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Diplomarbeit

Titel der Diplomarbeit

„Knut der Große als König von England. Legitimation eines Eroberers“

Verfasserin

Larissa Rasinger

Angestrebter akademischer Grad

Magistra der Philosophie (Mag. phil.)

Wien, am 17.09.2012

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A312 Studienrichtung lt. Studienblatt: Geschichte Betreuerin/Betreuer: ao. Univ. Prof. Dr. Anton Scharer

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Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...... 5 2 Fragestellung, Thesen und Vorgehensweise ...... 6 3 Die Quellen ...... 8 4 England und die Wikingerangriffe vor dem Jahr 1016 ...... 17 5 Das Jahr 1016 und die Eroberung Englands ...... 27 6 Die Legitimation ...... 29 6.1 Die Wahl Knuts zum König ...... 30 6.2 Die Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney ...... 35 6.3 Die Krönung in London und welche Möglichkeiten sie bot ...... 39 6.4 Die Heirat mit Königin Emma...... 51 6.5 Exekutionen und Umschichtungen in der englischen Aristokratie ...... 56 6.6 Das Treffen von Oxford 1018 ...... 59 6.7 Knut in der Nachfolge Edmund Ironsides - Trauer um den königlichen "Bruder" ... 63 6.8 Der Rombesuch ...... 67 6.9 Knut und die englischen Heiligenkulte ...... 72 6.10 Knut der fromme König - Stiftungen und Geschenke ...... 82 6.10.1 Spezielle Frömmigkeitsbekundungen...... 95 7 Conclusio ...... 98 8 Literaturverzeichnis ...... 102 8.1 Quellen...... 102 8.2 Literatur ...... 103 8.3 Abbildungsverzeichnis ...... 107 9 Bildanhang ...... 109 10 Anhang ...... 114 10.1 Abstract (deutsch) ...... 114 10.2 Abstract (english) ...... 115 10.3 Lebenslauf ...... 117

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1 Einleitung

Schlägt man eine Übersetzung der Angelsachsenchronik - wie beispielsweise jene klassische von Dorothy Whitelock - auf und liest den Eintrag zum Jahr 1012,1 also jener Jahreszahl, un- ter der die Ereignisse der englischen Geschichte vor genau 1000 verzeichnet sind, so wird man schnell den Eindruck haben, dass es sich um sehr turbulente Zeiten gehandelt haben muss. Und dieser Eindruck ist richtig. Hätte der Leser dieser Arbeit sich vor einem Jahrtau- send in England befunden, so hätte er bereits mehr als ein Jahrzehnt der wikingischen Plünde- rungszüge hinter sich und möglicherweise schon persönlich darunter gelitten - ob aufgrund des Todes eines geliebten Verwandten in den Kämpfen oder einer Hungersnot, ausgelöst durch die massiven Plünderungen und Zerstörungen durch die Wikinger unter Sven Gabelbart. Außerdem wäre ihm wahrscheinlich schon zu Ohren gekommen, dass der Erzbischof von Canterbury, Ælfheah, am 19. April von den Wikingern brutal mit Tierknochen und einer Axt erschlagen worden war. Vielleicht würde in ihm auch bereits Groll gegen den eigenen König Æthelred köcheln, der diese "mordlustigen" Wikinger auch noch bezahlte, anstatt sie kämp- fend zu vertreiben - doch das wissen wir nicht. Sicher ist, dass die Engländer des Jahres 1012, bereits in fünf Jahren einen neuen König haben würden und zwar einen jener Wikinger, der ihr Land zuvor verwüstet hatte. Angesichts der vorangegangenen Krisenjahre, ausgelöst durch die wikingischen Angriffe, erscheint die Frage, wie der neue Wikingerkönig Knut es geschafft hat, als legitimer, englischer König anerkannt zu werden, äußerst interessant, weshalb die vorliegende Diplomarbeit den Legitimitätsbestrebungen Knuts gewidmet ist. Es wird zu zeigen sein, dass Knut eine gezielte Legitimation betrieb, um als englischer König nachhaltig anerkannt zu werden, aber gleichzeitig auch geschickt einschlägige Gelegenheiten nutzte, wenn sie sich für ihn ergaben. Wichtig erscheint außerdem eine Unterscheidung zwi- schen seiner Herrschaftslegitimation und der Sicherung seiner Herrschaft, da letztere vor al- lem mit Gewalt verbunden ist, erstere aber eher eine friedfertige Vorgehensweise erforderte. Auf die konkreten Fragestellungen und Thesen, wie ich sie für die Bearbeitung dieses Themas entwickelt habe, soll aber in einem separaten Kapitel eingegangen werden. Es bleibt zu erwähnen, dass noch keine Fachliteratur - Monographie oder Aufsatz - zum Thema der Legitimation Knuts erschienen ist. Eine erste allgemeine Darstellung zu Knut und seiner Herrschaftszeit und gewissermaßen eine Pionierarbeit auf diesen Gebiet, erschien

1 Dorothy Whitelock, David Douglas (Hg.), The Anglo-Saxon Chronicle. A revised translation (London 1961). 1012 S.91f.

5 19122 und wie der Zufall will, handelt sich damit 2012 wiederrum um ein Jubiläum. Meine Diplomarbeit setzt sich folglich 1000 Jahre nach dem Beginn der Eroberung Englands durch Knut den Großen, und 100 Jahre nach dem ersten Erscheinen einer ausführlichen Monogra- phie zu diesem König, zum ersten Mal explizit mit der Legitimation dieses Eroberers ausein- ander, dem es fast fünfzig Jahre vor Wilhelm dem Eroberer gelang, England unter die Herr- schaft eines kontinentaleuropäischen Königs zu bringen.

2 Fragestellung, Thesen und Vorgehensweise

Um mich an das von mir gewählte Thema „Knut der Große als König von England. Legitima- tion eines Eroberers“ annähern zu können, war es zuerst nötig, einige Fragestellungen zu ent- wickeln, welche in der Arbeit gewissermaßen auch als roter Faden dienen werden. Zentrale Fragen meiner Arbeit werden daher sein: Betrieb Knut eine gezielte Legitimierung seiner Herrschaft, die über reine - zum Teil gewalttätige - Maßnahmen zur Herrschaftssicherung hinausging? Wenn ja, wie sah diese aus – war sie vielfältig und einfallsreich, oder auf wenige Handlungen beschränkt? Des Weiteren wird zu klären sein, ob sie sich nur an die weltliche und geistliche Reichselite richtete, oder auch das Volk zu erreichen versuchte. Eine weitere Frage wäre, ob er dabei Unterstützung hatte, sowie ob anderen englischen Machthabern (welt- lichen oder geistlichen) etwas an seiner Herrschaft, beziehungsweise der Sicherung dieser gelegen war. Und zu guter Letzt: Hatte er damit Erfolg? Nach einer intensiven Lektüre der grundlegenden Literatur und Quellen habe ich aufgrund der oben beschriebenen Fragestellungen eine Reihe von Thesen aufgestellt, die im Zuge der Ar- beit zu überprüfen sein werden: Knut betrieb eine gezielte Legitimierung seiner Herrschaft in England und tat dies auf vielfältige Weise. Dabei hatte er auch Unterstützung von verschiede- nen Personen – besonders aus dem kirchlichen Bereich. Um bei der Legitimation erfolgreich sein zu können, musste Knut einen Imagewechsel vollziehen: Vom Angreifer, dem Bedroher des Landes, dem (paganen) Wikinger, der die unter Æthelred II. ohnehin schon schlechte Si- tuation weiter verschlimmert, hin zu einem gerechten christlichen König, der die mannigfalti- gen Fehler seines Vorgängers als dessen legitimer Nachfolger ausbügelt und eine Zeit des Friedens für England anbrechen lässt. Damit wandte er sich folglich nicht nur an Eliten, son-

2 Es handelt sich dabei um das Werk L.M. Larsons, Canute the Great (London 1912).

6 dern auch an die breite Bevölkerung. Was die verschiedenen Handlungen, durch die sich Knut als legitimer englischer König zu etablieren versuchte betrifft, so waren diese größtenteils geplant und gezielt. Jedoch ergriff Knut auch geschickt verschiedene Gelegenheiten, die zwar eher zufällig eintraten, von Knut jedoch erkannt und schließlich ebenfalls für seine Legitima- tion genutzt wurden. Eine Unterscheidung von klar geplanten Aktionen und geschickt genutz- ten Gelegenheiten ist dabei nicht immer eindeutig erreichbar, wenn möglich soll aber auch in der Arbeit auf den jeweiligen Charakter einer Handlung hingewiesen werden. Um die vorgestellten Hypothesen verifizieren (beziehungsweise falsifizieren) zu können, be- darf es einer eingehenden Analyse der zur Verfügung stehenden Quellen, sowie einer sorgfäl- tigen Lektüre der relevanten Sekundärliteratur. Untersuchen werde ich dabei die schriftlichen Quellen und die darin beschriebenen Ereignisse in Bezug auf den Wert für Knuts Herrschafts- legitimation. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei die Frage nach der Glaubwürdig- keit der jeweiligen Quellen. In Bezug auf den Aussagewert der Quellen, werden dabei selbst- verständlich auch ihr Entstehungsdatum sowie ihr Entstehungshintergrund, zum Thema wer- den. Wichtig für die Beantwortung der Frage nach der Breitenwirkung von Knuts Legitimierungs- versuchen wird dabei vor allem die quellennahe Analyse von überlieferten „öffentlichen“ Er- eignissen (besonders die Patronage der Heiligenkulte und anderer Frömmigkeitsbekundungen Knuts), aber auch eine Auseinandersetzung mit dem „Massenmedium“ Münze sein. Beach- tung finden dabei außerdem verschiedene Bildquellen, selbst wenn diese (da in Handschriften enthalten) zuerst nur ein beschränktes monastisches Publikum erreichten, da durch den Kon- takt der Klöster zur Außenwelt, ein gutes „Image“ - wie es die Bilder reflektieren - auch nach außen weitergetragen wurde. Zusätzlich liefern uns Bilder Hinweise auf Ansichten und Wahrnehmung durch die Zeitgenossen. Aufgrund der relativen Quellenarmut des behandelten Zeitraums, wird außerdem in einem ersten Kapitel auf die zur Verfügung stehenden Quellen eingegangen.

7 3 Die Quellen

Die Quellenlage zur Eroberung Englands, sowie zur Regierungszeit Knuts präsentiert sich eher spärlich, weshalb es auch besonders wichtig ist, die relevanten und in dieser Arbeit ver- wendeten Quellen, in diesem Kapitel jeweils kurz zu besprechen. Die wichtigste Quelle ist sicherlich die Angelsachsenchronik (ASC),3 obwohl sogar deren Einträge für den genannten Zeitraum zum Teil nicht sehr informativ und kurz angebunden sind.4 Die Chronik ist uns in sieben Manuskripten sowie 2 Fragmenten erhalten, relevant für die Regierungszeiten Æthelreds, Knuts und der Söhne dieser beiden, sind die Versionen C, D und E. Die verschiedenen Fassungen der Chronik stehen dabei untereinander in Verbindung, besonders nah sind sich die genannten drei Versionen C, D und E. Sie stimmen für die Zeit von 983-1022, sowie zum Jahr 1028 annähernd überein, D und E gleichen sich sogar bis zum Eintrag des Jahres 1031. Bis zum Jahr 1057, erfolgten die Eintragungen dann unabhängig voneinander. Natürlich haben die verschiedenen Versionen auch in jenen Jahren, in denen sie weitgehend ident sind, eigenständige Vermerke verschiedenster Art erhalten.5 Die Version C wurde in den 1040er Jahren verfasst und stammt aus der Abingdon Abbey; ASC D wurde kurz vor oder um 1100 in Worcester oder York verfasst und die Version E hat ihren Ursprung in Peterborough im Jahr 1131.6 Die Versionen übernehmen dabei ihrerseits viel aus älteren Annalen und den Kommentaren, wie sie zu einzelnen Jahren in Paschalanna- len zur Osterberechnung angefügt wurden. Erwähnenswert ist außerdem, dass es neben den heute erhaltenen Manuskripten, sicherlich noch weitere Aufzeichnungen der ASC gab, die uns heute leider nicht mehr zugänglich sind, zu denen jedoch andere frühe Historiographen wie beispielsweise William von Malmesbury oder John von Worcester, die für ihre Arbeiten ebenfalls auf die ASC zurückgriffen, Zugang hatten.7 Auf die Werke dieser Autoren und de- ren Quellenmaterial, werde ich weiter unten noch separat zur Sprache kommen. Erweitert und ergänzt werden die Einträge der ASC durch die Lobschrift zu Ehren Königin Emmas, das sogenannte Encomium Emmae Reginae, welches von Emma selbst in Auftrag

3 Siehe dazu die in dieser Arbeit verwendete Edition von D. Whitelock: Dorothy Whitelock, David Douglas (Hg.), The Anglo-Saxon Chronicle. A revised translation (London 1961). 4 Michael K. Lawson, Cnut. The Danes in England in the early eleventh century (London 1993). S.49. 5 Dorothy Whitelock, Introduction. In: Dorothy Whitelock, David Douglas (Hg.), The Anglo-Saxon Chronicle. A revised translation (London 1961) S.XI-XXIV. S.XIV, XVII (im Folgenden zitiert als: Whitelock, Introduction ASC); Lawson, Cnut S.50-53. 6 Lawson, Cnut S.49f. 7 Lawson, Cnut S.54; Whitelock, Introduction ASC S.XVIII-XXI.

8 gegeben wurde.8 Das Encomium wurde als Geschichtsdarstellung jener, der Entstehung vor- rangegangenen Jahrzehnte verfasst, war jedoch nicht für die Nachwelt bestimmt, sondern in einen sehr gegenwärtigen Kontext eingebunden. Es sollte 1041/42, als Harthaknuts Herrschaft zunehmend unbeliebt wurde, vor allem seiner Herrschaftssicherung dienen und präsentiert sich daher als eindeutig propagandistische Arbeit, deren Autor auch nicht vor bewussten Falschdarstellungen zurückschreckte. Das von einem anonymen flandrischen Mönch verfasste Werk, sollte daher durch eine eigene Version der Vergangenheit, der aktuellen politischen Situation in England gerecht werden und damit die Herrschaft nicht nur gegenwärtig sondern auch zukünftig sichern.9 Obwohl es sich beim Encomium daher um eine sehr tendenziöse Form der Geschichtsschreibung handelt, ist es - nicht zuletzt aufgrund der Quellenarmut die- ser Zeit - trotzdem ein wichtiges, die anderen Quellen ergänzendes Werk.10 Für die Legitima- tion Knuts ist es daher insofern von Bedeutung, als es uns hier und da zusätzliche Hinter- grundinformationen liefert und auf diese Weise besonders die Intention Knuts, die hinter ver- schiedenen Handlungen stand, erahnen lässt. Da es sich beim Encomium um eine Schrift han- delt, welche der Legitimation und Herrschaftssicherung Harthaknuts dienen sollte, erlaubt sie - auch wenn die Legitimation Knuts nicht deren Ziel war - auch vorsichtige Rückschlüsse auf Knuts Legitimationsbestrebungen, da sie Möglichkeiten und Argumentationen, mit denen man zu dieser Zeit dahingehend arbeitete, aufzeigt. Hinzu treten als weitere wichtige Quelle Knuts Gesetze. Darauf, wie diese Gesetze jeweils in die Legitimation Knuts einzuordnen sind, werde ich erst im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser zu sprechen kommen, jedoch soll hier die verschiedenen Gesetzestexte kurz vorgestellt werden. Der früheste von Knuts Gesetzestexten entstand wahrscheinlich nach dem Treffen von Oxford 1018, für das die Angelsachsenchronik vermerkt, dass Engländer und Dänen hier zu einer Übereinkunft, das heißt wohl einem offiziellen Frieden kamen und sich außerdem auf die Weiterbefolgung der Gesetze Edgars einigten. Bei dem Gesetzestext, der uns im Cam- bridge, Corpus Christi College 201 erhalten und oft als "D" bezeichnet wird, handelt es sich um eine Arbeit Erzbischof Wulfstans II. von York, der auch maßgeblich an der Ausarbeitung

8 Edition: Simon Keynes, Alistair Campbell (Hg.), Encomium Emmae Reginae (Camden classical reprints 4, Cambridge 1998) (im Folgenden zitiert als EER + Seite). 9 Lawson, Cnut S.54-56; Simon Keynes, Introduction to the 1998 Reprint. In: Alistair Campbell (Hg.), Simon Keynes, Encomium Emmae Reginae (Camden Classical Reprints 4, Cambridge 1998) XIII-LXXXVII.; Pauline Stafford, Queen Emma and Queen Edith. Queenship and women’s power in eleventh century England (Oxford 1997). S.29; Pauline Stafford, Unification and Conquest. A Political and Social History of England in the Tenth and Eleventh Centuries (London 1998). S.16. 10 Stafford, Unification S.3; Lawson, Cnut S.55.

9 der anderen Gesetze Knuts beteiligt war. "D" entspricht zu einem Großteil einem früheren Gesetzestext Wulfstans, dem Enham Code, welchen er 1008 für König Æthelred ausgearbeitet hatte, enthält aber auch Anleihen der Gesetze V und VI Æthelred.11 Das große Gesetzbuch Knuts (I und II Cnut) stand wie bereits erwähnt, ebenfalls unter Wulfstans Einfluss und entstand in Winchester an Weihnachten des Jahres 1020 oder 1021. Es handelt sich dabei um eine Aufzeichnung der bereits bestehenden Gesetze und enthält da- her seinerseits viel Material des Gesetzes von 1018 ("D"), von Bestimmungen Edgars und Æthelreds, sowie von Homilien Wulfstans. Es handelt sich dabei um die größte Aufzeichnung der angelsächsischen Gesetze (7196 Wörter). I Cnut beschäftigt sich vor allem mit religiösen Belangen, wie dem Schutz der Kirche und ihrer Angehörigen, sowie der Einhaltung von Fei- ertagen und der Einhaltung der Keuschheit. II Cnut erscheint dagegen komplexer: Obwohl hier ebenfalls Kirchenangelegenheiten zum Thema werden, geht es hier vor allem um weltli- che Belange. Da der Einfluss Wulfstans und seiner Wünsche in diesen Gesetzen wie gesagt groß war und es sich primär um eine Kodifizierung der bereits bestehen Gesetzte handelte, ist daher nur schwer zu sagen, wie stark Knut selbst an der Entwicklung dieser Gesetze beteiligt war.12 Interessant erscheint jedoch eine Vermutung Pauline Staffords, wonach es sich bei dem Abschnitt 69-83 in II Cnut, welcher sich vor allem mit der Beseitigung von Missständen be- fasst, vielleicht um eine in diesen Gesetzestext integrierte Krönungsurkunde Knuts handeln könnte. Für die Theorie spricht dabei, dass diese Kapitel thematisch zusammengehören, im Prinzip ohne frühere Parallelen sind und von Knut in der Ich-Form formuliert sind.13 Auf die genannten Gesetze und diese mögliche Krönungsurkunde, sowie deren Bedeutung für die Legitimation Knuts, wird an entsprechender Stelle noch genauer eingegangen. Beziehen wer-

11 Siehe dazu: Dorothy Whitelock, Wulfstan's Authorship of Cnut's Laws. In: The English Historical Review Vol. 70 Nr.274 (Jan. 1955) 72-85. gesamter Artikel, aber v.a. S.73; Patrick Wormald, The making of English law. King Alfred to the twelth century, Band 1 Legislation and its limits (1. publ. in paperback Oxford 2001). S.346; Pauline Stafford, The laws of Cnut and the history of Anglo-Saxon royal promises. In: ASE 10 (1972) 173-190. S.173f; sowie: A.G. Kennedy, Cnut's law code of 1018. In: ASE 11 (1983) 57-81. S.58-66, am Ende dieses Ar- tikels findet sich außerdem der Gesetzestext: S.71-81. 12 Siehe zu I und II Cnut: Lawson, Cnut S.61f, Stafford, royal promises S.175; Wormald, Making of english law S.349; Edition und Übersetzung der Gesetzestexte in: Felix Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen. Bd.1 Text und Übersetzung (Halle a. S. 1903). I Cnut: S.278-307, II Cnut: S.308-371; sowie ausschnittsweise in eng- lischer Übersetzung bei: Dorothy Whitelock, David Douglas (Hg.), English Historical Documents. Bd.1 c.500 – 1042 (London 1961). Nr.50 S.419-430 (im Folgenden zitiert als: Whitelock, EHD). 13 Stafford, royal promises S.177-179.

10 de ich mich außerdem ebenfalls auf verschiedene Gesetzestexte Æthelreds, wie beispielsweise VIII Æthelred.14 Erhalten sind außerdem zwei Briefe Knuts aus den Jahren 1019/20 und 1027,15 welche er während verschiedener Reisen nach England schickte. Ersterer wurde wahrscheinlich wäh- rend seiner Reise nach Dänemark am Ende des Jahres 1019, oder zu Beginn des darauffol- genden Jahres verfasst. Das Amen am Ende des Briefen deutet darauf hin, dass er gepredigt wurde und da er am Ende der sogenannten "York Gospels" zusammen mit anderen Texten Wulfstans erhalten ist, lässt sich vermuten, dass der Brief dazu gedacht war, an den shire courts16 verlesen zu werden. Anschließend wurde er dann von Wulfstan als Predigt aufgear- beitet und ist uns nun in dieser Form erhalten geblieben. Der Brief berichtet von Knuts Reise nach Dänemark und der Beseitigung einer Gefahr für England durch ihn. Obwohl es sich da- bei höchstwahrscheinlich um die Hauptbotschaft gehandelt hat, beginnt das Dokument mit religiösen Belangen, wobei Knut hier vor allem verspricht, ein guter, gerechter König zu sein und die Rechte der Kirche zu schützen.17 Der zweite Brief des Jahres 1027, ist uns in der Chronik des John von Worcester erhalten, wozu er von ihm wahrscheinlich aus dem Angelsächsischen ins Lateinische übersetzt wur- de.18 Der Brief wurde während Knuts Romreise auf die Insel geschickt und ist daher eine wichtige Quelle zu dieser Pilgerreise, sowie zu Knuts Beziehung zu Kaiser Konrad II. und seinen Kriegen in Skandinavien, welche der Romreise vorrangegangen waren.19 Eine weitere wichtige Quelle sind schließlich die Urkunden Knuts, von denen uns jedoch nur noch 36 erhalten sind. Aufgrund der Zeugenlisten, sind eine gute Quelle zu Knuts Gefolgsleu- ten, deren Stellung und eventuell sogar ihrer Karriere. Da sie größtenteils aufgrund von Land- schenkungen und der Verleihung anderer Privilegien durch den König ausgestellt wurden, bieten sie außerdem Hinweise auf den königlichen Besitz und vor allem zur Patronage

14 Siehe zu den Gesetzestexten Aethelreds ebenfalls: Liebermann, Gesetze S.216-269. 15 Beide Briefe finden sich bei: Liebermann, Gesetze: Brief von 1020: S.273-275, Brief von 1027: S.276f; sowie bei: Whitelock EHD Nr.48 und 49 S.414-418. 16 Zum Begriff des shire courts siehe: Patrick Wormald, "Courts". In: Michael Lapidge (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England (Oxford u.a. 1999). S.126f; sowie: Simon Keynes, "Shire". ebenfalls in: Lapidge, The Blackwell Encyclopaedia S.420-422. 17 Siehe zu diesem ersten Brief: Lawson, Cnut S.63f; sowie das einleitende Kommentar zu diesem Brief in: Whi- telock, EHD Nr.48 S.414. 18 John of Worcester datiert die Romreise und den Brief aber (wahrscheinlich) fälschlicherweise in das Jahr 1031, siehe zum Brief in seiner Chronik außerdem: Reginald Darlington (Hg.), The chronicle of John of Worcester. The annals from 450 to 1066 (Bd. 2, Oxford medieval texts, Oxford 1995). S.512-519 (im Folgenden zitiert als Darlington, JW). 19 Lawson, Cnut S.64; sowie abermals das Kommentar in: Whitelock, EHD Nr. 49 S.416.

11 Knuts,20 wobei letzteres am ehesten für die Legitimation Knuts relevant ist, was sich beson- ders in den Kapiteln zu Knut und den Heiligenkulten, sowie in jenem zu seinen Stiftungen zeigen wird. In dieser Arbeit werde ich dabei neben anderen, vor allem auf eine Urkunde Knuts bezüglich einer Schenkung einer goldenen Krone und des Hafens von Sandwich an die Christ Church Canterbury, genauer eingehen.21 Hinzutritt weiters die Quellengattung der writs, - jener in Volkssprache abgefassten administ- rativen Briefen, welche durch ein Siegel als entscheidendes Kennzeichen königliche Autorität erhielten und die von den Urkunden zu unterscheiden sind.22 Wichtig ist an dieser Stelle, dass uns kein Siegel Knuts erhalten ist, er jedoch höchstwahrscheinlich eines führte. Interessant ist dabei eine Theorie Bresslaus bezüglich der Gestaltung des Siegels Knuts,23 auf die ich weiter unten zu sprechen kommen werde. Florence Harmer legt außerdem nahe, dass es sich auch bei den zwei bereits angesprochenen Briefen, ursprünglich um writs gehandelt hat und auch Æthelred seine Verhandlungen zu seiner Rückkehr aus dem Exil ebenfalls in writ-Form führ- te.24 Eine zentrale Persönlichkeit am Beginn des zweiten Jahrtausends nach Christus, war der be- reits genannte Erzbischof Wulfstan, Patrick Wormald bezeichnet ihn neben Alfred dem Gro- ßen und Beda sogar als einer der "Gestalter Englands".25 Er hatte nicht nur Einfluss auf die Gesetzgebung Æthelreds und Knuts, sondern verfasste auch viele Predigten und andere politi- sche Werke. Er selbst hatte einen besonders starken Wunsch nach Frieden und wollte diesen auch durch eine gerechte und gottgefällige Gesetzeslage verwirklichen, woraus sich auch sei- ne Bemühungen auf diesem und dem Gebiet der Politik erklären. Es lässt sich dabei auch ein Einfluss der zu dieser Zeit am Kontinent berühmten Gottesfriedensbewegung erkennen.26

20 Lawson, Cnut S.65f. 21 S 959: Nicholas Brooks, S.E. Kelly (Hg.), Charters of the Christ Church Canterbury (forthcoming). Online zugänglich: Nicholas Brooks, David Pelteret (The British Academy, Royal Historixal Society's Anglo-Saxon Charters resaerch projekt), Kemble. Anglo-Saxon Charters. The British Academy Anglo-Saxon Charters Series. http://www.trin.cam.ac.uk/kemble/pelteret/Ccc/Ccc%20151.htm Zugriff: 21.01.2012, 18:00. 22 Siehe dazu die Edition der erhaltenen writs von: Florence Harmer (Hg.), Anglo-Saxon writs (The Ward be- quest, Manchester 1952). S.1, zur Volkssprache: S.6; außerdem: Lawson, Cnut S.65f. 23 Harmer, Anglo-Saxon writs S.17f. 24 Harmer, Anglo-Saxon writs S.16f. 25 Patrick Wormald, Archbishop Wulfstan: Eleventh-Century State-Builder. In: Matthew Townend (Hg.), Wulfstan, Archbishop of York. The proceedings of the Second Alcuin Conference (Studies in the early Middle Ages 10, Turnhout 2004) 9-27. S.25. 26 Wormald, Archbishop Wulfstan S.17; siehe zu Wulfstan und seinem Wirken außerdem: Matthew Townend, Introduction. In: Matthew Townend (Hg.), Wulfstan, Archbishop of York. The proceedings of the Second Alcu-

12 Unter seinen Werken sind - neben den Gesetzen - besonders zwei Werke von großer Wichtig- keit: sein Sermo Lupi ad Anglos27, sowie seine Institutes of Polity, Civil and Ecclesiastical.28 Von seiner erstgenannten Predigt sind immerhin fünf Abschriften auf uns gekommen, was wohl auch auf seine Bedeutung unter den Zeitgenossen schließen lässt. 29 In diesem Werk prangert er vor allem die schlechten Verhältnisse in England zur Zeit der Wikingereinfälle und den zunehmenden moralischen Verfall an. Das Werk, in dem der Zusammenbruch der sozialen Ordnung und das Chaos der Zeit deutlich werden, 30 wurde dabei von Wulfstan auch immer wieder adaptiert und verändert, um es so auch unter Knut weiterzuverwenden und wei- terhin Frieden und eine christliche Lebensweise der Menschen einfordern zu können.31 Sein Werk Institutes of Polity ist uns ebenfalls in verschiedenen Manuskripten und Fassungen überliefert. Eine Datierung erweist sich als schwer, da Wulfstan daran möglicherweise lange geschrieben und immer wieder Ergänzungen vorgenommen hat, jedenfalls entstand die Arbeit kaum vor den Jahren 1008-1010.32 Wulfstan befasst sich darin mit dem Wesen und den Pflichten verschiedener "Ämter" und Bevölkerungsgruppen, beziehungsweise aller Christen, angefangen mit jenem des Königs, was für meine Arbeit von besonderer Wichtigkeit sein wird. Anschließend geht Wulfstan im Sinne einer sozialen Hierarchie (in der folgenden Rei- henfolge) auf die Pflichten der Bischöfe, Earls, Priester, Geistlichen (Messpriester und Dia- kone), Äbte, Mönche, Kanoniker und Nonnen, Laien und Witwen und schließlich der Men- schen überhaupt, gegenüber der Kirche ein. Das eben Gesagte trifft dabei vor allem auf die heute überlieferte Haupthandschrift zu, in den anderen verhält es sich jedoch sehr ähnlich.33 Eine weitere zeitgenössische Quelle, auf die ich mich in dieser Arbeit beziehen werde, ist außerdem der Brief des Bischofs Fulbert von Chartres an Knut, in dem sich Fulbert für Knuts großzügige Schenkung bedankt. Der Brief wird normalerweise in das Jahr 1020 datiert, mög- in Conference (Studies in the early Middle Ages 10, Turnhout 2004) 1-8. Wulfstan und sein Einfluss auf Knut wird in dieser Arbeit aber noch ausführlicher zum Thema werden. 27 Edition: Whitelock, EHD Nr.240 S.854-859. 28 Edition: Karl Jost (Hg.), Wulfstan, Die “Institutes of polity, civil and ecclesiastical”. Ein Werk Erzbischof Wulfstans von York herausgegeben von Karl Jost (Schweizer Anglistische Arbeiten 47, Bern 1959). 29 Jonathan Wilcox, Wulfstan's "Sermo Lupi ad Anglos" as Political Performance : 16. February 1014 and Bey- ond. In: Matthew Townend (Hg.), Wulfstan, Archbishop of York. The proceedings of the Second Alcuin Confe- rence (Studies in the early Middle Ages 10, Turnhout 2004) 375-396. S.392. 30 Wilcox, Wulfstans "Sermo Lupi ad Anglos" S.383-387; Alice Cowen, Byrstas and bysmeras: The Wounds of Sin in the Sermo Lupi ad Anglos. In: Matthew Townend (Hg.), Wulfstan, Archbishop of York. The proceedings of the Second Alcuin Conference (Studies in the early Middle Ages 10, Turnhout 2004) 397-411. S.397f, 400f. 31 Wilcox, Wulfstan's "Sermo Lupi ad Anglos" S.394f; Cowen, Wounds of Sin S.411. 32 Jost, Institutes of Polity S.16, 33f. 33 Jost, Institutes of Polity S.16f.

13 lich erscheint jedoch auch das Jahr 1026, da Knut das Geschenkt vielleicht auch im Zuge sei- ner Romreise an Chartres geschickt hat.34 Da es wenig zeitgenössische Quellen zu Knut und seiner Regierungszeit gibt, sind auch späte- re hagiographische und historiographische Quellen wichtig für die Forschung. Zu den wich- tigsten historiographischen Quellen gehört die Gesta Regum Anglorum des William von Malmesbury. Diese im 12. Jahrhundert verfasste Geschichte der englischen Könige, ist uns in vier Versionen und etlichen Manuskripten erhalten, wobei die verschiedenen Fassungen un- tereinander in Verbindung stehen. William, der sicherlich auch eine Version der ASC vorlie- gen hatte, verglich für seine Werke auch die ihm zugänglichen Quellen und äußerte sich auch zu deren Zuverlässigkeit.35 Beispielsweise berichtet uns William von Malmesburys in seiner Gesta Regum Anglorum von dem (angeblichen) Unrecht, das unter Æthelred geherrscht hatte, sowie von dem berühmten Massaker am St. Briccius-Tag. Außerdem äußert er sich auch zu den Hintergründen der Heirat von Knut und Emma, was später noch genauer zur Sprache kommen wird.36 Eine weitere erzählende Quelle des 12. Jahrhunderts, auf die ich mich in dieser Arbeit bezie- hen werde, ist die um 1130 entstandene Historia Anglorum des Henry von Huntington.37 Das Werk wurde von Bischof Alexander von Lincoln in Auftrag gegeben und richtet sich eher an ein weites Publikum. Als Quellen verwendete Henry vor allem Werke Bedas, sowie ebenfalls die ASC. Seine "Geschichte der Engländer" wurde sehr beliebt, woraus sich auch die mehr als 30 heute erhaltenen Manuskripte erklären.38 Seine Relevanz für die Untersuchung zur Legiti- mation Knuts, liegt neben einer allgemeinen Darstellung der Eroberung Englands durch Sven und Knut sowie der Herrschaftszeit des letzteren, besonders in seinem Bericht der berühmten

34 Zu Edition und Übersetzung des Briefs siehe: Frederick Behrends (Hg.), The letters and poems of Fulbert of Chartres (Ocford medieval texts, Oxford 2002) S.66-69; sowie außerdem (inklusive Kommentar): Whitelock, EHD Nr.233 S.825. 35 Edition: Roger Mynors (Hg.), William of Malmesbury. Gesta Regum Anglorum. The History of the english kings (Oxford Medieval Texts; ed. and transl. by R. Mynors. Completed by R. Thomson. Bd.1 Oxford 1998). (im Folgenden zitiert als: Mynors, William of Malmesbury, GR + Seite); siehe dazu auch die Einleitung zur Edition sowie Lawson, Cnut S.72f; Whitelock, Introduction ASC S.XX. 36 Mynors, William of Malmesbury, GR: Aethelreds Ungerechtigkeit: S.276f, St.Briccius-Tag-Massaker S.300f, Hintergründe der Heirat Emma und Knut S.318-321. 37 Diana Greenway (Hg.), Henry of Huntington, Historia Anglorum. The history of the English people (Oxford medieval texts, Oxford 1996). (im Folgenden zitiert als: Greenway, Henry of Huntington HA). 38 Siehe dazu die Einleitung von D. Greenway zur HA in ihrer Edition des Werks: Greenway, Henry of Hunting- ton HA S.LVII-LXI.

14 Geschichte, wie Knut am Strand stehend den Wellen befahl, nicht an seinem Land zu brechen und seine Füße zu berühren.39 Hinzutritt die bereits erwähnte Chronik des John von Worcester,40 welche früher einem ge- wissen Florence zugeschrieben wurde, heute wird jedoch angenommen, dass John für die Kompilation des Werks verantwortlich war. Er erzählt die Geschichte der Menschheit, von der Schöpfung der Welt bis zu seiner Zeit, das heißt bis zur Entstehung des Werks 1140, sein Schwerpunkt liegt jedoch eindeutig auf England ab dem Jahr 450. Neben anderen, ist seine Hauptquelle Bedas Historia Ecclesiastica, sowie ebenfalls die ASC. Erhalten sind uns heute fünf Manuskripte, sowie ein einzelnes Blatt dieser Chronik.41 John berichtet uns unterem an- derem von der Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney, welche eine interessante Epi- sode der Legitimationsbemühungen Knuts darstellt.42 Eine weitere wichtige Quelle ist außerdem der Libellus de exordio atque procursu istius hoc est Dunhelmensis, ecclesie des Symeon von Durham,43 welche heute auch unter der Bezeich- nung Historia Dunelmensis ecclesie bekannt ist. Das Werk enthält sowohl historiographische wie auch hagiographische Elemente und wurde wahrscheinlich im Zeitraum der Jahre 1104- 1115 verfasst. Das Werk ist uns in mehreren Manuskripten erhalten44 und ist vor allem für Knuts Verehrung für den Heiligen Cuthbert, also für seine Patronage dieses Kults und der Kirche in Durham, von einiger Wichtigkeit. Unter den Heiligenviten, welche für die Legitimation Knuts als Quelle herangezogen werden können, wären außerdem die Passio sancti Eadmundi Regis et Martyris des Abbo von Fleury, die Vita Edithe des Goscelin von Canterbury und die anonyme Passio et miracula sancti Eadwardi Regis et Martyris zu nennen.45 Was die kontinentalen Quellen betrifft, so berichtet und Thietmar von Merseburg in der von ihm verfassten Chronik vor allem von den Eroberungszügen Sven Gabelbarts und Knuts - sein Bericht endet jedoch mit seinem Tod 1018. Als Quelle zu Knuts Kontakten zum Römi-

39 Greenway, Henry of Huntington HA S.366-369. 40 Verwendet wurde die bereits zitierte Edition der Chronik des John von Worcester von Reginald Darlington. 41 Siehe dazu die Einleitung zur Chronik in: Darlington, JW S.XVIIf, zu seinen Quellen: S.XIXf. 42 Darlington, JW S.492-495. 43 David Rollason (Hg.), Symeon of Durham. Libellus de exordio atque procursu istius hoc est Dunhelmensis, ecclesie. Tract on the origins and progress of this church of Durham (Oxford medieval texts, Oxford 2000). (im Folgenden zitiert als: Rollason, Symeon of Durham, Libellus + Seite). 44 Siehe dazu die Einleitung zu diesem Werk in: Rollason, Symeon of Durham, Libellus S.XVII-XLIV. 45 Siehe zur Passio sancti Eadmundi: Susan Ridyard, The royal saints of Anglo-Saxon England. A study of West Saxon and East Anglian Cults (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought: Fourth Series 9, Cambridge 1989). v.a. S.63, zur Vita Edithe ebend. S.37-44 und zur Passio s. Eadwardi ebend. S.48-50.

15 schen Reich wäre außerdem noch Adam von Bremen zu nennen, der etwa 40 Jahre nach Knuts Tod schrieb.46 Erwähnt werden muss schließlich noch die Skaldendichtung, bei der es sich um eine schwie- rige Quellengattung handelt und deren Verlässlichkeit oft zweifelhaft erscheint. Trotzdem ergänzen diese in Versform verfassten Gedichte, an manchen Stellen unser Wissen aus ande- ren Quellen, obwohl ebenfalls keines dieser Werke zeitgenössisch ist. Unter den Lobgedich- ten, welche Knut ehrten, wären vor allem zu nennen: Sigvatr þórðarsons Knútsdrápa, Óttar svartis Knútsdrápa, Hallvarðr háreksblesis Knútsdrápa , þórarinn loftungas Hofuðlausn und seine Tøgdrápa, sowie ein Fragment, das wahrscheinlich von Arnórr jarlaskáld stammt. Wei- tere Gedichte, die teilweise als Quelle zu Knut herangezogen werden können, wären die soge- nannte Heimskringla des Snorri Sturluson, sowie Thord Kolbeinssons Eiríksdrápa.47 Ich wer- de mich aufgrund ihrer Komplexität und zum Teil fragwürdigen Glaubwürdigkeit,48 aber nur wenig auf diese Quellengattung beziehen. Ergänzt werden diese schriftlichen Überlieferungen durch Bildquellen, für die Legitimation Knuts ist dabei vor allem das Stifterbild von ihm und Emma im Liber Vitae der New Minster Winchester von Bedeutung - auf den ikonographischen Inhalt wird jedoch erst an entspre- chender Stelle genauer eingegangen. Eine bemerkenswerte Bildquelle ist außerdem das Eröff- nungsbild des Encomiums, welches eine gekrönte und inthronisierte Emma zeigt. Da uns das Bild in einer Abschrift des Encomium Emmae Reginae erhalten und daher auch im Kontext dieser Lobschrift zu verstehen ist, hat es leider kaum einen Aussagewert für die Legitimation Knuts, weshalb in dieser Arbeit auch nicht ausführlicher darauf eingegangen werden kann.49 Hinzu kommen weiters ein Bild zu sogenannten "heiligen Fünfheit" im Gebetsbuch des Abtes Ælfwine von Winchester,50 sowie eine Darstellung der Krönung Marias zur Königin des

46 Siehe dazu: Lawson, Cnut S.73; in dieser Arbeit verwende ich folgende Edition der Chronik von Thietmar: Werner Trillmich (Hg.), Thietmar von Merseburg, Chronik (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 9, Darmstadt 2011). (im Folgenden zitiert als: Trillmich, ThM Chronik). 47 Sie dazu vor allem: Matthew Townend, Contextualizing the Knútsdrápur: skaldic praise-poetry at the court of Cnut. In: ASE 30 (2001) 145-179. S.145; Roberta Frank, King Cnut in the verse of his skalds, In: Alexander Rumble (Hg.), The Reign of Cnut. King of England, Denmark and Norway (London 1999) 106 - 124. S.107f; sowie auch: Lawson, Cnut S.74f. 48 Frank, King Cnut in the verse of his skalds S.107. 49 Siehe zu beiden Bilders vorerst allgemein: Catherine Karkov, The ruler portraits of Anglo-Saxon England (Woodbridge 2004). S.119-156; Genauere bibliographische Referenzen zum Stifterbild, erfolgen weiter unten im Zuge der genaueren Auseinandersetzung mit diesem. Siehe zu diesen beiden und den folgenden Bildern außer- dem den Bildanhang. 50 Pauline Stafford, Emma: The Powers of the Queen in the Eleventh Century. In: Anne Duggans (Hg.), Queen and Queenship in medieval Europe (Woodbridge 2002) 3-26. S.13f.

16 Himmels im Benediktionale des Bischofs Æthelwold von Winchester.51Erwähnung wird im Zuge der Auseinandersetzung mit dem englischen Königtum des Weiteren auch eine Darstel- lung König Edgars auf einer Urkunde der New Minster Winchester finden.52 Abschließend gilt es nun noch ein paar Worte über die Münzen Knuts zu sagen, welche den bis jetzt besprochenen Quellenbestand vervollständigen. Aus Knuts Regierungszeit sind uns drei Münztypen bekannt: Quatrefoil, Pointed Helmet und Short Cross. Sicher ist, dass die Münzen in dieser Reihenfolge in Umlauf waren, unklar ist jedoch ihre genaue Datierung. In der Regel werden jedoch folgende Umlaufzeiten angenommen: Quatrefoil als ersten Münztyp Knuts von 1017-1023, gefolgt von Pointed Helmet im Zeitraum der Jahre 1023-1029 und schließlich Short Cross, der von 1029-1036 ausgegeben wurde.53 Für die Legitimation Knuts scheinen jedoch nur Quatrefoil und Pointed Helmet Bedeutung zu haben, worauf ich jedoch noch genauer eingehen werde. Nach dieser Zusammenschau über die relevanten Quellen, die in diesem Kapitel geleistet wurde, wird es nun in den folgenden Abschnitten notwendig werden, eine Überblick über die Vorgeschichte, welche langfristig zu Knuts Herrschaft als englischer König geführt hatte, zu bieten.

4 England und die Wikingerangriffe vor dem Jahr 1016

Um die Herrschaft Knuts in England verstehen und analysieren zu können, ist es zuerst not- wendig, die dem Jahr 1016 vorangehenden Ereignisse und Entwicklungen zu erläutern, sodass die Voraussetzungen, welchen Knut bei seinem Herrschaftsantritt gegenüberstand, klar vor Augen liegen. Begonnen werden muss eine solche Vorschau im Prinzip am Ende des 8. Jahrhunderts, wäh- rend der Herrschaft König Beorthrics von Wessex, als die Wikingerangriffe auf England mit der Plünderung des Klosters Lindisfarne 793 ihren Anfang nahmen.54 In den folgenden Jahr-

51 Stafford, Emma and Edith S.172-174. 52 Roy Strong, Coronation. From the 8th to the 21th century (London 2006). S.21f. 53 Lawson, Cnut S.197f; Zu den Münztypen Quatrefoil und Pointed Helmet siehe außerdem Abb.7 a und b. 54 Christian Uebach, Die Landnahmen der Angelsachsen, der Wikinger und der Normannen in England. Eine vergleichende Analyse (Marburg 2003). S.72; Peter Hunter Blair, An introduction to Anglo-Saxon England (Cambridge 1977). S.55.

17 zehnten kam es zu weiteren Angriffen auf England und zur Eroberung der meisten englischen Königreiche, bis schließlich nur noch Wessex als Hauptgegner der Wikinger standhielt. Erst König Alfred der Große von Wessex, der seinem Bruder Æthelred 871 auf den Thron gefolgt war, konnte den Wikingerarmeen wirkungsvoll Widerstand leisten und es gelang die Einrich- tung eines dänischen Siedlungsbezirks: das Danelag. Alfred der Große – der auch aufgrund seiner immensen kulturellen Leistungen, als wahrscheinlich bedeutendster angelsächsischer König gesehen werden darf – konnte damit den Grundstein für die Vereinigung der einzelnen Königreiche zu einem geeinten England legen.55 Während der Regierungszeit König Æthelreds II. kam es schließlich zu einem erneuten Ein- setzen der Wikingerangriffe, wobei der erste Plünderungszug 980 Southampton verheerte.56 In den Folgenden, von verschiedenen Machthabern aus dem skandinavischen Raum geführten Angriffen, begann ab 990 der Dänenkönig Sven Gabelbart (dänisch: Sveinn Tjúguskegg57) – der Vater Knuts - eine immer zentralere Position einzunehmen. Diese Wikingerangriffe des späten 10. Jahrhunderts gründeten – wie bereits jene der ersten Welle - vor allem auf dem großen Reichtum des etwa 2 Millionen Menschen umfassenden Landes. England, das zu dieser Zeit auch bereits sehr fortschrittlich organisiert und größten- teils unter den westsächsischen Königen vereint war, stellte aber auch ein attraktives Sied- lungsgebiet für Menschen aus dem skandinavischen Raum dar, welche sich vor allem wäh- rend der ersten Phase der Wikingerangriffe im 9. Jahrhundert auf der Insel niedergelassen hatten.58 Erwähnenswert ist deshalb auch das sogenannte „Danelaw“ (oder „Danelag“) – eine skandinavische Siedlungszone sowie eigener Rechtsbezirk, der sich von Yorkshire bis ins östliche Mercia erstreckte. Die Angelsachsen lebten aber nicht nur in einem von hauptsächlich dänischen Siedlern und durch starke Handelskontakte zum skandinavischen Raum geprägten Umfeld, sie hatten auch selbst zum Teil dänische und andere skandinavische Wurzeln. Zeug- nisse dafür und auch für eine Vermischung der verschiedenen Kulturen sind beispielsweise die Ausgrabungen in Sutton-Hoo. Die Fusionen – die durch die Ähnlichkeiten beider Kultu-

55 Siehe dazu unter anderem: Jürgen Sarnowsky, England im Mittelalter (Darmstadt 2002). S.35-39; Blair, Intro- duction S.72-80; zum Danelag siehe auch: N.J. Higham, "Danelaw". In: Michael Lapidge (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England (Oxford u.a. 1999). S.136f; zur Regierungszeit Alfreds siehe außerdem: B.A.E. Yorke, "Alfred the Great". In: Lapidge, Blackwell Encyclopaedia S.27f. 56 Zum dänischen Namen Svens siehe: Timothy Bolton, The Empire of (The northern world 40, Leiden 2008). S.9. 57 Bolton, Empire of Cnut S.9. 58 Ian Howard, Swein Forkbeard's invasions and the Danish conquest of England 991-1017 (Woodbridge 2003). S.2, 16; Ann Williams, Æthelred the Unready. The ill-counselled King (London 2005). S.46.

18 ren erleichtert wurden -, zeigen sich aber auch durch die Analyse von Ortsnamen, sowie in Kunst, Sprache und Folklore.59 An der Spitze dieser streng hierarchisch geprägten, englischen Gesellschaft – die Ian Howard sogar als Oligarchie beschreibt60 – stand ein einflussreicher Monarch, ab 978 König Æthelred II. Da er für die Legitimation Knuts eine wesentliche Rolle spielte, ist es wichtig, seine Herr- schaft und deren Aspekte im Folgenden kurz zu umreißen, wobei es in diesem Zusammen- hang auch notwendig sein wird, die Ereignisgeschichte weiter zu betrachten. Kennzeichnend für Æthelreds Herrschaft ist, dass sie keinen guten Anfang nahm: Nach dem Tod seines Vaters Edgar 975, war Æthelred – als Kind von sieben oder acht Jahren, vertreten von seiner Mutter Ælfthryth – als Verlierer aus den Thronstreitigkeiten mit seinem ebenfalls minderjährigen Halbbruder Edward, der unter anderem Erzbischof Dunstan zu seinen Befür- wortern zählte, hervorgegangen. Im Jahr 978, als Æthelred etwa zehn Jahre alte gewesen sein dürfte, wurde sein Bruder Edward in Corfe in Dorset ermordet, als er seinen Halbbruder und dessen Mutter besuchte. In der Folge konnte Æthelred als sein Nachfolger den Thron bestei- gen. Die Ereignisse die zum Tod Edwards geführt hatten, blieben ungeklärt, ein Mörder wur- de nie gefunden und es kamen sogar Gerüchte auf, dass die Mutter des neuen Königs, Ælfthryth, am Mord beteiligt gewesen war, um ihrem Sohn den Thron zu sichern. Der Mord blieb schließlich von Gerüchten überschattet – unter anderem deshalb weil nie ein Mörder gefunden oder bestraft wurde -, Edward wurde bald zum Märtyrer erklärt und als Heiliger verehrt und Æthelred - das Kind - trat seine von Anfang an schwierige Herrschaft über Eng- land an.61 Bis heute wird Æthelred – so zum Beispiel im Lexikon des Mittelalters - als der „desaströseste König“ des angelsächsischen Englands bezeichnet62, tatsächlich hatte er an- scheinend bereits zu Lebzeiten keinen guten Ruf. Der auffallendste Hinweis darauf ist sein möglicherweise zeitgenössischer Beiname: „Unræd“. "Unræd" - aus dem durch eine Fehl- übersetzung "Unready" wurde - bedeutete im Altenglischen "bad council" oder "no counsel", also "schlechter Rat". Sein Vorname Æthelred dagegen, kann mit "good counsel" oder "noble counsel", also "edler" beziehungsweise "guter Rat" übersetzt werden. Zusammengesetzt ergibt

59 Lawson, Cnut S.1-4; Craig Nakashian, "Aethelred the “Unready”, king, 978-1016", In: International Encyclo- paedia for the Middle Ages-Online. A Supplement to LexMA-Online. Turnhout: Brepols Publishers ( 2007), In: Brepolis Medieval Encyclopaedias (15. November 2010, 20:00).; zum Danelaw siehe außerdem: Higham, "Danelaw". In: Lapidge (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia S.136f; Blair, Introduction S.57; zu den Gemeinsamkeiten in der Kultur außerdem: Sarnowsky, England im Mittelalter S.47. 60 Howard, Swein Forkbeard's invasions S.12. 61 Lawson, Cnut S.40; Williams, Æthelred S.6-17; Nakashian, 'Aethelred the “Unready. 62 Nakashian, Aethelred the “Unready”.

19 das also „nobler Rat, kein Rat“.63 Hinzu kommt, dass uns der Beiname auch einen Hinweis darauf gibt, dass für einen König die Berater sehr wichtig waren und er auf deren Rat ange- wiesen war, ja er ohne sie gar nicht hätte regieren können.64 Bedeutend waren in diesem Zu- sammenhang aber auch die Verwandtschaft und die mannigfaltigen Verwandtschaftsbezie- hungen, die den König in die Gesellschaft und die Aristokratie einbanden. Aus diesen wech- selseitigen Beziehungen wird deutlich, dass das frühmittelalterliche Königtum einen Kom- promiss zwischen dem König und seiner Nobilität darstellte.65 Ein besonderes Problem der Regierungszeit Æthelreds, waren auch die sich auflösenden ge- sellschaftlichen Bindungen und der damit einhergehende moralische Verfall, den auch Erzbi- schof Wulfstan von York in seinem Werk „Sermo Lupi ad Anglos“ anprangerte.66 So schreibt Wulfstan – der Wolf – in seiner genannten Predigt „The Sermon of the Wolf to the English“ beispielsweise, dass ein Angehöriger seine Verwandten heute kaum mehr beschützt, als wäre er ein Fremder.67 John von Worcester nennt in diesem Zusammenhang sogar Ver- rat.68 Für Æthelred bedeutete das einen Mangel an Loyalität, der ihm bei der Abwehr Sven Gabelbarts teuer zu stehen kommen sollte. Als Grund für Æthelreds Unbeliebtheit wird auch oft angegeben, dass er sich scheinbar berei- cherte, wo es ihm gerade gefiel – so berichtet es uns beispielsweise William von Malmesbury - und seine Herrschaft damit durch Ungerechtigkeit gekennzeichnet war. Besonders deutlich wird das in den Werken Erzbischof Wulfstans von York, der insbesondere in seinen „Institu- tes of polity, civil and ecclesiastical“ und in seinem genannten „Sermo Lupi ad anglos“ wie- derholt Unrecht anprangert und folglich Gerechtigkeit fordert.69 Als größter Fehler und als ein Hauptgrund für seinen schlechten Ruf, wird jedoch Æthelreds Umgang mit den Wikingerangriffen angegeben. Konnte ein König Alfred der Große die plün- dernden Heiden noch kämpfend vertreiben, so verließ Æthelred sich auf Tributzahlungen, um den Feind zum Abzug zu bewegen. Erwähnt werden muss an dieser Stelle noch, dass Æthel-

63 Lawson, Cnut S.46; Williams, Aethelred S.19. 64 Williams, Æthelred S.19. 65 Ryan Lavelle, Aethelred II. King of the English (Stroud 2008). S.18. 66 Sarnowsky, England im Mittelalter S.45. 67 Williams, Æthelred S.123; Wulfstan, The Sermon of the Wolf to the English. In: Dorothy Whitelock, David Douglas (Hg.), English Historical Documents. Bd.1 c.500 – 1042 (London 1961). Nr. 240, 854-859, S.856; Whitelock übersetzt: “Now too often a kinsman does not protect a kinsman any more than a stranger,...”. 68 Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.104; Lawson, Cnut S.46. 69 Lawson, Cnut, S.42-44; Jost, Die “Institutes of polity, civil and ecclesiastical”; Whitelock, EHD Nr. 240 S.854-859; zum Bericht von William of Malmesbury siehe außerdem: Mynors, William von Malmesbury, GR S.276f.

20 reds (heutiger) Ruf stark auf den Beschreibungen seiner Herrschaft in den Versionen C,D und E der ASC gründet. Diese Versionen sind aber zwischen 1016 und 1023 entstanden – zu einer Zeit also, als dem Autor der Ausgang der Ereignisse bereits bekannt war und es leicht war, zu sagen, dass man dieses oder jenes hätte besser machen können.70 Obwohl es auf lange Sicht tatsächlich ein schwerwiegender Fehler war, die Wikingertruppen durch Tributzahlungen zum Abzug zu bewegen, war es für den Augenblick meist tatsächlich die bessere Lösung, da es billiger war, als ein riesiges Heer aufzustellen und zusätzlich ermöglichte, (englisches) Leben zu verschonen.71 Bevor es zur Ereignisgeschichte zurückzukehren gilt, muss noch erwähnt werden, dass die Regierungszeit von Æthelreds Vater Edgar („dem Friedfertigen“) als goldenes Zeitalter für England angesehen wurde. Æthelred schließlich erbte ein vergleichsweise starkes und stabiles Königreich und gleichzeitig die Last, von einer starken und angesehenen Dynastie – wie sie sein Vater so glanzvoll vertreten hatte – abzustammen. Auch wenn ein solches Erbe auch als Vorteil angesehen werden kann, scheint es gerade für Æthelred nicht zuträglich gewesen zu sein.72 Tatsächlich scheint es auch nicht so sicher, ob Æthelred bereits unter den Zeitgenossen einen durchwegs schlechten Ruf hatte. Simon Keynes konnte anhand einer Analyse nicht- historiographischer Quellen (vor allem der Urkunden) zeigen, dass sich eine Einteilung der Herrschaft Æthelreds in vier Perioden anbietet: Beginnend mit einer Phase der Oberaufsicht durch die Mutter und andere wichtige Persönlichkeiten, scheint seine Regierungszeit an- schließend in eine "Periode jugendlicher Unbesonnenheit" übergegangen zu sein, in der sich Æthelred von seinen vormaligen "Aufsichtspersonen" gelöst und eigene, skrupellose Berater herangezogen hatte. Besonders in dieser Phase von 984-993, scheint es viel Unrecht und Fehl- tritte - insbesondere gegenüber der Kirche - gegeben zu haben, die ihm später den Beinamen "Unread" eingebracht hatten. Auf diese, folgte schließlich eine Periode ausgesprochener Prosperität, - Simon Keynes setzt sie für die Jahre von 993-1006 an - in der es unter Mitwir- kung angesehener kirchlicher Berater gelungen war, England unter gefestigten Verhältnissen zu einigermaßen großem Wohlstand zu bringen, bevor Æthelreds Herrschaft schließlich nach einer langen Phase des Untergangs, unter ständiger Bedrohung durch die Wikinger, ein Ende

70 Zur Retrospektive der ASC siehe: Williams, Aethelred S.50. 71 Williams, Æthelred S.46; Lawson, Cnut S.35f. 72 Lavelle, Aethelred S.29; Williams, Æthelred S.X.

21 fand.73 Es scheint daher als ob Æthelred zwar zumindest zeitweise ein erfolgreicher Regent war, sich jedoch durch verschiedene Aktionen und Handlungsweisen (wie die Aneignungen von Land und seinem Umgang mit den Wikingerangriffen) auch einen negativen Ruf ange- eignet hatte (auf den Knut vielleicht später aufbauen konnte?), der aber gerade unter der Ret- rospektive späterer Chronisten und Geschichtsschreiber zusätzlich aufgeblasen wurde und so auch die Gründe für diesen Ruf überbewertet wurden.74 Ausschlaggeben dafür war sicherlich auch die angesprochene letzte Phase seiner Herrschaft, in der die allgemeine Loyalität und der Zusammenhalt immer mehr schwand und Æthelred die Zügel immer mehr entglitten. Seine Untätigkeit in dieser letzten entscheidenden Phase, wurde später oft als Faulheit und Inkom- petenz interpretiert, dürfte tatsächlich jedoch auf seine Krankheit zurückzuführen sein, die ihn von größeren Anstrengungen und damit einem effektiven Eingreifen abhielt.75 Auf die Ent- wicklungen bis zum Ende seiner Herrschaft und der endgültigen Thronfolge Knuts, möchte ich daher im Folgenden genauer eingehen. Wie bereits erwähnt, beginnt Sven Gabelbart ab 990 eine Führungsposition in den wikingi- schen Plünderungszügen einzunehmen, die ab diesem Zeitpunkt fast jährlich stattfanden. Die erste Tributzahlung in Höhe von 10.000 Pfund wurde nach der Schlacht von Maldon 991 an die Wikinger ausbezahlt, die nächste höhere Summe erhielten die Angreifer nach den Plünde- rungen 993/994 (16.000 Pfund). 994 kommt es außerdem zu einem Vertragsabschluss, wo- nach die Wikingerarmee im Gegenzug für die Tributzahlung ergänzt durch Verpflegung Eng- land gegen andere plündernde Truppen zu verteidigen hatte. Sven selbst war zumindest 995 jedoch wieder in Dänemark, um von Erik von Schweden den dänischen Thron zurückzuero- bern, den er zwischenzeitlich an ihn verloren hatte.76 Für die Jahre 997 bis 999 bezeugen die Versionen C,D,E der ASC Probleme mit der Wikingerarmee in England und verzeichnen für das Jahr 1000 schließlich deren Abfahrt Richtung Normandie, die wegen der dort siedelnden Skandinavier als "sicherer Hafen" für Wikingerarmeen angesehen wurde.77 Bereits 1001 kehrt die Armee jedoch zurück, und es kam wiederum zu Plünderungen, sodass es laut der ASC

73 Simon Keynes, The Diplomas of King Aethelred "The Unready" 978-1016. A study in their use as historical evidence (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, Third Series, Vol. 13 Cambridge 1980). S.163-228; sowie: Ridyard, royal saints S.163f. 74 Zu seinem zunehmend schlechten Ruf unter späteren Geschichtsschreibern siehe: Stafford, Unification and Conquest S.59f. 75 Lavelle, Aethelred S.172f. 76 Lawson, Cnut S.23;Williams, Æthelred S.46f; umfassende Darstellungen zum Verlauf der Plünderungszüge unter Sven Gabelbart beziehungsweise während der Regierungszeit Æthelreds: Howard, Swein Forkbeard’s invasions; Williams, Æthelred. 77 Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.52; Nakashian, Aethelred the “Unready” .

22 1002 zu einem Friedensschluss und einer Tributzahlung in Höhe von 24.000 Pfund kam.78 Diese Ereignisse dürften die englische Aristokratie und den König des Weiteren sehr beunru- higt haben, was in gesteigerten politischen Kontakten zur Normandie während des letzten Jahrzehnts des 10. Jahrhunderts zum Ausdruck kam, durch welche Æthelred hoffte, die Un- terstützung, welche die Wikinger bei ihren Landsleuten in der Normandie erhielten, einzu- schränken. Diese politischen Aktivitäten gipfelten schließlich 1002 in der Verheiratung Em- mas von der Normandie, Schwester des Herzogs der Normandie Richard II., mit Æthelred.79 Noch im selben Jahr gab König Æthelred den Dänen jedoch erneut einen Grund, England anzugreifen: nach Gerüchten über seinen geplanten Sturz und eine Übernahme der Regierung, ordnete er für den St.-Briccius-Tag (13. November) an, dass alle Dänen in England getötet werden sollten.80 Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass damit alle angeheuerten wikingi- schen Söldner, und nicht allgemein alle im Danelag ansässigen Dänen gemeint waren, da ein Massaker an all jenen – wie Jürgen Sarnowsky sicherlich richtig bemerkt – im skandinavisch- dänisch geprägten England ohnehin nicht möglich gewesen wäre.81 Das Massaker wird jeden- falls in vielen Quellen, wie bei William von Jumièges, Williams von Malmesbury und Henry von Huntingdon, zum Thema, wobei vor allem William von Malmesbury das blutige Ereignis als Grund für Svens Angriff auf England im darauf folgenden Jahr angibt. Er berichtet als ursächlich im Zusammenhang damit stehend auch davon, dass Svens Schwester Gunnhild und deren Familie bei dem Massaker den Tod gefunden haben sollen.82 In den Jahren 1004 und 1006 kam es dann abermals zu Plünderungen, wobei auch hier wie- derum mindestens 36.000 Pfund nötig waren, um die Wikinger zum Abzug zu bewegen.83 Im August 1009 kam neuerlich eine Armee nach England, die gerne als die „immense raiding army“ bezeichnet wird. Sie stand unter dem Kommando von Thorkell the Tall (dänisch: "Thorkell inn hávi"), wobei nicht ganz klar ist ob sein Angriff auf England von Sven ange- ordnet oder nur toleriert wurde. 1011 hatten sich die Engländer zu einer neuerlichen Tribut- zahlung von 48.000 Pfund durchgerungen. Übergeben wurde die Summe 1012, wobei zwar

78 Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.61. 79 Nakashian, Aethelred the “Unready”; Williams, Æthelred S.54. 80 Whitelock, ASC CDE. 81 Lavelle, Aethelred S. 104-109; Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.61; Sarnowsky, England im Mittelal- ter S.46; Williams, Æthelred S.53. 82 Auch wenn William of Malmesbury mit den Jahreszahlen durcheinander gerät, wird angenommen, dass die Darstellung die Abfolge der Ereignisse korrekt wiedergibt, Williams, Æthelred S.53f; Mynors, William of Mal- mesbury, GR S.300f; zum Tod der Schwester ebenfalls: Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.61; Sarnowsky, England im Mittelalter S.46. 83 Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.72-76.

23 ein Großteil des Wikingerheeres abzog, Thorkell jedoch mit 45 Schiffen unter dem Komman- do Æthelreds blieb, der ihn und seine Mannen zur Verteidigung England verpflichtet hatte. Dieser Verrat und die Tatsache, dass Thorkell in seiner neuen Machtposition auch eine poten- tielle Gefahr für Sven als König von Dänemark darstellte, war wahrscheinlich der Grund für dessen Invasion im Jahr 1013, welche schließlich zur Eroberung Englands führen sollte. Das Encomium Emmae Reginae gibt den Verrat Thorkells jedenfalls als direkten Grund für den Invasionszug Svens 1013 an.84 An dieser Stelle ist es auch nötig danach zu Fragen, ab wann tatsächlich der Plan einer Erobe- rung Englands bestanden hatte, beziehungsweise ob dieser schon ab Beginn des Invasions- zugs von 1013 feststand. Dafür, dass Sven eine Eroberung des Landes schon früh geplant hat- te, sprechen die zahlreichen diplomatischen Kontakte, die dem Feldzug vorangingen. Verbin- dungen gab es zweifellos zu Northumbrien unter Ealdorman Uhtred, sowie zum Danelaw und Lindsey. Rege Kontakte muss es auch zu einer weiteren, sehr einflussreichen englischen Fa- milie dieser Zeit gegeben haben, da Knut wahrscheinlich unmittelbar nach der Ankunft der Armee in England Ælfgifu von Northhampton, Tochter von Ealdorman Ælfhelm, heiratete. Wie weit diese diplomatischen Kontakte gereicht haben mögen, immerhin lief fast halb Eng- land, bereits kurz nach seiner Ankunft, zum Dänenkönig über, wie uns die Angelsachsen- chronik für das Jahr 1013 berichtet. Außerdem stellten Sven die bereits unterworfenen Gebie- te weitere Truppen zur Verfügung, was ihm die Eroberung auch noch des restlichen Landes enorm vereinfachte.85 Während des folgenden Eroberungszugs Svens quer durch England, blieb Knut bei den Schiffen in Gainsborough, um eine sichere Kontrolle über die nördlichen Provinzen zu erlangen und deren Loyalität zu sichern, sowie Proviant und Nachschub für sei- nen Vater zu organisieren. Nennenswerten Widerstand erfuhr Sven nur in London, wo sich laut ASC auch König Æthelred und Thorkell befanden. Nachdem Sven jedoch das gesamte restliche Land unterworfen hatte und als neuer König anerkannt wurde, ergaben sich auch die Londoner, weil sie – wie uns die ASC berichtet - Angst vor einer Zerstörung der Stadt hat- ten.86 Æthelred floh daraufhin mit seiner Familie ins Exil in die Normandie und überließ Sven damit den Thron. Nachdem Sven Gabelbart über mehr als ein Jahrzehnt viel Macht als Inva-

84 Simon Keynes, Cnut’s earls. In: Alexander Rumble (Hg.), The Reign of Cnut. King of England, Denmark and Norway (London 1999) 43 - 88. S.54f; Howard, Swein Forkbeards invasions S.98; siehe dazu im Encomium Emmae Reginae: EER S.10f. 85 Howard, Swein Forbeard’s invasions S.104-110; Williams, Æthelred S.118; Whitelock, ASC S.92. 86 Howard, Swein Forkbeard’s invasions S.113-118; Whitelock, ASC S.92f.

24 sor über England ausüben konnte, war ihm dies als König aber nicht mehr vergönnt, denn die ASC vermerkt für den 3. Februar 1014 „das glückliche Ereignis“ seines Todes.87 In der Folge konnte Æthelred aus seinem Exil – „das wohl ewig gedauert hätte, wäre Sven nicht so schnell gestorben“88 – zurückkehren, und Knut, der vom Heer zum Nachfolger seines Vaters gewählt worden war, aus England vertreiben.89 Möglich war ihm das unter anderem deshalb, weil Sven aufgrund seiner kurzen „Regierungszeit“ noch keine Stellung etab- liert hatte und Knuts Nachfolge so keine Möglichkeit hatte, zu greifen. Knut floh deshalb zu- rück nach Dänemark, wo sein Bruder Harald die Nachfolge auf den dänischen Thron angetre- ten hatte, nur um im September des Jahres 1015 England wieder mit voller Härte anzugrei- fen.90 Bevor ich dazu komme, eine Beschreibung der folgenden Eroberung Englands durch Knut zu geben, ist es nötig, kurz einige Worte über die Rückkehr Æthelreds aus dem Exil in der Nor- mandie zu verlieren, da seine Wiedereinsetzung als König an Bedingungen geknüpft wurde. Wie bereits erwähnt, war seine Herrschaft durch Unrecht gekennzeichnet, was wohl auch be- reits die Zeitgenossen zu einiger Kritik veranlasst hatte. Ein Hinweis darauf, das der Beiname „Unræd“ bereits zu Lebzeiten Æthelreds als Ausdruck von Kritik geläufig war, ist das Auf- tauchen des Begriffs in verschiedenen zeitgenössischen Quellen, so zum Beispiel in der ASC zum Jahr 1010, als der Autor feststellt, dass all die Übel, die England befallen haben, auf schlechte Beratung („unrædas“) zurückzuführen seien. Solche versteckten Hinweise finden sich aber auch an anderen Stellen in der ASC sowie bei Ælfric und in den bereits erwähnten „Institutes of Polity“ des Wulfstan von York.91 Um nicht wieder unter diesem Unrecht zu lei- den, wurde von Æthelred bei dessen Rückkehr 1012 verlangt, zu schwören, dass er ab nun gerechter herrschen würde, als er das früher getan hatte, und die Dinge, die alle verabscheuen, reformieren würde.92 Das Ergebnis dieses Versprechens wird vom Gesetzestext VIII Æthelred repräsentiert und von Knut in seinem zweiten Codex wieder aufgegriffen,93 weshalb erst spä- ter im Zuge der Auseinandersetzung mit den Aspekten der Krönung genauer darauf eingegan-

87 Williams, Æthelred S.121f; Nakashian, Aethelred the “Unready”. 88 Lawson, Cnut S.19. 89 Lawson, Cnut S.19; Williams, Æthelred S.122f. 90 Lawson, Cnut S.19; Williams, Æthelred S.127. 91 Williams, Æthelred S.19; Lawson, Cnut S.46; “Durch einen törichten König wird ein Volk sehr oft, nicht nur einmal, unglücklich gemacht durch seine schlechte Führung. (misrǽde)“ Übersetzung von X,13, Jost, Wulfstan, Institutes of Polity S.47. 92 Berichtet wird uns davon in der ASC: Whitelock, ASC S.93. 93 Williams, Æthelred S.123-126; Stafford, The laws of Cnut S.181.

25 gen werden wird. Außerdem machen die Verhandlungen zur Rückkehr Æthelreds auch einen weiteren Aspekt der Herrschaftsübernahme Knuts deutlich, nämlich einen allgemeinen Wunsch nach Frieden und geordneten Verhältnissen, die es unter Æthelred lange nicht gege- ben hatte. Eine wichtige Quelle, die gerade auch auf dieses Chaos und die Zerstörung durch die Wikingereinfälle Bezug nimmt und uns daher den Wunsch nach geordneten, friedlichen Verhältnissen verstehen lässt, ist die bereits genannte Predigt "Sermo Lupi ad Anglos" des Wulfstan von York.94 Der geforderte Friede wurde als Aufgabe eines christlichen Königs an- gesehen, seine Erfüllung von ihm gefordert. Zu einer zentralen Kategorie wurde dieser Friede nicht zuletzt auch aufgrund der sogenannten Gottesfriedensbewegung am Kontinent, deren Ideen auch in England Verbreitung fanden und so die Friedensforderungen ideell nährten.95 Auf die Bedeutung dessen für die Legitimierung Knuts, werde ich ebenfalls noch genauer eingehen, wenn es gilt, sich mit seiner Krönung und damit auch der Übertragung der Pflichten eines christlichen Königs an ihn auseinander zu setzen. Die Kämpfe dieses erneuten Eroberungszuges hatte Knut vor allem gegen den Sohn Æthel- reds, (zu deutsch: „Eisenseite“), auszufechten. Dieser war nach dem Tod Æthelstans der älteste überlebende Sohn Æthelreds und entstammte einer früheren Ehe. 1014 wandte er sich jedoch gegen seinen Vater: 1015 kam es zur Ermordung der beiden Haupt- Thegn der Five Boroughs – der Brüder Sigeferth und Morcar - durch Eadric Streona, wahr- scheinlich sogar im Auftrag des Königs. Dass dieser den Mord angeordnet hatte, zeigt nicht nur langsam aufkeimende Panik, sondern auch, dass es selbst nach seiner Rückkehr und ver- sprochenen Besserung anscheinend noch immer Loyalitätsprobleme gab, da die ermordeten Brüder der Untreue verdächtig wurden. Wichtig für die Beziehung Edmunds zu seinem kö- niglichen Vater ist dies deshalb, da Edmund kurz darauf die eingekerkerte Witwe Sigeferths ohne die Erlaubnis seines Vaters aus dem Gefängnis befreite und selbst heiratete. Daraufhin ritt er in das Gebiet der Five Boroughs und übernahm die Ländereien der ermordeten Brüder. Außerdem scheinen sich die ehemaligen Gefolgsleute Sigeferths und Morcars ihm ange- schlossenen zu haben. Der daraus erwachsende Anschein von Rebellion wird noch verstärkt durch zwei auf uns gekommene Urkunden, die Edmund im eigenen Namen ausgestellt hatte (was eigentlich ein Privileg des Königs darstellte) und in denen Edmund Titel verwendet, die jenem des Königs sehr ähnlich sind. So nennt er sich beispielsweise in einer der beiden Ur-

94 Sermo Lupi ad Anglos: Whitelock, EHD Nr. 240 S.854-59; Cowen, Byrstas and bysmeras: The Wounds of Sin S.397-401. 95 Lawson, Cnut S.56f; siehe dazu ebenfalls das Kapitel zur Krönung Knuts.

26 kunden, die eine Landschenkung in Northamtonshire verbrieften, „König Edmund æthe- ling“ („Eadmund æðeling rex“).96 Noch in diesem Jahr 1015 lief Wessex zu Knut über und auch Ealdorman Eadric Streona von Mercia, sowie Thorkell und 40 seiner Schiffe traten in seine Gefolgschaft über. In den nächs- ten Monaten folgten weitere Kämpfe und Plünderungen, bevor der 23. April 1016, Edmund für Knut endgültig zum Hauptgegner machte und damit der Eroberungszug in ein „Ren- nen“ um den Thron wurde.

5 Das Jahr 1016 und die Eroberung Englands

Am 23. April 1016 verstarb König Æthelred, der die meiste Zeit über in London Zuflucht genommen hatte, und es wurde Edmund Ironside von den Ratsmitgliedern (witan), welche sich in London befanden, sowie von den Stadtbürgern zum neuen König gewählt.97 Damit war die Nachfolge aber noch keineswegs entschieden, da alle Bischöfe, Äbte, Ealdormen und „wichtigen Männer Englands“, wie es bei John von Worcester heißt, Knut zum Nachfolger Æthelreds bestimmten.98 In der Folge kam es zu weiteren militärischen Auseinandersetzungen, in denen Edmund auch Wessex zurückerobern konnte. Am 18. Oktober kam es dann zur entscheidenden Schlacht bei "Assandun"99, die Knut für sich gewinnen konnte. Nun, kurz vor Winteranbruch, waren beide Heere jedoch abgekämpft und Edmund möglicherweise bereits verwundet, so dass man auf der Insel Olney zu Friedensverhandlungen zusammenkam. Vereinbart wurde schließlich eine Zahlung an die bei Assandun siegreiche skandinavische Armee und die Teilung des Königrei- ches, welche Wessex für Edmund und Mercia für Knut vorsah, dem es nun auch gelang, Lon-

96 Williams, Aethelred S.132-135; Stafford, Unification and Conquest S.68; die Ereignisse rund um Sigeferth, Morcar und Edmund sind bezeugt durch die Chronik des John von Worcester: Darlington, JW S.478-481; sowie durch die Angelsachsenchronik: Whitelock, ASC S.94; Zum Begriff "ætheling": Ætheling könnte man grob mit "Prinz" übersetzen, jedoch konnte er auch allgemeiner ein männliches Mitglied des Königshauses (Sohn, Bruder oder ein anderer Nachkomme eines Königs) bezeichnen. Siehe dazu: Sean Miller, "Ætheling". In: Michael Lapidge (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England (Oxford u.a. 1999). S.13f. 97 Whitelock, ASC S.95; Darlington, JW S.484f; Keynes, Cnut’s earls S.43. 98 Darlington, JW S.484f; Keynes, Cnut’s earls S.43. 99 Die Lage Assanduns konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden, Lawson nennt zwei Möglichkeiten: entweder Ashdon in Nord-West Essex oder Ashingdon im Süd-Osten der selben Grafschaft: Lawson, Cnut S.20.

27 don zu okkupieren. Von großer Dauer war diese Regelung jedoch nicht, da Edmund Ironside am 30. November verstarb und Knut als neuer König anerkannt wurde.100 Knut unternahm bald erste Maßnahmen zur Herrschaftssicherung, wie die Einteilung Eng- lands in vier, einem bestimmten Vertreter unterworfene Gebiete. Knut selbst behielt Wessex unter sich, während Thorkell East Anglia, Eadric Streona Mercia und Eric Northumbrien un- terstellt wurden.101 Eadric Streona wurde jedoch bald zusammen mit etlichen anderen engli- schen Großen, in denen Knut wohl doch eine Gefährdung seiner Herrschaft sah, hingerichtet. Gleichzeitig, berichtet uns die Chronik des John of Worcester, aber auch von einem Ereignis, abseits der Zwangsmaßnahmen, welches zum einen zeigt, dass man in England sehr wohl bereit war, Knut als neuen König zu akzeptieren, und zum anderen, dass Knut seine Herr- schaft nicht allein auf eine gewalttätige Eroberung des Landes stützen wollte. Ich spreche hier von einer Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney, den Knut mit Edmund Ironside ge- schlossen hatte und in dem jene Zeugen vor Knut bestätigen sollten, dass Edmund ihn als Nachfolger auserwählt hatte.102 Ob und wann eine Krönung Knuts stattgefunden hat, ist in der Forschung umstritten, ich werde darauf im entsprechenden Kapitel aber noch zu sprechen kommen. Noch vor dem 1. August 1017103 - also im Juli104 - gelang es Knut dann, die Witwe Æthelreds, Emma, zu seiner Frau zu machen. Dass er gleichzeitig weiterhin mit Ælfgifu von Nordhamp- ton verheiratet war sowie bereits Söhne von ihr hatte, sollte erst im Zuge seiner Nachfolge zum Problem werden. Die Heirat mit Emma jedenfalls stellte eine weitere äußerst wichtige Aktion zur Legitimierung seiner Herrschaft dar, die ich neben anderen - im Sinne dieser Ar- beit - noch in jeweils eigenen Kapiteln abhandeln werde. Das endgültige Ende des Erobe- rungszugs als solchen markiert jedoch erst das Jahr 1018, als Knut eine abschließende Tribut- zahlung in Höhe von 82.500 Pfund (10.500 davon aus London) erhielt, mit der er seine Flotte ausbezahlte, die daraufhin, bis auf 40 in England verbleibende Schiffe, die Heimreise antrat. Außerdem kamen Dänen und Engländer laut ASC in Oxford zu einer Übereinkunft, bei der man sich auf die Befolgung der althergebrachten Gesetze Edgars einigte und auf der wohl auch formal Frieden geschlossen wurde.105 Die Eroberung Englands war damit komplett und ein neuer König stand an seiner Spitze. Wie es Knut gelang, seine Herrschaft auf eine legiti-

100 Darlington, JW, S.492f; Whitelock, ASC S.96f; Lawson, Cnut S.20; Keynes, Cnut’s earls S.43. 101 Darlington, JW S.502f, Whitelock, ASC S.97; Lawson, Cnut S.83; Keynes, Cnut's earls S.43. 102 Darlington, JW S.492-495; Lawson, Cnut S.82, Sarnowsky, England im Mittelalter S.47. 103 Whitelock, ASC S.97. 104 Darlington, JW S.504. 105 Whitelock, ASC S.97; Darlington, JW S.504f; Lawson, Cnut S.20; Keynes, Cnut’s earls S.43.

28 me Basis zu stellen, die ihm eine Anerkennung als eines in angelsächsischen Traditionen ste- henden Königs ermöglichte und ihm damit erlaubte, seine Herrschaft auch langfristig zu si- chern, soll in der folgenden Arbeit ausführlich eingegangen werden.

6 Die Legitimation

Max Weber definierte Herrschaft als die "Chance, für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden." Die Gründe für diesen Gehor- sam können ebenso wie die Mittel, ihn durchzusetzen, vielfältig sein, ein gewisses "Minimum an Gehorchen wollen" ist jedenfalls eine der Voraussetzungen von Herrschaft. Die Grundlage einer erfolgreichen Herrschaft, ist jedoch der Legitimitätsglaube, weshalb Könige auch versu- chen und immer versuchten, "den Glauben an ihre Legitimität zu erwecken und zu pfle- gen."106 Am Beispiel König Knuts als Herrscher von England, soll daher gezeigt werden, auf welchen Wegen es (besonders im England des frühen 11. Jahrhunderts) möglich war, eine legitime Aura aufzubauen und zu intensivieren. Die Möglichkeiten erscheinen dabei vielfältig und wurden besonders von Knut auch in ihrer Vielfalt genutzt - man ist beinahe versucht, von einem ganzheitlichen Konzept zu sprechen. Auf die verschiedenen Maßnahmen Knuts, als legitimer englischer König anerkannt zu werden, soll daher in den folgenden Kapiteln aus- führlich eingegangen werden.107 Im ersten Kapitel zu Knuts Streben nach Legitimation wird die Wahl Knuts als König von England zum Thema werden, da es sich dabei um ein erstes grundlegendes Ereignis für die Erlangung einer legitime Stellung Knuts handelte. Zentral werden daher auch die Gründe da- für, warum man überhaupt bereit war, Knut zu wählen, sowie die verschiedenen Dimensionen der Doppelwahl mit Edmund Ironside sein. Auf die Wahl folgte als nächstes wichtiges Ereig- nis schließlich die Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney, durch welche sich Knut in ein Nahverhältnis zu Edmund Ironside bringen und sich als dessen Erbe darstellen wollte, wodurch er auch den Grundstein für seine Anknüpfungen an diesen legen konnte. In einem

106Siehe zu dieser Beurteilung der Legitimation durch Max Weber sowie zu den zitierten Passagen: Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie (besorgt von Johannes Winckelmann, Tü- bingen 1980). S.122. 107 Was die Einteilung in Unterkapitel betrifft, so folgen diese so weit wie möglich der chronologischen Reihen- folge der jeweiligen Ereignisse und Handlungen Knuts, durch welche er sich zu legitimieren versuchte.

29 dritten Kapitel, werde ich mich schließlich mit der Krönung Knuts beschäftigen, wobei meine Auseinandersetzung mit dieser weit über den formalen Akt der Krönung hinausgehen wird. Mit der Krönung als Ausgangpunkt wird in diesem Abschnitt daher auf das Idealbild eines christlichen Königs, welches an Knut von verschiedenen Kirchenmännern herangetragen wurde, eingegangen und im Folgenden gezeigt, in welcher Weise Knut diesem Idealbild mit dem Ziel seiner Legitimation zu entsprechen versuchte. Weiters wird schließlich die Heirat mit Königin Emma zum Thema, wobei hier als wesentliches Schlagwort die Kontinuität zu nennen wäre. In einem folgenden kurzen, die Legitimationsbestrebungen Knuts ergänzenden Kapitel zu den Exekutionen und Umschichtungen im Adel, soll gezeigt werden, welche Be- deutung diese für die Herrschaftssicherung aber auch -legitimation hatten, beziehungsweise, dass beide Momente nicht gänzlich voneinander zu trennen sind. Es folgt schließlich eine Auseinandersetzung mit dem Treffen von Oxford im Jahr 1018, auf dem ein endgültiger Frie- de zwischen Dänen und Engländern geschlossen wurde. Wichtig für eine Auseinandersetzung mit Knuts Legitimation erscheint die Anknüpfung an König Edgar durch die Weiterbefolgung von dessen Gesetzen, das heißt eine Einreihung in angelsächsische Traditionen, sowie eine endgültige Etablierung Knuts als englischer König. In einem weiteren Kapitel soll schließlich auf Knuts Ehrerbietung für Edmund Ironside, durch welche er sich als dessen Erbe darzustel- len versuchte, eingegangen werden. Der religiöse Aspekt seiner Legitimation zeigt sich schließlich in der Behandlung von Knuts Romreise, wobei hier Tradition und die imperialen Ambitionen Knuts ebenso Thema sein werden. Es folgt schließlich ein Kapitel zu Knut und den englischen Heiligenkulten, im Zuge dessen gezeigt wird, welche Bedeutung die Vereh- rung englischer Heiliger für Knuts Legitimation hatte. Als abschließendes Kapitel folgt eine Auseinandersetzung mit Knuts Stiftungen, durch welche er sich in ein Nahverhältnis zur eng- lischen Kirche bringen, aber auch als besonders frommer König erscheinen wollte.

6.1 Die Wahl Knuts zum König

Die Wahl Knuts zum König nach dem Tod Æthelreds, stellt die erste wichtige Etappe für eine legitime Stellung Knuts als englischen König dar. Es handelt sich dabei um keine von ihm konkret zum Zweck seiner Legitimation gesetzte Handlung, die Wahl war jedoch insofern wichtig, als Knut auf diese Weise ein rechtmäßiger und formal gewählter König war.

30 Doch warum war man nach dem Tod Æthelreds in England überhaupt bereit, Knut als König in Betracht zu ziehen und ihn daher - neben Edmund Ironside - als solchen auch zu wählen? Zentral für die Antwort auf diese Frage erscheint der allgemeine Wunsch, um nicht zu sagen das Verlangen nach Frieden, das besonders aus zwei Gründen aufgekommen war: Erstens waren dem Tod Æthelreds und schließlich der Wahl Knuts lange Jahre der Krieges vorange- gangen, deren Chaos, Zerstörung und folglich Zermürbung, die während dieser Phase der Wi- kingerangriffe geherrscht hatten, ich deshalb in den beiden entsprechenden Kapiteln zur "Vorgeschichte" versucht habe zu vergegenwärtigen.108 Hinzu kommt, dass man wohl auch der Ungerechtigkeiten, wie sie unter Æthelred zumindest zeitweilig geherrscht hatten, über- drüssig geworden war.109 Zudem war es zu einem Verfall der gesellschaftlichen Bindungen gekommen, welcher einen Abfall von der angelsächsischen Dynastie Æthelreds wohl zuneh- mend begünstigte. Eine wichtige Quelle dazu ist Erzbischof Wulfstans Sermo Lupi ad Anglos,110 in dem er die schlechten Verhältnisse sowie die zunehmende Untreue unter den Engländern anprangert und folglich Frieden und Besserung fordert. Wulfstan macht dabei die Wikinger zur Gottesstrafe für das schlechte und sündhafte Verhalten der Engländer und bringt damit innere und äußere Probleme in einen direkten Zusammenhang: Nur durch innere Besse- rung würde es letztendlich - neben aktiver Bekämpfung des Feindes - auch gelingen, England zu retten.111 Wulstans Predigt an die Engländer reflektiert damit in eindrucksvoller Weise das "Chaos und die Zerstörung, die sowohl intern als auch extern" England bedrohte und um sich griff,112 und macht damit auch verständlich, warum man letztendlich bereit war, Knut zu ak- zeptieren. Weiters wurde diese Forderung nach Frieden, wie sie in der Predigt Wulfstans zum Ausdruck kommt, von kirchlicher Seite grundsätzlich argumentiert und weiter genährt. Es handelt sich dabei aber um kein rein angelsächsisches Phänomen, da kirchlichen Friedensbestrebungen - besonders diesen Zeitraum betreffend - in Zusammenhang mit der sogenannten Gottesfrie- densbewegung standen. Die Ideen dieser auf dem Kontinent (Frankreich) entstandenen Be- wegung, wurden dabei auch von englischen Kirchenmännern, allen voran Wulfstan aufgegrif- fen. Dass diese Friedensbewegung zu Beginn des 11. Jahrhunderts gerade auch in England

108 Siehe dazu daher die beiden Kapitel zur Eroberung Englands und die entsprechenden Verweise darin. 109 Keynes, Cnut's earls S.87. 110 Whitelock, EHD Nr.240 S.854-859. 111 Zum Inhalt des Sermo: Cowen, Wounds of Sin, besonders: S.398-401. 112 Zitat: Cowen, Wounds of Sin S.400; siehe dazu außerdem: Wilcox, Wulfstan's "Sermo Lupi ad Anglos" as Political Performance S.387.

31 Anklang fand, erscheint angesichts des eben Gesagten wenig verwunderlich.113 Wulfstan, der selbst einigen politischen Einfluss hatte und neben seinen Predigten auch durch die königliche Gesetzgebung versuchte, seine Ideen zu verwirklichen, konnte auf diese Weise auch den Wunsch nach Frieden an die Großen herantragen und propagieren. Er hatte bereits unter Æthelred versucht, gerechtere Gesetze zu schaffen, und versuchte schließlich auch unter Knut, deren Entwicklung voranzutreiben, 114 worauf jedoch erst im Kapitel zu Knuts Krönung näher eingegangen werden soll. Um die Bedeutung der Wahl Knuts im Folgenden genauer besprechen zu können, müssen zuerst noch ein paar Worte zur Königswahl in England gesagt werden: "Die Könige wurden vom "Volk", d.h. von den Großen des Königreiches gewählt, ohne dass sich dafür ein fester Kreis von "Wahlberechtigten" herausbildete."115 Gewählt wurde der König daher normaler- weise von den gerade "verfügbaren" Großen, Erzbischöfen, Bischöfen und anderen hochge- stellten Persönlichkeiten, die am Hof des verstorbenen Königs anwesend waren. Da alle Mit- glieder der Herrscherfamilie, also æthelings, ein Anrecht auf den Thron hatten, kam es manchmal auch zu Doppelwahlen. War die Wahl jedoch einstimmig auf den fähigsten Kandi- daten gefallen, wie dies in der Regel der Fall war, handelte es sich dabei auch nicht mehr als um einen formalen Akt, da der entsprechende Anwärter, meist ohnehin schon vorher feststand.116 Wichtig für Knuts Königswahl war vor allem der nicht genau festgelegte Kreis der Wahlbe- rechtigen, sowie die Eventualität von Doppelwahlen, da beides 1016 zum Problem wurde. Die Angelsachsenchronik berichtet uns für das Jahr 1016 davon, dass alle Ratsmitglieder, welche sich gerade in London befanden (wo Æthelred am 13. April gestorben war), sowie die Bürger der Stadt, Edmund Ironside zum Nachfolger Æthelreds und neuem König wählten.117 Gleich- zeitig wurde jedoch auch Knut von den Bischöfen, Äbten, Ealdormen und allen wichtigen Persönlichkeiten Englands - wie es bei John von Worcester heißt - zum König gewählt.118 Eine Folge dieser Doppelwahl war damit auch, dass keiner der beiden Kandidaten ein gänz- lich rechtmäßiger König war - tatsächlich waren dies Edmund und Knut erst nach dem Tei-

113 Lawson, Cnut S.56f. 114 Lawson, Cnut S.58-63. 115 Jürgen Sarnowsky, England im Mittelalter (Darmstadt 2002). S.59. 116 Sarnowsky, England im Mittelalter S.59; siehe zur Königswahl auch: Laurence M. Larson, The Political Poli- cies of Cnut as King of England. In: The American Historical Review, Vol.15 No.4 (Jul. 1910) 720-743. S.720. 117 Whitelock, ASC S.95; sowie ebenfalls: Darlington, JW S.484f. 118 Darlington, JW S.484f.

32 lungsvertrag von Olney und selbst danach nur jeweils über einen Teil Englands.119 Nichtsdes- totrotz waren beide nun offiziell gewählte Könige - jeder der beiden hatte für sich die allge- meinen Bedingungen der angelsächsischen Königswahl erfüllt. Doch warum war es - neben dem variierenden Kreis der wahlberechtigten Vertreter des Reichs - überhaupt möglich, dass es zu einer Doppelwahl kam, oder anders gesagt, warum konnte Knut überhaupt gewählt werden? Ein Grund wäre, dass obwohl im angelsächsischen England tatsächlich ein starkes nationales Element festzustellen ist,120 in akuten politischen Situationen eigene lokale Interessen und solche des Familienverbandes sicherlich weit wichti- ger waren. Deshalb war auch Knut 1016 nur ein Konkurrent neben anderen, die im Chaos, das durch den Tod Æthelreds und die Eroberungszüge Knuts entstanden waren, versuchten, selbst den größten Gewinn aus der Situation zu ziehen.121 Hinzu kommt weiters, dass Edmund, wie bereits erwähnt, gegen seinen königlichen Vater rebelliert hatte, wodurch er möglicherweise auch die Unterstützung wichtiger Adliger und anderer hochgestellter Persönlichkeiten - besonders auch der Kirche - verspielte, weshalb die- se schließlich auch bereit waren, Knut zum neuen König zu wählen.122 Wichtig ist im Zusammenhang mit der Wahl, die spätestens mit dem Teilungsvertrag von Olney dazu geführt hatte, dass es zwei englische Könige gab, auch ein weiterer christlicher Grundgedanke, auf den sich Knut schließlich ebenfalls berufen sollte. Von christlicher Seite aus, war ein Doppelkönigtum nicht gern gesehen, grundlegend war dabei der Gedanke, dass man an einen Gott glaubte und daher auch nur einem König - seinem Stellvertreter - folgte. Dass diese Idee zu dieser Zeit inEngland präsent war, zeigt sich darin, dass auch Wulfstan derartiges predigte und auch versuchte, es in der Gesetzgebung Æthelreds unterzubringen,123 was sicherlich ebenfalls bereits unter dem Hintergrund der Bedrohung durch die Wikinger zu verstehen ist. Im Gesetzestext VIII Æthelred von 1014 heißt es daher unter dem Absatz 43-44, dass "wir", will sagen: die Engländer, eine christliche Religion ehren und einem König treu sein sollen.124 Knut, der in vielen Punkten versuchte, an Edmund Ironside anzuknüpfen, und

119 Larson, Political Policies S.720. 120 Der nationale Aspekt wird von uns heute oft überschätzt wird. Siehe zum nationalen Element im mittelalterli- chen England: James Campbell, The Anglo-Saxon State (London 2000). S.10f. 121 Siehe zur Wichtigkeit eigener Interessen und zur Überbewertung des Nationalgedankens: Lavelle, Aethelred S.174. 122 Lavelle, Aehtelred S.176. 123 Stafford, Unification and Conquest S.155; zu dieser ein Gott/ein König-Vorstellung siehe außerdem: Stafford, Emma and Edith S.32f. 124 VIII Aethelred siehe: Whitelock EHD Nr.46 Paragraph 43-44: S.414.

33 so seine Legitimität auch von ihm ableiten wollte,125 machte sich dabei auch diesen christli- chen Grundgedanken zum Königtum zu Nutze. Als Quelle dazu dient uns das Encomium Emmae Reginae, in dem Reichsteilungen - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Ereig- nisse nach Knuts Tod 1035 - ein zentrales Thema sind. Hierin wird der Tod Edmunds (sowie auch jener Æthelreds, der als Prinz genannt wird) Gott zugeschrieben, der Knuts Rivalen für ihn beseitigt hatte, da Reichteilungen nicht in seinem Sinn gewesen seien.126 Auch wenn es sich beim Encomium um eine späte Quelle handelt, ist diese Darstellungsweise der Lobschrift auch für die Legitimation Knuts interessant, da das bereits genannte Gesetz Æthelreds aus der Feder Wulfstans zeigt, dass derartiges Gedankengut auch schon 1016 präsent war. Es wäre daher sehr gut vorstellbar, dass auch Knut Edmunds (und Æthelreds?) Tod in dieser Weise empfand und Gott als seinen Helfer ansah, vor allem da er ja auch stets eine enge Bindung zur Kirche suchte. Dazu würde schließlich auch die Befragung der Zeugen des Vertrags von Ol- ney passen, weshalb ich darauf und auf weitere diesbezügliche Hinweise, an entsprechender Stelle noch genauer eingehen werde. Obwohl Knut aus anderen Handlungen wesentlich mehr Wert für seine Legitimierung ziehen konnte, stellte seine Wahl sicherlich eine wichtige Grundlage seiner Legitimität dar. Paradoxerweise war es für Knut dabei ebenfalls von Nutzen, dass auch Edmund 1016 zum König gewählt wurde. Knut versuchte später in vielerlei Hinsicht an diesen anzuknüpfen und dafür war es sicherlich günstig, dass auch Edmund ein König gewesen war, da es im angel- sächsischen England durchaus üblich war, einem königlichen Bruder auf den Thron zu fol- gen.127 Da Knut ihn wiederholt als seinen Bruder bezeichnete, dem er als König nachgefolgt war,128 war es für ihn auch wichtig, dass Edmund ebenfalls ein englischer König gewesen war. Wäre Edmund nicht gewählt worden, sondern weiterhin in der Stellung eines ætheling verblieben, hätte Knut höchstens seine Ehrerbietung für ihn und damit für die vorhergehende englische Herrscherdynastie, der Edmund angehört hatte, ausdrücken, nicht jedoch diesen als einen Vorgänger, welcher ihm das Königreich vererbt hatte, darstellen können.129

125 Siehe dazu die Kapitel zur Befragung des Teilungsvertrags von Olney, sowie jenes zu weiteren Anknüpfun- gen an Edmund. 126 Siehe im Encomium: zum Tod Edmunds: EER S.30f, zum Tod Aethelreds: S.22f. 127 Beispielweise waren auch Aethelred und Alfred der Große ihren Brüder auf den Thron gefolgt. Zur Möglich- keit der Brudernachfolge im angelsächsischen England siehe daher: Stafford, Emma and Edith S.82; sowie Law- son, Cnut S.139. 128 Lawson, Cnut S.138. 129 Die Anknüpfungen an Edmund Ironside werden in dieser Arbeit aber noch ausführlicher zum Thema werden, siehe daher das Kapitel "Knut in der Nachfolge Edmund Ironsides".

34 Der Vollständigkeit halber muss nun noch gesagt werden, dass uns John von Worcester au- ßerdem davon berichtet, dass Knut bei seiner Wahl schwor, ein guter König zu sein, und zwar sowohl in weltlichen, wie auch in kirchlichen Angelegenheiten.130 Dabei könnte es sich um eine Art Krönungseid handeln, was auch bedeuten würde, dass Knut vielleicht direkt nach seiner Wahl 1016 zum ersten Mal gekrönt wurde. (Eine zweite Krönung erfolge wahrschein- lich 1017 in London durch Erzbischof Lyfing von Canterbury.)131 Darin zeigt sich vielleicht doch eine gewisse Freiwilligkeit bei der Wahl Knuts, das heißt, da man Knut einen Eid be- züglich gewisser Bedingungen seiner Herrschaft abverlangen konnte, dürfte Zwang nicht der ausschließliche Grund für seine Wahl gewesen sein. Mit Max Weber wäre hier auch das ge- wisse "Minimum an Gehorchen wollen", das er als Bestandteil jeder echten Herrschaft defi- niert, zu entdecken.132

6.2 Die Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney

Grundlegend für dieses Kapitel ist der sogenannte Vertrag von Olney aus dem Jahr 1016, durch den eine Teilung Englands unter Knut und Edmund Ironside beschlossen wurde und durch den beide zum König eines Teilreiches aufstiegen.133 Der Vertrag war damit eine wich- tige Grundvoraussetzung für eine legitime Stellung Knuts, da er sich über diesen als Edmunds Erben darstellen konnte.134 An dieser Stelle ist die Befragung der Zeugen des Vertragsabschlusses Thema, weshalb im Folgenden auch die Geschehnisse, wie sie uns die Chronik des John von Worcester überliefert, wiedergegeben werden sollen: John von Worcester berichtet uns, dass Knut alle Bischöfe, Ealdormen und andere wichtige Persönlichkeiten Englands, nach dem Tod Edmunds 1016 in London versammelt hatte und an die anwesenden Zeugen des vorangegangenen Vertrags von

130 Darlington, JW S.484f. 131 Michael K. Lawson, Archbishop Wulfstan and the homiletic element in the laws of Athelred II. and Cnut. In: Alexander Rumble (Hg.), The Reign of Cnut. King of England, Denmark and Norway (London 1999) 141 - 164. S.156f. 132 Zitat siehe: Weber, Wirtschaft und Gesellschaft S.122. 133 Siehe dazu das Kapitel: "Das Jahr 1016 und die Eroberung Englands"; sowie: Darlington, JW, S.492f; White- lock, ASC S.96f; Lawson, Cnut S.20; Keynes, Cnut’s earls S.43. 134 Auf diesen Aspekt von Knuts Legitimationsbestrebungen wird weiter unten noch genauer eingegangen; siehe vorläufig dazu: Alexander Rumble, Introduction. In: Alexander Rumble (Hg.), The Reign of Cnut. King of Eng- land, Denmark and Norway (London 1999) 1 - 9. S.7.

35 Olney zum Schein die Frage richtete, worüber er und Edmund damals bezüglich der Thron- folge im Falle des Todes Edmunds, überein gekommen wären. Was daraufhin - wie es uns John von Worcester schildert - geschah, möchte ich nun in der deutschen Übersetzung aus Jürgen Sarnowskys Monographie "England im Mittelalter" wiedergeben: "Sie begannen so- fort, zu sagen, dass sie ohne Zweifel wüssten, dass König Edmund weder während seiner Le- benszeit noch bei seinem Tode einen Teil seines Herrschaftsbereiches für seine Brüder reser- viert habe, und sie sagten, dass sie wüssten, dass sich König Edmund Knut als Protektor und Beschützer seiner Söhne gewünscht hätte, bis sie das für Herrschaft geeignete Alter erreicht hätten. Aber, wie Gott weiß, legten sie falsches Zeugnis ab und logen betrügerisch, in der An- nahme, dass er ihnen in Anbetracht ihrer Lügen größere Gunst erweisen würde und sie von ihm große Geschenke erhielten. Einige dieser falschen Zeugen wurden jedoch bald danach vom erwähnten König erschlagen. Nach der erwähnten Befragung strebte König Knut danach, dass ihm die genannten Magnaten den Lehenseid leisteten. So schworen sie, dass sie ihn als ihren König wählen, ihm demütig gehorchen und Steuern für die Bezahlung seiner Armee geben wollten. Und als sie des Königs bloße Hand zum Zeichen des Versprechens und die Eide der dänischen Großen erhalten hatten, missachteten sie die Brüder und Söhne von König Edmund völlig und leugneten ihr Recht, Könige zu sein."135 Das Recht Knuts auf den englischen Thron, erschöpfte sich bis jetzt hauptsächlich in einem "Recht des Schwertes", wie es Laurence M. Larson ausdrückt.136 Die Befragung der Zeugen - falls eine solche tatsächlich stattfand, und möglich ist dies angesichts der Bemühungen Knuts, sich zu legitimieren durchaus - zeigt damit auch, dass dieses "Recht des Schwertes" nicht ge- nug war, um eine sichere Stellung als englischer König inne zu haben, sondern weitere Legi- timierungen notwendig waren,137 wie sie schließlich auch in dieser Arbeit behandelt werden. Die Befragung bildete damit - nach der Wahl Knuts zum König - seinen ersten aktiven Schritt in Richtung seiner Legitimation und verdeutlicht damit auch Knuts Bewusstsein dafür, dass das Recht eines Eroberers nicht genug war, sowie seine Bereitschaft dafür, weitere entspre- chende Schritte zu unternehmen. Gleichzeitig zeigt eine solche Versammlung auch, dass auch in England eine gewisse Bereit- schaft gegeben war, Knut als König anzuerkennen und ihn auch dahingehend zu unterstüt-

135 Übersetzung zitiert aus: Sarnowsky, England im Mittelalter S.47; Siehe zu dieser Stelle bei John of Worcester: Darlington, JW S.492-495. 136 Larson, Political Policies S.721. 137 Lawson, Cnut S.82; Sarnowsky, England im MittelalterS.47.

36 zen.138 Daher war auch das gewisse "Minimum an Gehorchen wollen", wie es Max Weber als essentieller Teilaspekt einer erfolgreichen Herrschaft ausmacht, für Knut gegeben.139 Durch diese Versammlung, war es Knut daher auch möglich, sich als designierten Nachfolger Edmunds darzustellen. Diese Designation erscheint hierbei ebenfalls sehr wichtig, da sie im Mittelalter ein wichtiges Element einer rechtmäßigen Nachfolge darstellten konnte.140 Einen Hinweis darauf, dass die Designation auch in England zu Knuts Zeit ein wichtiges Grundele- ment von Thronfolgen darstellte, bietet uns beispielsweise der Bericht des Encomium Emma Reginae zur Heirat Emmas und Knuts. Der Enkomiast berichtet uns davon, dass Emma nur unter einer Bedingung eingewilligt hatte, Knut zu heiraten: Da es Gerüchte gab, dass Knut bereits Söhne von einer anderen (Ælfgifu von Northampton) hatte, musste Knut versprechen, dass nur Söhne von Emma ein Recht auf die Thronfolge hätten.141 Diese Designation, wie Knut den Vertrag von Olney durch die Befragung der Zeugen auszu- legen versuchte, war besonders auch für seine spätere Anknüpfung an Edmund wichtig. Inte- ressant erscheint hierbei auch, wie der Tod Edmunds im Encomium dargestellt wird, da sein plötzlicher Tod, Gottes Willen zugeschrieben wird. Durch diese Darstellungsweise, wie sie vieleicht auch schon von Knut aufgegriffen wurde, wurde er nicht nur zu einem durch eine weltliche Person designierten König, sondern sogar zu einem gottgewollten, der seine Herr- schaftsdesignation gewissermaßen auch von Gott erfahren hatte.142 In Zusammenhang mit dieser Designation steht, dass die Zeugenbefragung Knut folglich auch ermöglichte, seine angelsächsische Konkurrenz auszuschalten beziehungsweise den Söhnen (Edmund und Edward) und Brüdern (Edward [the Confessor] und Alfred) Edmunds, durch

138 Sarnowsky, England im Mittelalter S.47. 139 Max Weber, Wirstschaft und Gesellschaft S.122. 140 Zur Designation: R. Klein, R. Puza, P.-J. Schuler, "Designation. (Designatio)". In: Lexikon des Mittelalters, 10 vols (Stuttgart: Metzler, [1977]-1999), vol. 3, cols 727-729, in Brepolis Medieval Encyclopaedias - Lexikon des Mittelalters Online: http://www.brepolis.net Zugriff: 26.05.2012, 15:30. (siehe besonders den Abschnitt zur Herrscherdesignation). 141 Siehe dazu im Encomium: EER S.32f; Obwohl Knuts Sohn mit Emma Harthaknut, nach dem Tod seines Vaters tatsächlich massive Probleme hatte, sich gegen seinen Halbbruder und Sohn Aelfgifus von Northampton durchzusetzen, beziehungsweise die Thronstreitigkeiten sogar verlor, beweist dies zumindest, dass man eine Designation zumindest als wichtiges Element betrachtete, da Emma diese Geschichte sicherlich auch nicht ohne Grund in ihre Lobschrift aufnahm. Zum Encomium siehe : Keynes, Introduction; zur Wichtigkeit der Designati- on für die Argumentation Emmas 1041/42 außerdem: Pauline Stafford, Queens, concubines, and dowagers. The king's wife in the early Middle Ages (Women, power and politics, London 1998). S.163f. 142 Siehe zum Tod Edmunds im Encomium: EER S.30f; Auf die Thematik wurde bereits im Kapitel zur Wahl Knuts ausführlich eingegangen.

37 seine eigene Designation das Anrecht auf den Thron zu nehmen.143 Gleichzeitig wollte sich Knut anscheinend aber nicht allein auf seine "Designation" verlassen, da uns verschiedene Quellen davon berichten, dass Eadric Streona Knut geraten hatte, die Söhne Edmunds zu tö- ten. Da Knut eine solche Tat jedoch - zumindest in England - nicht begehen wollte, schickte er sie nach Schweden, wo sie ermordet werden sollten. Der König von Schweden sandte die Brüder aber weiter nach Ungarn, von wo Edward 1057 möglicherweise zurückkehrte (Ed- mund scheint in Ungarn gestorben zu sein). Die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte, wie sie uns neben dem Bericht in der Chronik des John von Worcester, auch von Geoffrey Gaimer in seiner L'Estoire des Engleis präsentiert wird, ist jedoch eher fragwürdig. Hinweise auf eine Rückkehr des einen æthelings, gibt es aber auch in der Angelsachsenchronik für das Jahr 1057. 144 Ähnlich verfuhr Knut schließlich auch mit den Halbbrüdern Edmunds, Edward und Alfred, nach seiner Hochzeit mit Emma. Die beiden Brüder wurden ins Exil an den normanni- schen Hof ihres Onkels Richard geschickt.145 Als letzten potentiellen Konkurrenten um den englischen Thron, blieb nun noch Æthelreds einziger noch lebender Sohn, aus einer früheren Ehe, namens Eadwig. Verschiedene Quellen - wie die Chronik des John von Worcester und die Angelsachsenchronik - berichten uns in unterschiedlicher Weise von einem von Knut be- fohlenen Exil und einem Mord an diesem ætheling.146 Auch wenn die Art und Weise, wie Knut mit Eadwig als Rivalen umgegangen war, nicht völlig zu klären ist, erscheint es trotz- dem recht klar, dass er ihn gewaltsam aus dem Weg geschafft hatte. In diesem Umgang mit englischen Konkurrenten um den Thron, zeigt sich daher, dass Knut seine neue Stellung auch gewaltsam zu verteidigen suchte, wodurch er letztlich auch als einziger Kandidat in England übrig blieb, was ihm sicherlich half seine Herrschaft zu sichern. Zusätzlich machte es dadurch, dass Knut nun der einzige überlebende Kandidat war, auch mehr Sinn, sich als Bruder Ed- mund Ironside darzustellen - auch wenn dies rein faktisch natürlich nicht der Fall war - und eine Legitimation über diesen Weg zu unternehmen.147 Wichtig für diese Form der Nachfolge Knuts auf Edmund und daher auch seine späteren Anknüpfungen an ihn, welche seine Legi-

143 Lawson, Cnut S.85; zum Exil der Söhne Edmund Ironsides siehe außerdem: Mynors, William of Malmesbury GR S.318f. 144 Siehe dazu: Lawson, Cnut S.77, 85; zum Exil der beiden Brüder bei John von Worcester siehe: Darlington, JW S.502-505; zur Rückkehr Edwards 1057 siehe: Whitelock, ASC S.141. 145 Lawson, Cnut S.86f; Neben anderen Quellen liefert uns das Encomium den besten und eindeutigsten Hinweis darauf: siehe dazu EER S.34f. 146 Lawson, Cnut S.85; in den Quellen: Whitelock, ASC S.97; Darlington, JW 494-497, 502f. 147 Siehe dazu: Lawson, Cnut S.138; es wird aber weiter unten noch genauer auf diese Thematik eingegangen.

38 timität zusätzlich betonen sollten, ist auch die bereits angesprochene Möglichkeit oder anders gesagt, englische Praxis der Brudernachfolge.148 All diese angesprochenen Aspekte, konnte Knut dadurch, dass bei der Versammlung alle wichtigen und machtvollen Vertreter des Reiches - wie die Bischöfe und Ealdormen - anwe- send waren, schließlich auch äußerst "öffentlichkeitswirksam" und unmissverständlich ver- mitteln. Zusammenfassend war daher die Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney, vor allem für Knuts spätere Anknüpfungen an Edmund Ironside von Bedeutung, da sie diese gewisser- maßen vorbereitete. Gleichzeitig wird durch diese Episode aber auch ein gewisses Zögern von Seiten Knuts, seine Herrschaft allein auf dem Recht eines Eroberers aufzubauen, deutlich. Damit wird die Begebenheit, wie sie sich vor fast 1000 Jahren in London zugetragen hatte, auch für diese Arbeit sozusagen grundlegend. Wichtig für den Legitimität erzeugenden Cha- rakter dieser Versammlung an sich, ist dabei vor allem die Designation eines Thronfolgers (=Knut) durch einen diesem vorangegangenen Herrscher (=Edmund Ironside).

6.3 Die Krönung in London und welche Möglichkeiten sie bot

In seiner Monographie "Coronation. From the 8th to the 21th Century", stellt Roy Strong fest, dass in der Forschung noch nicht geklärt ist, ob Knut überhaupt gekrönt wurde.149 Auch wenn dies tatsächlich nicht mit eindeutiger Sicherheit festzustellen ist, halte ich es doch für recht unwahrscheinlich, dass Knut in Anbetracht seiner vielfältigen Legitimationsbestrebungen, gerade diesen elementaren Beginn einer Königsherrschaft ausgelassen hätte. Tatsächlich be- richten uns auch einige Quellen von seiner Krönung, doch fehlt ein solcher Bericht in allen "Hauptquellen" wie etwa der Angelsachsenchronik oder dem Encomium Emmae Reginae. So berichtet uns beispielsweise ein Dekan der St.Pauls-Kirche in London namens Ralph von Di- ceto in seiner Chronik "Abbreviationes Chronicorum", von einer Krönung Knuts 1017 durch Erzbischof Lyfing von Canterbury in London. Obwohl Ralph erst im 12. Jahrhundert schrieb,150 wäre es denkbar, dass er - da er sich auch in London befand - Zugang zu Quellen hatte, die heute leider verschollen sind. Passende Gelegenheiten für eine Krönung Knuts wä-

148 Stafford, Emma and Edith S.82; Lawson, Cnut S.139. 149 Strong, Coronation S.30. 150 Zur Chronik des Ralph von Diceto und der Krönung Knuts siehe: Lawson, Cnut S.82.

39 ren aber auch nach seiner Wahl, sowie nach der Befragung der Zeugen des Vertrags von Ol- ney gewesen, wobei es auch möglich ist, dass Knut bereits bei einem dieser Anlässe zum ers- ten Mal und später in London bereits zum zweiten Mal gekrönt wurde.151 Eine weitere Quelle, welche eine tatsächliche Krönung Knuts nahe legt, wären die Münzen, respektive Knuts erster Münztyp "Quatrefoil", welcher das Portrait Knuts mit einer Krone abbildet. Die Tatsache, dass es sich hierbei um die erste Münze seit Edgars "Bust Crowned"- Typ handelt, welche einen König mit einer Krone darstellt, macht eine Krönung Knuts sehr wahrscheinlich und ist gleichzeitig ein Hinweis auf deren ausgesprochene Wichtigkeit. Au- ßerdem präsentiert sich Knut mittels dieses Münztyps, als englischer König und tritt als Erbe seiner angelsächsischen Vorgänger - hier besonders Edgars - auf.152 Hinzu kommt, dass Mün- zen als "Massenmedium" auch die Möglichkeit boten, die genannte Botschaft sehr öffentlich- keitswirksam zu vermitteln, das heißt Knut versuchte wohl auch die Masse der Bevölkerung anzusprechen. Da es meiner Ansicht nach unwahrscheinlich ist, dass Knut sich mit einer Krone darstellen ließ, ohne auch tatsächlich gekrönt worden zu sein, bietet uns das Stifterbild im Liber Vitae der New Minster Winchester, welches ihn ebenfalls mit einer Krone zeigt, einen weiteren Hinweis darauf, dass eine Krönung tatsächlich stattgefunden hatte.153 Dass eine solche wirklich vorgenommen wurde, macht schließlich auch eine mögliche Krö- nungsurkunde, wie sie uns vielleicht in den Paragraphen 69-83 im Gesetzestext II Cnut154 entgegentritt, wahrscheinlich. Falls eine Krönung also tatsächlich stattgefunden hat, so wurde für diese sicherlich die soge- nannte "Zweite Rezension" des englisches Krönungsordo verwendet. Wichtig war im Zuge der Krönung vor allem die Salbung, da vor dieser ein Versprechen darüber, ein gerechter Kö- nig zu sein, gegeben werden musste. Die Idee eines solchen Krönungsversprechens, war im Westfrankenreich des späten 9. Jahrhunderts entstanden und ab dem späten 10. Jahrhundert auch in England aufgegriffen worden.155 Parallel dazu wurde auch die Königsherrschaft an

151 Lawson, Cnut S.82; Lawson, Homiletic element S.156f. 152 Lawson, Cnut S.82f; Marion Archibald, Anglo-Saxon Coinage. Alfred to the Conquest. In: Janet Backhouse (Hg.), The golden age of Anglo-Saxon art 966-1066 (London 1984) 170-194. S.180; sowie zu diesem Münztyp Abb.7a. 153 Zum Stifterbild im Liber Vitae siehe: Karkov, Ruler portraits S.121-145; Zum Bild selbst siehe Abb.1 im Bildanhang. 154 Siehe dazu Stafford, Royal promises S.177-179; sowie das Kapitel zu den relevanten Quellen; zu den Para- graphen 69-83 im Gesetzestext II Cnut siehe: Liebermann, Gesetze S.356-367. 155 Stafford, Royal promises S.184f.

40 sich immer stärker sakral begründet, bis die angelsächsischen Könige im 11. Jahrhundert so- gar als Stellvertreter Gottes verstanden wurden. Das englische Königtum war also besonders im 10. Jahrhundert stark theokratisch, wodurch es auch zu einer Beeinflussung des Königtums durch christliche Ideen kam, welche eine starke Verbindung von König und Kirche zur Folge hatte.156 Dieser starke Einfluss der Kirche, zeigt sich besonders auch in den Gesetzen, wie beispielsweise jenen, die Erzbischof Wulfstan für Æthelred und Knut kompiliert hatte.157 Wulfstan stellt schließlich auch das letzte Beispiel dieser Phase, während derer es in England zu einer starken Allianz zwischen Kirche und König gekommen war, dar.158 An dieser Stelle ist jedoch vor allem die Krönung und im Speziellen das genannte Verspre- chen wichtig, da es über diese möglich war, dem König seine (christlichen) Pflichten zu ver- mitteln.159 Was diese Vermittlung der Pflichten betrifft, so war es Mitte des 10. Jahrhunderts sogar normal geworden, dass diese von Erzbischöfen Volk und König gepredigt wurden.160 Jedoch handelte es sich bei dieser Allianz um keine Einbahnstraße, durch welche es allein der Kirche möglich war, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen: Durch die umfassenden Aufgaben, welche von kirchlicher Seite an den König herangetragen wurden, kam es auch zu einer Ausweitung der königlichen Rechte.161 Für Knut scheint diese Vermittlung seiner Aufgaben, welchen er nachzukommen verpflichtet war, besonders wichtig gewesen zu sein: Indem er die an ihn gestellten Erwartungen erfüllte, konnte er sich als der ideale christliche König darstellen, der für sein Volk sorgt und in der Folge auch als englischer König auftreten. Was Knut betrifft, so scheint besonders Wulfstan derjenige gewesen zu sein, welcher ihm seine neuen christlichen Pflichten zu vermitteln ver- suchte, wodurch er letztendlich auch zu einem wichtigen Helfer für Knuts Legitimation wur- de.162 Einen Hinweis darauf, dass Knut tatsächlich in seinen christlichen Pflichten unterwie- sen wurde und dies für seine Legitimation auch annahm, bietet uns sein Brief aus dem Jahr 1027, welchen er während seiner Romreise nach England sandte. Knut sagt darin explizit,

156 Sarnowsky, England im Mittelalter S.58; Stafford, Unification and conquest S.137f. 157 Siehe dazu das Kapitel zu den Quellen. 158 Stafford, Unification and conquest S.138f. 159 Lawson, Homiletic element S.144; Stafford, Royal promises S.179f. 160 Stafford, Unification and conquest S.144. 161 Stafford, Unification and conquest S.144. 162 Zur Bedeutung der Kirche für Vermittlung der Pflichten und speziell Wulfstans als "Lehrer" siehe v.a.: Law- son, Homiletic element, gesamter Artikel aber v.a. S.163; Stafford, Unification and conquest S.70.

41 dass er den Heiligen Petrus besonders schätze, da er von weisen Männern über seine Bedeu- tung unterrichtet worden sei.163 Bevor ich im Folgenden genauer auf das Idealbild eines christlichen Königs eingehen werde, muss noch gesagt werden, dass eine Krönung außerdem den Endpunkt der politischen An- strengungen um König zu werden darstellte,164 nicht zuletzt auch da viele Kirchenmänner - allen voran Wulfstan - der Ansicht waren, dass einem rechtmäßig geweihtem König Folge geleistet werden musste. Ein in dieser Weise von Gott erwählter König, konnte daher auch nicht abgesetzt werden, beziehungsweise waren Rebellionen ebenfalls nicht erwünscht, was mit ein Grund war, warum man Æthelred am Ende seiner Herrschaft, als er aufgrund einer Krankheit bereits zur Untätigkeit gezwungen war, weiter unterstützte. 165 Aus diesem Grund war eine Krönung daher auch für Knut sehr vorteilhaft, da er durch sie seine Herrschaftsrechte gewissermaßen zementieren konnte, weshalb eine Krönung eine feste Basis seiner Regierung darstellen konnte. Weiters wurde Knut aufgrund seiner skandinavischen Wurzeln, sicherlich von vielen lange als der pagane Wikinger angesehen166 - die Herrschaft eines solchen über ein christliches Land wohl als skandalös betrachtet. Obwohl Knut tatsächlich bereits vor seiner Eroberung Eng- lands Christ war,167 galt es diesen heidnischen Beigeschmack abzustreifen und sich als christ- lichen Herrscher in der Erfüllung seiner Pflicht darzustellen, das heißt Knut musste einen Imagewechsel durchlaufen, um als christlicher und schließlich englischer König anerkannt zu werden. Eine Krönung war also auch für diesen Imagewechsel von Vorteil. Aus den genannten Gründen sollen daher im folgenden die wichtigsten Forschungsmeinungen sowie theologischen Konzepte des Mittelalters vorgestellt werden, um schließlich die Grund- züge des mittelalterlichen Königtums erfassen und damit zeigen zu können, dass Knut diesen Vorstellungen zu entsprechen versuchte. Über den Charakter beziehungsweise die Grundelemente und Pflichten eines Königs wurde sowohl in der modernen Forschung, wie auch von (früh-)mittelalterlichen Theologen viel

163 Whitelock, EHD Nr.49 S.416-418, zu der entsprechenden Stelle: S.417. 164 Stafford, Royal promises S.187. 165 Stafford, Unification and conquest S.15; Lawson, Homiletic element S.150. 166 Einen Hinweis darauf bietet uns ein Brief Fulberts von Chartres an Knut, auf den weiter unten noch genauer eingegangen werden wird. siehe: Whitelock, EHD Nr.233 S.825. 167 Eine wichtige Quelle zum Christentum in Dänemark ist einer der beiden Runensteine, wie sie in Jelling in Dänemark gefunden wurden. Die Inschrift zeigt, dass es Knuts Großvater Harald Blauzahn gewesen war, der das Christentum übernommen und nach eigenen Angaben (auf dem Stein) "die Dänen zu Christen gemacht hatte". Siehe dazu: Lawson, Cnut S.10f.

42 nachgedacht und diskutiert. Als fachwissenschaftliche Pionierarbeit auf diesem Gebiet muss zuerst das Werk Ernst Kantorowiczs "Die zwei Körper des Königs" genannt werden. Kanto- rowicz beschäftigt sich hierin vor allem mit dem "Doppelwesen" des Königs, das heißt er un- terscheidet zwischen einer menschlichen und einer göttlichen Dimension, wobei die göttliche Natur durch Salbung und Weihe auf den König übertragen wird. Als wichtigste Quelle dient Kantorowicz ein anonymer normannischer Autor des späten 11. Jahrhunderts, welcher sich ebenfalls bereits mit dieser Zwillingsperson des Königs auseinandergesetzt hatte. Wichtig an dieser Idee ist vor allem die enge Verbindung des Königtums mit dem Christentum bezie- hungsweise mit dem Göttlichen überhaupt, wodurch es auch zu einer "Klerikalisierung" des Königtums kam, das heißt das Königtum wurde ähnlich dem Bischofsamt (beide wurden ge- salbt) verstanden.168 Diese priesterähnliche Funktion des Königs machte ihn zu einem Bischof unter seinen Bischöfen, jedoch durfte er keine liturgischen Handlungen vornehmen - seine Aufgabe blieb der Schutz der Kirche.169 Wichtig sind bezüglich dieser sakralen Dimension des mittelalterlichen Königtums, sowie besonders auch für das Verständnis von Knuts Legitimationsbestrebungen, außerdem die Ausführungen Franz-Reiner Erkens. Er stellt drei Elemente des sakral verstandenen König- tums fest:170 Erstens herrschte im Frühmittelalter die Vorstellung, dass das Königtum von Gott geschaffen und auch der König von Gott gewählt wurde (von Gottes Gnade). Zweitens wurden Herrscher als die Stellvertreter Gottes beziehungsweise Christi auf Erden - als "vica- rius christi" - verstanden. Drittens stellt auch Erkens eine Teilhabe am Priesteramt fest, da der König eine priesterähnliche Verantwortung für sein Volk hatte.171 Es zeigen sich damit auch

168 Ernst Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters (Princeton 1966). v.a. S.64-81. Zur Bewertung der Arbeit Kantorowicz als Pionierarbeit, sowie zu allfälligen Kritikpunkten siehe: Bernhard Jussen, The King's Two Bodies Today. In: Representations, Vol. 106, No. 1 (Spring 2009) 102-117. 169 F.-R. Erkens, L.E. von Padberg, „Sakralkönigtum“ („Einführung“ 179 – 181). F.-R. Erkens „Sakralkönig- tum“ („sakrale Elemente“ 219 – 234). L.E. von Padberg „Sakralkönigtum“ („Angelsächsiche Quellen“ 272 – 279). In: Johannes Hoops (Begr.), Reallexikon der germanischen Altertumskunde (völlig neu bearb. und stark erw. Aufl., Bd. 26 Berlin 2004). S.223-225. 170 Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass eine Unterscheidung zwischen sakralem Königtum und Sak- ralkönigtum vorzunehmen ist, wobei die Grenzen zum Teil schwammig verlaufen: was das (englische) König- tum betrifft, können wir sicherlich nicht von einem Sakralkönigtum sprechen, sehr wohl aber ist es von sakralen Elementen gekennzeichnet, welche gerade auch für die Argumentation von Legitimität eines Königs wichtig waren. Auf die Wichtigkeit für Legitimation wird aber im Folgenden noch genauer eingegangen. Zu Unterschei- dung Sakralkönigtum/sakrales Königtum siehe: Erkens, "Sakralkönigtum" S.219f. 171 Franz-Reiner Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit (Stuttgart 2006). S.29.

43 anhand der Ausführungen Franz-Reiner Erkens starke sakrale Elemente des mittelalterlichen Königtums, welche für den König vor allem für dessen legitime Stellung als Herrscher von Nutzen waren: Indem der König als vicarius christi auftrat, verwies er auf den Grund seiner Herrschaft, das heißt auf den göttlichen Willen hinter seiner Führungsposition, wodurch er seine Stellung und das Königtum an sich, gleichsam unantastbar machen konnte. Wichtig dafür war außerdem, dass diese göttliche Natur des Königs als wirklich existent geglaubt wurde, da auch Gott, der Himmel, die Heiligen usw. für den Menschen des Mittelalters Reali- tät waren.172Aufgrund dieser Vorstellungen war es Herrschern - allen voran Knut - letztlich möglich, die Religion für ihre Legitimation zu instrumentalisieren.173 Einer der wichtigsten mittelalterlichen Theologen, welcher sich mit dem Königtum auseinan- dersetzten, war Abbo von Fleury. In seiner "Collectio canonum" befasst er sich unter anderem mit den Pflichten des Königs. Da besonders die Gerechtigkeit ein zentraler Aspekt seines Konzepts war, nennt er folgende Verpflichtungen: Der König soll niemanden (ungerechtfer- tigt) unterdrücken, niemanden bevorzugen, Ausländer, Witwen und Waisen verteidigen, Die- be bestrafen, niemandem, der selbst ungerecht handelt fördern, die Kirche beschützen und die Armen schätzen, nur gerechte Männer mit Reichsangelegenheiten betrauen und weise Berater führen, sowie sein Land gegen Feinde verteidigen.174 Wichtig für englische Vorstellungen zum Königtum sind diese Ausführungen Abbos deshalb, da er selbst zwischen 985 und 987 im englischen Ramsey unterrichtete und auch Dunstan - vielleicht sogar sehr gut - kannte. Neben Abbos Reisen nach England gab es zu dieser Zeit aber noch andere Kontakte zwischen der englischen und der kontinentalen Kirche, über die es sicherlich zu einer gegenseitigen Beeinflussung beziehungsweise einem Ideentransfer kam.175 Hinweise auf die zeitgenössischen Vorstellungen zu den Pflichten eines Königs, bietet uns aber auch eine politisch-theologische Schrift Wulfstans - die "Institutes of Polity, civil and ecclesiatical". Wulfstan nennt hierin den christlichen König in "Wehr und Schutz" einen "Stellvertreter Christi",176 der "das ganze Christenvolk" durch eine gerechte Gesetzgebung "zu Frieden und Versöhnung bringen" soll, "so sehr er nur kann".177 Neben weiteren Aufgaben, führt Wulfstan schließlich auch die sieben Pflichten eines gerechten, christlichen Königs an:

172 Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter S.33. 173 Padberg, Sakralkönigtum S.180. 174 Siehe zu Abbo von Fleury, sowie zu dieser Zusammenstellung seiner Pflichten, in der ich M.K. Lawson folge: Lawson, Homiletic element S.143. 175 Lawson, Homiletic element S.143. 176 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.40. 177 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.43.

44 "Eines vor allem, dass er große Gottesfurcht habe, und zweitens, dass er die Gerechtigkeit liebe, und drittens, dass er wohlwollend sei gegen die Guten, und viertens, dass er streng sei gegen die Bösen, und fünftens, dass er immer den Armen helfe, und sechstens, dass er Gottes Kirche fördere und schütze, und siebentens, dass er über Freunde und Fremde gleich urteile mit gerechtem Urteil."178 Falls eine Krönung also tatsächlich stattgefunden hat, so wurde für diese sicherlich die soge- nannte "Zweite Rezension" des englischen Krönungsordo verwendet, der die eben besproche- nen Vorstellungen vom Charakter des Königtums ebenfalls deutlich vermittelt. Wann genau dieser Ordo entstanden ist, kann nicht eindeutig festgestellt werden, wichtig ist aber, dass er bei der zweiten Krönung Edgars in Bath 973 Verwendung fand. Dieser Ordo, der nun auch eine Krönung der Königin mit einbezieht, ist sehr stark theologisch angelegt - alle Macht stammt dabei direkt von Gott, es tauchen keine Hinweise darauf, dass königliche Macht auch in weltlichen Dingen gründet, mehr auf. Es treten folglich auch neue Regalienstücke hinzu, da nun ein Ring als Symbol des Glaubens und ein Schwert als Symbol der Aufgabe der Verteidi- gung von Kirche und Volk, übergeben werden. Der König wird daher durch diesen Ordo zu einem wichtigen Vertreter des christlichen Glaubens, dessen Aufgaben - Schutz der Kirche und des Volkes und Förderung der Kirche - auch durch diese Krönungszeremonie zum Aus- druck kommen.179 Die Theorien Abbos und Wulfstans, bezüglich des Idealbildes eines christlichen Königs, wel- che bei weitem nicht die einzigen ihrer Zeit waren, sowie der Krönungsordo zeigen, dass sich die Menschen durchaus darüber im Klaren waren, was sie von ihrem König erwarteten. Für Knut ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass es im Zuge der Rückkehr Æthel- reds aus dem Exil in England bereits einmal möglich geworden war, die Missstände bezie- hungsweise die Forderungen an den König zu verbalisieren, da Æthelred die Bedingungen seiner Rückkehr hatte aushandeln müssen. Aus diesem Grund war es schließlich unter Knut leichter, nach der Erfüllung der Pflichten eines christlichen Königs zu verlangen, wodurch es schließlich auch für Wulfstan einfacher war, seine politisch-theologischen Vorstellungen, wie sie uns unter anderem in seinen Institutes of Polity erhalten sind, umzusetzen.180 Gleichzeitig legten er und andere Kirchenmänner Knut damit weitere Möglichkeiten seine Herrschaft zu

178 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.53f. 179 Zu den angelsächsischen Krönungsordines siehe: Strong, Coronation S.20-33, zur "Zweiten Rezension" und einer Beurteilung dieses Ordo siehe: ders. S.27-30; siehe außerdem dazu: Sarnowsky, England im Mittelalter S.43. 180 Stafford, Royal promises S.188-190.

45 legitimieren an die Hand, da dieser in der Folge zeigen konnte, dass er den Idealvorstellungen - zumindest oberflächlich - entsprach, was ihn natürlich auch zu einem idealen englischen Herrscher machte.181 Dass Knut durchaus bereit war den von ihm geforderten Pflichten nachzukommen, zeigt sich - neben den konkreten Handlungen, welche ihn als idealen christlichen König in der Erfüllung seiner Pflicht darstellen sollten - auch in einer Krönungsurkunde, welche vielleicht im Zuge seiner Krönung angefertigt wurde. Es handelt sich dabei um die Paragraphen 69-83 in jenem Gesetzestext, welcher heute als II Cnut bezeichnet wird. Da im Zuge der Kompilation von I und II Cnut viele frühere Gesetze in den neuen Codex aufgenommen wurden, wäre es nicht verwunderlich wenn auch eine Krönungsurkunde - falls es eine solche gegeben hat - in den Codex integriert worden wäre. Hinweise darauf, dass es sich bei den entsprechenden Passagen tatsächlich um ein zuvor eigenständiges Stück und möglicherweise um ein Krönungsdiplom gehandelt hatte, wären zuerst die inhaltliche Zusammengehörigkeit der Kapitel 69-83. Des Weiteren werden die darin enthaltenen Versprechungen in der "ich-Form" getätigt, wobei Knut eine Ausrottung der bisherigen Missstände verspricht. Thema sind daher vor allem ein Ende des Missbrauchs von königlicher Macht, sowie eine Milderung der Gesetze. Das Stück nennt folglich neben den Rechten auch die Pflichten des Königs, wodurch sich auch seine Gesetzgebung in die Idee des gerechten Königs einfügt.182 Einen Hinweis darauf, dass Knut derartiges tatsächlich zumindest einmal versprochen hatte, liefert uns auch die Chronik des John von Worcester, da uns John davon berichtet, dass Knut nach seiner Wahl 1016 geschworen hatte, sowohl in kirchlichen wie auch in weltlichen Din- gen ein guter (fidelis) König zu sein.183 M.K. Lawson stellt fest, dass es sich hierbei durchaus auch um eine Art Krönungsschwur gehandelt haben könnte und möglicherweise wurde ein ähnlicher Schwur auch bei seiner zweiten Krönung in London geleistet,184 wobei dieser uns vielleicht in Form der genannten Krönungsurkunde in den Paragraphen 69-83 des Gesetzes II Cnut entgegentritt. Was das bis jetzt Gesagte betrifft, so lässt sich also zusammenfassend sagen, dass eine Krö- nung Knut die Möglichkeit eröffnete, sich als der ideale christliche König in der Erfüllung seiner Pflicht darzustellen, was ihm besonders für seine Legitimation zu Gute kam. Wichtig

181 Keynes, Cnut's earls S.87; Stafford, Unification and Conquest S.70. 182 Stafford, Royal promises S.177-180; zu den Paragraphen 69-83 im Gesetzestext II Cnut siehe: Liebermann, Gesetze S.356-367. 183 Darlington, JW S.484f; siehe dazu außerdem: Lawson, Homiletic element S.156f. 184 Lawson, Homiletic element S.157; Die Möglichkeit, wonach es bereits direkt nach der Wahl 1016 zu einer ersten Krönung gekommen sein könnte, wurde bereits erwähnt.

46 erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass Knut bereit war, derartiges bereits zu Beginn seiner Herrschaft zu schwören. Doch wie genau sahen die Handlungen, durch welche Knut dem Idealbild eines Königs zu entsprechen versuchte aus, beziehungsweise durch welche Aktionen versuchte Knut seinen christlichen Aufgaben und Pflichten nachzukommen? Zuerst sind an dieser Stelle die umfang- reichen Stiftungen, mit welchen Knut - zum Teil in Zusammenarbeit mit Emma, zum Teil alleine - verschiedenste Klöster und Kirchen bedachte, zu nennen. Diese fromme Stiftertätig- keit, steht in Verbindung mit der Patronage diverser englischer Heiligenkulte, durch welche Knut zeigen wollte, dass er in der Tradition englischer Könige stand. Sowohl die großzügigen Stiftungen wie auch die Verehrung verschiedener Heiliger, sollten Knut außerdem als from- men christlichen König erscheinen lassen und sind in diesem Zusammenhang daher besonders wichtig. Da sowohl die Stiftertätigkeit Knut wie auch seine Heiligenverehrung jedoch äußerst komplex ist und außerdem noch weitere Dimensionen aufweist (Tradition), soll darauf weiter unten im Zuge eigenständiger Kapitel eingegangen werden, auf welche daher an dieser Stelle zu verweisen ist.185 Unter den Pflichten eines Königs wurde bereits der Schutz der Untertanen erwähnt: Wulfstan spricht vom König als Stellvertreter Christi in "Wehr und Schutz",186 Abbo von Fleury nennt als eine königliche Aufgabe die Verteidigung des Landes gegen seine Feinde.187 Dass Knut dem nicht nur nachkam, sondern auch verstand, dass ihm derartige Leistungen für seine Legi- timation von Nutzen sein konnten, zeigt uns der Brief aus dem Jahr 1019/20, bei dem es sich ursprünglich wahrscheinlich um eine writ zur Zirkulation an den shire-courts gehandelt hatte. Knut berichtet darin von einer großen Gefahr für England, die er jedoch mit Gottes Hilfe zu- nichtemachen konnte,188 das heißt er tritt als der Beschützer seines Volkes auf. Interessant erscheint, dass er dabei auch nicht vergisst zu erwähnen, dass ihm die Engländer dafür Treue schulden, das heißt er bringt seine Leistungen in direktem Zusammenhang mit seiner Herr- schaft.189 Eine weitere Quelle zu dieser Schutzfunktion, ist neben dem Brief von 1019/20, auch die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg. Thietmar berichtet uns darin von der Abwehr

185 Siehe daher die Kapitel "Knut und die englischen Heiligenkulte" sowie "Knut der fromme König in Stiftun- gen und Patronage". 186 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.40. 187 Lawson, Homiletic element S.143. 188 Zum diesem Brief siehe: Whitelock, EHD Nr.48 S.414-416. 189 Whitelock, EHD Nr.48 S.414-416, zur Treuverpflichtung: S.415.

47 von 30 Piratenschiffen durch Knut, bereits sehr früh in seiner Herrschaft.190 Da der Bischof von Merseburg bereits 1018 verstarb, ist sein Bericht dazu ebenfalls ein zeitgenössischer Hinweis darauf, dass Knut dank dieser Leistung auch von den unmittelbaren Zeitgenossen tatsächlich als Beschützer Englands angesehen wurde: "So waltet jetzt als einziger Verteidiger wie ein Basilisk in der menschenleeren libyschen Wüste der Mann, der zuvor mit seinem Va- ter in das Land einfiel und es ständig verheerte."191 Der Verweis auf Knut als denjenigen, welcher zuvor England verwüstet hatte, jetzt aber sein Beschützer sei, zeigt uns außerdem, dass ein Imagewechsel für Knut notwendig war, beziehungsweise dass sich ein solcher nach seiner Herrschaftsübernahme tatsächlich vollzog. Einen weiteren Hinweis darauf, dass dieser kämpferische Aspekt des Königs als Verteidiger des Landes durchaus wichtig und des Weiteren von Knut auch öffentlich propagiert wurde, liefert uns sein zweiter Münztyp "Pointed Helmet". Knut ist darauf mit einem Helm abgebil- det - es handelt sich hierbei sogar um die erste Darstellung eines Königs mit Helm auf einer englischen Münze.192 Dies zeigt uns neben dem Brief von 1019/20 und den Worten Thietmars von Merseburg, dass Knut als Verteidiger Englands gesehen werden wollte, dies durch das Massenmedium Münze auch zu propagieren suchte und auf diese Weise den Pflichten eines christlichen Königs öffentlichkeitswirksam nachkommen wollte. Wie bereits erwähnt, war das Motiv des gerechten Königs besonders wichtig, weshalb zu den Forderungen seitens der Kirche natürlich auch eine gerechte Gesetzgebung gehörte.193 Erzbi- schof Wulfstan schreibt in seinen Institutes of Polity, dass es einem "christlichen König ge- ziemt", "das ganze Christenvolk durch gerechtes Gesetz zu Frieden und Versöhnung zu brin- gen".194 Da uns von Knut drei verschiedene Gesetzestexte erhalten sind (Gesetz von 1018, I und II Cnut), können wir erkennen, dass Knut dieser Aufgabe durchaus gerecht wurde, be- sonders da es sich bei I und II Cnut um die größte überlieferte Aufzeichnung der angelsächsi- schen Gesetze handelt.195 Die Tatsache, dass Wulfstan gerade auch auf dem Gebiet der Ge- setzgebung sehr engagiert war (alle Gesetze Knuts zeigen den Einfluss des Erzbischofs), dürf- te Knut dabei sicherlich auch zu Gute gekommen sein. Gleichzeitig werden die Gesetze Knuts

190 Trillmich, ThM Chronik S.448f; Siehe zu Thietmars Chronik als Quelle zu Knut außerdem: Lawson, Cnut S.73. 191 Trillmich, ThM Chronik S.448f. 192 Archibald, Anglo-Saxon Coinage S.180.; sowie Abb.7b im Bildanhang. 193 Siehe dazu außerdem: Stafford, Emma and Edith S.191f. 194 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.41f. 195 Zu den Editionen der einzelnen Gesetze Knuts bei Liebermann und Whitelock siehe mein Kapitel zu den Quellen!

48 damit aber auch zu einer schwierigen Quellen, da nicht genau gesagt werden kann, inwieweit Knut überhaupt daran beteiligt war.196 Meines Erachtens nach, ist das in diesem Fall aber auch nicht so wichtig, da sie zeigen, dass Knut als Gesetzgeber auftrat, auch wenn er die ei- gentliche Arbeit von anderen ausführen ließ. Außerdem wird deutlich, dass man auch dazu bereit war, Knut als Gesetzgeber zu sehen, beziehungsweise bereit war, ihn dahingehend - und das heißt auch als König - zu unterstützen. Insgesamt war es ab dem Zeitpunkt der Krönung für Knut also möglich, sich als irdisches Gegenstück Gottes beziehungsweise Christi darzustellen, wobei dies überhaupt Knuts Leit- motiv gewesen zu sein scheint. Dies zeigt sich neben den bisher genannten Punkten (Heili- genverehrung, Stiftungen, Schutz, Gesetzgebung) auch an einem weiteren Beispiel, auf das im Folgenden eingegangen werden soll. Wie bereits erwähnt war eine Dimension des mittel- alterlichen Königtums auch die ideelle Teilhabe am Bischofsamt, die Aufgabe des Königs blieb dabei aber auf Förderung und Schutz der Kirche beschränkt. 197 Auch wenn Wulfstan in seinen Institutes of Polity die Teilhabe am Bischofsamt nie explizit erwähnt, treten die damit verbundenen Aufgaben auch in seiner Arbeit recht deutlich hervor. So schreibt der Erzbischof beispielsweise:"Und ihm (dem König) geziemt auch, dass er mit seiner ganzen Kraft das Christentum liebe und das Heidentum verabscheue und dass er Gottes Kirche überall eifrig ehre und schütze."198 Neben Knuts großzügigen Stiftungen, ist uns ein weiterer Hinweis darauf erhalten geblieben, dass Knut dieser Aufgabe auch tatsächlich nachkam: Im Encomium Emmae Reginae wird Knuts Herrschaftszeit - auch vor dem Hintergrund der politischen Situation der Jahre 1041/42 - als goldenes Zeitalter und er selbst als idealer christlicher König dargestellt. Interessant ist an dieser Stelle auch der Bericht des Enkomiasten zu Knuts Großzügigkeit gegenüber der Kirche, da er Knut im Zuge dessen auch als "Co-Bischof" an der Seite seiner Bischöfe be- schreibt.199 Auch wenn derartige Äußerungen des Enkomiasten (er beschreibt Knuts Lebens- weise sogar als so fromm wie ein Mönch) 1041/42 sicherlich andere Hintergründe hatten, lässt sich an dieser Aussage bezüglich der Teilhabe am Bischofsamt zumindest erkennen, dass diese Idee in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in England bekannt war. Da der Quellen- wert des Encomiums auch in seiner zeitgenössischen Einschätzung der Herrschaft Knuts be-

196 Auf den Einfluss Wulfstans wurde bereits mehrfach eingegangen; siehe dazu sowie zu den Gesetzen als schwierige Quelle unter anderem: Lawson, Cnut S.56-63. 197 Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs v.a. S.64-81; Erkens/Padberg, „Sakralkönigtum S.223-225. 198 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.40. 199 EER S.34-37.

49 gründet ist,200 lässt sich an dieser Äußerung auch erkennen, dass man das Motiv des "Co- Bischofs" auch tatsächlich mit Knut in Verbindung brachte. An dieser Stelle soll nun noch auf ein weiteres Beispiel, welches Knuts Bemühungen dem angesprochenen Idealbild zu entsprechen zeigt, eingegangen werden. Um wieder eine zeitge- nössische englische Quelle zu verwenden, sei abermals Wulfstan zitiert: "Und ihm (dem Kö- nig) geziemt, dass er ... grimmig denen wehre, die Unrecht wollen."201 Wulfstan nennt daher auch als vierte Tugend des Königs, streng gegen die Bösen zu sein.202 Bald nach Knuts Herr- schaftsantritt kam es wie bereits erwähnt zu Exekutionen verschiedener englischer Großer - zu den Hingerichteten gehörte auch Ealdorman Eadric Streona. Diese Hinrichtungen, deren primärer Grund sicherlich eine unmittelbare Absicherung Knuts gegen Verrat war, werden von der Angelsachsenchronik nüchtern für das Jahr 1017 erwähnt.203 Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang auch die Hintergründe, welche das Encomium für den Mord an Eadric nennt, da der Enkomiast als Grund die gerechte Strafe für den Verrat an Edmund Iron- side angibt. 204 Anscheinend folgte Knut, indem er "verbrecherische Menschen streng mit weltlicher Strafe" bestrafte,205 also auch hierin den Unterweisungen Erzbischof Wulfstans. Abschließend muss außerdem noch erwähnt werden, dass die Krönung auch die Tür für vor- teilhafte Beziehungen zu einzelnen Kirchenmännern, respektive der Kirche insgesamt öffnete. Da unter den Geistlichen eine Art Beziehungsnetz bestand, dessen Bedeutung weit über reli- giöse Belange hinausreichte, sondern auch machtpolitisch wichtig sein konnte, war es für den König auch herrschaftspolitisch wichtig, selbst eine Masche in diesem Netz zu sein.206 Insgesamt wird also deutlich, dass zeitgenössische Kirchenvertreter wie Erzbischof Wulfstan genaue Vorstellungen von den Pflichten eines Königs hatten und auch - zumindest bis zu ei- nem gewissen Grad - bereit waren, diese einzufordern. Die Erfüllung dieser Pflichten konnte aber auch für einen König wie Knut von Vorteil sein, da er sich dadurch als idealer christli- cher König darstellen und seine Herrschaft auf diese Weise legitimieren konnte. Den ent- scheidenden Anfangspunkt bildete dabei die Krönung, da die göttliche Natur, das heißt die Funktion als vicarius christi im Zuge dieser sakralen Handlung auf den König übertragen wurde (Salbung). Außerdem wurden die angesprochenen Aufgaben und Pflichten dem König

200 Keynes, Introduction S.LXVI; Stafford, Unification and Conquest S.18. 201 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.44. 202 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.53. 203 Whitelock, ASC S.97. 204 EER S.30-33. 205 Jost, Wulfstan "Institutes of Polity" S.44. 206 Lawson, Cnut S. 125; Siehe dazu auch das Kapitel zu Knuts Stifterverhalten.

50 bei, aber auch nach der Krönung vermittelt, weshalb die Krönung auch für die Legitimation Knuts von grundlegender Bedeutung war. Auf weitere legitimierende Akte, für die die Krö- nung gewissermaßen eine Basis bildete, soll daher in den folgenden Kapiteln eingegangen werden.

6.4 Die Heirat mit Königin Emma

Sicherlich einer der bedeutendsten Schritte Knuts, seine Herrschaft zu sichern und auf eine legitime Basis zu stellen, war die Heirat mit der Witwe seines Vorgängers, Königin Emma. Eine solche Heirat mit der Witwe des ehemaligen Königs konnte der Sicherung der Stellung als Nachfolger dienen und war im Frühmittelalter durchaus nichts ungewöhnliches. Bei- spielsweise ließen sich hier die Heirat zwischen Adelheid als Witwe des italischen Königs mit Otto I. oder, um ein englisches Beispiel zu nennen, von Judith (der Tochter Karls des Kahlen) als Witwe Æthelwulfs von Wessex mit ihrem rebellierenden Stiefsohn Æthelbald, anführen. Knuts persönlicher Ideengeber könnte dabei sein Vater Sven gewesen sein, der seinerseits die Witwe seines Vorgängers (Sigrid) als König von Schweden geheiratet hatte, um sich so seine Herrschaft zu sichern.207 Wichtig war in diesem Zusammenhang die Vorstellung, dass Wit- wen (aber auch Töchter) die Ansprüche ihres königlichen Mannes nach dessen Tod erbten und so auch in der Lage waren, Verbindungen zwischen Königreichen zu verhandeln, bezie- hungsweise entsprechende Ansprüche an einen neuen Ehemann weiterzugeben.208 Von einiger Wichtigkeit für die Heirat zwischen Emma und Knut war hierbei sicherlich auch eine gewisse gesteigerte Bedeutung von Königinnen in England ab dem 10. Jahrhundert. Die- se Entwicklung ging mit der Idee von als Königin des Himmels einher, da es zu einer Parallelisierung zwischen der weltlichen und Maria als der himmlischen Königin kam. In der Folge orientierten sich Königinnen in ihrem Verhalten aber auch im Titel, an der Mutter Got- tes. Deutlich wird das auch in den Bildquellen: Um ein Beispiel zu Emma zu verwenden, sei hier das Stifterbild von ihr und Knut im Liber Vitae der New Minster Winchester genannt, in dem Emma als das irdische Äquivalent Marias dargestellt wird. Interessant erscheint außer-

207 Siehe dazu: Stafford, Emma and Edith S.226, 230; sowie: Pauline Stafford, Queens, concubines and dowa- gers S.49f. 208 Stafford, Emma and Edith S. 94, sowie allgemeiner dazu diess. S.89-96; Stafford, Queens, concubines and dowagers S.49.

51 dem, dass in diesem Stifterbild Emma - und nicht Knut - an der rechten Seite Christi darge- stellt wird, was ihre große Bedeutung ebenfalls reflektiert.209 Es gibt jedoch auch bildliche Darstellungen, welche uns die Bedeutung Marias selbst vermit- teln. Ein Bild zur sogenannten "heiligen Fünfheit", welches ebenfalls in New Minster Win- chester angefertigt wurde und etwa zur selben Zeit entstand wie das Stifterbild, zeigt uns die Dreifaltigkeit durch Maria und das Jesuskind ergänzt.210 Hinzutritt ein weiteres Beispiel, dass diesen Sachverhalt verdeutlicht und besonders die Funktion Marias als Königin des Himmels hervorhebt. Es handelt sich dabei um ein Bild der Krönung Marias im Benediktionale des Bischofs Æthelwold von Winchester. Interessant erscheint dabei, dass besonders das New Minster Winchester ein Zentrum des englischen Marienkults dieses Zeit war211 und es auch Winchester war, wo Emma Besitzungen hatte, sich oft und gerne aufhielt und nicht zuletzt auch über Stiftungen eine enge Beziehung zu dieser religiösen Gemeinschaft aufrecht er- hielt.212 Angesichts dieser Bedeutung Emmas, auf deren Aspekte im Folgenden noch genauer einge- gangen wird, erscheint es auch durchaus wahrscheinlich, dass Knut Emma nach der Erobe- rung Londons gefangen genommen hatte, um sie später aus den bis jetzt genannten Gründen heiraten zu können. Tatsächlich ist aber nicht bekannt, wo sich Emma in der Zeit nach dem Fall der Stadt bis zur Heirat mit Knut aufgehalten hat. Eigentlich müsste man erwarten, dass Emma nach dem Tod ihres ersten Ehemanns und in der akuten Bedrohungssituation zu ihrer Familie in die Normandie zurückgekehrt wäre.213 In ihrer Lobschrift, dem Encomium Emmae Reginae, ließ Emma die Situation so darstellen, als wäre sie rechtzeitig in die Normandie zu- rückgekehrt, wo sie Knut später als seine ideale Braut gefunden und um ihre Hand angehalten hatte. Überhaupt präsentiert Emma ihre Heirat im Encomium als sehr selbstbestimmt - von einer Zwangsheirat, oder gar einer möglichen Gefangennahme durch Knut zu diesem Zweck,

209 Zur gesteigerten Bedeutung der Königin und zur Verbindung mit Maria siehe: Stafford, Emma: The Powers of the Queen S.13; Stafford, Emma and Edith S.56, 178; Zum Stifterbild im Liber Vitae siehe: Karkov, Ruler Portraits S.121-141; zum Stifterbild siehe außerdem den Bildanhang. 210 Dieses Bild befindet sich im Gebetsbuch des Abtes Ælfwine von Winchester, siehe dazu: Stafford, Emma: Powers of the Queen S.13f sowie das Bild auf S.26; Das Bild zur "heiligen Fünfheit" befindet sich außerdem im Bildangang (Abb.3). 211 Zum Bild im Benediktionale, sowie zu Winchester als Zentrum des Kults um Maria als Königin des Himmels siehe: Stafford, Emma and Edith S.172-174; Was diese Darstellung Marias betrifft, sei abermals auf den Bildan- hang verwiesen (Abb.4) 212 Stafford, Emma and Edith S.146-148, 252; Zu den Schenkungen siehe außerdem: Harmer, Writs S.382-385, 526. 213 Siehe dazu in der ASC: Whitelock, ASC S.97; Stafford, Emma and Edith S.226, 229; Keynes, Introduction S.XXIII.

52 ist in keinster Weise die Rede.214 Jedoch erklärt sich diese Darstellung Emmas im Encomium, vor allem durch die Entstehungssituation und den Kontext der Herrschaft ihres Sohnes Harthaknut 1041/42, worauf in dieser Arbeit nicht genauer eingegangen werden kann.215 Es erscheint jedoch auch möglich, dass die Heirat - wie William von Malmesbury es nahe legt - in Zusammenhang mit Verhandlungen mit Graf Richard von der Normandie, das heißt mit dem Beschluss eines Bündnisses, stand. Nützlich wäre ein solches für Knut insofern gewesen, als er auf diese Weise eventuelle Thronansprüche seitens eines Repräsentanten der Normandie, beziehungsweise eine Unterstützung des Grafen für die Söhne Emmas mit Æthelred, Edward und Alfred, hätte unwirksam machen können. Jedoch schrieb William von Malmesbury erst etwa hundert Jahre später und auch sonst berichten uns nur kontinentale, das heißt vor allem normannische Quellen, von einer Verständigung zwischen Knut und dem Grafen der Nor- mandie.216 Letztendlich war die Heirat vor allem für eine Legitimation von Knuts Herrschaft in England wichtig217 - auf weitere Aspekte ihrer Bedeutung soll daher nun genauer eingegangen werden. Ein Motiv des Idealbildes einer frühmittelalterlichen Königin war ihre Rolle als Friedensstif- terin.218 Diese Aufgabe zeigt sich auch in der Krönungszeremonie von Königinnen, welche sich im Zuge jener Entwicklung ab dem 10. Jahrhundert, während der die Bedeutung der Kö- nigin immer mehr zunahm, ebenfalls veränderte, beziehungsweise ebenso diese erhöhte Stel- lung reflektierte. Die Königin wurde nun als "consors imperii" bezeichnet und so eine Teilha- berin an der Herrschaft ihres Mannes, ihre Aufgabe war die Förderung von Frieden und Wohlstand. Diese Entwicklung ist dabei ebenfalls im Kontext der langjährigen Kriege und Angriffe auf England zu verstehen.219 Wichtig erscheint folglich auch Emmas Rolle als Friedensstifterin 1017, wie sie sich schließ- lich auch selbst im Encomium präsentiert.220 Auch wenn Emmas diesbezügliche Darstellung ihrer eigenen Person in der Lobschrift, vor allem wieder vor dem Hintergrund der Jahre

214 Zur Heirat im Encomium Emmae Reginae siehe: EER S.32f; Siehe dazu außerdem: Stafford, Emma and Edith S.231. 215 Siehe dazu beispielsweise: Keynes, Introduction; sowie: Elizabeth Tyler, Talking about History in Eleventh- Century England: The Encomium Emmae Reginae and the Court of Harthacnut. In: Early Medieval Europe 13 (Nr. 4, 2005) 359-383. 216 Keynes, Introduction S.XXII-XXIV; Stafford, Emma and Edith S.228; zum Bericht Williams von Malmes- bury in seiner Chronik siehe: Mynors, William of Malmesbury, GR S.318-321. 217 Stafford, Emma and Edith S.228. 218 Stafford, Queens, concubines and dowagers S.44; Stafford, Emma and Edith S.34. 219 Stafford, Emma and Edith S.174f. 220 Siehe dazu im Encomium: EER S.32f.

53 1041/42 zu sehen ist, erscheint es trotzdem wahrscheinlich, dass dieser friedenstiftende As- pekt auch am Beginn von Knuts Herrschaft wichtig war. Die langjährigen Kämpfe, die seiner Thronbesteigung vorangegangen waren, hatten wie bereits erwähnt, den Wunsch nach Frieden groß werden lassen. Knut musste diesem Wunsch nun entsprechen - auf die Bedeutung des Idealbildes eines christlichen Königs, dem Knut auch nachzukommen versuchte, wurde be- reits eingegangen. Auch im Zuge des Treffens von Oxford, worauf ich im entsprechenden Kapitel noch genauer eingehen werde, war die Vermittlung eines Friedens zwischen Dänen und Engländern zentral. Interessant erscheint dabei, dass dieser offizielle Friede nach der Hochzeit mit Emma geschlossen wurde.221 Es zeigt sich damit, dass Knut diesem allseits ge- forderten Frieden auch durch seine Hochzeit mit Emma nachkommen konnte, da Emma als Teilhaberin seiner Herrschaft besonders diesen Aspekt verkörperte. Auf die Möglichkeit einer Königin, Ansprüche ihres toten Mannes durch eine Heirat an sei- nen Nachfolger weiterzugeben, wurde bereits eingegangen. Nun fungierte 1017 besonders Königin Emma als Trägerin der englischen Vergangenheit und auf diese Weise als Symbol der Kontinuität. Sie war nicht nur die Witwe des alten Königs, sondern auch eine konsekrierte englische Königin und wirkte 1017 daher als Link zur englischen Vergangenheit.222 So konn- te über sie nicht nur die Herrschaft, sondern auch eine gewisse englisch-königliche Aura von Æthelred auf Knut übergehen. Auf die vielen Bestrebungen Knuts, sich mit als Heilige ver- ehrten englischen Königen in Verbindung zu bringen, durch welche er auch versuchte sich in deren Nachfolge und in englischen Traditionen stehend darzustellen, wird im Kapitel zu Knut und den Heiligenkulten noch genauer eingegangen. Ein zentrales Thema war demzufolge, wie gesagt, die Kontinuität von Knuts Herrschaft zu seinen englischen Vorgängern, welche er ebenfalls über eine Heirat mit Emma propagieren konnte. Dass Kontinuitäten eine wichtige Kategorie in den Vorstellungen von Herrschaft waren, hatte sich übrigens bereits bei der Hochzeit Emmas mit Æthelred gezeigt, als sie einen neuen englischen Namen annahm, bezie- hungsweise übertragen bekam. Während Emma ihr "Privatname" geblieben sein dürfte, attes- tierte sie öffentliche Dokumente ab nun mit dem angelsächsischen Namen Ælfgifu. Ælfgifu war ein sehr häufiger Name und außerdem insofern von Bedeutung, als auch Æthelreds erste Frau, sowie - und das erscheint besonders wichtig - seine als Heilige verehrte Großmutter diesen Namen getragen hatten. Es wird also auch hier ein Wunsch nach Kontinuität deutlich, der Emma außerdem die Möglichkeit eröffnete, von Beginn an als Angelsächsin aufzutre-

221 In der Angelsachsenchronik: Whitelock, ASC S.97; sowie dazu ebenfalls: Stafford, Queens, concubines and dowagers S.44; Stafford, Emma and Edith S.34. 222 Stafford, Emma and Edith S.7f, 177f.

54 ten.223 Hierin zeigt sich erneut ein gewisses Bedürfnis nach Beständigkeit, dem Knut sicher- lich auch durch die Heirat mit Emma nachkommen wollte, um damit die Nachfolge auf seine angelsächsischen Vorgänger zusätzlich zu betonen. Hinzutritt weiters, dass eine Heirat den sozialen Status eines der Beteiligen bestätigen oder sogar noch erhöhen konnte - besonders war es aber eine Möglichkeit, den eigenen Status öf- fentlichkeitswirksam zu demonstrieren.224 Für Knut, der als dänischer Wikinger nach England gekommen war, bot die Vermählung mit Emma, damit zusätzlich die Möglichkeit zu zeigen, dass er den sozialen Ansprüchen einer solchen Heirat gewachsen war, das heißt die Hochzeit bediente seinen Imagewechsel zusätzlich. Da Emma selbst als großzügige Stifterin auftrat, war sie außerdem insofern von einiger Wich- tigkeit für Knut, da sie sicherlich auch zur Verbesserung der Beziehungen zur Kirche beitra- gen konnte.225 Eine gute Verständigung mit der Kirche war für Knut wichtig, da er auch über die Religion - wie Stiftungen oder die Förderung von Heiligenkulten sowie über das Motiv des idealen christlichen Königs - versuchte, sich als englischen König zu legitimieren. Auch wenn es sich dabei um keinen Aspekt der Legitimation an sich handelt, konnte Knut trotzdem über eine Heirat mit Emma nicht zuletzt die Thronansprüche ihrer Söhne mit Æthel- red - Edward und Alfred - neutralisieren, beziehungsweise unterbinden. Auch wenn Verhand- lungen mit Graf Richard von der Normandie in diese Richtung nicht belegt sind, konnte eine Vermählung mit Emma auch, was diesen Gesichtspunkt betrifft, nicht schaden.226 Besprochen werden muss an dieser Stelle schließlich noch die Bedeutung von Knuts erster Frau, Ælfgifu von Northampton. Knut hatte sich, nachdem er eine zweite Ehe mit Emma ein- gegangen war, nicht von ihr getrennt. Ælfgifu hatte auch weiterhin ihre Stellung an Knuts Seite, was sich unter anderem darin zeigt, dass Knut sie zusammen mit dem gemeinsamen Sohn Sven als Regentin des eroberten Norwegen einsetzte.227 Obwohl von der Kirche missbil- ligt, waren solche Doppelehen, beziehungsweise ein Konkubinat, nichts Außergewöhnliches: Auch Bertha, die erste Frau Roberts des Frommen, hatte beispielsweise nach dessen erneuter Heirat mit Konstanze weiterhin ihren Platz neben ihrem (früheren) Mann.228 Tatsächlich muss eine derartige Verbindung, wie Knut sie zu seiner ersten Frau hatte, zumindest unter Laien

223 Keynes, Introduction S.XVII; Ryan Lavelle, Aethelred II. King of the English (Stroud 2008). S.93; Karkov, Ruler portraits S.120f; Stafford, Emma and Edith S.228. 224 Stafford, Unification and Conquest S.165. 225 Lawson, Cnut S.129. 226 Stafford, Emma and Edith S.228. 227 Stafford, Queens, concubines and dowagers S.139f; Lawson, Cnut S.131f. 228 Stafford, Emma and Edith S.233.

55 mehr oder weniger anerkannt gewesen sein, es erscheint sogar möglich, dass sich das Konku- binat, welches sich aus "germanischen" Ursprüngen entwickelt hatte, in England bis in Knuts Zeiten weiter existiert hatte.229 Unter Konkubinat ist dabei aber keine Form der "Nebenehe", sondern vielmehr eine Art Liebschaft neben der Ehefrau zu verstehen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Ælfgifus Position unter den Zeitgenossen durchaus aner- kannt war, wäre außerdem der handfeste Thronanspruch, welchen Knuts Sohn von Ælfgifu, Harald, nach dessen Tod hatte.230 Wie bereits erwähnt, hatte Knut Ælfgifu bereits nach seiner Ankunft in England im Zuge des Eroberungszugs seines Vaters geheiratet. Neben der Besie- gelung einer möglichen Allianz seines Vaters mit der Familie Ælfgifus,231 erscheint es durch- aus möglich, dass ihre Bedeutung zu diesem Zeitpunkt ganz ähnlich jener Emmas ein paar Jahre später zu bewerten ist. Es zeigt sich damit eine Vielfalt an Möglichkeiten, welche die Heirat mit Emma Knut für des- sen Legitimation als englischen Herrscher an die Hand legte. Zentral erscheint der Aspekt der Kontinuität, welche Emma vermittelte und die Knut in der ununterbrochenen Nachfolge sei- ner angelsächsischen Vorgänger erscheinen ließ, was für seine Legitimation besonders wich- tig war, wie sich auch anhand anderer Bemühungen seinerseits zeigt (siehe dazu vor allem das Kapitel zu den Heiligenkulten). Bedeutend war Emma aber sicherlich auch im Zuge des Imagewechsels, der Knut nun als christlichen Herrscher erscheinen lassen sollte. Nicht zuletzt war Emma aber nicht nur für die Legitimation, sondern auch für die Sicherung der Herrschaft für Knut wichtig, da er über die Heirat die Thronansprüche Edwards und Alfreds unwirksam machen konnte.

6.5 Exekutionen und Umschichtungen in der englischen Aristo- kratie

Bei den Exekutionen, wie sie Knut bald nach seinem Herrschaftsantritt vornehmen ließ, han- delte es sich eigentlich um Maßnahmen zu unmittelbaren Herrschaftssicherung. Da diese je-

229 Lawson, Cnut S.132. 230 Siehe dazu Lawson, Cnut S.112-116. 231 Zur Heirat mit Ælfgifu von Northampton und deren Einschätzung siehe: Howard, Swein Forkbeard's inva- sions S.106f; Sowie dazu außerdem: Lawson, Cnut S.131f.

56 doch nicht losgelöst von Knuts Legitimation als englischen Herrscher betrachtet werden kön- nen, ist es an dieser Stelle notwendig, einige wenige Worte zu diesen zu sagen. Der vorrangige Grund für die Hinrichtung verschiedener englischer Großer war die Absiche- rung seiner Herrschaft, da Knut auf diese Weise versuchte, jene, die im Verdacht standen ihn zu verraten, zu beseitigen.232 Obwohl sich die Herrschaft Knuts durch eine kontinuierliche Fortführung der englischen Politik und Administration auszeichnete,233 kam es in der Folge zu Umbildungen in der hohen Aristokratie (aber auch auf der Ebene der Thegns).234 Diese Veränderungen sind jedoch nicht allein den Exekutionen zuzuschreiben, besonders da es sich bei diesen um keinen systematischen Austausch der englischen Großen, sondern um akute Aktionen zur Herrschaftssicherung handelte. Die Angelsachsenchronik berichtet uns davon, dass Knut zwischen 1016 und 1019 den Sohn des Ealdorman Leofwine, Northmann, den Sohn des Ealdorman Æthelmear, Æthelweard, sowie den Sohn von Ælfheah, Beorhtric hatte hinrichten lassen. Das wohl berühmtesten Opfer seiner Herrschaftssicherung, waren jedoch Ealdorman Eadric Streona und der ætheling Eadwig.235 Maßgeblich für ein "Aussterben" der großen Adelsfamilien auf höchster Ebene, waren auch die langjährigen Kriege, wie sie Knuts Regierungszeit vorrangegangen waren und die auch unter der Aristokratie viele Opfer gefordert hatten. 236 Neben Symeon von Durham (Libellus de exordio atque procursu istius hoc est Dunhelmensis, ecclesie) und John von Worcester (Chronik) berichtet uns vor allem die Angelsachsenchronik von langjährigen Kämpfen, Zer- störungen und dem Tod vieler englischer Großer. Fünf der englischen Großen, welche bereits während der wikingischen Plünderungs- und Eroberungszüge vor 1016, ihr Leben gelassen hatten, kennen wir sogar namentlich: Brihtnoth, Uhtred, Ælfric, Godwine und Ulfketel. 237 Besonders die Schlacht von Assandun, dürfte einem Aderlass unter der englischen Führungsschicht gleichgekommen sein, da sowohl die Angelsachsenchronik, als auch die Chronik des John von Worcester, die großen Verluste unter hochrangigen englischen Persönlichkeiten beklagen.238

232 Katharin Mack, Changing Thegns: Cnut’s Conquest and the English Aristocracy. In: Albion 16 (Winter 1984) 375-387. S.377f. 233 Mack, Changing Thegns S.376. 234 Mack, Changing Thegns: gesamter Artikel, aber v.a. S.377f. 235 Mack, Changing Thegns S.377; Whitelock, ASC 1017, S.97; Darlington, JW 1017, S.503. 236 Mack, Changing Thegns S.377. 237 Mack, Changing Thegns S.377, Whitelock, ASC 991-1016, S.82-97; Darlington, JW 1016, S.490-493. 238 Mack, Changing Thegns S.379; Der Schreiber der ASC meint sogar, dass in dieser Schlacht die "gesamte" (hohe) englische Nobilität gefallen sei: Whitelock, ASC 1016, S.96; Darlington, JW 1016, S.492f.

57 In Folge kam es daher unter Knut zu einem Aufstieg neuer Familien239 - und zwar sowohl skandinavischer wie auch englischer -, die im Gegensatz zu früheren Zeiten kaum noch unter- einander verwandt oder verschwägert, dafür aber umso stärker an den König, das heißt Knut, gebunden waren. Es handelte sich dabei jedoch um keinen systematischen Austausch der eng- lischen Aristokratie (wie etwa nach 1066), sondern ergab sich vielmehr aus den Hinrichtun- gen, welche für eine unmittelbare Herrschaftssicherung notwendig waren, sowie den genann- ten massiven Verlusten der langjährigen Kämpfe. Dies war natürlich günstig für Knut, da ihm damit die Loyalität der Großen seines Reiches größtenteils sicher war.240 Auch wenn aus den genannten Gründen nicht viele englische Große, welche ihre Stellung schon zu Zeiten Æthelreds innehatten, unter Knut weiter bestehen sollten, so handelte es sich bei den wenigen "Amtsträgern", welchen dies gelang, auch später um relativ einflussreiche Persönlichkeiten, was sich vor allem in ihrer Präsenz in Knuts Urkunden zeigt. An der Spitze dieser alten englischen „ministri“ standen Odda, Ælfgar und Ælfwine, von denen auch immer mindestens einer eine Urkunde Knuts attestierte.241 Diese englischen Großen, die auch unter Knut eine führende Rolle spielten, bildeten gemeinsam mit ihren Verwandten eine regelrechte „Clique“, die wichtig für die Stabilität der Regierung war und die als „Puffer" zwischen dem neuen König und der angelsächsischen Administration fungierten, weshalb es hier unter Knut zu keinen größeren Veränderungen kam. 242 Ich bin der Meinung, dass auch Erzbischof Wulfstan, der, wie bereits erwähnt, einigen Einfluss auf Knut und seine Gesetzgebung hatte, ebenfalls in einem solchen Licht gesehen werden kann, obwohl Knut sicherlich auch von sich aus bereit war, die englischen Verhältnisse beizubehalten. Ein Grund dafür, dass Knut in Poli- tik und Administration weiterhin einen englischen Weg verfolgte, wäre, dass er damit den bereits genannten Wunsch nach Kontinuität weiter bedienen und auf diese Weise ebenfalls als Herrscher, der in der Tradition seiner englischen Vorgänger stand, erscheinen konnte. Was beispielweise die Exekution Eadric Streonas betrifft, so berichten uns verschiedene Quellen davon, dass Knut damit Rache für dessen Verrat an Edmund Ironside nehmen wollte. Obwohl die Hinrichtung vorrangig im Licht seiner eigenen Herrschaftssicherung zu sehen ist,

239 Das "Aussterben" alter Adelsfamilien, sowie der Aufstieg neuer, ist uns aber nicht nur durch historiographi- sche Quellen bezeugt, sondern ist auch durch die Zeugenlisten der Urkunden, in Testamenten etc. greifbar. Siehe dazu: Mack, Changing Thegns S.377 Anm. 12, sowie S.380. 240 Mack, Changing Thegns v.a. S.380, 385; Robin Fleming, Kings and lords in conquest England (Cambridge studies in medieval liefe and thought 15, Cambridge 1991). S.48, zu den früheren Verhältnissen, d.h. den Ver- bindungen untereinander siehe ebenfalls: Fleming, Kings and Lords S.23-33. 241 Timothy Bolton, The empire of Cnut the Great (The northern world 40, Leiden 2008). S.26f. 242 Bolton, Empire of Cnut the Great S.42.

58 zeigt gerade die genannte Begründung, dass die Exekutionen nicht losgelöst von Knuts Legi- timationsbestrebungen zu sehen sind, beziehungsweise die Grenzen zwischen beiden zum Teil verschwimmen.243

6.6 Das Treffen von Oxford 1018

Im Jahr 1018 fand in Oxford ein Treffen zwischen Dänen und Engländern statt, bei welchem wahrscheinlich endgültig und offiziell Frieden geschlossen wurde. Die Angelsachsenchronik spricht in diesem Zusammenhang von einer Übereinkunft zwischen Dänen und Engländern,244 John von Worcester fügt hinzu, dass man sich zu einer Weiterbefolgung der Gesetze Edgars einigte.245 Eine wichtige Quelle zu dieser Versammlung ist außerdem der unter Knut kompi- lierte Gesetzestext D (Corpus Christi College, Cambridge 201), da dieser wahrscheinlich im Zuge des Treffens aufgesetzte wurde. Deutlich wird das im Vorwort des Gesetzes, in dem es heißt, dass es sich dabei um die Anordnungen handle, welche Knut zusammen mit den witan beschlossen hatte, und dass dies gleich nachdem Knut endgültig Friede zwischen Dänen und Engländern geschlossen hatte, geschah. Außerdem wird im ersten Paragraphen eine Weiter- führung der Gesetze König Edgars festgelegt.246 Einen weiteren Hinweis auf die erneute Fest- schreibung der Gesetze Edgars, gibt uns außerdem auch der Brief von 1019/20, in dem Knut ebenfalls erklärt, dass es sein Wille sei, dass alle Menschen in England nach Edgars Gesetzen leben sollen, so wie es im Zuge des Treffens von Oxford festgelegt wurde.247 Tatsächlich ist der eigentliche Zweck dieser Zusammenkunft aber nicht eindeutig geklärt, aus den Quellen gehen lediglich die wichtigsten Ergebnisse dieser Versammlung - also der Frie- densschluss und die Weiterbefolgung der Gesetze Edgars - hervor.248 Gleichzeitig zeugen die verschiedenen Quellen und darunter besonders der Eintrag in der Angelsachsenchronik auch

243 Siehe dazu in den Quellen: Mynors, William of Malmesbury GR S.320f; EER S.30f; Da diese Begründung der Hinrichtung Eadric vor allem für Knuts Anknüpfungen an Edmund Ironside, wie sie bereits im Kapitel zur Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney zur Sprache kamen, wichtig ist, wird darauf weiter unten noch genauer eingegangen. 244 Whitelock, ASC S.97. 245 Darlington, JW S.504f. 246 Siehe diesen Gesetzestext bei: Whitelock, EHD Nr.47 S.414; Kennedy, Cnut's law code of 1018 S.72-81, zu dieser Stelle: S.72. 247 Whitelock, EHD Nr.48 Paragraph 13 S.416. 248 Lawson, Cnut S.88f.

59 von der Wichtigkeit dieses Treffens, welches außerdem zeigt, dass Knut auch auf die bereit- willige Unterstützung und Beteiligung der Engländer angewiesen war.249 Der Gesetzestext D legt unter dem Paragraphen 14.6 außerdem das Heiligenfest Edwards des Märtyrers - des ermordeten Halbbruders Æthelreds - für den 18. März fest.250 Eine Bewertung dieser Bestimmung erweist sich als schwierig, da nicht eindeutig geklärt ist, ob es diesen Fest- tag bereits unter König Æthelred gegeben hatte, oder ob er erstmals von Knut eingeführt wur- de. Das Problem steht dabei mit der Frage danach, ob Æthelred bereits von den unmittelbaren Zeitgenossen für den Mord an Edward verantwortlich gemacht wurde, in Zusammenhang. Sollte dem tatsächlich so gewesen sein, wäre es möglich, dass Knut durch eine Festlegung des Heilgenfestes für Edward den Märtyrer, Æthelred herabwürdigen wollte, da es durch den jähr- lich stattfindenden Heiligenfesttag und seine Festlegung durch Knut möglich gewesen wäre, ständig an dieses Verbrechen und daran, wer dafür verantwortlich war, zu erinnern.251 Andererseits erscheint es aber auch möglich, dass bereits Æthelred den Festtag eingeführt hatte, da eine diesbezügliche Bestimmung auch in seinem Codex V Æthelred auftaucht. Es erscheint jedoch ebenfalls möglich - wie Patrick Wormald darlegen konnte -, dass es sich da- bei um eine spätere Interpolation handelt, da die Anordnung zwar in V Æthelred, in VI Æthel- red aber nicht mehr vorhanden ist.252 Sollte es jedoch tatsächlich der Fall gewesen sein, dass bereits Æthelred einen Heiligenfesttag für seinen Bruder festgesetzt hatte, wäre eine erneute offizielle Festschreibung dieses Feiertages, demnach als positive Anknüpfung Knuts an sei- nen Vorgänger Æthelred zu bewerten. Die Bestimmung erscheint daher in jedem Fall als wichtig für die Legitimation Knuts, die Erfassung der exakten Hintergründe ist jedoch kaum möglich.253 Da Knuts Verhalten gegenüber dem Heiligenkult um Edward den Märtyrer, nicht ausschließlich durch die Festlegung des Heiligenfesttages und die Bedeutung dieser singulä- ren Handlung charakterisiert ist, sondern die Verehrung eines englischen Heiligen, besonders für eine offene Weiterführung von Traditionen wichtig war, wird auf diese komplexe Thema- tik im Zuge des Kapitels zu Knut und den englischen Heiligenkulten genauer eingegangen.

249 Lawson, Cnut S.89. 250 Kennedy, Cnut's law code of 1018 S.77. 251 Lawson, Cnut S.139; Stafford, Unification and Conquest S.73. 252 Siehe zu dieser Ausführung Patrick Wormalds: Lawson, Cnut S.139 (P. Wormald, Aethelred the Lawmaker. In: D. Hill (Hg.), Ethelred the Unready: Papers from the Millenary Conference (BAR British Series 59, 1978). [von mir nicht persönlich eingesehen]); außerdem: Wormald, Making of english law S.343f. 253 Siehe dazu: Lawson, Cnut S.139; Sowie zu dieser Thematik außerdem das Kapitel "Knut und die englischen Heiligenkulte".

60 An dieser Stelle ist zusammenfassend lediglich wichtig, dass Knut einen ersten dahingehen- den Schritt, bereits während des Treffens von Oxford gesetzt hatte. Weit wichtiger für die Bedeutung dieses Treffens und damit auch für die Legitimation Knuts als englischer König, ist jedoch die Übereinkunft Edgars Gesetze weiterzubefolgen. Durch diesen ersten gesetzgeberischen Akt in seiner Herrschaft, konnte Knut unmissverständlich klarstellen, dass er nun König war und daher begann, als ein solcher zu handeln und zu regie- ren. Gleichzeitig gelang ihm damit aber auch ein wichtiger Rückgriff auf König Edgar den Friedfertigen ("the Peaceable").254 Edgar war der Vater Æthelreds und Edwards gewesen, seine Regierungszeit wurde - auch aufgrund der Retrospektive der Zeit nach den Wikingeran- griffen - als ein goldenes Zeitalter angesehen.255 Unter Edgar kam es zu einer Reform der Mönchsorden, weshalb seine Herrschaftszeit auch als Periode des monastischen Dynamismus und als Blütezeit der Klöster charakterisiert wurde. Edgar selbst stellte sich dabei als Beschüt- zer der Kirche (zweite Krönung in Bath 973) dar und wurde als direkt von Gott ernannt ange- sehen, weshalb er auch durch die Kirche eine Stärkung seiner Macht erfuhr.256 Seine "Legiti- mität als christlicher König war damit untrennbar mit seiner Beziehung zur Kirche verbun- den."257 Es erscheint daher wenig verwunderlich, dass Knut auch eine gedankliche Verbindung mit diesem englischen König erreichen wollte, um so zum einen seinen Respekt für die vorherge- hende Dynastie auszudrücken, und zum anderen zu zeigen, dass er in der Tradition dieses glorreichen Königs, aber auch der englischen Könige überhaupt, stand. Durch die Bestim- mung von Oxford, Edgars Gesetze weiter aufrechtzuerhalten, konnte er das eben Gesagte deutlich vermitteln. Trotzdem versuchte Knut auch später, durch verschiedene Handlungen - wie beispielsweise eine Patronage bestimmter Heiligenkulte - eine Verbindung mit Edgar zu propagieren. Gerade die Weiterführung der Gesetze Edgars, scheint jedoch ein besonders wichtiger Schritt gewesen zu sein, welcher über eine simple Anknüpfung an ihn, hinausreich- te. Es handelte sich dabei um mehr als eine einfache Weiterführung früherer Gesetze, da jene Edgars, als die althergebrachten "Gesetze der Engländer" und als das "gute alte Gesetz" gese-

254 Stafford, Unification and Conquest S.73. 255 Sarnowsky, England im Mittelalter S.43; Lavelle, Aethelred S.29; siehe zu Edgar außerdem: Sean Miller, "Edgar". In: Michael Lapidge (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England (Oxford u.a. 1999). S.158f. 256 Lavelle, Aethelred S.30f. Als wichtige Quelle für diese Vorstellung einer direkt von Gott gewählten Stellung Edgars, dient uns die sogenannte Regularis Concordia. Siehe dazu ebenfalls: Lavelle, Aethelred S.31. 257 Lavelle, Aethelred S.31.

61 hen wurden.258 Eine Anknüpfung an diese, bedeutete daher im besonderen Maße eine Einrei- hung in angelsächsische Traditionen, was speziell für einen Eroberer sehr wichtig war. Wollte ein König, der durch eine Eroberung des Landes zum Herrscher geworden war, erfolgreich regieren, musste er sich in die Gesetze der Unterworfenen einfügen, das heißt, die guten alten Gesetze weiter garantieren. Dies zeigt sich nicht nur in der Fortführung der Gesetze Edgars durch Knut, sondern in sehr ähnlicher Weise auch bei William I. dem Eroberer (the "Conque- ror") und Henry, welche sich in dieser Form auf die Gesetze Edwards des Bekenners (the "Confessor") berufen hatten.259 Knut war es außerdem möglich, zu unterstellen, dass die Gesetze vor ihm - das heißt: durch Æthelred - missbraucht worden waren, und sich in der Folge durch eine erneute Achtung die- ser hervortun. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war daher auch die Krönungsurkunde, welche uns heute in den Paragraphen 69-83 von II Cnut erhalten ist, da Knut darin versprach, die Engländer vor einer Unterdrückung wie sie zuvor vorgekommen war, zu schützen und eine Milderung der Gesetze vorzunehmen.260 Hier spielt folglich die Frage hinein, in welcher Weise Knut Æthelreds Herrschaftszeit darstellen wollte, beziehungsweise ob er in negativer oder positiver Weise an ihn anzuknüpfen versuchte. Durch eine Weiterbefolgung der Gesetze Edgar und damit einer Erinnerung an eine glorreiche Zeit für England, hätte er Æthelreds Re- gierungszeit als schlechte Zwischenzeit, voll der Missbräuche durch den König, darstellen können. Sich selbst hätte Knut dann als einen Nachfolger des glorreichen Edgars präsentieren können, der nun ganz in der Tradition dieses Königs, ein guter, christlicher und gerechter Herrscher sein wollte. In diesem Sinn wäre dann auch Knuts Verehrung für Edward den Mär- tyrer zu verstehen. Daneben wäre es aber ebenso denkbar, dass Knut die Gesetze Edgars weiterverwendete, da diese als das gute alte Gesetz sehr beliebt waren, dies aber keine Bewertung der Herrschafts- zeit Æthelreds nach sich zog. Zusätzlich wäre die Einführung oder Weiterführung des Heili- genfesttages Edwards, dann als weitere Anknüpfung an seine angelsächsischen Vorgänger - inklusive Æthelred - zu bewerten. Es zeigt sich damit, dass eine Weiterbefolgung der Gesetze Edgars für Knut nur von Vorteil sein konnte, da er sich damit in der ein oder anderen Weise, als Nachfolger seiner angelsäch- sischen Vorgänger darstellen konnte. In ähnlicher Weise ist die Festlegung des Heiligenfests

258 Stafford, Royal promises S.180. 259 Stafford, Royal promises S.180f. 260 Stafford, Royal promises S.180.

62 für Edward den Märtyrer auf den 18. März zu verstehen, worauf jedoch weiter unten noch genauer eingegangen werden wird. Das Treffen von Oxford im Jahr 1018, war daher aus den genannten Gründen, aber auch auf- grund des formalen Friedensschlusses, für Knuts Legitimation von größter Wichtigkeit. Als zentral erscheint daher die Weiterführung bereits bestehender englischer Gesetze, da Knut dadurch auch zeigen konnte, dass er in der Tradition seiner englischen Vorgänger stehen wollte. Die Gesetze Edgars boten sich daher besonders an, da eine Anknüpfung an diesen "friedfertigen" König, der die Kirche bereitwillig gefördert hatte und als direkt von Gott er- nannt vorgestellt wurde, in diesem Sinn besonders aussagekräftig und vorteilhaft für Knut war. Außerdem wurden die Gesetze Edgars als das gute, alte Gesetz der Engländer angesehen, weshalb eine Weiterverwendung dieser Gesetze, sich für Knut in doppelter Weise bewähren konnte. Das Treffen von Oxford, stellte folglich ein weiteres essentiellen Ereignis, durch wel- ches Knut stärker zu einem englischen König werden konnte, dar.

6.7 Knut in der Nachfolge Edmund Ironsides - Trauer um den kö- niglichen "Bruder"

Ein grundlegender Ausgangspunkt für die in diesem Kapitel zu besprechenden Anknüpfungen Knuts an Edmund Ironside, war der Vertrag von Olney, sowie teilweise auch die Befragung der Zeugen dieses Vertrags bezüglich dem letzten Willen Edmunds, welche nach dessen Tod stattgefunden hatte. In der Folge machte es Knut anscheinend zu seiner Strategie, Edmund als seinen Bruder, dem er auf den Thron gefolgt war, darzustellen. Auf die diesbezüglich wichti- ge Kategorie der Designation eines Nachfolgers, wurde bereits eingegangen. Da die Thron- folge von Brüdern im angelsächsischen England durchaus üblich war, war es für Knut sicher- lich auch äußerst vorteilhaft, Edmund als seinen Bruder zu bezeichnen. Als eine Grundlage dafür, diente Knut möglicherweise der Vertrag von Olney, da uns die Version D der Angel- sachsenchronik davon berichtet, dass Knut und Edmund einander im Zuge des Vertragsab- schlusses geschworen hatten, Brüder zu sein.261 Obwohl die anderen Versionen der dagegen nur von einem Freundschaftsschwur sprechen, lässt der Wortlaut der Version D aber zumin-

261 Whitelock, ASC 1016, S.96 Anm.12.

63 dest darauf schließen, dass eine brüderliche Verbindung Knuts und Edmunds in irgendeiner Form bekannt war.262 Als direkte Quelle zu Knuts Angewohnheit, Edmund als seinen Bruder zu bezeichnen, dient uns aber vor allem die Gesta Regum Anglorum des William von Malmesbury, da dieser mehr- fach auf diese Gewohnheit Knuts hinweist. So berichtet uns William davon, dass Knut nach Glastonbury gereist war, um die sterblichen Überreste Edmunds zu besuchten. Dort habe er dann einen reich mit Bildern von Pfauen dekorierten Mantel, über Edmunds Grab gebreitet. Wichtig am Bericht Williams dazu, ist in diesem Zusammenhang, dass er Edmund als Knuts Bruder bezeichnet und auch explizit sagt, dass Knut daran gewöhnt war, ihn so zu nennen (..."sic enim eum uocare solitus fuerat"...).263 William von Malmesbury verbindet diesen Be- such Knuts in Glastonbury, außerdem mit der Ausstellung einer Urkunde, durch welche es möglich wird, seinen Besuch auf den 30. November (den Todestag Edmunds) des Jahres 1032 zu datieren.264 Damit handelt es sich bei der Mantelspende Knuts, um eine zeitlich sehr späte Aktion seiner Herrschaftslegitimation, die jedoch nichts desto trotz gewisse Argumentations- linien, welcher sich Knut bediente, aufzeigt. Des Weiteren schließt diese Episode, welche sehr spät in Knuts Herrschaftszeit stattfand, frühere Handlungen, durch die Knut seiner brüderli- chen Liebe zu Edmund Ausdruck verleihen wollte, nicht aus, sondern bietet wie gesagt, einen guten Hinweis auf derartige Legitimationsbestrebungen Knuts. Dass Knut schon früher ver- suchte, Edmund als seinen Bruder darzustellen, zeigen auch andere in verschiedenen Quellen überlieferte Handlungen, auf die ich weiter unten noch genauer eingehen werde. Erwähnt werden muss außerdem noch, dass die Urkunde S 966 welche die vorgeschlagene Datierung ermöglicht, vielleicht gefälscht ist,265 weshalb möglicherweise ohnehin ein früheres Datum für den Besuch Knuts an Edmunds Grab angenommen werden kann - es handelt sich dabei jedoch um reine Spekulation meinerseits. Was den mit Pfauen verzierten Mantel, welchen Knut auf das Grab Edmund legte betrifft, so ist zu sagen, dass der Pfau in verschiedenen Kulturen (skandinavische Kulturen, Byzanz) von

262 Zum Wortlaut der anderen Versionen siehe ebenfalls Whitelock, ASC 1016, S.96. 263 Mynors, William of Malmesbury GR S.330f., Zitat: S.330. 264 Lawson, Cnuts S.138; Zu der entsprechenden Urkunde S 966 siehe: S.E. Kelly, S.M. Miller, The Electronic Sawyer. An online version of the revised edition of Sawyer's Anglo-Saxon Charters section one (S 1 - 1602) (Prepared under the auspices of the British Academy/Royal Historical Society 1999) http://www.trin.cam.ac.uk/chartwww/eSawyer.99/S%20949-97.html Zugriff: 03.06.1012, 11:00. 265 Lawson, Cnuts S.138 Anm. 94; siehe dazu in der Gesta Regum Anglorum: Mynors, William of Malmesbury GR S.330-333.

64 symbolischer Bedeutung war, wichtig erscheint hier jedoch vor allem, dass er in einem christ- lichen Kontext als ein Symbol der Auferstehung diente. Möglicherweise war der Mantel sogar ein Geschenk Konrads II., welches Knut im Zuge seiner Romreise von ihm erhalten hatte ge- wesen, was natürlich wiederrum ein eher späteres Datum der Mantelspende nahelegen würde. Da Knut das wertvolle Gewandstück außerdem an Edmunds Todestag an sein Grab brachte, versuchte er damit wohl auch auszudrücken, dass ihm Edmunds Auferstehung ein wichtiges Anliegen war. Einen Hinweis darauf liefert uns ebenfalls die Gesta Regum Anglorum, da William hier den Wortlaut der Urkunde wiedergibt und Knut erklären lässt, dass er der Kirche in Glasonbury ihre Rechte zum Zweck des Seelenheils Edmunds, sowie seines eigenen, bestä- tige.266 Durch diesen Besuch des Grabes Edmunds und die damit verbundenen Schenkungen an Glastonbury, konnte Knut die genannten Aspekte, welche ihn mit Edmund verbanden - wie den Vertrag von Olney, seine Designation und seine Zuneigung für seinen "Bruder" - wieder- rum öffentlich in Erinnerung rufen.267 Dass Knut Edmund gerne als seinen Bruder bezeichnete, wird auch noch an anderer Stelle der Gesta Regum Anglorum deutlich. So berichtet uns William von den Hintergründen der Exeku- tion Eadric Streonas, welche er mit der Rache Knuts für Eadrics Mitschuld an seinem Tod begründet.268 Das Encomium - eine frühere Quelle zur Regierungszeit Knuts - spricht in sehr ähnlicher Weise von der Exekution Eadrics und nennt als Grund eine gerechte Strafe für sei- nen früheren Verrat an Edmund. Der Enkomiast erklärt, dass Knut jene die Edmund treu ge- wesen waren liebte, jene aber, die ihn verraten hatten, hasste und daher auch unter anderem Eadrics Tötung angeordnet hatte.269 Natürlichen sind die Exekutionen, welche Knuts zu Be- ginn seiner Herrschaft durchführte, vor allem im Sinne einer Sicherung seiner neu gewonne- nen Macht zu verstehen, die Hintergründe, welche uns die beiden angesprochenen (späteren) Quellen nennen, waren jedoch auch plausible zeitgenössische Erklärungen Knuts für die Exe- kutionen. Durch eine solche Argumentation konnte er selbst gewalttätige Aktionen gegen englische Große auf eine Weise rechtfertigen, welche zumindest dem Anschein nach auch im Sinne seiner neuen angelsächsischen Untertanen war und damit gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Dieser Umgang Knuts mit dem Erbe Edmund Ironsides, nachdem - vor dem Tod eines der Brüder - beide durch eine Doppelwahl König geworden waren, erinnert dabei auch an die

266 Mynors, William of Malmesbury GR S.330-333. 267 Lawson, Cnut S.138. 268 Mynors, William of Malmesbury GR S.320f. 269 EER S.30f.

65 Thronfolge Æthelreds auf dessen ermordeten Halbbruder Edward den Märtyrer - dies sei je- doch nur am Rande bemerkt.270 Wichtig ist zum Verständnis dieser Vorgehensweise Knuts in Anlehnung an Edmund noch, dass sich Edmund sozusagen selbst dafür empfohlen hatte, als er - noch zu Lebzeiten seines Vaters - gegen diesen rebelliert hatte. Wie bereits erwähnt, hatte er die Witwe eines aufstän- digen Thegn - dessen Mord von Æthelred beauftragt worden war - geheiratet und sich schließ- lich im Gebiet der Five Boroughs beinahe zu einer Art "Gegenkönig" („Eadmund æðeling rex“) aufgeschwungen.271 Dadurch bot Edmund Knut natürlich später zusätzlich die Gelegen- heit, ihn als Bruder und Mitstreiter darzustellen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, eine weitere Aktion Knuts: Im Jahr 1020 kam es zur Weihe einer Kirche am Schlachtort von Assandun, deren Bau möglicherweise von Knut in Auftrag gegeben worden war.272 Durch die Errichtung dieser Kirche, war es für Knut möglich, sowohl dänische als auch angelsächsische Interessen zu bedienen, da er damit zum einen an seine siegreiche Schlacht an diesem Ort erinnern konnte, was vor allem für seine dänischen Gefolgsleute wichtig war. Zum anderen, konnte er auf diese Weise abermals daran erinnern, dass Edmund zwar sein stärkster Wiedersacher, aber letztendlich auch derjenige gewesen war, dem er den Thron zu verdanken hatte (Designation). Zusätzlich konnte so der Gefallenen beider Seiten gedacht werden, was sicherlich sowohl im Interesse der einen, wie auch der anderen Seite lag. Zusätzlich konnte Knut damit im Licht eines christlichen Königs, der sich um das Seelenheil der Untertanen sorgte und welcher der vergangen Schlachten, so- wie deren Toten, vielleicht sogar reumütig gedachte, erscheinen.273 Zu den bis jetzt besprochenen Quellenstücken kommt außerdem noch eine Urkunde hinzu,274 welche für die Anknüpfung Knuts an Edmund interessant ist. Knut bestätigt darin eine Land- schenkung, welche ursprünglich von Edmund an den Bischof von Cornwall vorgenommen worden war. Knut bezeichnet sich in dieser Urkunde auch explizit als Nachfolger Edmunds und beschreibt sein Handeln (bezüglich der Landschenkung) als ident mit jenem Edmunds. Die Urkunde - die aufgrund ihrer Datierung in das Jahr 1018, ebenfalls ein früher Hinweis darauf ist, dass Knut von Beginn an bestrebt war, sich als Nachfolger Edmunds darzustellen -

270 Auf den Umgang Aethelreds mit dem Heiligenkult seines Bruders wird im Kapitel zu Knut und den Heiligen- kulten noch genauer eingegangen. 271 Siehe dazu das Kapitel "England und die Wikingerangriffe vor dem Jahr 1016", sowie die entsprechenden Fußnoten. 272 Die Kirchenweihe wird uns von der Angelsachsenchronik überliefert: Whitelock, ASC S.98. 273 Zum Bau der Kirche am Schlachtort sowie zu den Hintergründen siehe: Lawson, Cnut S.142-146. 274 Siehe diese Urkunde bei: Whitelock, EHD Nr.131 S.551-553.

66 zeigt damit auch Knuts Bereitschaft wie seine englischen Vorgänger zu regieren, das heißt sich selbst angelsächsischen Traditionen unterzuordnen.275 Durch diese vielfältige Ehrerbietung für seinen "Bruder" Edmund Ironside, konnte Knut letzt- endlich auch den Anschein einer Verwandtschaft mit dem angelsächsischen Königshaus er- zeugen beziehungsweise erreichen, dass man ihn mit diesem assoziierte. Einen Hinweis dar- auf, dass dies ganz besonders im Interesse Knuts lag, liefern uns auch die angelsächsischen Heiligenkulte, beziehungsweise Knuts Verehrung für diese, worauf ich jedoch erst im ent- sprechenden Kapitel ausführlich eingehen werde. Eine vermeintliche Verwandtschaft mit dem englischen Königshaus, war für Knut schließlich aus dem Grunde wichtig, da er damit weni- ger wie ein Usurpator erscheinen konnte, was gleichzeitig bedeutete, dass er dadurch seine Legitimität auf dem englischen Thron steigern konnte.276

6.8 Der Rombesuch

Was Knuts Reise nach Rom betrifft, so geraten die Einträge der verschiedenen Versionen der Angelsachsenchronik durcheinander: Die Versionen D und E vermerken einen Rombesuch Knuts im Jahr 1031, der Schreiber der Fassung C äußerst sich dagegen gar nicht dazu. Was den Eintrag einer Romreise für das Jahr 1031 betrifft, so handelt es sich wahrscheinlich um einen Schreibfehler, der fälschlicherweise dieses Datum ergeben hat. Aufgrund des Briefes, welchen Knut 1027 von seiner Romreise nach England sandte und anhand anderer Quellen wissen wir, dass Knut wahrscheinlich noch 1026 nach Rom aufgebrochen war, und er im März des darauffolgenden Jahres, an der Kaiserkrönung Konrads II. teilnahm. Hinzugefügt werden muss noch, dass aufgrund von Hinweisen aus anderen Quellen, ein zweiter Rombe- such Knuts nicht ausgeschlossen werden kann.277 Zu besprechen ist an dieser Stelle die Romreise Knuts 1027, zu der uns als Hauptquelle der genannte Brief dient. Zwei Aspekte der Reise erscheinen dabei zentral gewesen zu sein: Ers-

275 Whitelock, EHD Nr.131 S.551 - Kommentar zu dieser Urkunde. 276 In diesem Kapitel wurden bereits einige Worte zur Heiligenverehrung Knuts, sowie seinen Stiftungen vor- weggenommen. Obwohl auf diese Themenkreise in dieser Arbeit noch ausführlich eingegangen werden wird, war es notwendig sie bereits an dieser Stelle zu besprechen, da sie besonders für Knuts Anknüpfung an Edmund Ironside von einiger Wichtigkeit sind. 277 Lawson, Cnut S.102-105; zu den Einträgen in der ASC: Whitelock, ASC 1031 S.101; zum Brief des Jahres 1027 siehe: Whitelock EHD Nr.49 S.416-418.

67 tens Knuts Teilhabe an der Kaiserkrönung Konrads II. am 26. März, 278 und zweitens die De- klaration als Pilgerreise im Brief. Knuts Anwesenheit bei der Krönung ist insofern von einiger Bedeutung, als dies gewissermaßen der Ausgangspunkt für Knuts imperiale Ambitionen, nach dem Vorbild des Heiligen Römischen Reiches und besonders der Person Kaiser Konrads war.279 Durch die Teilhabe an der Kaiserkrönung, stellte sich Knut sozusagen auf eine inter- nationale Ebene - er war nun als einer der europäischen Herrscher anerkannt und vergaß auch nicht, dies in England zu betonen. Hinweise darauf liefert uns der genannte Brief, da Knut darin seine gute Beziehung zu Kaiser Konrad betont: Knut spricht davon, wie er ehrenvoll empfangen und mit teuren Geschenken geehrt wurde, und zwar besonders vom Kaiser, wel- cher ihn mit besonders vielen und kostbaren Geschenken überhäuft habe.280 Anhand dieser Stelle im Brief wird dabei deutlich, dass Knut seine Beziehungen zum Kaiser auch in England zur Machtbehauptung nützte, was natürlich bezüglich seiner Stellung als englischer König, ebenfalls nur von Vorteil sein konnte. Aus den Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum des Adam von Bremen, wissen wir außerdem von weiteren Kontakten zwischen Knut und dem römischen Kaiser, da uns Adam davon berichtet, dass Konrad bei Knut bezüglich einer Hochzeit zwischen seinem Sohn Hein- rich und der Tochter Knuts, Gunnhild, anfragte und eine solche auch vereinbart wurde. Ge- wissermaßen als Symbol dieser Vereinigung - wie sie aufgrund der Tatsache, dass die beiden Verlobten noch im Kindesalter waren, erst 1036 stattfand - überließ Konrad Knut außerdem das Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein.281 Besonders interessant - auch in Bezug auf Knuts Stellung als englischer König - erscheinen schließlich Knuts imperiale Ambitionen, die in der Forschung stark unterschiedlich bewertet werden. Timothy Bolton konnte jedoch feststellen, dass Knut anscheinend durchaus bestrebt war, ein "Kaiserreich des Nordens" aufzubauen, und dass diese Idee in einer besonderer An- lehnung an das Vorbild Kaiser Konrad II. zu verstehen ist.282 Knuts eigene Vorstellung seiner Autorität, scheint stark auf einem direkten Vergleich seiner Herrschaft mit jener Konrads ba- siert zu haben. Tatsächlich war auch Konrad II. der erste Herrscher einer neuen Dynastie und musste sich ebenfalls gegen einen Konkurrenten durchsetzen, um König zu werden. Des Wei- teren war auch das Heilige Römische Reich zu großen Teilen auf der Macht einer Person, also

278 Siehe zu diesem Datum: Lawson, Cnut S.100. 279 Siehe dazu: Bolton, Empire of Cnut S.303-307, es wird im Folgenden aber noch ausführlicher darauf einge- gangen. 280 Whitelock, EHD Nr.49 Paragraph 5 auf S.417. 281 Lawson, Cnut S.108f. 282 Bolton, Empire of Cnut S.304.

68 des Kaisers, gestützt. Hinzu kommt, dass im Reich des 10. und 11. Jahrhunderts nicht eindeu- tig festgelegt war, durch welchen Akt man Kaiser wurde: Zentral waren jedenfalls die Krö- nung durch den Papst,283 sowie ein vorangegangener militärischer Erfolg.284 Was Knut betrifft, so war er 1027 Herrscher über mehrere Reiche: England, Dänemark, Nor- wegen, sowie teilweise Schweden und auch an militärischen Erfolgen mangelte es ihm nicht.285 Des Weiteren lag der Zusammenhalt dieser Reiche allein in der Person Knuts be- gründet, das heißt auch hier ergibt sich eine Parallele zu Konrad, welche auch Knuts Zeitge- nossen aufgefallen sein musste. Damit war das einzige, das dem "Imperator" Knut fehlte, die päpstliche Bestätigung für eine Änderung seiner Stellung - die Möglichkeit einer solchen wurde aufgrund der Tatsache, dass es keinen fixen politische Ausgangspunkt beziehungswei- se Akt gab, durch den man Kaiser wurde, begünstigt.286 Dass Knut durchaus derartige imperiale Ambitionen hegte, wird auch in der Gestaltung seiner Krone deutlich, wie sie uns im Stifterbild des Liber Vitae von New Minster Winchester ent- gegentritt. Knut wird hier mit einer Lilienkrone, wie sie aus Darstellungen englischer Könige reichlich belegt ist, dargestellt, jedoch wird die Krone durch einen Bügel ergänzt. In dieser Form erinnert Knuts Krone - und es erscheint durchaus möglich, dass Knut tatsächlich eine solche Krone besaß - stark an die Kaiserkrone des römischen Reiches (Bügelkrone), wie sie auch bei der Kaiserkrönung Konrads II. Verwendung fand.287 Dies legt nicht nur imperiale Ambitionen Knuts nahe, sondern zeigt auch, dass Knut seine Vorbilder vor allem im ottoni- schen beziehungsweise salischen Kaisertum suchte. 288 Gleichzeitig waren für Knut aber auch englische Vorbilder weiterhin maßgeblich, da die Einführung einer zweiten "imperialen" Krone durch Knut (eine erste beziehungsweise frühere Form von Knuts Krone finden wir auf

283 Zum Vergleich der beiden Reiche und Herrscher siehe: Bolton, Empire of Cnut S.304-307. 284 Gemeint ist hier die Erhebung zum Kaiser auf dem Schlachtfeld, wie sie von antiken Traditionen übernom- men wurde. Um ein Beispiel zu nennen sei hier die Bewertung Widukinds der Bedeutung der Lechfeldschlacht für das Kaisertum Ottos des Großen zu nennen. Siehe dazu: Bolton, Empire of Cnut S.306. 285 (Zum Zeitpunkt der Kaiserkrönung Konrads hatte Knut soeben Dänemark erfolgreich verteidigt.) Bolton, Empire of Cnut S.307. 286 Bolton, Empire of Cnut S.307. 287 Siehe eine Skizze dieser Krone im Bildanhang (Abb.5); die Reichskrone selbst befindet sich heute in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Wien. 288 Zum Vergleich der beiden Kronen und einer Einschätzung durch die Forschung siehe: Bolton, Empire of Cnut S.296; Lawson, Cnut S.137f; Karkov, Ruler portraits S.137; Für einen Vergleich wurde außerdem ein ver- größerter Ausschnitt des Stifterbildes, welches Knuts Krone besser erkennen lässt, als Abb.6 in den Bildanhang aufgenommen.

69 dem Bild seines Münztyps Quatrefoil), wahrscheinlich durch Edgar beziehungsweise dessen zweite Krönung in Bath 973 inspiriert wurde.289 Was Knuts Orientierung an Kaiser Konrad II. betrifft, so erscheint außerdem eine Theorie Harry Bresslaus bezüglich der Gestaltung des Siegels Knuts interessant. Es handelt sich dabei jedoch um eine reine Hypothese, weil uns kein Siegel Knuts erhalten ist -, da sich Bresslaus Theorie aber schlüssig in das von mir beschriebene Bild der Annäherung Knuts an Kaiser Konrad einfügt, sei sie hier trotzdem wiedergegeben. Ausgehend vom zweiseitigen Siegel Edwards des Bekenners, legt Bresslau nahe, dass sich dieser bezüglich der Gestaltung am zweiseitigen Siegel Knuts orientiert habe, wobei im Fall von Knut die zwei Seiten für seine zweifache Herrschaft über England und Dänemark stünden. Da das Siegel Edwards in der Ikonographie dem Siegel Konrads II. stark ähnelt (Zepter mit einer Fleur-de-Lis an der Spitze und ein Reichsapfel), hat Bresslau vorgeschlagen, dass Knut sein Siegelmotiv von Konrad II. übernommen hatte, wobei er dieses möglicherweise bei der Krönung 1027 in Rom gesehen hatte. Edward habe seinerseits dann die Gestaltung seines Siegels von Knut übernommen, wodurch sich eine Ähnlichkeit zwischen seinem, und jenem Konrads ergeben würde.290 An dieser Stelle scheint vor allem die Orientierung Knuts an Konrad, welche sich auch in seinem Siegel zeigt, interessant. Auch wenn eine derartige Annäherung Knuts an das Römische Reich im Sinne der zuvor beschriebenen imperialen Anknüpfung an Konrad durchaus schlüssig er- scheint, kann Bresslaus Theorie nicht viel mehr als ein weiterer kleiner Hinweis für Knuts Orientierung an Konrad II. sein, da es keine stichhaltigen Beweise für dessen Richtigkeit gibt. Fraglich erscheint mir besonders die Annahme, dass sich Edward der Bekenner in die Traditi- on Knuts zu stellen versuchte, jedoch kann an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden.291 Auch wenn Bresslau mit seiner Annahme, Edward hätte Knuts Siegel übernom- men, zu revidieren wäre, würde dies freilich die Möglichkeit einer weiteren Annährung Knuts

289 Edgars zweite Krönung in Bath 973, hatte wahrscheinlich den Zweck in als Herrscher aller englischen König- reiche zu feiern. Siehe dazu: Lawson, Cnut S.108, sowie zur Einschätzung dieser für die zweite Krone Knuts S.137f. 290 Harmer, Writs S.17f, 99-101; Harmer zitiert hier Bresslaus "Handbuch der Urkundenlehre", sowie einen Arti- kel Bresslaus in "Archiv der Urkundenforschung": Harry Bresslau, Internationale Beziehungen im Urkundenwe- sen des Mittelalters. In: Archiv für Urkundenforschung 6 (1918) 19 - 76, S.56-58. 291 Ich denke hier an die Tatsache, dass in der Neurezension des Encomiums (ein Manuskript dieses ist 2008 in der Sammelhandschrift des "Courtenay Compendiums" aufgetaucht), die Herrschaft Edwards als die lang erwar- tete Restauration der Linie Aethelreds präsentiert wird. Der Enkomiast argumentiert diese als einen Kreis, der sich letztendlich schließt - eine Anknüpfung Edwards an Knut würde in diesem Zusammenhang wenig Sinn machen. Siehe dazu: Simon Keynes, Rosalind Love, Earl Godwine's ship. In: ASE 38 (2009) 185-223; S.198, Text der Neurezension ebend. S.196.

70 an Konrad bezüglich der Gestaltung seines Siegels nicht ausschließen - möglich erscheint dies durchaus. Erwähnt werden muss außerdem noch, dass uns die Numismatik einen weiteren Hinweis auf ein angestrebtes nordisches Imperium Knuts liefert, da Knut möglicherweise eine Vereinheit- lichung der Münzsysteme seiner Teilreiche anstrebte.292 Wie bereits erwähnt, betont der Brief von 1027 aber noch einen zweiten Aspekt der Romreise Knuts: jenen der Pilgerreise. Knut sagt darin, dass er die Reise lange zuvor Gott gelobt hatte, sie aber viele Jahre aufgrund von anderen, das Königreich betreffenden Angelegenheiten, nicht hatte wahrnehmen können. Nun sei ihm die Erfüllung des Versprechens aber möglich geworden, worüber er sehr froh sei. Zusätzlich spricht er davon, dass es ihm nach Verhand- lungen mit Konrad II., Rudolf von Burgund und dem Papst gelungen sei, die Handelshinder- nisse und zu hohen Zölle für Händler und Pilger aus England, die nach Rom reisten, zu ver- mindern.293 Diese Aussagen, präsentieren Knut natürlich abermals als einen frommen, christ- lichen König, welcher sich um das Wohl seiner Untertanen sorgt (auch wenn tatsächlich wirt- schaftliche Gründe im Vordergrund standen). Da gerade dieses Bild eines pflichtbewussten, christlichen Königs für Knuts Legitimation sehr wichtig war, zeigt sich auch hierin die Be- deutung von Knuts Romreise. Auch wenn diese erst 1027 stattfand, passen die Hintergründe der Reise ins Konzept seiner Herrschaftslegitimation, und zeigen damit, dass diese durchaus langfristig von Bedeutung war. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob erneute Handlungen Knuts in diese Richtung 1027 abermals notwendig wurden, was angesichts seiner längeren Abwesenheit von England während dieser Zeit durchaus vorstellbar ist.294 Ich denke aber, dass die Romreise eher als Zeichen dafür, dass Knut anscheinend dauerhaft als guter König erscheinen wollte, zu bewerten ist. Eine Pilgerreise und die Propagierung seiner guten Kon- takte zum Kaiserreich konnten seine Stellung als König Englands dabei weiter fördern und auch nach innen hin absichern. Die Reise war damit auch bezüglich seines genannten Image- wechsels bedeutsam, da sie eine Gleichstellung auf Augenhöhe zu anderen Herrschern seiner Zeit bedeutete.295

292 Es kann darauf an dieser Stelle jedoch nicht genauer eingegangen werden. Siehe dazu: Bolton, Empire of Cnut S.297, 300; Lawson, Cnut S.200f. 293 Siehe dazu ihm Brief: Whitelock, EHD Nr.49 S.417; Zu den erwähnten Verhandlungen, welche auch aus anderen Quellen bezeugt sind, außerdem: Lawson, Cnut S.203. 294 Zu Knut Abwesenheit von England, aufgrund von Problemen in Dänemark etc.(Schlacht am Holy River) zu dieser Zeit siehe unter anderem: Lawson, Cnut S.96f. 295 Martin Kaufhold bewertet die Kontakte Knuts zum Kontinent und besonders zum römischen Kaiser deshalb als Ereignisse, welche aufgrund ihrer großen Bedeutung das Ende der Wikingerzeit markierten. Siehe dazu:

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6.9 Knut und die englischen Heiligenkulte

Eine weitere wichtige und nicht zu unterschätzende Möglichkeit für Knut, sich als englischer König in der Tradition seiner angelsächsischen Vorgänger darzustellen, boten die Heiligen- kulte und hier vor allem jene der heiligen Könige. Besonders die Verehrung ermordeter Köni- ge als Heiliger, scheint im angelsächsischen England dieser Zeit eine regelrechte Tradition gewesen zu sein, weshalb das Patronat eines solchen Kults durch einen Herrscher üblich war, und in der Folge viele Klöster, welche als Hüter der Reliquien eines solchen Heiligen auftra- ten, stark mit dem Königshaus assoziiert wurden.296 Als Beispiele sollen hier nur die Nonnen- gemeinschaft in Wilton mit den Reliquien der Heiligen Edith, Shaftesbury Abbey als Hüter der Reliquien Edward des Märtyrers und Bury St. Edmunds als Schauplatz des Kults um den Heiligen Edmund den Märtyrer, dienen.297 Wie bereits erwähnt, war neben den königlichen Heiligenkulten, die Reliquienverehrung im angelsächsischen England aber auch allgemein seit dem 9. Jahrhundert von steigender Bedeutung.298 Für Knut bedeutete die Pflege von angelsächsischen Heiligenkulten einen idealen Anknüp- fungspunkt an seine Vorgänger und die Möglichkeit, sich als christlichen König darzustellen sowie beides auch öffentlichkeitswirksam zu propagieren. Während für einen angelsächsi- schen König die Verehrung eines königlichen Heiligen vor allem Prestige bedeutete, da er auf diese Weise seine Abstammung von diesem deutlich machen konnte, war ein Patronat eines englischen Königsheiligen durch einen "externus rex",299 wie Knut es war, aus anderen Grün- den wichtig. Durch die Verehrung eines solchen konnte er zum einen - so wie auch durch eine Beibehaltung der althergebrachten Gesetze - seine Beziehung zur Vorgängerdynastie verdeut- lichen. Zum anderen war sie auch Ausdruck von Respekt für die Dynastie, sowie eine Ver-

Martin Kaufhold, Europas Norden im Mittelalter. Die Integration Skandinaviens in das christliche Europa (9. - 13.Jh.) (Darmstadt 2001). S.63-68. 296 David Rollason, The cults of murdered royal saints in Anglo-Saxon England. In: ASE 11 (1983) 1-22. S.14f; Lawson, Cnut S.117-119, 122; Williams, Aethelred S.14. 297 Zu den verschiedenen Kulten siehe unter anderem ebenfalls Rollason, Murdered royal saints; sowie Ridyard, Royal saints. Es wird im Folgenden aber noch darauf eingegangen. 298 Siehe dazu: David Rollason, Relic-cults as an instrument of royal policy c. 900- c. 1050. In: ASE 15 (1986) 91-103. S.99. 299 Ridyard, Royal saints S.240.

72 deutlichung einer legitimen Nachfolge auf diese. Hinzu kommt, dass es sich unter Bezug auf die neugewonnene Autorität und die Macht der Heiligen um einen unmissverständlichen Ausdruck davon handelte, dass nun ein neuer Herrscher an der Macht war und nun gewisser- maßen als neue Spitze des Systems auch von seinen soeben gewonnen Rechten aktiv Gebrauch machte.300 Besonders durch die Überführung von Reliquien, war es daher auch möglich, politische Dominanz auszudrücken.301 Auch wenn sich das religiöse Element hierbei nicht gänzlich absprechen lässt, so handelte es sich bei der Förderung von Heiligenkulten durch einen König - nicht zuletzt durch Knut - um religiöse Handlungen mit einem starken politischen Hintergrund. Egal aufgrund welcher Motive ein Kult durch einen König gefördert wurde - mit einem königlichen Heiligen in Verbindung gebracht zu werden, konnte jedenfalls nur von Vorteil sein.302 Es wurde bereits öfters erwähnt, dass Knut bestrebt war, seiner Legitimität auch besonders öffentlichkeitswirksam Ausdruck zu verleihen. Neben den Münzen und Briefen (beziehungs- weise writs), war dies gerade auch über fromme Handlungen und eine Patronage, der im Volk beliebten Heiligenkulte möglich. Doch warum war es für Knut überhaupt notwendig, seine legitime Stellung auch gegenüber dem breiten Volk zu propagieren? Die Antwort darauf, liegt in einer weiten Partizipation des englischen Volkes an der Politik, begründet. Über die shire- und hundred-courts war eine starke Beteiligung der freien Engländer an der Regierung gege- ben, deren tatsächliches Ausmaß zwar schwer feststellbar ist und für die trotzdem ein starker Einfluss der Großen angenommen werden muss, die aber nichtsdestotrotz tatsächlich vorhan- den war. Folglich kann über die writs auch ein gewisser Grad an Kommunikation zwischen Hof und Volk (courts) festgestellt werden, welche sicherlich auch Knut zu Gute kam, was sich auch an beiden von ihm erhaltenden Briefen zeigt.303 Knut war also, was seine Legitima- tion betraf, auch auf den Zuspruch der breiten Masse angewiesen - diese musst ihm "gehor- chen wollen".304 Die Heiligenkulte boten Knut damit eine weitere Möglichkeit, sich möglichst öffentlichkeitswirksam als idealer, christlicher König darzustellen und seine Verbindung mit der angelsächsischen Tradition zu betonen.

300 Ridyard, Royal saints S.240; Rollason, Saints and relics S.137; Rollason, Relic-cults S.101. 301 Rollason, Relic-cults S.95. 302 Lavelle, Aethelred S.90. 303 James Campbell, The Anglo-Saxon State (London 2000). S.19-22, 38f; J.R. Maddicott, Edward the Confes- sor's Return to England in 1041. In: English Historical Review 119 (2004) 650-666. S.665. 304 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft S.122.

73 Aus den genannten Gründen waren die Heiligenkulte für Knut also ein ideales Mittel zur Le- gitimation seiner Herrschaft und es soll daher im Folgenden auf die konkreten Handlungen, die Knut in diesem Zusammenhang setzte, eingegangen werden. Wie bereits weiter oben erwähnt, trat Knut als ein Förderer des Kults um Edward den Märty- rer auf, und zwar scheinbar schon sehr früh in seiner Herrschaft. Sicher ist, dass er sich damit in die Nachfolge seiner angelsächsischen Vorgänger stellen und sich als neuen König propa- gieren wollte. Die Erfassung der genauen Hintergründe gestaltet sich jedoch als schwierig: Der jugendliche König Edward war 978 einem Mordanschlag zum Opfer gefallen, als er sich gerade auf Besuch bei seinem jüngeren Bruder - der aus dem Nachfolgestreit als Verlierer hervorgegangen war - und seiner Stiefmutter Ælfthryth in Corfe in Dorset befand. Ein Mörder wurde nie gefasst oder anderes gesagt: nach einem Attentäter wurde anscheinend nicht ge- sucht, was vielleicht auch schon unter Zeitgenossen den Anschein erwecken musste, als wä- ren Æthelred oder dessen Mutter die Auftraggeber des Mordes.305 Tatsache ist, dass Æthelred bald als Förderer des Kults um seinen toten Bruder - der aufgrund seines "Märtyrertodes" zum Heiligen wurde - auftrat. So berichtet uns die Passio Edwardi davon, dass Æthelred die Translation der Gebeine Edwards von Wareham nach Shaftesbury, wo sie eine würdige Ruhe- stätte finden sollten, in Auftrag gegeben hatte.306 Es wurde von der Forschung vorgeschlagen, dass Æthelred den Kult um seinen ermordeten Bruder gefördert hatte, um der gegnerischen Partei, der der Kult um Edward sozusagen als Sammelpunkt gedient hatte und die dem Ruf Æthelreds über eine Förderung des Kults und damit einer ständigen Erinnerung an das Verbrechen weiter schaden wollten, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zusätzlich konnte Æthelred sich damit selbst in ein besseres Licht zu rücken. Diese Erklärung baut folglich auf der Theorie auf, dass Æthelred bereits unter Zeitgenossen einen äußerst schlechten Ruf hatte und auch bereits zu dieser Zeit mit dem Mord an Edward in Verbindung gebracht wurde. 307 Das darf - dank den Ausführungen Simon Keynes' - jedoch bezweifelt werden, da keine der frühen Quellen einen Hinweis darauf gibt. Tatsächlich scheint Æthelred erst ab dem späten 11. Jahrhundert als mitverantwortlich am Mord seines Bruders gesehen worden zu sein.308 Auf die verschiedenen Phasen der Herrschaft Æthelreds, die mittels einer Analyse der nicht-

305 Lawson, Cnut S.40; David Rollason, Saints and relics in Anglo-Saxon England (Oxford 1989). S.142; zu den Umständen des Mordes etc siehe außerdem das Kapitel "England und die Wikingerangriffe vor dem Jahr 1016" sowie Williams, Aethelred S.8-17. 306 Ridyard, Royal saints S.156, zur Translation siehe auch: Lawson, Cnut S.40. 307Rollason, Murdered royal saints S.17f; Ridyard, Royal saints S.161f, Lawson, Cnut S.40f; Lavelle, Aethelred S.90f. 308 Ridyard, Royal saints S.162; Williams, Aethelred S.12.

74 historiographischen Quellen, das heißt vor allem der Urkunden durch Simon Keynes ermittelt werden konnten, wurde bereits eingegangen. Wichtig ist an dieser Stelle die dritte Phase sei- ner Regierungszeit, also jener Periode von 993-1006, in der Æthelred England unter geordne- ten Verhältnissen zu einigem Wohlstand hatte führen können.309 Die Förderung des Heiligen- kults um Edward, würde demnach in die diese dritte Phase fallen.310 Wie wir gesehen haben, bedeutete für einen König, einen Heiligen als Verwandten und Vor- gänger zu haben, vor allem Prestige. Durch die Förderung des Kults um Edward, machte Æthelred deutlich, einen Heiligen als Vorgänger und Bruder zu haben - und das neben seiner ebenfalls heiligen Schwester Edith von Wilton, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Eine Förderung Edwards als Heiligen wäre also bereits aus diesem Grund in seinem Interesse gewesen. Hinzu kommt, dass er damit seine Stellung als eines der Kinder Edgars sowie als legitimen neuen Königs betonte. Des Weiteren distanzierte er sich damit von Edwards Mord - unabhängig davon, ob er bereits damit in Verbindung gebracht wurde - und verurteilte damit seine Mörder, womit er gleichzeitig die Unantastbarkeit des Königtums unterstrich. Aus den genannten Gründen konnte er also sein Herrschaftsrecht hervorstreichen und seine Herrschaft sichern.311 Was die Verurteilung des Mordes an einem König betrifft, so zeigt sich, dass sich Æthelred hier im Einklang mit der Kirche befand, da dieser ebenfalls daran gelegen war, dass derartiges nicht vorkam, da der Mord an einem König oft von politischen und zivilen Unru- hen begleitet war, die nicht im Interesse der Kirchenvertreter lagen.312 Es lässt sich folglich eine Verbindung von unsicherer Herrschaft und der Förderung von Heiligenkulten, die gerade auch bei Knut deutlich hervortritt, wenn er sich als eifriger Förderer von angelsächsischen Heiligenkulte präsentierte, ableiten.313 Die Grundsätze, die Æthelred mit der Förderung des Kults um Edward den Märtyrer zu vermitteln versuchte - und eine derartige Vermittlung von grundlegenden "Verhaltensregeln" scheint wahrscheinlicher zu sein als eine bloße "Entwaff- nung" von Rebellen - waren folglich auch für Knut wichtig und seiner Herrschaftssicherung ebenfalls zuträglich. Es scheint daher, dass sich Knut durch seine Patronage Edwards in die Tradition seiner angel- sächsischen und teilweise auch heiligen Vorgänger stellen konnte. Außerdem war es ihm durch die Festlegung des Festtages für Edward auf den 18. März in seinem Gesetzestext I

309 Keynes, Diplomas of King Aethelred S.186-209; Ridyard, Royal saints S.163f. 310 Ridyard, Royal saints S.164f. 311 Ridyard, Royal saints S.165, 239; zu den beiden verschieden mögliche Gründen für die Förderung des Kult durch Aethelred siehe auch: Lavelle, Aethelred S.90-92. 312 Rollason, Murdered royal saints S.16. 313 Ridyard, Royal saints S.168f.

75 Cnut 314 möglich, zu zeigen, dass er nun der neue König und damit an der Macht war. Gleich- zeitig konnte er die Grundsätze, die Æthelred wahrscheinlich mit der Förderung des Heiligen- kults um seinen ermordeten königlichen Bruder zu vermitteln versuchte, aufgreifen und wie- der ins Gedächtnis rufen. Wichtig war für ihn in diesem Zusammenhang sicherlich die Unan- tastbarkeit des Königtums. Auch wenn sich nicht mit eindeutiger Sicherheit klären lässt, welches Motiv Æthelred für die Förderung des Kults um Edward hatte, so scheint demgegenüber sicher, dass Knut sich damit unter anderem in die Nachfolge seiner Vorgänger stellen wollte, da es für ihn unabdingbar war, sich - mangels einer tatsächlichen (bluts-)verwandtschaftlichen Beziehung - auf eine andere Art mit der Vorgängerdynastie in Verbindung zu bringen, und damit einen Ausgleich zu schaffen.315 Nicht mit absoluter Sicherheit geklärt werden kann lediglich, ob er in diese gewünschte Verbindung auch Æthelred mit einbeziehen wollte, da sich dieser durch seine Patronage Edwards ebenfalls dazu anbot, oder ob er nebenbei auch noch an dessen Herab- würdigung interessiert war, da dieser - wenn auch unwahrscheinlich - bereits zu Lebzeiten im Verdacht stand, am Mord seines heiligen Bruders beteiligt gewesen zu sein. Es gab für Knut jedoch noch weitere Gründe und Möglichkeiten, Heiligenkulte zu patronisie- ren. Als nächstes soll daher auf den Kult des Heiligen Edmund (ebenfalls mit dem Beinamen "der Märtyrer" versehen) eingegangen werden. Edmund, König East Anglias, hatte 869 das Martyrium erlitten, als er sein Königreich gegen die einfallenden Dänen zu verteidigen suchte. Auch wenn sein Tod nicht mehr war - und lan- ge auch nicht als mehr angesehen wurde - als der Tod eines Königs im Krieg, so wurde Ed- mund zwischen 985 und 987 von Abbo von Fleury in seiner Passio sancti Eadmundi Regis et Martyris zum heiligen Märtyrer stilisiert.316 Abbo stellt Edmund als den idealen christlichen König dar, der nicht bereit war, sich einer heidnischen Oberherrschaft zu beugen.317 Eine För- derung des Kults um St. Edmund bot sich schließlich aus politischen Gründen auch für die westsächsischen Könige an, da sie so versuchten, ihre gewonnene Oberherrschaft über East Anglia zu legitimieren. Für die Westsachsen selbst schien der Kult wiederrum als Symbol des "religiösen und politischen Widerstandes sowie Überlebens" der dänischen Angriffe von Wert

314 Lawson, Cnut S.139; Rollason, Saints and relics S.142f; zum Gesetzestext beziehungsweise die Festlegung des Heiligenfestes darin siehe: Liebermann, Gesetze S. 298f. 315 Auf die Bedeutung Emmas in diesem Zusammenhang wurde bereits im Kapitel zur Heirat mit Emma einge- gangen. 316 Ridyard, Royal saints S.61-63; Rollason, Saints and relics S.155. 317 Ridyard, Royal saints S.235.

76 gewesen zu sein, 318 weshalb auch sein Kult gerne gefördert wurde.319 Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die "Memorialmünzprägung" zu Ehren St. Edmunds in East Anglia, die mit einer Prägezeit noch vor 905 eine sehr frühe Entstehung des Kults nahe legt.320 Auch Knut beteiligte sich schließlich, wiederum aus Gründen der Legitimation, an der Förde- rung des Heiligenkults um Edmund. Er zeigte sich deshalb zusammen mit Emma als großzü- giger Stifter auch für Bury St. Edmunds - dem Aufbewahrungsort der Reliquien des königli- chen Märtyrers.321 Gerade am Kult um Edmund, der besonders von Abbo von Fleury als der ideale christliche König dargestellt wurde, zeigt sich neben anderen außerdem der Einfluss der Kirche auf das angelsächsische Königtum. Der Kirche lag daran, dem König seine christlichen Pflichten zu vermitteln. Möglich war das in besonderem Maße auch über die Heiligenkulte, da diese die Gelegenheit boten, das gewünschte Idealbild möglichst öffentlichkeitswirksam zu propagie- ren. Gerade Könige, die "Dank" eines erlittenen Martyriums zu Heiligen wurden, eigneten sich als Vermittler der religionspolitischen Vorstellungen der Kirche.322 Es scheint daher we- nig überraschend, dass Knut gerade auch einen Heiligen patronisierte, der als der ideale christliche und das heißt auch angelsächsische König angesehen wurde - eine gedankliche Verbindung mit einem solchen konnte für seine Legitimation durchaus nützlich sein. Anscheinend hatte die Förderung von Edmunds Heiligenkult durch Knut aber noch eine zu- sätzliche Dimension, die in Verbindung mit einem weiteren, von Knut patronisierten Heili- genkult - nämlich jenem des Erzbischofs Ælfheah - stand. Der Letztgenannte bringt jedoch wiederum eigene Aspekte mit sich, auf die ich weiter unten noch eingehen werde. St Ælfheah hatte ebenfalls das Martyrium durch dänische Hand erlitten: am 19. April des Jahres 1012 war er gefangengenommen worden und nachdem er sich geweigert hatte, dass für ihn Lösegeld entrichtet würde, wurde er von den Dänen - während eines Saufgelages, anders ist es wohl nicht zu nennen - mit Tierknochen und einer Axt erschlagen. Der Leichnam wurde dann nach London gebracht und in der St.Pauls-Kirche beigesetzt, woraufhin sehr bald ein Kult um den

318 Ridyard, Royal saints S.226. 319 Rollason, Saints and relics S.157. 320 Rollason, Saints and relics S.155-157; Ridyard, Royal saints S.214f. 321 Ridyard, Royal saints S.225; Rollason, Saints and relics S.157; zu den entsprechenden Writs sowie zur Frage ihrer Echtheit siehe: Harmer, writs S.140f. 322 Ridyard, Royal saints S.250f.

77 gemarterten Erzbischof entstand.323 Als Grund, warum sich Knut schließlich ebenfalls um diesen Kult bemühte, führt David Rollason an, dass er durch die Förderung des Kults um St. Aelfheah und auch durch jenen St. Edmunds um einen Ausgleich zwischen Dänen (die den Tod der beiden Märtyrer verschuldet hatten) und Engländern bemüht war.324 Dadurch war es ihm vielleicht wiederum auch besser möglich, sich als Däne auf dem englischen Thron zu etablieren, das heißt, wir befinden uns damit wieder im Wirkungskreis des bereits vielfach angesprochenen Imagewechsels, der für Knut sicherlich von einiger Bedeutung war. Da die Gründe für die Förderung eines Kults aber durchaus vielschichtig sein konnten, muss noch ein weiterer Aspekt der Patronage des Kults um St. Ælfheah durch Knut besprochen werden. Der Kult um St. Ælfheah bot sich Aufgrund der Ermordung des Erzbischofs durch die Dänen - ähnlich der Theorie zum Heiligenkult um Edward den Märtyrer - als Sammelstel- le beziehungsweise Symbol für Kritik an Knuts Herrschaft an.325 Gerade London als Aufbe- wahrungsort der Reliquien, war für Knut denkbar ungünstig, da er zu London ohnehin von Beginn an ein etwas angespannteres Verhältnis hatte.326 Nun scheint es möglich, dass es am Jahrestag der Ermordung Ælfheahs 1023 zu größeren Unruhen in Zusammenhang mit dem Kult des Heiligen gekommen war und Knut daher die Gelegenheit ergriff, die Verhältnisse zu seinen Gunsten zu ändern. Wenige Wochen nachdem sich der Todestag Ælfheas am 19. April zum 11. Mal gejährt hatte, veranlasste Knut die Translation seiner Gebeine nach Canterbu- ry.327 Damit gelang es ihm erstens, die Gebeine des Märtyrers aus der Hand der Rebellen zu nehmen und den Kultstätte damit als Krisenherd zu beseitigen.328 Zweitens war die Wahl Canterburys als neue Ruhestätte des Heiligen sicherlich nicht zufällig gewählt. Sich mit der Christ Church Canterbury - einer reichen und angesehenen Kirche - wohlwollende Beziehun- gen durch eine derartige Reliquienspende zu schaffen, lag sicherlich im Interesse Knuts, der auch anderweitig als großer Förderer Canterburys auftrat, auf die Hintergründe soll aber erst im folgenden Kapitel eingegangen werden.329 Drittens konnte Knut die Translation als presti- gereiches Ereignis inszenieren, wodurch er in der Gunst seiner Untertanen steigen konnte.

323 Williams, Aethelred S.106f; von den Ereignissen, die zum Tod des Erzbischof geführt hatten, berichtet und die ASC für das Jahr 1012: Whitelock, ASC S.91f. 324 Rollason, Saints and relics S.158. 325 Lawson, Cnut S.95. 140f. 326 Siehe dazu mein Kapitel zur Eroberung Englands durch Knut. 327 Lawson, Cnut S.141;Eein relativ ausführlicher Bericht über die Translation findet sich in der ASC unter dem Eintrag des Jahres 1023: Whitelock, ASC S.99f. 328 Lawson, Cnut S.141. 329 Lawson, Cnut S.142; Zur Förderung der Christ Church Canterbury siehe das folgende Kapitel, sowie unter anderem: Lawson, Cnut S.153f.

78 Wie uns die Angelsachsenchronik berichtet, waren auch Emma und der gemeinsame Sohn und Thronfolger Harthaknut bei der mehrere Tage dauernden, aufwändigen Überführung und erneuten Niederlegung der Reliquien in der Christ Church, anwesend. 330 Jedoch gibt es auch Berichte, wonach die Translation, besonders solange man sich noch in London befand, nicht ohne Truppengewalt von Statten gehen konnte.331 Da gerade die Beliebtheit der Reliquienkulte im angelsächsischen England, der Kirche, aber auch dem König die Möglichkeit bot, die Bevölkerung insgesamt zu beeinflussen,332 gelang es Knut durch die Translation der Gebeine Erzbischof Ælfheahs sicherlich wiederum, sich öffentlich als christlicher König darzustellen, der sich um die Anliegen der Kirche bemühte. Es zeigt sich also auch an diesem Beispiel, dass Knut es verstand, die Chancen, welche ihm die Religion zur Festigung seiner Herrschaft bot, auszuschöpfen. Diskutiert werden müssen nun noch weitere Heiligenkulte, durch deren Förderung sich Knut in ein Nahverhältnis zu seinen angelsächsischen Vorgängern zu bringen versuchte. Hierzu gehört der bereits erwähnte Heilgenkult um St. Edith of Wilton, einer Tochter König Edgars und damit ebenfalls eine royalen Heiligen. Die wichtigste Quelle zu ihrem Kult, ist die Vita Edithe des Goscelin von Canterbury, der uns, neben den von ihr posthum bewirkten Wundern, auch davon berichtet, wer sie besonders verehrte.333 So erzählt er uns auch davon, dass ihre heiligen Gebeine durch Æthelred 997 (und damit dreizehn Jahre nach ihrem Tod) in einen neuen Schrein umgebettet wurden.334 Überhaupt bestand eine enge Verbindung zwischen der Nonnengemeinschaft in Wilton und dem angelsächsischen Königshaus: Nach einer ursprüng- lichen, ebenfalls mit dem Königshaus verbundenen Gründung kam es zu zwei Neugründun- gen unter Alfred und Edgar, die zu einer anhaltenden engen Beziehung zwischen dem Kon- vent und der Königsdynastie führten. Verstärkt wurde diese Bindung noch durch die Tatsache, dass Wilton im 10. Jahrhundert eine wichtige königliche Residenzstadt war.335 Hinzu kommt, dass zwischen Edith und ihrem Vater auch zu Lebzeiten gute Kontakte gepflegt wurden, die ihrem Nonnenkonvent auch materiell zu Gute kamen und wodurch die Verbindung zwischen Wilton und der angelsächsischen Königsdynastie weiter gestärkt wurde.336

330 Whitelock, ASC S.99f. 331 Berichtet wird uns von einem Einsatz der housecarls Knuts von Osbern in seiner Historia de Translatione Corporis S. Elphegi, siehe dazu: Lawson, Cnut S.181. 332 Rollason, Relic-cults S.99. 333 Rollason, Saints and relics S.139; Ridyard, Royal saints S.141. 334 Rollason, Saints and relics S.139f. 335 Ridyard, Royal saints S.140-143. 336 Ridyard, Royal saints S.143-148.

79 Die angesprochenen Aspekte machten St. Edith und ihre Ruhestätte und Heimat ihres Kults, Wilton, zu einem idealen Anknüpfungspunkt für Knut, um seine Verbindung zum westsächsi- schen Königshaus weiter zu vertiefen. So berichtet uns, wie bereits erwähnt, Goscelin in sei- ner Vita Edithe von Knuts Hingabe für die Heilige. Er erwähnt in diesem Zusammenhang dessen besondere Ehrerbietung für Edith bei seinen Besuchen in Wilton sowie davon, dass Knut ihr einen reich dekorierten, goldenen Schrein gestiftet hatte - eine Großzügigkeit, von der jedoch leider keine Urkunde auf uns gekommen ist.337 Außerdem war ihr laut Goscelin auch Emma in besonderer Hingabe verbunden und liebte sie besonders als ihre Verwandte.338 Gerade dieser Aspekt der Verwandtschaft scheint wichtig gewesen zu sein, da Goscelin auch Knuts Verehrung St. Ediths als so intensiv beschreibt, "als wäre er ihr Bruder Æthelred oder Neffe Edmund (Ironside) gewesen."339 Auch wenn diese Beschreibung durch Goscelin erst aus dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts stammt,340 denke ich, fängt sie die Hintergründe für Knuts Verehrung der Heiligen Edith doch recht treffend ein. Durch eine Verehrung, der mit dem englischen Königshaus so eng verbundenen heiligen Tochter Edgars, in der er sich "westsächsischer als die Westsachsen"341 zeigte, konnte er den Mangel an tatsächlicher Bluts- verwandtschaft abermals gut überspielen und eine Verbindung zu seinen Vorgängern propa- gieren, wo ursprünglich keine gewesen war. Der Heiligenkult um St. Edith ist damit ebenfalls für Knuts Legitimation in der Nachfolge seiner angel- beziehungsweise westsächsischen Vorgänger von Bedeutung, jedoch gab es noch weitere Kulte, mit denen sich in Verbindung zu bringen, dem angesprochenen Ziel nicht geschadet haben kann. Besprochen werden muss daher noch der Kult des St. Cuthbert von Lindisfarne, der seit 995 an seiner Ruhestätte in Durham verehrt wurde (zuvor war seit 883 in Chester-le-Street beigesetzt gewesen und ebenfalls bereits verehrt worden).342 St. Cuthbert wurde besonders für England, beziehungsweise für die englischen Könige, zu einem wichti- gen Heiligen, weshalb auch viele an die seine Reliquien beherbergende Kommunität stifteten - zu nennen sind hier besonders Alfred, Æthelstan und Edmund.343 David Rollason vermutet

337 Ridyard, Royal saints S.150f, 153. 338 Ridyard, Royal saints S.153f. 339 Rollason, Saints and relics S.140. 340 Zur Datierung der Vita siehe ebenfalls: Rollason, Saints and relics S.140. 341 Diese Einschätzung stammt ebenfalls aus der Vita Goscelins: Ridyard, Royal saints S.195. 342Siehe dazu, sowie zum Leben und Wirken Cuthberts unter anderem: Alan Thacker, "St. Cuthbert". In: Lapidge, The Blackwell Encyclopaedia S.131-133. 343 Rollason, Relic-cults S.103; Rollason, Saints and relics S.144-152, zu den Stiftungen Æthelstans siehe außer- dem: Lawson, Cnut S.121f.

80 sogar, dass St. Cuthbert für die englischen Könige vielleicht zu einem Patron, vergleichbar mit St. Denis als jenem der Kapetinger, wurde.344 Aufgrund der Wichtigkeit St. Cuthberts in der Tradition der angelsächsischen Könige, scheint es daher nur logisch, dass sich Knut auch mit diesem Heiligen in Verbindung zu bringen suchte. Die ebenfalls etwas später entstandene Historia Dunelmensis Ecclesiæ des Symeon von Durham berichtet uns von einer großzügigen Schenkung Knuts von Ländereien in Durham und Yorkshire an die Gemeinschaft in Dur- ham.345 Symeon berichtet uns außerdem davon, dass Knut bei einem Besuch der Kirche die letzten fünf Meilen als Geste der Ehrerbietung für den Heiligen barfuß zurückgelegt haben soll. Aufgrund der bereits beschriebenen, vielfachen, auch öffentlich zur Schau gestellten Zei- chen der Hingabe zu verschiedenen Heiligen, erscheint diese Aussage Symeons, auch durch- aus im Rahmen des Möglichen zu liegen.346 An den soeben besprochenen, von Knut geförderten Heiligenkulten, lässt sich klar erkennen, dass er dadurch versuchte, an seine angelsächsischen Vorgänger anzuknüpfen, um sich unter anderem dadurch als rechtmäßigen Nachfolger in englischer Tradition zu legitimieren. Wich- tig war hierbei vor allem, Heiligenkulte zu fördern, die eine klare Verbindung zu bestimmten angelsächsischen Königen oder zum westsächsischen Königshaus überhaupt, aufwiesen, um so eine eindeutige Aussage zu treffen, dass er - Knut - sich als Erbe angelsächsischer Könige verstanden haben wollte. Besprochen, wurden in diesem Zusammenhang auch schon andere Handlungen, die zeigen sollten, dass Knut als englischer König erscheinen wollte, wie zum Beispiel die Beibehaltung der Gesetzte Edgars. 347 Jedoch waren die Heiligenkulte nicht das einzige Mittel, dass die Kirche Knut für seine Legi- timation an die Hand legte - die Bedeutung der Krönung wurde bereits besprochen. Knut war bezüglich seiner Legitimation allerdings auch noch anderweitig auf die englische Kirche an- gewiesen, nämlich wenn es darum ging, sich als besonders frommer, christlicher König dar- zustellen, um damit unter anderem den unter Zeitgenossen scheinbar noch vorhandenen, heidnischen Beigeschmack abzustreifen.348 Im folgenden Kapitel sollen daher die anderen

344 Rollason, Relic-cults S.103. 345 Einträge im Domesday Book lassen diese Angaben Symeons in seinem Werk Libellus de exordio atque pro- cursu istius hoc est Dunhelmensis, ecclesie. möglicherweise als richtig erscheinen: Lawson, Cnut S.152 sowie ebenda auch Fußnote 155; zur Stiftung auch: Rollason, Relic-cults S.103; Rollason, Symeon of Durham, Libel- lus S.166-169. 346 Lawson, Cnut S.133, 152; Rollason, Relic-cults S.103; Rollason, Symeon of Durham, Libellus S.166f. 347 Ridyard, Royal saints S.168, 240; Rollason, Saints and relics S.158; Rollason, Murdered royal saints S.16. 348 Natürlich, war auch die Förderung der Heiligenkulte in diesem Sinn, jedoch ging es hier vorrangig um die bereits erwähnte Einreihung in eine angelsächsische Tradition.

81 Aspekte von Knuts Großzügigkeit gegenüber der Kirche, selbstverständlich mit Hinblick auf seine Legitimation, besprochen werden.349

6.10 Knut der fromme König - Stiftungen und Geschenke

Die in diesem Kapitel behandelte Thematik gestaltet sich sehr komplex und umfangreich, da Geschenke und Stiftungen Teil zweier, dem Prinzip nach grundverschiedener Welten sind: des Weltlichen und des Religiösen. In diesem Fall ist beides jedoch nicht voneinander zu trennen - wie auch im Zuge des Kapitels immer wieder zu sehen sein wird -, weil Stiftungen an Kirchen durchaus weltliche Aspekte aufweisen konnten. Da Stiftungen - besonders wenn die Handlung an sich sehr pompös oder theatralisch verlief - Ausdruck der Frömmigkeit einer Person sein konnten, sind auch allgemeinere Frömmigkeitsbekundungen abseits der Schen- kungen in einem Unterkapitel zu besprechen. Erwähnt werden muss außerdem noch, dass neben den Stiftungen an Kirchen, welche hier hauptsächlich zu behandeln sein werden, auch Geschenke an weltliche Personen beispielhaft herangezogen werden sollen. Eine Förderung der Kirche und ein frommes Auftreten waren wichtige Elemente des christli- chen Königtums, weshalb eine Zurschaustellung der eigenen Frömmigkeit, für Knuts Legiti- mation sehr wichtig war. Überhaupt war die (Laien-)Frömmigkeit der Zeit gekennzeichnet durch eine aktive Hingabe, und man bemühte sich daher, der eigenen Ergebenheit gegenüber Gott durch verschiedene Handlungen öffentlich Ausdruck zu verleihen, wofür sich Stiftungen besonders anboten. Durch verschiedene Frömmigkeitsbekundungen konnte man den eigenen hohen Status unterstreichen, weshalb neben besonders prachtvoll gestalteten Geschenken auch Wallfahrten sehr beliebt waren.350 Gleichzeitig wurde der durch teure Geschenke an Kir- chen und Klöster veranschaulichte Reichtum und die Macht einer Person auch von der irdi- schen Welt gesehen, wobei auch hier Geschenke ein wichtiges Element des Sozialgefüges darstellten. Neben der wichtigen sozialen Praxis des Geschenks, und eines darauffolgenden

349 Auch wenn sich beide Kapitel thematisch durchdringen, was aufgrund der Tatsache, dass eine religiöse Hand- lung kaum monokausal zu erklären ist, nicht anders zu erwarten ist, so bietet sich zur Aufarbeitung der Thematik eine Trennung in zwei separate Kapitel dennoch an. 350 Robin Fleming, Mary Frances Smith, Patricia Halpin, Court and Piety in Late Anglo-Saxon England. In: The Catholic Historical Review Vol.87 No.4 (Oct. 2001) 569-602. S.571, 600 sowie dazu außerdem: T.A. Heslop, The production of de luxe manuscripts and the patronage of King Cnut and Queen Emma. In: ASE 19 (1990) 151-195. S.151.

82 Gegengeschenks, erzeugten und erhielten Geschenke auch die Loyalität von Gefolgsleuten und Untertanen.351 Da an dieser Stelle jedoch vor allem Stiftungen an religiöse Institutionen thematisiert werden, ist - was diesen Akt des Gebens betrifft - vor allem wichtig, dass die je- weilige Person dabei gesehen wurde.352 Knut konnte durch Stiftungen und Geschenke also zum einen seiner Frömmigkeit Ausdruck verleihen und auf diese Weise dem Idealbild eines christlichen Königs näher kommen sowie seinen Imagewechsel vorantreiben, zum anderen konnte er so seine Macht und Dominanz durch besonders luxuriöse Geschenke repräsentieren. Knut scheint auch in diesem Punkt von verschiedenen Kirchenvertretern gelernt zu haben, jedoch entwuchsen die vielfältigen Schenkungen sicherlich auch seinen eigenen Ideen, da das Verteilen von Geschenken an Gefolgsleute auch bei den Wikingern eine gängige Praxis dar- stellte.353 Knuts großzügige Stiftertätigkeit stand wahrscheinlich außerdem unter dem Einfluss Emmas, da sie ebenfalls als großherzige Stifterin bekannt war und auch schon vor ihrer Ehe mit Knut Reliquien sammelte.354 Später trat sie sowohl zusammen mit Knut, als auch selbst- ständig als Stifterin auf: So schenkte sie für die Reparatur des Schornsteins 20 Pfund Silber an das Grab St. Wulfsiges in Sherborne, stiftete der Christ Church Canterbury ein Evangelium und andere wertvolle liturgische Geräte, und bedachte besonders Winchester mit reichen Schenkungen, um nur einige Beispiele zu nennen.355 Durch Geschenke beziehungsweise Stiftungen entstanden und erhielten sich außerdem Ver- bindungen mit Kirchenvertretern respektive einzelnen Kirchen oder Klöstern,356 welche den Stifter in das kirchliche Beziehungsnetz mit einbanden. Dies war - in unserem Fall - nicht nur für Knuts Beziehung zur Kirche, welche ihm bei seiner Legitimation sehr zu Gute kam, wich- tig, sondern barg auch immense Vorteile für Knuts weltliche Politik. Kirchenmänner hatten - obwohl sie nun in einer spirituellen Welt lebten - immer noch weltlichte Verwandte, bezie- hungsweise waren selbst in der einen oder anderen Weise in der Welt tätig und einflussreich.

351 Heslop, Production of de luxe manuscripts S.151; zur Praxis des Schenkens im Mittelalter siehe außerdem: Georges Duby, Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter (Frankfurt am Main 1981) v.a. S.52, 59. 352 Lawson, Cnut S.158. 353 Zu den Geschenken an Gefolgsleute bei den Wikingern siehe: Heslop, Production of de luxe manuscripts S.180. 354 Heslop, Production of de luxe manuscripts S.180. 355 Zu Silberspende an Sherborne berichtet uns Goscelin in seiner Vita des St. Wulfsin, siehe dazu: Fle- ming/Smith/Halpin, Court and Piety S.590f; zu weiteren Stiftungen: Heslop, Production of de luxe manuscripts S.157f; Stafford, Emma and Edith S.158. 356 Stafford, Emma and Edith S.152.

83 Da besonders hohe Geistliche meist aus adeligen Familien stammten,357 konnte es auch aus politischen Gründen wichtig sein, ein gutes Verhältnis zu einzelnen Persönlichkeiten der Kir- che zu pflegen, und damit nicht nur Teil deren kirchlichen, sondern auch weltlichen Bezie- hungsgeflechts zu werden. Um dies zu erreichen, waren neben großzügigen Geschenken auch Erhebungen von befreundeten und loyalen Persönlichkeiten in höhere Kirchenämter ein gän- giges Mittel.358 Was Knut betrifft, so zeigen sich diese weltlichen und politischen Aspekte von Stiftungen an Kirchen und Klöster besonders in seinem Verhältnis zur Christ Church Canterbury. Canterbu- ry lag und liegt in der Nähe von London, zu dem Knut immer ein schwieriges Verhältnis hatte, weshalb es nur von Vorteil sein konnte, hier Unterstützer zu haben. Des Weiteren kann eine gute Beziehung mit dem Erzbischof von Canterbury - im Sinne des angesprochenen Bezie- hungsnetzes - ebenfalls äußerst positiv bewertet werden. Der Hauptgrund für Knuts besondere Förderung der Christ Church war jedoch sicherlich, dass es sich hierbei um den reichsten und einflussreichsten der englischen Bischofssitze handelte. Hinzukommt, dass gerade auch auf- grund dieser Stellung Canterburys viele Mönche aus adligen Familien in die Gemeinschaft der Christ Church eintraten, und Eadmer berichtet uns in seiner "Historia Novorum in Anglia" sogar davon, dass die Mönche dort zu Knuts Zeiten mehr wie Earls denn wie Brüder lebten. Aus diesem Grund waren hier Knuts Stiftungen, bezüglich der weltlichen Verbindungen, also besonders vorteilhaft investiert.359 Beispielsweise stiftete Knut gemeinsam mit Emma Christ Church, Newington in Oxfordshire zur Versorgung (S 1229)360 und schenkte Erzbischof Lyfing ein Gut namens "Lower Hazel- hurst" in Sussex (S 950).361 Neben den Reliquien Erzbischof Ælfheahs erhielt Christ Church außerdem einen Arm des heiligen Bartholomäus sowie vielleicht Reliquien des Heiligen Wendred.362 Außerdem trat Knut in ein Verbrüderungsverhältnis mit Christ Church ein.363

357 Siehe zu diesem allgemein bekannten Sachverhalt zum Beispiel: Peter Hilsch, Das Mittelalter - die Epoche (UTB basics, 2. Aufl., Konstanz 2008). S.104. 358 Stafford, Unification and conquest S.198f; Lawson, Cnut S.147f. 359 Lawson, Cnut S.153f. 360 Lawson, Cnut S.153; Kelly/Miller, The Electronic Sawyer: http://www.trin.cam.ac.uk/chartwww/eSawyer.99/S%201164-1243a.html Zugriff: 10.06.2012, 10:18 361 Lawson, Cnut S.153; Kelly/Miller, The Electronic Sawyer: http://www.trin.cam.ac.uk/chartwww/eSawyer.99/S%20949-97.html Zugriff: 10.06.2012, 10:15 362 Lawson, Cnut S.153; zu den Reliquien des Hl. Bartholomäus siehe außerdem: Heslop, Production of de luxe manuscripts S.183.

84 Hinzukommt außerdem die Spende seiner goldenen Krone, auf die ich jedoch weiter unter noch ausführlicher eingehen werde, da hier vor allem der symbolische Wert der Stiftung von Bedeutung ist. Es waren wahrscheinlich sehr ähnliche Gründe, aus denen Knut zu Old und New Minster in Winchester sehr großzügig war, da es sich bei Winchester um den zweitreichsten Bischofsitz gehandelt hatte, und die begünstigten Institutionen sehr einflussreich waren. Es sind uns etli- che Stiftungen Knuts, welche seine besondere Verbindung zu Winchester bezeugen, überlie- fert. Neben der Stiftung eines großen Kreuzes an New Minster, welche auch bildlich fest- gehalten ist,364 bestätigte Knut die Schenkung eines Guts in Hampshire (S 956) und trat mit dieser Kommunität ebenfalls in eine Verbrüderung ein. Die Kathedrale von Old Minster, in der er auch beigesetzt wurde, bedachte er ebenfalls mit reichen Geschenken, darunter einem Schrein für die Reliquien des heiligen Birinus.365 Beide Bischofssitze und deren als Benediktinerklöster organisierten Domkirchen, waren daher für Knut vor allem von weltlicher Wichtigkeit, wobei die bis jetzt genannten Beispiele ver- schiedener Schenkungen einen ersten Eindruck von Knuts Großzügigkeit gegenüber der Kir- che vermitteln. Was Winchester betrifft, so stiftete Knut - neben hauptsächlich weltlichen Gründen - aber auch aufgrund anderer Motive und hier besonders an New Minster: Bereits Edgar der Fried- fertige hatte Old und New Minster gefördert, wobei auch er dabei in der Tradition seiner Vor- gänger stand, unter denen vor allem Alfred der Große hervorzustreichen ist.366 Bekannt war Edgar aber auch für seinen Verdienst der Umwandlung New Minsters in einen Benediktiner- konvent, welche er durch die sogenannte "New Minster Charter" bestätigte.367 Da die Einrei- hung in angelsächsische Traditionen und besonders eine Anknüpfung an Edgar für Knuts Le- gitimation von besonderer Wichtigkeit war, erscheint ein Nahverhältnis mit Old sowie beson- ders New Minster Winchester, für ihn besonders vorteilhaft gewesen zu sein.

363 Lawson, Cnut S.88, 153. 364 Auf diese Stiftung und das Bild, durch welches sie festgehalten ist, werde ich weiter unten noch ausführlich zu sprechen kommen. 365 Lawson, Cnut S.154; zum Schrein für den Hl. Birinus siehe außerdem: Heslop, Production of de luxe manu- scripts S.186f; zur Urkunde S 956 siehe: Kelly/Miller, The Electronic Sawyer: http://www.trin.cam.ac.uk/chartwww/eSawyer.99/S%20949-97.html Zugriff: 10.06.2012, 10:56 366 Stafford, Unification and conquest S.191f; zu Alfred: Lavelle, Aethelred S.18. 367 D.H. Turner, Illuminated Manuscripts. In: J. Backhouse (Hg.), Golden Age of Anglo-Saxon Art. 966-1066 (British Museum Publ. London 1984) 46-88. S.47.

85 Tatsächlich lässt sich aber noch ein weiterer Grund für Knut Großzügigkeit gegenüber ver- schiedenen Kirchen und Klöstern ausmachen: Durch die langjährigen Wikingerangriffe und Plünderungszüge war es in England zu massiven Zerstörungen - auch von Kirchenbesitz - gekommen. Hinzukommt, dass viele Klöster Werte verkaufen mussten, um das heregeld auf- bringen zu können, wodurch viele kirchliche Institutionen enormen finanziellen Belastungen ausgesetzt waren. Um sich ein gutes Verhältnis zur Kirche zu schaffen, war es für Knut daher auch notwendig, hier durch Schenkungen Wiedergutmachung zu leisten. Als weiteren Mo- ment ist zu berücksichtigen, dass er nicht zuletzt aufgrund der Plünderungen vieler Kirchen während der Kriegszüge, für die Knut sicherlich verantwortlich gemacht wurde, von vielen weiterhin als der pagane Wikinger angesehen wurde, welcher keinen Respekt vor der christli- chen Kirche hatte. Durch großzügige, offen zur Schau gestellte Stiftungen, konnte er daher auch seine pagane Herkunft vergessen machen,368 das heißt durch ein derart respektvolles, gönnerhaftes Verhalten gegenüber der Kirche konnte er auch seinen Imagewechsel weiter bedienen. Einen Hinweis auf diese Sichtweise auf Knuts Großzügigkeit gegenüber der Kirche finden wir bei William von Malmesbury, welcher uns davon berichtet, dass Knut Klöster und Kir- chen in ganz England reich beschenkte, um die Zerstörungen, welche er und sein Vater Sven verursacht hatten, wiedergutzumachen. 369 Auch wenn William erst einige Zeit nach Knut schrieb, erscheint es durchaus denkbar, dass diese Ansicht auch bereits von Zeitgenossen ver- treten wurde, und dass damit die Intention Knuts, verschiedene Kirchen zu beschenken richtig erkannt wurde. Für diesen Imagewechsel durch Stiftungen war sicherlich auch Emma von einiger Wichtigkeit, da sie in ihrer Funktion als Friedensstifterin Knut dabei unterstützen konnte, durch reiche Schenkungen ein Bild von nun wieder geordneten Verhältnissen zu schaffen, in dem das Christentum wieder blühen konnte. Was Knuts Stifterverhalten betrifft, bildete Emma also eine ideale Ergänzung seiner Bemühungen, beziehungsweise vervollstän- digte sie das durch die Stiftungen nach außen getragene Bild seiner Herrschaft, in dem er im Sinne seines Imagewechsels als friedfertiger, frommer Idealkönig Englands zu erscheinen versuchte. Ein Aspekt der Stiftertätigkeit Knuts und Emmas ist die Produktion von de luxe Manuskripten, welche dem Stifterehepaar anschließend als Geschenke dienten. Ausgehend von den zwei wichtigsten Produktionszentren der wertvollen Handschriften in Peterborough und Christ

368 Stafford, Emma and Edith S.148; Heslop, Production of de luxe manuscripts S.179f. 369 Heslop, Production of de luxe manuscripts S.179; Mynors, William of Malmesbury, GR S.322f.

86 Church Canterbury,370 wurden diese an Klöster und Kirchen in England wie beispielweise nach York, London oder an New Minster Winchester, aber auch an Kirchen sowie weltliche Große selbst außerhalb von Knuts Herrschaftsbereich verschenkt.371 Um ein Beispiel zu nen- nen, sei an dieser Stelle Herzog Wilhelm von Aquitanien erwähnt, der - laut Orderic Vitalis - ein mit Gold geschriebenes Buch zu verschiedenen Heiligen von Knut erhielt.372 Außerdem berichtet uns Orderic davon, dass Emma einen Psalter an ihren Bruder, den Erzbischof von Rouen, sandte.373 Aus den Quellen wissen wir aber auch noch von anderen Schenkungen Knuts an Kirchen und Klöster auf dem Kontinent: Der Enkomiast spricht von Knuts Großzügigkeit gegenüber sei- nem Konvent von St. Omer in Flandern, sowie gegenüber anderen Kirchen Europas. Erhalten geblieben ist uns außerdem ein Brief Fulberts von Chartres, welcher von Stiftungen Knuts auch an diesen Bischofssitz zeugt.374 Insgesamt zeigt sich, dass Knuts religiös motivierte Schenkungen und insbesondere seine Stif- tungen, sowohl in England wie auch auf dem Kontinent, Kontaktmöglichkeiten - wie zum Beispiel die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Römischen Reich - förderten.375 Hin- zu kommt, dass er dadurch auch seine Legitimität als englischer König steigern konnte, da er als ein frommer, christlicher König auftreten konnte. Sein Imagewechsel scheint in diesem Zusammenhang auch am Kontinent wichtig gewesen zu sein, da es der Brief eines französi- schen Bischofs ist, welcher uns mit Bezug auf Knuts Stiftungen einen entscheidenden Hin- weis darauf liefert, dass ein solcher tatsächlich stattgefunden hatte. In seinem Brief, welcher in das Jahr 1020 datiert wird, bedankt sich Bischof Fulbert von Chartres bei Knut für ein scheinbar sehr großzügiges Geschenk, welches der englische König an die Kirche von Chartres gesandt hatte. Fulbert sagt darin explizit, dass er ihn, Knut, bis jetzt für einen paga- nen Prinzen gehalten hatte, den er nun nicht nur als Christ, sondern als äußerst großzügigen Wohltäter gegenüber der christlichen Kirche und ihrer Diener, erkannt habe.376 Diese Aussage Fulberts, birgt damit einen Hinweis auf Knuts Imagewechsel wie man ihn sich eindeutiger

370 Heslop, Production of de luxe manuscripts S.154; Stafford, Emma and Edith S.143f. 371 Stafford, Emma and Edith S.143f. 372 Orderic berichtet uns davon in seiner Kirchengeschichte: Heslop, Production of de luxe manuscripts S.158f. 373 Stafford, Emma and Edith S.143. 374 Stafford, Emma and Edith S.148f; zu Knuts Stiftungen an St.Omer im Encomium siehe: EER S.36f, zum Brief Fulberts: Whitelock, EHD Nr.233 S.825. 375 Lawson, Cnut S.159. 376 Frederick Behrends (Hg.), The letters and poems of Fulbert of Chartres (Ocford medieval texts, Oxford 2002) S.66-69; sowie: Whitelock, EHD Nr.233 S.825.

87 kaum wünschen könnte und fasst alle dafür wichtigen Elemente in einem Satz zusammen: Die Stiftertätigkeit beziehungsweise seine Großzügigkeit gegenüber der Kirche als entscheidender Wendepunkt für seinen Ruf, welcher sich dadurch von jenem eines heidnischen Wikinger- sprösslings in jenen eines vorbildlich christlichen Königs wandelte. Es kann daher auch mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass Knut bei seiner Stiftertätigkeit einen solchen Imagewandel im Sinn hatte und sich ein solcher auch tatsächlich vollzog. In diesem Zusammenhang ist außerdem die Skaldendichtung interessant, deren Dichter unter anderem auch von Knut mit dem Verfassen von Lobgedichten zu seinen Ehren beauftragt wurden. Auch wenn diese primär für ein skandinavisches Publikum gedacht waren, reflektie- ren sie doch die Art, in der Knut von anderen gesehen werden wollte und können somit als Quelle zu Knuts intendiertem Ruf herangezogen werden: Knut wird sogar in der Skaldendich- tung als irdisches Gegenstück Gottes dargestellt, was auch insgesamt Knuts Leitmotiv gewe- sen zu sein scheint, wie unter anderem anhand seiner Stiftertätigkeit deutlich wird. Die Skal- dendichtung bekräftigt dabei dieses von Fulbert angesprochene "Image", welches für Knuts legitime Stellung als englischer König wichtig war.377 Es wird damit gerade auch an Knuts intensiver Stiftertätigkeit deutlich, dass "er auf die Kir- che in spezieller Weise angewiesen war - und dies mehr als andere Könige."378 Ein wichtiges Zeugnis zu Knuts und Emmas Wohltätigkeit gegenüber der Kirche, ist des Weiteren das Stif- terbild des Königspaares im Liber Vitae von New Minster Winchester, welches so gut wie alle bis jetzt besprochenen Aspekte von Knuts Schenkungen anspricht und ikonographisch vermittelt. Hinzukommt, dass das Stifterbild weitere Bedeutungsdimensionen eröffnet, bezie- hungsweise bereits genannte Elemente durch eine zusätzliche und eigenständige Symbolik erklärt. Es ist damit eine zeitgenössische Quelle zu den Hintergründen von Knuts Stiftertätig- keit, sowie allgemein zu dem von ihm beanspruchten Königsbild und soll daher unter Be- dachtnahme auf seine Komplexität an dieser Stelle ausführlich besprochen werden.379 Bei der Darstellung handelt es sich um das Anfangsbild des Liber Vitae von New Minster Winchester, das heißt es befindet sich in einem Gedenkbuch für Lebende sowie Tote, die der Gemeinschaft von Winchester besonders am Herzen lagen und für die täglich gebetet wurde. Ausgangspunkt für die Entstehung war die Spende eines goldenen, vermutlich mit Reliquien

377 Siehe zur Bedeutung des Briefes: Lawson, Cnut S.158f; Frank, King Cnut in the verse of his skalds S.119. 378 Sinngemäßes Zitat aus: Lawson, Cnut S.158. 379 In der nun zu leistenden Bildanalyse, folge ich größtenteils den Ausführungen Catherine Karkovs in deren Werk "The ruler portraits of Anglo-Saxon England" (Woodbridge 2004). Zum Stifterbild siehe außerdem Abb.1 im Bildanhang.

88 gefüllten Kreuzes durch Emma und Knut, wobei diese Stiftung im Bild festgehalten wurde. Wichtig für den Kontext, in dem das Bild beziehungsweise die Stiftung Knuts zu verstehen sind, ist außerdem, dass es sich bei New Minster Winchester um eine königliche Gründung handelte, an die Vertreter des angelsächsischen Königshauses traditionell gestiftet hatten, das heißt es bestand eine enge Verbindung zwischen der Kommunität von New Minster und dem englischen Könighaus.380 Durch ein enges Verhältnis zu den beiden monastischen Kommuni- täten von Winchester konnte sich Knut daher in ein Nahverhältnis mit dem angelsächsischen Königshaus bringen und sich in die Tradition bedeuteten Vorgänger stellen. Das Bild selbst weist verschiedene Bedeutungsebenen auf, nicht zuletzt da es eigentlich mit zwei anderen Darstellungen zum Jüngsten Gericht, welche im Liber Vitae direkt auf das Stif- terbild folgen, zusammengehört. Es handelt sich daher nicht nur um die Darstellung einer Kreuzspende, sondern auch um einen Teil einer Bildsequenz zum Jüngsten Gericht bezie- hungsweise einer bildlichen Darstellung derjenigen, welche bereits Aufnahme in den Himmel gefunden haben, sowie außerdem um ein Bild zur Herrscherrepräsentation, durch welches gleichzeitig die Namen des Königspaares festgehalten wurden, was schließlich auch für den Kontext eines Liber Vitae wichtig war.381 Des Weiteren können aber auch verschiedene Ele- mente bezüglich Knuts Legitimation festgestellt werden: Der Ausgangspunkt für die Entste- hung des Bildes war eine Kreuzspende des Königspaares in den 1020er Jahren, was natürlich auch bedeutet, dass es sich dabei um keine Quelle aus Knuts unmittelbarer Frühzeit als engli- scher König handelt. Da seine Legitimation aber sehr nachhaltig und dauerhaft angelegt war, und es daher auch später in seiner Herrschaft immer wieder zu legitimierenden Handlungen kam, handelt es sich bei dem Stifterbild um eine interessante und wichtige Quelle zu Knut Legitimationsbestrebungen. Des Weiteren vermittelt das Bild auch die Art und Weise, wie die Zeitgenossen Knut als englischen Herrscher beurteilten, also welche Attribute und Elemente seiner Königsherrschaft von ihnen besonders wahrgenommen werden sollten. Das Bild zeigt Knut und Emma bei der Stiftung eines großen Kreuzes an New Minster Win- chester, welches in der Mitte des Bildes dargestellt ist. Das Kreuz wird von Emma und Knut flankiert, über denen jeweils ein Engel schwebt, der nach oben deutet. Jener Engel, der sich über Knut befindet, setzt diesem außerdem eine mit einem Bügel versehene Lilienkrone auf, jener über Emma, überträgt ihr einen Schleier. Im oberen Bilddrittel ist schließlich ein sitzen- der Christus abgebildet, an seiner rechten Seite befindet sich Maria, an seiner Linken der hei-

380 Karkov, Ruler portraits S.121; Turner, Illuminated Manuscripts S.47. 381 Karkov, Ruler portraits S.123; Zur Kreuzspende in den 1020er Jahren: S.121.

89 lige Petrus. Die Szenerie wird von roten und grünen Linien umrandet, wobei das einzige Bild- element, das diesen Rahmen durchbricht, Knuts Schwert ist. Interessant für Knuts Legitimationsbestrebung ist, dass das Bild große Ähnlichkeit mit dem berühmten Bild von König Edgar in der New Minster Charter aufweist. Edgar selbst war be- reits als Kind mit den Benediktinern in Berührung gekommen und wurde auch später zu ei- nem wichtigen Förderer der benediktinischen Reformbewegung - zu seinen großen Leistun- gen in diesem Bereich gehört die Umwandlung von New Minster Winchester in ein Benedik- tinerkloster.382 Dieser Wechsel wurde durch eine Urkunde Edgars bestätigt, welche in Buch- form ausgestellt wurde. Am Anfang dieser sogenannten "New Minster Charter" befindet sich das genannte Bild, welches König Edgar, der von Maria und Petrus flankiert wird, zeigt, wie er den Urkunden-Codex Christus überreicht.383 Die Gemeinsamkeiten der beiden Darstellungen zeigen sich daher in ihrem Anlass - einer Stiftung -, der Darstellung ihrer Übergabe an Christus, sowie in der Ikonographie bezie- hungsweise den dargestellten Figuren (König, Christus, Maria und Petrus, Engel) und nicht zuletzt in dem vermittelten Königsbild.384 Eine ikonographische Anknüpfung des Bildes Knuts an diese prachtvolle Darstellung Edgars bedeutete daher auch eine Anknüpfung an die Tradition und die Herrschafts- sowie Kirchen- politik dieses "friedfertigen" Königs. Catherine Karkov stellt fest, dass Æhtelreds Herr- schaftszeit dabei übersprungen wird und dass Knut zwar (beispielsweise über die Heirat mit Emma) eine Kontinuität zur Herrschaft Æthelreds schafft, es aber der glorreiche Edgar war, mit dem er in Verbindung gebracht werden wollte. Derartige Anknüpfungen an Edgar zeigen sich bereits in Knuts Stiftungen, seiner Gesetzgebung und der Förderung bestimmter Heili- genkulte, wie beispielsweise jenem der Tochter Edgars (Edith).385 Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass der Liber Vitae, in dem das Stifterbild erhalten ist, nur der Kommunität von Winchester zugänglich war, also nur einen sehr kleinen Wirkungskreis beziehungsweise Kreis an Betrachtern hatte. Nichtsdestotrotz zeigt es uns, dass Knut an Edgar anknüpfen wollte, und dass seine diesbezüglichen Handlungen (Stiftungen, Gesetze, Patronage) insofern von Erfolg gekrönt waren, als er von den Menschen auch tatsächliche mit Edgar in Verbindung gebracht wurde, wie uns die Ähnlichkeit des Stifterbildes mit jenem der New Minster Charter zeigt.

382 Siehe dazu: Turner, Illuminated Manuscripts S.47; sowie: Miller, "Edgar". In: Blackwell Encyclopaedia S.159. 383 Turner, Illuminated Manuscripts S.47; sowie Abb.2 im Bildanhang. 384 Karkov, Ruler portraits S.123; Auf das in der Darstellung vermittelte Königsbild wird weiter unten noch genauer eingegangen. 385 Karkov, Ruler portraits S.123, 138.

90 Als nächstes soll nun auf Rolle, sowie die ausgesprochene Wichtigkeit Königin Emmas in dieser Darstellung eingegangen werden. Emma wird im Bild mit Maria parallelisiert - eine Analogie, die vor allem in Zusammenhang mit der gesteigerten Bedeutung von Königinnen im 10. und 11. Jahrhundert und deren zunehmender Identifikation mit Maria als Königin des Himmels, zu verstehen ist. Für Knuts Legitimation erscheint dabei besonders interessant, dass Maria - und folglich auch Emma - als Brücke zwischen den Zeiten zu verstehen sind, wobei Maria die Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament und Emma jene zwischen den Herrschaften Æthelreds und Knuts, darstellt. Dieser für Knut so wichtige Link in die Vergan- genheit, wird dabei auch durch den gesamten Liber Vitae repräsentiert, da das Buch die Na- men jener Personen aufnimmt, die in der Zukunft Aufnahme in den Himmel finden sollen, wobei dies auch durch die auf das Stifterbild folgende Darstellung des Jüngsten Gerichts ver- deutlicht wird. Hinzukommt, dass der Liber Vitae selbst auch Texte zur Geschichte der Abtei sowie Englands enthält, und wahrscheinlich bereits unter Æthelred begonnen wurde, also auch selbst die Zeiten verbindet. Das Manuskript zeigt also die Bedeutung von Kontinuitäten und Verbindungslinien in der Weltgeschichte und symbolisiert damit sowie durch die Symbo- lik Emmas und Marias als Link in die Vergangenheit eine Kontinuität von Knuts Herrschaft zu jener seiner Vorgänger. Die Wichtigkeit Emma im Stifterbild reflektiert ebenfalls die Be- deutung von Knuts Heirat mit ihr für dessen Legitimation.386 Zudem bedeutet die Aufnahme Knuts in den Liber Vitae und damit dessen symbolhaft gesicherten Platz unter den Erretteten, seinen Platz in der Weltgeschichte, beziehungsweise der englischen Geschichte (es handelt sich um einen englischen Liber Vitae) findet, und damit ein rechtmäßiger und fester Teil die- ser wird. Die zentralen Elemente seiner Einbindung in die englische Geschichte, sind an die- ser Stelle daher Emma als Verbindung zur Vergangenheit oder als Anfangspunkt seiner Herr- schaft, sowie die auf das Stifterbild folgende Sequenz zum Jüngsten Gericht als ewige Ver- bindung mit England durch die Zeit bis zum Jüngsten Gericht.387 Um nun wieder zur Bedeutung Emma im Stifterbild zurückzukehren, sei ein besonders be- merkenswerter Aspekt des Bildes erwähnt, welcher das eben Gesagte zusätzlich unterstreicht, und zwar, dass Emma - und nicht Knut - an der rechten Seite Christi auftritt. Überhaupt wer- den Emma und Knut im Bild als beinahe gleichrangig dargestellt, was Emmas bedeutende

386 Karkov, Ruler portraits S.132f; siehe zur Verbindung Marias und Emmas als Königinnen (im Bild) auch: Stafford, Emma and Edith S.178. 387 Es handelt sich dabei um meine eigenen Überlegungen zu Bedeutung des Bildes bezüglich Emma und der Darstellung des Jüngsten Gerichts.

91 Stellung an der Seite Knuts reflektiert und eine Teilhabe an seiner Herrschaft suggeriert.388 In diesem Zusammenhang ist auch das Diadem, welches sie etwas versteckt unter ihrer Haube trägt, von einigem Interesse. Catherine Karkov identifiziert verschiedene Bedeutungsebenen beziehungsweise Auslegungen: Zum einen könnte das Diadem, wie es uns auch von Münz- bildern als Attribut des Königs bekannt ist, als Symbol für Emmas Würde als Königin Eng- lands verstanden werden. Zum anderen ähnelt Emmas Diadem aber jenem, welches Maria in dem Bild zur "heiligen Fünfheit" trägt, und es wäre daher möglich, dass das Diadem eine Verbindung zwischen Maria als himmlischer und Emma als irdischer Königin verdeutlichen soll. Des Weiteren steht das Diadem symbolisch für die himmlische Belohnung für jene, die auf Erden freigiebig waren und sollte daher vielleicht auch Emma Großzügigkeit gegenüber verschiedenen Kirchen, aber vor allem für New Minster Winchester versinnbildlichen.389 Emmas Diadem steht außerdem in ikonographischer Verbindung zu dem Schleier, welchen sie von einem Engel erhält. Dieser bildet wiederum das Pendant zu der Krone, die Knut eben- falls von einem Engel aufgesetzt bekommt. Beide Engel deuten mit der jeweils freien Hand nach oben und geben damit zu verstehen, dass Schleier und Krone direkt von Christus kom- men. Emmas Schleier lässt dabei ebenfalls verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu: Einer- seits wäre er im Kontext der Bildsequenz zum Jüngsten Gericht und dem Diadem als Symbol für himmlische Belohnung, ebenfalls als Zeichen für die bereits beschlossene Aufnahme Emmas in den Himmel zu verstehen. Andererseits könnte es sich bei dem Tuch aber auch um einen Hochzeitsschleier handeln, welcher wiederrum den hohen Stellenwert der Hochzeit Emmas und Knuts verdeutlichen würde. Eine weitere Bedeutungsebene des Schleiers wäre außerdem, dass es sich bei ihm um ein Symbol der Königin (ähnlich dem Diadem) handelt, wobei die Tatsache, dass er im Bild mit Knuts Krone parallelisiert wird, diese Möglichkeit nahe legt.390 Da - wie auch an diesem Beispiel zu sehen ist - ein Attribut aber selten nur eine einzige Bedeutung transportiert, denke ich, dass die Ikonographie von Diadem und Schleier nicht nur durch eine Interpretation zu erklären sind, sondern durchaus mehrere oder sogar alle genannten Bedeutungen vermittelt werden sollten. Wichtig - weil auch für die Legitimation Knuts bedeutsam - sind zusammengefasst folglich die Aspekte von Emma als Stifterin und Königin sowie die Bedeutung ihrer Heirat mit Knut.

388 Karkov, Ruler portraits S.125f. 389 Karkov, Ruler portraits S.129f. 390 Siehe zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Schleiers: Karkov, Ruler portraits S.130; Staf- ford, Emma and Edith S.179; Gale R. Owen, Wynflaed's wardrobe. In: ASE 8 (1979) 195-222. S.217.

92 Im angelsächsischen England wurde aber durch Maria nicht nur der Königin ein himmlisches Äquivalent zugedacht - auch der König wurde mit einem Heiligen parallelisiert: dem Heiligen Petrus. Deutlich wird das neben den Gebeten des "Zweiten Krönungsordo", abermals in den Bildquellen, wie zum Beispiel in dem Bildzeugnis der New Minster Charter, in dem Petrus die Macht von Christus an Edgar weitergibt.391 Im Stifterbild wird schließlich Knut mit Petrus parallelisiert, wobei dies an den Attributen, die beiden Figuren beigegeben werden, aber auch anhand ihrer räumlichen Zusammengehörigkeit im Bild offensichtlich wird. Der Schlüssel, welchen Petrus in der linken Hand hält, symbolisiert seine richterliche Gewalt, also seine Macht zu vergeben oder zu verurteilen, aber auch Schutz und Triumph. Knut hält in der sel- ben Hand ein Schwert, dessen Symbolik eng mit jener des Schlüssels verwandt ist, da es ebenfalls das Recht zu richten, sowie folglich Autorität und (militärische) Stärke versinnbild- licht. Beide Attribute - Schwert und Schlüssel - haben daher trennende, aber auch vereinende Funktionen: Schlüssel öffnen und schließen Türen, Schwerter trennen oder verbinden König- reiche, das heißt beide haben im Grunde die gleiche Aufgabe. Knuts Schwert steht daher zum einen für den Schutz, den er als König seinem Volk schuldet, und den er auch zu gewährleis- ten versuchte, wobei er diese Leistungen (etwa die Abwehr von 30 Piratenschiffen, Beseiti- gung einer Gefahr für England im Brief von 1019/20) auch zu propagieren suchte. Das heißt das Stifterbild liefert uns ebenfalls einen Hinweis darauf, dass Knut bemüht war, seinen Auf- gaben nachzukommen, beziehungsweise propagieren wollte, dass er seine Schutzpflichten erfüllte.392 Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass Petrus in der dem Stifterbild nachfolgenden doppelseitigen Miniatur zum Jüngsten Gericht seinen Schlüs- sel sehr aktiv, mitunter sogar als schwertähnliche Waffe einsetzt. Dadurch wird nicht nur die symbolische Verbindung zwischen Schwert und Schlüssel, sowie zwischen Knut und Petrus nochmals verdeutlicht, sondern besonders die Aufgabe von Schutz und Verteidigung, welche Knut durch sein Schwert erfüllen sollte, vermittelt.393 Zum anderen symbolisiert Knuts Schwert - immer in Anlehnung an Petrus, sowie Knuts Ver- bindung im diesem Heiligen - aber auch seine Autorität und militärische Macht, durch die er König geworden war.394 Diese Zurschaustellung von militärischer Stärke, ist dabei überhaupt ein wichtiger Aspekt von (königlichen) Stiftungen395 und darf daher auch bezüglich der Sym-

391 Karkov, Ruler portraits S.134. 392 Karkov, Ruler portraits S.133f, 139, 142. 393 Siehe dazu die Abb.8 im Bildanhang. 394 Karkov, Ruler portraits S.139. 395 Lawson, Cnut S.135.

93 bolik des Schwertes im Stifterbild nicht vergessen werden. Wichtig für die Legitimation Knuts, war dabei aber sicherlich nicht nur die Erinnerung an seine Macht und die Unantast- barkeit dieser, sondern auch seine außenpolitischen Aktivitäten, durch die er sein Reich er- weiterte und sich als großen "Imperator" zu zeigen versuchte. Hinzukommt noch eine weitere Bedeutung des Schwertes: Da es als einziges Bildelement über den Bildrand hinausreicht und nach rechts deutet, verweist es auf die nächste Seite, be- ziehungsweise den Rest des Buches, und schließt das Bild daher an die Sequenz des Jüngsten Gerichts an.396 Die dargestellten Personen werden damit in die Geschichte eingebunden und auf die Zukunft bezogen, wodurch Knut Teil der englischen Geschichte wird.397 Das Schwert symbolisiert dabei auch ganz allgemein, dass Knut durch diese Waffe Grenzen - wie auch den Bildrand - durchbrochen hatte und durchbricht.398 Die Verbindung des Königs mit dem heiligen Petrus, wie sie im Krönungsordo deutlich wird und auch beispielsweise von Edgar aufgenommen wurde (New Minster Charter), vermittelte, was Knut betrifft, aber nicht nur das Stifterbild, sondern wurde auch von Knut selbst aufge- griffen. In dem Brief, welchen er 1027 nach England sandte, heißt es, dass er gelernt habe, dass Petrus als Hüter der Schlüssel des Himmels, von Gott die Macht bekommen habe, zu binden und zu lösen (etwa im Sinne von zu verpflichten und zu befreien) und er sich deshalb ganz besonders diesem Heiligen verschreiben wolle.399 Die angesprochene Symbolik und An- sprüche, wie sie auch anhand des Schwert und des Schlüssels im Bild deutlich werden, zeigen sich also in Knuts eigenen Aussagen. Es wird dabei ebenso deutlich, dass sich Knut in beste- hende englische Traditionen, welche auch speziell das Königtum betrafen und bereits von Vorgängern aufgegriffen worden waren, stellen wollte. Eine Beanspruchung des heiligen Pet- rus bot sich in diesem Sinne besonders an. Als letztes Bildelement soll nun die Krone, welche Knut durch einen Engel übertragen be- kommt, besprochen werden. Der Engel, welcher Knut die Krone aufsetzt, deutet mit seiner rechten Hand nach oben, was generell als ein Zeichen dafür interpretiert wird, dass Knut seine königliche Macht Gott verdankt. Dies bedeutet, dass Knuts Königtum in Gott gründet bezie-

396 Karkov, Ruler portraits S.139f. 397 Auf meine Vermutung bezüglich der Einbindung Knuts in die englische Geschichte durch die Symbolik des Bildes wurde bereits eingegangen. 398 Karkov, Ruler portraits S.140. 399 "Especially have I accomplished this because I learned from wise men that the holy Apostle Peter had recei- ved from the Lord great power to bind and to loose, and was the keeper of the keys of the kingdom of heaven, and I considered it very profitable diligently to seek his special favour before God." siehe dazu: Whitelock, EHD Nr.49 S. 417.

94 hungsweise durch ihn sanktioniert ist, wodurch Knut auch in der Bildsymbolik zu einem rechtmäßigen christlichen König wird.400 Außerdem weist die Krone große Ähnlichkeit mit der Kaiserkrone der Ottonen auf, da auch diese einen Bügel besitzt (Bügelkrone). Es erscheint wahrscheinlich, dass Knut die Idee zu einer solchen Krone von seiner Romreise und seiner Anwesenheit bei der Kaiserkrönung Konrads II. mitgebracht hatte.401 Möglich ist außerdem, dass die Krone im Bild auf die Stiftung einer Krone durch Knut an New Minster verweist, also durch das Bild auch dieser Spende gedacht werden sollte.402 Die Krone im Bild verweist zusammengefasst also auf Knuts königliche Macht, seine Einsetzung durch Gott, seine impe- rialen Ansprüche, sowie vielleicht auch auf eine als besonders fromm erachtete Kronenspende durch Knut. Insgesamt spiegelt das Stifterbild im Liber Vitae von New Minster Winchester also viele der bereits besprochenen Aspekte der Legitimationsbestrebungen Knuts wieder. Da es sich dabei aber um ein Dokument, welches zumindest nur zum Teil unter Knuts unmittelbaren Einfluss stand, handelt, reflektiert es vor allem die ,Art wie Knut von den durch ihn geförderten Perso- nen und Institutionen gesehen werden wollte. Folglich zeigt uns das Stifterbild, dass (manche) seiner Legitimationsbestrebungen - wie etwa die Heirat mit Emma oder seine Anknüpfung an Edgar - wohl erfolgreich waren, beziehungsweise welche seiner Handlungen von den Men- schen besonders wahrgenommen wurden.

6.10.1 Spezielle Frömmigkeitsbekundungen

An dieser Stelle sollen nun Handlungen Knuts, durch welche er sich als besonders frommer König darzustellen versuchte und damit auch eine Steigerung seiner Legitimität anstrebte, besprochen werden. Es handelt sich dabei vor allem um Stiftungen, welche in spezieller Wei- se zelebriert wurden, das heißt in besonderer Form zur Schau getragen wurden, aber auch um andere zeremonielle Handlungen, durch welche Knut seine Hingabe für Gott zeigen wollte. Besprochen werden muss daher im Folgenden ein Überlieferungskomplex, welcher zwei Kronenspenden Knuts, sowie die berühmte Geschichte zu Knut und den Wellen, umfasst:

400 Auf die Bedeutung Gottes für Knut als legitimen König wurde bereits eingegangen. Siehe zur Krone im Bild außerdem: Karkov, Ruler portraits S.126. 401 Siehe dazu außerdem das Kapitel zur Romreise Knuts. 402 Auf die Schenkungen einer oder mehrerer Kronen durch Knut wird im Folgenden noch genauer eingegangen. Zur Bedeutung der Krone im Bild siehe: Karkov, Ruler portraits S.126.

95 Henry von Huntington berichtet uns davon, dass Knut einen Stuhl an den Strand stellen ließ, als die Flut kam. Dann nahm er auf diesem Platz und befahl den mit der Flut steigenden Wel- len, nicht näher heranzukommen und seine Füße nicht zu berühren. Als das Meer seinen Be- fehl nicht befolgte und seine Füße nass wurden, verkündete Knut, dass nun alle Welt sehe, dass die Macht von Königen wertlos sei und es keinen größeren König gäbe als den Herr, der die Gesetze des Himmels, der Erde und der See mache. Daraufhin nahm er seine Krone ab und platzierte sie auf der Figur eines gekreuzigten Christus, ohne selbst je wieder eine Krone zu tragen.403 Eine etwas frühere Darstellung zu dieser Kronenspende stammt von Goscelin von Canterbury, aus dessen Bericht hervorgeht, dass Knut seine Krone bei dieser Gelegenheit an Winchester gestiftete hatte.404 Da beide Berichte zu Knut und den Wellen zu einem viel späteren Zeitpunkt niedergeschrieben wurden, wurden von der Forschung Zweifel daran an- gemeldet, ob die Begebenheit tatsächlich so stattgefunden hatte.405 Persönlich halte ich es durchaus für denkbar, dass Knut seiner Frömmigkeit in dieser Weise Ausdruck zu verleihen versuchte, zumindest aber zeigt die Geschichte abermals, dass Knut durchaus als frommer und demütiger König eingeschätzt wurde. Wichtiger erscheint an dieser Stelle jedoch die Kronenspende, wobei jene Krone, die Knut an Winchester gestiftet hatte, nicht die einzige gewesen sein dürfte, da uns eine Kronenspende Knuts auch an die Christ Church Canterbury überliefert ist.406 Als Quelle dazu dient uns unter anderem die Urkunde S 959, welche die Schenkung des Hafens von Sandwich, sowie jene einer goldenen Krone an die Christ Church dokumentiert. Es heißt darin, dass Knut seine gol- dene Krone auf den Altar der Kirche gelegt und sie Christ Church überlassen hatte.407 Doch welche Aussage wollte Knut - neben den bereits besprochenen Gründen für Stiftungen - durch

403 Greenway, Henry of Huntington HA S.366-369; Lawson, Cnut S.133f; Karkov, Ruler portraits S.126; Robert Deshman, Christus rex et magi reges: Kingship and Christology in Ottonian and Anglo-Saxon Art. In: FMST 10 (1976) 367-405. S.404. 404 Lawson, Cnut S.134; Karkov, Ruler portraits S.126; Grennway, Henry of Huntington HA S.368 Anm. 95, als Quelle bei Greenway angegeben: Translation sancte Mildrethe virginis, ed. D.W. Rollason, "Goscelin of Canter- bury's account of the translation and miracles of St. Mildrith. In: Mediaeval Studies, xlviii (1986) 139-210, S.163 [selbst nicht eingesehen]. 405 Deshman, Christus rex S.404; Heslop, Production of de luxe manuscripts S.187. 406 Robert Deshman vermutet, dass Henry von Huntington bezüglich Knuts Kronenspende Winchester mit Can- terbury verwechselt und dass es sich daher eigentlich um ein und dieselbe Kronenspende handelt: siehe dazu: Deshman, Christus rex S.404. 407 S 959: http://www.trin.cam.ac.uk/kemble/pelteret/Ccc/Ccc%20151.htm Zugriff: 21.01.2012, 18:00; Ein weiterer Beleg dieser Schenkung wären außerdem die Gesta Regum des Gervasius von Canterbury sowie eine Auflistung der Schenkungen an Christ Church, welche um 1400 entstand. Siehe dazu: Lawson, Cnut S.136 Anm.87.

96 diese Kronenspenden treffen? Vorrangig handelte es sich natürlich um einen Akt der Demut, durch den Knut seine Verehrung für Gott und besonders Christus sowie seinen Respekt für die Kirche ausdrücken wollte. Besonders im 11. Jahrhundert waren englische Könige dazu angehalten, sich nicht (nur) mit dem triumphierenden Christus, sondern mit dem leidenden Jesus am Kreuz zu identifizieren. Durch seine Kronenspende an Christ Church und vielleicht auch an Winchester, wobei er die Krone hier angeblich sogar selbst auf dem Kopf der gekreu- zigten Figur Jesu platzierte, konnte sich Knut also mit Christus in Verbindung bringen und dem vorgegebenen Ideal entsprechen. Dies verdeutlichte dabei nicht nur seine demütige Hal- tung gegeben über Gott, sondern durch seine Identifikation mit Christus (imitatio Christi), auch sein erhabene Macht und Überlegenheit.408 Es zeigt sich an dieser Stelle daher ein weite- res Mal, dass Knut bemüht war, sich als irdisches Gegenstück Gottes und damit auch als den idealer christlicher König darzustellen, was auch seine Legitimation als englischer König wei- ter bekräftigte. Reflektiert wird dieses Bild sogar von den Skaldengedichten, welche zu seinen Ehren entstanden, da auch sie Knut unter anderem als gottgleichen Verteidiger seines Landes rühmen.409 Zugleich ist dies abermals ein Hinweis darauf, dass Knut von "Kirchenmännern" "unterrichtet" wurde und die Unterweisungen - zumindest zum Teil - auch annahm.410 Erwähnt werden muss noch, dass die Spende einer Krone als Ausdruck der Verehrung Christi nichts Ungewöhnliches war, sondern eine bekannte Tradition, sowohl im Westen als auch im Byzantinischen Reich. Knut selbst dürfte dabei die alte Krone Heinrichs II., welche dieser 1014 nach seiner Kaiserkrönung der Peterskirche überlassen hatte, gesehen haben und davon zu seinen eigenen Kronenspenden inspiriert worden sein.411 Auch das zumindest zeitweilige Ablegen der Krone ist für die Zeit belegt, wobei die Aussage Henry von Huntingtons, dass Knut geschworen habe nie wieder eine Krone zu tragen, Übertreibung gewesen sein dürfte.412 Es zeigt sich, dass die Spende seiner Krone zwar eigentlich eine Stiftung war, hier jedoch nicht materielle Aspekte, sondern eine Zurschaustellung der eigenen Frömmigkeit und beson- ders eine offene Angleichung an Christus sowie eine respektvolle Ehrung der Kirche im Vor- dergrund standen, durch welche Knut seine Stellung als legitimer König zu untermauern ver- suchte. In einem ähnlichen Sinn, sind daher auch andere Frömmigkeitsbekundungen zu ver- stehen: Neben der Geschichte zu Knut und den Wellen, welchen er befahl seine Füße nicht zu

408 Lawson, Cnut S.134; Deshman, Christus rex S.404f. 409 Lawson, Cnut S.135; Frank, King Cnut in the verse of his skalds S.116. 410 Lawson, Cnut S.134. 411 Deshman, Christus rex S.405; zur Krone Heinrichs II. in der Peterskirche Lawson, Cnut S.136f. 412 Deshman, Christus rex S.405.

97 benetzen, wissen wir von einer Begebenheit, wonach Knut bei einer Pilgerreise zum Grab des Heiligen Cuthbert die letzten fünf Meilen barfuß zurückgelegt haben soll.413 Des Weiteren erfahren wir aus dem Encomium von reichen Spenden Knuts an die Klöster sowie die Armen von St. Omer, als er sich auf der Durchreise befand, wobei er laut dem Enkomiasten tränen- überströmt gebetet und jeden Altar und den heiligen Boden in den Klöstern und Kirchen von St. Omer geküsst habe.414 Auch wenn die Erzählungen des Enkomiasten mit Vorsicht zu ge- nießen sind, weisen sie trotzdem darauf hin, dass Knut durchaus als frommer König gesehen wurde. Nicht zuletzt ist auch die Romreise Knuts in einem solchen Licht zu sehen, da Knut diese in seinem Brief von 1027 ebenfalls als Pilgerreise, welche er Gott und den Aposteln Paulus und Petrus gewidmet hatte, deklariert.415 Insgesamt zeigt sich daher, wie wichtig die Religion für Knuts Legitimationsbestrebungen war und dass ein gutes Verhältnis zur Kirche aus herrschaftspolitischen Gründen sehr wichtig war. Des Weiteren konnte Knut durch Stiftungen aber auch seinen Reichtum sowie besonders seine (militärische) Macht zur Schau stellen. Besonders wichtig erscheint außerdem, dass sich Knut durch fromme Handlungen und Stiftungen als irdisches Gegenstück Gottes beziehungs- weise Christi, und damit als idealer christlicher Herrscher darstellen konnte. Nicht zuletzt konnte er durch Stiftungen an bestimmte traditionsreiche Klöster und Kirchen auch in die Fußstapfen mancher seiner angelsächsischen Vorgänger treten und damit zeigen, dass er in deren Tradition stand und nun ebenfalls ein englischer Herrscher war. Auch wenn man Knut fromme und altruistische Motive nicht gänzlich absprechen sollte, waren seine religiösen Handlungen vor allem ein essentielles Werkzeug zu seiner Herrschaftslegitimation als engli- scher König.

7 Conclusio

Zusammenfassend lassen sich drei Kernelemente der Legitimationsbestrebungen von Knut als englischem König feststellen: Erstens eine Einreihung in angelsächsische Traditionen, zwei- tens die Wichtigkeit der Religion beziehungsweise einer Darstellung als besonders frommer,

413 Lawson, Cnut S.133, 152; Rollason, Relic-cults S.103; Rollason, Symeon of Durham, Libellus S.166f. 414 EER S.36f; Lawson, Cnut S.133. 415 Whitelock, EHD Nr.49 S.417.

98 christlicher König, sowie drittens ein Imagewechsel. Anders ausgedrückt, musste Knut also, um als englischer König anerkannt zu werden und damit seine Stellung zu festigen, von dem ehemaligen Wikinger und Bedroher Englands zu einem angelsächsischen und christlichen Idealkönig werden. Das bedeutete - im Sinne von M.K. Lawson -, dass Knut "größtenteils gezwungen war, ein englisches Spiel, mit englischen Leuten und nach englischen Regeln zu spielen."416 Tatsächlich scheint genau diese Einbindung Knuts in englische Verhältnisse es- sentiell für den Erfolg seiner Legitimation gewesen zu sein, da er so zu einem englischen Herrscher werden konnte. Die drei genannten Kernelemente - angelsächsische Tradition, Re- ligion und Imagewechsel - können daher nicht getrennt voneinander betrachtet und verstan- den werden, da einzelne Handlungen Knuts, oft auch mehrere Aspekte seiner Legitimation bedienen sollten. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Förderung englischer Heiligenkulte, da er sich dadurch zum einen als frommer König darstellen, sich zum anderen aber auch in angelsächsische Traditionen einreihen, beziehungsweise an bedeutende Vorgänger anknüpfen konnte. Was das "Spiel mit englischen Leuten" betrifft, so zeigt sich, dass Knut auch Unterstützung seitens wichtiger angelsächsischer Persönlichkeiten - vor allem seitens der Kirche - erfuhr. Besonders zu nennen ist dabei Erzbischof Wulfstan, welcher Knut in religiösen Belangen un- terrichtet und beraten haben dürfte, aber auch an dessen Gesetzgebung beteiligt war. Als wichtige Grundlagen der legitimen Stellung Knuts als englischer König wurden seine Wahl sowie seine (wahrscheinliche) Krönung besprochen, wobei die Krönung der Ausgangs- punkt seiner Darstellung als christlicher König, welcher den ihm auferlegten Pflichten nach- kam, gewesen zu sein scheint. Von zentraler Bedeutung war sicherlich auch die Heirat mit Emma, da es Knut durch eine Ehe mit der Witwe seines Vorgängers gelang, sich in angel- sächsische Verhältnisse einzubinden. Als Teilhaberin seiner Herrschaft scheint Emma vor allem das Element des Friedens verkörpert zu haben - wichtig war sie für Knut aber auch als Partnerin bei Stiftungen. Es kann wohl angenommen werden, dass eine Heirat mit ihr, auch als Ausdruck der Wiedergewinnung von geordneten Verhältnissen, von Bedeutung war. In ähnlicher Weise können auch die gesetzgeberischen Akte im Zuge des Treffens von Oxford verstanden werden, wobei diese vor allem im Sinne einer Anknüpfung an König Edgar seitens Knut zu verstehen sind. Sich in die Tradition großer Vorgänger - besonders König Edgars - zu stellen, war dabei ebenfalls ein zentrales Element der Legitimationsbestrebungen Knuts, wel- ches sich besonders auch in der Patronage traditionsreicher englischer Heiligenkulte und an-

416 Lawson, Cnut S.130; M.K. Lawson bezieht sich mit diesem Satz zwar nur auf Knuts religiöse Handlungen, ich denke jedoch, dass diese Einschätzung durchaus auch insgesamt für Knuts Legitimation zutreffend ist.

99 hand von Stiftungen für bedeutende Kirchen und Klöster in England zeigt. Was eine Anknüp- fung an berühmte und angesehene Persönlichkeiten seiner Zeit betrifft, so war für Knut be- sonders eine Verbindung zu Edmund Ironside wichtig, da er sich als dessen Bruder darzustel- len versuchte, um so den Anschein eines designierten Nachfolgers zu erwecken. Aus diesem Grund suchte Knut auch später in seiner Herrschaft immer die Nähe, zu diesem vorläufig letz- ten Spross des angelsächsischen Königshauses - die Tatsache, dass dieses nun gewissermaßen "ausgestorben" war (alle überlebenden æthelings befanden sich im Exil), scheint ebenfalls nicht ohne Bedeutung gewesen zu sein. Wichtig für eine feste Stellung als neuer englischer König waren daher auch Exekutionen von potentiell gefährlichen englischen Mächtigen, wie beispielsweise Eadric Streona, aber auch von Konkurrenten um den Thron. Selbst wenn derar- tige Exekutionen eigentlich als gewalttätige Herrschaftssicherung zu verstehen sind, können sie trotzdem nicht losgelöst von Knuts Legitimation verstanden werden, da manche Hand in Hand mit legitimierenden Handlungen gingen, wie beispielsweise der Mord beziehungsweise das Exil des æthelings Eadwig und die Selbstdarstellung Knutsals designierter Nachfolger Edmund Ironsides. Ein besonders interessanter Aspekt von Knuts Herrschaft waren außerdem seine Kontakte zu Kaiser Konrad II. und sein möglicher Versuch, ein "Kaiserreich des Nor- dens" aufzubauen. Beides stellte Knut auf eine internationale Ebene und ließ ihn auf Augen- höhe mit anderen bedeutenden Herrschers seiner Zeit agieren, was sicherlich auch in England für seine Stellung als König vorteilhaft war. Viele der genannten Aspekte, vor allem aber die Heirat mit Emma, die Patronage von Heili- gen sowie großzügige Stiftungen und andere fromme Handlungen waren außerdem auch für Knuts Imagewechsel zuträglich, welcher für ihn gleichermaßen notwendig war, um eine legi- time Stellung als englischer König zu behaupten. Anscheinend wurde er - zumindest zu An- fang - von vielen noch als der pagane Wikinger angesehen. Ein Wandel hin zu einem from- men, christlichen König war für Knut daher besonders wichtig, um auch als englischer König anerkannt zu werden. Insgesamt zeigt sich daher, dass Knuts Legitimation durchaus vielfältig angelegt war. Gerade an der öffentlichkeitswirksamen Förderung bestimmter Heiligenkulte und anhand der Stiftun- gen sowie auch aufgrund des Münzprogramms wird außerdem deutlich, dass Knut bezüglich seiner Legitimation auch die breite Bevölkerung anzusprechen versuchte. Einen weiteren Hinweis darauf bieten uns auch die zwei Briefe der Jahre 1019/20 und 1027, da diese durch- aus legitimierende Inhalte aufweisen und wahrscheinlich dazu gedacht waren, wie writs an den shire courts verlesen zu werden. Eine breitenwirksame Legitimation war für Knut vor

100 allem deshalb wichtig, da von einer verhältnismäßig starken Partizipation des englischen Vol- kes an der der Politik auszugehen ist (shire und hundred courts). Erwähnt werden muss noch, dass die Art der Anknüpfung Knuts an Æthelred schwierig zu bewerten ist, da nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob Æthelred bereits zu Lebzeiten einen schlechten Ruf hatte, oder ob ihm nachgesagt wurde, irgendwie am Mord seines Halb- bruders Edward beteiligt gewesen zu sein. Es spricht einiges dafür, dass Knut zwar eine Kon- tinuität zu Æthelreds Herrschaft herstellen wollte, es aber andere und sozusagen glorreichere Vorgänger waren (König Edgar und Edmund Ironside), in deren Nachfolge er als englischer König stehen wollte. Daraus ergibt sich, dass Knut eine bewusste und zielgerichtete Legitimation seiner Herrschaft als englischer König betrieb und dies auf vielfältige Weise tat. Er bediente sich dabei der Re- ligion, wesentlich war aber zweifellos eine Einfügung in angelsächsische Traditionen. Knut erfüllte dabei viele der Pflichten, die Zeitgenossen von einem christlichen König erwarteten beziehungsweise deckte die Eigenschaften ab, die einem König zugeschrieben wurden, was ebenso ein zentraler Aspekt seiner Legitimation gewesen zu sein scheint. Wichtig für die brei- tenwirksame Anerkennung seiner Herrschaft war daher auch ein Imagewechsel. Knut konnte auf diese Weise das Kostüm des Eroberers abstreifen, wodurch es ihm gelang, zu einem legi- timen, englischen Wikingerkönig zu werden, bevor nach einer kurzen Herrschaftszeit seiner Söhne in der Person Edwards des Bekenners wiederrum ein letztes Mitglied des angelsächsi- schen Könighauses den Thron bestieg. Knut war damit zwar vor Wilhelm dem Eroberer der erste Kontinentaleuropäer, dem es durch eine Eroberung des Landes gelungen war, englischer König zu werden. Im Gegensatz zu seinem normannischen "Nachfolger", war er aber ein ech- ter angelsächsischer König - er war ein König der Engländer.

101 8 Literaturverzeichnis

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8.3 Abbildungsverzeichnis

Abb.1 Harriet O'Brien, Queen Emma and the Vikings. A history of power, love and greed in eleventh-century England (London 2005). Bildteil.

Abb.2 Roy Strong, Coronation. From the 8th to the 21th century (London 2006). S.21.

Abb.3 Pauline Stafford, Emma: The Powers of the Queen in the Eleventh Century. In: Anne Duggans (Hg.), Queen and Queenship in medieval Europe (Woodbridge 2002) S.3-26. S.26.

Abb.4 Pauline Stafford, Queen Emma and Queen Edith. Queenship and women’s power in eleventh century England (Oxford 1997). S.173.

Abb.5 Timothy Bolton, The empire of Cnut the Great (The northern world 40, Leiden 2008). S.299.

Abb.6 Timothy Bolton, The empire of Cnut the Great (The northern world 40, Leiden 2008). S.298.

Abb.7 Marion Archibald, Anglo-Saxon Coinage. Alfred to the Conquest. In: Janet Backhouse (Hg.), The golden age of Anglo-Saxon art 966-1066 (London 1984) 170-194. S.181.

107 Abb.8 Simon Keynes, Anglo-Saxon Index at Trinity College, Cambridge, Images of Anglo-Saxon manuscripts - under construction, The Liber Vitae of the New Minster, Winchester (http://www.trin.cam.ac.uk/sdk13/MSS/LastJudge50.jpg) Zugriff: 07.09.2012, 14:17.

108

9 Bildanhang

Abb.1: Stifterbild Emmas und Knuts im Liber Vitae der New Minster Winchester.

109

Abb.2: Darstellung König Edgars am Anfang der New Minster Charter.

110

Abb.3: Die "heilige Fünfheit" im Gebetsbuch des Abtes Ælfwine von Winchester.

Abb.4: Krönung Marias zur Königin des Himmels aus dem Benediktionale des Bischofs Æthelwold von Win- chester.

111

Abb.5: Kaiserkrone Konrads II. Abb.6: Detail aus dem Stifterbild (Abb.1), welches Knut und seine Bügelkrone zeigt.

a

b Abb.7: Knuts Münztypen; a: Münztyp "Quatrefoil" von zwei verschiedenen Präge-

herrn; b: "Pointed Helmet".

112

Abb.8: Rechte Seite (fol. 7r) der doppelseitigen Miniatur zum "Jüngsten Gericht" im Liber Vi- tae von New Minster Winchester.

113 10 Anhang

10.1 Abstract (deutsch)

In der von mir vorgelegten Diplomarbeit "Knut der Große als König von England. Legitima- tion eines Eroberers" befasse ich mich mit der Frage, wie es dem Wikinger Knut dem Großen, nachdem er 1016 England erobert hatte, gelungen war, sich nachhaltig als König zu legitimie- ren und so eine stabile Herrschaft aufzubauen. Zentrale Fragen der Arbeit sind daher auch, ob Knuts Legitimationsbestrebungen zielgerichtet und vielfältig ausfielen oder ob sie auf wenige Handlungen beschränkt blieben. Des Weiteren war zu klären, ob sie sich nur an die Reichseli- te oder auch an eine breite Bevölkerungsmasse richtete, sowie ob Knut dabei Unterstützung seitens englischer Persönlichkeiten hatte. In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass Knuts Bestrebungen sich zu legitimieren durchaus vielfältig und gezielt angelegt waren und sich nicht nur an die englische Elite, sondern, bei- spielsweise über eine Förderung berühmter Heiligenkulte und Klöster, sowie durch ein ent- sprechendes Münzprogramm und die beiden Proklamationen in Briefform von 1019/20 und 1027, auch an das Volk richtete. Ein besonders wichtiges Instrument seiner Herrschaftslegitimation war außerdem die Religion, da diese ihm auch die Möglichkeit bot, sich als idealer christlicher König in der Erfüllung seiner Pflicht darzustellen. Bedeutsam war in diesem Zusammenhang auch ein Imagewechsel vom vermeintlich paganen Wikinger, welcher England zuvor bedroht hatte, hin zu einem ide- alen englischen König. Wichtig war dafür die Heirat mit Königin Emma, durch welche er seine Herrschaft festigen konnte. Des Weiteren hatte Knut anscheinend auch die Unterstüt- zung verschiedener kirchlicher Persönlichkeiten wie beispielsweise Erzbischof Wulfstans II. von York, welcher ihm nicht nur im Rahmen der Gesetzgebung zur Seite stand, sondern - wie wahrscheinlich auch andere Kirchenmänner - bestrebt war, ihm das Idealbild und die Pflich- ten eines christlichen Königs zu vermitteln. Um seine Herrschaft als König Englands zu propagieren und zu festigen, war aber auch eine Weiterführung angelsächsische Traditionen von besonderer Bedeutung. Dahingehende Be- strebungen Knuts konnten anhand einer Untersuchung der Förderung bestimmter Heiligenkul- te, einer Weiterführung der Gesetze König Edgars, sowie anhand Knuts Anknüpfung an die- sen und weitere Vorgänger als Könige von England, gezeigt werden. Besonders wichtig er-

114 scheint in diesem Zusammenhang, dass sich Knut als Erbe und designierter Nachfolger Ed- mund Ironsides darzustellen versuchte (Befragung der Zeugen des Vertrags von Olney). Kurzgefasst treten daher drei Hauptelemente von Knuts Herrschaftslegitimation hervor: Ers- tens eine Einreihung in angelsächsische Traditionen, zweitens eine spezielle Rolle der Religi- on, sowie drittens ein Imagewechsel.

10.2 Abstract (english)

The present diploma thesis "Cnut the Great as king of England. Legitimation of a conqueror" deals with the problem of how it was possible for viking Cnut, after conquering England in 1016, to legitimize himself effectivly as king and thus to build a stable government. Key questions of the work are therefore whether Cnut's legitimation-efforts were specific and ma- nifold, or whether they were limited to just a few acts. Furthermore, it is to be clarified whether Cnut wanted to adress a wider population or just the elite of England, as well as if he had the support of some English personalities. In my study I tried to show that Cnut'S efforts to legitimize himself were quite manifold and systematic and that they were directed not only towards the English elite, but - through a promotion of famous saint cults and monasteries, as well as via coins and writs - also towards the general public. A particulary important tool of his legitimation was religion, as it offered him the opportunity to present himself as the ideal Christian king in the performance of his duties. Significant in this context was also a change of image from the pagan viking, who had threatened England, to an ideal English king. Important was also the marriage with queen Emma, which helped Cnut was able to strengthen his authority. Furthermore it seems as Cnut had the support of various church leaders such as archbishop Wulfstan II. of York, who backed him not only concerning the legislation, but - like others - also taught him in matters of ideal christian kingship and his corresponding duties. To consolidate his reign as king of England, the continuation of Anglo-Saxon traditions was also of particular importance. The present study shows how Cnut's intentions to legitimize his reign were carried out: by patronage of cults of particular saints, ba preference to the laws of king Edgar as well as by attempts on Cnut's part to tie him to his predecessors. Of particular

115 importance in this context is the fact that Cnut tried to represent himself as heir and designa- ted successor of Edmund Ironside (inquiry of the witnesses of the agreement at Olney). There are three main elements of Cnut's legitimation as king of England: first an appropiation of Anglo-Saxon traditiones, second the use of religion and third a change of image.

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10.3 Lebenslauf

Persönliche Daten Name: Larissa RASINGER Adresse: Wehrgasse 570, 2823 Pitten Nationalität: Österreich Email: [email protected] Geburtsdatum: 21.12.1987

______

Ausbildung seit März 2008: Diplomstudium der Geschichte, Universität Wien

September 2007 – Februar 2008: Universität für Bodenkultur, 1090 Wien Studium für Landschaftsplanung und Landschaftsar- chitektur

September 2002 – Juli 2007: Städtische Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, 2700 Wiener Neustadt Ausbildungsschwerpunkt: Umweltökonomie Reife- und Diplomprüfung am 14. Juni 2007 mit aus- gezeichnetem Erfolg bestanden

September 1998 – Juli 2002: Bundesrealgymnasium Gröhrmühlgasse, 2700 Wiener Neustadt Ausbildungsschwerpunkt: Naturwissenschaften

September 1994 – Juli 1998: Volksschule Pitten, 2823 Pitten

Sprachen: Deutsch (Muttersprache) Englisch (Sehr gut) Französisch (Maturaniveau) Latein (Latinum an der Universität Wien)

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