DAAD und der Deutsch-Polnischen gemeinsame Projekte. Wissenschaftsstiftung). Alumni-Treffen in Krakau Um die Kooperationen mit Polen zu vertiefen, veranstaltet Nordrhein-Westfalen 2011/2012 Vom 20. bis 22. Mai fand in Krakau an der ein NRW-Polen-Jahr. Anfang November 2011 Jagiellonen-Universität sowie an der Berg- und besuchte Wissenschaftsministerin Svenja Hüttenakademie AGH ein großes DAAD-­Alumni- Schulze Polen. Neben offiziellen Gesprächen ­Seminar statt, an dem über 200 Alumni des mit ihrer Amtskollegin sowie der polnischen DAAD teilnahmen. Unter den Gästen war auch Akademie der Wissenschaften standen The­ der Botschafter der Republik Polen in Deutsch­ men wie die zukünftig noch engere Zusam­ land, Dr. Marek Prawda (auch DAAD-Alumnus), menarbeit der Hochschulen und forschenden der den Festvortrag hielt. Das Seminar war eine Unter­nehmen beider Länder im Mittelpunkt. der Hauptveranstaltungen im Rahmen der ›

199 Festwochen „Nachbarn 2.0“ unter der Schirm­ Die Teilnehmer, 35 Doktoranden und Master­ herrschaft der Deutschen Botschaft, die aus studierende aus Polen, Frankreich, Deutschland, Anlass der 20­jährigen Unterzeichnung des Ver­ Großbritannien, Russland und der Ukraine, trags über gute Nachbarschaft zwischen Polen diskutierten unter anderem die künftige Rolle und Deutschland organisiert wurden. der deutsch­polnisch­französischen Zusammen­ arbeit in der Europäischen Union sowie die willy-Brandt-Zentrum für Möglichkeit ihrer Ausweitung auf die Ukraine Deutschland- und Europastudien und Russland. Außerdem erarbeiteten sie ein Diskussionspapier zur Zukunft des „Weimarer Das gemeinsam vom DAAD und der Univer­ Dreiecks“, das am 21. Juli in Berlin mit Vertre­ sität Wrocław / Breslau getragene Willy­Brandt­ tern der Botschaften Polens, Frankreichs und Zentrum für Deutschland­ und Europastudien des Auswärtigen Amts diskutiert wurde. (WBZ) ist mit seinem Angebot in Forschung und Lehre mittlerweile ein Eckpfeiler der DAAD Grimm-Preis an polnischen Linguisten deutsch­polnischen Wissenschaftsbeziehungen. Davon zeugen auch die zahlreichen in Eigen­ Die polnische Germanistik gehört zu den regie oder in Kooperation mit nationalen und größten und leistungsstärksten Auslandsger­ internationalen Partnern organisierten Konfe­ manistiken. Ein illustres Beispiel dafür ist die renzen und Publikationen. Intensiviert wurde Auszeichnung des polnischen Linguisten Prof. auch die Zusammenarbeit mit anderen Zent­ Łesław Cirko von der Universität Wrocław / ren für Deutschland­ und Europastudien, denn Breslau mit dem Jacob­ und Wilhelm­Grimm­ vom 10. bis 22. Juli fand in Wrocław / Breslau, Preis des DAAD. Dieser wurde im November Krzyżowa / Kreisau sowie in Berlin aus Anlass 2011 während der Tagung „Deutsch in den Wis­ des 20­jährigen Jubiläums des „ Weimarer Drei­ senschaften“ in der Zeche Zollverein in Essen ecks“ eine Internationale Sommerschule unter verliehen. dem Titel „Nachbarschaft verpflichtet – das « Weimarer Dreieck und seine Nachbarn“ statt. Organisatoren waren außer dem WBZ das Pariser Centre interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA) und die Ludwig­Maximilians­Universität München. wiLLY-BrANDt-ZENtrUM „Der Austausch in Wissenschaft und Technik ist ein Pfeiler der deutsch-polnischen Beziehungen. Ich denke etwa an das der Universität Breslau angegliederte Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien. Gerade die Geistes- und Sozialwissenschaften können dazu beitragen, die historischen Verbindungen Europas, die aus nationaler Perspektive oft zu wenig wahrgenommen werden, bewusster zu machen.“

Der damalige Bundespräsident Christian Wulff am 15. November 2011 anlässlich des Festaktes in Wrocław / Breslau zum 200-jährigen Bestehen der Staatlichen Universität Breslau

200 EUroPA : warschau

tabelle 29 : Statistischer Überblick Polen 2011

1. Grunddaten Daten zum Hochschul- und Bildungswesen (fortsetzung) Gesamtfläche des Landes 312.685 km2 Studiengebühren / Studienjahr 2010 * Bevölkerungszahl 38,2 Mio. an staatlichen Institutionen 660.352,7 Frauen 19,8 Mio. an privaten Institutionen 713.486,9 Männer 18,4 Mio. Ausländische Studierende gesamt 2010/11 21.474 Bevölkerungsdichte 121 Einw./km2 nach Herkunftsländern: Bevölkerungswachstum 0 % 1. Ukraine 4.879 2. Belarus 2.605 2. wirtschaftsdaten 3. Norwegen 1.406 BiP * 469,44 Mrd. 4. Schweden 1.089 BiP pro kopf * 12.293 5. Spanien 1.076 Anteil am globalen BiP 0,7 % Studierende mit Studienaufenthalt an ausländ. HS 38.641 knowledge Economy index (kEi) rang 37 davon in Deutschland 11.325 wirtschaftswachstum 2,5 % inflation 3 % Die fünf beliebtesten Zielländer für ErASMUS-Studierende 2009/10 1. Deutschland 1.756 3. Daten zum Hochschul- und Bildungswesen 2. Spanien 1.753 Staatliche Bildungsausgaben (Bildungsetat) 2010* 3,44 Mrd. 3. Frankreich 1.073 Hochschultypen 2010/11 4. Italien 1.025 Universitäten 19 5. Großbritannien 529 Technische Hochschulen 23

Landwirtschaftshochschulen 7 * Angaben in US-Dollar Wirtschaftshochschulen 79 Pädagogische Hochschulen 18 Quellen: Medizinische Hochschulen 9 worldbank: 3 http://data.worldbank.org/country/poland Maritime Hochschulen 2 Higher Education institutions and their finances in 2010: Sporthochschulen 6 3 http://www.stat.gov.pl/cps/rde/xbcr/gus/PUBL_e_szkoly_wyzsze_2010.pdf Kunsthochschulen 22 wissenschaft weltoffen 2011: Theologische Hochschulen 14 3 http://wissenschaft-weltoffen.de/ Akademien der Ministerien 7 Sonstige 254 Anzahl der Hochschulen gesamt 460 staatlich 132 privat 328 Anzahl Hochschullehrer 100.151 davon ordentliche Professoren 8.200 Eingeschriebene Studierende 2009/10 1.841.251 an staatlichen Institutionen 1.261.175 an privaten Institutionen 580.076 Frauenanteil 58,79 % Anteil ausländischer Studierender 1,16 % Studierende der Naturwissenschaften 8,2 % Studierende der Geisteswissenschaften 7,5 % Doktoranden 37.492 Abschlüsse 2010 Bachelor 212.236 Master 123.696 Magister (nach 5 jährigem Studium) 100.780 Promotion 4.449

201 Europa : Warschau

Tabelle 30 : DAAD-Förderung für Ausländer und Deutsche 2011 nach Programmen und Herkunfts- / Zielländern Polen

D = Deutsche ins Ausland A = Ausländer nach Deutschland gesamt D 136 I. individualförderung – gesamt A 400 1. nach Status D 40 grundständig Studierende A 220 D 29 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 120 D 12 davon Doktoranden A 54 D 67 Wissenschaftler und Hochschullehrer (inkl. Postdocs) A 60 2. nach Förderdauer D 40 < 1 Monat A 179 D 48 2–6 Monate A 116 D 48 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 105 3. nach ausgewählten Programmen D 3 DAAD-Jahresstipendien für Forschung und Studium A 96 D Stipendien im Rahmen von Kooperationsprogrammen A D Sur-Place- und Drittlandstipendien A D 24 Lektoren A D 4 Langzeitdozenten, Gastdozenten, Lehrstühle A D 13 Kongress- und Vortragsreisen A D Fach- und Sprachkurse A 157 D 13 Praktikanten A 25 D Forschungsaufenthalte von Hochschullehrern A 50

D 608 II. Projektförderung – gesamt A 1.241 1. nach Status D 294 grundständig Studierende A 515 D 98 Studierende mit einem ersten Abschluss (Graduierte) A 357 D 38 davon Doktoranden A 150 D 216 Wissenschaftler und Hochschullehrer A 369 2. nach Förderdauer D 548 < 1 Monat A 1.012 D 41 2–6 Monate A 161 D 19 > 6 Monate (Langzeitförderung) A 68 3. nach ausgewählten Programmen D 67 PROMOS – Programm zur Steigerung der Mobilität A D 29 Strukturprogramme f. d. Auslandsstudium (ISAP, Doppelabschluss, Bachelor Plus) A 7 D Stipendien- und Betreuungsprogramme (STIBET) A 135 D 25 Austausch in Projekten (PPP) A 31

D 744 DAAD-Förderung – gesamt (I + II) A 1.641 DAAD-Förderung – Deutsche und Ausländer gesamt 2.385

D 663 1. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandsstudium) A D 91 2. ERASMUS-Studierendenmobilität (Auslandspraktikum) A D 351 3. ERASMUS-Personalmobilität (Dozenten, sonstiges Personal) A 7

202 Anhang Adressen im In- und Ausland

DAAD-Zentrale DAAD-Außenstellen Außenstelle Mexiko-Stadt Bonn-Bad Godesberg (seit 2000) Deutscher Akademischer Außenstelle Hanoi (seit 2003) Servicio Alemán de Intercambio Austauschdienst Académico Kennedyallee 50 Deutscher Akademischer Calle Kepler 157

53175 Bonn (Deutschland) Austauschdienst Col. Nueva Anzures Vietnamesisch-Deutsches Zentrum Postfach 200404 Del. Miguel Hidalgo Trung Tam Viet Duc 53134 Bonn (Deutschland) C.P. 11590 Ciudad de México Hanoi University of Technology Tel.: (0049/228) 882-0 (Mexiko) 1 Dai Co Viet Fax: (0049/228) 882-444 Tel.: (0052/55) 52 50 18 83 Hanoi (Vietnam) E-Mail: [email protected] Fax: (0052/55) 52 50 18 04 Tel.: (0084/4) 38 68 37 73-0 Internet: www.daad.de E-Mail: [email protected] Fax: (0084/4) 38 68 37 72 Internet: http://daadmx.org E-Mail: [email protected] Büro Berlin Internet: www.daadvn.org Außenstelle Moskau (seit 1993) Deutscher Akademischer Austauschdienst Außenstelle Jakarta (seit 1990) Deutscher Akademischer Markgrafenstraße 37 Austauschdienst 10117 Berlin (Deutschland) DAAD Jakarta Office Leninskij Prospekt 95a Jl. Jend. Sudirman, Kav. 61–62 Postfach 240 119313 Moskau Summitmas II, 14th Floor 10106 Berlin (Deutschland) (Russische Föderation) 12190 Jakarta (Indonesien) Tel.: (0049/30) 20 22 08-0 Tel.: (007/499) 132 23 11 Tel.: (0062/21) 520 08 70, -525 28 07 Fax: (0049/30) 20 41 267 Fax: (007/499) 132 49 88 Fax: (0062/21) 525 28 22 E-Mail: [email protected], E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] [email protected] Internet: www.daad.ru Internet: www.daadjkt.org Internet: www.daad-berlin.de, www.berliner-­kuenstlerprogramm.de Außenstelle Nairobi (seit 1973) Außenstelle Kairo (seit 1960) German Academic Exchange Service Büro Brüssel Deutscher Akademischer Regional Office for Africa Austauschdienst Madison Insurance House, Deutscher Akademischer 11 Saleh Ayoub St. 3rd floor, Upper Hill Close Austauschdienst Kairo-Zamalek (Ägypten) Av. des Arts 10/11 00800 Nairobi (Kenia) Tel.: (0020/2) 27 35 27 26, 1210 Brüssel (Belgien) P.O. Box 14050 Fax: (0020/2) 27 38 41 36 Tel.: (0032/2) 229 01 68 00800 Nairobi (Kenia) E-Mail: [email protected] Fax: (0032/2) 229 31 62 Tel.: (00254/20) 272 97 41 Internet: http://cairo.daad.de E-Mail: [email protected] Fax: (00254/20) 271 67 10 E-Mail: [email protected] Außenstelle London (seit 1952) Internet: http://nairobi.daad.de German Academic Exchange Service 1 Southampton Place WC1A 2DA London (Großbritannien) Tel.: (0044/20) 78 31-95 11 Fax: (0044/20) 78 31-85 75 E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.org.uk

204 anhang : Adressen

Außenstelle Neu Delhi (seit 1960) Außenstelle Rio de Janeiro DAAD-Informationszentren (seit 1972) German Academic Exchange Service Regional Office Bangladesh, India, Serviço Alemão de Intercâmbio Argentinien Nepal, Sri Lanka Acadêmico 2, Nyaya Marg, Chanakyapuri Rua Presidente Carlos Buenos Aires E-Mail: [email protected] 110 021 New Delhi (Indien) de Campos 417, Laranjeiras Internet: www.daad.org.ar Tel.: (0091/11) 41 68 09 68, 22231-080 Rio de Janeiro (Brasilien) -41 68 09 69 Tel.: (0055/21) 25 53 32 96 Fax: (0091/11) 46 06 81 92 Fax: (0055/21) 25 53 92 61 Armenien E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: http://newdelhi.daad.de Internet: www.daad.org.br Eriwan E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.am Außenstelle New York (seit 1971) Außenstelle Tokio (seit 1978) German Academic Exchange Service Deutscher Akademischer Aserbaidschan 871 United Nations Plaza Austauschdienst 10017 New York, N.Y. (USA) Deutsches Kulturzentrum, Baku E-Mail: [email protected] Tel.: (001/212) 758 32 23 Akasaka 7-5-56, Minato-ku Internet: www.ic.daad.de/baku Fax: (001/212) 755 57 80 107-0052 Tokio (Japan) E-Mail: [email protected] Tel.: (0081/3) 35 82 59 62 Internet: www.daad.org Fax: (0081/3) 35 82 55 54 Australien E-Mail: [email protected] Internet: http://tokyo.daad.de Sydney Außenstelle Paris (seit 1963) E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/sydney Office Allemand d’Echanges Außenstelle Warschau (seit 1997) Universitaires Hôtel Duret de Chevry Niemiecka Centrala Wymiany Belarus 8, rue du Parc-Royal Akademickiej 75003 Paris (Frankreich) Przedstawicielstwo w Warszawie Minsk E-Mail: [email protected] Tel.: (0033/1) 44 17 02 30 ul. Czeska 24/2 Internet: www.daad-ic-­ Fax: (0033/1) 44 17 02 31 03-902 Warszawa (Polen) minsk.by E-Mail: [email protected] Tel.: (0048/22) 617 48 47, -616 13 08 Internet: http://paris.daad.de Fax: (0048/22) 616 12 96 E-Mail: [email protected] Brasilien Internet: www.daad.pl Außenstelle Peking (seit 1994) Sao Paulo E-Mail: daad_sao_paulo@ Deutscher Akademischer daad.org.br

Austauschdienst Internet: www.daad.org.br Unit 1718, Landmark Tower 2 8 North Dongsanhuan Road Chaoyang District Chile 100004 Beijing (VR China) Tel.: (0086/10) 65 90-66 56 Santiago de Chile E-Mail: [email protected] Fax: (0086/10) 65 90-63 93 Internet: www.daad.cl E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.org.cn

205 China Iran Kuba Guangzhou Teheran Havanna E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.daad-guangzhou.cn Internet: www.ic.daad.de/tehran

Hong Kong Lettland E-Mail: [email protected] Israel Internet: www.ic.daad.de/hongkong Riga Ost-Jerusalem E-Mail: [email protected] Shanghai E-Mail: daadeastjerusalem Internet: www.daad.lv @gmail.com E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.de/ Internet: ic.daad.de/shanghai westbank_gaza Malaysia Kuala Lumpur Costa Rica E-Mail: [email protected] Italien Internet: www.ic.daad.de/ San Jose kualalumpur E-Mail: [email protected] Rom E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.de/miniwebs/ Internet: www.daad-rom.org icsanjose/de Pakistan Islamabad Kamerun Georgien E-Mail: [email protected] Yaoundé Internet: http://ic.daad.de/ Tiflis E-Mail: [email protected] islamabad E-Mail: [email protected] Internet: http://ic.daad.de/ Internet: http://ic.daad.de/tbilissi yaounde/de Rumänien Ghana Bukarest Kanada E-Mail: [email protected] Accra Internet: www.daad.ro E-Mail: [email protected] Toronto E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/accra Internet: www.daad-­­canada.ca/de Russland Griechenland Novosibirsk Kasachstan E-Mail: [email protected] Athen Internet: www.daad-­novosibirsk.de E-Mail: [email protected] Almaty E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.gr Internet: www.daad.kz St. Petersburg E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.spb.ru Indien Kirgisistan Chennai E-Mail: [email protected] Bischkek Serbien E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/chennai Internet: www.daad.kg Belgrad E-Mail: [email protected] Pune Internet: www.daad.rs E-Mail: [email protected] Kolumbien Bogota Singapur Irak E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.co/de Singapur Erbil E-Mail: daaddirector E-Mail: [email protected] @tum-create.com.sg Internet: www.daad-iraq.info Korea, Republik Internet: www.ic.daad.de/ singapore Seoul E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.or.kr

206 anhang : Adressen

Spanien Ukraine Barcelona Kiew E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/barcelona Internet: www.daad.org.ua

Südafrika Ungarn Johannesburg Budapest E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/ Internet: www.daad.info.hu johannesburg

USA Syrien San Francisco Damaskus E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.org/?p=daadsf Internet: ic.daad.de/damaskus/de

Usbekistan Tadschikistan Taschkent Duschanbe E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.daad.uz Internet: www.daad.tj

Venezuela Taiwan Caracas Taipei E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/caracas Internet: www.daad.org.tw

Vereinigte Arabische Emirate Thailand Abu Dhabi Bangkok E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: http://ic.daad.de/abudhabi Internet: www.daad.or.th

Vietnam Tschechische Republik Ho-Chi-Minh-Stadt Prag E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.ic.daad.de/hcmc Internet: www.daad.cz

Türkei Die Webseiten der Außenstellen Ankara und der 51 Informationszentren E-Mail: [email protected] (IC) des DAAD finden Sie auch Internet: www.ic.daad.de/ankara unter: www.daad.de/offices Istanbul E-Mail: [email protected] Internet: www.daad-istanbul.com

207 Herausgeber Bildnachweis Sofern im Folgenden nicht anders Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) ausgewiesen liegen die Rechte beim DAAD. German Academic Exchange Service Pascal Ackerschott (S. 91 rechts), AG Hertz und Pixel Kennedyallee 50 (S. 144 unten), Justin Alberts (S. 39), Beate Böhme (S. 32), 53175 Bonn (Deutschland) Bundesregierung / Kugler (S. 119 oben + Mitte), CIERA www.daad.de (S. 185 Mitte rechts), ddp images (S. 151), ddp images/AP/ Rajanish Kakade (S. 112), ddp images/AP/Sang Tan (S. 152), Dr. Dorothea Rüland, DAAD (verantwortlich) ddp images/dapd/Remy de la Mauvinere (S. 177), Deut­ Redaktion Katja Spross, www.trio-medien.de sche ­Botschaft Hanoi (S. 90), Deutsche Botschaft Tokio Nina Scholtes, Kathrin Sturmhöfel, DAAD (S. 144 oben), Deutsches Historisches Institut Paris (S. 185 oben), Nour El-Refai (S. 19 oben links + oben LPG Loewenstern Padberg GbR, Gestaltung und Satz rechts, S. 20 oben + unten), Eyescape (S. 37), Prof. ­Fiener / Bonn IGCS (S. 120 oben), Lisa Haubeck & Katharina­ ­Wojczenko Druck Köllen Druck + Verlag GmbH, Bonn (S. 185 rechts unten), Michael Jordan (S. 2/3, 4), Keio ­Universität (S. 140), Kiribane (S. 91 links), Roger Klimke­ 978-3-87192-884-0 ISBN (S. 185 Mitte links), Mirco Lomoth (S. 27, 40), Bernhard­ Auflage Mai 2012 – 2.500 Ludewig / Goethe Institut (S. 198 unten), Jasmin Mohr (S. 111), Reimar Müller (S. 92), Stephanie Müller (S. 93 Alle Rechte vorbehalten. vierte Zeile links), Christian Oster (S. 93 dritte Zeile © DAAD links), Press Information Bureau / Government of India (S. 119 unten), Hennie Rudman (S. 38), Cordula Schaefer­ (S. 58), Axel von Schwanebach (S. 88), Beowulf Sheehan­ (S. 62, 63 oben + unten), Stadtverwaltung New York (S. 61), Stuckert / Presidência (S. 76), Zbigniew Sulima / AGH (S. 198 oben), Thalhammer / CeNS (S. 71), Tepco (S. 139), Claudia de la Torre Álvarez (S. 50), Trettin / bw-i (S. 75 Mitte links + rechts), UASLP San Luis Potosí / Alicia Cabrera (S. 45), WBZ (S. 198 Mitte links), wiki­ commons/Amr Farouq Mohammed (S. 16 oben rechts, S. 16 unten rechts), wikicommons/DocentX (S. 196 oben), wikicommons/Essam­ Sharaf (S. 16 oben links), wiki­ commons/MaKa (S. 196 unten), wikicommons/Mariam Soliman (S. 16 Mitte rechts), wikicommons/Mona (S. 15 unten), wikicommons/Senthil524 (S. 112 links unten), wikicommons/Sherif9282 (S. 15 oben, 16 unten links), wikicommons/Starscream (S. 195) www.daad.de