E-Commerce Report Schweiz 2018

Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten. Eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter.

10. Ausgabe

Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll

Mit Vertiefungsthema «Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen»

E-Commerce Report Schweiz 2018

Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten Eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter

10. Ausgabe

Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll

Herausgeber Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW

Hochschule für Wirtschaft Institut für Wirtschaftsinformatik

Datum 15. Juni 2018

ISBN 978-3-03724-164-6

Alle Ausgaben der Studienreihe E-Commerce Report Schweiz sind als pdf-Datei kostenlos erhältlich unter www.e-commerce-report.ch.

© 2018 Hochschule für Wirtschaft FHNW und die Autoren. Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden.

Geleitwort

Geleitwort

Der E-Commerce Report Schweiz – eine Langzeitstudie aus Sicht der Schweizer Anbieter

Der E-Commerce Report Schweiz beleuchtet die Entwicklung des B2C-E-Commerce aus Sicht der Schweizer Anbieter. Damit unterscheidet er sich von anderen E-Commerce-Studien, die meist auf Konsumentenbefragungen basieren. Die Grundlage für die langfristig angelegte Studienreihe – mit der hier vorliegenden Ausgabe erscheint der E-Commerce Re- port nun bereits zum zehnten Mal – bilden die jährlich durchgeführten Interviews mit den Mitgliedern des E-Commerce Leader Panels Schweiz. Dieses Panel repräsentiert Unternehmen, die in ihrer Branche zu den führenden E-Commerce- Anbietern gehören oder durch herausragende Leistungen, z.B. Innovation, besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Das 2009 etablierte Panel wird laufend ausgebaut. An der Studie 2018 wirkten insgesamt 35 Geschäftsführer oder E-Commerce-Verantwortliche im Studienpanel mit. Fünf weitere Personen brachten ihre Expertise zu einzelnen Themen- blöcken ein.

Praxiserfahrung für Schweizer E-Commerce-Anbieter

Theorie ist gut, aber praktische Erfahrungen sind durch nichts zu ersetzen! Es freut uns daher ausserordentlich, dass sich auch dieses Jahr wiederum eine stattliche Anzahl führender Schweizer E-Commerce-Anbieter mit namhaften Persönlich- keiten im E-Commerce Leader Panel Schweiz aktiv engagiert hat. Ihre offenen und authentischen Aussagen sind die Grundlage für die Qualität dieser Studie. Wir danken den Panelmitgliedern und den unterstützenden Experten an dieser Stelle herzlich für ihre Mitarbeit.

Ein Beitrag zur nachhaltigen Weiterentwicklung des Schweizer E-Commerce

Datatrans AG ist der führende Payment Service Provider im Schweizer Onlinehandel und der Auftraggeber für diese Stu- dienreihe. Konzeption und Durchführung erfolgen durch das Team des Kompetenzschwerpunkts E-Business der Hoch- schule für Wirtschaft FHNW. Durch den Einsatz der Hochschule werden die qualitativ hochstehende Ausführung, die Neutralität der inhaltlichen Bearbeitung und der vertrauliche Umgang mit individuellen Informationen gewährleistet. Auf diese Weise soll die Studienreihe E-Commerce-Anbietern in der Schweiz einen konkreten Praxisnutzen stiften und sub- stanziell zur nachhaltigen Weiterentwicklung des E-Commerce in der Schweiz beitragen.

Wir freuen uns, diese Weiterentwicklung mit dem jährlichen E-Commerce Report Schweiz durch Schaffung von Transpa- renz und Gelegenheit zum Austausch unterstützen zu können. Wir danken der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und ganz besonders den beiden Professoren Ralf Wölfle und Uwe Leimstoll für das grosse Engagement, die professionelle Projektrealisierung und die ausgesprochen angenehme Zusammenarbeit – auch auf persönlicher Ebene – in den vergan- genen zehn Jahren.

Zürich, im Juni 2018

Datatrans AG

Hanspeter Maurer Urs Kisling Geschäftsführer Verwaltungsrat

III 2018 2018 E-Commerce Report 2018 2018 E-CommerceSchweiz Report2018 2018 2018 E-Commerce Report 2018 2018 Schweiz 2018 DigitalisierungE-Commerce im Vertrieb an Konsumenten. Report Digitalisierung Eine im qualitative Vertrieb an Studie Konsumenten. aus Sicht der Anbieter. Schweiz 2018E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz

2018 2018 Eine qualitative Schweiz10. AusgabeStudie aus Sicht der 2018Anbieter. E-Commerce DigitalisierungE-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz imReport Vertrieb an Konsumenten. 10. Ausgabe Eine qualitative Studie aus Sicht der RalfDigitalisierung Wölfle, Anbieter. Uwe Leimstoll im Vertrieb an Konsumenten. SchweizE-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz 2018 Eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter. 10. Ausgabe Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten.E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz Eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter. 10. Ausgabe 2018 2018 E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz Ralf Wölfle, Uwe LeimstollE-Commerce Report 10. Ausgabe Mit Vertiefungsthema Schweiz«Umgang Ralf2018 Wölfle, mit Uwe mächtigen Leimstoll digitalen Plattformen» Mit Vertiefungsthema Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll Digitalisierung«Umgang mit im mächtigenVertrieb an digitalenKonsumenten. Plattformen» Eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter. E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz Mit Vertiefungsthema E-Commerce Report 2018 10. Ausgabe 2018 «Umgang2018 E-Commerce mit mächtigen digitalen Report Plattformen» 2018 2018 SponsorenMit Vertiefungsthema E-Commerce Ralf Wölfle, Report Uwe Leimstoll Mit Vertiefungsthema Schweiz 2018 Byjuno AG bietet seit 2015 einfache, sichere und bequeme Bezahlmöglichkeiten für Händler und «UmgangKunden mit im E-Commerce mächtigen und am Point-of-Sale auf digitalen Rechnung an. Kunden erhalte Plattformen»n dabei die Schweiz 2018 Möglichkeit, die Rechnung entweder sofort, in Teilzahlungen oder in mehreren Raten zu «Umgang mit mächtigen Digitalisierung digitalen imPlattformen» Vertrieb an Konsumenten. begleichen. Innovativer Kern der Lösung ist eine realtime Kreditentscheidung, welche eine schnelle Abwicklung der Kauftransaktion ermöglicht. Byjuno übernimmt dabei die volle Digitalisierung Eine im qualitative Vertrieb an Studie Konsumenten. aus Sicht derRechnungsprozesskette Anbieter. zwischen Händler und Konsument. Mehr Informationen finden Sie unter: www.byjuno.ch E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz Mastercard® (NYSE: MA) ist ein Technologieunternehmen im internationalen Eine qualitative 10. Studie Ausgabe aus Sicht der Anbieter. Zahlungsverkehr und bietet jedem Karteninhaber eine optimale Mastercard Lösung. Auch im Internet haben Sie mit Mastercard immer das passende E-CommerceE-Commerce Report Report Schweiz Schweiz Zahlungsmittel zur Hand. Kaufen Sie per Mausklick in der Schweiz und in aller Welt ein, rund um die Uhr und 7 Tage die 10. Ausgabe Mit Vertiefungsthema Woche. Sie profitieren zudem von höchsten internationalen Sicherheitsstandards, die Sie vor fremdem Zugriff bewahren. Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll Mehr Informationen finden Sie unter: www.mastercard.ch «Umgang mit mächtigen digitalenMit seinerPlattformen» offenen digitalen Bezahlplattform ermöglicht es PayPal seinen 237 Millionen aktiven Kontoinhabern, darunter 1 Million in der Schweiz, sich auf neue und Ralf Wölfle, Uwe Leimstoll leistungsfähige Art zu verbinden und Geschäfte zu tätigen. Die PayPal-Plattform steht in mehr als 200 Märkten weltweit zur Verfügung. Verbraucher und Händler können Geld in 25 Währungen empfangen, Geld in 56 Währungen auf ihr Konto abheben und in 25 Währungen Guthaben auf ihrem PayPal-Konto halten. Mehr Informationen finden Sie unter: www.paypal.ch

Merchants erschliessen sich mit den sicheren und einfachen Zahlungsarten von PostFinance (PostFinance Card mit der Option Alias ideal für Merchants mit Mit Vertiefungsthema Multikanal Vertriebsmix und PostFinance E-Finance) ein Potential von mehr als 3 Millionen Personen. PostFinance bietet dabei eine Zahlungsgarantie, einen raschen «Umgang mit mächtigen digitalenGutschriftseingang Plattformen» und ein vorteilhaftes Micropayment Pricing. Mehr Informationen finden Sie unter: Mit Vertiefungsthema www.postfinance.ch/e-payment «Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen» SIX Payment Services bietet Händlern innovative Lösungen rund um den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Ob am Point of Sale oder im E-/M- Commerce: Als Marktführerin in der Schweiz, in Österreich und in Luxembourg unterstützt SIX ihre Kunden bei der Akzeptanz von Kartenzahlungen und bietet eine breite Palette an Zahlterminals sowie massgeschneiderte Omni-Channel-Lösungen. Mit über 1‘100 Mitarbeitenden an 10 internationalen Standorten betreut SIX Kunden aus 33 Ländern. Mehr Informationen finden Sie unter: www.six-payment-services.com

UBS ist einer der führenden Kreditkartenherausgeber auf dem Schweizer Markt. Seinen Kunden bietet UBS ein vielseitiges Kreditkarten-Sortiment an. Dazu zählen attraktive Zusatzleistungen, ein professioneller Kundenservice und langjähriges Know-how. UBS investiert laufend in die Sicherheit und Technologie ihrer Kartenprodukte. Verlässlichkeit, Diskretion und Vertrauen sind zentrale Pfeiler des Kartenangebots von UBS. Mehr Informationen finden Sie unter: www.ubs.com/karten

Unic ist ein europaweit führender Anbieter von integrierten E-Business-Lösungen. Gemeinsam mit unseren Kunden identifizieren und nutzen wir die strategischen Chancen in der digitalen Welt, um eine durchgängige Customer Journey mit einem einzigartigen Erlebnis zu schaffen. Ausgewählte Kunden sind Audi, Credit Suisse, Die Schweizerische Post, Jungfraubahnen, Coop und SBB. Mehr Informationen finden Sie unter: www.unic.com

Der VSV ASVAD ist der grösste Schweizer Verband für Online-Händler und vereint über 300 Online-Shops. Die Mitglieder des Verbandes generieren gegen 30 % des Paketvolumens der Schweizerischen Post und rund 60 % des B2C-Online-Handels- volumens in der Schweiz. Der Verband schliesst für seine Mitglieder vorteilhafte Rahmenverträge mit Dienstleistern ab, fördert die Kooperation unter den Mitgliedern und nimmt die politischen Interessen der Online-Händler in der Schweiz wahr. Der VSV ASVAD bringt jeden Online-Händler weiter! Mehr Informationen finden Sie unter: www.vsv.ch

IV Träger der Studie

Träger der Studie

Diese Studienreihe wird vom Team des Kompetenzschwerpunkts E-Business an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW durchgeführt. Das Team hat seit vielen Jahren Erfahrung mit der Durchführung von Studien und mit der Moderation von firmenübergreifenden Fachgruppen. Beim E-Commerce Report Schweiz ist die Hochschule um die vertrauliche Handhabung der Informationen der einzelnen Teilnehmer besorgt. Das Studienkonzept fokussiert auf firmenübergreifend gültige Aussagen zur Entwicklung des B2C-E-Commerce in der Schweiz. Es sieht vor, dass die Einzelaussagen der Studienteilnehmer so verdichtet werden, dass die individuellen Infor- mationen vertraulich bleiben. Davon ausgenommen sind öffentlich zugängliche Informationen und von den Gesprächs- partnern freigegebene Inhalte, z.B. in Form von Zitaten.

Der Kompetenzschwerpunkt E-Business ist Teil des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Es erfüllt die Leistungsaufträge «angewandte Forschung und Entwick- lung», «Dienstleistungen» und «Weiterbildung». Im Vordergrund steht die Perspektive des Managements, das mit der Konzeption und der Realisierung von E-Business-Nutzenpotenzialen betraut ist. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Verzahnung von Strategie, Geschäftsprozessen und Informatik. Das erarbeitete Wissen fliesst in die Lehre ein.

Kontakt: Prof. Ralf Wölfle Leiter Kompetenzschwerpunkt E-Business E-Mail: [email protected]

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Hochschule für Wirtschaft, Peter Merian-Strasse 86, CH-4002 , Tel. +41 61 279 17 55 www.fhnw.ch/iwi/e-business

Auftraggeberin der Studie ist die Datatrans AG in Zürich. Datatrans, der führende Schweizer Spezialist für Internetzahlungen (Payment Service Provider, PSP), möchte mit der Studie mehr öffentliche Aufmerksamkeit für B2C-E-Commerce er- reichen und aktuelle Entwicklungen ins Bewusstsein und in die Diskussion bringen. Datatrans erhält keinen Zugang zu den Originaldaten und Einzelaussagen der Studienteilnehmer.

Kontakt: Urs Kisling Marketing/Strategie E-Mail: [email protected]

Datatrans AG, Kreuzbühlstrasse 26, CH-8008 Zürich, Tel. +41 44 256 81 91 www.datatrans.ch

Weitere Informationen zur Studienreihe: www.e-commerce-report.ch

V E-Commerce Report 2018

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort ...... III Sponsoren ...... IV Träger der Studie ...... V Inhaltsverzeichnis ...... VI Verzeichnis der Studienteilnehmer 2018 ...... VIII Management Summary ...... IX 1 Angespannte Normalität ...... 1 2 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz ...... 2 2.1 Volumen und Marktanteil online bestellter Waren, Anteil ausländischer Anbieter ...... 2 2.2 Quantitative Erwartungen zur E-Commerce-Entwicklung im Jahr 2018 ...... 3 2.3 Investitionen in den E-Commerce ...... 3 2.4 Stellenwert ausländischer Onlineanbieter ...... 4 2.4.1 Amazon ...... 5 2.4.2 Zalando ...... 6 2.4.3 Chinesische Anbieter ...... 7 2.4.4 Google und Facebook ...... 8 2.5 Schweizer Onlinemarktplätze mit Waren ...... 8 2.5.1 Beurteilungen zu siroop ...... 9 2.5.2 Beurteilungen zu Galaxus ...... 9 2.5.3 Beurteilungen zu ricardo.ch ...... 10 3 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel ...... 11 3.1 Einschätzungen zur Entwicklung des stationären Handels ...... 11 3.2 Kanalübergreifende Handelskonzepte von ursprünglich rein stationären Anbietern ...... 13 3.3 Massnahmen des traditionellen Handels im Bereich der Digitalisierung ...... 14 3.4 Versäumnisse und Mangel an Vernetzung ...... 15 3.5 Stationäre Engagements ursprünglich reiner Onlineanbieter ...... 17 3.6 Empfehlungen und Handlungsoptionen ...... 18 4 Logistik als Wettbewerbsvorteil? ...... 21 4.1 Schwindende Distanz ausländischer Anbieter ...... 21 4.1.1 Schweizerische Post in mehrfachem Zielkonflikt ...... 21 4.1.2 Was der Grenzübergang für ausländische Anbieter und für Empfänger bedeutet 23 4.1.3 So läuft ein Verzollungsprozess optimal ab ...... 24 4.1.4 So kann eine Retoure abgewickelt werden ...... 26 4.1.5 Wettbewerbliche Beurteilung der Logistik ausländischer E-Commerce-Anbieter 26 4.2 Wettbewerbsvorteile Schweizer Anbieter aus der Logistik? ...... 27 4.2.1 Das Potenzial Schweizer Anbieter in den drei Logistikbereichen ...... 27 4.2.2 Grenzüberschreitende Angebotserweiterung bei Schweizer Anbietern ...... 29 4.2.3 Neue Beschleunigigung in der Zustellung, Pick-up-Lösungen allerorten ...... 30 4.2.4 Einbezug von stationären Geschäften ...... 32 4.3 Retourenlogistik ...... 32 4.4 Neue Konzepte für Lebensmittel ...... 33 4.5 Fazit: Logistik als Wettbewerbsvorteil? ...... 36

VI Inhaltsverzeichnis

5 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen ...... 39 5.1 Begriff und Merkmale digitaler Plattformen ...... 39 5.1.1 Wichtigste Merkmale in den Augen der Studienteilnehmer ...... 39 5.1.2 Verständnis in diesem Studienbericht ...... 40 5.2 Potenziale von und Kritik an Plattformen ...... 42 5.2.1 Potenziale für Onlineanbieter ...... 42 5.2.2 Kritik der Onlineanbieter ...... 43 5.2.3 Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ...... 45 5.3 Mitmachen oder wegbleiben? ...... 46 5.3.1 Wie sich die Haltungen zu Plattformen veränderten ...... 46 5.3.2 Aktuelle Haltungen der Studienteilnehmer...... 47 5.4 Handlungsoptionen individueller Anbieter ...... 48 5.5 Kooperationen ...... 50 5.5.1 Übernahmen, Fusionen und Beteiligungen ...... 50 5.5.2 Nutzung digitaler Plattformen ...... 51 5.5.3 Selbstbestimmte Kooperationen unter Wettbewerbern ...... 53 5.6 Fazit: Umgang mit digitalen Plattformen ...... 55 6 Bezahlen ohne Klick: Seamless Payment ...... 57 6.1 Seamless Payment: Definition und Merkmale ...... 57 6.2 Ablauf der Bezahlung im Seamless Payment ...... 58 6.3 Seamless Payment in aktuellen Lösungen ...... 59 6.3.1 FAIRTIQ ...... 60 6.3.2 ZVV Tickets ...... 61 6.3.3 Uber ...... 61 6.3.4 go! So einfach geht Taxi ...... 62 6.3.5 Amazon Go ...... 62 6.4 Fazit: Seamless Payment ...... 63 7 Fortschreitende Transformation im Handel ...... 64 7.1 Transformation im Zugang zu Kunden ...... 65 7.2 Transformation im Angebot ...... 66 7.3 Transformation in der Logistik ...... 66 7.4 Transformation in der Bezahlung ...... 67 7.5 Fazit: Fortschreitende Transformation im Handel ...... 68 8 B2C-E-Commerce in den einzelnen Unternehmen ...... 69 8.1 Umsatzentwicklung in den Unternehmen ...... 69 8.2 Planungen für 2018 ...... 70 9 Erwartungen für die Zukunft – für das Jahr 2023 ...... 71 10 Zeitreise durch den E-Commerce ...... 74 10.1 Pragmatik und neue Technologien treiben den E-Commerce ...... 74 10.2 E-Commerces im Wechselspiel mit dem stationären Handel ...... 74 10.3 Kritischster Erfolgsfaktor im E-Commerce: Zugang zum Kunden ...... 76 11 Studiendesign ...... 77 Anhang: Aufbau der Interviews ...... 80 Autoren ...... 81 Anmerkungen und Quellen ...... 82

VII E-Commerce Report 2018

Verzeichnis der Studienteilnehmer 2018

Tab. 1: Mitglieder des Studienpanels zum E-Commerce Report Schweiz 2018

Unternehmen Person, Funktion

Bedfinder AG Katja Altmann-Renner, CEO Beliani GmbH Stephan Widmer, CEO BLACKSOCKS SA Samy Liechti, CEO BRACK.CH AG Markus Mahler, CEO CeDe-Shop AG Philippe Stuker, Geschäftsführer coop@home (Coop Genossenschaft) Philippe Huwyler, Leiter coop@home DeinDeal AG Allen Krief, CEO digitec.ch (Digitec Galaxus AG) Florian Teuteberg, CEO eBay International AG Malgorzata Gliszczynska, General Manager Central Europe Ex Libris AG Daniel Röthlin, CEO Farmy AG Tobias Schubert, Co-Geschäftsführer und Gründer Flaschenpost Services AG Dominic Blaesi, CEO und Mitgründer galaxus.ch (Digitec Galaxus AG) Florian Teuteberg, CEO Geschenkidee.ch GmbH Maud Hoffmann, Managing Director Google GmbH Gregor Doser, Industry Leader Google Switzerland hotelleriesuisse Thomas Allemann, Leiter Mitglieder Hotelplan Suisse (MTCH AG) Nicole Pfammatter, Director Dyna & Package Ifolor AG Sven Betzold, Head of Mobile Interdiscount (Division der Coop) Pierre Wenger, Leiter Division Interdiscount KOALA.CH (Chaussures Aeschbach SA) Matthias Fröhlicher, Director La Redoute Suisse SA Laurent Garet, CEO Le Shop SA Urs Schumacher, CEO Möbel Pfister AG Marcel Schaniel, Leiter Digital Business & Corporate Development Nespresso Suisse Nathan Lauber, B2C Commercial & E-Commerce Manager Orell Füssli Thalia AG Pascal Schneebeli, CEO PCP.COM Gruppe (PCP.CH AG) Lorenz Weber, CEO ricardo.ch AG Francesco Vass, CEO ricardo.ch AG Schweizerische Bundesbahnen SBB Christof Zogg, Leiter Digital Business Dr. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz AG Chief Business Development Officer Ringier Marketplaces Siroop AG Dr. Constantin Hilt, CEO Swiss International Air Lines AG Sebastian Riedle, Senior Director Online Sales Lufthansa Hub Airlines Switzerland Travel Centre AG Michael Maeder, Geschäftsführer TUI Suisse Ltd. Erich Mühlemann, Managing Director Marketing/Distribution Victorinox AG Dr. Kilian Eyholzer, Director Global E-Commerce Zalando SE Linus Glaser, General Manager DACH Gast

Alexander Graf, Herausgeber des E-Commerce-Blogs Kassenzone.de

VIII Management Summary

Management Summary

Der E-Commerce Report Schweiz ist eine Studienreihe neralistische Handelsunternehmen. Das bestehende Leis- über die Entwicklung von Geschäftskonzepten für Pro- tungsniveau wird immer noch weiter ausgebaut, ebenso dukt- und Dienstleistungsverkäufe an private Konsumen- wie die Erwartungen der Konsumenten. Auch die Struktu- ten unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes ver- ren in der Distribution verändern sich: Aus linearen Distri- netzter Informationstechnologie. Dieser Bericht ist das butionsketten mit stabilen Rollen und Geschäftsbezie- Ergebnis der zehnten Durchführung einer umfassenden hungen werden multilaterale Distributionssysteme. Erhebung bei 35 in der Schweiz potenziell marktprägen- den E-Commerce-Anbietern (Tab. 1). Die Ergebnisse wer- Die zunehmende Bedeutung von Plattformen zeigt sich den überwiegend aus den Aussagen der Experten abgelei- auch in Dienstleistungsbranchen. Weil sich Dienstleistun- tet, Kapitel 11 beschreibt die Methodik im Detail. gen gut in der IT abbilden lassen, z.B. durch ein digitales Ticket, lassen sich technologiebasierte Vereinfachungen Angespannte Normalität von Abläufen leichter realisieren. Ein aktuelles Beispiel sind neue App-basierte Lösungen für Seamless Payment. Von aussen betrachtet war das Jahr 2017 ein gewöhnli- ches, gutes E-Commerce-Jahr: Schweizer Konsumenten 2017 wird erkennbar, dass grosse Internetplayer ihre bestellten im Vergleich zum Vorjahr 10 % mehr Waren im Kompetenzen auch in den stationären Handel einbringen Internet. Zu denken gibt allerdings, dass das Wachstum werden. In Bezug auf die in Ladengeschäften vorhandene zu 38 % bei ausländischen Anbietern anfällt. Ihr Anteil am Ware und deren logistisches Potenzial für Bestellungen Schweizer E-Commerce hat die Schwelle von einem Fünf- aus der Nähe, in Bezug auf Kundenidentifikation, Daten- tel überschritten. In den letzten fünf Jahren lag das generierung und Zahlungsabwicklung blieben traditio- Wachstum der ausländischen Anbieter mehr als drei Mal nelle Handelsunternehmen bisher in sich geschlossen. so hoch wie das der schweizerischen. Da sind es keine gu- Aber das wird sich ändern. In der Logistik droht, dass aus- ten Nachrichten, wenn Amazon seine Exportprozesse in ländische Anbieter als erste die Potenziale aus lokaler die Schweiz beschleunigt oder wenn die chinesischen An- Nähe für sich erschliessen. Die bisherigen Erfolge der Di- bieter JD.com und Alibaba Milliarden in den Aufbau ihrer gitalisierungsmassnahmen des traditionellen Handels Logistiknetze für Europa investieren. sind ohnehin ernüchternd. Nur wenige Unternehmen sind Teil einer vielfältig vernetzten Handelswelt geworden. Die Transformation steht erst am Anfang Die Betonung der kritischen Aspekte in dieser Zusam- Es sind indes keineswegs allein die globalen ökonomi- menfassung entspricht dem Stimmungsumschwung im schen Verschiebungen, die Kummer bereiten. Die zuneh- Studienpanel. Dabei geht zunächst alles weiter wie bis- mende Verlagerung von Nachfrage weg von individuellen her: der stationäre Handel wird weiter darben, eine statt- Anbietern hin zu digitalen Plattformen bewirkt für die An- liche Zahl Schweizer Onlineanbieter wird weiter wachsen, bieter einen Kontrollverlust, vor allem beim Zugang zu der Zugang zu Kunden verlagert sich weiter zu digitalen Kunden. Damit verbunden ist ein Verlust an Wertschöp- Plattformen, in der Top-Ten-Liste des Schweizer E-Com- fungstiefe – die Entbündelung des klassischen Wert- merce werden immer weniger Schweizer Anbieter einen schöpfungsbündels des Handels schreitet weiter voran: guten Platz finden. Die Studienteilnehmer befürchten ein Spezialisierte Technologieunternehmen übertreffen ge- Zurückfallen im sich öffnenden Markt.

Abb. 1: E-Commerce in der Schweiz im Jahr 2018: Zurückfallen im sich öffnenden Markt

Verlagerung zu mächtigen Geringere Kundenorien- digitalen Plattformen Innovationsführerschaft tierung Schweizer Anbieter ausländischer Anbieter

Ungenügende Einbindung sta- Weniger Investitionen tionärer Geschäfte ins Internet wegen kleinem Markt Zurückfallen im sich öffnenden Markt Ungenügender Einfluss Festhalten an linearen auf die Zustelllogistik Vertriebsstrukturen

Chinesische Anbieter Grosse europäische Versen- drängen nach Europa Einfuhrsteuervorteil für der drängen in die Schweiz ausländische Anbieter

IX E-Commerce Report 2018

Begriff E-Commerce Schweizer Onlinemarktplätze mit Waren

Kunden nutzen je nach Situation stationäre Geschäfte, Galaxus und siroop haben 2017 mit für Schweizer Verhält- Desktops oder mobile Endgeräte. Anbieter kombinieren nisse riesigem Einsatz ihre Positionierung vorangetrie- On- und Offlinekanäle. In dieser Situation muss das Ver- ben. siroop hat das Rennen zwischenzeitlich aufgegeben, ständnis des Begriffs E-Commerce geklärt werden. was nach den Beurteilungen der Studienteilnehmer eine plausible Entscheidung ist. Galaxus baut seinen Sorti- Für diese Studienreihe wird ein sehr weit gehendes Ver- mentsumfang durch eine behutsame Transformation von ständnis herangezogen: E-Commerce ist die Unterstützung einem hybriden Anbieter in einen Onlinemarktplatz in der Beziehungen und Prozesse eines Unternehmens zu sei- grossen Sprüngen aus. Vorbildlich ist, den Wachstums- nen Kunden durch vernetzte Informationstechnologie. kurs durch eine Expansion nach Deutschland zu unterstüt- E-Commerce kann eine oder mehrere Transaktionsphasen zen. Mit der internationalen Ausrichtung hat Digitec-Ga- umfassen [1]. Die Kauftransaktion im engeren Sinn muss laxus Zugang zu den Sortimenten und Einkaufskonditio- nach diesem Verständnis nicht zwingend auf elektroni- nen des europäischen Binnenmarktes. Indem gleichzeitig schem Weg erfolgen. Es reicht aus, wenn die vernetzte In- die Grundlagen für eine schnelle und automatisierte Ver- formationstechnologie einen relevanten Beitrag zum Zu- zollung und Einfuhr in die Schweiz in eigener Regie ge- standekommen einer Transaktion leistet. Dieses sehr weit schaffen werden, kann Digitec Galaxus Nachteile eines gehende Verständnis von E-Commerce eignet sich für die Schweizer Unternehmens kompensieren. Entwicklung von Geschäftskonzepten, in denen ein An- bieter die Beziehung zu seinen Kunden punktuell oder Perspektiven für den Schweizer Einzelhandel umfassend mit IT-basierten Services operationalisieren möchte. Es eignet sich nicht zur Zuordnung von Umsät- Trotz der guten makroökonomischen Rahmenbedingun- zen in einem Multikanalunternehmen. gen beurteilen die Studienteilnehmer die Perspektiven für den stationären Handel in der Schweiz eher pessimistisch. Bei der Zuordnung von Umsätzen orientieren sich die Au- Während beim Supermarktsegment eine anhaltende toren dieser Studie am transaktionsorientierten Ver- Stagnation angenommen wird, werden für den Nonfood- ständnis des Schweizer Bundesamtes für Statistik BFS Handel weitere Umsatzrückgänge erwartet. Da die Händ- [2]. Danach kommt eine Transaktion in dem Moment zu- ler ihre Kosten nicht im gleichen Mass reduzieren können, stande, in dem Käufer und Verkäufer eine rechtlich bin- muss mit weiteren disruptiven Ereignissen wie dem radi- dende Vereinbarung treffen. kalen Umbau des Geschäftsmodells von Ex Libris mit der Schliessung von zwei Dritteln seiner Filialen gerechnet Umsatzentwicklung werden. Die Massnahmen des traditionellen Handels im Bereich der Digitalisierung haben nicht ausgereicht, um Gemessen am Volumen des Schweizer Detailhandels für den Unternehmen eine erfolgversprechende Position in 2017 betrug der Wert der Schweizer Onlinebestellungen der vernetzten Handelswelt zu verschaffen. Meistens 9.6 %. Verglichen mit 2012 legte E-Commerce um gut wurden lediglich die Marktanteilsverluste verlangsamt. 50 % zu. Das Wachstum in Höhe von 10 % im Jahr 2017 fällt zu über einem Drittel ausländischen Anbietern zu. Die Noch immer steht der stationäre Handel weitgehend ab- Erwartungen an deren Entwicklung sind in den vergange- seits der Onlinekanäle, in denen Konsumenten ihre Kau- nen fünf Jahren kontinuierlich gestiegen: 90 % der Be- fentscheidungen zunehmend treffen. Insbesondere hat es fragten gehen auch für die kommenden Jahre von einem der stationäre Einzelhandel versäumt, sein in den Filialen Wachstum des Marktanteils ausländischer Anbieter aus. verfügbares Angebot an Online-Suchprozesse anzuknüp- fen. Die Unternehmen verharren in ihren individualisti- Angstgegner schen Haltungen und glauben, alle Herausforderungen al- Im Hinblick auf die ausländischen Wettbewerber gibt es lein und jedes für sich lösen zu müssen. Derweil droht, drei Kategorien, die Schweizer Anbieter als überlegen ein- dass ihre Bedeutung immer weiter abnimmt. stufen: Amazon als Industry Dominator wird gefürchtet Die zunehmenden Engagements ursprünglich reiner Onli- wegen seiner Fähigkeit, Märkte zu dominieren und starke neanbieter in stationären Auftritten bedeuten keines- Kundenbindungseffekte zu erzielen. Zalando als Online wegs eine Bestätigung bisheriger Konzepte von Ladenge- Category Killer wird bewundert für seine kompromisslose schäften. Es sind keine Omnichannel-Konzepte im Ver- Ausrichtung am Kundennutzen und den nicht für möglich ständnis des stationären Handels, sondern Servicestellen, gehaltenen Marktanteil, der in kurzer Zeit in der Schweiz an denen die Technologieanbieter ihre Marke erlebbar errungen wurde. Chinesischen Anbietern steht man mit machen. Die kleineren Flächen werden intensiver bewirt- Ratlosigkeit gegenüber, da ihr Preisniveau jenseits jegli- schaftet. Die operativen Prozesse im Tagesgeschäft wer- cher ökonomischer Realität in der Schweiz liegt und sie den digital gesteuert, haben einen hohem Automatisie- durch marktverzerrende Begleitumstände begünstigt rungsgrad und generieren umfassend Daten. werden.

X Management Summary

Logistik als Wettbewerbsvorteil? tion mit der Bereitschaft zum Rückzug. Wettbewerber auf der Plattform sollten sich in dieser Hinsicht auch als Ver- Für grosse, zeitgemäss professionell arbeitende ausländi- bündete ansehen. Die wichtigste gemeinsame Mass- sche Onlineanbieter ist der grenzüberschreitende Ver- nahme ist die Schaffung von Transparenz. sand in die Schweiz keine bedeutende Barriere mehr. Trotzdem führen die grösseren Distanzen und die Nacht- Andere Möglichkeiten, um sich gegenüber zu mächtigen ruhe am Zoll und im Lastwagenverkehr dazu, dass die Lie- Playern zu behaupten, bieten sich manchmal in alternati- ferzeit aus Deutschland bei Regelversand häufig mindes- ven Szenarien mit anderen digitalen Plattformen. Erfolg tens ein Tag länger dauert als innerhalb der Schweiz. Wol- in Kooperationen von Wettbewerbern untereinander – len ausländische Versender diesen Nachteil ausgleichen, wie in der Tolino-Allianz für E-Books – wird dagegen von müssen sie auf teurere Liefer- und Zustellformen setzen, den Studienteilnehmern als eine Ausnahme angesehen. z.B. die Gleichtagszustellung innerhalb der Schweiz. Dar- aus ergibt sich das Potenzial eines Wettbewerbsvorteils Fortschreitende Transformation im Handel für Schweizer Anbieter, die sehr schnell liefern können. Der Strukturwandel im Vertrieb von Waren und Dienst- Um dieses Potenzial zu nutzen, investieren die Unterneh- leistungen an Endkonsumenten hält an. Technologiege- men in ihre Intralogistik. Defizite bestehen bei vielen An- triebene Anbieter fokussieren auf einzelne Wertschöp- bietern noch darin, Waren, die sie nicht selbst an ihrem fungsfunktionen, z.B. die Schaffung von Zugängen zu Zentrallager führen, einbeziehen zu können. Indem die Kunden. Sie knüpfen an bestehende Vertriebsstrukturen Zustelllogistik in der grossen Mehrzahl der Fälle an die an, wobei sich die Machtverhältnisse verschieben. Die an- Schweizerische Post ausgelagert wird, entfällt hier jegli- gestammten Anbieter verlieren Marktanteile. Beobachtet che Möglichkeit einer Differenzierung von ausländischen man die Entwicklung neuer Technologien und woran die Wettbewerbern. Es stellt sich die Frage, ob eine Erhöhung führenden Anbieter gerade arbeiten, wird deutlich, dass der Wertschöpfungstiefe in der Logistik – allenfalls in ei- die Transformation weitergehen wird. nem Verbund von Schweizer Unternehmen – zu neuen Wettbewerbsvorteilen führen könnte. Sollten ausländi- Seamless Payment sche Anbieter schneller als schweizerische einen Weg fin- den, in der Schweiz gelagerte Waren in ihr Angebot ein- Einkaufen ohne Bezahlvorgang? Nur Check-in/Check-out zubeziehen, wäre das ein grosser Rückschlag. im öffentlichen Verkehr oder «No lines, no checkout – just grab and go!» wie es bei Amazon Go heisst [3] – so einfach Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen kann E-Commerce sein. Der Check-out-Prozess gilt ohne- hin als Conversion-Killer. Viele Unternehmen arbeiten an Der Trend, dass sich digitale Plattformen mit herausra- seiner Vereinfachung, z.B. mit One-Click-Checkouts. genden Services als priorisierte Anlaufstelle der Konsu- Aber Seamless Payment geht noch weiter und ist die Vo- menten etablieren und sich zwischen Anbieter und Kon- raussetzung für Konzepte wie Frictionless Commerce. sumenten stellen, ist ungebrochen. Anbieter müssen öf- ter für den Zugang zu Kunden bezahlen; es gibt eine Bei Seamless Payment reicht es aus, eine Handlung als Machtverschiebung hin zu den Plattformen. Damit ist die eindeutige Willenserklärung für den kostenpflichtigen Be- kritische Haltung individueller Anbieter gegenüber Platt- zug einer Leistung feststellen zu können. Das muss ein- formen bereits grundsätzlich angelegt. Andererseits sind malig zwischen Anbieter und Kunde vereinbart werden. digitale Plattformen Integratoren und können einem An- Es wird festgelegt, wie die Identifikation erfolgt, was auch bieter eine grosse Reichweite bescheren. Es ist anzuneh- über ein persönliches Gerät wie das Smartphone oder das men, dass Geschäfte mit eigenen Kunden für die Anbieter Auto möglich ist. Ausserdem wird ein Zahlungsverfahren immer weniger selbstverständlich sein werden. Sie wer- hinterlegt. Fortan kann der Kunde Leistungen in Anspruch den eigene und fremde Kunden bedienen. Die Entschei- nehmen oder Waren beziehen, ohne nochmals Handlun- dung kann nach Make-or-Buy-Gesichtspunkten für den gen für die Bezahlung vornehmen zu müssen. Zugang zu Kunden gefällt werden. Die Bezahlung wird bei Seamless Payment vom Anbieter Das Ziel muss sein, das Potenzial von Plattformen auf die zu einem vereinbarten Termin ausgelöst. Dabei entste- bestmögliche Weise zu nutzen und gleichzeitig Vorkeh- hen zahlreiche neue Servicemöglichkeiten, z.B. die nach- rungen zu treffen, um eine zu hohe Abhängigkeit zu ver- trägliche Feststellung des optimalen Tarifs für die Summe meiden. In der Praxis ist die Zusammenarbeit häufig an- der in Anspruch genommenen Leistungen. spruchsvoll, nicht zuletzt, weil deren Geschäftsmodelle oft sehr einseitig auf die Konsumenten ausgerichtet sind. Seamless Payment wird meistens in Verbindung mit einer App realisiert. Das eröffnet weitere Möglichkeiten für eine Um in einer plattformdominierten Branche ihre Interes- individualisierte Ansprache und Bedienung der Kunden. sen zu wahren, bleibt individuellen Anbietern lediglich Für diese wird der Leistungsbezug immer komfortabler, eine smarte, nutzenorientierte Einstellung in Kombina- die Lösungen können seinen Alltag spürbar erleichtern.

XI E-Commerce Report 2018

E- und M-Payment Lösungen. Payment-Processing für den Online-Handel. State of the art.

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XII Angespannte Normalität

1 Angespannte Normalität

Zentral gelegen und in alle Richtungen bestens vernetzt ren ist mit einem besonderen Logistikaufwand verbun- liegt die Schweiz mitten in Europa – ohne vollkommen den (Kapitel 4.1). Inwieweit Schweizer Anbieter in der Lo- dazuzugehören. Zum Ärgernis der Konsumenten, die die gistik einen Wettbewerbsvorteil ausspielen können, be- Hochpreisinsel beklagen, zur Schonung der heimischen leuchtet Kapitel 4.2. Als diesjähriges Schwerpunktthema Wirtschaft. Wie ein sanfter Deich umhegt die Grenze der wird in Kapitel 5 der Umgang mit mächtigen digitalen Eidgenossenschaft die Schweizer E-Commerce-Land- Plattformen behandelt. Auch von ihnen geht eine weiter schaft. Ein Vergleich mit einem Biotop ist nicht völlig ab- fortschreitende Transformation im Handel insgesamt wegig. Im geschützten Raum ist in den vergangenen 20 aus (Kapitel 7). Viele Studienteilnehmer haben Zweifel, Jahren ein gut entwickelter Onlinemarkt mit ansehnli- ob Schweizer Anbieter bei den immer weiter steigenden chen jährlichen Wachstumsraten entstanden. Im Unter- Anforderungen mithalten können. Die Studienteilnehmer schied zu den Nachbarländern sind es weit überwiegend befürchten, das zeigen die unten stehenden Zitate, ein nationale Anbieter mit eigenständigen Profilen, die Zurückfallen im sich öffnenden Markt. eine aufgeschlossene Kundschaft bedienen. Das Tempo im E-Commerce ist extrem hoch: die Situationen und Diese Periode neigt sich dem Ende zu. In den Interviews die Anforderungen verändern sich laufend und fordern eine hohe Agilität, Lern- und Anpassungsfähigkeit. fallen Begriffe wie tektonische Veränderungen oder Urs Schumacher, Le Shop Tsunami der Veränderungen. Sie stehen nicht für abrupte Ereignisse im vergangenen Jahr 2017, sondern für die Ku- Mit einer Nischenstrategie kann man ein erfolgreiches Geschäft mulation von Entwicklungen, die 2011 ihren Anfang nah- machen. Den Tsunami der Veränderungen durch eine Plattform men: 2011 war das Jahr, in dem der Euro das erste Mal re- stoppt man so aber nicht. Laurent Garet, La Redoute Suisse gelrecht einbrach, und das Jahr, in dem zalando.ch in der Schweiz startete. Bis 2011 war E-Commerce in der Der stationäre Handel verliert durchschnittlich 1 Mrd. CHF Umsatz pro Jahr. Da müssen die grossen Schweizer Detailhandelsunter- Schweiz eine rein nationale Angelegenheit. Seit 2011 baut nehmen was tun. Francesco Vass, ricardo.ch sich eine Welle auf, gegen die der schützende Deich kei- nen nennenswerten Schutz mehr bewirken kann. Ein stationärer Anbieter, der seinen Job gut macht, hat noch lange eine Existenzberechtigung. Aber ein bisschen online machen und Was sich 2017 geändert hat, ist das Umschlagen von bö- hoffen, Stationär kann so bleiben, daran glaube ich nicht. sen Ahnungen, für die man einige Jahre hoffte, dass sie Markus Mahler, BRACK.CH nicht eintreten würden, in eine weitgehende Gewissheit. Reine Hotelvermittlung entwickelt sich bei den Schweizer Touris- Es zeigt sich, dass sich die wirkenden Kräfte nicht ab- musorganisationen rückwärts, egal wie neu die Website ist, wie schwächen, sondern scheinbar unaufhaltsam immer viel Content sie hat und wie gut man sie bewirbt. mehr Macht entfalten. Daraus erwächst mittel- bis lang- Michael Maeder, Switzerland Travel Centre fristig auch für den Schweizer E-Commerce eine Bedro- hung. Was für den stationären Einzelhandel schon seit Das E-Commerce-Wachstum in der Schweiz wird primär aus dem Jahren Realität ist, mutet derzeit im wachstumsverwöhn- Ausland getrieben. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz ten E-Commerce noch surreal an. Die asiatischen Anbieter kommen jetzt auch in die Schweiz und werden eine neue Dynamik bringen. Am weiteren Wachstum des E-Commerce in der Schweiz Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz in den kommenden fünf Jahren zweifelt niemand. Aber dieses Wachstum verlagert sich immer mehr zu äusserst Ich erwarte ein starkes Wachstum chinesischer Anbieter. Sie wer- leistungsfähigen ausländischen Anbietern (Kapitel 2). den einige Schweizer Anbieter verdrängen. Wie sich das auf den stationären Handel auswirkt und wie Kilian Eyholzer, Victorinox wirksam dessen Massnahmen im Bereich der Digitalisie- Die asiatischen Anbieter befinden sich (noch !) in der "Aufwärm- rung sind, behandelt Kapitel 3. Was den Verkauf von Wa- phase", Europa im E-Commerce zu erobern. ren angeht, richtet sich fast alle Aufmerksamkeit auf Maud Hoffmann, Geschenkidee.ch Amazon, Zalando und neuerdings auch auf die chinesi- schen Anbieter. Für ihren Erfolg spielt die Währung eine Wie fast alle Händler müssen auch wir mit weniger Marge auskom- Rolle, aber mindestens genauso wichtig ist ihre Kun- men. Studienteilnehmer denorientierung und der Ausbau ihrer Leistungen. Das Die Kundensegmente, die sehr kostenbewusst sind, haben Schwei- wird am Beispiel von Zalando mehrmals in diesem Bericht zer Anbieter vielleicht schon verloren. aufgegriffen. Der grenzüberschreitende Verkauf von Wa- Francesco Vass, ricardo.ch

1 E-Commerce RepoReportrt 2018

2 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz

2.1 Volumen und Marktanteil online bestellter dischenDer Auslandsanteil Anbietern. Der im AuslandsanteilE-Commerce ist im damit E-Commerce etwa dop- ist Waren, Anteil ausländischer Anbieter damitpelt so etwa hoch dop wiepelt der sojenige hoch der wie Ausgaben derjenige imder p Ausgabenhysischen imEinkaufstourismus physischen Einkaufstourismus im Vergleich zu im den Vergleich Umsätzen zu desden sta- ge- Auf 8.6 Mrd. CHF beziffern der Verband des Schweizeri- samtentionären Detailhandelsu Handels in dermsätzen Schweiz in[6 der]. Schweiz [6]. schen Versandhandels VSV und GfK Switzerland den Wert dderer 20172017 im Online- und Distanzhandel bestellten Gegenüber 2012, das heisst in einem Zeitraum von fünf Waren mit Empfängeradresse in der Schweiz [4]. Auf wei- Jahren, ist das Volumen der Schweizer E-Commerce-Aus- tere 250 Mio. CHF wird der Wert der Onlinebestellungen gaben im Ausland um etwa 160 % gestiegen [7, 8]. Im geschätzt, die Schweizer von ausländischen Anbietern an gleichen Zeitraum haben die Umsätze der Schweizer eine grenznahe Abholstation senden lassen uundnd sselbstelbst in B2C-Online- und Distanzhändler lediglich um 47 % zuge- die Schweiz einführen. Die insgesamt 8.85 Mrd. CHF lie- legt. Das E-Commerce-Volumen über alle Anbieter wuchs gen umum 10 10 % % über über dem dem entsprechenden entsprechendenVorjahreswert. Vorjahreswert. Im in diesen fünf Jahren um 53 %. Die Entwicklung zeigt, dass ImVergleich Vergleich zu zudem dem von von der der GfK GfK für für 201 20177 geschätztegeschätztenn Ge- ausländische Anbieter stark überproportional am samtvolumen des Detailhandels in der Schweiz in Höhe E-Commerce-Boom in der Schweiz profitieren und sub- von 91.9 Mrd. CHF, beträgt der WertWert der Onlinebestellun- stanziell Marktanteile gewinnen. gen im In- und Ausland 9.6 % [5]. Je nach Branche variiert der Wert zwischen 2 % und rund 30 %. E-Commerce wächst in der Schweiz hauptsächlich wegen der aus- ländischen Anbieter. Allen Krief, DeinDeal In den genannten 8.85 Mrd. CHF sind Bestellungen in Höhe von 1.85 Mrd. CHF bei ausländischen Anbietern Was die Einschätzungen des Studienpanels zum Wachs- enthalten, Lieferungen an grenzgrenznahnahee Abholstationen ein- tum des E-Commerce in der Schweiz angeht, zeigen die geschlossen. Damit liegt der Wert für 2017 um 19.4 % Zahlen über den Fünfjahreszeitraum auch, dass die Teil- über demdem desdes Vorjahres Vorjahres. .Mit Mit 2 12 %1 % geh geht gutt zwischenzeitlich ein Fünftel der nehmer im Jahr 2012 das Wachstum für die bevorste- gutSchweizer ein Fünftel Onlinea derusgaben Schweizer zu Onlinea ausländischenusgaben Anbietern zu auslän-. hende Fünfjahresperiode leicht überschätzt haben [9].

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2 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz

Vergleicht man die von VSV/GfK vorgelegten Zahlen mit siroop, die für Gesprächsstoff sorgen. Die Einschätzun- der Entwicklung in Deutschland, so wuchs der E-Com- gen dazu sind sehr unterschiedlich. Einige Personen sind merce mit Waren dort fast gleich wie in der Schweiz, näm- sich bewusst, dass selbst solch hohe Investitionen im in- lich um 10.5 % auf 48.9 Mrd. EUR. Dies geht aus Zahlen ternationalen Massstab keineswegs herausstechen, se- hervor, die der Handelsverband Deutschland HDE für hen andererseits aber die Limitierungen des Schweizer 2017 publizierte [10]. Auch der Marktanteil des E-Com- Marktes und machen ein Fragezeichen, ob diese Investiti- merce mit Waren ist bei unserem nördlichen Nachbarn onen jemals amortisiert werden können. Andere sehen mit 9.5 % praktisch identisch. Ein wesentlicher Unter- solche Projekte als Teil der Transformation der Grossver- schied besteht allerdings darin, dass der deutsche Einzel- teiler oder als weit über fünf Jahre hinaus andauerende In- handel insgesamt im Jahr 2017 einen Umsatzzuwachs von vestionsphasen in neue Geschäftsmodelle. Klassische rund 4 % erzielte [11], während der Schweizer Detailhan- Rentabilitätsmassstäbe seien für solche Projekte kein ge- del seit 2010 rückläufig ist und auch 2017 das Vorjahresni- eignetes Beurteilungskriterium. veau nicht ganz erreichte. Wie in der Schweiz sind auch im deutschen Onlinehandel Consumer Electronics und Abb. 3: Investitionen in den E-Commerce in der Branche Fashion die mit Abstand erfolgreichsten Branchen. Das Supermarktsegment liegt wie in der Schweiz abgeschla- 20 gen ganz hinten [11]. Beim Vergleich der Werte muss al- n=31 22 lerdings beachtet werden, dass die Erhebungsverfahren 15 16 unterschiedlich sind. 10

2.2 Quantitative Erwartungen zur E-Commerce- 5 5 6 2 6 Entwicklung im Jahr 2018 1 4 0 stimme stimme eher stimme stimme Für das laufende Jahr 2018 erwarten die Studienteilneh- nicht zu nicht zu eher zu voll zu In unserer Branche wird weiterhin massiv in den mer wiederum ein erhebliches Wachstum der E-Com- E-Commerce investiert. merce-Umsätze in ihrer Branche (Abb. 2). Einzige Aus- In unserer Branche werden viele Investitionen in den E-Commerce nicht amortisiert werden können. nahme ist der Medienhandel, in dem zwei der drei Stu- dienteilnehmer davon ausgehen, dass mit dem sinkenden Unsicherheiten in Bezug auf die Sinnhaftigkeit grosser In- Gesamtmarkt auch die E-Commerce-Umsätze sinken. Die vestitionen bestehen vor allem bei Vorhaben, in denen es branchenübergreifenden Wachstumserwartungen liegen 2018 wie bereits 2017 höher als in den Jahren davor. um die Etablierung neuer starker Player oder um neue Geschäftsmodelle geht. Das zeigt sich in den Interviews E-Commerce wird auch dieses Jahr in der Reisebranche erheblich branchenübergreifend und z.B. auch in der Reisebranche steigen. Erich Mühlemann, TUI Schweiz oder im öffentlichen Verkehr.

Abb. 2: E-Commerce-Umsatzerwartungen für die Branche In Deutschland wird mehr in den E-Commerce investiert als in der Schweiz. Gregor Doser, Google Switzerland 20 sinken n=33 Die Online-Marktplätze in der Schweiz werden schon wachsen, 16 gleich bleiben aber nicht im Verhältnis zu den Investitionen. 21 Studienteilnehmer etwas steigen 12 (bis 5%) Amazons Investitionen gehen in einer 10-Jahres-Perspektive auf, erheblich steigen aber bei vielen nationalen Playern rechnen sich die Investitionen 8 (5% bis 15%) kaum. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz

4 stark steigen 5 5 (15% oder mehr) In unserer Branche weiss man heute, welche Investitionen in den 2 0 E-Commerce man amortisieren kann und welche nicht. 0 Daniel Röthlin, Ex Libris Wie wird sich der E-Commerce-Umsatz © 2018 in Ihrer Branche 2018 entwickeln? FHNW In Branchen, in denen derzeit keine derartig grundlegen- den Ambitionen verfolgt werden, wird ebenfalls inves- 2.3 Investitionen in den E-Commerce tiert. Dort sind die Studienteilnehmer aber der Meinung, zwischenzeitlich beurteilen zu können, welche Die Wachstumserwartungen gehen einher mit einer ho- Massnahmen im E-Commerce sich rechnen und welche hen Investitionstätigkeit (Abb. 3). Dabei kommt es immer nicht. wieder zu Diskussionen über die bei einzelnen Projekten als extrem hoch beurteilten Investitionen. Im ersten Quar- tal 2018 sind es vor allem die Investitionen in Galaxus und

3 E‐Commerce Report 2018

Eine sehr gute Zusammenfassung des Investitionsdilem‐ dieses Jahrhunderts durchschnittlich etwa 1.50 CHF kos‐ mas Schweizer Anbieter äussert Zalando‐DACH‐Chef Li‐ tete, wertete er infolge der globalen Finanzkrise ab und nus Glaser. Er hat für Schweizer Anbieter die Herausfor‐ brach 2011 regelrecht ein. Das spiegelt sich in den Be‐ derung vor Augen, dass man eine gewisse Grösse braucht, obachtungen des E‐Commerce Reports wieder: Während um die Investitionen in Infrastruktur, Technologie usw. in den ersten Ausgaben der Studienreihe lediglich die rechtfertigen zu können. Gleichzeitig sei einem Schweizer E‐Commerce‐Engagements Schweizer Anbieter im Aus‐ Händler die Option Internationalisierung aufgrund von land thematisiert und der Schweizer E‐Commerce‐Markt Zoll‐ und rechtlichen Hürden in der Praxis oftmals er‐ noch als weitgehend abgeschottet angesehen wurde, schwert. Dadurch sei der Schritt, online zu gehen, für ei‐ zeigte sich in der Reisebranche bereits 2011, dass Schwei‐ nen Schweizer Anbieter herausfordernder als für einen zer Reisende begannen, ihre Reisen in grösserem Umfang EU‐Anbieter, der selbst schon einen grösseren Heim‐ im Ausland zu buchen. Zwar entschied die Schweizerische markt hat und auch schneller ins Ausland expandieren Nationalbank noch 2011, den Kurs des Frankens an der könne. Die Schlussfolgerung ist natürlich, dass man als Untergrenze von 1.20 CHF pro Euro zu verteidigen. Aber Schweizer Anbieter unter diesen Umständen umso mehr ausländische Anbieter konnten ab 2011 in der Schweiz um eine Zusammenarbeit mit einer digitalen Plattform wie 25 % höhere Preise erzielen und Schweizer Konsumenten Zalando erwägen sollte. konnten im Euro‐Raum um 20 % günstiger einkaufen. Fortan war die Verlagerung von Kaufkraft zu ausländi‐ 2.4 Stellenwert ausländischer Onlineanbieter schen E‐Commerce‐Anbietern in jedem Bericht dieser Studienreihe ein Thema. In mehreren Ausgaben wurde Hohe Investitionen in den E‐Commerce, hohe Erwartun‐ aufgezeigt, warum Schweizer Anbieter dem nur wenig gen an das Umsatzwachstum im Onlinehandel – könnte entgegenhalten können. Als der Euro im Januar 2015 ein es die Branche nicht auch etwas ruhiger angehen lassen? weiteres Mal einbrach, verschärfte sich die Situation wei‐ Nein, keineswegs. Die Schweizer Akteure sind Getriebene ter. Drei Jahre lang lag der Franken unter 1.10 CHF je Euro, [12, 13] einer Entwicklung, die 2011 ihren Anfang nahm. In erst im Herbst 2017 stieg er wieder über 1.15 CHF. In den den Befragungsergebnissen zeigt sich dies am deutlichs‐ sieben Jahren seit 2011 haben sowohl Konsumenten als ten in den Antworten auf die Frage, wie sich der Marktan‐ auch ausländische Anbieter gelernt, diese Situation für teil ausländischer E‐Commerce‐Anbieter in den nächsten sich zu nutzen. Ab etwa 2015 kann beobachtet werden, Jahren entwickeln wird. Seit 2013 wird diese Frage jährlich dass ausländische Anbieter gezielt Infrastrukturen und wiederholt gestellt; von Jahr zu Jahr sind die Erwartungen Prozesse einrichten, um die grenzüberschreitende Logis‐ für das Wachstum der ausländischen Wettbewerber ge‐ tik zu optimieren. In Kapitel 4.1 wird das im Detail behan‐ stiegen und waren nie so hoch wie derzeit (Abb. 4). Vor delt. fünf Jahren glaubte noch rund die Hälfte der Befragten, Seit der Wechselkursfreigabe durch die Schweizer Nationalbank dass deren Bedeutung stagnieren oder sogar sinken steckt in den Köpfen vieler Leute, im Ausland sei alles billiger, ob‐ würde – 2018 glauben das keine 10 % mehr. Dass die Stu‐ wohl das in unserer Branche oft nicht stimmt. dienteilnehmer mit hohen Wachstumserwartungen rich‐ Markus Kwincz, microspot.ch, ECR 2016 tig lagen, haben die Zahlen in Kapitel 2.1 bereits belegt. Die Herausforderung für die Schweizer Anbieter besteht Abb. 4: Erwartungen zur Entwicklung ausländischer Anbieter dementsprechend darin, ein Preis‐Leistungsverhältnis zu erreichen, das ausländischen Wettbewerbern Paroli bie‐ 15 ten kann. Vor allem die kleineren Anbieter im Studienpa‐ 2013: n=33 nel klagen über die sich kontinuierlich verschärfende 2018: n=31 16 Wettbewerbsintensität. Gelingt es aber, die Differenz 10 13 wieder zu verkleinern, bevor sich neue Einkaufsgewohn‐ 11 12 heiten manifestiert haben, scheinen die Chancen gut zu 5 stehen, Schweizer Konsumenten auch wieder zurückge‐ 6 winnen zu können. 3 0 3 0 Wenn der Preis stimmt, kommen Kunden, die in den letzten Jahren sinken gleich bleiben etwas erheblich wie heute steigen steigen (2% p.a. im Ausland gebucht haben, auch wieder zurück. 2013 2018 (bis 2% p.a.) oder mehr) Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse Wie wird sich der Marktanteil ausländischer E‐Commerce‐ Anbieter in Ihrer Branche in den nächsten Jahren entwickeln? Es ist nur etwa eine Handvoll Unternehmen, die das Po‐ tenzial ausländischer E‐Commerce‐Anbieter verkörpern. Die Entwicklung der Bedeutung ausländischer Anbieter Ihre weitere Entwicklung gilt vielen für die Schweiz als im schweizerischen E‐Commerce zeigt starke Parallelen schicksalhaft. Nachfolgend werden die wichtigsten der zur Entwicklung des Wechselkurses zwischen Schweizer aktuellen Beurteilungen im Studienpanel geschildert. Franken und Euro. Während der Euro im ersten Jahrzehnt

4 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz

2.4.1 Amazon müssen, oder indem sie starke Anreize dafür erhalten, z.B. in Form der Preisunterschiede im Amazon Bookstore. Amazon wird geradezu als Damoklesschwert für den Schweizer Onlinehandel und darüber hinaus angesehen. Der Gewöhnungseffekt, den ein Kundenbindungsprogramm wie Wenn sich Florian Teuteberg, CEO von Digitec Galaxus in Prime mit Medienabo haben kann, wird eine Herausforderung für der Handelszeitung mit «Ich freue mich auf Amazon» zi- Schweizer Händler sein. Studienteilnehmer tieren lässt [14], steht das diametral zu den Empfindun- Amazon GO und der Kauf von Whole Foods werfen eine gen aller anderen Studienteilnehmer, wenn der Name Menge neuer Fragen auf. Inwieweit wird Amazon in den Amazon fällt. stationären Handel eindringen und auch diesen mit Tech- Dafür gibt es viele Gründe: An erster Stelle steht Amazons nologie transformieren können? Werden mit Amazon Go Fähigkeit, einen Markt zu dominieren. Aktuell zeigt das Schlüsselfunktionen in Bezug auf Datengenerierung und zum Beispiel der Online-Monitor 2018 des Handelsver- Zahlungsabwicklung zu Amazon verlagert und stationäre bands Deutschland HDE, indem er ausweist, auf wen das Händler auf eine Art Fulfillment-Dienstleister reduziert? E-Commerce-Wachtum in Deutschland im Jahr 2017 zu- Wird Amazons digitale Assistentin Alexa eines Tages nur rückgeht [15]. Von den 4.7 Mrd. Euro, um die der deutsche noch die Wünsche der Kunden entgegennehmen und Onlinehandel 2017 gewachsen ist, entfallen zwei Drittel dann selbst die Weichen stellen, bei welchen Anbietern auf Amazon: um 2.1 Mrd. Euro wuchsen die Umsätze auf diese Bestellungen platziert werden? Und werden sich dem Marketplace, um 1.1 Mrd. Euro Amazons eigene Anbieter dann in jedem einzelnen Fall im Auktionsverfah- Handelsumsätze. Es gilt als ein Markenzeichen dieses Un- ren um diese Bestellungen bewerben müssen? ternehmens, dass es nach dem Eintritt in einen neuen Markt sehr schnell eine bedeutende Marktstellung er- Amazons Bedeutungsgewinn als Produktsuchmaschine reicht. zu Lasten von Google wird insofern kritisch verfolgt, als dass dies Amazons Rolle als erste Anlaufstelle für Ein- An zweiter Stelle stehen die seit Jahren geführten Speku- käufe aller Art weiter stärkt. lationen, ob und wann Amazon mit welchen Produkten auf welche Weise in die Schweiz kommen wird. Verlaut- Selbst in Nischenmärkten fühlen sich die Studienteilneh- barungen über eine Neuregelung der Import- und Rück- mer nicht sicher, da Amazon ständig in neue Geschäftsfel- nahmeprozesse haben diesen Spekulationen neue Nah- der expandiert und Mechanismen anwendet, die sich an rung gegeben. Wird ein amazon.ch-Shop eröffnet werden anderer Stelle schon bewährt haben. oder ein Filter die in die Schweiz lieferbaren Produkte se- lektieren? Wird Amazon einen hohen Servicelevel für die Amazon ist in USA mit Foto-Finishing gestartet. Prime-Kunden Schweiz dadurch bewirken, dass es sich auf das Eigensor- können ihre Fotos umsonst bei Amazon speichern. timent beschränkt und das Marketplace-Angebot aus- Sven Betzold, ifolor klammert, oder sich sogar auf das Amazon-Prime-Sorti- Das alles heisst natürlich nicht, dass Amazon immer und ment beschränkt? Wird Amazon Lebensmittel in die überall überlegen wäre. Daniel Röthlin von Ex Libris ist Schweiz liefern, als Vorratsbox Pantry oder gar mit Ama- optimistisch, Amazon bei physischen Büchern in der zon Fresh? Niemand weiss es. Limitierungen in der Logis- Schweiz weiter Marktanteile streitig machen zu können. tik, das hat Amazon mehrfach gezeigt, werden nicht ak- zeptiert. Ist der Markt attraktiv genug und die Leistung Wenn Amazon sein Fresh-Angebot in neun US-Staaten wieder auf- der Zustelldienstleister aus Sicht von Amazon nicht be- gibt, zeigt das, dass Lebensmittellieferungen ohne Liefergebühr friedigend, etabliert man solche Dienste eben selbst. und Mindesteinkauf nicht rentabel sein können. Philippe Huwyler, coop@home Wenn Amazon mit einer .ch-Domain käme, würde das eine ge- wichtige, mentale Hürde beseitigen. Im deutschen Handelsblatt konnte man im Februar 2018 Nathan Lauber, Nespresso Suisse lesen, dass Amazon seine Expansion in das lukrative Ge- schäft mit Veranstaltungstickets nach einem zweijähri- Amazon wird mit Fresh in die Schweiz kommen. Die Kaufkraft ist gen Versuch im Testmarkt Grossbritannien offenbar auf- viel zu attraktiv, um das nicht zu tun. Tobias Schubert, Farmy gibt [16]. Dieser Markt wird von Akteuren wie CTS Even- Bewundert und gefürchtet wird Amazons ausserordentli- tim beherrscht, in der Schweiz vertreten durch den Markt- che Fähigkeit zur Kundenbindung. Mit Instrumenten wie führer Ticketcorner. Diese Akteure haben ein Veranstal- dem kostenpflichtigen Kundenbindungsprogramm Ama- tungs-Ökosystem geschaffen, das Amazon den Zugriff zon Prime gelingt es, sich bei vielen Kunden als erste An- auf wichtige Ressourcen verwehren kann [17]. Aus wett- laufstelle für Einkäufe aller Art zu etablieren. Damit ver- bewerbsrechtlicher Sicht sind die Praktiken von CTS bunden ist, dass Amazon auch seine Engagements in der Eventim zwar umstritten, das Beispiel zeigt aber, dass Offlinewelt stets so gestaltet, dass die Kunden identifi- sich Branchen durch geeignete Kooperationsformen ein ziert werden. Entweder, weil sie zwingend die App nutzen Selbstbehauptungspotenzial schaffen können.

5 E-Commerce Report 2018

Und auch Florian Teuteberg mit seiner starken Mann- übergang so gestalten kann, dass er von Kunden nicht schaft und der im Rücken wird zeigen – so bleibt mehr wahrgenommen wird (vgl. Kapitel 4.1.2). aus Schweizer Sicht zu hoffen – dass man sehr wohl neben Amazon bestehen kann. [18] Deswegen läuft Zalando ja so gut, weil es so bequem ist und man von dem Zollproblem nichts mitbekommt. Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe 2.4.2 Zalando Herausragend an Zalando ist, dass sie ihre Servicequali- Amazon wird primär gefürchtet, Zalando wird primär be- tät kontinuierlich weiter ausbauen. Dem Tabubruch von wundert. In welch kurzer Zeit Zalando in der Schweiz eine Gratis-Lieferung und Gratis-Rücksendung folgen weitere, derart starke Marktposition einnehmen konnte, hätte etwa die kostenlose Abholung von Retouren. Davon sich niemand im Studienpanel vorstellen können. Schät- profitieren deutsche Teilnehmer am Kundenbindungs- zungen, etwa im CS Retail Outlook 2018 [19] gehen davon programm Zalando Plus – es ist wohl nur eine Frage der aus, dass Schweizer pro Kopf dreimal so viel Geld bei Zeit, bis es ein solches Angebot auch in der Schweiz geben Zalando ausgeben als Kunden in Deutschland oder Öster- wird. Gerade bei solch teuren Services wird offenbar, dass reich. Aufgrund der ungebrochen positiven Entwicklung sich Zalando nicht scheut, auch einen grossen Aufwand zu ist Zalando der bedeutendste Modehändler in der betreiben, um im Kundenerlebnis spürbare Fortschritte zu Schweiz. Es folgen einige internationale, vertikal inte- erreichen. Denn das mühsame Zurückschicken der Pakete grierte, filialisierte Handelsmarken. Der Schweizer Mode- ist aus Kundensicht eine bedeutende Barriere in Zalandos handel ist abgeschlagen und muss sich wohl bis auf Wei- Geschäftsmodell. Die gleiche Haltung hat Zalando bereits teres damit abfinden. beim Premium-Lieferservice Next Day Evening Delivery bewiesen, der in der Schweiz trotz der Zusatzgebühr sehr Nie zuvor hat es ein deutsches Versandhandelsunternehmen ge- schafft, einen derart grossen Teil seines Umsatzes in der Schweiz gut angenommen wird (vgl. Kapitel 4.1.5). zu machen wie Zalando. Studienteilnehmer Nun sind weitere Schritte zu beobachten: Im Rahmen sei- Zalando hat den Beweis angetreten, dass man aus dem ner Plattformstrategie beginnt Zalando zum einen, bei Ausland ohne Mitarbeitende in der Schweiz den Grenz- stationären Händlern lagernde Artikel in sein Angebot aufzunehmen, was einerseits die Produktverfügbarkeit

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6 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz

erhöht und andererseits auch ein Potenzial für sehr kurz- bereits im E-Commerce Report 2017 behandelt [21], das fristige Lieferungen eröffnet. In einem zweiten Hand- soll hier nicht wiederholt werden. lungsfeld ist Zalando nämlich dabei, ein eigenes Fashion Fulfillment Network für massgeschneiderte Versandpro- Die Kunden wollen zwar immer kürzere Lieferzeiten, aber für einen guten Preis warten sie auch, wie die Bestellungen in Asien zeigen. zesse aufzubauen. Es könnte eines Tages vielleicht ähn- Laurent Garet, La Redoute Suisse lich aussehen wie die von den STEG-Filialen ausgehenden Same-Day-Lieferungen der PCP.COM-Gruppe (vgl. Kapi- Auch im Jahr 2018 ist das starke Wachstum des Sen- tel 4.2.4). dungsaufkommens aus Asien ein Thema. 14 Millionen Kleinpakete kamen 2017 aus Asien in die Schweiz, nach 9 Ich sehe mich nicht berufen, stationären Händlern Ratschläge zu erteilen. Ich glaube aber, dass die Fokussierung auf den Kunden- Mio. im Jahr 2016 und 6 Mio. im Jahr 2015 [22] – jeweils nutzen das Wichtigste ist, online wie offline. eine Steigerung um rund 50 %. Die spottbilligen Ver- Linus Glaser, Zalando kaufspreise resultieren einerseits aus billigen Produkt- preisen und andererseits – aus verwaltungsökonomischen Sehr oft kann man von Experten hören oder lesen, dass Gründen bei Kleinbeträgen – aus der Befreiung von der die Fokussierung auf den Kundennutzen das Wichtigste Einfuhrsteuer und von Zöllen. Hinzu kommen Subventio- sei. Das klingt oft überheblich, denn es ist ja keineswegs nierungen der Lieferungen durch die Volksrepublik China so, dass die traditionellen Anbieter sich nicht auch auf ihre und der Zustellungen nach den Regelungen des Welt- Weise auf den Kundennutzen fokussieren. Im Interview postvereins. Diese äusserst vorteilhaften Rahmenbedin- mit Linus Glaser von Zalando fällt diese Formulierung gungen sind zwar nicht alle dauerhaft; in diesen Jahren auch. Angesichts der Herangehensweise und Massnah- sind sie aber eine hervorragende Unterstützung der chi- men von Zalando wird aber deutlich, dass der Unter- nesischen Anbieter bei ihrem Markteintritt in die westli- schied vor allem in der Konsequenz und der damit verbun- che Welt. Sie laden Kunden ein, Dinge auszuprobieren denen Risikobereitschaft liegt. Auf Konzernebene zeigt und Risiken einzugehen, die sie bei adäquateren Preisni- sich das im laufenden Jahr daran, mit welchem enormen veaus nicht eingehen würden. In dieser Zeit haben die An- Einsatz das Thema Personalisierung als Jahresschwer- bieter Gelegenheit, ihre Kompetenz auszubauen, Lo- punkt vorangetrieben wird. Jeder zehnte Mitarbeitende gistikstrukturen in Europa aufzubauen und ihr Serviceni- bei Zalando arbeitet derzeit an diesem Thema – das sind veau nach und nach zu steigern. Dazu wurden bereits Mil- 600 Personen! Die Ambitionen sind riesig, sie lesen sich im liarden-Investitionen angekündigt: JD.com will den Auf- aktuellen Geschäftsbericht wie folgt: bau seines Logistiknetzes für Europa in Frankreich begin- nen, Alibaba in Bulgarien. Mode ist ein Ausdruck der Persönlichkeit, und unsere Aufgabe bei Zalando ist es, unseren Kunden ein Angebot zu bieten, dass so zu- Die asiatischen Anbieter entwickeln sich Schritt für Schritt über die gänglich, persönlich und relevant wie möglich ist. Die Grössenbe- Stationen Gewöhnung und Leistungsverbesserungen. stimmung spielt bei der Personalisierung eine grosse Rolle und Pierre Wenger, Interdiscount stellt eine der grössten Herausforderungen für Händler – und ins- besondere Online-Händler – dar. Das Sizing Organization Team Bei den asiatischen Anbietern ist die zentrale Frage, wie schnell sie von Zalando versteht, dass es bei der Grössenbestimmung um weit die bestehende Servicelücke schliessen können. mehr geht als nur die Frage, ob ein Kleidungsstück passt oder nicht. Francesco Vass, ricardo.ch Zalando Geschäftsbericht 2017 [20] Asiatische Anbieter gehen dazu über, Produkte in Europa zu la- Zalando will einen personalisierten, komprimierten Zugang zu gern, um kurze Lieferzeiten anbieten zu können. Mode schaffen, wie Spotify zur Musik. Linus Glaser, Zalando Malgorzata Gliszczynska, eBay International

Kein Schweizer Handelsunternehmen hat das Poten- Noch unterscheiden sich die Angebote Schweizer Anbie- zial, in diesen Dimensionen an der Weiterentwicklung sei- ter von Direktbestellungen aus Asien durch ihre Zuverläs- ner E-Commerce-Lösungen zu arbeiten. sigkeit, die Geschwindigkeit der Zustellung sowie Hilfe- stellungen aller Art im Fall von Retouren, Reklamationen 2.4.3 Chinesische Anbieter und in anderen Situationen. Die Waren sind aber nicht sel- ten die gleichen und von daher besteht die Sorge, ob die «Auch bei den chinesischen Anbietern haben wir so eine Differenzierung durch Dienstleistungen auf mittlere Entwicklung, von der man lange nichts wahrnimmt, und und lange Sicht ausreicht, um Schweizer Anbieter im Ge- dann plötzlich bricht der Damm». Diese Aussage von Do- schäft halten zu können. Schon heute ist der Kaufkraftab- minic Blaesi von Flaschenpost passt für viele Beurteilun- fluss nach Asien für einige Anbieter insofern schmerzhaft, gen im Studienpanel. AliExpress, die Shopping-App Wish als in erster Linie Zubehörprodukte betroffen sind. Diese und Überlegungen zur Vorwärtsintegration der Distri- haben zwar jedes für sich gesehen einen niedrigen Preis, butionskette aus dem Ursprungsland China anstelle der die Anbieter generieren an ihnen aber eine vergleichs- Rückwärtsintegration aus den Abnehmermärkten wurden weise hohe Marge.

7 E-Commerce Report 2018

Die bisherige Reduktion der chinesischen Angebote auf neuen Konkurrenzverhältnissen gerechnet werden. Aktu- Gadgets und minderwertige Produkte ist einer Neubeur- ell sieht sich die Job-Cloud-Gruppe, die je hälftig zu Ta- teilung gewichen. Das Bewusstsein für die Grösse, Tech- media und Ringier gehört, solchen Angriffen ausgesetzt. nologiekompetenz, Innovationskraft, Geschwindigkeit Google startete im Mai 2017 sein Angebot für Stellensu- und Mobile-Überlegenheit der neuen Wettbewerber ist chende – die Metasuchmaschine Google for Jobs – in den im Studienpanel gestiegen. Im Bereich mobiler Anwen- USA. Bereits in der Schweiz angekommen ist Facebook dungen werden sie oftmals als weltweit führend angese- Jobs. Stellensuchende können direkt über den Button hen. Ausserdem werde ihr bereits heute hoher Stellen- Jetzt bewerben Kontakt zu einem Inserenten aufnehmen. wert auf westlichen Onlinemarktplätzen wie Amazon häufig unterschätzt, wie Alexander Graf vom Blog Kas- Facebook steigt jetzt in die Classifieds-Marktplätze ein. Die Märkte in diesem Bereich globalisieren sich. senzone.de anmerkt. Durch ihre hohen Börsenbewertun- Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz gen hätten sie zudem ein grosses Finanzierungspoten- zial für den Aufbau neuer Geschäftsfelder oder die Über- Im August 2017 startete zudem der Facebook Market- nahme anderer Unternehmen. place auch in der Schweiz; das ist primär ein Flohmarkt. Das Schalten einer Anzeige ist kostenlos, Facebook ver- Die grossen Unternehmen aus dem Silicon Valley, die den dient allein durch Werbeanzeigen. Facebook wird in die- E-Commerce in der westlichen Welt bisher dominieren, sem Marktsegment als ein potenziell mächtiger Konkur- haben Konkurrenz aus Fernost bekommen – so lässt sich rent wahrgenommen. Das einerseits wegen der enormen die Situation zusammenfassen. Irgendwo dazwischen Reichweite – die meisten Schweizer haben ja bereits ein versuchen sich die Europäer und neben ihnen noch die Facebook-Konto – und andererseits weil Facebook bei der Schweizer Anbieter zu behaupten. Wenn die Entwicklung Nutzung von Benutzerdaten bereits weit fortgeschritten so weitergeht, wird das eine grosse Herausforderung, so ist. Anhand des Verhaltens eines Nutzers und seiner per- der Tenor in der diesjährigen Befragung. sönlichen Situation kann Facebook ihm Produkte und Dienstleistunge zeigen oder empfehlen, die für ihn rele- 2.4.4 Google und Facebook vant sind. Das können traditionelle Onlinemarktplätze nicht so ohne Weiteres machen. Unter den für den Schweizer E-Commerce relevanten ausländischen Playern dürfen auch die zahlreichen indi- Den Marktplatz von Facebook muss man ernst nehmen, vor allem rekt kommerziellen Plattformen nicht vergessen werden. weil Facebook anhand der Benutzerdaten meine Interessen kennt. Francesco Vass, ricardo.ch Ein in mehreren Branchen relevantes Thema ist, ob solche Plattformen in ihrer Rolle als Metasuchmaschinen oder Da sowohl Google als auch Facebook für die Schweizer Produktsuchmaschinen durch Buy-Buttons oder inte- Anbieter auch Dienstleister für die Generierung von Traf- grierte Book-on-Funktionen wie in der Reisebranche zum fic sind, stellt sich hier die Situation ein, dass die Plattfor- Wettbewerber der auf Transaktionen ausgerichteten On- men sowohl Partner als auch Wettbewerber sind. Dieses lineshops oder Marktplätze werden. Gerade in der Reise- Thema wird in Kapitel 5.3.2 ausführlich behandelt. branche ist das seit Jahren eine Gratwanderung. Noch ist die Situation in den meisten Branchen nicht gekippt und 2.5 Schweizer Onlinemarktplätze mit Waren die Beteiligten arbeiten weiterhin in den bestehenden Strukturen zusammen. Auch in der Schweiz hat sich die Aufmerksamkeit von ein- zelnen Onlineshops auf Onlinemarktplätze verlagert. Bei Der grosse Move, dass Google die Welt übernimmt, ist nicht pas- Digitec Galaxus hat sich die Aufmerksamkeit auf Galaxus siert. Michael Maeder, Switzerland Travel Centre verschoben, siroop hat dem stark wachsenden Pure Player microspot.ch die Schau gestohlen. Sowohl siroop Im Gegenteil könnten sich in Bereichen, in denen ein in- als auch Galaxus haben 2017 enorme Investitionen in den tensiver Wettbewerb mit dominierenden Plattformen Markenaufbau getätigt. Allein das hat alle anderen herrscht, informelle Allianzen bilden. Zum Beispiel sehen Schweizer Anbieter in den Schatten gestellt und war im Anbieter von physischen Produkten in Google einen na- Zusammenhang mit der Verhältnismässigkeit der Investi- türlichen Verbündeten im Wettbewerb mit Amazon, da tionen ein Thema in den Interviews. Amazon ja Google dessen Rolle bei der Produktsuche streitig macht. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.5 weiter Zunächst sei hier angemerkt, dass die Interviews zu dieser ausgeführt. Studie abgeschlossen waren, als ab dem 12. April 2018 be- kannt wurde, dass Coop Swisscoms Aktienpaket an siroop Da gerade die an der Börse sehr hoch bewerteten digita- vollständig übernimmt und siroop in der bestehenden len Plattformen immer wieder neue Wege finden müssen, Form zum Jahresende 2018 eingestellt werden soll. um den Wachstumserwartungen gerecht zu werden, muss jederzeit mit neuen Engagements und damit mit

8 B2C-E-Commerce Anfang 2018 in der Schweiz

2.5.1 Beurteilungen zu siroop Trotz alledem wurde mit siroop etwas geschaffen. Es sind wertvolle praktische Erfahrungen für das siroop-Team – Swisscom-Chef Urs Schäppi hatte recht, als er im Sep- das trotz alledem viel geleistet hat –, für die beiden Akti- tember 2016 verlauten liess, es sei ein langer Weg, bis sich onäre und für alle angebundenen Händler. Lernprozesse die Investitionen in siroop auszahlen werden [23]. Bilanz lassen sich bekanntlich nicht abkürzen. Denn die Reise werde in zwei Jahren gezogen, kündigte der Mitaktionär wird für alle Beteiligten weitergehen: für die aufgebauten an – und tat das offensichtlich. Zwei Jahre nach dem offi- Kompetenzen von siroop in einem neuen Anlauf mit ziellen Start von siroop am 9. Mai 2016 hat Swisscom microspot.ch, für Coop in einem noch nicht bekannten, seine Beteiligung bereits wieder abgestossen, siroop wird neuen Versuch, die Schlagkraft der Coop-Gruppe im be- eingestellt werden. Diese Entscheidung erscheint richtig: vorstehenden Wettbewerb mit Amazon zu stärken, für nach zwei Jahren muss man sehen können, ob grundle- die angebundenen Händler in der Suche nach neuen Alli- gende Erfolgsfaktoren geschaffen wurden, die Wirkung anzen, in denen sie sich wahrscheinlich stärker werden entfalten können. engagieren müssen. Swisscoms Engagement und mögli- Digitale Plattformen bewirken eine starke Konzentration. Braucht che Schlussfolgerungen bleiben ein Fragezeichen. es neben den Besten noch einen siroop? Studienteilnehmer 2.5.2 Beurteilungen zu Galaxus

Die Teilnehmer im Studienpanel konnten das nicht erken- Als Beat Zahnd bei Migros die Leitung des Departements nen. Keine der elf Personen, die sich explizit zu den Handel im September 2016 übernahm, war siroop gerade Erfolgsaussichten von siroop äusserten, war wirklich opti- offiziell gestartet. Schon drei Monate später, an seinem mistisch. Die vorherrschende Skepsis basiert vor allem auf ersten öffentlichen Auftritt, gibt er die Expansion von Di- der unscharfen Positionierung am Markt. Welchen Vor- gitec Galaxus bekannt: die Mitarbeiterzahl soll um ein teil würden Konsumenten haben, wenn sie bei siroop an- Viertel auf mehr als 1'000 erhöht werden. «Wenn wir wei- stelle eines anderen Anbieters bestellen würden? «Ich er- terhin die Nr. 1 der Schweiz sein wollen, brauchen wir viel kenne die Strategie nicht, vor allem hinsichtlich einer mehr Ressourcen», lässt er sich zitieren [24]. Es sei das Preis- oder Sortimentsdifferenzierung», formuliert es ei- Ziel, einen sehr grossen Beitrag für die digitale Transfor- ner der Teilnehmer. So kompetitiv, wie der Markt bereits mation der Migros-Gruppe zu leisten – was das bedeutet, war, war es wohl doch zu verwegen, mit einem neu zu bil- ist bis heute noch nicht deutlich geworden. Der Wachs- denden Team, ohne IT-System, ohne Sortiment, ohne tumskurs dagegen lässt sich klar verfolgen. Zwischen- etablierte Lieferantenbeziehungen und ohne Start-up-Er- zeitlich zählt das Unternehmen bereits den Zwischen- fahrung einen Onlinemarktplatz in so kurzer Zeit gleich so stand von 1'100 Mitarbeitenden und im laufenden Jahr gross aus dem Boden stampfen zu wollen. Und es war viel- 2018 soll die Umsatzmilliarde geknackt werden – eine leicht zu idealistisch, gleich dem breiten Schweizer De- Premiere bei einem Schweizer Onlineplayer. Aktuell wird tailhandel einen Weg in die Digitalisierung ebnen zu wol- im Schnellzugtempo das Sortiment ausgebaut, binnen ei- len – das Anbinden vieler zu kleiner und noch zu wenig nem Jahr ist es von 700'000 Artikeln auf 1.8 Mio. Artikel vorbereiteter Anbieter bindet viele Ressourcen und angewachsen [14]. Ein Premium-Bereich wird gerade er- bremst das Tempo. öffnet und die Expansion nach Deutschland steht an. Sie wurde mit entsprechenden Investitionen in die IT und Inf- Die Grundidee von siroop ist, einen Onlinemarktplatz zu bauen, der die ganze Vielfalt der Händlerlandschaft in der Schweiz abbildet. rastrukturen in die Zollabwicklung vorbereitet (vgl. Kapi- Constantin Hilt, siroop, ECR 2016 tel 4.2.2), soll im laufenden Betrieb aber zumindest in der Startphase mit relativ geringer Manpower auskommen. Aus einem Konzern heraus ein tolles Internet-Start-up zu kreieren, Das Wachstumstempo ist derart hoch, dass es eine Her- klappt fast nie. Tobias Schubert, Farmy ausforderung ist, das hohe Qualitätsniveau zu halten.

Swisscom muss sich aber auch fragen lassen, was sie zum Die Positionierung ist klar: Galaxus steht für ein hochwer- Erfolg von siroop im Leistungswettbewerb beigetragen tiges Onlinewarenhaus mit einem grossen Sortiment bei hat. Swisscom war von aussen überhaupt nicht zu sehen. Preisen, die sich an denen der günstigsten Wettbewerber Man hätte sich vorstellen können, dass siroop mit orientieren. Die Differenzierung in der Wahrnehmung Swisscom im Rücken analog Amazon Prime ein der Kunden erfolgt in der Wertigkeit der Präsentation der Streaming-Angebot hätte einbringen können, aber das Produktwelten und der Produkte selbst, in einfach zu- geschah nicht. Auch die Unterstützung der Coop- gänglichem, hochwertigem Content aus der eigenen Re- Gruppe mit ihren zahlreichen Fachhandelsformaten und daktion und von Kunden, die man unter anderem mit Onlineshops wurde als sehr zögerlich wahrgenommen. Gamification-Elementen geschickt einbindet.

Bei Swisscom versteht man das Engagement noch weniger, sie Es ist uns wichtig, dass es auf Galaxus keinen Qualitätsbruch zwi- existieren gar nicht auf siroop. Studienteilnehmer schen eigenen und fremden Produkten gibt. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus

9 E-Commerce Report 2018

Der Unterschied zu siroop könnte grösser kaum sein: Mit Die Marktplatzsituation in der Schweiz hat sich in den letzten Jah- dem Onlinestart im Jahr 2001 hat Digitec Galaxus 17 Jahre ren derart umfassend verändert, dass auch ricardo.ch die Details seiner Ausrichtung neu justieren muss. Erfahrung und war im Markt für Unterhaltungselektronik Francesco Vass, ricardo.ch bereits Online-Marktleader, als Migros 2012 eine Beteili- gung erwarb. Florian Teuteberg als Mitgründer und lang- ricardo.ch ist derweil bei den Schweizern weiterhin eine jähriger CEO prägt die Kultur, verkörpert Technologie- sehr gut etablierte Destination – 2017 war ricardo.ch er- kompetenz, pflegt das «Piratische» und schafft es trotz- neut die Schweizer E-Commerce-Site mit dem meisten dem, die Organisation mitzuziehen und weiterzuentwi- Traffic [25]. Allerdings kann ricardo.ch seit Jahren nicht ckeln. Als Technologiebasis ist das dritte, komplett selbst am E-Commerce-Marktwachstum partizipieren. Für die entwickelte IT-System im Einsatz. Galaxus ist zudem ein Ablösung der gut 15 Jahre alten Legacy-Systeme muss selektiver Onlinemarktplatz: sie wollen aus allen Katego- viel Geld und Energie nach innen gerichtet werden, was rien die Online-Leader auf ihre Plattform holen. Im Mai aber in diesem Jahr zum Abschluss kommen soll – soweit 2018 sind das rund 60 Anbieter, bei siroop waren es 500. man bei der IT überhaupt je von einem Abschluss spre- Galaxus, im Jahr 2010 gegründet, ist keine Hauruck- chen kann. Da sich die Wettbewerbsintensität in den letz- Übung, sondern ein reifes, schnelles Unternehmen mit ei- ten Jahren vor allem im B2C-Markt so stark erhöhte, ent- ner eigenständigen Firmenkultur. schloss sich ricardo.ch, dem C2C-Angebot wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen: Galaxus traue ich zu, dass sie sich als starker Onlinemarktplatz durchsetzen könnten. Studienteilnehmer In den Köpfen der Leute ist Ricardo etwas ganz anderes als Ama- zon. Ricardo hat eine persönliche und eine lokale Komponente. Wir Die Positionierung und die Leistungsfähigkeit von Digitec nennen das Personal Commerce. Galaxus findet auch im Studienpanel breite Anerkennung. Bei Airbnb ist ein privates Zimmer keineswegs zweite Wahl. Wa- «Innovativ, mit einer klaren Positionierung in Form einer rum soll es das beim Verkauf von Gegenständen nicht auch geben? Kombination aus Preisvorteilen und gut gepflegten Inhal- Francesco Vass, ricardo.ch ten», bringt es ein Gesprächspartner auf den Punkt. Mit dem Einstieg in den deutschen Markt wird Digitec Galaxus Personal Commerce in der Vorstellung von ricardo.ch soll das Flagschiff des Schweizer Onlinehandels im interna- sich klar von einem Flohmarkt, wie ihn aktuell Facebook tionalen Wettbewerb. lanciert, unterscheiden. ricardo.ch sieht es als seine Auf- gabe an, Angebot und Nachfrage aktiv aufeinander ab- zustimmen. Um das zu erreichen, werden sowohl private 2.5.3 Beurteilungen zu ricardo.ch als auch professionelle Verkäufer benötigt. Durch die Als Tamedia 2015 die Ricardo-Gruppe für 240 Mio. CHF Kombination kann ricardo.ch ein viel breiteres Sortiment kaufte, war ricardo.ch – von Nischenplayern abgesehen – anbieten als reine B2C-Onlineanbieter. Dazu gehören der einzige Schweizer Onlinemarktplatz und nach Han- Produkte, die es im Handel nicht mehr gibt. «Es gibt fast delsvolumen der grösste Schweizer E-Commerce-Player. alles auf ricardo.ch», so Franceso Vass in einem Interview eBay schien sich mit der Zweitrangigkeit abgefunden zu mit CEtoday, «solange es rechtlich zulässig ist» [26]. haben. Amazon engagierte sich nur halbherzig für die Schweiz. Die grösste Konkurrenz schien von den kosten- Im Studienpanel, das allerdings eine Anbieter- und keine losen Angeboten der Classifieds-Marktplätze auszuge- Konsumentenperspektive einnimt, hat ricardo.ch in den hen. Seither hat sich die Situation fundamental verändert: letzten Jahren an Aufmerksamkeit verloren. Einzelne mit siroop und Galaxus gab es vorübergehend sogar zwei Studienteilnehmer haben die Veränderungen im Erschei- neue, kapitalstarke Schweizer Wettbewerber. Amazon nungsbild der Website bemerkt, andere sind in ihrem In- weitet sein Angebot für die Schweiz bereits seit einiger formationsstand noch bei der Einstellung von ricardo- Zeit markant aus und geht nun auch das Zollproblem ent- shops.ch per Ende 2016. Wegen seiner bekanntermassen schlossen an. Zudem sind die chinesischen Anbieter A- hohen Reichweite wird ricardo.ch aber ernst genommen. liexpress und Wish quasi über Nacht auch in die Schweiz Wenn der Umbau der neuen technischen Plattform und eingebrochen. das Feintuning in der Positionierung in diesem Jahr abge- schlossen werden, könnte für ricardo.ch und die Anbieter auf diesem Marktplatz ein neues Kapitel beginnen.

10 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

3 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

Ein Thema, das die Schweizer Fachwelt im Jahr 2017 über- Wenn also der Wertschöpfungsbeitrag stationärer Ver- raschte, waren die Meldungen über sehr grosse Investiti- kaufspunkte wieder an Bedeutung gewinnt, noch dazu onen der global grössten Onlineanbieter im stationären die konjunkturelle Lage so gut ist wie Anfang 2018 und Handel. So kaufte Amazon im Juni 2017 die amerikani- der Schweizer Franken wieder oberhalb von 1.15 CHF je sche Supermarktkette Whole Foods mit über 450 Filialen Euro liegt – erweisen sich die Sorgen um die Zukunft des und eröffnete im Januar 2018 den ersten öffentlichen stationären Handels dann als übertrieben? Amazon Go Convenience Store. Aus China kommen ähn- liche Meldungen, z.B. Ende 2017 über Alibabas milliar- Die skizzierte Entwicklung wurde zum Anlass genommen, denschweren Kauf von Anteilen an Chinas grösstem Be- in diesem Jahr auch die Situation des stationären Han- treiber von Warenhäusern, Sun Art. JD.com betreibt wie dels in der Schweiz mit den Studienteilnehmern zur dis- Amazon erste Geschäfte ohne Kassen-Check-out. Und kutieren. Von Interesse waren ihre Erwartungen in Bezug TMall eröffnete stationäre Verkaufsstellen für Neuwagen auf die Entwicklung verschiedener Betriebsformen sowie – architektonisch schick gestaltet, aber ohne Personal und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede stationärer Ge- mit Interaktionen ausschliesslich über eine App. schäftskonzepte, je nachdem, ob sie von einem traditio- nellen Anbieter mit einer Historie primär im stationären Auch aus Mitteleuropa gibt es Meldungen zu Offline-En- Handel – in Folgenden einfach Offliner genannt – oder gagements von Onlineplayern, wenn auch mit deutlich von einem ursprünglich reinen Onlineanbieter – nachfol- bescheideneren Ambitionen: Der zur Otto-Gruppe gehö- gend als Onliner bezeichnet – betrieben werden. rende Versender mytoys.de betreibt zwischenzeitlich 17 Filialgeschäfte in Deutschland, Zalando kündigt im Rah- 3.1 Einschätzungen zur Entwicklung des statio- men der Einführung der Beauty-Kategorie für Juni 2018 nären Handels einen Beauty-Store in Berlin Mitte an. In der Schweiz er- öffnete digitec im Juni 2017 in Genf seine zehnte Filiale Den Einstieg bildete die Frage nach der Beurteilung der nach dem selbst entwickelten, schlanken Multifunktions- aktuellen Situation und Perspektive des Handels insge- konzept. Und BRACK.CH begegnet man immer wieder in samt, verbunden mit der Erwartung zur Umsatzentwick- Pop-up-Stores – zur Jahreswende 2017/2018 einige Mo- lung des stationären Handels im Jahr 2018. Abb. 5 zeigt, nate lang an prominenter Lage an der Zürcher Bahn- dass die Studienteilnehmer, der guten Rahmenbedingun- hofstrasse. gen zum Trotz, eine pessimistische Erwartung für die Ent- wicklung des stationären Handels haben. Für den statio- Möglicherweise werden wir dieses Jahr ein Geschäft eröffnen, um nären Handel als Ganzes geht keiner der 25 Antworten- unsere Möbel auszustellen. Laurent Garet, La Redoute Suisse An den seit Jahren anhaltenden Trends ändern die gute Konjunktur Der stationäre Handel wird eher zu einer Ergänzung des Online- und der schwächere Franken nichts. Stephan Widmer, Beliani handels, z.B. in Form von Pop-up- oder Erlebnis-Stores. Malgorzata Gliszczynska, eBay International Die Situation für den stationären Einzelhandel ist wirklich schwer. Allen Krief, DeinDeal Bei Pop-up-Stores sind wir vor allem Opportunitäts-getrieben. Der Standort muss in jedem Fall eine hohe Frequenz haben. Ich denke, dass die Umsätze in stationären Reisebüros dieses Jahr Markus Mahler, BRACK.CH stabil bleiben werden. Erich Mühlemann, TUI Schweiz

Abb. 5: Erwartungen zur Entwicklung des stationären Handels im laufenden Jahr

Die Umsätze im stationären Handel werden 2018 …

branchenübergreifend, im stationären Handel als Ganzes: 9 15 1

Im Food- und Nearfood-Handel: 7 12 6

Im Nonfood-Handel mit Waren: 5 18 2

n = 25 © 2018 FHNW steigen stagnieren sinken weiss nicht

11 E-Commerce Report 2018

den davon aus, dass die Umsätze 2018 steigen werden. Der Wandel von Offline zu Online hat sich noch verstärkt. Der Preis Etwa ein Drittel erwartet einen Umsatzrückgang. Aufge- spielt dabei eine wichtige Rolle. Malgorzata Gliszczynska, eBay International teilt nach Food/Nearfood und Nonfood sehen die Erwar- tungen für das Supermarktsegment insofern etwas bes- Der Nonfood-Markt wird wegen der sinkenden Preise weiter unter ser aus, als Erwartungen zu Umsatzverlusten etwa gleich Druck bleiben. Pierre Wenger, Interdiscount viele Erwartungen zu Umsatzgewinnen gegenüberste- hen. In der Summe bedeutet das in etwa eine Stagnation. Es sind schwierige Zeiten im Schweizer Einzelhandel, nicht nur Für den Nonfood-Bereich dagegen erwarten über zwei beim Umsatz, auch bei den Margen. Matthias Fröhlicher, KOALA Drittel des Studienpanels einen Umsatzrückgang. Das Schwierige im stationären Handel ist, dass man Investitionen In ihren Begründungen sind sich die Studienteilnehmer in- in einen rückläufigen Markt tätigen muss. sofern einig, dass praktisch alle von einem Fortgang der Florian Teuteberg, Digitec Galaxus laufenden Entwicklungen ausgehen, insbesondere von der Verschiebung zu Onlinekanälen. Zwar seien verschie- Pointiert ist die Beurteilung von Alexander Graf, Heraus- dene Marktsegmente unterschiedlich davon betroffen, geber des Blogs Kassenzone.de. Er sieht auf lange Sicht in aber es gebe keine Anzeichen für eine Trendwende. Die einer digitalen Ökonomie wenig Platz für stationäre Bedürfnisse der Kunden und ihr Verhalten änderten sich Handelsgeschäfte in der Art, wie wir sie heute kennen. fortwährend, nicht zuletzt weil das Smartphone eine im- Dieses Handelsformat sei einfach zu teuer, es funktio- mer wichtigere Rolle in Kaufvorgängen einnehme. Die aus niere nur noch in Ausnahmefällen. Digitale Plattformen alten Gewohnheiten stammende Erwartung an den stati- bräuchten viel weniger Marge als der stationäre Handel onären Handel, dass er alle Produkte zur sofortigen Mit- und Kunden suchten den Zugang ohnehin zunehmend auf nahme verfügbar habe, funktioniere angesichts des ver- digitalen Wegen. grösserten Angebots immer weniger. In der Folge änder- ten die Kunden ihre Gewohnheiten und schauten gleich In einer weiteren Frage ging es um die Erwartungen zur online, wo sie die Ware mit Lieferung am nächsten Tag er- Entwicklung verschiedener Vertriebsformen innerhalb halten. Das meist bessere Preis-Leistungsverhältnis aus- der jeweiligen Branche des Studienteilnehmers. Die Be- ländischer Anbieter werde den Trend zu Online verstär- fragten konnten antworten, ob sie erwarten, dass sich die ken und weiteren Preisdruck auslösen, so die Erwartung. Vertriebsformen analog zur Branche entwickeln, unter- oder überdurchschnittlich. Sie konnten auch angeben, ob Die von der Minderheit geäusserte Erwartung steigender eine Vertriebsform in ihrer Branche keine Bedeutung hat Umsätze wird damit begründet, dass der schwächere (Abb. 6). Das Ergebnis zeigt, dass die Befragten den aus- Franken wieder Spielraum für Preiserhöhungen schaffe – ländischen Onlinefachhändlern wie Zalando das grösste ein Ende des Strukturwandels beinhalte das aber nicht. Potenzial für eine überdurchschnittliche Entwicklung zu- trauen. Fast genauso hoch ist die Zuversicht für Schwei- Die gute Konjunktur rettet den stationären Handel nicht, seine zer Onlinewarenhäuser, für die als Beispiele Galaxus und Umsätze werden weiter sinken. Studienteilnehmer BRACK.CH vorgegeben worden waren. Beim Vertriebs- Mit dem starken Euro könnten Preiserhöhungen sukzessive wieder modell Onlinemarktplätze Schweiz mit dem Beispiel möglich werden. Aber der stationäre Handel wird trotzdem weiter siroop ist die Zuversicht niedriger. Bemerkenswert ist, unter Druck kommen. Daniel Röthlin, Ex Libris dass hier sechs Personen mit weiss nicht antworteten. Möglicherweise wurden die Antworten durch den bisheri- Die Vorstellungen darüber, was der Markteintritt von gen Erfolg oder Misserfolg der genannten Beispiele beein- Amazon und der grossen chinesischen Anbieter in den flusst und das Ergebnis wäre anders ausgefallen, wenn nächsten Jahren an Beschleunigung bewirken könnte, Galaxus als Onlinemarktplatz und nicht als Onlinewaren- verunsichern. Das Wachstum des Onlinehandels wird bei haus bezeichnet worden wäre. steigendem Preisdruck weitergehen, allenfalls sogar be- schleunigt (Kapitel 2.2). Dieses Wachstum wird zu weite- Generell fällt auf, dass für alle Vertriebsformen, die den ren Umsatzrückgängen beim stationären Handel führen, Terminus Online im Namen tragen, eine überdurch- der seine Kosten nicht im gleichen Mass senken kann. Ei- schnittliche Entwicklung erwartet wird und für alle ande- gentlich müssten die Unternehmen neue Kompetenzen ren nicht. Das Ergebnis zeigt insbesondere eine starke und Leistungen für die sich digitalisierende Handelswelt Skepsis gegenüber der Zukunft von Warenhäusern. entwickeln und sie müssten investieren, um effizienter zu Die grossen Probleme im Handel kommen erst noch, vor allem bei werden. Aber schon in der aktuellen, immerhin stabilen Warenhäusern habe ich Bedenken. Marktsituation sinken die Margen, was die Umsetzung Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe solcher Vorhaben noch schwieriger macht. Das Warenhaus muss sich ganz neu erfinden. Wer braucht heute noch ein Warenhaus mit 10'000 qm Fläche? Studienteilnehmer

12 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

Abb. 6: Einschätzungen zur Entwicklung verschiedener Vertriebsformen

Innerhalb meiner Branche entwickeln unter- analog über- haben keine weiss sich verschiedene Vertriebsformen folgendermassen: durchschnittlich zur Branche durchschnittlich Bedeutung nicht

Warenhäuser stationär – –

Warenhäuser mit Omnichannel-Konzept – –

Onlinewarenhäuser (z.B. Galaxus*, BRACK.CH) – –

Onlinemarktplätze Schweiz (z.B. siroop) – 6

Onlinemarktplätze Ausland (z.B. Amazon) 2 1

Fachhandel mit Omnichannel-Konzept – 2

Onlinefachhändler Schweiz – (z.B. microspot.ch, Flaschenpost) 1

Onlinefachhändler Ausland (z.B. Zalando) 1 –

* Galaxus wurde Ende 2017 noch als -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 Onlinewarenhaus eingestuft n = 25 Saldo der positiven und negativen Einschätzungen

3.2 Kanalübergreifende Handelskonzepte von ur- neut aufzugreifen, wurden die Befragten mit einer Aus- sprünglich rein stationären Anbietern sage des Amazon-Deutschland-Chefs Ralf Kleber vom Dezember 2017 [47] konfrontiert, in dem dieser sagte, Bei der Frage nach den Einschätzungen zur Vertriebsform Kunden liebten Vielfalt online und im klassischen Handel, Warenhaus wurde zwischen rein stationären Warenhäu- es sei keine Frage des Ob, sondern des Wann, bis Amazon sern und solchen mit Omnichannel-Konzept unterschie- stationäre Geschäfte in Deutschland eröffne. «Ist die den (Abb. 6). Die Erwartung einer unterdurchschnittli- Kombination aus On-und Offlinekanälen die Ultima Ratio chen Entwicklung ist bei rein stationären Warenhäusern im Handel?», so lautete die offene Frage in den Inter- besonders ausgeprägt, bei Warenhäusern mit Omnich- views. annel-Konzept weniger. Interessant sind die im Studien- panel ungewöhnlich kontroversen Meinungen dazu, ob Die 24 Antworten bringen einmal mehr eine grosse Band- Omnichannel-Konzepte die Situation der Warenhäuser breite von Argumenten zutage. Grob zusammengefasst markant verbessern oder nicht. kann man sagen, dass gut die Hälfte der Antworten zu- stimmend ist, etwa ein Drittel nicht zustimmend und der Ich kann nicht erkennen, dass Warenhäuser mit Omnichannel ihre Rest unentschieden. Mehrere Personen widersprechen Situation grundlegend verbessern können. Studienteilnehmer dem Bild einer Ultima Ratio und betonen, dass in Zukunft Ja, es macht definitiv einen Unterschied, ob ein Warenhaus ein weiterhin mit einer grossen Vielfalt unterschiedlicher Ver- Omnichannel-Konzept verfolgt oder nicht. triebskonzepte zu rechnen ist. Von zehn Personen aus tra- Gregor Doser, Google Switzerland ditionellen Unternehmen mit stationären Kanälen ant- worten sieben im Sinne der Ultima Ratio zustimmend, Als stationärer Händler das Paar Schuhe zusätzlich noch in einem eine verneinend und zwei unentschieden. Die beiden Un- Onlineshop anbieten? Da hat man keine Chance. Studienteilnehmer entschiedenen stammen aus Unternehmen mit Multi- channel-Konzepten – was Unsicherheit offenbart. Die 14 Ein Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Beurtei- Stimmen aus ursprünglich reinen Onlineanbietern teilen lungen könnten sein, dass sich diejenigen, die sich positiv sich je zur Hälfte auf Zustimmung oder Ablehnung auf. zum Potenzial eines Omnichannel-Konzepts äussern, sich Klar ist die Kombination aus On- und Offlinekanälen die Ultima dabei auf Kunden beziehen, die das Format Warenhaus Ratio im Handel – deswegen sind wir bei STEG eingestiegen. regelmässig nutzen. Die skeptischen Beurteilungen könn- Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe ten sich dagegen auf Konsumenten beziehen, die Waren- häuser generell als für sich nicht interessant ansehen, was Kanalübergreifende Handelskonzepte sind nicht die Ultima Ratio. sich durch Omnichannel-Services nicht wesentlich ändert. Es wird auch langfristig Pure Player geben, wobei das dann eher die preisorientierten Anbieter sind. Kanalübergreifende Handelskonzepte werden seit vie- Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse len Jahren im E-Commerce Report Schweiz thematisiert Kunden verhalten sich hybrid, deshalb ist die Kombination von On- und seit jeher kontrovers beurteilt. Um dieses Thema er- und Offlinekanälen der richtige Weg. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia

13 E-Commerce Report 2018

Über zwei Drittel unserer Kunden informieren sich auf unserer Mit Web2Store sind wir bei Aeschbach ganz erfolgreich: Mit CRM Website, bevor sie in die Filialen kommen. und Onlineshop erhöhen wir die Frequenz in den Läden. Marcel Schaniel, Möbel Pfister Matthias Fröhlicher, KOALA

Erfahrungen aus England zeigen, dass Omnichannel schon funkti- Die Umsatzsteigerungen im Online-und Digitalgeschäft können onieren kann. Kilian Eyholzer, Victorinox die Umsatzrückgänge im stationären Handel bisher nicht vollstän- dig kompensieren. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia Es dürfte extrem schwer sein, sowohl online als auch offline wirk- lich gut zu sein. Stephan Widmer, Beliani Ich kenne niemanden, der es schafft, seine stationären Umsatzver- luste online zu kompensieren. Ich glaube an kanalübergreifende Handelskonzepte, aber die Kos- Florian Teuteberg, Digitec Galaxus ten sind wirklich eine Herausforderung. Studienteilnehmer Was keinem Anbieter in der Schweiz zu gelingen scheint, Ein stationärer Fachhändler ist nicht von vornherein zum Scheitern ist, Umsatzverluste in den stationären Kanälen vollstän- verurteilt, wenn er kein Omnichannel-Konzept verfolgt. dig durch das Wachstum im E-Commerce zu kompensie- Matthias Fröhlicher, KOALA ren. Das ist offenbar nicht nur eine Frage der Kanalpolitik Kanalübergreifende Handelskonzepte können helfen, sich gegen einzelner Anbieter, sondern des Konzepts insgesamt. internationale Wettbewerber zu behaupten, aber das allein reicht nicht. Gregor Doser, Google Switzerland 3.3 Massnahmen des traditionellen Handels im Bereich der Digitalisierung Abb. 7: Kanalübergreifende Konzepte als Wettbewerbsvorteil 12 Traditionelle Handelsunternehmen versuchen seit Jah- 10 ren, mit Massnahmen aus dem Bereich der Digitalisie- n=27 8 11 10 rung den veränderten Anforderungen gerecht zu werden. 6 Dazu werden ergänzende Onlineshops oder Apps einge- 4 richtet und teilweise mit den bestehenden Kanälen ver- knüpft, es werden mehr digitale Kommunikationskanäle 2 4 2 genutzt, datengestützte Kaufempfehlungen ausgespielt 0 stimme st. eher stimme stimme nicht zu nicht zu eher zu voll zu und es wird personalisiert kommuniziert.  Für Schweizer Anbieter sind kanalüber- greifende Handelskonzepte mit physischen Was konnten Unternehmen bezogen auf die Entwicklung Service- oder Verkaufsstellen wirksame ihres Marktanteils damit erreichen (Abb. 8)? Eine von 30 Mittel, um sich gegen internationale Wettbewerber zu behaupten. Personen im Studienpanel – ein Vertreter aus einem gros- sen Handelsunternehmen – beurteilt die ergriffenen Mas- Abb. 7 zeigt, dass 80 % der Studienteilnehmer in kanal- snahmen als praktisch wirkungslos. Alle anderen glauben, übergreifenden Handelskonzepten ein wirksames Mittel dass sich die Massnahmen positiv auf die Marktanteils- sehen, um sich gegen internationale Wettbewerber zu be- entwicklung der Unternehmen ausgewirkt haben. 15 von haupten. Bei den Antworten fällt auf, dass gut die Hälfte ihnen gehen aber lediglich von einer Verlangsamung der der Zustimmenden nur eher zustimmt, was eine gewisse Marktanteilsverluste aus. Selbst ein Marktanteilsgewinn Verhaltenheit zum Ausdruck bringt. Hintergrund dafür könnte in einem schrumpfenden Markt mit einem Um- könnte sein, dass in Bezug auf die tatsächliche Leistungs- satzverlust einhergehen. Die verbreitete Hoffnung, auf fähigkeit solcher Konzepte, wie sie sich in der Schweiz bis diese Weise am Boom des internetgestützten Vertriebs zu dato offenbart, eine gewisse Ernüchterung herrscht. Das partizipieren, erfüllt sich überwiegend nicht. hat bereits der E-Commerce Report 2017 offenbart [27]. Offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was Abb. 8: Erfolg von Massnahmen im Bereich der Digitalisierung möglich wäre und einigen wenigen Anbietern auch bereits 16 gelingt, und dem, was die Mehrheit der traditionellen An- 14 Marktanteilsver- n=30 luste verlangsamen. bieter zu realisieren vermag. 12 15 10 ihren Marktanteil Keines den Schweizer Warenhäuser ist in der Lage, Omnichannel halten. kompetent umzusetzen. Matthias Fröhlicher, KOALA 8 9 Marktanteile 6 Wer den Omnichannel-Shift schafft, wird eine gute Perspektive gewinnen. haben, auch wegen der Verdrängung der schwächeren Anbieter. 4 5 Studienteilnehmer Keine/ wirkungs- 2 lose Massnahmen 1 Wir gehen davon aus, dass mit einer konsequenten Verknüpfung 0 der Kanäle ein besseres Kundenerlebnis geschaffen werden kann. Mit Massnahmen aus dem Bereich der Digitalisierung konn- ten traditionelle Handelsunternehmen in unserer Branche … Erich Mühlemann, TUI Schweiz

14 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

Ein grosser Teil der Massnahmen des traditionellen Handels im Be- Abb. 9: Online-Verfügbarkeit von Waren in Läden reich Digitalisierung bleibt wirkungslos. Studienteilnehmer 12 Mit unserer Multikanalstrategie gelingt es uns, den Marktanteils- n=24 10 12 verlust infolge zunehmender Internetnutzung der Konsumenten zu stoppen. Erich Mühlemann, TUI Schweiz 8 6 7 Nicht einmal Ex Libris ist es gelungen, mit seinen umfas- 4 senden Massnahmen im Bereich der Digitalisierung – mit 2 3 1 seinem 1998 gestarteten Onlineshop, seinen Apps und 1 0 stimme st. eher stimme stimme weiss seinen exzellenten Cross-Channel-Services – die Umsatz- nicht zu nicht zu eher zu voll zu nicht rückgänge in den Filialen durch das Wachstum in den On-  Der stationäre Einzelhandel hat es ver- linekanälen zu kompensieren. Bereits 60 % des Umsatzes säumt, sein Angebot online auffindbar zu machen. Manche Onlinebestellung ge- wird online generiert [28], 2017 lag das Onlinewachstum schieht nur, weil Konsumenten nicht wissen, bei 8 % [29]. Trotzdem ging der Gesamtumsatz 2017 um dass Sie den Artikel auch in ihrer Nähe stationär hätten kaufen oder sich von dort rund 3 Mio. CHF auf 109 Mio. CHF zurück. Die kanalüber- bringen lassen können. greifenden Services wurden von den Kunden gut genutzt, 15 % der Onlinebestellungen erfolgten auf Kunden- finden (Abb. 9). Umgekehrt zeigen Onlineanbieter z.B. in wunsch durch das Personal in den Filialen und über 15 % Google Shopping, dass sie das gesuchte Produkt anbie- der Bestellungen wurden zur Abholung und Bezahlung in ten, was es kostet und wie es verfügbar ist. Traditionelle die Filialen geliefert [30]. Aber es half nichts: 43 von 57 Fi- Anbieter erwarten, dass die Interessenten gleich im ers- lialen können nicht gehalten werden, zum Start ins Jahr ten Schritt auf ihre Website kommen – das entspricht 2019 soll die Filialzahl auf 14 reduziert sein. aber immer seltener der Realität. Und selbst wenn sie es tun, ist es höchst ungewiss, ob ihnen die angebotenen Vor fünf Jahren war ich noch optimistischer, mit den Filialen Um- Handlungsoptionen auf einfache Weise transparent ge- satz halten zu können. Aber innerhalb von neun Jahren haben die Filialen durch die Digitalisierung über die Hälfte ihres Umsatzes macht werden. Das wäre dann der Fall, wenn sie leicht er- verloren. Daniel Röthlin, Ex Libris kennen könnten, auf welchen Kanälen sie das Produkt er- werben können, zu welchem Preis und auf welche Weise: Ex Libris wird sich nun gänzlich neu aufstellen und seine Online mit einem Link auf das Produkt im Onlineshop, Services neu ausrichten: vom stationären Händler mit stationär mit einem Hinweis auf die lokal nächstgelegene Onlineangebot zum Onlinehändler mit stationären Filiale, in der das Produkt verfügbar ist, telefonisch mit der Touchpoints [29], online als breiter Medienanbieter und Telefonnummer, über einen Chat-Bot mit Angabe des Na- stationär zunehmend als Buchdiscounter mit kleinem An- mens und Messengers und so weiter. Faktisch erwarten gebot an CDs und DVDs, wie Daniel Röthlin im Interview die Händler weiterhin, dass ein Kunde zu ihnen ins Ge- erläutert. schäft kommt und etwas vom dort Ausgestellten kauft.

Wenn ich ein bestimmtes, nicht alltägliches Produkt suche, finde 3.4 Versäumnisse und Mangel an Vernetzung ich es online sehr schnell. Im stationären Handel ist der Erfolg völ- lig ungewiss. Philippe Huwyler, coop@home Einerseits kann beobachtet werden, dass der traditionelle Handel grosse Anstrengungen unternimmt, um auch im Es kann ein starker Anreiz sein, ein Geschäft aufzusuchen, wenn E-Commerce Relevanz zu erreichen, andererseits ist es man sich sicher sein kann, dass das gesuchte Produkt dort verfüg- frappierend zu beobachten, wie dabei grundlegende Zu- bar ist. Gregor Doser, Google Switzerland sammenhänge und Entwicklungen ignoriert werden. Wenn der stationäre Handel online mitspielen will, dann gehört die Nach über 20 Jahren E-Commerce im World Wide Web ist Online-Auffindbarkeit seiner Produkte dazu. Kilian Eyholzer, Victorinox allgemein bekannt, dass sich das Suchverhalten der Kon- sumenten geändert hat. Bestand früher der erste Schritt Die physische Produktverfügbarkeit ist für Kunden ein grosser Nut- eines Kaufvorgangs in der Entscheidung für einen Händ- zen, nicht nur für den Kauf, sondern auch für den Vergleich. ler, bei dem man das Produkt suchte, beginnen die Inte- Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz ressenten den Prozess heute oftmals mit einer Onlinesu- Der Trend von research online - purchase offline wandelt sich zu che nach dem Produkt und erst im zweiten Schritt folgt research online - purchase online. Als stationärer Händler muss die Auswahl des Anbieters. Auf dieses veränderte Kun- man deshalb sicherstellen, auch online präsent zu sein und eine denverhalten hat sich der stationäre Handel nicht ansatz- gute Dienstleistung anzubieten. Francesco Vass, ricardo.ch weise eingestellt: Egal welcher Onlinekanal für die Suche verwendet wird, einen traditionellen Anbieter, der einem Auf unserer Website zeigen wir für jeden Artikel in jeder Filiale die eine sofortige Handlungsoption eröffnet, wird man kaum Verfügbarkeit auf 15 Minuten genau an. Marcel Schaniel, Möbel Pfister

15 E-Commerce Report 2018

Obwohl kanalübergreifende Handelskonzepte seit etwa Abb. 10: Gesamthaftes Handeln erforderlich 2010 ein grosses Thema in den Handelsunternehmen sind, haben viele die Voraussetzungen für einen solchen 10 n=23 Dienst noch immer nicht geschaffen. 8 10

Bei den meisten Handelsunternehmen ist das ERP-System nicht in 6 der Lage, Online und Offline in Echtzeit miteinander zu verbinden. 7 Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe 4

2 3 Aber selbst wenn die Unternehmen in der Lage sind, ak- 2 1 tuelle Auskünfte zu ihren Beständen in Filialen auf auto- 0 stimme st. eher stimme stimme weiss matisiertem elektronischen Weg bereitzustellen, stellt nicht zu nicht zu eher zu voll zu nicht sich die Frage, in welchen Kanal diese eingespeist werden  Angesichts der digitalen Beschaffungs- alternativen hat der stationäre Handel sollen. Infrage käme toppreise.ch, wo nach einer Eingabe Marktanteile verloren. Um dem etwas ent- der Postleitzahl lokale Verfügbarkeiten angezeigt wer- gegenzusetzen, muss der stationäre Handel gesamthaft attraktiver werden, einzelne den. Vermutlich werden einige Händler toppreise.ch we- Händler allein können das nicht leisten. gen der Preisfokussierung nicht als geeignete Umgebung für sich ansehen. Es gibt weitere Anbieter, die derartige Die Perspektiven für den Schweizer Einzelhandel trü- Dienste erbringen, darunter auch Google. Der Dienst ben sich auch in weiteren Bereichen. Dazu gehören die Google Local Inventory Ads ist in einigen Nachbarländern Zustellung von Sendungen an Schweizer Haushalte und verfügbar – bei Nachfrage würde er sicher auch bald in der der Einbezug stationär vorhandener Waren. Indem die Schweiz aufgeschaltet. Solche Dienste sind mit gewissen Zustellungslogistik fast vollständig der Schweizerischen Auflagen und Bedingungen verbunden, die vermutlich Post überlassen wird und diese ihre Dienste passgenau in wiederum nicht von jedem Anbieter begrüsst werden. die Distributionsketten der ausländischen Wettbewerber einbindet, geht den Schweizer Anbietern jegliches Unter- Google-Anzeigen mit lokaler Produktverfügbarkeit sind technisch scheidungspotenzial verloren (Kapitel 4.1.1). Eine eigene nicht ganz einfach, funktionieren aber sehr gut. Initiative des Schweizer Detailhandels im Bereich City-Lo- Vieles geht in der Schweiz nur schleppend voran. Schon vor fünf gistik oder Nahverteilung ist nicht zu erkennen, obwohl Jahren haben wir Feeds zur lokalen Warenverfügbarkeit themati- man hier augfrund der bestehenden lokalen Verankerung siert. Gregor Doser, Google Switzerland beste Voraussetzungen hätte (Kapitel 4.5). Dasselbe gilt Die Alternative wäre, dass eine Interessensgemeinschaft für den Einbezug von Waren aus stationären Geschäf- des Schweizer Detailhandels eine Initiative ergreift. Sie ten. Wenn man sich vor Augen hält, wie Zalando – in sei- würde die Voraussetzungen für eine gemeinsame Platt- nem Selbstverständnis als Plattform – solche Themen an- form für das Konsolidieren der Feeds aus den Unterneh- geht und Lösungen findet (Kapitel 2.4.2), erkennt man, men schaffen und diese nach den jeweils aktuellen Gege- was der Schweizer Handel noch alles an grosse und inno- benheiten auf passende Werbekanäle einspeisen. Diese vative Onlinenabieter zu verlieren hat. Art von Service ist in Form so genannter Channel Mana- Ein Wettbewerbsvorteil in der Logistik ist vor allem in der Kombi- ger in der Reisebranche seit Jahren im Einsatz. Auch eine nation mit dezentralen Lagern möglich. technische Plattform in der Art von Tradebyte, die in der Pierre Wenger, Interdiscount Schweiz schon eingesetzt wird, käme infrage. Das koordi- nierte Vorgehen könnte auch einen genügend grossen Das Potenzial der Waren, die in den Filialen liegen, wird noch nicht ausgeschöpft. Studienteilnehmer Werbedruck bewirken, damit Konsumenten die neue Möglichkeit überhaupt wahrnehmen und verstehen. Eine In einer vernetzten Ökonomie tätig zu sein, scheint vom solche Initiative würde eine Vernetzung der Wettbewer- traditionellen Handel im Wesentlichen darauf beschränkt ber untereinander erfordern, eine Kooperation in ähnli- zu werden, direkte Onlinezugänge zu Kunden herzustel- cher Form wie in der Tolino-Allianz des deutschsprachi- len. Die Strukturen in der Distributionskette bleiben dabei gen Buchhandels zur Selbstbehauptung gegenüber Ama- linear sequenziell – so ist alles eingerichtet und am ein- zon Kindle. Aber zu dieser Art von Vernetzung scheint der fachsten. Das Potenzial in einer vernetzten Ökonomie be- traditionelle Handel nicht bereit zu sein (Kapitel 5.5.3). steht aber auch darin, in der Wertschöpfungskette paral- Die fehlende Bereitschaft, sich untereinader selbst zu ver- lel verschiedene Rollen einnehmen zu können und die ei- netzen, stärkt das Marktpotenzial von externen digitalen genen Ressourcen flexibel immer da einzubringen, wo sie Plattformen, die die Vernetzung stellvertretend für die gerade nützlich sind. Es bleibt die Frage, wie man das ko- Betroffenen bewerkstelligen. Die Nutzung dieser Platt- ordiniert. Ergreift der Detailhandel nicht selbst die Initi- formen geht allerdings mit einem Kontrollverlust einher, ative, wird er sich mit den Rollen zufriedengeben müssen, der vom Handel ebenfalls beklagt wird (Kapitel 5.2.2). die ihm mächtige digitale Plattformen übrig lassen.

16 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

3.5 Stationäre Engagements ursprünglich reiner haptische oder andere, online nicht mögliche Sinneser- Onlineanbieter lebnisse, die Demonstration von Funktionen, Kompetenz- vermittelnde temporäre Warengruppeninszenierungen Wenn – wie eingangs beschrieben – zu beobachten ist, oder auch die sofortige Bezugsmöglichkeit für häufig dass sich ursprünglich reine Onlineanbieter zunehmend nachgefragte Schnelldreher-Artikel. Geschäfte von pri- stationär engagieren und auch Läden eröffnen, stellt sich mären Onlineanbietern haben im Vergleich zu ihren tradi- die Frage, ob und inwiefern sich diese von traditionellen tionellen Wettbewerbern eine kleine Fläche, die aber viel Geschäften unterscheiden. Aus den Antworten im Studi- intensiver und aufwändiger bewirtschaftet wird. enpanel ergibt sich eindeutig, dass die beiden Konzepte als grundlegend unterschiedlich angesehen werden. In unseren Boutiquen wollen wir vor allem das machen, was man online nicht machen kann. Nathan Lauber, Nespresso Suisse Bei traditionellen Händlern ist das Ladengeschäft der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit. Das Geschäft bezieht Wenn ein Pure Player offline geht, dann geht es nicht darum, mas- seinen Kundenzugang vom Standort – das aber ist ein siv über die Fläche zu verkaufen, sondern darum, ganz bestimmte Ziele oder Bedürfnisse abzudecken. Linus Glaser, Zalando Problem, wenn der Zugang zur Ware nicht mehr standort- gebunden ist. Traditionelle Anbieter haben fast ihre kom- Ein Onliner denkt völlig anders. Er überlegt ganz genau, was er mit plette Ware in den Verkaufsgeschäften. Dort hat sie einer- dem Laden erreichen will. Markus Mahler, BRACK.CH seits das enorme Potenzial der sofortigen Verfügbarkeit, andererseits ist sie in der Gestaltung der Verkaufsräume Ein Onliner versucht nicht, die Vielfalt im Sortiment in seinem La- Ballast. Ein Kunde, der z.B. immer wieder das Restaurant den abzubilden. Markus Mahler, BRACK.CH eines Warenhauses aufsucht, empfindet es nicht als Berei- cherung, auf der Rolltreppe auf dem Weg in die oberste Filialen der Onlineanbieter haben mehr Informationen und weniger Produkte. Studienteilnehmer Etage jedes Mal an den Bettwaren vorbeizufahren. Wa- renhäuser sind von ihrem Konzept her universell. Sie ver- STEG betreibt Filialen mit einem richtigen Dienstleistungsangebot. suchen, jegliche Waren zur spontanen Abholung bereitzu- Vielleicht sind wir der einzige Online Player, der sich richtig im sta- stellen. Wenn stationäre Anbieter online gehen, übertra- tionären Detailhandel engagiert. gen sie ihr Geschäftsmodell meist eins zu eins auf ihren Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe Webauftritt – insbesondere die Haltung der Warenaus- stellung und des Wartens auf das Eintreffen der Kunden. Viele dieser Aspekte spiegeln sich in der Beschreibung des Zwecks des für den Sommer 2018 angekündigten ersten Um als Omnichannel-Händler erfolgreich zu sein, müssen alle Hür- Zalando Beauty-Stores in Berlin: den zwischen den Kanälen eliminiert werden. Man muss für den Kunden an allen Touchpoints homogen sein. Zalando wird das Online-Einkaufserlebnis mit einem dedizierten Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia Beauty Concept Store in Berlin verbinden. Der Store wird speziell für Beauty-affine Kunden konzipiert und soll nicht nur das kura- Ein primärer Onlineanbieter macht das anders. Er be- tierte Beauty-Sortiment vorstellen, sondern durch Events zu Pro- zieht seine Identität aus seiner Onlinepositionierung und dukteinführungen, Tutorials und Expertenberatung ein besonderes Produkterlebnis schaffen. Der Store bietet uns außerdem die Mög- versucht nicht, diese umfassend auf das stationäre Lokal lichkeit, digitale Tools offline zu testen und den Beauty-Kunden vor zu übertragen. Onliner verfolgen keine Omnichannel- Ort noch besser kennenzulernen. [31] Konzepte in der Form, wie Offliner das tun. Kunden wis- sen, dass sie den grössten Teil des Angebots nicht spon- Bei primären Onlineanbietern ist die Technologiekompe- tan beziehen können und lernen, dass sie die lokale Ver- tenz der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit. Jegliche Pro- fügbarkeit eines gewünschten Artikels durch eine Vorbe- zesse werden als digital gesteuerte Geschäftsprozesse stellung selbst steuern können. Das Ladengeschäft ist nur konzipiert, weisen eine hohe Automatisierung, Effizienz ein ergänzendes Angebot, ausgerichtet auf wenige, und Fehlerarmut auf, hinterlassen eine vollständige Do- sorgfältig ausgewählte Funktionen. An erster Stelle, so kumentation aller relevanten Aspekte in den Daten und die Studienteilnehmer, steht die Funktion der Herstellung schaffen damit die Grundlage für permanente organisato- von Nähe und der emotionalen Erlebbarkeit des Anbie- rische Optimierungen, standortindividuelle Sortimente ters. Das Geschäft wird eindeutig primär als Servicestelle und personalisierte Kommunikation. verstanden, nicht als Verkaufsmaschine. Bei den Services können Warenabholung, -rückgabe und Bezahlung quan- Onlineanbieter bringen ihre Technologiekompetenz auf die Fläche. titativ eine wichtige Rolle spielen, dem Anbieter geht es Sie denken auch das stationäre Geschäft in digitalen Prozessen. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia trotzdem primär um das Markenerlebnis – sonst könnte er sich auf eine Abholstation beschränken. Sofern Waren Online-Pure-Player bauen ihre Prozesse auf Technologie auf. Kon- ausgestellt werden, geschieht das nicht in Form aufge- ventionelle Händler gestalten Prozesse nach ihren Erfahrungen hübschter Abhollager, sondern um sortimentsspezifisch und passen die Technologie daran an. ganz bestimmte Funktionen zu erfüllen: Beispiele sind Matthias Fröhlicher, KOALA

17 E-Commerce Report 2018

Onliner sind es von jeher gewöhnt, Kunden aktiv zu sich Abb. 11: Mächtige digitale Player und stationärer Handel holen zu müssen, und tun das, je nach Konzept, auch für ihre Filialen. Onliner sind es gewöhnt, viel schneller auf 15 Marktveränderungen einzugehen und ihre Konzepte im- n=27 16 mer wieder neu auszurichten. Sie sind weniger bereit, 10 langfristige Verpflichtungen einzugehen, das Konzept von Pop-up-Stores kommt ihnen entgegen. Sie experi- 10 mentieren mehr und räumen der Geschwindigkeit einen 5 höheren Stellenwert ein als der Perfektion. Onliner haben 0 0 1 Budget für Experimente und schreiben getätigte Ausga- 0 stimme st. eher stimme stimme weiss ben schnell ab. nicht zu nicht zu eher zu voll zu nicht  Aktuelle Engagements von Amazon und Onliner werden nicht bereit sein, sehr langfristige Verträge für die Alibaba im stationären Handel zeigen, dass Ladengeschäfte einzugehen. Daniel Röthlin, Ex Libris überlegene Digitalkompetenz und Innova- tionsführerschaft nach der Etablierung des Onlinehandels nun den stationären Handel Die wichtigsten Unterschiede von Onlinern zu Offlinern sind die transformieren werden. Geschwindigkeit, die technische Überlegenheit und die Experimen- tierfreudigkeit. Maud Hoffmann, Geschenkidee.ch 3.6 Empfehlungen und Handlungsoptionen

Die in den Interviews von verschiedenen Personen ge- Da Onlineanbieter seit ihrem Aufkommen in kontinuierli- nannten Merkmale weisen recht hohe Übereinstimmun- chem Aufwind sind, traditionelle Anbieter dagegen seit gen auf oder ergänzen sich auf plausible Weise. Es wurde zehn Jahren nicht vom Fleck kommen, wurden die deshalb versucht, die unterschiedlichen Konzepte als Ste- E-Commerce-Experten gefragt, welche Massnahmen sie reotypen mit ihren Merkmalen zu charakterisieren und ei- für traditionelle Handelsunternehmen ihrer Branche als nander gegenüberzustellen (Tab. 2). Das Ergebnis wurde am wichtigsten erachten, um im Strukturwandel beste- mit einigen wenigen Studienteilnehmern verifiziert und hen zu können. Viele der daraufhin geäusserten Überle- optimiert. Die Charakterisierung ist überzeichnet und gungen sind genereller Natur und damit auch für reine trifft auf kein konkretes Unternehmen genau so zu. Insbe- Onlineanbieter sinnvolle Überlegungen. sondere darf sie nicht als eine Richtig-Falsch-Gegenüber- stellung missverstanden werden. Auch können die Merk- Bei stationären Geschäften besteht die Herausforderung male des Einen beim Anderen sehr wohl auch vorhanden darin, dass sich einer ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren, sein, wenn auch mit anderem Gewicht. Die Darstellung der Standort, mit der zunehmenden Nutzung von Online- kann helfen, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der kanälen nach und nach entwertet. Dafür muss eine Kom- Unternehmen besser zu verstehen. pensation gefunden werden. Diese kann einerseits darin bestehen, die Attraktivität der Geschäfte zu erhöhen, an- Alle bisher genannten Engagements beziehen sich auf dererseits darin, dass die mit den Geschäften verbunde- Geschäftsmodelle von ursprünglich reinen Onlineanbie- nen Potenziale – z.B. die sofortige Verfügbarkeit der dort tern in der Schweiz und in Mitteleuropa. Aber natürlich vorhandenen Produkte – auch in externe Kaufvorgänge fielen in den Interviews auch Statements zu Amazons eingebracht werden. Das erfordert eine neue Form von knapp 20 Buchläden in den USA, zu Amazons Kauf von Vernetzung der Anbieter. Whole Foods, zu Amazon GO und einigen Aktivitäten Das Alleinstellungsmerkmal eines Geschäfts muss sich von seinem grosser chinesischer Onlineplayer. Zu diesen lassen sich Standort auf etwas Anderes verschieben, auf eine spezielle Kom- im Studienpanel noch keine klaren Beurteilungen ausma- petenz. Gregor Doser, Google Switzerland chen. Die Konzepte sind noch zu jung und es sind noch zu wenig zuverlässige Informationen über sie verfügbar. Jeder Händler muss sich fragen: Was ist mein Mehrwert für den Kunden und wie verändert sich das gerade? Ich verstehe nicht, was Amazons Intention ist, Läden zu betreiben. Linus Glaser, Zalando Studienteilnehmer Online wie offline, in beiden Kanälen muss man jeweils etwas Spe- Ich glaube, Amazon Go ist ein zukunftsweisendes Modell. zielles bieten. Kilian Eyholzer, Victorinox Daniel Röthlin, Ex Libris Wenn fast alle Produkte auf Onlineplattformen erhältlich sind, Wenn auch nicht auf kurze Sicht – den Offline-Engage- muss sich der Händler jenseits des Produkts in seiner Kompetenz ments der kapitalstarken, technologiegetriebenen On- und seinen ergänzenden Services differenzieren. linegiganten wird mittel- bis langfristig ein hohes Trans- Marcel Schaniel, Möbel Pfister formationspotenzial für den stationären Handel zuge- traut (Abb. 11).

18 Beurteilung der Perspektiven für den Einzelhandel

Tab. 2: Gegenüberstellung typischer Charakteristika eines Onlinewarenhauses und eines traditionellen Warenhauses

Onlinewarenhaus Traditionelles Warenhaus mit Filialen

Selbstverständnis Technologierunternehmen Händler

Wichtigste IT-Technologiekompetenz Standorte Erfolgsfaktoren Agilität Sortiment

Organisation Häufige interne Reorganisation: Stabile Organisation: • Leistungserneuerung zuerst, • Top-down Führung Effizienzsteigerung danach • Hohe Effizienz durch Lernkurveneffekte • Subsidiarität: weitgehende • Schlüsselpersonen treffen Entscheidungen Selbststeuerung der Bereiche

Investitions- Hohe Investitionsbereitschaft mit dem Investitionsbereitschaft für konkret umrissene verhalten Ziel, eine Top-Position im Marktsegment Ziele mit plausibel beschreibbarem Ertragspo- zu erreichen tenzial Sehr langfristige Perspektive Mittelfristige Perspektive Hohe Risikobereitschaft Eher geringe Risikobereitschaft Finanzierung durch Risikokapital Finanzierung durch Eigenkapital

Innovations- Innovation ist Teil der Identität, Suche nach Innovation ist weitgehend an eine bestimmte muster Innovationen auf allen Ebenen Stelle delegiert Formulierung von Hypothesen und Lösungs- Impulsgenerierung durch Marktstudien und szenarien, Entwicklung von Konzepten für Kundenbefragungen den Hypothesentest mit Ziel-KPIs Definition strategischer Innovationsvorhaben, Durchführung der Hypothesentests so nieder- ausführliche Konzeptphase, separat bewilligte schwellig wie möglich, Messung der KPIs Budgets Schnelle Regelzyklen zur Konkretisierung Umsetzung des Innovationskonzepts in und Optimierung des Konzepts und seiner hohem Reifegrad Umsetzung Korrekturen an Konzept und Lösung, langes Bei Misserfolg zügiger Abbruch, bei Erfolg Festhalten auch bei zweifelhaftem Erfolg Roll-out des Konzepts Abbruch oder Überführung in Regelbetrieb

Wichtigste Mitar- Intrinsische Erfolgsorientierung Fachkompetenz beitermerkmale Lernbereitschaft Disziplin

Sortiment Breiter Generalist: Möglichst grosses Sorti- Fokussierter Generalist: Angesichts des riesigen ment für vielfältige Kundenbedürfnisse Gesamtangebots zunehmend selektives Sorti- • Möglichst viele Markenprodukte ment, zugeschnitten auf ein Marktsegment als Zielgruppe • Teilweise eigenes Sortiment Ausgewählte Markenprodukte • Teilweise Sortimente Dritter Weitgehend eigenes Sortiment, punktuell Fremdsortimente (z.B. Shop-in-Shop)

Logistik Schnelldreher am eigenen Lager, Beinahe alles am eigenen Lager Einbezug Lieferantenlager So weit als möglich schnelle Anpassung an ver- Auch organisationsbedingt geringe Flexibilität, änderte Nachfrage (Mengen, Produkttrends) lange Vorlaufzeiten durch externe Beschaffung Differenzierung durch Eigenmarken-Produkte

Kanäle Online/Mobile zuerst Stationär zuerst Stationär als Ergänzung für Support/Service Online/Mobile als Ergänzung für Omnichannel

19 E-Commerce Report 2018

Immer wieder bieten sich auch neue Möglichkeiten in den Einem einzelnen Händler würde er in einer solchen Situa- Geschäften selbst. Nathan Lauber von Nespresso Suisse tion empfehlen, aus dem Markt auszuscheiden und seine glaubt, dass ein Geschäft mehr bedeuten muss als eine Immobilien zu verkaufen. Auf keinen Fall sollte er mit sei- Gelegenheit für eine einfache Kauftransaktion. Transakti- nem privaten Restvermögen versuchen, gegen die Wind- onen könnten online in vielerlei Hinsicht besser abgebil- mühlen zu kämpfen. det werden. Andere Dinge dagegen, die alle Sinne an- sprechen und Erlebnisse vermitteln, liessen sich nur in der Alexander Graf ist auch äusserst skeptisch, wenn sich tra- physischen Welt abbilden. Die Rolle des stationären ditionelle Unternehmen selbst in digital agile transfor- Händlers könnte deshalb auch auf das Schaffen solcher mieren wollen. «Die Massnahmen traditioneller Handels- Erlebniswelten fokussieren und die Transaktion möglich- unternehmen im Bereich der Digitalisierung sind meist erweise gar nicht mehr beinhalten. wirkungslos», meint er. Von ihrer DNA her sei das für tra- ditionelle Unternehmen nicht möglich. Das einzige, was Vielleicht muss der Betreiber einer Verkaufsfläche gar kein Händler die Unternehmen erreichen könnten, wäre, wie eine sein, sondern betreibt einen erlebnisorientierten Kontext, in dem kluge Ziege zu werden [32]. Das Bild von der klugen Ziege sich Marken positionieren können. Nathan Lauber, Nespresso Suisse entstand im Jahr 2015 auf einer Digitalkonferenz im Year of the Goat – im chinesischen Horoskop war 2015 das Jahr Mit Sofortdruckautomaten bedienen Warenhäuser das Bedürfnis der Ziege. nach sofortigen Ergebnissen sehr gut – das ist eine Rückverlage- rung in den stationären Handel. Sven Betzold, ifolor In der Metapher steht die Ziege stellvertretend für traditi- onelle Unternehmen. Sie gibt etwas Milch und verkörpert Auch ein stationärer Händler könnte mit Technologien und guter eine gewisse Sturheit, weil sie sich normalerweise in ihrer Software enorm viel an Effizienz und Kundenerlebnis herausholen. Position wohlfühlt. Aber die Böden in ihrer Region werden Florian Teuteberg, Digitec Galaxus immer karger und als die Ziege eines Tages von einer An- Mehrere Studienteilnehmer beurteilen die Massnahmen tilope erfährt, einem schnellen, kampfstarken Tier, das traditioneller Handelsunternehmen als nicht grundlegend zwar keine Milch gibt, dafür aber tagelang ohne Wasser oder weitreichend genug. auskommen kann und immer wieder neue Wege zum Ziel findet, möchte sie auch eine Antilope werden. Die Anti- Schönere Ladengeschäfte oder freundlichere Verkäufer ohne einen lope verkörpert Unternehmen wie Amazon. Aber so sehr grundlegenden neuen Ansatz werden dem Handel nicht helfen. sie sich anstrengt, studiert und trainiert – sie bleibt eine Dominic Blaesi, Flaschenpost Services Ziege. Zwar weiss sie nun ziemlich viel über Antilopen – deshalb die kluge Ziege – gibt nun aber als Folge der gan- Man muss bereit sein, sich neu zu erfinden. Wie könnte das Ge- schäft in zehn Jahren aussehen? Stephan Widmer, Beliani zen Anstrengungen noch weniger Milch.

Der Fehler ist immer der gleiche, man denkt nicht komplett neu. Man könne sich gar nicht so schnell verändern, wie sich Anstatt zu überlegen, wie das Kundenverhalten in Zukunft ausse- der Markt verändert, so die Beurteilung von Alexander hen könnte und wie man den Kunden dann ansprechen kann, über- Graf. Und ein Unternehmen könne kaum dauerhaft eine legt man nur, was man mit den Dingen, die man sich in den letzten Antilope sein, denn sobald sich zur Optimierung des Out- Jahrzehnten angeeignet hat, auch noch online machen kann. puts – im Bild die Milchproduktion – feste Strukturen bil- Markus Mahler, BRACK.CH den, nimmt die Freiheit der Antilope ein Ende. Die einzige Man muss bereit sein, radikale Änderungen vorzunehmen. Je spä- Eigenschaft, mit der Unternehmen in der Plattformöko- ter man das tut, desto schmerzhafter wird das. nomie bestehen können, sei Resilienz, also die Fähigkeit, Laurent Garet, La Redoute Suisse sich auch bei erheblichem Druck von aussen selbst zu be- haupten. Das beinhaltet die Bereitschaft zu akzeptieren, Derartige Empfehlungen sind leicht gesagt, aber sehr dass die Realität jeden Tag eine andere sein kann, dass schwer oder für viele Unternehmen auch gar nicht um- man sich immer wieder neu erfinden muss und dass die setzbar. Das ist einigen Gesprächspartnern bewusst. Halbwertszeit eines Geschäftsmodells immer unkalkulier- Mehrere von ihnen glauben, dass es in einigen Fällen wohl barer und kürzer wird. Das sei die heute notwendige Art das Beste wäre, zu desinvestieren. der Vorbereitung, eine lineare Vorbereitung sei nicht Wer für sich keine Perspektive sieht, sollte aussteigen, besser frü- mehr möglich. her als später. Stephan Widmer, Beliani Was in fünf Jahren sein wird, wissen wir selber noch nicht. Und wir als Beliani werden uns auch weiter entwickeln und weiter innova- In den Augen von Alexander Graf, Herausgeber des Blogs tiv sein. Stephan Widmer, Beliani Kassenzone.de, ist der Aufbau von Technologiekompe- tenz die wichtigste Massnahme. Allerdings sieht auch er, dass es für viele traditionelle Unternehmen nicht realis- tisch ist, dabei im erforderlichen Mass erfolgreich zu sein.

20 Logistik als Wettbewerbsvorteil?

4 Logistik als Wettbewerbsvorteil?

Es ist selbstredend, dass die Logistik für ein Versandhan- 4.1 Schwindende Distanz ausländischer Anbieter delsgeschäft, was E-Commerce mit physischen Produk- ten seiner Natur nach ist, eine Schlüsseldisziplin ist. Zum Die Ausarbeitung dieses Kapitels wurde fachlich unterstützt Geschäftskonzept jedes Versenders gehört dementspre- durch Roland Schumacher, CEO SISA Studio Informatica in chend, seine Beschaffungslogistik, seine Intralogistik Reinach [33]. und seine Zustelllogistik so zu gestalten, dass seine Ge- In Kapitel 2.4 wurde die 2011 beginnende Bedeutung aus- samtleistung den Bedürfnissen seiner Zielgruppe gerecht ländischer Anbieter im schweizerischen Onlinehandel be- wird und zu tragbaren Kosten erbracht werden kann. Die reits rekapituliert. Kein Unternehmen hat sich die daraus Erbringung dieser Logistikleistungen ist – unabhängig da- ergebenden Chancen so schnell und so konsequent zu von, ob selbst erbracht oder durch beauftragte Dienstleis- Nutze gemacht wie Zalando: Der Start von zalando.ch ter – eine der Wertschöpfungsfunktionen, die die Identi- war im Oktober 2011. Sechs Jahre später gehört Zalando tät eines Händlers in der Distributionskette zwischen hierzulande kanalübergreifend zu den grössten Modean- Herstellern und Abnehmern begründen. bietern – ohne eigene Infrastruktur oder eigene Mitarbei- Die Entwicklung des E-Commerce ist von der Logistik abhängig. tende auf Schweizer Boden. Auf 9.5 Mio. Pakete schätzt Malgorzata Gliszczynska, eBay International das Beratungsunternehmen Carpathia die Anzahl der im Jahr 2017 in die Schweiz geflossenen Sendungen, 5.7 Mio. Ziel der Logistikfunktion ist es, einem Kunden das Pro- gingen demnach wieder zurück [34]. dukt seines Interesses im Moment einer Kaufbereitschaft zeitlich und örtlich möglichst nah bereitzustellen. Im lo- 2012 hat gezeigt, dass Geschäftsmodelle wie Zalando erfolgreich in die Schweiz importiert werden können. kalen Handel geschieht das durch ein Ausstellen der Wa- Christian Kunz, ricardo.ch, E-Commerce Report 2013 ren auf Märkten oder in stationären Geschäften – mit Li- mitierungen in Bezug auf Ort, Zeit und Umfang des Ange- Wir haben die Zollprozesse in engem Austausch mit dem Schwei- bots. Der Onlinehandel dagegen bietet jederzeit ein mit zerischen Zoll so gestaltet, dass das Einkaufserlebnis für unsere grosser Informationsfülle versehenes, schier unendliches Schweizer Kunden so angenehm wie möglich ist. Die Kunden ho- Angebot. Hier besteht die Limitierung in verbleibenden norieren das. Linus Glaser, Zalando Unsicherheiten in Bezug auf die Produkteigenschaften, in der Lieferzeit, in den Unwägbarkeiten der Übergabe und Nachdem Zalando gezeigt hatte, wie leicht sich die den lästigen Umtrieben bei allfälligen Rücksendungen. Grenze der Eidgenossenschaft überwinden lässt, folgten andere dem Beispiel. Der seither stattfindende Aufbau lo- Der Vergleich zeigt, dass die Konzepte in ihren Merkma- gistischer Strukturen für die Einfuhr von E-Commerce- len sehr unterschiedlich, aber komplementär zueinander Sendungen in die Schweiz blieb von der Öffentlichkeit sind. Eine Verbindung drängt sich geradezu auf und ist der weitgehend unbeachtet, bis im November 2017 bekannt Kern kanalübergreifender Handelskonzepte. wurde, dass die Schweizerische Post auch mit Amazon Deutschland einen Vertrag zur Erleichterung der Im- All das ist bekannt, so lange es E-Commerce gibt. Und portabwicklung in Arbeit hat. Eine Diskussion zur Rolle dennoch ist die Logistik im E-Commerce derzeit wieder der Schweizerischen Post kommt auf. Die Handelszeitung an einem Punkt, an dem Weichen neu gestellt werden zitiert Nationalrat Martin Candinas mit der Aussage: müssen. Gründe dafür sind folgende Entwicklungen: «Am Schluss muss die Post in erster Linie dem Schweizer Volk und der Schweizer Wirtschaft dienen» [35]. • Schwindende Distanz ausländischer Anbieter • Angebotsausweitungen bei Schweizer Onlineanbie- tern 4.1.1 Schweizerische Post in mehrfachem Ziel- • Beschleunigung der Zustellung konflikt • Einbezug von stationären Geschäften Das und in der Forderung des Nationalrats birgt einen In- • Neue Konzepte für Lebensmittel teressenskonflikt: Während Schweizer Konsumenten jede Erweiterung des Angebots, noch dazu wenn sie güns- In den folgenden Abschnitten wird im Detail dargelegt, tige Preise in Aussicht stellt, willkommen sein wird, gibt wie sich die Ausgangslage Schweizer Versender in Anbe- es in der Wirtschaft zwei Perspektiven. Einerseits dieje- tracht der intensivierten Anstrengungen ausländischer nige, die es begrüsst, wenn die Post eine hohe Auslastung Wettbewerber verändert und an welchen Punkten An- hat, weil das als Voraussetzung dafür gilt, hochwertige knüpfungspunkte für eine Verbesserung der eigenen Wettbewerbssituation bestehen. Leistungen effizient erbingen zu können. Andererseits die

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Perspektive derjenigen Schweizer Versender, die die Befürchtungen einiger Studienteilnehmer, möglicher- Schweizerische Post als Teil ihres eigenen Wertschöp- weise schlechtere Bedingungen als ungleich grössere aus- fungssystems brauchen und sich mit ihr gegen ausländi- ländische Wettbewerber zu erhalten, nachvollziehbar. sche Wettbewerber behaupten wollen. Dann nämlich, wenn die Post ihre Leistungen primär auf die Anforderungen sehr grosser Kunden ausrichten sollte, Mehrere Mitglieder im Studienpanel, das sich ja überwie- wenn deren grössere Mengen und bessere Übereinstim- gend aus Versendern zusammensetzt, nehmen die letzt- mung mit den Postprodukten mit besseren Tarifen ein- genannte Perspektive ein und sehen sich dementspre- hergingen oder wenn knappe Kapazität bei Engpässen chend ernüchtert – z.B. auch, wenn sie die Werbeanstren- prioritär den Grosskunden zugeteilt würde. Die sehr gros- gungen der Tochtergesellschaft Asendia bei ausländi- sen E-Commerce-Versender sind nun einmal primär schen Versendern beobachten. In der Konkurrenz der na- ausländische – und so könnten diese Wettbewerber bes- tionalen E-Commerce-Anbieter mit ihren ausländischen ser gestellt sein als Schweizer Anbieter. Ausserdem hät- Wettbewerbern steht die Post nicht auf der einen oder der ten diese Grosskunden die Macht, auf alternative Anbie- anderen Seite, sondern kümmert sich schlicht um ihr Ge- ter auszuweichen oder, wie es Amazon in deutschen Bal- schäft. Allerdings ist die Postdienstleistung auch ein Inf- lungsräumen vormacht, benötigte Services gleich selbst rastrukturthema. Angesichts der Tatsache, dass die Post zu erbringen. Das erhöht den Druck, den Erwartungen der als staatlich beherrschtes Unternehmen mit etwa 80 % sehr grossen ausländischen Anbieter gerecht zu werden. Marktanteil den Paketmarkt dominiert, wird von ihr er- Diese sind bei einer Post, wenn sie sich primär ertragsori- wartet, dass sie der Schweizer Wirtschaft Infrastruktur entiert verhält, in einer deutlich besseren Verhandlungs- und Serviceleistungen zu wettbewerbsfähigen Bedin- position als die inländischen Versender. gungen bereitstellt. Auf der Leistungsebene wird sie die- sen Erwartungen weitgehend gerecht, in Bezug auf wett- Die Schweizer Post hat einen guten Service, aber es ist trotzdem bewerbsfähige Bedingungen für Schweizer Anbieter gibt ein Problem, dass es bei der Auslieferung keine Alternative zu ihr gibt. Allen Krief, DeinDeal es aber Zweifel. Es besteht nämlich ein zweiter Zielkon- flikt, wenn die Post neben dem Versorgungsauftrag Umso schwerwiegender ist es in dieser Situation, wenn gleichzeitig rentabel wachsen und «in allen Geschäftsfel- die Konkurrenz unter den Paketdienstleistern schwach dern eine branchenübliche Rendite» [36] erzielen soll. bleibt. Für heisse Köpfe sorgt deshalb, dass die Barriere Rein betriebswirtschaftlich sind unter dieser Prämisse die

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für die Etablierung von Wettbewerbern künstlich hoch ge- 4.1.2 Was der Grenzübergang für ausländische halten wird, indem die Post Infrastruktur für sich allein be- Anbieter und für Empfänger bedeutet ansprucht. Im Fokus dieses Kritikpunktes steht der Zu- gang zum Poststellennetz, das für Abholungen nach ge- Dass der zunehmende Wettbewerb durch ausländische scheiterter Heimzustellung und für Retouren sehr wert- Anbieter derzeit überhaupt so ein grosses Thema werden voll ist. Schliesslich wird das Poststellennetz vom Steuer- kann, liegt daran, dass der Schweizer Binnenmarkt vor zahler mitfinanziert und auch für den Vertrieb von Pro- allem durch die Nichtzugehörigkeit zur EU faktisch er- dukten genutzt, die ausserhalb des Grundversorgungs- heblich geschützt war. Das hielt die Konkurrenz auf Dis- auftrags angeboten werden [37]. Ähnliche Kritik ist im Zu- tanz. Im Nachbarland Österreich stellt sich das anders dar, sammenhang mit der exklusiven Nutzungsmöglichkeit dort hatte der Binnenmarkt keinen Schutz. Die Folge ist, von Paket-Abholanlagen und dem Privileg der Aus- dass sich dort viel weniger starke, heimische E-Com- nahme vom Sonntags- und Nachtfahrverbot für LKW zu merce-Anbieter etablieren konnten, dass der Markt dort hören. Hier unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von ausländischen Anbietern dominiert wird und dass im Paketmarkt von denen im öffentlichen Verkehr: Dort E-Commerce insgesamt schwächer entwickelt ist. sorgt der Regulator dafür, dass die SBB als dominierendes Ausländische Anbieter haben gemerkt, dass es super einfach ist, in Unternehmen eine Reihe von als Infrastruktur verstande- die Schweiz zu liefern. Die Grenze ist keine Barriere mehr. nen Diensten entwickelt, betreibt und auch anderen, im Allen Krief, DeinDeal Vertrieb konkurrierenden Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Schweizerische Post dagegen kann trotz ihrer Die Anforderungen an den grenzüberschreitenden Wa- Dominanz Infrastrukturen, die sinnvollerweise nicht jeder renverkehr in die Schweiz wirken wie ein Deich, der das Anbieter für sich selbst aufbaut, exklusiv für sich behalten. auf einem niedrigeren Preis-Leistungsniveau liegende Binnenland Schweiz vor den Wogen aus dem wettbe- Im öffentlichen Verkehr will der Regulator, dass die Konkurrenz im werblich härter umkämpften Ausland schützte. Aus der Vertrieb steigt, auch durch Branchenexterne. Sicht ausländischer Anbieter war der Markt bis zu den Christof Zogg, SBB Währungsverschiebungen ab 2011 zu klein und zu unat- Zwei weitere Frustrationspunkte bei Schweizer Versen- traktiv, um sich mit seinen besonderen Anforderungen dern finden sich in den regulativen Rahmenbedingungen: auseinanderzusetzen. Aus Konsumentensicht war die mit Da ist zum einen die Verschiebung der Einführung der einem Onlineeinkauf im Ausland verbundene Importab- Versandhandelsregelung im revidierten Mehrwertsteu- wicklung zu unübersichtlich und kompliziert, um zu einem ergesetz um ein Jahr auf den 1.1.2019, weil aus techni- Routinevorgang zu werden. Durch die anhaltende Euro- schen Gründen mehr Zeit für die Umsetzung benötigt Schwäche hat sich der Unterschied im Preisniveau ver- wird. Damit bleibt die Übervorteilung ausländischer grössert, die Wogen aus dem Ausland werden stärker und E-Commerce-Anbieter gegenüber Schweizer Anbietern der Deich verliert seine Schutzfunktion. ein Jahr länger bestehen. Ausländische Kleinsendungen Wie kompliziert oder kundenfreundlich der Onlineeinkauf mit einem Mehrwertsteuerbetrag unter 5 Franken bleiben im Ausland aus Kundensicht tatsächlich ist, hängt davon von der Einfuhrsteuer befreit, während alle Schweizer An- ab, wie der E-Commerce-Anbieter seinen Versand und die bieter – online wie offline – ihren Kunden um die Schwei- Verzollung organisert. Im für den Kunden besten Fall zer Mehrwertsteuer höhere Preise abverlangen müssen. läuft die Zustellung genauso planbar und ohne Kosten- Es ist stimmt schon nachdenklich, dass die Einführung der Mehr- überraschungen ab wie bei Bestellungen bei Schweizer wertsteuerpflicht für grosse ausländische Versender in die Schweiz Versendern. Das ist immer dann der Fall, wenn der auslän- wegen technischen Herausforderungen um ein Jahr verschoben dische Anbieter seine Artikelstammdaten um das für die werden musste. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia Schweiz notwendige Artikelgewicht und die Schweizer Zolltarifnummer ergänzt hat, wenn er einen speziell auf Es ist nicht in Ordnung, dass wir in der Schweiz ein Vielfaches von die Schweiz ausgerichteten Versandprozess betreibt, dem für einen Paketversand bezahlen, was Alibaba bezahlen muss. Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe wenn er mit geeigneten Dienstleistern entsprechende Verträge für Transporte, Zollabwicklung und Retouren- Der zweite Punkt ist die Schweizer Subventionierung prozess unterhält und mit diesen Beteiligten die trans- von Sendungen aus China in der Form, dass China vom port- und zollrelevanten Daten elektronisch austauschen Weltpostverein als Entwicklungsland Vorzugskonditio- kann. Nicht nur Zalando, auch etliche andere grosse aus- nen gewährt werden, die nicht einmal die Kosten der ländische Versender arbeiten seit Jahren so. Um einen sol- Schweizerischen Post decken. Diese Bevorzugung wird chen Vertrag ging es auch Ende 2017 bei den Meldungen nur langsam bis 2021 schrittweise abgebaut. Da die Volks- zur geplanten Zusammenarbeit von Schweizerischer Post republik China den Export ebenfalls subventioniert, er- und Amazon. folgt der Versand der billigen Produkte um die halbe Welt für die chinesischen Versender zu minimalen Kosten.

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Im für den Kunden ungünstigsten Fall verläuft die Zu- den voraussichtlichen Liefertermin gemacht werden kön- stellung zeitlich kaum planbar, mit Zusatzkosten in unbe- nen. Nachbelastungen bei der Zustellung werden von kannter Höhe und ohne jegliche Unterstützung im Fall ei- den Kunden immer weniger akzeptiert, so dass Versender ner Rücksendung. Grundlage dieser Variante, die immer auf mitteleuropäisch professionellem Niveau die Zustell- noch vielfach angewendet wird, sind die international gül- kosten zumindest im Check-out-Prozess ausweisen. Die tigen Regeln des Weltpostvereins für das grenzüber- grössten Unterschiede finden sich bei den Lieferzeiten schreitende Postwesen (UPU-Verkehr). Der Import im und bei der Unterstützung des Retourenprozesses – bei- Postverkehr hat eine lange Tradition und ist nicht spezi- des Punkte mit grossem Einfluss auf die Versandkosten fisch auf die Bedürfnisse des Versandhandels ausgerich- des Anbieters. tet. Das Verfahren kommt überall dort zur Anwendung, wo der ausländische Versender nach den Regeln des ge- Die Integration der Shopsysteme mit dem System der Eidgenössi- schen Zollverwaltung ist eine entscheidende Voraussetzung, um in wöhnlichen Postwegs einen Brief oder ein Paket an einen der Grenzabwicklung Wettbewerbsvorteile bei Kosten und Ge- Schweizer Empfänger verschickt. Im Auftrag der eidge- schwindigkeit zu erzielen. nössischen Zollverwaltung kümmert sich die Schweizeri- Roland Schumacher, Sisa Studio Informatica sche Post um die gesetzeskonforme Importverzollung dieser Sendungen. Für den Versender ist dieses Verfah- 4.1.3 So läuft ein Verzollungsprozess optimal ab ren sehr einfach, da er lediglich wenige Angaben auf ei- nem international gültigen Formular machen muss. Er Ein Verzollungsprozess unter den gegebenen Rahmen- muss weder die besonderen Anforderungen der Schweiz bedingungen ist komplex und erfordert einiges an Know- berücksichtigen noch selbst irgendwelche Anmeldungen how, organisatorischen und technischen Vorkehrungen, bei Ämtern vornehmen. Und insbesondere muss er sich um effektiv und kostengünstig durchgeführt werden zu nicht um die bei Überschreiten der Geringfügigkeits- können. Wer ihn beherrscht, kann den gewichtigsten Teil grenze anfallenden Kosten kümmern, nicht um die Ein- der Schweizer Grenzbarriere marginalisieren. Die Zu- fuhrsteuer, nicht um den Zoll und gegebenenfalls weitere sammenhänge zu verstehen ist auch für Schweizer Anbie- warenspezifische Abgaben. Alle diese Kosten zuzüglich ter wertvoll, wenn sie, wie zu Jahresbeginn 2018 Digitec der Verfahrenskosten in Form der Postvorweisungstaxe Galaxus, ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Liefe- sind seitens des Empfängers geschuldet und werden bei ranten optimieren wollen. Deswegen wird nachfolgend der Zustellung des Briefs oder Pakets von ihm einkassiert. einer von vielen möglichen Abläufen am Beispiel eines fik- tiven deutschen Onlineshops für Bekleidung mit Kunden Die in den letzten Jahren beträchtlich angeschwollene in der Schweiz beschrieben. Flut der Sendungen aus China kommt ebenfalls auf die- sem Weg in die Schweiz. Bei der Post sorgt dieser Prozess Zunächst ist es notwendig, die beteiligten Rollen zu klä- der Importverzollung für vergleichsweise hohen Auf- ren. Jede Rolle hat im Prozess eine ganz bestimmte Funk- wand: häufig sind manuelle Erfassungen, Abklärungen tion, was aber nicht heisst, dass es verschiedene Personen und Prüfungen erforderlich. Je nach Sachverhalt kann sich oder Organisationen sein müssen, die diese Rollen ein- die Bearbeitung über mehrere Tage hinziehen. Für den nehmen. Ein international tätiges Unternehmen mit eige- Empfänger ist demzufolge nicht einschätzbar, wann die nem Geschäftssitz in Deutschland und in der Schweiz Sendung bei ihm ankommt und wie hoch die Summe aus könnte alle Rollen selbst abdecken. Die Rollen sind: nachzuentrichtender Mehrwertsteuer, Zoll und Gebühren sein wird, denn diese hängen von den Entscheidungen im • Shopbetreiber: das Unternehmen, das dem Kunden Verzollungsprozess ab. die Ware verkauft und berechnet • Zugelassener Versender: das Unternehmen mit Sitz Neben den beiden geschilderten Extremszenarien gibt es im Exportland, das die Ausfuhr im Namen des Shop- zahlreiche weitere Varianten, wie der Grenzübergang der betreibers elektronisch bei den Behörden im Export- Sendung und die erforderlichen administrativen Auflagen land anmeldet und optional einen Transit eröffnet. bewerkstelligt werden können. Deren Einzelheiten be- Ein Transit ist eine Ware unter Zollverschluss, für die stimmt der Versender, indem er seinen Exportprozess eine Bürgschaft für die Deckung der zollrechtlichen selbst definiert. Er bestimmt das Serviceniveau, z.B. die Verpflichtungen, die sich aus dem Export ergeben, Liefergeschwindigkeit, indem er mit den an der Umset- hinterlegt wird. zung beteiligten Dienstleistern entsprechende Leistun- • Fiskalvertretung: das Unternehmen mit Sitz in der gen vereinbart. Und er bestimmt auch, in welchem Um- Schweiz, das im Namen des Shopbetreibers für die fi- fang Kosten vom Empfänger zu übernehmen sind. In der nanziellen Verpflichtungen aufkommt, die sich aus Praxis haben diese Lösungen wohl alle ein höheres Leis- dem Import ergeben. Es führt in der Regel zur Beglei- tungsniveau als der geschilderte UPU-Verkehr, so dass chung der Einfuhrabgaben ein Zollkonto bei der Eid- den Empfängern weitgehend zuverlässige Angaben über genössischen Zollverwaltung EZV, übernimmt die

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Registrierung bei der Schweizer Steuerbehörde und den Rampe zur Abholung bereitgestellt werden. Aus- erstellt periodische Mehrwertsteuerabrechnungen. serdem werden dem zugelassenen Versender die Da- • Frachtführer Export: das Unternehmen, das die Sen- ten für die Zollanmeldung bereitgestellt. dungen des Shopbetreibers gebündelt vom Aus- 3. Der zugelassene Versender meldet den geplanten Ex- landslager an die Importplattform in der Schweiz port bei der Zoll- und bei der Mehrwertsteuer-Be- transportiert. Die Importplattform ist der Ort, an hörde des Exportlandes an, eröffnet einen Transit dem die Importzollabwicklung rechtlich sattfindet und gibt die Daten an den zugelassenen Empfänger und an dem Zollkontrollen durchgeführt werden kön- weiter. nen (siehe zugelassener Empfänger). 4. Der zugelassene Empfänger meldet den geplanten • Zugelassener Empfänger: das Unternehmen mit Import im Voraus bei der Zoll- und bei der Mehrwert- Sitz im Importland Schweiz, das die Einfuhr elektro- steuer-Behörde der Schweiz unter Angabe der Iden- nisch bei der Schweizer Zollbehörde und der Schwei- tifikation des Fahrzeugs und der Transitnummer an. zer Mehrwertsteuerbehörde unter Angabe des Tran- 5. Der Frachtführer Export nimmt das Paket als Teil ei- sit anmeldet. Es betreibt häufig eine eigene Import- ner Sammellieferung zu einem fahrplanmässig defi- plattform, an der der Zoll Gelegenheit hat, Sendun- nierten Zeitpunkt auf, und tritt seine Fahrt zur gen zu kontrollieren. Schweizer Grenze an. An der Grenze nimmt er die • Zusteller Inland: das Unternehmen, das die Sendun- Spur des Transitverkehrs und meldet sein Fahrzeug gen vom Frachtführer Export übernimmt und inner- an. Nach erfolgter Registrierung der Transitdoku- halb der Schweiz die Verteilung an die einzelnen Kun- mente kann er seine Fahrt zur Importplattform des den durchführt zugelassenen Empfängers fortsetzen. • Kunde: die Person, die die Ware beim Onlineshop des 6. Der zugelassene Empfänger meldet die Ankunft des Shopbetreibers bestellt hat und bezahlt, sie ist in der Fahrzeuges an der Importplattform elektronisch bei Regel auch der Empfänger. der Eidgenössischen Zollverwaltung EZV an. Je nach Vereinbarung mit den Zollbehörden muss die einge- Voraussetzung für eine effiziente und teilautomatisierte troffene Ware für die Dauer einer Interventionsfrist Verzollung sind vollständige Daten zu den Produkten und von z.B. 30 Minuten für Kontrollen durch den Zoll be- Sendungen. Spezifisch für die Schweiz wird das genaue reitgehalten werden. Mit der Erteilung einer Entlade- Gewicht jedes einzelnen Produkts – z.B. bei Schuhen für bewilligung, ebenfalls auf elektronischem Weg, gilt jede Grösse – und die Schweizer Zolltarifnummer benö- die Ware als importiert. Der Transit wird geschlossen tigt. Der Shopbetreiber braucht dementsprechend ein und die Information darüber wird elektronisch über Warenwirtschaftssystem, in dem die erforderlichen Attri- die internationale Organisation der Zollbehörden bute bewirtschaftet werden. Er muss in der Lage sein, weitergegeben. So erhält auch die Behörde im Ex- diese Daten zeitgerecht an den zugelassenen Versender portland davon Kenntnis, dass der von ihr eröffnete zu übermitteln. Der Verzollungsprozess läuft folgender- Transit geschlossen wurde. massen ab: 7. Die Ware wird an den Zusteller Inland übergeben, der sie wiederum in sein Schweizer Verteilsystem ein- 1. Der Kunde bestellt im Onlineshop des Shopbetrei- speist und dem Kunden ohne Gebühren zustellt. bers. In Abhängigkeit vom Bestellzeitpunkt, von der 8. Liegt der Warenwert oberhalb von 65 CHF und damit Verfügbarkeit des Produkts in einem in die Waren- der Mehrwertsteuerbetrag bei Bekleidung oberhalb wirtschaft des Shopbetreibers eingebundenen La- von 5 CHF, wird Einfuhrsteuer erhoben; die Steuerbe- gers und von der gewählten Versandart wurden dem hörde stellt in jedem Fall eine elektronische Veranla- Kunden ein Liefertermin angekündigt und gegebe- gungsverfügung Import aus. Überschreitet der Zoll- nenfalls sämtliche mit Transport und Grenzübergang betrag auf die importierte Bekleidung den Wert von 5 zusammenhängenden Kosten ausgewiesen. Die Be- CHF, wird Zoll erhoben und die Zollbehörde stellt gleichung dieser Kosten wird in jedem Fall vollständig eine elektronische Zollquittung aus. Die geschulde- durch den Shopbetreiber erfolgen, so dass bei der ten Beträge werden dem Zollkonto der Fiskalvertre- späteren Lieferung beim Kunden kein Inkasso mehr tung belastet. erforderlich ist. Beim Zeitpunkt der Bestellung ist 9. Sofern die Fiskalvertretung für den Shopbetreiber ein entscheidend, ob sie vor der Bestellschlusszeit liegt, eigenes Zollkonto bei der EZV führt, und der zugelas- damit die Sendung noch mit dem nächsten Transport sene Empfänger dieses bei der Einfuhrzollanmeldung ausgeliefert werden kann. angibt, hat die Fiskalvertretung Zugriff auf einen IT- 2. Das IT-System des Shopbetreibers veranlasst den Service, über den sie die elektronischen Belege Ver- oder die Rüstaufträge in den betroffenen Lagern, so anlagungsverfügung und Zollquittung herunterladen dass die Produkte im Rahmen seiner Intralogistik zu- kann. Für diese stellt sie die gesetzeskonforme Archi- sammengeführt, verpackt und an der entsprechen- vierung sicher. Andernfalls muss der zugelassene Empfänger die Belege beziehen und weiterleiten.

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10. Der zugelassene Versender erhält auf elektronischem wieder ausgeführte Ware entrichtete Einfuhrsteuer Weg eine Information über die Schliessung des Tran- wird im Rahmen der periodischen Mehrwertsteuer- sits und eine Möglichkeit, die elektronische Ausfuhr- abrechung erstattet, sofern die Firma vorsteuerab- bescheinigung herunterzuladen. Er stellt dem Shop- zugsberechtigt ist. betreiber die Belege bereit und kümmert sich um de- ren gesetzeskonforme Archivierung. 4.1.5 Wettbewerbliche Beurteilung der Logistik 11. Alle Beteiligten fakturieren ihre Dienstleistungen an ausländischer E-Commerce-Anbieter den Shopbetreiber. Die Fiskalvertretung stellt ihm zudem ihre Auslagen in der Schweiz in Rechnung. Aus der Beschreibung des Verzollungsprozesses wird deutlich, dass dessen Einrichtung mit einem hohen Initi- 4.1.4 So kann eine Retoure abgewickelt werden alaufwand verbunden ist. Seine operative Ausführung kann dafür weitestgehend automatisiert werden, weil Bekleidung ist eine Warengruppe mit einer hohen Retou- auch die Zoll- und Steuerbehörden Schnittstellen für eine renquote und es gehört zu den wichtigen Erfolgsfaktoren vollständig digitale Abwicklung bereitstellen. Der auslän- eines Fashion-Onlineshops, seinen Kunden einen einfa- dische Versender profitiert dementsprechend von hohen chen und günstigen Rücksendungsprozess anzubieten. positiven Skalenerträgen, so dass bei einem grossen Grosse ausländische Versender, z.B. auch Onlineshops Mengenaufkommen die Prozesskosten je verzolltem Arti- von Markenprodukten, beauftragen deshalb Logistik- kel marginal klein sind. Die Durchführung der administra- dienstleister im Importland mit der Retourenabwicklung. tiv geforderten Meldungen bewirkt dank der automati- Der Dienstleister kann, muss aber nicht derselbe sein, der sierten elektronischen Verfahren keine zeitliche Verzöge- die Zustellung im Inland durchgeführt hat. Der Prozess rung des Versands. Die Wartezeiten für allfällige Zollkon- könnte beispielhaft in etwa folgendermassen ablaufen: trollen sind im beschriebenen Prozess kurz und gut kalku- lierbar. Für grosse, zeitgemäss professionell arbeitende 1. Der Versender hatte seiner Warensendung bereits Versender ist der grenzüberschreitende Versand deshalb eine Anleitung für allfällige Rücksendungen beige- keine bedeutende Barriere mehr. legt, einschliesslich der benötigten Dokumente und eines Versandetiketts für das Rücksendepaket. Es sind aber noch andere Aspekte zu berücksichtigen, 2. Der Kunde meldet seine Rücksendung auf der Web- wenn die Wettbewerbssituation ausländischer E-Com- site des Onlineshops an. Er verpackt das Produkt, merce-Anbieter mit derjenigen von schweizerischen ver- klebt das Etikett auf das Paket und bringt es zu einer glichen werden soll. Das betrifft insbesondere die Be- Annahmestelle des Paketdienstes. schaffungslogistik und die Intralogistik. 3. Der Paketdienst liefert das Paket an eine Annahme- stelle für Retouren in der Schweiz. In der Beschaffungslogistik muss davon ausgegangen 4. Die Retouren-Annahmestelle prüft das zurückge- werden, dass ausländische Anbieter in der EU den schwei- sandte Produkt und erfasst die Annahme in einem zerischen häufig weit überlegen sind. Der zentrale Grund System, das diese Information an den Onlineshop dafür ist, dass sie ihre Leistungen im europäischen Bin- weitergibt. nenmarkt auf ein sehr viel grösseres Marktpotenzial aus- 5. Der Onlineshop informiert den Kunden über den Ein- richten können. Daraus erwachsen die Potenziale, sehr gang der zurückgesandten Ware und kündigt ihm die viel grössere Mengen einkaufen zu können und demzu- Gutschrift des Artikelpreises an. Die Gutschrift wird folge von den Herstellern sehr gute Konditionen zu erhal- veranlasst. ten. Anbieter in der EU können sehr viel grössere Sorti- 6. Die Retouren-Annahmestelle ordnet die zurückge- mente führen, sehr viel mehr Artikel wirtschaftlich an La- sandten Waren nach vorgegebenen Kriterien ver- ger halten und zu sehr viel mehr Lieferanten und Dienst- schiedenen Verwertungskanälen zu. Bei Bekleidung leistern elektronische Schnittstellen für automatisierte, kann die Ware häufig nicht mehr als neuwertig ver- arbeitsteilige Geschäftsprozesse einrichten. Das sind die kauft werden und wird stattdessen Zweitverwer- Gründe, warum grosse ausländische Onlineanbieter nach tungskanälen wie Outlets zugeteilt. Andere Waren Schweizer Massstäben so unvergleichlich grosse Sorti- werden für eine Aufbereitung oder Entsorgung vor- mente anbieten können. Das sind auch die Gründe, wa- gesehen. Die so sortierten Waren werden für Sam- rum kein Schweizer Anbieter mit einer Logistik aus der meltransporte an den jeweiligen Verwertungskanal Schweiz heraus in grossem Stil Onlineumsätze im Aus- gesammelt. Liegt der Verwertungskanal im Ausland, land macht. Ein internationaler Player wie der Schweizer werden neue Export-Import-Vorgänge ausgelöst. Für Möbelanbieter Beliani betreibt folglich jegliche Logistik Waren, auf die Zoll entrichtet wurde und für die die für Auslandsmärkte im Ausland. Nummer der Importverzollung der Einzelsendung be- Der grössere Markt, das grössere Sortiment und die grös- kannt ist, kann auf Antrag ein Rückerstattungsver- seren Mengen stellen auch grössere Anforderungen an fahren für den Zoll eingerichtet werden. Die auf die

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die Intralogistik eines Anbieters. Um kurze Lieferzeiten am nächsten Tag eigentlich nichts Besonderes, denn aus- realisieren zu können, dürfen die Distanzen zum Empfän- serhalb der Modebranche wird das bereits von etlichen ger nicht zu gross sein, weshalb mehrere Lager an ver- Schweizer Versendern angeboten, teilweise auch ohne schiedenen Standorten geführt werden. Für viele Artikel Zuschlag. Für seinen Standardversand gibt Zalando auf ist aber die insgesamt verkaufte Anzahl nicht gross ge- der Website eine Lieferzeit von in der Regel zwei bis fünf nug, um sie an allen Lagern vorzuhalten. Das kann dazu Werktagen an. Die gosse Bandbreite zeigt die vielfältigen führen, dass bei einer Bestellung mit zwei Artikeln der Konstellationen, die je nach bestellten Produkten zum eine Artikel in einem zur Kundenadresse nahe gelegenen Tragen kommen können. Und wenn Produkte aus ver- Lager vorrätig ist und schnell geliefert werden könnte, der schiedenen Lagern vor dem Versand in die Schweiz zu- andere Artikel aber in einem weiter entfernten Lager liegt sammengeführt werden müssen, ist eine Standardliefer- und deshalb eine um einen Tag längere Lieferzeit erfor- zeit von drei Tagen oder mehr kaum zu vermeiden. dert. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Lager gross sein müssen, um hohe Investitionen in die Automatisierung zu Unser Premiumversand Next Day Evening Delivery wird in der Schweiz sehr gut angenommen. Linus Glaser, Zalando rechtfertigen und mit grossen Umschlagmengen positive Skalenerträge zu bewirken. Die Automatisierung zwingt Das wird auch bei Amazon nicht anders sein. Deshalb sind zur Einhaltung von Prozessen – zum Vorteil in der Effizi- Meldungen in den Medien, dass Amazon in Kürze meh- enz, zum Nachteil in der Flexibilität. Dabei sind die Pro- rere Hundert Millionen Produkte in 24 Stunden in die zesse so ausgelegt, dass sie ein hohes Mengenvolumen, Schweiz liefern könne, zwar theoretisch möglich, in der z.B. in der Vorweihnachtszeit, innerhalb einer definierten Praxis ist eine solche Grössenordnung aber aus wirt- Frist bewältigen können. Diese Frist wirkt sich auf die für schaftlichen Gründen nicht zu erwarten. die Gesamtlieferzeit in Tagen wichtige Bestellschlusszeit aus. Die Fahrpläne der abholenden Fahrzeuge sind einer- Die Zustelllogistik wurde aus der Perspektive ausländi- seits durch zeitliche Restriktionen in der Logistikkette be- scher Versender in den vorausgehenden Abschnitten im stimmt. Das können die spätesten möglichen Anliefe- Zusammenhang mit dem Grenzübergang und der Verzol- rungszeiten einer nächsten Transportstufe – z.B. ein lung ausführlich behandelt. Ab dem Zeitpunkt, an dem Bahn- oder Lufttransport –, des Zolls oder auch Nacht- der inländische Paketdienst, in Kapitel 4.1.3 als Zusteller fahrverbote und Arbeitszeiten der Chauffeure sein. Ande- Inland bezeichnet, die Ware an der Importplattform über- rerseits soll jede Tour immer möglichst gut ausgelastet, nimmt, geht es noch um die Verteilung innerhalb der aber nie überlastet sein. Es liegt auf der Hand, dass eine Schweiz und um die Übergabe auf der letzten Meile. Diese optimale Intralogistik immer nur ein Kompromiss sein Funktion stellt sich für die ausländischen E-Commerce- kann, der für ein einzelnes Kriterium allein meist nicht das Anbieter genau gleich dar wie für die schweizerischen. Optimum darstellt. Greifen alle Wettbewerber auf die gleichen Produkte der Schweizerischen Post zurück, die diesen Markt – wie in In der Praxis lässt sich das am Lieferangebot von Zalando Kapitel 4.1.1 erläutert – dominiert, bietet die Zustelllogis- nachvollziehen. Zalando nahm im September 2017, nicht tik auf qualitativer Ebene keine Möglichkeit, sich im Wett- zuletzt mit Blick auf den Schweizer Markt, ein Logistik- bewerb zu unterscheiden. zentrum im deutschen Lahr in Betrieb, etwa 110 km von der Schweizer Grenze entfernt. Da könnte man sich vor- stellen, dass eine kostenpflichtige Premium-Zustellung 4.2 Wettbewerbsvorteile Schweizer Anbieter aus bei einer Bestellung bis Mittag am Abend in Zürich sein der Logistik? sollte – die reine Fahrzeit beträgt ja nur drei Stunden. Tat- Schweizer Anbieter mit Lagerführung im Inland sind na- sächlich gilt aber für Zalandos Premium-Zustellung, die turgemäss näher beim Kunden. Hilft Ihnen das? Ihre Wett- Next Day Evening Delivery, eine Bestellschlusszeit von 13 bewerbsfähigkeit soll nachfolgend unter verschiedenen Uhr, damit die Zustellung am Abend des folgenden Werk- Aspekten erörtert werden. tags zwischen 17 und 20 Uhr erfolgt. Dafür wird ein Zu- schlag von 7 CHF fällig. In den Augen des Schweizer Käu- fers ist das eine gewöhnliche Next Day Lieferung. Aber 4.2.1 Das Potenzial Schweizer Anbieter in den Zalando braucht die Nacht – die Ware kommt eben nicht drei Logistikbereichen nur aus dem grenznahmen Lahr, sondern auch aus den Nachdem in Kapitel 4.1.5 die Leistungsfähigkeit ausländi- entfernteren Logistikzentren in Erfurt, Brieselang oder scher Anbieter in Bezug auf ihre Logistik für Kunden in der Mönchengladbach. Um das Lieferversprechen dann im- Schweiz beleuchtet wurde, soll nachfolgend das Potenzial mer noch realisieren zu können, muss Zalando bei der Schweizer Anbieter mit dem der ausländischen verglichen Post den teureren Dienst SameDay Abend in Anspruch werden. nehmen. Dem Schweizer Kunden bleibt dieser Aufwand auf Zalandos Seite verborgen. Für ihn ist eine Lieferung

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Beschaffungslogistik Viele Grosshändler haben sich in den letzten Jahren darauf einge- stellt, auch einzelne Produkte auftragsgerecht zu versenden. In der Beschaffungslogistik können Anbieter in der Matthias Fröhlicher, KOALA Schweiz mit einer rein nationalen Ausrichtung in der Re- gel weder beim Angebotsumfang noch bei den Logistik- Der dritte Ansatz ist eine grenzüberschreitende virtuelle kosten mit Anbietern in der EU mithalten; das wurde in Angebotserweiterung, sie wird in Kapitel 4.2.2 weiter aus- Kapitel 4.1.5 dargelegt. Es gibt drei Ansätze, um dieser Si- geführt. tuation im Bereich des Angebotsumfangs etwas entge- Intralogistik genzusetzen. Für den Vergleich zur Situation Schweizer Anbieter sollen Der erste Ansatz ist, die eigene Sortimentskompetenz zunächst die Verhältnisse bei grossen ausländischen zu erhöhen und durch eine nachfragegerechtere Arti- Wettbewerbern in Erinnerung gerufen werden: In der Int- kelauswahl und Disposition einen grösseren Teil der tat- ralogistik profitieren diese von ihren hochgradig automa- sächlichen Nachfrage von Schweizer Kunden erfüllen zu tisierten Logistikzentren und den niedrigen Kosten für das können. Um das zu erreichen, müssen neue Formen zur Picken und Verpacken eines Produkts. Sobald aber die Ar- Beobachtung der tatsächlichen Nachfrage und der Erstel- tikel einer Bestellung aus mehreren Lagern an verschiede- lung geeigneter Prognosen gefunden werden. Die kriti- nen Standorten zusammengeführt werden müssen, geht schen Input-Faktoren dafür sind geeignete Daten zur ein Teil der Vorteile vor allem in Bezug auf die Lieferzeit Nachfrageentwicklung und das Know-how sowie die verloren. Bei Lagern in grosser Entfernung zur Schweiz Tools zur Bestimmung der geeigneten Dispositionsver- verschiebt sich zudem die Bestellschlusszeit immer weiter fahren. Gelingt dieser Ansatz, würde der Anteil der Nach- nach vorne und führt ab einem gewissen Punkt sprung- frage, die nicht bedient werden kann, sinken. haft zu einer um einen Tag längeren Lieferfrist. Wollen ausländische Versender trotzdem binnen einem oder zwei Der zweite Ansatz ist, sein eigenes Angebot um die in Tagen an eine Schweizer Adresse zustellen, müssen sie im der Schweiz lagernden Bestände von anderen Anbietern zu erweitern. Damit können die Nachteile des zu kleinen, Vergleich zur Standardzustellung höhere Kosten für den Transport bis zum Logistikzentrum des Schweizer Zustel- eigenen verfügbaren Sortiments reduziert, die Vorteile lers in Kauf nehmen und in der Schweiz ebenfalls der Produktverfügbarkeit im Inland aber erhalten werden. teure Das Konzept wurde bereits im E-Commerce Report 2009 Dienste für Zustellungen binnen Stunden oder am glei- chen Tag buchen. unter dem Stichwort Virtuelle Angebotserweiterung in einer von drei Thesen zu den nachhaltigen Erfolgsfakto- Schweizer Anbieter sind hier im Vorteil, wenn sie für die ren des E-Commerce ausführlich beschrieben [38]. Im In- von ihnen angebotene Ware Zugriff auf einen Lager- land sind solche Angebotserweiterungen in der IT und standort im Inland haben. Mit einer zeitgemässen Intra- Heimelektronik seit vielen Jahren Standard. In den letzten logistik können sie bei Bestellungen bis zum späten Nach- Jahren haben sie sich auch in vielen weiteren Branchen als mittag regulär mit A-Post am nächsten Tag zustellen las- Standarddienstleistungen von Grosshändlern etabliert. sen. Auch Lieferungen am gleichen Tag sind hier möglich Der Grosshändler kann nach dem Konzept des Strecken- und werden in den Schweizer Ballungsräumen auch be- geschäfts – auch Dropshipping genannt – auch im Namen reits praktiziert. Dass das ein Wettbewerbsvorteil sein des Onlineshops, der die Bestellung erhalten hat, an den kann, zeigt BRACK.CH, die über 200'000 Artikel – darun- Endkunden versenden, sodass die Bestellung ohne Zeit- ter auch Bekleidung und haltbare Lebensmittel – am La- verlust ausgeführt werden kann. Voraussetzung dafür ist, ger haben und hochgradig automatisiert mit einer Bestell- dass geeignete Zusammenarbeitsformen vereinbart und schlusszeit um 17 Uhr am nächsten Tag liefern. darauf abgestimmte Prozesse und IT-Schnittstellen ein- gerichtet werden. Das kann durch Standardisierung, tech- Für BRACK.CH ist die Logistik ein Schlüssel-Erfolgsfaktor: zuver- nische Integrationsplattformen oder ähnliche Konstrukte lässig am nächsten Tag ausliefern. stark erleichtert werden. Die Competec-Gruppe, die ihre Markus Mahler, BRACK.CH Geschäftstätigkeit in den letzten Jahren auf zahlreiche Wir haben in unserer Logistikzentrum investiert und konnten un- Produktsegmente ausgeweitet hat, nimmt eine solche sere Effizienz deutlich verbessern. Allen Krief, DeinDeal Plattform-ähnliche Rolle ein, indem sie ihre über 200'000 Lagerartikel wie ein Distributor auch im Namen anderer Eine weitere, in der Schweiz im B2C-E-Commerce aber Anbieter versendet. Interessant ist insbesondere die Zu- noch sehr selten praktizierte Variante wäre, Kunden aus sammenarbeit mit der Intersport-Verbundgruppe, in- regionalen Lagern in ihrer Nähe zu beliefern. Dabei nerhalb derer Competec Zentralfunktionen für alle Inter- könnte es sich auch um stationäre Ladengeschäfte oder sport-Händler erbringt. Weitere Informationen dazu und an solche angeschlossene Lager handeln. Dieser Aspekt zu einer Kooperation unter 15 regionalen Eisenwaren- wird in Kapitel 4.2.4 weiter behandelt. händlern mit gleichem Zweck enthält Kapitel 5.5.3.

28 Logistik als Wettbewerbsvorteil?

Zustelllogistik Wenn man die Logistik selbst im Griff hat, kann sie ein Wettbe- werbsvorteil sein. Stephan Widmer, Beliani Für eine extern erbrachte Zustelllogistik innerhalb der Schweiz wurde festgestellt, dass sich die Rahmenbedin- Eine weitere Möglichkeit, sich in der Zustelllogistik zu un- gungen für ausländische und Schweizer E-Commerce-An- terscheiden, ist, stationäre Filialen als Ausgangspunkt bieter nicht unterscheiden. Arbeiten alle Anbieter mit für kurzfristige Lieferungen einzusetzen. Dafür hat die denselben Paketdienstleistern, kann man sich nur noch PCP.COM-Gruppe 2016 eine ausgeklügelte Lösung in Be- geringfügig durch die Auswahl aus den Standardservices trieb genommen, die in Kapitel 4.2.4 vertieft wird. unterscheiden. Sollte der Serice einen relevanten Wettbe- werbsvorteil darstellen, stünde er den Wettbewerbern Mit Kurieren arbeiten BRACK.CH, Farmy und andere On- aber ebenfalls offen. lineanbieter, indem sie auf die Dienste der notime AG zu- rückgreifen. Das 2014 gegründete Start-up betreibt eine Ein entscheidender Erfolgsfaktor im Onlinegeschäft ist, wie man Koordinationsplattform für City-Logistik-Kurierdienste, die letzte Meile im Sinne des Kunden regelt und weniger aus logis- primär basierend auf Velokurieren. Auf diese Weise kön- tischen Problemstellungen. Urs Schumacher, Le Shop nen kurzfristige oder zeitfenstergenaue Lieferungen an die Bestelladresse in acht Schweizer Ballungsräumen Die Alternative ist deshalb, die Zustelllogistik selbst aus- oder an bediente Abholstellen an einigen Schweizer zuführen. Am konsequentesten wird diese Politik seit vie- Bahnhöfen zugestellt werden. Im März 2018 übernahm len Jahren von coop@home verfolgt. Sie können in der die Schweizerische Post die Aktienmehrheit an notime. Schweiz als Leistungsführer in der E-Commerce-Zustell- logistik angesehen werden. Mit eigenen Chauffeuren lie- In der Zustelllogistik besteht in der Schweiz Handlungs- fert coop@home in Agglomerationen in Ein-Stunden- bedarf. Es werden Konzepte benötigt, die mehr Differen- Zeitfenstern mindestens zwischen 12 und 22 Uhr bis an zierung im Wettbewerb ermöglichen. Die Studienteil- die Wohnungstür, bei Bedarf auch am selben Tag. Auf nehmer, das zeigt Abb. 12 deutlich, gehen davon aus, dass Wunsch können Kunden bei der Anlieferung sogar mit dazu noch viel Potenzial besteht. Karte bezahlen. Für die dafür notwendige, mehrstufige Logistik hat die Coop-Gruppe beträchtliche Investitionen Abb. 12: Studienteilnehmer erwarten weitere Innovationen getätigt und unterhält eine grosse Fahrzeugflotte mit dem entsprechenden Personal. 16 n=26 18 Wenn alle Versender mit dem gleichen Logistikdienstleister arbei- 12 ten, wird die Leistung völlig nivelliert. Wer sich hervorheben will, 8 muss es selbst machen. Philippe Huwyler, coop@home 4 8 0 0 0 Philippe Huwyler von coop@home hatte bereits in frühe- stimme st. eher stimme stimme ren Ausgaben des E-Commerce Report wissen lassen, nicht zu nicht zu eher zu voll zu  Ambitionierte Konzepte von Versen- dass sie die Eigenauslieferungen als einzigen Weg sehen, dern wie Amazon und von Startups im um das Leistungsniveau, das sie sich vorstellen, zu errei- Ausland zeigen, dass das Potenzial der Paketlogistik noch lange nicht ausge- chen. Dabei seien sie zudem günstiger als die Post – aller- schöpft ist. dings wird die Eigenauslieferung auch nur in Agglomera- tionen angeboten. 4.2.2 Grenzüberschreitende Angebotserweite- Gleiche Argumente für die Eigenauslieferung sind von rung bei Schweizer Anbietern Farmy zu hören: Im vorausgegangenen Kapitel wurde erläutert, warum Wir liefern soweit als möglich selbst aus. Dadurch erreichen wir ei- ausländische Anbieter in der EU den schweizerischen in nen viel besseren Service-Level und die Kosten sind niedriger. Tobias Schubert, Farmy der Beschaffungslogistik so weit überlegen sind und sehr viel grössere Sortimente anbieten und am Lager halten Bei Möbel Pfister und Beliani, die beide Möbel in der können. Von ausländischen Lagerbeständen können Schweiz selbst ausliefern, kommen segmentspezifische aber auch schweizerische Anbieter profitieren, wenn sie Anforderungen dazu, z.B. der Transport sperriger Möbel im Ausland nicht nur wie üblich in grossen Mengen an das durch enge Treppenhäuser oder die Mitnahme und Ent- eigene Lager, sondern auch auftragsspezifisch einzelne sorgung von Altmöbeln. Zwar gibt es spezialisierte Liefer- Produkte einkaufen. Man erweitert also sein Angebot an dienste auch für solche Anforderungen, aber um das Leis- Produkten, die bereits in der Schweiz gelagert werden, tungsniveau sicherstellen zu können, übernehmen es um solche, die sich an einem Lagerstandort in der EU be- diese beiden Anbieter lieber selbst. finden. Dazu muss ein regelmässiger Importprozess etab- liert werden. Da der Grenzübertritt auf die in Kapitel 4.1.3

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geschilderte Weise weitgehend automatisiert bewerk- kann, betreibt auch Digitec Galaxus eine Schnittstelle zu stelligt werden kann, können Schweizer E-Commerce- Tradebyte, einer digitalen Plattform für den automati- Anbieter in der grenzüberschreitenden Beschaffung prin- sierten elektronischen Datenaustausch zwischen Online- zipiell die gleichen Prozesse anwenden, die ihre auslän- händlern und Onlinemarktplätzen [40]. Über 600 Anbie- dischen Wettbewerber im grenzüberschreitenden Ver- ter seien bereits an Tradebyte angeschlossen, primär aus sand an Schweizer Kunden anwenden. dem Modesektor. Mit jedem von ihnen ist die technische Anbindung damit schon vorhanden. Für die Aufnahme ei- Im Medienhandel und bei IT und Heimelektronik werden ner Zusammenarbeit bedarf es lediglich noch einer kom- bereits häufig grenzüberschreitende Angebotserweite- merziellen Vereinbarung. rungen praktiziert. Dabei handelt es sich in der Regel um eine überschaubare Zahl stabiler Geschäftsbeziehungen, Um als Marktplatz in einer Warengruppe wie Fashion ein attrakti- in der die Logistik einschliesslich der Verzollung komplett ves Angebot präsentieren zu können, gibt es keine Alternative dazu, ausländische Anbieter aufzunehmen. an Dienstleister ausgelagert ist. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus Flexiblere und weitergehende Lösungen betreiben im Mit der grenzüberschreitenden Angebotserweiterung Studienpanel die PCP.COM-Gruppe, Digitec Galaxus können Schweizer Anbieter dem Leistungsniveau auslän- und bis vor einigen Jahren auch ricardoshops.ch. Dabei discher Wettbewerber in Bezug auf Angebotsumfang unterhalten die Anbieter auch in Deutschland einen Ge- und Preisniveau recht nahe kommen. In Bezug auf die schäftssitz und kaufen von diesem aus bei ausländischen Geschwindigkeit und weitere Leistungsaspekte können Distributoren ein. Das hat gleich mehrere Vorteile: Wenn möglicherweise sogar Wettbewerbsvorteile erzielt wer- man wie die PCP.COM-Gruppe und Digitec Galaxus so- den, da ja alle beteiligten Komponenten nach eigenen An- wohl in der EU als auch in der Schweiz als Händler tätig ist, forderungen gestaltet und betrieben werden können. kann man sich je nach aktuellen Konditionen aussuchen, Auch hier erfordert die Initialisierung, wie in Kapitel 4.1.5 ob man im Namen der Schweizer oder der deutschen Ge- beschrieben, hohe Initialkosten. Bei weitgehender Auto- sellschaft bestellt. Insbesondere bei Markenprodukten ist matisierung kann der Grenzübertritt aber vergleichsweise das relevant, da viele Marken in der Schweiz nur ein ein- günstig abgewickelt werden. In Kauf genommen werden geschränktes Sortiment oder nur zu höheren Preisen an- muss allerdings der dauerhafte Betrieb einer Geschäfts- bieten. In der Beschaffungslogistik ist man bei der Aus- niederlassung im Ausland. wahl von Lieferanten viel flexibler als von der Schweiz aus, da die Lieferanten mit ihrem normalen, EU-internen Stan- dardprozess an eine deutsche Lieferadresse versenden 4.2.3 Neue Beschleunigigung in der Zustellung, können und mit dem Export nichts zu tun haben. Den Pick-up-Lösungen allerorten Transfer in die Schweiz organisieren PCP.COM und Di- Die Liefergeschwindigkeit war im E-Commerce von Be- gitec Galaxus sowohl physisch als auch in Bezug auf die ginn weg ein relevanter Erfolgsfaktor. Waren zu Zeiten Zollabwicklung selbst. Alle dazu erforderlichen Prozesse der grossen Katalogversender noch Lieferzeiten von 10 sind in eigenen IT-Systemen implementiert. Die in Kapitel bis 14 Tagen der Standard, können heute, je nach Bran- 4.1.3 im Zusammenhang mit der Verzollung genannten che, ein bis fünf Tage als Standard angesehen werden. Rollen können alle in der eigenen Unternehmensgruppe Erst vor etwa fünf Jahren wurde die Unterschreitung der abgedeckt werden. Auf diese Weise liegen alle Prozessde- Zustellung binnen 48-Stunden ernsthaft diskutiert, was tails einschliesslich der exakten Schlusszeiten für den auch damit zusammenhängt, dass dann nicht mehr mit grenzüberschreitenden Transfer in der eigenen Regie und dem günstigeren B-Post-Tarif verschickt werden kann. können sich ändernden Bedürfnissen flexibel angepasst 2014 etablierten erste Pioniere bereits Same-Day-De- werden – wahrscheinlich flexibler als es die grossen inter- livery-Lösungen: coop@home auf eigenen Ausliefe- nationalen Wettbewerber können. Die Konsumenten er- rungstouren und microspot.ch bei Lieferungen an 17 Ab- halten die Lieferung tatsächlich von dem Schweizer On- holstationen. lineshop zugesandt, bei dem sie bestellt haben. Dass die Lieferung ursprünglich aus dem Ausland kommt, merken In den letzten drei Jahren verlagerte sich der Fokus in der sie nicht. Die PCP.COM-Gruppe praktiziert diese Form der Zustelllogistik von der Geschwindigkeit zu mehr Präzi- grenzüberschreitenden Sortimentsausweitung bereits sion und Vielfalt bei der Übergabe. Immer öfter können seit 2005 und kann auf diese Weise auch die STEG- Kunden heute zwischen Tag- und Abendzustellung wäh- Filialen sehr kurzfristig mit kundenindividuell nachge- len, manchmal stehen auch mehrere Lieferzeitfenster zur fragten Artikeln versorgen. Auswahl. Die beiden grossen Lebensmittelanbieter sind hier führend. Es wurde zum Standard, dass Kunden eine Digitec Galaxus ist zwischenzeitlich einen weiteren bevorstehende Lieferung angekündigt wird, mindestens Schritt gegangen, um die Flexibilität noch weiter zu erhö- auf den Liefertag, manchmal auf ein Zeitfenster genau. hen. Wie der Handelszeitung [39] entnommen werden Bei einigen Diensten haben die Kunden die Möglichkeit,

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dann noch Verschiebungen zu veranlassen oder spezielle up Emmasbox beteiligt, das Schliessfachanlagen mit indi- Anweisungen zu geben. viduell gekühlten Fächern entwickelt.

Schweizer Anbieter haben gegenüber Amazon als einzigen Vorteil Pick-up-Stellen haben das Potenzial, den Kunden einen noch die höhere Geschwindigkeit. Deshalb wird so viel in eine bequemen Übergabeort anzubieten, ihnen die Freiheit schnelle Lieferung investiert. Samy Liechti, BLACKSOCKS der flexiblen Bestimmung des genauen Übergabezeit- punkts zu geben und weitere Aspekte mit der Abholung Im Jahr 2018 rückt die Geschwindigkeit wieder in den Fo- zu verbinden, z.B. die Bezahlung der Bestellung, die Rück- kus. Die Schweizer Anbieter wollen Next Day Delivery gabe von Leergut, den spontanen Einkauf von Conve- zum Standard machen, allenfalls auch Same Day De- nience-Food, Frischeartikeln und dergleichen. Für die livery als Option anbieten. Bei einigen wenigen Anbietern Versender ist die Anlieferung an eine Pick-up-Stelle – ein ist das zwar bereits Standard, für den Schweizer Markt als gewisses Volumen vorausgesetzt – kostengünstiger als Ganzes gilt das aber bei weitem nicht. Auslöser für die eine Heimlieferung und die Gefahr eines Scheiterns der neuen Beschleunigungsvorhaben sind weniger die Kun- Übergabe sinkt massiv. Gleichzeitig tragen Abholungen den, die das verlangen würden, als vielmehr eigene Über- zur Frequenzsteiegrung am Abholort bei und lösen dort legungen zur Positionierung im Wettbewerb mit auslän- im Idealfall Zusatzkäufe aus. dischen Anbietern. Man will sich von ihnen auf der Leis- tungsebene deutlicher unterscheiden können. Im Idealfall Ein wichtiger Aspekt könnte auch sein, dass sich Amazon wäre man mindestens zwei Tage schneller – das könnte in einigen Ländern stark in Abholstationen engagiert, z.B. für viele Kunden ein relevanter Unterschied sein. Primär mit so genannten Lockern. Das sind Schliessfachanlagen preisfokussierte Kunden ohne Zeitdruck, befürchtet ein wie sie auch von der Schweizerischen Post betrieben wer- Studienteilnehmer, habe man möglicherweise ohnehin den. Wenigstens hier soll Amazon in der Schweiz nicht mit schon an ausländische Anbieter verloren. einer Innovation aufwarten können.

Ich glaube schon, dass es für Kunden ein Kaufargument sein kann, Die in den Filialen der Grossverteiler eingerichteten Pick- die Ware am gleichen Tag zu bekommen. Gregor Doser, Google Switzerland up-Stellen erscheinen in der Form, wie sie aktuell reali- siert werden, stark anbietergetrieben. Sie werden logis- Lieferzeiten von weniger als zwei Tagen stellen nicht nur tisch genau gleich versorgt wie Heimlieferadressen. Kun- Anforderungen an die Zustelllogistik, sondern auch an die den profitieren also nicht vom Vorteil einer schnelleren Intralogistik. Die Bestellschlusszeit wird zu einem kriti- Verfügbarkeit, was bei den Pick-up-Stellen von micro- schen Leistungsmerkmal. Denn wenn ein Kunde bis 13 spot.ch als ein Erfolgsfaktor gilt. Je nach Betriebstyp, in Uhr bestellen muss, um eine Ware am nächsten Tag zu er- dem sie installiert sind, sind sie mehr oder weniger kun- halten, wird er das in vielen Fällen als eine Zwei-Tages- dengerecht. In ungünstigen Fällen, z.B. dem Migros Cen- Lieferzeit wahrnehmen. Die Intralogistik muss also in den ter Dreispitz in Basel, müssen lange Wege vom parkierten Stunden vor der Abholung der Pakete durch den Paket- Auto zum Abholschalter an der entferntesten Stelle im dienstleister eine möglichst hohe und zuverlässige Kapa- Obergeschoss des Centers zurückgelegt werden. Der zität aufweisen. Deswegen wurde bei mehreren Anbie- Kunde hat das Handling mit dem Einkaufswagen und tern die Automatisierung in der Lagerlogistik in die In- muss am Kundendienstschalter anstehen. So ist eine Ab- vestitionsschwerpunkte aufgenommen. Rekordhalter bei holstelle keine komfortable Alternative zur Heimliefe- der Bestellschlusszeit für eine schweizweite Lieferung rung, wobei es natürlich auch gelungenere Beispiele gibt. dürfte Interdiscount sein, die im Mai 2018 offiziell ihr Wer aber einmal als Autofahrer den herausragenden Ser- neues Lager in Jegenstorf eröffneten: Noch bis 20 Uhr vice eines Le Shop Drive erlebt hat, wird sich schwertun, können Lagerartikel bestellt werden, um sie am nächsten einen PickMup als adäquate Alternative anzusehen. Tag zu erhalten. Bei Farmy ist die Bestellschlusszeit für Lieferungen am nächsten Tag in den Kantonen Zürich, In den meisten Fällen kann an den Abholstellen der beiden Zug und Aargau erst um 24 Uhr. Grossverteiler nicht bezahlt werden, wovon Kunden aber gerne Gebrauch machen, wenn es möglich ist. Robotics & Automation sind die wichtigsten Zukunftsthemen in der Logistik. Maud Hoffmann, Geschenkidee.ch Die Möglichkeit, eine Bestellung am gleichen Tag an einer Pick-up Stelle abholen zu können, wird eine Standard-Erwartung sein. Francesco Vass, ricardo.ch Ungebremst weiter geht auch der Ausbau der Pick-up- Stellen, vor allem bei den Grossverteilern Migros und Wenn Kunden ihre Onlinebestellungen im Laden abholen, bezah- Coop. Migros will die Zahl ihrer PickMups von rund 750 im len sie dort auch gerne. Daniel Röthlin, Ex Libris Frühjahr 2018 noch weiter ausbauen, Coop hat bereits über 1’100 Abholstellen und sieht sich ebenfalls noch nicht Pick-up-Stellen nutzen vor allem die Leute, denen die Liefergebühr am Ende. Migros hat sich zudem am süddeutschen Start- zu hoch ist. Eigentlich wollen aber auch sie den Komfort der Heim- lieferung. Tobias Schubert, Farmy

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Onlinepioniere funktionieren ja so, dass sie eine neue Idee sie STEG-Express. Für einen Zuschlag von 9.50 CHF er- in einem möglichst niederschwelligen Projekt ausprobie- folgt die Lieferung von den Filialen ausgehend per Kurier ren, Defizite sehr schnell beheben, die Erfolgsfaktoren in einem von drei Drei-Stunden-Zeitfenstern pro Tag. Je identifizieren und dann das Konzept, wenn es funktio- nach Vorlaufzeit sind dabei entweder die bis zu 3'000 am niert, nach der Testperiode unter Beachtung der identifi- häufigsten nachgefragten und in der regionalen Filiale zierten Erfolgsfaktoren ausrollen (vgl Tab. 2 in Kapitel verfügbaren Artikel oder 15'000 Artikel unter Einbezug 3.5). Bei den Abholstellen in den Supermärkten ist nicht des eigenen Zentrallagers oder, wenn die Bestellung am klar, ob die Entscheidungen für die massiven Roll-outs Vortag erfolgt, über eine halbe Million Artikel durch Ein- tatsächlich auf so positiven Erfahrungen aus den beiden bezug der Bestände bei ausländischen Lieferanten. Diese ersten Betriebsjahren aufsetzen. Die Rückmeldungen der Leistungsfähigkeit wird dadurch erreicht, dass PCP.COM Studienteilnehmer sind dazu nicht eindeutig. Lediglich in der Beschaffungslogistik, der Intralogistik und der Zu- bei Elektronikanbietern ist bekannt, dass die Abholung stelllogistik eine hohe eigene Wertschöpfungstiefe hat. von Bestellungen wirklich häufig gewählt wird. Ob Super- märkte dazu genauso gut angenommen werden wie klei- Ein Vorbild nehmen könnte man sich auch an Zalando. Im nere Abholstellen, ist noch nicht transparent. In Bezug da- Rahmen ihrer Plattformvision wollen sie ihre Kunden- rauf, ob die Abholer an den Abholstellen lediglich ihr Pa- freundlichkeit unter anderem dadurch verbessern, dass ket abholen oder dabei auch noch Zusatzkäufe tätigen, sie «auf lokale Warenbesteände und schnelle Liefer- gibt es sowohl Aussagen in die eine als auch in die andere möglichkeiten zugreifen» [41]. Dazu werden verschie- Richtung, ohne dass man bereits erkennen könnte, in wel- dene Verfahren ausgetestet. Eine für stationäre Händler chen Fällen das geschieht und in welchen nicht. sehr niederschwellige Softwarelösung namens Gaxsys wird in Kapitel 5.5 detaillierter vorgestellt.

4.2.4 Einbezug von stationären Geschäften Es ist definitiv unser Ziel, die Zalando-Plattform auch mit dem sta- tionären Handel zu verknüpfen. Im Rahmen unserer Connected Viele Artikel, die online bestellt und über eine zentrale Lo- Retail Piloten bieten wir hier unterschiedliche Modelle: Die Anbin- gistik über weite Strecken zugestellt werden, stehen oft dung im Rahmen des Partnerprogramms oder aber über die Soft- auch in viel kürzerer Distanz bei einem Händler in der warelösung von Gaxsys. Linus Glaser, Zalando Nähe des Kunden zum Verkauf. Es ist ein Teil des Dramas des stationären Detailhandels, dass er bisher weder auf Möglicherweise finden ausländische E-Commerce-An- der Absatzseite bei Kunden noch auf der Erfüllungseite bieter früher als schweizerische eine Lösung dafür, Sorti- bei Lieferanten einen Weg gefunden hat, sich in die ver- mente aus stationären Filialen in ihr Angebot einzubezie- netzte Handelswelt zu integrieren. Absatzseitig wird die- hen. Wenn das so sein sollte, wären die Mühen Schweizer ses Thema auch in Kapitel 3.4 behandelt. Anbieter für schnellere Lieferungen wohl vergebens.

In den Interviews wird transparent, dass sich einige Stu- 4.3 Retourenlogistik dienteilnehmer absatzseitig mit diesem Thema beschäfti- gen und evaluieren, ob Ware aus stationären Geschäften Logistik als Erfolgsfaktor im E-Commerce – dabei wird versandt werden soll. Zwar gibt es viele Gründe, warum es fast immer nur an die Vorwärtslogistik gedacht, also den so ist wie es ist, z.B. dass die bei einem Produkt aufgelau- Weg der Ware zum Kunden. So war es bisher auch im fenen Kosten, bis es einmal in einem Ladengeschäft ist, so E-Commerce Report Schweiz. Der Rückwärtslogistik, hoch sind, dass eine Verwendung im Distanzhandel kei- also der Organisation der Retouren, wurde bisher wenig nen Sinn mehr zu machen scheint. Ein Studienteilnehmer Beachtung geschenkt. Auch die Kunden wurden mit dem aus einem filialisierten Unternehmen beklagt zudem, mühsamen Prozess der Verpackung und Rücksendung dass ihre Läden nicht so gebaut seien, dass sie sie als Lo- weitgehend allein gelassen. gistikcenter für sehr kurzfristige Abholungen oder für re- gionale Lieferungen nutzen könnten. Mode kann man online nur verkaufen, wenn der Kunde die Ware schnell und einfach bekommt und vor allem auch wieder zurück- Wo sofortige Warenverfügbarkeit erfolgsentscheidend ist, wird schicken kann. Linus Glaser, Zalando man auch in Zukunft dezentrale Lager benötigen, auch in Läden. Pierre Wenger, Interdiscount Das beginnt sich in einigen Segmenten zu ändern. Auch hier gehört Zalando zu den Vorreitern: Im Dezember 2017 Das Thema scheint in den Köpfen zu gären, konkrete Lö- weitete Zalando seinen einige Monate regional erprobten sungen sind im Studienpanel aber noch nicht zu erken- Prozess zur Retourenabholung auf ganz Deutschland nen. Mit einer Ausnahme: Die PCP.COM-Gruppe ist 2016 aus. Es ist ein Service im Rahmen des Kundenbindungs- ein weiteres Mal mit einer eigenständigen Lösung als Pio- programms Zalando Plus, für das Kunden 19 Euro im Jahr nier in Erscheinung getreten. Ausgehend von ihren 15 bezahlen und auch weitere Leistungen wie Premium-Lie- STEG-Filialen und in Zusammenarbeit mit lokalen Taxi- ferung oder Style-Beratung erhalten. Kunden können für unternehmen, Restaurant- und Kurierdiensten lancierte

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Artikel, die sie bei Zalando bestellt haben, einen Abhol- Lebensmitteln nicht viel ging, konnte man sich Zeit las- auftrag erteilen. Die Abholung geschieht an ihrem sen. Immerhin, diese Zeit wurde genutzt, um das Konzept Wunschort und in einem frei gewählten Zeitfenster von des Supermarkts in die Onlinewelt zu übertragen und um zwei Stunden. Die Kunden müssen nur das der Zustellung die Logistik dafür zu entwickeln und immer weiter zu ver- bereits beigelegte Retouren-Etikett auf das Zalando-Pa- feinern. Das wurde mit Bravour gelöst. Das Leistungsni- ket kleben und es dem Abholboten übergeben. veau von Le Shop und coop@home in der Königsdisziplin Lebensmittel-E-Commerce mit ihren heterogenen Pro- Die Abholung von Retouren ist eine Leistung innerhalb des dukten in vier Temperaturzonen ist herausragend. Zuletzt Zalando-Kundenbindungsprogramms Zalando Plus. Das ist auch für die Schweiz denkbar. Linus Glaser, Zalando wurde es seitens coop@home mit Frischetheken für Fleisch, Käse und Fisch nochmals massiv erweitert. In der Schweiz gibt es auch einen Pionier für eine derartige Unsere Online-Theken für Fleisch, Fisch und Käse haben unglaub- Lösung und das ist Nespresso – bereits seit 2012. Auslöser lich stark eingeschlagen. Philippe Huwyler, coop@home für deren Entwicklung war, dass den Kunden eine weitere bequeme Möglichkeit für die Rückführung der verbrauch- Die Umsatzentwicklung bleibt allerdings von Beginn weg ten Kaffeekapseln in das professionelle Recycling ermög- hinter den Erwartungen zurück. Das Gründer- und Füh- lichen werden sollte. Wer seine verbrauchten Aluminium- rungsteam von Le Shop hatte sich immer an der Entwick- kapseln nicht an einer Sammelstelle abgeben möchte, lung des Lebensmittel-E-Commerce in England orien- kann sie bei sich abholen lassen. Der Service Recycling at tiert, dessen Anteil ein Mehrfaches des Schweizer Online- Home wurde in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen anteils beträgt. So musste Ernst Dieter Berninghaus, in Post entwickelt und ist für die Kunden kostenlos. Nes- der Migros-Direktion für Le Shop zuständig, schon 2013 presso stellt den Kunden zu diesem Zweck einen speziel- eingestehen, dass er einen viel grösseren Boom für Le- len Sammelbeutel zur Verfügung. Ist der Beutel voll, kann bensmittel erwartet hatte [43]. August Harder dagegen, man ihn einfach im Milchkasten deponieren. Dabei muss CIO der Coop-Gruppe und bis 2016 verantwortlich für eine am Beutel befindliche gelbe Lasche aus dem Milch- coop@home, bemerkte 2012 in einem Interview, dass kasten herausschauen. So kann der Postbote bei seiner dieser Absatzkanal bei einem jährlichen Wachstum von gewöhnlichen Postzustellung sehen, dass in dem Milch- 15 % auch in zehn Jahren noch kein wesentlicher Umsatz- kasten ein Beutel zur Abholung bereit liegt. träger für Coop sein würde [44] – aber selbst diese 15 Pro- zent waren als Ziel zu hoch gesteckt. Gemessen an den 4.4 Neue Konzepte für Lebensmittel Supermarkt-Umsätzen der beiden Grossverteiler betrug deren Onlineanteil 2017 im Schnitt knapp 1.5 %. Farmy schafft die Liefergebühr ab – diese Teilaussage im Titel der Farmy Medienmitteilung vom 11. April 2018 [42] Die schwache Entwicklung hatte für die Grossverteiler hätte eigentlich die gleiche Sprengkraft wie Zalandos zwei wahrscheinlich willkommene Nebenwirkungen: Gratisversand und –rückversand vor zehn Jahren haben Zum einen ist sie ertragsseitig vorteilhaft, weil die immer können. Allerdings ist Farmy noch so klein, dass eine sol- noch ordentlich ausgelasteten Filialen in diesem Punkt che Nachricht im Unterschied zu jeglichem Wimpernzu- dem Onlinekanal mit seinen hohen Lieferkosten überle- cken von Amazon kein grosses Medienecho auslöst. «Mit gen sind. Und zum anderen musste man sich so nicht um unserem Pilotprojekt in Zürich wollen wir austesten was die latente Kanalkonkurrenz zwischen Filialen und On- passiert, wenn wir die Hemmschwelle der Lieferkosten lineshop kümmern. Hat man jemals in einer Filiale eines ganz rausnehmen» erklärt Tobias Schubert von Farmy im der beiden Grossverteiler einen Hinweis gesehen, dass Interview zu dieser Studie. Nach ersten Erkenntnissen man auch online bestellen könnte? Dazu müsste an alt deutet der Farmy-CEO an, dass sich die Anzahl der Bestel- eingefahrenen Strukturen gerüttelt werden. Das dürfte lungen durch den Gratisversand so stark erhöht habe, insbesondere in der Migros eine Herausforderung sein, da dass sich die Wirtschaftlichkeit der Bestellungen in der Le Shop als völlig separate Organisation geführt wird und Summe sogar verbessern könnte. Auf Farmy wird weiter die zehn Genossenschaften gegenüber der Zentrale eine unten noch einmal zurückgekommen. Der Test legt aber recht hohe Autonomie haben. Nun leitet mit Beat Zahnd den Finger genau auf den wunden Punkt im Lebensmit- der ehemalige Chef einer grossen Migros-Genossenschaft tel-E-Commerce: die restriktiven Lieferbedingungen. das Departement Handel und hat mit Urs Schumacher ebenfalls einen erfahrenen Migros-Manager an die Spitze Viele Jahre löste der Schweizer E-Commerce für Lebens- von Le Shop gesetzt – vielleicht wird es jetzt einfacher. mittel keine Schlagzeilen mehr aus. Zu Beginn des Jahr- hunderts hatten die beiden Grossverteiler ihre Pflöcke Die gemächliche Phase ist wohl ohnehin vorbei. Das erste eingeschlagen, so als wollten sie sagen: Wir sind schon da, Zeichen dafür war 2016, als coop@home direkt dem es braucht keiner mehr zu kommen. Da auch in den Nach- Coop-CEO Joos Suter unterstellt und damit zur Chefsache barländern – abgesehen von den Drives in Frankreich – bei aufgewertet wurde. Auslöser dafür könnte die Aufregung

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im Lebensmittelhandel im Nachbarland Deutschland ge- Ein kurzer Talk noch mit Markus Mahler wesen sein: Seit 2014 übertrafen sich dort die Spekulatio- Markus Mahler, seit 2012 CEO von BRACK.CH, been- nen – wie derzeit in der Schweiz – ob und wann denn nun dete seine operative Tätigkeit in der Competec- Amazon Fresh in Deutschland starten würde. 2015 star- Gruppe im April 2018. tete Amazon mit haltbaren Lebensmitteln in der so ge- nannten Pantry-Box. 2016 wurde das Logistikzentrum Herr Mahler, über 10 Jahre haben Sie daran mitgear- für Amazon Fresh in Berlin aufgedeckt und im Mai 2017 beitet, einen in der Schweiz herausragenden E-Com- startete Fresh schliesslich in Berlin, im Juli in Hamburg merce-Fachhändler aufzubauen. Lagen Ihre ur- sprünglichen Ambitionen nicht im Bereich Bio- und im November 2017 in München – nur noch etwas über Lebensmittel? 200 km von der Schweizer Grenze entfernt. Zudem wurde in Seattle im Dezember 2016 mit Amazon Go der Proto- M. Mahler: Bio-Lebensmittel begleiten mich schon mein typ für ein kassenloses Geschäft vorgestellt. Und im Juni ganzes Leben. Ich bin auf einem Bio-Bauernhof aufge- 2018 kaufte Amazon die nordamerikanische Bio-Super- wachsen und habe mit meinem Vater einen Bio-Gross- markt-Kette Whole Foods mit über 450 Filialen. Damit handel aufgebaut. Auch mahlerundco.ch ist ein Teil die- wurde Amazon erst recht zum Schreckgespenst des klas- ser Geschichte. sischen Einzelhandels, nun auch für die Supermärkte. Wie beurteilen Sie denn die Entwicklung des Lebens- mittel-E-Commerce in der Schweiz? Im deutschen Lebensmittelhandel führte der Start von Amazon Fresh bei den angestammten Anbietern zu Um- M. Mahler: Da sind die grossen Sprünge noch nicht ge- triebigkeit und grossen Investitionen in den E-Commerce. lungen. Das eigentliche Potenzial ist noch kaum er- schlossen. Die in diesem Segment 2017 noch führende REWE Group platzierte im Februar 2018 ein Schuldscheindarlehen über Liegt das daran, dass der Lebensmittelmarkt offline eine Milliarde Euro, um ihre Investitionen in das stationäre wie online von industriellen Herstellern, Grossvertei- Geschäft sowie seine digitale Transformation weiterent- lern und Discountern dominiert wird? wickeln zu können [45]. Andere Anbieter brechen ihre M. Mahler: Ich glaube nicht, dass Online bei Lebensmit- Versuche dagegen bereits wieder ab: Lidl Deutschland teln schon von jemandem dominiert wird. Die innovati- stoppte im November 2017 den Onlineverkauf von Le- ven Vorstösse kommen eher von Nischenanbietern. bensmitteln, mit Ausnahme seiner Kochboxen. Und Kauf- Food sollte online nicht aus den Konzepten der heutigen land stellte seinen Lebensmittel-Lieferdienst in Berlin we- stationären Supermärkte abgeleitet werden. gen zu hoher Kosten für die Zustellung ein. Die Herausfor- Wie stellen Sie sich das denn vor? derungen im Lebensmittel-E-Commerce sind beim nörd- lichen Nachbarn wegen der grösseren Preissensitivität M. Mahler: Das Supermarktsortiment sollte nicht über eher noch grösser als in der Schweiz, auch der Marktanteil einen Kamm geschert werden. Frische und gekühlte Pro- ist noch geringer. Lediglich die Marktgrösse ist attraktiver dukte decken kurzfristige Bedürfnisse, diese sollten de- und die Tatsache, dass Deutschland sechs Metropolregio- zentral bedient werden. Haltbare Produkte für den Vor- nen mit mehr als 5 Millionen Einwohnern hat. ratsschrank kann man dagegen wie bei Nonfood von zentraler Stelle aus verteilen. Ich warte darauf, dass In der Schweiz setzen die beiden Grossverteiler in ihrer endlich eine urbane Migros- oder Coop-Filiale so umge- Verteidigung gegen grosse, ausländische Anbieter auf baut wird, dass Frische-Bestellungen kurzfristig be- darfsgerecht kommissioniert und im Stundenzeitfenster Cross-Channel-Konzepte: Die hohe Filialdichte im Food- zugestellt werden. Das reduziert die Kosten für die Zu- und Near-Food-Handel wird beibehalten oder sogar leicht stellung und die Komplexität der Verpackung. Es erhöht [46]. Der in den Konsumentengewohnheiten im- braucht sicher Mut, solche Sachen zu testen, aber wir mer noch verankerte, spontane Einkauf im Supermarkt sollten nicht warten, bis ein grosser ausländischer An- um die Ecke soll so nah, angenehm und komfortabel ge- bieter in unsere offenen Flanken springt. macht werden, dass er eine gute Alternative oder Ergän- zung zum Onlineeinkauf ist. Was wünschen Sie sich allgemein für den Schweizer E-Commerce? coop@home baut sein Sortiment so aus, dass Kunden u.a. via M. Mahler: Dass wir mehr auf den internationalen Wett- Pick-up auch in kleinen Filialen alle Artikel aus dem Super- bewerb schauen und nicht als Schweizer gegen Schwei- marktsortiment erhalten können. Philippe Huwyler, coop@home zer antreten. Wir sollten mehr in Kooperationen denken und gemeinsam den Schweizer Markt entwickeln und Geradezu exzessiv werden Pick-up-Stellen ausgerollt: prägen – auch in der Kombination von Stationär und Coop betreibt etwa 1’100 Pick-up-Stellen, wovon etwa Online. Die Competec-Gruppe wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen! 350 für Lebensmittel geeignet sind. Bei der Migros- Gruppe sind Anfang 2018 etwa 120 von über 700 PickMup-

34 Logistik als Wettbewerbsvorteil?

Standorten für Le Shop-Sendungen eingerichtet. Der In- Was uns bei der Profitabilität interessiert, ist ja das Gesamtresultat novationsgrad dieser Abholstationen ist allerdings ge- unserer Beziehung zum Kunden. Das beinhaltet Videoschauen, Weihnachtseinkäufe, Musikhören – und jetzt eben mit Amazon ring. Differenzierungen nach Art oder Frequenz des Fresh auch frische Lebensmittel. Natürlich soll sich das wirtschaft- Standorts sind nicht zu beobachten, auch keine Verknüp- lich rechnen, aber vielleicht stört uns die niedrige Marge bei Le- fungen mit den Geschäften, in denen sie untergebracht bensmitteln gar nicht so sehr. sind. Es besteht lediglich eine Synergie in Bezug auf den Ralf Kleber, Amazon Deutschland [47] gemeinsamen Standort, eine Verzahnung der Ge- schäftskonzepte von Onlineshop und stationärer Filiale Wir würden uns freuen, wenn Amazon Fresh so schnell wie möglich in die Schweiz käme. Die würden den Markt entwickeln. gibt es nicht. Kunden profitieren auch nicht von kürzeren Tobias Schubert, Farmy Bestellvorlaufzeiten, wie das bei Le Shop-Drives der Fall war. Im Vergleich zur Heimelektronik-Branche nehmen Das Supermarktsortiment wird als ein Schlüsselsorti- die Konsumenten diese Pick-up-Stationen nur verhalten ment für langfristigen Erfolg im E-Commerce angesehen. an, obwohl sie bei einer Abholung die bei Lebensmitteln Der Grund dafür ist, dass alle Haushalte regelmässig Arti- beträchtlichen Lieferkosten sparen können. kel aus diesem Segment benötigen. Das möchten Kunden gerne so einfach und günstig wie möglich erhalten. Des- An einer Stelle gab es gar keine Bewegung, und das sie die halb werden viele von ihnen bereit sein, in ein kosten- Mindestbestellbeträge und die Liefergebühren: Seit je- pflichtiges Kundenbindungsprogramm einzutreten, wenn her verlangen Le Shop und coop@home einen Mindest- sie bei regelmässigen Bestellungen überproportional da- bestellwert von 99 CHF und bei diesem Minimalbetrag von profitieren. Der Anreiz für regelmässig wiederholte eine Liefergebühr von mindestens rund 16 CHF. Viele Stu- Bestellungen ist damit gegeben. Hinzu kommen Verein- dienteilnehmer kritisieren diese Geschäftspolitik. fachungen wie Einkaufslisten, Bestellhilfen wie Amazon Lebensmittel-E-Commerce wird in der Schweiz durch die Ge- Dash Buttons oder sprachbasierte Bestellungen für Nut- schäftspolitik der Grossverteiler klein gehalten. zer der digitalen Assistentin Alexa respektive eines Ama- Markus Mahler, BRACK.CH zon-Echo-Geräts. Wenn aber ohnehin schon regelmässig Supermarktartikel bestellt und geliefert werden, können E-Commerce mit Lebensmitteln wird in der Schweiz regelrecht ge- bei der Gelegenheit gleich weitere benötigte Dinge aus bremst. Mit einer Aufhebung des Mindestbestellwerts von 100 Fr. könnte man den Umsatz gleich verdoppeln. anderen Sortimentsgruppen mitbestellt werden. Ergän- Studienteilnehmer zend sorgt das im Abo enthaltene Amazon-Prime-Video dafür, dass der Kontakt zum Anbieter auch ohne akuten Die Schweizer Lebensmittelanbieter verschlafen den Onlinehan- Kaufbedarf regelmässig aufgenommen wird. Die Händ- del, er liegt brach. Tobias Schubert, Farmy lermarke hat im Tagesverlauf mehrere Touchpoints und es entstehen viele Gelegenheiten zur Aussteuerung per- Die beiden Shops sind quasi das Feigenblatt. Sie haben nichts neu sonalisierter Werbung. Da im Supermarktsegment wie in gedacht. Sie haben z.B. gar nicht erst getestet, was passieren würde, wenn man von einem Drive-Standort aus nicht nur Abho- keinem anderen der Erfolg von der Logistik abhängt und lung, sondern auch z.B. One-hour-Delivery anbieten würde. die Logistik die kritische Markteintrittsbarriere darstellt, Studienteilnehmer kann bei einem solch umfassenden Konzept von einem Logistik-basierten Kundenbindungsprogramm gesprochen Dass sich E-Commerce bei Lebensmitteln so langsam entwickelt, werden. liegt an den hohen Mindestbestellwerten. Studienteilnehmer Sollten auch die Schweizer Grossverteiler solchen Über- Ein Prozent Onlineanteil bei Lebensmitteln - das kann es ja nicht legungen folgen wollen, muss die isolierte Stellung ihrer sein. Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe Lebensmittel-Onlineshops zügig überwunden werden. Aktuell hat es aber den Anschein, dass alle Online-Le- Es bedarf einer Zusammenführung der vielen Sorti- bensmittelanbieter – und das sind mehr als die beiden Ge- mente, die die Grossverteiler heute noch in unterschiedli- nannten – an diesem Thema und damit an ihren Logistik- chen Formaten separat betreiben. Und die Kunden müs- konzepten arbeiten. Mindestbestellwerte von rund 100 sen das verstehen und annehmen. Die Grossverteiler ste- CHF werden voraussichtlich abgesenkt werden und bei hen damit vor einer enormen Transformation: sie beinhal- den Bezugs- und Lieferformen werden Kunden in Zu- tet ein Plattform-Thema im Sinne eines Marktplatzes mit kunft noch mehr Auswahlmöglichkeiten haben, so dass vielen Marken oder ein Marken-Thema, wenn eine Art sie leichter einen für sie passenden Mix aus Servicegrad neues Warenhaus mit einer Marke gebildet werden soll. und Servicekosten finden werden. Sie beinhaltet zudem ein Logistik-Thema, wenn die viel- fältigen Logistikstrukturen der verschiedenen Formate Schliesslich geht es um viel mehr als das Geschäft mit zusammengeführt werden müssen, um Synergien zu er- Supermarktartikeln. Die Überlegungen dazu verriet Ralf zielen. Schliesslich kommt ein IT-Thema und nicht zuletzt Kleber, Chef von Amazon Deutschland, in einem Inter- ein Organisations- und Macht-Thema in den genossen- view Ende 2017 [47]: schaftlichen Strukturen hinzu.

35 E-Commerce Report 2018

Dass alle Produkte aus verschiedenen Warensegmenten Im Zentrum von Farmy steht die Cross-Docking-Logistik: aus einer Hand kommen müssen, ist aber keineswegs ge- Bestellungen, die bis 24 Uhr bei Farmy eingehen, werden sagt. BRACK.CH ist nun ebenfalls in das Supermarktseg- von den regionalen Produzenten am frühen Morgen ge- ment eingestiegen, aber nur mit sogenannten Kolonial- erntet oder kommissionsgerecht zusammengestellt und waren, also haltbaren Produkten. Im Mai 2018 umfasst bis spätestens 10 Uhr an die beiden Hubs in Zürich oder das Sortiment rund 5'000 Artikel, allesamt Markenartikel. angeliefert. Lediglich der kleine Sortimentsbe- Markus Mahler von BRACK.CH geht davon aus, dass standteil der Nicht-Frische-Produkte wird einem lokalen Frischeprodukte und haltbare Produkte in Zukunft in un- Lager entnommen. Dort werden die Waren unmittelbar terschiedlichen Strukturen distribuiert werden. auf die Auslieferungstouren verteilt und entsprechend dem vom Kunden gewünschten Lieferzeitfenster bis 21 Haltbare Produkte sind genau diejenigen, die Amazon im Uhr ausgefahren – zum Teil mit den eigens für Farmy ent- Ausland in seiner Pantry-Box vermarktet. Bis in die wickelten Elektrofahrzeugen. Schweiz ist dieses Angebot aber noch nicht vorgedrun- gen. Diese Produkte braucht jeder Haushalt immer wie- Farmy hat einen Mindestbestellwert von 50 CHF, ab 120 der. Viele Leute notieren sie sich auf einem Einkaufszettel CHF reduzieren sich die Liefergebühren, sofern solche in und kaufen sie bei Gelegenheit ein. Das kann man auch dem Liefergebiet erhoben werden. Lässt sich dieses Ge- bei BRACK.CH tun oder mit der Einkaufslisten-App schäftsmodell tatsächlich finanziell tragfähig gestalten? Bring!, zu der kürzlich eine Integration eingerichtet Aus der Aussenperspektive und in der laufenden Start-up- wurde. 400'000 registrierte Nutzer hat Bring! in der Phase ist das schwer zu beurteilen. Es ist aber schon frap- Schweiz, BRACK.CH erreicht sie nun auf diesem Weg. pierend, wie stark sich die Distributionskette bei Farmy Kunden können nun auch aus der App heraus bei von der in der Lebensmittelindustrie unterscheidet. Bei BRACK.CH bestellen. Und um den Mindestbestellwert für Farmy gibt es den Erzeuger, der bei Farmy anliefert, eine Gratislieferung zu erreichen, sind Kolonialwaren im- Farmy selbst und den teils eigenen, teils fremden Kurier, mer eine gute Wahl. der ausliefert. Der ganze Prozess dauert keinen Tag. In der Industrie gibt es zahlreiche Beteiligte, oft über mehrere Natürlich haben wir mit dem Lebensmittelsortiment auch das Ziel, Nationen verteilt, mit Zwischenlagern und Transportwe- den Kunden möglichst oft in unseren Shop zu holen. Markus Mahler, BRACK.CH gen. Dort werden zwar unvergleichlich höhere Mengen umgeschlagen, aber Geld kosten diese Strukturen auch. Markus Mahler, der scheidende CEO von BRACK.CH, ging Es bleibt abzuwarten, ob die beiden Konzepte dauerhaft im Interview davon aus, dass Kolonialwaren und Frische- nebeneinander Bestand haben werden und in welchen produkte kundenseitig nach unterschiedlichen Gesichts- Bereichen sie jeweils den grössten Vorteil entfalten. punkten eingekauft und anbieterseitig nach unterschied- Farmy deindustrialisiert den Lebensmittelhandel. Mit unserer Or- lichen Gesichtspunkten bewirtschaftet werden. Während ganisationsform kann auch ein kleiner Produzent ein grosses Pub- bei Kolonialwaren die zentralen Strukturen, wie sie heute likum erreichen. Tobias Schubert, Farmy bei E-Commerce-Anbietern üblich sind, sehr gut passen, drängen sich bei Frischeprodukten aufgrund der Krite- 4.5 Fazit: Logistik als Wettbewerbsvorteil? rien Frische und Regionalität andere Strukturen auf. In der Einleitung zu diesem Kapitel wurde bereits gesagt: Für eine solche andere Struktur steht Farmy. Farmy ist ein Logistik ist eine zentrale Wertschöpfungsfunktion, die Onlineshop für Ethical Grocery. Auf Deutsch sprechen sie wesentlich zur Identität eines Händlers beiträgt. Demzu- auch von einem Online-Hofladen, wobei Farmy auch ei- folge ist es eine strategische Aufgabe jedes Händlers, die nen kompletten Wocheneinkauf abdecken können will. Logistik so auszugestalten, dass sie sein Geschäftsmodell Entscheidend sei, dass alle Produkte aus ethisch korrekter optimal unterstützt, dass sich sein Angebot in den Augen Herstellung und Distribution stammen. Im Zentrum ste- des Kunden vorteilhaft von Wettbewerberangeboten un- hen aber tatsächlich Frischeprodukte, die von Erzeugern terscheidet und dass es wirtschaftlich erbracht werden aus der Region kommen. Obwohl Farmy im Sinne des Ge- kann. Inwieweit gelingt das Schweizer Anbietern? schäftsmodells kein Marktplatz ist, bezeichnen sie sich gerne als solchen, weil es die Art, wie sie funktionieren, In Zukunft wird die Logistik noch mehr über Erfolg und Misserfolg am besten veranschaulicht. im E-Commerce entscheiden. Daniel Röthlin, Ex Libris

Unser Geschäftsfeld ist Ethical Grocery. Unsere Kunden wollen Abb. 13 zeigt die Antworten aus dem Studienpanel zu der ethisch korrekte Produkte. Frage, ob Schweizer E-Commerce-Anbieter in der Logis- Unser Cross-Docking-Modell – anstelle einer Lagerwirtschaft – ist tik noch mithalten oder gar einen Wettbewerbsvorteil er- eine Innovation im Lebensmittelhandel. zielen können. Sieben Studienteilnehmer, das ist ein gu- Tobias Schubert, Farmy tes Viertel, bejaht das. Sechs von ihnen haben eine hohe

36 Logistik als Wettbewerbsvorteil?

eigene Wertschöpfungstiefe, sie sind alle in der Lage, bin- nicht als Verbündete angesehen werden kann (Kapitel nen 24 Stunden zuzustellen, fünf sogar am selben Tag. 4.1.1). Es ist ernüchternd vom vormaligen Migros-Chef Vier von ihnen betreiben eine eigene Zustelllogistik. Der Herbert Bolliger zu hören, dass das Angebot an modischer siebte der zustimmenden Studienteilnehmer ist ein Oberbekleidung bei der Migros aufgrund des Erfolgs von Marktplatz ohne eigene Logistikleistungen. In seinen Au- Zalando reduziert werden musste [48], wenn man weiss, gen eröffnet allein die Tatsache, ein lokaler oder nationa- dass diese Zalando-Lieferungen zu einem grossen Teil mit ler Anbieter zu sein, Möglichkeiten, Wettbewerbsvorteile genau der Abendzustellung ausgeliefert werden, die die in der Logistik zu erzielen. Migros-Tochter Le Shop über Jahre mit der Schweizeri- schen Post aufgebaut hat. Die Geschäftspolitik der Indem wir unsere Logistik vollständig selbst betreiben, haben wir Schweizerischen Post hat sich dabei in den letzten Jahren für ein sehr grosses Sortiment eine höhere Geschwindigkeit als un- sere Wettbewerber. Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe gar nicht verändert, wohl aber die Wahrnehmung bei den Schweizer E-Commerce-Versendern. Abb. 13: Logistik als Wettbewerbsvorteil? Wenn man sieht, was für Dienstleistungen die Schweizerische Post 15 für ausländische Anbieter einrichtet, muss man erkennen, dass der Servicevorteil des Schweizer Handels abnimmt. n=25 15 Philippe Huwyler, coop@home 10 Logistik reduziert sich auf einen Hygienefaktor. Wenn alle Anbieter in der Zustellung mit den gleichen Dienstleistern arbeiten, kann 5 7 man sich da nicht mehr differenzieren. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services 3 0 Nein Nur mithalten, Ja Das Thema gewinnt an Bedeutung, wenn man beobach- kein Wettbewerbsvorteil tet, wie Amazon und Zalando ihre Logistikleistungen im-  Können Schweizer Anbieter in der Logistik noch mithalten oder gar einen mer weiter ausbauen und sich dabei auch nicht auf die all- Wettbewerbsvorteil erzielen? gemein verfügbaren Standard-Services der Paketdienst-

leister beschränken. Es vergeht fast kein Monat, in dem Mit 60 % gibt die klare Mehrheit der Befragten an, dass sie nicht von neuen Diensten von Amazon gelesen werden noch mehr oder minder gut mithalten können, aber keine kann, die in Schweizer Ohren abenteuerlich klingen. Hier Möglichkeit sehen, in der Logistik einen Wettbewerbsvor- hat sich in den letzten Jahren zur Beruhigung Schweizer teil zu erlangen. Allein um das zu erreichen, sind bereits Anbieter immerhin gezeigt, dass es jeweils recht lange grosse Anstrengungen notwendig. Die Logistik ist weiter- dauern kann, bis solche Dienste auch in der Schweiz an- hin ein Top-Handlungsfeld, allen voran die Intralogistik. kommen. Ganz anders bei Zalando: als Zalando – erst vor In der Logistik wird sich ein Anbieter immer weniger differenzieren zehn Jahren gegründet – Gratisversand und -rückversand können. Francesco Vass, ricardo.ch ankündigte, glaubte man in der Schweiz, das rechne sich nicht. Nur drei Jahre nach seiner Gründung brach Zalando Drei der 25 Befragten sehen sich nicht mehr in der Lage, wie ein Tsunami – den Begriff verwendete Laurent Garet die heute sehr hohen Erwartungen an kurze Lieferzeiten von La Redoute – in die Schweiz ein. Auch wenn die offi- erfüllen oder ohne Preiszuschlag anbieten zu können. ziell kommunizierten Zahlen das nicht so detailliert aus- weisen: Es kann angenommen werden, dass die Schweiz Es ist heute Standard, dass der Kunde die Ware am nächsten Tag Zalandos erfolgreichster Markt ist, gemessen an Umsatz erhält und dass Versand und Retouren gratis sind. pro Kopf und Rentabilität. Folglich baut Zalando sein Leis- Malgorzata Gliszczynska, eBay International tungsniveau kontinuierlich weiter aus, neue Konzepte Gratislieferung, Gratis Rücksendungen und Bezahlung auf Rech- werden in Deutschland getestet und bei Erfolg sehr nung – das sind grosse Herausforderungen für uns. schnell in die Schweiz ausgerollt. Zur Eröffnung des neuen Allen Krief, DeinDeal Logistikzentrums in Lahr lässt Jan Bartels, Vice President Customer Fulfillment and Logistics bei Zalando, wissen, Wir investieren in die Logistik, allein um mithalten zu können. Studienteilnehmer dass man von Lahr aus auch neue Serviceleistungen wie die Auslieferung am selben Tag sowie eine Expressliefe- Im Vergleich zu früheren Jahren hat ein deutlicher Stim- rung am Abend für die Schweiz in Erwägung zieht [49]. mungsabschwung stattgefunden. Auslöser sind die bei- Dass Zalando im Rahmen ihres Kundenbindungspro- den Einsichten, dass der Schutzdeich in Form der Landes- gramms Zalando Plus demnächst auch in der Schweiz Re- grenze den Binnenmarkt gerade gegenüber den beson- touren kostenlos bei Schweizer Kunden abholen könnte, ders leistungsfähigen ausländischen Wettbewerbern wurde bereits in Kapitel 4.3 angesprochen. Eine noch viel nicht mehr zu schützen vermag und dass die Schweizeri- bedeutendere Innovation dürfte die bereits in verschiede- sche Post im Wettbewerb der Wertschöpfungssysteme

37 E-Commerce Report 2018

nen Verfahren im Feldtest praktizierte Einbindung loka- oder über eine Beteiligung einen genügend grossen Ein- ler stationärer Geschäfte in das Zalando-Ökosystem fluss auf sie haben oder, sofern es sich um eine grössere werden. Das wurde in Kapitel 4.2.4 thematisiert, eine der Zahl unabhängiger Dienste handelt, diese koordinieren. dabei eingesetzten Lösungen wird in Kapitel 5.5 beschrie- Der einzige Schweizer Anbieter, der über eine Nische hin- ben. Strategie und konzeptionelle Ansätze für alle diese ausgehend bereits etwas Derartiges praktiziert, ist die Lösungen präsentierte Jan Bartels zum Fashion Fulfill- Coop-Gruppe bei coop@home. ment Network der Zukunft an Zalandos Kapitalmarkttag im Juni 2017 [50]. Was Coop seit 2001 mit der eigenen Lieferflotte aufgebaut hat, ist ein USP, den ausländische Anbieter nicht haben. Offline Integration: Many tried it, many failed – let's be a bit more Philippe Huwyler, coop@home pragmatic here. Jan Bartels, Zalando [50] Neben der Coop-Gruppe hätte natürlich auch die Migros- Auch ohne dass Zalando in der Schweiz eigene Mitarbei- Gruppe das Potenzial, substanziell in eigene Lösungen zu tende beschäftigt, kann damit gerechnet werden, dass investieren und dabei bestehende Strukturen einzubin- Zalando das Szepter in der Zustelllogistik selbst in die den. Aber was würde mit dem übrigen Schweizer Detail- Hand nimmt und nationale oder lokale Dienste koordi- handel und seinen Onlineangeboten geschehen, wenn in niert. Das zu vergebende Volumen ist gross genug, um einigen Jahern die beiden Grossverteiler die Zustelllogis- Dienstleister zu motivieren, ihre Services genau auf die tik jeder für sich lösen und die Schweizerische Post mehr- Anforderungen Zalandos auszurichten. heitlich Sendungen aus dem Ausland in der Schweiz ver- teilen würde? Ja, es ist denkbar, dass Zalando auch in der physischen Distributi- onskette einmal verschiedene Beteiligte koordinieren könnte. Die beiden Grossverteiler zusammen wären in der Lage, ein eige- Linus Glaser, Zalando nes Distributionsnetz aufzubauen. Sie hätten die Finanzkraft, einer alleine nicht. Studienteilnehmer Im Kontext solcher Bestrebungen ausländischer Wettbe- werber ist der Kauf der notime AG durch die Schweizeri- Eine echte Bereitschaft, gemeinsame Lösungen für solche sche Post eine schlechte Nachricht für Schweizer Anbie- Herausfordeungen zu finden, ist bis dato noch nicht zu er- ter. notime ist ein junges Unternehmen mit einer techni- kennen, obwohl es im Kleinen immerhin Gesten gibt: schen Koordinationsplattform für Same-Day- und zeit- siroop hatte Migros eingeladen, an ihrem Marktplatz zu fensterbasierte Lieferungen in Schweizer Ballungsräu- partizipieren, Galaxus erklärt sich offen für Coop-Con- men, vgl. auch Kapitel 4.2.1. Gerade die ausländischen tent, Migros öffnete sein PickMup-Abholstellennetz für Anbieter brauchen solche Dienste, um ihr Entfernungs- ausgewählte Dritte. Manor scheint während der Umset- defizit zu kompensieren. Es ist zu erwarten, dass die zung ihres Transformationsplanes vollständig mit sich Schweizerische Post lokale Kuriere perfekt in ihr Distribu- selbst beschäftigt zu sein. Der Competec-Gruppe, smart tionssystem einbindet. Das entspricht genau dem Auftrag wie sie ist, könnte man noch zutrauen, anknüpfend an ihre der Schweizerische Post und ist insofern nicht zu kritisie- hervorragende Intralogistik in kooperativen Szenarien Lö- ren, wird aber wohl dazu führen, dass sich Schweizer sungen auch für die Zustelllogistik zu finden. E-Commerce-Anbieter durch ihre lokale Nähe immer Für BRACK.CH werden Partnerschaften in den nächsten Jahren ein weniger differenzieren können und in ihrer Wettbewerbs- sehr wichtigstes Thema sein. Markus Mahler, BRACK.CH fähigkeit in der Logistik weiter zurückfallen. So wie sich die Dinge derzeit entwickeln, ist allerdings Wollten Schweizer in der Zustelllogistik einen Wettbe- nicht abzusehen, ob und wie die Logistik künftig auf na- werbsvorteil erringen, müssten sie das mit Ressourcen tionaler Ebene substanziell dazu beitragen wird, dass sich tun, die den Wettbewerbern entweder gar nicht oder nur Schweizer Onlineanbieter gegenüber ihren ausländischen zu selbst bestimmten Bedingungen zugänglich sind. Dazu Wettbewerbern behaupten können. müssten sie die Zustelldienste entweder selbst betreiben

38 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

5 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

Während man E-Commerce in erster Linie mit Online- Das Asset einer digitalen Plattform besteht in erster Linie darin, ein shops verbindet, die im Wettbewerb miteinander den Riesenpublikum binden zu können. Markus Mahler, BRACK.CH Markt prägen, drängte sich in den letzten Jahren in den Interviews zu dieser Studienreihe ein anderer Typ von An- Eine digitale Plattform kontrolliert den Zugang zum Kunden und bietern immer stärker in den Vordergrund: Unternehmen, vermietet ihn in einem Auktionsverfahren an andere Anbieter. die keine Onlineshops sind, aber dennoch eine sehr hohe Alexander Graf, Blog Kassenzone.de Relevanz für den E-Commerce haben. Wir zählen diese Unternehmen zu den digitalen Plattformen. Der Begriff Bei den Plattformen, die keine Marktplätze sind, ist die wird auch häufig von Studienteilnehmern verwendet, Art der Dienstleistungen, mit denen sie die Attraktivität wenn auch das Verständnis dazu sehr heterogen ist. Über für ihre Zielgruppe erreichen, beinahe nebensächlich. 30 Namen fallen in den Interviews, am häufigsten Google, Um eine hohe Reichweite zu erzielen, müssen sie im je- gefolgt von Amazon und Facebook. weiligen Thema aber als Top-Services angesehen werden. Oft lassen sich solche zuführenden Dienstleistungen im- In den folgenden Abschnitten werden zunächst der Be- mer wieder auf neue Felder ausdehnen, wie die Vielfalt griff und die wesentlichen Merkmale von digitalen Platt- der Angebote von Google zeigt. formen geklärt. Anschliessend werden ihre Potenziale und die Kritik an ihnen behandelt. Es folgen aus der Per- Damit eine digitale Plattform erfolgreich wird, muss sie in ihrem Bereich zum Standard werden. Stephan Widmer, Beliani spektive individueller Anbieter unter drei Blickrichtungen Erörterungen zu den Möglichkeiten im Umgang mit Digitale Plattformen betreiben sich gegenseitig unterstützende, mächtigen digitalen Plattformen: zunächst die Grund- digitale Services, was eine konstante Kundenbindung bewirkt. satzfrage des Mitmachens oder Wegbleibens insbeson- Francesco Vass, ricardo.ch dere auch bei Plattformen, die gleichzeitig ein Dienstleis- ter und ein Wettbewerber sind, anschliessend die Hand- Während bei einem individuellen E-Commerce-Anbieter lungsoptionen im Fall eines Mitmachens und schliesslich Kontakte zu potenziellen Kunden ihren Ursprung fast im- die Potenziale verschiedener Formen von Kooperationen. mer in einem Interesse an einem Produkt und damit im Kontext einer Kauftransaktion haben, werden digitale Plattformen, sofern es keine Marktplätze sind, aus ande- 5.1 Begriff und Merkmale digitaler Plattformen ren Gründen aufgesucht. Trotzdem sind sie verkaufsrele- So häufig der Begriff digitale Plattform verwendet wird, so vant. Anhand ihrer Informtionen über die Personen und unterschiedlich sind die Merkmale, die mit ihm verbunden deren aktuelle Situation können die Plattformen so gut werden. Diese werden zunächst vorgestellt, um anschlies- zugeschnittene Werbung ausspielen, dass es immer wie- send das für diesen Bericht zugrundegelegte Verständnis der gelingt, Kaufanreize zu platzieren. Die Dienste, die die zu definieren. Identität einer Plattform ausmachen und wegen derer die Menschen die Plattformen nutzen, sind aus Sicht des Ge- schäftsmodells nur Mittel zum Zweck. Ein Studienteilneh- 5.1.1 Wichtigste Merkmale in den Augen der Stu- mer bezeichnet sie als eine neue Art des Marketings. dienteilnehmer Digitale Plattformen haben den Zugang zum Endkunden. Sie ken- Das wichtigste Merkmal digitaler Plattformen in den Au- nen seine Historie und seine Bedürfnisse, daraus erwächst ihre gen der Studienteilnehmer ist ihr Zugang zu Kunden. Kraft. Samy Liechti, BLACKSOCKS Den erreichen Marktplätze wie Amazon oder Boo- king.com, indem sie ein kommerzielles Angebot mit her- Plattformen adressieren ganz verschiedene Use Cases. Dabei ver- ausragenden Merkmalen in Bezug auf Angebotsumfang schwimmen die Grenzen zwischen Social und Commerce. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services und Preis-Leistungsverhältnis bereitstellen. Andere Platt- formen wie Google, Facebook oder Instagram schaffen Das gilt auch für Google. Als Suchmaschine in allen Le- den Zugang, indem sie einer Nutzergruppe kostenlose IT- benslagen nutzt sie die Möglichkeit, situationsspezifisch basierte Services anbieten. Die dabei entstehende Kon- auch unmittelbar kommerzielle Funktionen wie Google taktmöglichkeit monetarisieren sie bei einer anderen Shopping oder Google Hotels in die Suchergebnisse ein- Nutzergruppe. Die E-Commerce-Anbieter sind dabei zuflechten. Auch Amazon konnte sich bei vielen Konsu- praktisch immer in der Rolle der bezahlenden Nutzer. menten unabhängig vom einzelnen Bedarf als regelmäs- Plattformen erbringen tolle Services – basierend auf IT. sig aufgesuchte Plattform etablieren. Mit den Vorzugs- Laurent Garet, La Redoute Suisse

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konditionen von Prime hat sich Amazon als generelle Ein- ganz bestimmten Stellen an die Customer Journeys ihrer kaufsdestination in den Gewohnheiten der Kunden mani- Zielgruppen anzuknüpfen. festiert. Und wegen der im Prime-Service enthaltenen Nebenleistungen wie Video-Streaming wird Amazon oft- 5.1.2 Verständnis in diesem Studienbericht mals ohnehin regelmässig aufgesucht. Der Begriff Digitale Plattform kann dem Begriff Digitale Eine Plattform verbindet also nicht nur verschiedene Rol- Ökonomie untergeordnet werden, der schon 1995 von len. Eine Plattform integriert auch verschiedene Lebens- Don Tapscott begründet wurde [52]. Vor allem im rechtli- bereiche und schafft Anknüpfungspunkte an verschiede- chen Umfeld hat sich auch der Begriff der Plattformöko- nen Stellen im Tagesablauf. Ein Onlineshop hat diese nomie etabliert [53]. Bei der Erarbeitung des Begriffsver- Möglichkeiten nicht. Die verschiedenen Anknüpfungs- ständnisses für diesen Studienbericht wurde der Teilas- punkte werden zur Aggregation von Profil- und Marktda- pekt, der digitale Plattformen im Kontext von Geschäfts- ten genutzt, um in verschiedenen Kontexten immer wie- modellen behandelt, weitgehend aus einem Verständnis der situativ passende Angebote präsentieren zu können. des deutschen Bundeskartellamts abgeleitet. Dieses Die Präsentation dieser Angebote ist die kostenpflichtige wurde in einem Hintergrundpapier zur digitalen Ökono- Dienstleistung der Plattform gegenüber den individuellen mie dargelegt [54]. Da es auch bei den Wettbewerbsbe- Anbietern. Die individuellen Anbieter können auf diesem hörden darum geht, den Charakter unterschiedlicher Weg Bestellungen oder Buchungen kaufen. Wirtschaftsakteure zu erfassen und deren Verhaltens- muster mit ihren Auswirkungen auf das wirtschaftliche Eine digitale Plattform ist ein Ökosystem mit Partnern, vereinbar- ten Schnittstellen und vereinbarten Vertragskonstellationen. Geschehen zu untersuchen, ist dieser Verständniskontext Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz für den E-Commerce Report gut geeignet.

Wenn die Studienteilnehmer digitale Plattformen be- Im Kontext von Organisationsformen ist eine digitale schreiben, fällt häufig der Begriff Ökosystem. Das verbin- Plattform eine Organisation, die in einem definierten dende Element in einem solchen Business Ökosystem Handlungsfeld einen IT-Service betreibt. Mit seinen vor- [51] ist ein IT-System mit vielfältigen digitalen Schnitt- gegebenen Funktionen und Prozessen ermöglicht der IT- stellen. Im E-Commerce ist das die wichtigste Schnitt- Service zahlreichen Akteuren in unterschiedlichen Rol- stelle, die es Anbietern erlaubt, mit ihrem Angebot an

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40 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

len, zielgerichtete Interaktionen untereinander zu täti- Stellungen begünstigen und zementieren können als gen. Digitale Plattformen können primär ideell und ohne auch solche, die ihnen entgegenwirken und sie relativie- bestimmten Handlungskontext konzipiert sein, z.B. Wi- ren. Dabei kann dem Zugang zu Nutzerdaten oder der kipedia, oder primär nicht-kommerziell, aber in einem Möglichkeit, Daten aus verschiedenen Quellen zu kombi- zweckbestimmten Kontext, z.B. E-Learning-Plattformen. nieren, eine Schlüsselrolle zukommen. Ein fehlender Zu- Sie können auch indirekt kommerziell sein, z.B. Google, gang zu solchen Daten kann einer Markteintrittsbarriere Facebook oder YouTube und schliesslich unmittelbar für potenzielle Wettbewerber gleichkommen. Anderer- kommerziell, z.B. Onlinemarktplätze. Auf einer digitalen seits kann es sein, dass auch bei einem sehr hohen Markt- Plattform bestehen zwischen verschiedenen Akteuren in- anteil die Markteintrittsbarriere niedrig bleibt und eine di- direkte Netzwerkeffekte. Das heisst, dass die Attraktivi- gitale Plattform z.B. durch sich ändernde Vorlieben der tät einer digitalen Plattform für eine Gruppe von Akteuren Nutzer weiterhin angreifbar bleibt. Im erwähnten Bericht vom Verhalten einer anderen Gruppe abhängt. des deutschen Bundeskartellamts wird die These formu- liert, dass starke Marktstellungen in digitalen Märkten Im Kontext von Geschäftsmodellen ist eine digitale aufgrund der schnellen Durchsetzung von Innovationen Plattform ein Intermediär, der einen IT-Service betreibt, und vergleichsweise niedrigen technischen Marktein- um Marktteilnehmer in zwei oder mehr Rollen zusam- trittsbarrieren möglicherweise nur von temporärer Natur menzuführen. Im Rahmen vorgegebener Funktionen und sind [55].Bis zu einer bestimmten, im Bericht allerdings Prozesse ermöglicht er direkte, kommerzielle Interaktio- nicht quantifizierten Dauer und Verfestigung, könnte nen zwischen den Marktteilnehmern. Nimmt die digitale temporäre Marktmacht ökonomisch sogar vorteilhaft und Plattform nicht nur die Rolle des Intermediärs ein, wie z.B. akzeptabel sein [56]. eBay, sondern gleichzeitig auch eine der auf der Plattform zusammengeführten Rollen und ist damit auch selbst an Eine Besonderheit digitaler Plattformen besteht in der direkten Interaktionen beteiligt, wie z.B. Amazon, spre- Vielfalt der Erlösmodelle und Preisgestaltungsstrate- chen wir von einem hybriden Anbieter. gien. Die Preise für die erbrachten Leistungen richten sich kaum nach den mit ihrer Erbringung verbundenen Grenz- Der Begriff digitale Plattform wird häufig auch im Kontext kosten, sondern vielmehr nach den Effekten, die die Preis- von IT-Architekturen verwendet. Dabei handelt es sich gestaltung für den Erfolg der Plattform hat. Häufig kann um ein anderes Verständnis, dass hier nicht vertieft wird. eine Gruppe von Akteuren – meistens die potenziellen Käufer – die Dienste der Plattform in finanzieller Hinsicht Grundlegend für das Verständnis des Potenzials von digi- kostenlos nutzen, denn ihre Teilnahme erhöht den Wert talen Plattformen ist das Verständnis von Netzwerkef- der Plattform. Die Gegenleistung dieser Nutzer ist ihre fekten. Als solche bezeichnet man die Tatsache, dass der Aufmerksamkeit oder die Daten, die sie preisgeben. Eine Nutzen aus der Teilnahme an einem Netzwerk mit der andere Gruppe von Akteuren dagegen, die von starken in- Grösse des Netzwerks wächst, je nach Netzwerk sogar direkten Netzwerkeffekten profitiert, muss im Vergleich überproportional. Direkte Netzwerkeffekte entstehen zu den Grenzkosten hohe Preise bezahlen. Ein Beispiel aus dem Zuwachs an Teilnehmern in der gleichen Rolle, dafür wäre die Differenzierung in der Preispolitik einer z.B. zusätzliche Nutzer eines sozialen Netzwerks. Bei in- Buchungsplattform für Übernachtungen bei den Gruppen direkten Netzwerkeffekten entsteht der Nutzen aus Reisende und Beherbergungsanbieter. Die Ausprägungen dem Zuwachs an Teilnehmern einer Rolle bei einer ande- der Erlösmodelle können so weit gehen, dass die Kern- ren Rolle, z.B. bei Werbeauftraggebern. Netzwerkeffekte leistung, z.B. eines digitalen Kleinanzeigen-Marktplatzes, können sowohl positiver als auch negativer Natur sein, gegenüber den beiden Gruppen Käufer und Verkäufer das heisst, sie können das Netzwerk stärken oder aber kostenlos ist. Erlösströme können in einem solchen Mo- schwächen. dell aus ergänzenden Dienstleistungen wie z.B. Promo- Um Netzwerkeffekte erzielen zu können, bedarf es zu- tion, Clearing oder verbundenen Geschäftsfeldern wie Fi- nächst einer kritischen Masse von Nutzern. Ist diese er- nanzierung und Versicherung generiert werden. reicht, kann es zu sich selbst verstärkenden Effekten Verbundene Geschäftsfelder können diejenigen Inter- kommen. Auf diese Weise können digitale Plattformen netunternehmen aufweisen, die in mehreren Geschäfts- sehr schnell sehr gross werden. Am so genannten Tipping feldern tätig sind. Aus der Verknüpfung von Daten, die in Point hat eine Plattform so viel Nachfrage nach ihrem An- den verschiedenen Geschäftsfeldern gewonnen werden, gebot erreicht, dass Wettbewerber im Vergleich dazu lassen sich einzigartige Rückschlüsse ziehen: in Bezug auf keine kritische Masse mehr mobilisieren können. Die individuelle Nutzer, auf Nutzergruppen, auf ganze Märkte Plattform hat eine dominierende, wenn nicht gar markt- und in diesen auf die Entwicklung von Angebot und Nach- beherrschende Stellung erreicht. Im genannten Hinter- frage, auch heruntergebrochen auf einzelne Produkte, grundpapier des deutschen Bundeskartellamts [54] wer- Orte und mehr. Die Erkenntnisse aus dieser unvergleichli- den sowohl Faktoren genannt, die marktbeherrschende

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chen Markttransparenz können in den verschiedenen Ge- Abb. 14: Digitale Plattformen als Zugang zu Kunden schäftsfeldern gezielt verwertet werden. Die umfassend- 14 sten Portfolios aus Geschäftsfeldern dürften in der westli- 12 chen Welt Google und Amazon, in der östlichen Welt Ten- n=32 13 10 cent, Alibaba und Rakuten auf sich vereinen. 12 8 Ein Zitat von Ralf Kleber, Chef von Amazon Deutschland, 6 veranschaulicht viele Aspekte einer hybriden Plattform 4 5 mit verbundenen Geschäftsfeldern: 2 2 0 Ein Teil unseres Erfolgs ist es, Schienen zu bauen, auf denen auch stimme st. eher stimme stimme andere in Richtung Zukunft fahren und digitalen Erfolg haben kön- nicht zu nicht zu eher zu voll zu nen. Die erste Schiene, die wir gebaut haben, hieß E-Commerce,  Da es für einzelne Anbieter immer die zweite Marktplatz, die dritte war Selfpublishing, die vierte schwieriger wird, einen direkten Zugang zu ihren Kunden zu vertretbaren Kosten heißt Web Services, die fünfte vielleicht Alexa. … Und all diese herzustellen, wird die Zusammenarbeit Schienen – wir nennen sie die Infrastrukturen von Amazon – sind mit digitalen Plattformen immer unaus- offen für fremden Verkehr und für unsere eigenen Züge. Egal ob weichlicher.

Dampflok oder ICE. Ralf Kleber, Amazon Deutschland [57] Für den Zugang zu Kunden müssen allerdings Online- marktplätze von Plattformen unterschieden werden, auf 5.2 Potenziale von und Kritik an Plattformen denen keine direkte Kauftransaktion stattfindet. Letz- Viele Plattformen gäbe es wohl nicht, wären da nicht auch tere, z.B. Social Media Plattformen, unterstützen primär die Werbetreibenden, denen ihre Dienste Geld wert sind. die Anregungs- und Informationsphase der Konsumenten Aber in ihren zweiseitigen Geschäftsmodellen richten sich und sind geeignet, Aufmerksamkeit zu erzeugen, eine die Plattformen weniger an den Werbetreibenden aus, Marke oder einen Händler zu promoten, Produkte be- sondern in erster Linie am anvisierten Publikum. Hat man kannt zu machen und besondere Kaufgelegenheiten zu bei diesem in grosser Zahl Aufmerksamkeit gewonnen, kommunizieren. Interessenten, die hier anknüpfen, sind finden sich auch Werbekunden und andere Monetarisie- offen, etwas Neues kennenzulernen und damit auch, mit rungsquellen. einem vorher unbekannten Anbieter in eine neue Ge- schäftsbeziehung einzutreten. Auf diese Weise können Folglich zeugt es nicht von tiefer Sachkenntnis, wenn man neue Anbieter-Kunden-Beziehungen entstehen. Die ge- Plattformen dafür kritisiert, nicht perfekt auf E-Com- nauen Selektions- und Targetingmöglichkeiten können merce-Anbieter ausgerichtet zu sein und ihnen nur zweite sehr wertvoll sein, um genau die Zielgruppe zu erreichen, Priorität einzuräumen. Der Zugang zum Endkunden ist die für einen Anbieter Potenzial hat. Die Werbemöglich- der Schlüssel zum Erfolg auch bei Plattformen – und des- keiten, die im Onlinebereich in den letzten 15 Jahren ent- halb stehen sie naturgemäss immer in Konkurrenz zu den standen sind, unterscheiden sich deshalb stark von ande- individuellen Anbietern im jeweiligen Segment. Die Platt- ren Massenmedien und eröffnen auch kleinen Anbietern form mag zwar selbst kein konkurrierendes Produktange- Möglichkeiten, vergleichsweise einfach und mit wenig bot haben, aber sie kann Nachfrage auf sich ziehen und Streuverlust zu kommunizieren. kanalisieren. Das ist ihr Potenzial und zugleich Risiko für die Onlinehändler. Social Influencer sind bei Fashion sehr wichtig. Was gut aussieht, zieht Leute an. Samy Liechti, BLACKSOCKS

5.2.1 Potenziale für Onlineanbieter Instagram ist sehr relevant für uns. Besonders weil die Leute Fotos von unseren Produkten machen und mit "#MyVictorinox" taggen. Die Schaffung eines Zugangs zu potenziellen Kunden ist Diese zeigen wir dann auf der Website. das wichtigste Potenzial, das Plattformen für E-Com- Kilian Eyholzer, Victorinox merce-Anbieter haben (Abb. 14). Sie nehmen damit eine Bündelungsfunktion für die Nachfrage ein, wie sie z.B. Auf Onlinemarktplätzen dagegen sind Interessenten oft in der physischen Welt für Konsumgüter von Einkaufszo- sehr zielorientiert, wollen einen Einkauf möglichst effi- nen in Städten oder für Wellness-Leistungen von Kuror- zient erledigen und sind im jeweiligen Moment eigentlich ten erbracht wird. nicht offen für Neues. Der Marktplatz als Marke überträgt sein Vertrauen auf die bei ihm vertretenen Anbieter, was Es ist eben schon so, dass nur ein paar wenige Portalseiten wirklich durch bereitgestellte Bewertungen und Kundenfeed- Beachtung haben. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus backs unterstützt wird. Der Kunde bestellt z.B. bei Ama- zon, genau genommen vielleicht auf dem Amazon Mar- ketplace bei Sporthändler Mustermann in Kleinhausen, was ihm aber möglicherweise nicht bewusst ist. Wenn der Marktplatz dazu noch durch seine Vertragsbedingungen –

42 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

abgesehen von der Lieferung und einer allfälligen Retou- Zum Fulfillment-Anbieter mit geringer Marge marginalisiert zu renabwicklung – jegliche Interaktion zwischen einem werden, ist für uns nicht interessant. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services Marktplatzanbieter und dem Käufer unterbindet, ist das Entstehen einer neuen Anbieter-Kunde-Beziehung prak- Das Schöne an der Onlinewerbung ist, dass man den Ertrag genau tisch ausgeschlossen. Die hier bestehende Konkurrenz in ausrechnen und dementsprechend definieren kann, wie viel man der Kundenbeziehung wird im E-Commerce Report 2017 für einen Klick bezahlen will. ausführlich behandelt [58]. Gregor Doser, Google Switzerland

Es ist normal geworden, dass eine Plattform einen Anbieter in sei- Nicht vergessen werden darf, dass Onlinemarktplätze ein nen Rechten und Pflichten im Zugang zum Endkunden beschränkt. vollwertiger, eigenständiger Vertriebskanal sind. Er er- Alexander Graf, Blog Kassenzone.de fordert vom Anbieter keine Investitionen in Aufbau und Weiterentwicklung eines eigenen Onlineshops, was für Setzt also ein Anbieter in der Hoffnung auf einen Markt- Anbieter mit geringer Investitionskraft ein starkes Argu- platz, dass er dort neue Kunden auf sich aufmerksam ma- ment ist. Dementsprechend nutzen viele Unternehmen chen und diese bei Folgebestellungen direkt bedienen Onlinemarktplätze als Hauptabsatzkanal. Im Ausland gibt kann, wird sich diese Hoffnung kaum erfüllen. Einer der es einige Anbieter von beträchtlicher Grösse, die sich bei- beiden Studienteilnehmer, der bei der Frage zu Abb. 14 nahe vollständig auf Marktplätze als Vertriebskanal ab- nicht zugestimmt hat, weist ausdrücklich darauf hin, dass stützen. Sie lagern damit die Kundenakquisition auch in- viele Onlinemarktplätze ja lediglich Bestellungen ver- ternational aus. Amazon und eBay können sehr effektive mitteln, den Zugang zum jeweiligen Kunden aber unter- Kanäle sein, wenn man deren Mechanismen beherrscht. binden. Das geht nicht nur im kleinen, sondern auch im grossen Eine Plattform muss entweder als effektiver Absatzkanal Marge Massstab. Ein solcher Anbieter ist KW-Commerce aus generieren oder ich muss dort Kunden für mich akquirieren können. Berlin. Das 2012 gegründete Unternehmen mit knapp 200 Dominic Blaesi, Flaschenpost Services Mitarbeitenden setzt ganz auf den Verkauf über Online- marktplätze und beliefert so jährlich weltweit 5 Mio. Kun- Es kommt also darauf an, was ein Anbieter mit seiner Prä- den mit über 25'000 Eigenmarken-Produkten aus den Be- senz auf einer digitalen Plattform erreichen will. Einige reichen Consumer Electronics und Wohnen [59]. Im Stu- Anbieter im Studienpanel sagen, solange die Marge, die dienpanel ist es lediglich Beliani, wo Onlinemarktplätze nach einem Verkauf auf einem Onlinemarktplatz übrig- neben dem Direktvertrieb einen hohen Stellenwert haben bleibt, eine kritische Grösse nicht unterschreitet, machen – weltweit setzt Beliani auf über 400 solche Plattformen. sie das Geschäft, unabhängig davon, ob dabei möglicher- weise neue Kunden gewonnen werden können. Gerade Weitere Vorteile des Verkaufs über Marktplätze ergeben wenn die Art des Geschäfts ohnehin keine hohe Wieder- sich aus den Marktdaten und Analysetools, die den An- holfrequenz hat, verschiebt sich der Fokus auf den zusätz- bietern zur Verfügung gestellt und selbst erhoben wer- lichen Umsatz, der über den Onlinemarktplatz mit Kun- den. So können sie das eigene Leistungsniveau mit dem den generiert werden kann, zu denen man auf anderem der Wettbewerber vergleichen. Neue Strategien, neue Weg keinen Zugang hat. Produkte und vieles mehr können auf Marktplätzen ver- gleichsweise niederschwellig ausprobiert werden. Für stationäre Händler, die auf einem Marktplatz mitmachen, ist es eine Frage der Alternativen, ob sie den Traffic zu günstigeren Be- eBay kann seinen Verkäufern sagen, wo und zu welchem Preis sie dingungen bekommen können. ihre Produkte am besten verkaufen können. Laurent Garet, La Redoute Suisse Malgorzata Gliszczynska, eBay International

Wir denken zunehmend über unsere eigenen Verticals hinaus und wollen unsere Objekte dahin bringen, wo der Traffic ist. 5.2.2 Kritik der Onlineanbieter Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz Dafür, dass digitalen Plattformen von Seiten der individu- Für andere Anbieter macht ein Verkauf ohne Gewinnung ellen Onlineanbieter häufig ein Unbehagen und vielfäl- eines neuen Kundenkontakts keinen Sinn. Dazu gehören tige Kritik entgegengebracht wird, gibt es eine Reihe von überwiegend Anbieter, bei denen die Kosten der Kunden- Argumenten, die nachfolgend aufgegriffen werden. Der akquisition so hoch sind, dass sie die Marge aus der ersten zentrale Punkt dabei dürfte sein, dass es eine Machtver- Bestellung ganz oder weitgehend verzehren, und die des- schiebung hin zu digitalen Plattformen gibt. Sie bewirkt halb auf Folgebestellungen mit niedrigeren Kosten für die bei den individuellen Anbietern einen Verlust an Kon- Kundenaktivierung angewiesen sind. Diesen Anbietern ist trolle, an Wertschöpfung und an Marktanteil. In den aller- immerhin dadurch geholfen, dass es die von den Plattfor- meisten Fällen erfolgt zugleich eine Machtverschiebung men zur Verfügung gestellten Daten in Verbindung mit von nationalen hin zu globalen Akteuren. Das Streitob- gängigen Tools erlauben, die Kosten je Auftrag auf eine jekt sind auch hier die Kunden. definierte Grenze zu limitieren.

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Das Dilemma der individuellen Anbieter ist, dass die Kun- Ein Hotelier kann heute nicht nachvollziehen, weshalb er wie im den die Dienste der digitalen Plattformen in grosser Zahl Ranking platziert ist. Thomas Allemann, Hotelleriesuisse gerne annehmen. Die Kunden lassen dabei zu, dass sich Der Wettbewerb im Weihnachtsgeschäft hat die Kosten für den die Plattformen als Intermediär in ihre ursprünglich direk- Zugang zu Kunden massiv in die Höhe getrieben. ten Geschäftsbeziehungen zu den individuellen Anbietern Sven Betzold, ifolor einschalten. Diese müssen fortan für den Zugang zu Kun- den auf dem Weg über eine Plattform zusätzlich bezah- Alle diese Kritikpunkte liegen weitgehend in der Natur len, und zwar in jedem Einzelfall. Die Abneigung ist durch von digitalen Plattformen, sie sind nicht in erster Linie diesen Kontrollverlust bereits grundsätzlich angelegt. die Folge sorglosen Verhaltens einzelner Unternehmen. Die Prinzipien z.B. der Preisbildung für Listings werden Die kompromisslose Ausrichtung der digitalen Plattfor- von den Anbietern auch sehr wohl verstanden, sie sind men auf das, was Kunden anzieht und bindet, und das per- aber in ihrem Ergebnis für sie unbefriedigend. Eine Besse- manente Ausprobieren von Verbesserungen bewirken rung zugunsten der individuellen Anbieter ist deshalb zum einen, dass sich die Regeln und Mechanismen, nach nicht zu erwarten, solange das Angebot der Plattform ins- denen die Plattformen funktionieren, immer wieder än- gesamt so attraktiv ist, dass es das Potenzial auf der Kon- dern. Dabei ist der Umgang mit Änderungen in Bezug auf sumentenseite nicht einschränkt. die Auswirkungen auf die Anbieter häufig ziemlich sorg- los. Zum anderen hat die Anbieterseite so gut wie keinen Alexander Graf, Herausgeber des Blogs Kassenzone.de, Einfluss auf die Ausgestaltung der Plattform. widerspricht den vorgebrachten Kritikpunkten grundsätz- lich, indem er sie als Teil einer veränderten Marktrealität Bei Plattformen gibt es nur: take it or leave it. ansieht. Zusammengefasst beschreibt er das Verhältnis Studienteilnehmer zwischen digitalen Plattformen und individuellen Anbie- Anfang 2018 gab es zum Beispiel eine grosse Aufregung tern folgendermassen: unter eBay-Anbietern, als eBay in einer Änderung ihrer Plattformen sind super kalkulierbar. Die Plattform will immer zu Geschäftsbedingungen von Anbietern verlangte, die 100 % den Kundenzugang für sich, alles andere ist nachgelagert. Rechte an eingestellten Bildern an eBay abzutreten, die Dass die Spielregeln geändert werden, ist ein Teil des Spiels. Der so genannte Bilderrichtlinie. Das war vielen Anbietern Anbieter, der das schneller adaptieren kann, der mehr Technolo- aber gar nicht möglich, weil sie die Rechte an den Bildern giekompetenz hat, wie z.B. ein KW-Commerce, der setzt sich durch. Ein Marktplatzanbieter muss sich auf diese Rahmenbedin- gar nicht besassen, sondern selbst von den Herstellern nur gungen einstellen, ohne im Einzelnen zu wissen, was morgen ausschliesslich für die eigene Nutzung eingeräumt be- kommt. Er muss damit rechnen, am nächsten Tag sein Geschäfts- kommen hatten. eBay-Händlern, die nicht zustimmen modell oder seine Erlösquelle ändern zu müssen. würden, drohte eine Kontosperrung – was ein existenziel- les Aus bedeuten könnte. In diesem Fall war die Kritik so Ein so radikales Verständnis offenbart sich im Schweizer laut und der Sachverhalt so eindeutig, dass eBay die An- Studienpanel nur bei ganz wenigen Mitgliedern. Ihr Den- forderung zurückzog. Für die Anbieter war es noch einmal ken orientiert sich weiter an mindestens mittelfristig gut gegangen, aber das ist keineswegs immer so. stabilen und planbaren Geschäftsmodellen. Die Bezie- hung zu einer Plattform beurteilen sie mit den gleichen Es muss festgestellt werden, dass digitale Plattformen, Massstäben, mit denen traditionelle Wiederverkäufer und auch wenn sie ihrem Konzept nach zwei- oder mehrsei- Absatzmittler beurteilt werden. Dementsprechend gibt tige Geschäftsmodelle sind, in der Praxis extrem einseitig es auch noch einige spezifische Kritikpunkte an Online- ausgerichtet sein können. Die von Seiten individueller marktplätzen: Anbieter vorgebrachten generellen Kritikpunkte sind: • die magelnde Differenzierungsmöglichkeit für die • die Unkalkulierbarkeit der Entwicklung der Dienste Anbieter generell, in der radikalsten Ausprägung die und der Geschäftspolitik der Plattform Reduktion auf Preis und Verfügbarkeit bei einem über • die erhebliche Intransparenz über die Mechanismen die EAN-Nummer identifizierbaren Artikel der Plattformen generell • zu hohe Kommissionen und Gebühren für Zusatzleis- • das in den Einzelheiten intransparente Verfahren bei tungen der Erstellung von Rankings • Förderung der Preisfokussierung der Konsumenten in • die Unkalkulierbarkeit der Kosten für ein bestimmtes Verbindung mit der Schaffung einer gnadenlosen Volumen an Klicks oder erzielten Bestellungen Preistransparenz • die generelle Einseitigkeit der Geschäftsbeziehung • Einsatz von Druckmitteln (die allerdings im konventi- und das von individuellen Anbietern teilweise als will- onellen Handel gleichermassen üblich sind) kürlich empfundene Geschäftsgebaren • strikte Vorgaben zum Datenaustausch, zu Prozessen, • das Fehlen eines effektiven Feedback- oder Abstim- zum Verhalten gegenüber den Endkonsumenten, mungskanals. z.B. beim Umgang mit Retouren oder Stornierungen

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• Toleranz von als missbräuchlich empfundenem Um- nicht so steuern konnte, wie es seinem tatsächlichen Be- gang mit Markennamen, Zulassung von Brand Bid- darf entsprach. Er konnte keine Kapazität für seine eige- ding [60], ungenügendes Engagement gegen Pro- nen Kanäle zurückhalten, auch wenn er sicher war, sie duktfälschungen und Toleranz gegenüber nicht ge- selbst vermarkten zu können. Er hatte die Kontrolle über setzeskonformem Verhalten z.B. in der Steuerge- die Zuteilung seiner Kapazität zu den für ihn jeweils opti- setzgebung malen Vertriebskanälen verloren. Sofern der Hotelier mit • Konkurrenzierung der individuellen Anbieter durch der Plattform arbeiten wollte, gab es keine vertragskon- den hybriden Marktplatzbetreiber (im Panel nur für forme Möglichkeit, sich dieser Situation zu entziehen. Un- Amazon thematisiert), wobei sich der Marktplatzbe- ter diesen Umständen kann von einer Zwangssituation treiber aufgrund seines Wissensvorsprungs auf die er- gesprochen werden. Zudem wurde der Wettbewerb unter folgreichsten Produkte fokussieren kann. den OTAs behindert, weil ein Hotelier einer für ihn vorteil- hafteren Plattform keine besseren Konditionen einräu- Auch hier ist es offensichtlich so, dass einige der von indi- men konnte. viduellen Anbietern vorgebrachten Kritikpunkte aus Sicht der Plattform geradezu Voraussetzungen für ihren Erfolg In der Folge schritten die Wettbewerbsbehörden ein, als auf der Konsumentenseite sind. Diese Konflikte sind dem erste das Deutsche Bundeskartellamt, und Ende 2013 Konzept digitaler Plattformen inhärent. folgte das erste Verbot einer solchen Vertragsklausel von HRS. Es wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt, Das Problem ist, dass diese Plattformen so eine hohe Marktdurch- die Schweizer Wettbewerbskommission verbot die bis dringung haben, dass man faktisch nicht auf sie verzichten kann. Studienteilnehmer dato praktizierten Vertragsbedingungen im Juli 2015.

Digitale Plattformen bieten Chancen und Risiken. Aber wir werden Die in der Schweiz dominierende Plattform Booking.com abhängig von ihnen. Studienteilnehmer hatte Mitte 2015 ihre ebenfalls weitgehenden Anforde- rungen bereits auf eine enge Preisbindungsklausel redu- Ein weiterer gewichtiger Punkt ist die Wahrnehmung von ziert. Nach dieser sind Hotels in der Zuteilung ihrer Kapa- Abhängigkeiten, wenn eine Plattform in ihrem Markt zitäten und in der Preisgestaltung auf verschiedenen Ka- eine dominierende oder gar marktbeherrschende Stel- nälen frei und können jederzeit Änderungen vornehmen. lung erreicht hat. Individuelle Anbieter können ihre Prä- Lediglich den auf Booking.com angebotenen, selbst be- senz auf einer Plattform in solchen Situationen als unab- stimmten Preis dürfen sie auf den eigenen Onlinekanälen dingbar ansehen. Da liegt die Wahrnehmung eines Aus- nicht unterbieten. Damit soll ein so genanntes Freeriding geliefertseins, wie es viele Hotelliers in der Schweiz ge- verhindert werden. Dabei würden Hotels ihre Angebote genüber Buchungsplattformen äussern, nicht fern. weltweit kostenlos über OTAs publizieren, eine Vergü- tung für diese Leistung aber auch im Fall einer Buchung dadurch vermeiden, dass sie die Kunden mit einem güns- 5.2.3 Ausnutzung einer marktbeherrschenden tigeren Preis auf die eigene Hotelwebsite ziehen. Ob die Stellung enge Preisbindungsklausel allein noch eine wettbewerbs- Dass die Sorgen der Studienteilnehmer nicht aus der Luft widrige Vertragsbedingung darstellt, ist umstritten. In der gegriffen sind, zeigt beispielhaft die Entwicklung im Schweiz aber ist die Beziehung zwischen OTAs und Hotel- Übernachtungsgewerbe; sie wurde im E-Commerce Re- lerie als Ganzes vergiftet und von Misstrauen geprägt. port Schweiz 2017 ausführlich dargelegt [61]. Über viele Fast die Hälfte der Hotels fühlt sich von den OTAs unter Jahre hatten sich Onlinereisebüros – im Fachjargon On- Druck gesetzt, ihre Geschäftsbedingungen zu akzeptie- line Travel Agencies (OTAs) – mit ihren kundenfreundli- ren, so ein aktuelles Ergebnis einer Onlineumfrage der chen Buchungsplattformen eine starke Position bei Kon- Fachhochschule Wallis von Anfang 2018 [62]. Bei den ein- sumenten aufgebaut. Diese Stärke nutzten sie zuneh- zelnen Hotels scheint die Beurteilung allerdings recht un- mend aus, indem sie ihre Interessen mit immer restrikti- terschiedlich auszufallen: ebenfalls fast die Hälfte der Be- veren Klauseln in den Verträgen mit Hotels durchzusetzen fragten gibt an, keine Streitigkeiten mit OTAs zu haben. begannen. Im Zentrum der Auseinandersetzung standen so genannte Meistbegünstigungsklauseln. Sie verpflich- Ob sich die Buchungsplattformen einen Gefallen getan teten angeschlossene Beherbergungsbetriebe, ihre freien haben, als sie das Rad überdrehten, ist zweifelhaft. Kapazitäten auf der jeweiligen Plattform vollständig zu Google, in den Augen der Studienteilnehmer branchen- den günstigsten Konditionen anzubieten. Das beinhaltete übergreifend in der Schweiz die bedeutendste digitale den jeweils besten Preis, die höchste Zimmerverfügbar- Plattform, scheint hier bis dato ein glücklicheres Händ- keit und die jeweils günstigsten Buchungs- und Stornie- chen zu haben. In den Jahren 2012 bis 2014 gehörte der rungsbedingungen. Für den Hotelier bedeutete das, dass Zugang zu Kunden via Google zu den heissesten Themen er sein Angebot auf den externen Buchungsplattformen im Studienpanel. Über zwei Drittel der Befragten beurteil-

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ten 2014 die diesbezügliche Entwicklung von Google kri- den ersten Onlineshops aufkommenden Onlinemarkt- tisch, ebenso viele sahen in ihrer Branche die Gefahr, dass plätze waren auf C2C ausgerichtet, also Geschäfte zwi- die erzielbare Marge von Dienstleistern, die den Zugang schen privaten Endverbrauchern mit überwiegend ge- zum Kunden herstellen, abgeschöpft wird [63]. Daran hat brauchten Waren. Mit der Zeit entwickelte sich dort auch sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Im Gegenteil, ein kommerzielles Angebot, zunächst mit eher semipro- mit Google Shopping, vertikalen Lösungen wie Google fessionellem Charakter und basierend auf eher kleinge- Hotels und dem Ausbau weiterer verbundener Geschäfts- werblichen Anbietern. Der Begriff eBay-Powerseller steht felder konnte Google seine marktbeherrschende Position für ein Geschäftsmodell, das um das Jahr 2010 herum flo- behaupten und das Aufkommen eines relevanten Wett- rierte. Als Marktplatz auf durchgängig professionellem bewerbers im Bereich der horizontalen Suche verhindern. Leistungsniveau konnte sich im deutschsprachigen Raum Trotzdem hat das Thema Google bei den E-Commerce- lediglich der Amazon Marketplace etablieren. Für traditi- Anbietern im Studienpanel an Dringlichkeit verloren. Ein onelle Händler mit physischen Produkten erschien es grosser Teil von ihnen hat, zusammen mit ihren Dienst- lange abwegig, Onlinemarktplätze als Absatzkanal in Er- leistern, die Mechanismen ausreichend durchdrungen, wägung zu ziehen. Sie wollten ja ihre eigenen Onlineka- um ihre Webseiten nach Search-Engine-Optimization- näle voranbringen und ihre Händlermarke stärken. Der Gesichtspunkten zu optimieren und Search Engine Adver- Gedanke, den Kundenzugang auszulagern, passte nicht tising auf eine für sie zufriedenstellende Weise zu betrei- zu ihrem Selbstverständnis als Händler. Dazu schmerzte ben. Google ist weiterhin ein effektiver Kanal und das im preissensitiven E-Commerce die an die Marktplätze Kostenlimit für eine über diesen Kanal gewonnene Bestel- abzuführende Kommission. Für Markenhersteller waren lung lässt sich einhalten. Kompromisse müssen Anbieter Onlinemarktplätze ohnehin ein Graus – die Präsentation beim Volumen machen – viele würden noch mehr Traffic der Produkte erfolgte alles andere als markengerecht, der bei Google einkaufen, wenn nicht die Kosten je Auftrag Preiswettbewerb stand im Vordergrund und jegliche Kon- mit zunehmendem Volumen steigen würden. trolle über das Serviceniveau war dort verloren. Markt- plätze wurden als eine Gefahr für die angestammten Der Umgang mit Google ist für uns gut einschätzbar geworden. Distributionsstrukturen angesehen und wurden eher be- Markus Mahler, BRACK.CH kämpft als unterstützt. In einigen Fällen verboten Marken ihren Handelspartnern, die Markenprodukte über Online- 5.3 Mitmachen oder wegbleiben? marktplätze zu verkaufen, was sich aber schnell als kar- tellrechtlich unzulässig herausstellte. Die Haltung von Unternehmen zu einer Partizipation an digitalen Plattformen hat sich in der kurzen Geschichte In der Schweiz begann die Wende etwa 2014. Die indivi- des E-Commerce unterschiedlich entwickelt. duellen Anbieter mussten erkennen, dass sie in ihrem Wachstum dadurch an Grenzen stiessen, dass die Kosten 5.3.1 Wie sich die Haltungen zu Plattformen ver- für den Zugang zu Kunden immer höher wurden. Das re- änderten lativierte den Stellenwert der Kommissionen der Markt- plätze. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung von Amazon Dienste wie Google Ads, die klar als B2B-Service zu ver- und auch des Amazon Marketplace immer weiter an. Auf stehen sind und dem Anbieter helfen, selbst mehr Trans- eBay bekamen B2C-Angebote ein immer grösseres Ge- aktionen machen zu können, wurden von Anfang an gut wicht, die Sofortkauf-Möglichkeit etablierte sich neben angenommen. In der Reisebranche hatten Buchungs- dem klassischen Auktionsmodell. Ricardo lancierte 2014 plattformen von Beginn weg eine gute Akzeptanz bei den ricardoshops.ch, um auf das B2C-Marktplatzgeschäft auf- Leistungserbringern. Schliesslich waren die einzelnen zuspringen. Coop und Swisscom starteten 2015 unter Leistungserbringer bei deren Aufkommen weit davon dem Namen Thor das Projekt, aus dem der Marktplatz entfernt, eigene internetbasierte Buchungssysteme an- siroop hervorgehen würde. Zudem war 2015 der Euro- bieten zu können. Deshalb wurde akzeptiert, dass die Kurs ein weiteres Mal eingebrochen. Scharenweise wand- Plattformen nicht nur auf die Internetsuche der Konsu- ten sich Schweizer Konsumenten ausländischen Online- menten ausgerichtet sind, sondern auch die Transaktion anbietern zu. Amazon und eBay profitierten stark davon – abbilden. Die hohe Akzeptanz führte allerdings zu einem ausserdem asiatische Plattformen. Letzteres wurde in sei- in diesem Ausmass unerwartet hohen Bedeutungszu- nem Ausmass erst mit zeitlicher Verzögerung in der Öf- wachs dieser Plattformen. Ab etwa 2010 wurden Prob- fentlichkeit wahrgenommen. leme infolge von Machtverschiebungen und Abhängigkei- ten sichtbar. Im Jahr 2018 ist die Haltung gegenüber Onlinemarkt- plätzen im Vergleich zu derjenigen fünf Jahre zuvor wie Im Bereich physischer Waren war die Entwicklung ganz umgedreht: Man muss da sein, wo die Kunden sind – diese anders. Hier entwickelten die Anbieter sehr früh eigene Haltung hat sich sowohl bei Händlern als auch bei Mar- Onlineshops. Die bereits Ende der 1990er Jahre parallel zu ken durchgesetzt.

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Als Händler muss man da sein, wo die Frequenz ist, das gilt online der Marke auf dem Marktplatz anbieten, die Marke selbst und offline. Pierre Wenger, Interdiscount aber nicht als Verkäufer erscheinen lassen. Eine transpa- rentere Lösung mit gleichzeitig grossem Potenzial für Wir bedienen alle für uns sinnvollen Plattformen und testen auch Cross-Channel-Services hat die Schweizer Intersport- immer wieder neue Player. Erich Mühlemann, TUI Schweiz Gruppe zusammen mit BRACK.CH gefunden. BRACK.CH Die Frage ist nicht mehr, ob man gerne auf Marktplätzen wurde selbst Intersport-Händler und erbringt ausserdem verkaufen würde, sondern wie man das sinnvoll am bes- Zentralfunktionen für die ganze Gruppe. Dazu gehört die ten anstellen kann, wie man das mit seiner Strategie in virtuelle Sortimentserweiterung für alle Intersport- Einklang bringt und auch Geld verdienen kann. Diese Fra- Händler, die in ihrem Laden fehlende Artikel aus dem Be- gen zu beantworten ist allerdings nicht einfach und es gibt stand von BRACK.CH anbieten können. Wenn sich Mar- einmal mehr keine allgemeingültige Antwort. Viele Un- ken für ein Angebot auf Marktplätzen entscheiden, ge- ternehmen testen ihre Überlegungen einfach aus. schieht dies oft, um den nicht immer markenkonformen Angeboten von Dritten einen offiziellen Markenauftritt Einige Versuche der Zusammenarbeit mit Plattformen haben wir entgegenzusetzen. wieder aufgegeben. Der Nutzen war zu einseitig zugunsten der Plattform. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services Viele unserer Wiederverkäufer verkaufen Victorinox-Produkte über den Amazon-Marketplace. Kilian Eyholzer, Victorinox

5.3.2 Aktuelle Haltungen der Studienteilnehmer Eine recht klare Antwort auf das Zusammenspiel von di- «If you can’t beat them, join them!», formuliert es Erich rektem und indirekten Vertrieb hat Beliani gefunden. Ste- Mühlemann von TUI Suisse. Nachfolgend wird beschrie- phan Widmer erklärte dazu, dass Beliani seine eigenen ben, welche Haltungen Studienteilnehmer gegenüber di- Leistungen und seine Kommunikation auf ein bestimmtes gitalen Plattformen derzeit einnehmen. Marktsegment fokussiert. Seine Direktvertriebsaktivitä- ten richtet Beliani darauf aus, in diesem Marktsegment in Eine Frage in den Interviews lautete, wie man am besten ausgewählten Regionen direkte Kontakte zu den Konsu- damit umgeht, dass digitale Plattformen gleichzeitig ein menten aufzubauen und zu pflegen. Um darüber hinaus Dienstleister und ein Wettbewerber sind. Die Antworten Volumen zu erzeugen, verkauft Beliani primär in anderen darauf zeigen weit überwiegend, dass das Denken in ei- Marktsegmenten oder Regionen über Marktplätze. Darin nem solchen Schema eine Sackgasse ist und eine andere hat Beliani international auf über 400 Plattformen Erfah- Sicht gefunden werden muss. Einige Teilnehmer spre- rungen gesammelt und weiss, was für sie funktionieren chen von einer mentalen Barriere, die zu überwinden sei. kann und was nicht. Für sie müssen sich Verkäufe über Solche Mischformen gebe es ja oft im Leben. Ein Ge- eine Plattform von Anfang an rechnen, sonst machen sie sprächspartner sagt, es liege ohnehin im Gen eines Händ- es nicht oder stellen eine Zusammenarbeit schnell wieder lers, opportunistisch zu sein. ein. Bei Beliani scheint das gut zu funktionieren. Dabei muss man berücksichtigen, dass es sich um sehr preis- Strenge Rollenbilder wie Dienstleister oder Wettbewerber sind günstige Eigenmarkenprodukte handelt. Direkte Verglei- überholt. Laurent Garet, La Redoute Suisse che mit Produkten von Wettbewerbern sind also nicht Dass digitale Plattformen gleichzeitig Dienstleister und Wettbe- möglich; bei einem Vergleich mit ähnlichen Produkten werber sind, ignoriert man am besten. Im Leben ist das so. hat Beliani preislich meistens eine gute Position. Michael Maeder, Switzerland Travel Centre Wir haben kein Problem damit, dass Plattformen auch Wettbewer- Für Unternehmen, die im selben Marktsegment Gross- ber sind. Das ist einfach so. Wir wollen das Geschäft jetzt machen und mit der Plattform verdienen. Stephan Widmer, Beliani händler und Einzelhändler sind, z.B. die Competec- Gruppe, ist diese Doppelrolle gegenüber ihren B2B-Kun- So einfach, wie sich das bei Beliani mit ihrer diversifizier- den ohnehin Alltag. Dasselbe gilt für Marken, die sowohl ten Plattformstrategie darzustellen scheint, ist es für die indirekt als auch direkt vertreiben. Die Fähigkeit, seine meisten Anbieter nicht. Das gilt gerade dann, wenn ohne- Geschäftspolitik in konkurrierenden Kanälen so auszu- hin nur eine oder sehr wenige Plattformen im jeweiligen balancieren, dass ein Gewinn auf der einen Seite nicht Marktsegment relevant sind. Ein in den Gesprächen im- durch einen Verlust auf der anderen Seite wieder aufge- mer wieder gefallenes Stichwort ist dementsprechend hoben wird, ist für diese Anbieter zur Existenzgrundlage Abhängigkeit. Das ist der zweite Spagat, der gemacht geworden. Für Markenanbieter ist diese Herausforderung werden muss, nachdem man sich für die Zusammenarbeit besonders gross. Zum einen müssen sie den Direktver- mit einem potenziellen Wettbewerber entscheidet: man trieb gegenüber ihren Handelspartnern vertreten und sollte einerseits richtig Gas geben, um etwas zu erreichen, durchsetzen können. In Deutschland kann beobachtet andererseits gilt es, seine Trümpfe nicht aus der Hand zu werden, dass Marken dabei gelegentlich auf Broker zu- geben und nicht in eine Abhängigkeit zu geraten. In ein- rückgreifen, die in ihrem Auftrag und nach den Vorgaben schlägigen Onlineforen gibt es insbesondere im Zusam-

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menhang mit Amazon immer wieder Berichte, wie Anbie- haben einen Vorteil, weil sie ihre Produkte exklusiv ver- ter in schwierige Situationen kommen. Besonders ausge- kaufen können. Der Ansatz lässt sich auf gewöhnliche prägt werden Abhängigkeiten in der Beherbergungsbran- Händler übertragen, wenn diese selbst Eigenmarkenpro- che wahrgenommen (Kapitel 5.2.3). dukte entwickeln, die mit den Angeboten der Wettbe- werber nicht mehr direkt vergleichbar sind. Wichtig dürfte Wenn man mit einem Marktplatz zusammenarbeiten will, ist es allerdings sein, dass diese Produkte immer noch einen wichtig, dass man ihn als Partner und Werbekanal betrachtet und aktiv die beste Form der Zusammenarbeit sucht. ausreichenden Wert verkörpern, um sich von den direkt Malgorzata Gliszczynska, eBay International aus China eingeführten No-Name-Produkten zu unter- scheiden. Das Potenzial für die Unterscheidung kann un- Man muss darauf achten, nicht abhängig zu werden. Das haben ter anderem aus einer starken Handelsmarke oder aus lo- wir aus eigener Erfahrung gelernt. Stephan Widmer, Beliani kalisierten Produktmerkmalen kommen. Auch lokale Zusatzservices werden als Ideen zur Differenzierung ge- Man muss strategisch bei seinen Kanälen diversifizieren, um nicht nannt, sofern diese auf der Plattform abbildbar sind. in eine Abhängigkeit zu geraten. Daniel Röthlin, Ex Libris Um auf einer Plattform erfolgreich zu sein, muss man Produkte mit Man muss partnerschaftlich miteinander umgehen, darf aber nicht einem Alleinstellungsmerkmal haben. die ganze Hand geben. Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse Philippe Huwyler, coop@home

5.4 Handlungsoptionen individueller Anbieter Starre Produktbündel weichen flexiblen Formen der Disaggrega- tion und Neuaggregation. Sebastian Riedle, Swiss International Air Lines Auch bei den Handlungsoptionen muss die Antwort im- mer bezogen auf das Marktsegment, den Charakter des Ein Ansatz, der in den Augen der Studienteilnehmer hel- Angebots und die jeweilige Platform gefunden werden. fen kann, sich in Verhandlungen mit Plattformen besser Trotzdem lassen sich aus den Antworten der Studienteil- behaupten zu können, ist die Angebotsdifferenzierung nehmer auf die Frage, was einzelne Anbieter tun können, nach Kanälen. Denn Plattformen drängen oft darauf, um ihre Interessen gegenüber Plattformen zu vertreten, dass ein Anbieter sein gesamtes Sortiment auf der Platt- eine Reihe von Möglichkeiten ableiten. Zunächst muss al- form anbietet. Tut er das nicht und die Plattform stellt lerdings in aller Klarheit eingestanden werden, dass ein- entsprechende Forderungen, hat man als Anbieter mög- zelne Anbieter an der grundsätzlichen Machtkonstella- licherweise etwas Verhandlungsmasse für «Wünsche» an tion nichts ändern können. Die Antworten geben ledig- die Plattform. Regelmässige Sortimentsanpassungen lich Hinweise darauf, wie man seine Interessen unter ge- schaffen dabei immer wieder neue Differenzierungsmög- gebenen Bedingungen am ehesten wahren und sich be- lichkeiten, z.B. wenn man neu aufgenommene Produkte haupten kann. Den Tsunami der Veränderung durch di- immer nur zeitversetzt auf Onlineplattformen anbietet. gitale Plattformen, den Laurent Garet von La Redoute Wenn ein Anbieter sein gesamtes Sortiment auf Online- Suisse im Interview thematisierte, stoppt man aber nicht. plattformen anbieten möchte, ist zu überprüfen, ob es Es ist hinreichend bekannt, dass leicht erhältliche Mar- sinnvoll auf verschiedene Plattformen verteilt werden ken- und Commodity-Produkte durch die von Plattfor- kann, damit die Diversifikation der Absatzkanäle besser men ausgehende Markttransparenz am stärksten unter greift. Z.B. könnten auf verschiedenen Plattformen un- Druck kommen. Bei diesen ist ein Listing auf Marktplät- terschiedliche Zielgruppen adressiert und diese mit spe- zen nur für diejenigen Anbieter erfolgversprechend, die ziell für sie selektierten Angeboten bedient werden. Auch preislich ganz vorne liegen oder eine sehr schnelle Verfüg- unterschiedliche Platzierungen von Special Offers können barkeit gewährleisten können. Für traditionelle Händler beim Ausbalancieren der Fremdvertriebskanäle helfen. mit weit verbreiteter Handelsware sind diese Sachver- Diese sollten sich aber primär durch verschiedene Leis- halte ungünstig, wenn es nicht um lokale Nachfrage geht. tungsmerkmale und nicht durch verschiedene Preise für die gleiche Leistung unterscheiden. Andererseits gibt es In allen anderen Fällen ist eine Unterscheidung von sol- auch gute Gründe, nicht sein gesamtes Sortiment auf chen Commodity-Angeboten anzustreben. Das ist die Marktplätzen anzubieten. Das betrifft zum einen Pro- wichtigste Gruppe der Handlungsoptionen. Von den Kun- dukte, für die auf den Marktplätzen meist auch andere den nachgefragte Produkte mit einem Alleinstellungs- Anbieter auftreten und bei denen man nicht wettbe- merkmal sind immer eine sehr gute Voraussetzung. Sie werbsfähig ist. Zum anderen kann es sinnvoll sein, der könnten auch ein echtes Interesse einer Plattform an ei- Plattform solche Angebote vorzuenthalten, bei denen zu nem Anbieter bewirken. Ist man auf einem Marktplatz für befürchten ist, dass man die Kontrolle über die Distribu- Standardprodukt im Long-Tail der einzige Anbieter, sind tion oder den Preis verliert oder sogar befürchten muss, die Aussichten für einen Verkauf mit einer guten Marge dass die Plattform selbst zum Wettbewerber wird. ebenfalls gut. Vertikal integrierte Handelsunternehmen

48 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

Von allen Massnahmen für Hotels erachte ich die Produktdifferen- menten einer Plattform auseinandersetzt und nicht ein- zierung – für was steht das Hotel – als am wichtigsten. fach dem Basisschema folgt. Oft fänden sich dann Mög- Michael Maeder, Switzerland Travel Centre lichkeiten, sich clever in eine Plattform zu integrieren. Unser Standardsortiment verkaufen wir auch auf externen Platt- Man sollte digitale Plattformen immer zu nutzen versuchen. Aber formen, nicht aber Limited Editions und dergleichen. gesteuert, Schritt für Schritt, lernend, nicht mit aller Gewalt. Kilian Eyholzer, Victorinox Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz Gerade für seine Eigenmarkenprodukte erzielt auf Galaxus eine viel grössere Reichweite. In ganz besonderem Masse gilt das wohl für den Amazon Florian Teuteberg, Digitec Galaxus Marketplace. Die Amazon-Plattform dominiert den E-Commerce unter anderem in Mitteleuropa. Entspre- Um sich gegenüber Plattformen zu behaupten, braucht es das chend der enorm grossen Nachfrage ist auch der Wettbe- Quäntchen mehr Liebe zum Detail. Man muss das Potenzial des werb unter den Anbietern sehr gross. Sie werden bei eigenen Markenkerns voll ausschöpfen und sich gegenüber dem Amazon in zwei Gruppen eingeteilt: Als Vendoren wer- grossen Gemischtwarenladen differenzieren. Sven Betzold, ifolor den die Unternehmen bezeichnet, die als Lieferant in ei- ner B2B-Geschäftsbeziehung an Amazon verkaufen und Für ein Warenhaus hat es keinen Sinn, sein Sortiment einfach eins damit unter anderem die Entscheidungshoheit über den zu eins auf einen Marktplatz zu übertragen. Verkaufspreis – den Amazon konsequent dem Marktpreis Markus Mahler, BRACK.CH anpasst – abtreten. Als Seller werden dagegen die Anbie- ter auf dem Marketplace bezeichnet. Sie behalten die Ge- Produkte in vielen Varianten und individualisierbare Pro- staltungshoheit über ihr Angebot, haben aber weniger dukte sind ebenfalls ein Thema. Das Angebot einiger, Möglichkeiten, ihre Positionierung zu optimieren. Im aber nicht aller Produktvarianten auf der Plattform Schweizer Studienpanel haben noch sehr wenige Mitglie- könnte für die Konsumenten einen Anreiz schaffen, einen der eigene Erfahrungen mit dem Verkauf auf Amazon. Direktvertriebskanal des Anbieters aufzusuchen. Es darf Dafür kann in zahlreichen Foren, Podcasts und Konferen- davon ausgegangen werden, dass dieser Effekt z.B. bei zen über Erfahrungen deutscher Anbieter gelesen und ge- FREITAG-Taschen gut funktioniert. Auch die Lufthansa- hört werden. Einige Berater haben sich auf Amazon spe- Gruppe schafft mit ihren zunehmend modularisierten zialisiert und bieten ihr Know-how an. Es muss davon aus- Produkten vielfältige Möglichkeiten der Angebotsdiffe- gegangen werden, dass eine erfolgversprechende Steu- renzierung. Das grösste Spektrum findet man dabei aus- erung der eigenen Angebote auf dem Marketplace sehr schliesslich auf den Direktvertriebskanälen. anspruchsvoll ist und dass der Umgang mit Amazons Re- Eine Reihe von Gesprächspartnern glaubt, dass dem geln und Instrumenten alles andere als einfach ist. Vor al- durch digitale Plattformen verschärften Wettbewerb oft lem ist zu beachten, dass Amazon unkonformes Verhal- nur durch den Rückzug auf eine Nische begegnet werden ten konsequent sanktioniert, auch von unwiderruflichen kann. Das kann auch eine lokale Nische sein, z.B. bei ei- Accountsperrungen auf dem Marketplace ist des Öfteren nem in einer bestimmten Region für seine Cross-Channel- die Rede. Wer aber die Spielregeln beherrscht und ein at- Services bekannten regionalen Anbieter. traktives Angebot hat, findet auf Amazon Zugang zu einer gigantisch grossen Nachfrage. Der traditionelle Handel wird es immer schwerer haben. Er muss sich vom Mainstream auf die Nische verlagern. Der einzelne Anbie- Senkt ein relevanter Onlineanbieter die Preise, zieht Amazon kon- ter kann nur besser sein, sonst gibt es keine Alternative. sequent nach. Kilian Eyholzer, Victorinox Sven Betzold, ifolor Wenn Amazon schon in die Schweiz kommt, fragen wir uns, ob wir Die Antwort ist die Rückbesinnung auf die eigene Kernkompetenz über den Marketplace Schweizer Kunden erreichen wollen. und die Bereitschaft, diese in ein Nischengeschäft einzubringen. Markus Mahler, BRACK.CH Studienteilnehmer Die Studienteilnehmer, die Massnahmen wie Angebots- Auch wenn hier viele Möglichkeiten aufgezählt wurden – differenzierungen empfehlen, sind sich bewusst, dass was nicht zuletzt mit unterschiedlichen Bedingungen der diese auf kurze Sicht die Verkaufschancen auf den exter- verschiedenen Branchen zusammenhängt – stellt sich für nen Kanälen beeinträchtigen können. Aber langfristig sei manchen Anbieter die Situation alternativlos dar: eine es wertvoll, mehrere Pferde am Zügel zu haben, wie es ein wichtige Zielgruppe kann nur über eine mächtige Platt- Studienteilnehmer ausdrückt. Es gibt aber auch eine ge- form erreicht werden. Zwei erfahrene Mitglieder im Stu- genteilige Meinung: Wenn man den Umsatz machen dienpanel weisen aber darauf hin, dass es oft auch in sol- könne, solle man das auch tun. Man müsse sich einfach chen Situationen Möglichkeiten gibt. Voraussetzung ist, des Risikos bewusst sein und darauf vorbereitet sein, dass man sich genügend genau mit den Details und Instru- auch dann noch bestehen zu können, wenn der Kanal von einem Tag auf den anderen wegfalle.

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Die Handlungsoptionen eines Anbieters auf Plattformen dienteilnehmer aus einem kanalübergreifenden Handels- sind stark von seinen Kompetenzen abhängig. Da sind zu- unternehmen thematisiert, dass die Kommission eines nächst die Basisanforderungen, die nicht von jedem Un- Marktplatzes nicht allein als Margenschmälerung dieses ternehmen selbstverständlich erfüllt werden können. Zu Onlinekanals angesehen werden dürfe, sondern zum Teil ihnen gehören hochwertige Produktstammdaten, Be- auch dem Marketingbudget anzurechnen sei. Schliess- schreibungen und Bilder, ausserdem geeignete interne IT- lich sei der Marktplatz der Ort, an dem der Traffic sei und Systeme, Tools und Schnittstellen für den automatisier- an dem man Visibilität habe. ten elektronischen Datenaustausch. Darüber hinaus be- darf es der Fähigkeit zu einer differenzierten Beobach- Wo individuelle Anbieter das Gefühl haben, mit ihren tung des Marktes bezüglich der angebotenen Produkte Möglichkeiten am Ende zu sein und der Markt nicht mehr und Preise. Erfolgreiche Marktplatzanbieter sind in der zu funktionieren scheint, kommt die Politik ins Spiel. So Lage sein, ihr eigenes Angebot laufend der Marktsituation auch bei einigen Studienteilnehmern, von denen vier anzupassen und zeitnah auf den Plattformen nachzufüh- nicht zur Beherbergungsbranche gehören, die ja gerade ren. Ist der Lagerbestand verkauft, muss das Angebot um- erst im Jahr 2017 die politische Motion Bischof durchge- gehend auf allen Plattformen deaktiviert werden. Für sol- boxt hat. Ein Problem der zweifellos äusserst wichtigen che Aufgaben gibt es so genannte Multichannel-Tools für Überprüfung bestehender Gesetze in Bezug auf ihre Eig- Onlinehändler, auch mit Funktionen für dynamische nung im Zusammenhang mit digitalen Plattformen ist, Preisanpassungen. In der Reisebranche heissen diese dass auf diesem Weg keine zeitnahen Hilfestellungen für Systeme Channelmanager und gehören dort bei professi- bedrängte Branchen erwartet werden können. Ob das, onellen Anbietern bereits zum Standard. Bei Anbietern was die angenommene Motion Bischof schlussendlich an physischer Produkte ist das noch eine Ausnahme. gesetzlicher Schützenhilfe zu leisten vermag, tatsächlich einen relevanten Einfluss haben wird, ist umstritten. Sofern ein Anbieter nicht ausschliesslich indirekt ver- treibt, müssen die Direktbuchungskanäle – die eigene Globale Plattformen verändern die Welt in Tagen, Lobbying braucht Jahre, um etwas zu bewirken. Website, der Onlineshop oder die Buchungsplattform – Laurent Garet, La Redoute Suisse up to date und benutzerfreundlich gehalten werden, wenn man im Vergleich zu den Fremdvertriebskanälen Es ist nett, dass man sich für die Hotels einsetzt, aber es wird nicht qualitativ nicht zurückfallen will. Wichtige Aspekte dabei viel helfen. Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse sind nicht nur die Inhalte und Kernfunktionen, sondern auch die unterstützten Sprachen, die Mobile-Tauglichkeit Airbnb kann den Hotelvertrieb viel stärker ändern als eine Lex Boo- king nach der Motion Bischof. und die Ladezeiten. Die Anforderungen auch an individu- Michael Maeder, Switzerland Travel Centre elle Onlineshops sind zwischenzeitlich so hoch, dass es schon einer sorgfältigen Abwägung bedarf, ob man den Aufwand für eigene Onlinekanäle realistisch mit einem 5.5 Kooperationen ausreichend hohen Verkaufsvolumen decken kann. Wenn man sich realistischerweise eingestehen muss, dass Um von Plattformen profitieren zu können muss man die richtigen sich individuelle Anbieter im Umgang mit digitalen Platt- Schnittstellen und Tools haben, vor allem aber sein Pricing so steu- formen lediglich mehr oder weniger geschickt verhalten ern, dass man seine Ziele auch erreicht. können, ihnen aber nichts entgegenzusetzen haben, stellt Michael Maeder, Switzerland Travel Centre sich die Frage, ob mit gemeinschaftlichem Handeln mehr erreicht werden kann. Dafür werden nachfolgend Ich bin skeptisch, ob es für ein traditionelles Handelsunternehmen drei Ansätze behandelt. sinnvoll ist, auf einen eigenen Onlineshop zu setzen. Man muss schon verdammt gut sein, damit das gelingt. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus 5.5.1 Übernahmen, Fusionen und Beteiligungen

Wir empfehlen immer den günstigsten Preis auf dem eigenen Ver- Zum ersten Ansatz kann man zahlreiche Übernahmen triebskanal. Thomas Allemann, Hotelleriesuisse und Joint Ventures auch in der Schweiz aufzählen, die eine Konsolidierung der zersplitterten Anbieterlandschaft Ich verstehe, wenn sich Hotels einer Plattform wie Booking ausge- liefert fühlen. Aber diese Plattformen bringen halt einfach die Bu- und eine Stärkung des verbleibenden Unternehmens be- chungen, ohne geht es nicht mehr. Entscheidend ist, die Steuerung wirken. Beispiele wären die Zusammenlegung von im Griff zu haben. Katja Altmann, Bedfinder car4you.ch mit autoricardo.ch oder der Kauf von tech- mania.ch durch die PCP.COM-Gruppe. Anfang dieses Zudem gibt es, auch auf der organisatorischen Ebene Jahres wurde die Übernahme von La Redoute durch Ga- wichtige interne Weichenstellungen zu beachten. Ein Bei- leries Lafayette vollzogen, wodurch ein zum Online Pure spiel dafür ist die Zuordnung der Verkaufskommissionen, Player mutierter Versandhändler Synergien mit einem eine verkaufspolitische Grundsatzentscheidung. Ein Stu- grossen Warenhaus erschliessen möchte. Auch die Fusion

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der Multichannel-Buchhändler Orell Füssli und Thalia zur z.B. einen Buy-Button in ihren Suchergebnissen platziert Orell Füssli Thalia AG mit Beschränkung auf nur noch ei- und damit vom Vermittler zum Wettbewerber der Inse- nen Onlineshop fällt in diese Gruppe. Und im Classifieds- renten werden würde. Markt ist die jobs.ch-Holding zu nennen, die als Joint Venture von Tamedia und Ringier globalen Plattformen Im Wettbewerb mit Amazon ist Google wie ein Verbündeter. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus Paroli bieten will. Nachdem Facebooks Jobs auch in der Schweiz gestartet ist und Google seine Metasuchma- Die asiatischen Anbieter werden der einzige Gegenspieler sein, der schine für Stellenangebote in den USA bereits vorgestellt es mit Amazon hinsichtlich Innovationskraft aufnehmen kann. hat, könnte es bald zu einer Bewährungsprobe kommen. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz

Über drei Jahre haben wir sieben Onlinemarken auf orellfuessli.ch Google ist indes nicht untätig und baut seine Position im konsolidiert. Jetzt können wir unsere Marketingmittel fokussiert Konsumgüterhandel aus. Eine Initiative dazu ist Google einsetzen. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia Express, ein Shoppingportal, über das in einigen Regio- nen der USA Waren von angeschlossenen Detailhändlern 5.5.2 Nutzung digitaler Plattformen bestellt werden können. Seit Herbst 2017 gehört auch das weltweit grösste Einzelhandelsunternehmen Walmart zu Der zweite Ansatz – die Nutzung digitaler Plattformen – den rund 50, überwiegend grösseren angeschlossenen entspricht ja gerade dem Konzept mehrseitiger Ge- US-Handelspartnern. Für 2019 ist sogar eine Zusammen- schäftsmodelle, bei dem aus der komplementären Zu- arbeit mit der französischen Supermarktkette Carrefour sammenarbeit zwischen Plattform und individuellen An- in Gespräch. Kunden finden ihre Artikel anbieterübergrei- bietern ein überdurchschnittliches Leistungsniveau er- fend in einem breiten Warenhaussortiment einschliesslich reicht wird. Das wird auch regelmässig praktiziert. Siroop Lebensmitteln präsentiert, legen sie in einen gemeinsa- gewann binnen zwei Jahren über 500 Händler für ihren men Warenkorb und bezahlen mit dem in ihrem Google Marktplatz, Galaxus, die selektiver vorgehen, integrier- Account hinterlegten Zahlungsmittel. Die Lieferung der in ten in 18 Monaten über 60 Partnerunternehmen. Ein Bei- den einzelnen Geschäften gepickten Produkte erfolgt spiel ist das Einrichtungshaus Teo Jakob. Es verkauft durch einen regionalen Lieferdienst. Liefergebühren fal- seine Markenprodukte parallel zu sieben stationären Ge- len nur an, wenn in einem der Geschäfte der Mindestbe- schäften ab Mai 2018 erstmals auch über das Internet – stellwert von z.B. 35 US-Dollar nicht erreicht wird. Hat ein exklusiv im Premium-Bereich des Wohnen-Segments auf Kunde eine Kundenkarte eines der angeschlossenen Galaxus [64]. Galaxus will mit Premium explizit Marken- Händler, kann sie mit dem Google-Konto verknüpft wer- und Fachhändler ansprechen, die sich auf den stationären den. Eine Besonderheit ist, dass Google-Home-Besitzer Handel konzentrieren, aber dennoch in einem hochwerti- bereits per Spracheingabe bestellen können. gen und reichweitenstarken Online-Verkaufskanal prä- sent sein möchten – eine plausible Kooperation. In der beschriebenen Ausgestaltung kann der Marktplatz Google Express par excellence als Kooperationsform des Kooperationen dieser Art können auch dazu beitragen, stationären Einzelhandels zur Gegenwehr gegen die Vor- übermächtig empfundenen internationalen Plattformen machtstellung von Amazon angesehen werden. Dabei etwas entgegenzustellen. Konkurrenz unter den Platt- nimmt Google als digitale Plattform die Rolle des Techno- formen ist für individuelle Anbieter von Vorteil, solange logiepartners ein. Natürlich kann hier der Verdacht auf- sich der Markt dadurch nicht zu stark fragmentiert. kommen, dass man möglicherweise lediglich aus der Do- Mit einer grundsätzlichen Haltung im Sinne von «Digitale Player minanz der einen in die Abhängigkeit von einer anderen sind böse» tut man sich keinen Gefallen. Plattform wechselt. Das ist aber auf einige Zeit noch nicht Linus Glaser, Zalando abzusehen, denn – und das liegt in der Natur digitaler Plattformen – solange die Vormachtstellung in einem Abgrenzung bei digitalen Plattformen kann ein Fehler sein. Man Marktsegment noch nicht erreicht ist, ist die Plattform da- muss die Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen, in den Vorder- rauf angewiesen, auf der Anbieterseite sehr günstige Be- grund stellen. Philippe Huwyler, coop@home dingungen zu schaffen, um ein genügend grosses und at- In zwei Interviews schildern die Panelmitglieder explizit traktives Angebot zusammenstellen zu können. Diese ihre Überlegungen zu Google. Google steht demnach in Zeit gilt es für die angeschlossenen Einzelhändler zu nut- einem intensiven Wettbewerb mit Amazon, so dass zen und Vorkehrungen für den Fall sich verschlechternder Google eine Art natürlicher Verbündeter in der Behaup- Geschäftsbedingungen zu treffen. tung gegenüber Amazon ist. Da es in den letzten Jahren Im Voice-Bereich ist Google eine Chance, um sich gegen Amazon eine starke Verschiebung von Produktsuchen von Google zu positionieren. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus zu Amazon gegeben hat, müsse Google alles tun, um ihre vorherrschende Position in der Suche zu verteidigen. Des- Ein starkes Engagement für Kooperationen mit Partnern halb sei in näherer Zukunft nicht zu erwarten, dass Google unterschiedlicher Art aus der Modebranche zeigt derzeit

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Zalando. Zalando befindet sich in der Transformation von Galaxus ist ein selektiver Marktplatz. Wir wollen aus allen Katego- einem Onlineshop in eine dreiseitige Plattform für Mode rien die Online-Leader auf unserer Plattform haben. Florian Teuteberg, Digitec Galaxus – neben den Konsumenten werden auch Marken und Händler sowie weitere, im Ökosystem Fashion in den Be- Es scheint ein Merkmal der Plattformen zu sein, dass man sie nicht reichen Vermarktung oder Logistik tätige Dienstleister als aus dem Nichts schaffen kann. Man muss erst einmal durch ein Kunden und Wertschöpfungspartner angesehen. sehr starkes, vertikales Erlösmodell den Zugang zu Kunden gewin- nen. Alexander Graf, Blog Kassenzone.de Mit der Entwicklung hin zu einem Plattform-Modell tragen wir der Tatsache Rechnung, dass die besten und nachhaltigsten Ge- Google und Zalando nehmen in den beschriebenen Ko- schäftslösungen aus der Zusammenarbeit zahlreicher Stakeholder operationsmodellen die Rolle des Technologiepartners der Modebranche heraus entstehenden und nicht ausschliesslich hinter den verschlossenen Türen eines einzelnen Unternehmens. ein. Bei Google Express erfolgt der Verkauf im Namen des Zalando Geschäftsbericht 2017 [65] angeschlossenen Händlers, bei Zalando in Zalandos Na- men. Zwei Teilnehmer im Studienpanel, Flaschenpost Auch für Zalando sei beispielhaft eine Kooperationsmög- und Farmy, nehmen in der Schweiz in ihren Marktseg- lichkeit für stationäre Händler beschrieben: Seit Februar menten ebenfalls eine Rolle als Technologiepartner und 2018 können Mode-Einzelhändler auch bei limitierter Koordinator ein: sie bündeln das Sortiment zahlreicher technologischer Infrastruktur das Fulfillment für Bestel- kleiner Händler oder Produzenten, betreiben eine profes- lungen bei Zalando aus dem eigenen Bestand überneh- sionelle Onlineplattform für die Vermarktung der Pro- men. Dafür kommt eine einfache Softwarelösung namens dukte und organisieren die Auftragsabwicklung. Im Ver- Gaxsys zum Einsatz. Die Arbeitsteilung funktioniert so, bund können sie ein Leistungsniveau und eine Reichweite dass Händler Zalando zunächst mitteilen, welche Marken erreichen, die für keinen der Beteiligten allein auch nur sie im Sortiment führen. Gehen Kundenbestellungen im ansatzweise möglich wäre. Zalando-Shop ein, informiert Zalando die für die bestell- ten Marken registrierten Händler darüber. Haben diese Online wollen wir die Nummer Eins im Schweizer Weinmarkt wer- den. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services das Produkt vorrätig, können sie nach freier Entscheidung das Fulfillment für die Bestellung aus dem eigenen Be- Farmy denkt wie ein Marktplatz: Für uns sind sowohl die Produzen- stand übernehmen. Dabei gilt innerhalb von maximal drei ten als auch die Konsumenten Kunden. Stunden first come, first serve. Sie sind zuständig für den Tobias Schubert, Farmy Versand und für die Rücknahme im Fall einer Retoure. Vergütet bekommen sie den Zalando-Bruttoverkaufs- Auch die Marktplatzinitiative siroop von Coop und preis abzüglich einer Kommission von 18 %. Die Händler Swisscom war ein Versuch, eine digitale Plattform für den verpflichten sich nicht, Ware an Zalando abzutreten. Schweizer Handel zu schaffen. Dass sie gescheitert ist, ist Diese Zusammenarbeit könnte es ihnen ermöglichen, unter dem Aspekt einer vielfältigen Anbieterlandschaft mehr Ware einzukaufen, als sie voraussichtlich selbst im auch unter Plattformen keine gute Nachricht. Geschäft absetzen können, und das Ladenpersonal in ru- Siroop gibt gerade auch kleinen Händlern mit ihren speziellen Sor- higen Zeiten mit dem Rüsten solcher Pakete auszulasten. timenten und lokalen Dienstleistungen Vermarktungskraft im In- ternet und eröffnet ihnen neue, überregionale Zielgruppen. Für Händler mit geeigneter technologischer Infrastruktur Constantin Hilt, siroop, E-Commerce Report 2016 gibt es weitergehende Anbindungsmöglichkeiten über eine Zalando-Schnittstelle. Für die Zukunft stellt Zalando Die bisherigen Ausführungen behandeln digitale Plattfor- in Aussicht, dass die Anbindung stationärer Händler auch men im Kontext von Geschäftsmodellen, die in einer Rolle die Ausweitung von Serviceangeboten wie taggleiche Konsumenten adressieren. Zunehmend gibt es aber auch Lieferung bei Kunden in der Nähe ermöglichen könnte digitale Plattformen, die, aufbauend auf einer techni- [66]. schen Integrationsplattform, auf die Organisation und operative Zusammenarbeit in Wertschöpfungsgemein- Von der Zusammenarbeit profitieren alle Seiten: der stationäre schaften ausgerichtet sind. Sie ersparen den Partnern die Händler, weil er an die Kunden von Zalando verkaufen kann, der Kunde, weil Produkte länger verfügbar sind bzw. das Sortiment im Zusammenhang mit einem automatisierten elektroni- breiter wird, und Zalando, weil wir im Partnerprogramm das Ange- schen Geschäftsverkehr mit jedem Geschäftspartner neu bot um die Produkte des Händlers erweitern können. anfallenden, aufwändigen Abstimmungen über Daten, Linus Glaser, Zalando Prozesse, Nachrichten, kommerzielle Basisvereinbarun- gen und technische Schnittstellen. Etabliert ein Anbieter Eine ähnliche Transformation in eine digitale Plattform eine Schnittstelle zu einer solchen Plattform, kann er über kann aktuell bei Galaxus beobachtet werden. Kennzeich- diese – nach individueller Freischaltung – alle anderen an- nend für beide Unternehmen ist, dass sie diesen Schritt gebundenen Unternehmen sehr einfach in seine Prozesse aus einer starken Position als Onlineshop heraus tun. Bei einbeziehen. Er kann Zugriff auf deren Sortiment neh- siroop war das nicht der Fall.

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men, auf automatisiertem Weg Artikel bestellen und vie- grundsätzlich ermöglicht. Das Tolino-Ökosystem deckt les mehr. Die Zusammenarbeit mit solchen Integrations- alle erforderlichen Komponenten ab, von Lesegeräten, plattformen ist also eine weitere Möglichkeit, eine opera- Apps, einem E-Book-Sortiment und White-Label-E-Book- tiv sehr effiziente Form der Zusammenarbeit und damit Shops, die die Partner unter ihrer eigenen Marke betrei- eine Erweiterung des eigenen Leistungsvermögens zu be- ben können. Mit über 1'500 Buchhandlungen ist Tolino wirken. In der Schweiz haben z.B. mehrere Unternehmen praktisch flächendeckend im deutschen Buchhandel ver- eine Anbindung an die Plattform Tradebyte vorgenom- fügbar, ausserdem in der Schweiz, in Österreich, Italien, men, eine Tochtergesellschaft von Zalando. Sie erreichen Belgien und in den Niederlanden. auf diesem Weg auf der einen Seite ein grosses Lieferan- tenspektrum aus der Modebranche und auf der anderen Die Tolino-Allianz ist die einzige erfolgreiche Kooperation unter Wettbewerbern, die es mit einem Anbieter wie Amazon aufnimmt. Seite zahlreiche angebundene Marktplätze, von denen Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia Zalando nur einer ist. Auch in Kapitel 4.2.2 wird Tradebyte im Zusammenhang mit den Sortimentserweiterungen Zu den kritischen Erfolgsfaktoren von Kooperationen ge- von Galaxus thematisiert. hört die Fähigkeit zur effizienten Entscheidungsfindung, gerade in einem dynamischen Markt. Bei Tolino dominiert Mancher mag den Begriff Partnerschaft für das Zusam- keiner der Partner, Entscheidungen können nur mehrheit- menspiel individueller Anbieter und digitaler Plattformen lich gefällt werden. Die grosse Zahl der kleinen unabhän- für unpassend halten und darin eher klassische Dienst- gigen Buchhändler ist nur mit einer Stimme über einen leistungsbeziehungen sehen. Aber obwohl die Grund- Grosshändler vertreten. In den fünf Jahren seit dem lage immer kommerzielle Geschäftsbeziehungen sind, Markteintritt 2013 zeigte sich die Allianz in der Lage, eine greift diese Betrachtung zu kurz. Aus Sicht eines Endkon- Reihe schwieriger Situationen zu meistern. Dazu gehör- sumenten verschmelzen die Leistungen der beiden zu ei- ten die Insolvenz des Gründungsmitglieds Weltbild, der ner. Die erbrachten Leistungen sind aber zu komplex, als Austritt des Gründungsmitglieds Club Bertelsmann und dass jeder Einzelaspekt für jede Eventualität sinnvoll vor- ein Wechsel des Technologiepartners – das alles in einer definiert sein sollte. Deswegen ist es notwendig, dass sich seit Jahren stark schrumpfenden Branche mit limitierten jeder der Beteiligten proaktiv für eine gute Gesamtleis- Investitionsmöglichkeiten. tung engagiert. Ein Beispiel für eine handlungsfähige Kooperation im Man muss ein guter und zuverlässiger Partner für die Plattform sein. Wir versuchen, easy für die Partner zu sein und helfen, die B2B-E-Commerce unter Wettbewerbern, in diesem Fall Probleme zu lösen. Die Plattformen sollen gerne mit uns arbeiten. ausschliesslich unter Schweizer KMU, ist die Schweizer Wir versuchen, auch für die Plattform relevant zu werden und lie- DABAG-Genossenschaft. Ihre Mitglieder haben sämtli- fern guten Content, top Bilder und gute operationelle Perfor- che eigenen Lager und einige Lager von Lieferanten zu ei- mance. Stephan Widmer, Beliani nem virtuellen Sortiment zusammengeführt und Trans- parenz über alle Bestände geschaffen. Der DABAG ge- Man kann gleichzeitig Wettbewerber und Partner sein, in der digi- hören 15 regional führende Fachhändler der Schweizer Ei- talen Welt genauso wie in der physischen. Man muss sich bei ge- meinsamen Werten treffen, sich respektieren, Regeln einhalten senwaren-, Werkzeuge- und Beschlägebranche an. Ne- und soviel Transparenz haben, damit jeder das Positive in der Zu- ben der seit über 20 Jahren praktizierten gemeinsamen sammenarbeit sehen kann. Nathan Lauber, Nespresso Suisse Pflege von Produktstammdaten für rund 700'000 Artikel und den klassischen Tätigkeiten einer Einkaufsgenossen- 5.5.3 Selbstbestimmte Kooperationen unter schaft koordiniert sie die Weiterentwicklung eines eige- Wettbewerbern nen Shopsystems und seiner Schnittstellen durch einen IT-Dienstleister. Fast alle Mitglieder arbeiten mit einer ei- Das überzeugendste, hiesige Beispiel für diesen dritten genen Instanz dieses Shopsystems. Durch die Zusam- Kooperationsansatz ist die 2012 gegründete Tolino-Alli- menarbeit profitieren sie davon, sich ein sehr viel leis- anz führender deutschsprachiger Buchhändler zusam- tungsfähigeres System leisten zu können, als es jedem men mit einem Technologiepartner. Sie wurde gegrün- Mitglied einzeln möglich wäre. Sie profitieren von konti- det, um den globalen Technologieanbietern, allen voran nuierlichen Weiterentwicklungen und dem damit verbun- Amazon, eine deutschsprachige Lösung entgegenzuset- denen Kompetenzzuwachs. Die Schnittstellen und vorbe- zen und den E-Book-Markt nicht vollständig an diese zu reiteten Prozesse erleichtern Anbindungen an Beschaf- verlieren. Dieses Ziel wurde erreicht. Nach Aussage von fungslösungen von Kunden, an Lieferanten und an Markt- Pascal Schneebeli von Orell Füssli Thalia hat Tolino am plätze. Vor allem aber ermöglichen sie auch eine intensi- deutschsprachigen E-Book-Markt einen Anteil von rund vere Zusammenarbeit der Mitglieder untereinander. 40 % und liegt damit weniger als 10 % hinter Amazon 2016, im Angesicht von Amazons Einstieg in den B2B- Kindle. Im Unterschied zum Kindle ist Tolino ein offenes Markt, trafen sie Massnahmen, um gemeinsam im Ver- System, das verschiedene E-Book-Formate unterstützt bund ihr Sortiment zu erweitern und das Volumen zu er- und den Bezug von E-Books von verschiedenen Anbietern

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höhen. Eine koordinierte Sortimentspflege, Lagerhal- selbstbestimmte Kooperationsformen reduzieren tung, Transferlogistik und eine tägliche Aktualisierung könnten. Das Ergebnis bringt eine sehr deutliche Skepsis der Bestände in den angeschlossenen Lagern bewirkt, zutage. Zwei Drittel der Befragten glauben im Kontext dass die Kunden der Mitglieder darauf vertrauen können, von mächtigen digitalen Plattformen nicht an selbstbe- die irgendwo in der Schweiz gelagerten Artikel des virtu- stimmte Kooperationsformen. Tolino wird als eine Aus- ellen DABAG-Sortiments binnen 48 Stunden erhalten zu nahme angesehen. Das optimistischere Drittel schränkt können. die Zustimmung insofern etwas ein, als von mehreren Personen betont wird, dass die Kooperation dann eher fo- Dank dem Willen aller Mitglieder konnten wir alle Läger verbinden kussierter ausgerichtet sein müsste als die prominenten und schlagartig eine hohe Transparenz der lokalen Verfügbarkei- ten schaffen. Heute sehen wir uns in der Lage, den grossen Platt- Vorbilder. Die Zahl der Beteiligten dürfe zudem nicht zu formen die Stirn zu bieten. gross sein. Zu den wichtigen Potenzialen zähle aber, dass Peter Trachsel, Präsident DABAG Genossenschaft sich in einer funktionierenden Partnerschaft Dinge entwi- ckeln können, die man zu Beginn noch gar nicht sieht. Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit der Schwei- zer Intersport-Gruppe mit BRACK.CH. Intersport holte Das Ergebnis weicht insofern von anderen Äusserungen sich in diesem Fall gezielt einen Partner in die Verbund- im Panel ab, als in den Interviews immer wieder Kritik an gruppe, der die für erfolgreichen E-Commerce erforderli- mangelnder Kooperation geäussert wird. Eine dafür typi- che Technologie-, Vermarktungs- und Logistikkompe- sche Aussage in diesem Jahr war, dass eine in der Versi- tenz einbringt. BRACK.CH als Multisparten-Onlinefach- cherungsbranche bedeutende Plattform bei den Anbie- händler kann von der Marke Intersport, dem Zugang zu tern beinahe schon verhasst sei, die Versicherer es aber einen qualifizierten Sortiment und von Synergien mit den nicht fertigbrächten, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Dienstleistungen der stationären Intersport-Händler pro- Zusammen kann man stärker sein, für die Schweiz gilt das so- fitieren. Diese wiederum können vom virtuell erweiterten wieso. Aber jeder muss dabei einen Vorteil haben und sich differen- Onlinesortiment und von verschiedenen, von BRACK.CH zieren können. Nathan Lauber, Nespresso Suisse realisierten Cross-Channel-Services Gebrauch machen. Für das Zustandekommen dieser Konstellation war von Wenn Schweizer Anbieter international bestehen wollen, dann Vorteil, dass sich nur zwei Unternehmen einigen mussten. brauchen sie mehr nationale Kooperation. Dafür bleibt die Herausforderung, die rund 200 Intersport- Daniel Röthlin, Ex Libris Franchisenehmer mit ihrer Vielfalt an eigenen Meinungen Ein Unternehmen darf kein Silo sein. In Kooperationen, auch mit und Haltungen ins Boot zu holen. Wettbewerbern, auch im Vertrieb, kann Vieles effizienter gehen, als wenn man alles selbst macht. Durch die Zusammenarbeit mit BRACK.CH können alle Intersport- Gregor Doser, Google Switzerland Händler Same Day oder Next Day Delivery anbieten, ohne selbst ausliefern zu müssen. Matthias Fröhlicher, KOALA Über Partnerschaften kann man massiv mehr erreichen, als wenn man alles selber macht. Markus Mahler, BRACK.CH Schliesslich sei hier noch auf die Mobile App go! So ein- fach geht Taxi der yourmile AG hingewiesen (Kapitel Abgesehen davon wurde aber von mehreren Personen 6.3.4). Ähnlich wie bei Uber vermittelt sie Taxifahrten von ausgesprochen, dass in der Schweiz die Migros-Gruppe zahlreichen angeschlossenen Taxiunternehmen in der und die Coop-Gruppe das Potenzial hätten, Firmen- oder ganzen Schweiz. Die App und ihr System im Hintergrund Format-übergreifende Plattformen zu etablieren. Derar- werden zwar von einem einzelnen Unternehmen entwi- tige Schritte werden auch von beiden Seiten erwartet. Ein ckelt und betrieben, sie ist aber auch die offizielle Bran- Teilnehmer glaubt, dass Galaxus eines Tages das neue chenlösung von TaxiSuisse, der Fachgruppe des Taxige- Migros-Onlineportal sein werde. Ausserdem seien in der werbes im Nutzfahrzeugverband ASTAG. Migros-Gruppe bereits gewisse Öffnungen zu sehen, z.B. bei den PickMup-Abholstellen, die auch von Migros-ex- Unser Grundsatz ist alles aus einer Hand. Das Ziel ist, eine natio- nale und vernetzte Plattform für die regionalen Taxiunternehmen ternen Anbietern genutzt werden. anzubieten. Als Kunde will ich schweizweit einfach ein Taxi bestel- len können, ohne das lokale Taxiunternehmen kennen zu müssen. Aufgrund der sich ständig ändernden Kundenbedürfnisse hat die Migros bei PickMup auch externe Partner miteinbezogen. Wir sind die Firma, die versucht, diese Branche in der Schweiz zu Urs Schumacher, Le Shop digitalisieren. Da gibt es grossen Aufholbedarf. Patrick Gardin, yourmile Zu den Argumenten, mit denen die Befragten ihre Skepsis begründen, gehören folgende: Da das überlegene Leistungsniveau starker digitaler Platt- formen aus der Bündelung der Leistungen vieler Einzelan- • Die Unternehmen seien mental nicht offen genug bieter entsteht, wurden die Studienteilnehmer auch ge- und zu sehr in ihrer Konkurrenz gefangen. fragt, ob Einzelanbieter das Leistungsgefälle durch

54 Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen

• Die Grundlage erfolgreicher digitaler Plattformen ist Plattformen eingestellt. Es ist an der Zeit, dieses zu klären ihre Technologiekompetenz. Diese würden die Ein- und den Tatsachen ins Auge zu sehen: zelanbieter alleine durch eine Kooperation unter ih- resgleichen nicht erwerben. Das Potenzial digitaler Plattformen ist um ein Vielfaches • Kooperationen wären immer zu langsam. grösser als das individueller Anbieter. Die Plattformen • Kooperationen würden dadurch untergraben, dass bündeln in ihrem Marktsegment die Leistungen vieler in sich am Ende doch jeder selbst der Nächste sei und Form von Content. Diesen verbinden sie mit ausgeklügel- dass es zu viele Partikularinteressen gebe. ten Funktionen und erreichen so einen maximalen Nutzen • Versuche von Branchenverbänden, z.B. in der Hotel- für die Rolle mit der höchsten Zahlungsbereitschaft – im lerie, und lokale Marktplatzinitiativen von Städten B2C sind das die Konsumenten. Die IT-basierten Prozesse und ihrem Einzelhandel hätten keine überzeugenden sind hochgradig automatisiert und damit sehr effizient. Erfolge hervorgebracht. Gleichzeitig behalten die Anbieter auf der Plattform eine hohe Gestaltungsfreiheit bei ihrem Angebot und damit Das Kooperationsmodell hinter Tolino hat Potenzial. Aber nur we- die Möglichkeit für Innovationen. Transparenz und direk- nige Anbieter realisieren, dass sie die Kräfte bündeln müssen. ter Wettbewerb der Anbieter auf der Plattform unterei- Stattdessen versuchen sie, die Probleme im Alleingang zu lösen. Francesco Vass, ricardo.ch nander bewirken Höchstleistungen beim Preis-Leistungs- verhältnis. Da die Markteintrittshürden für eine digitale Oft wollen die Wettbewerber ja gar nicht zusammenarbeiten. Viel- Plattform im Vergleich zu anderen Industrien vergleichs- leicht geht es Ihnen noch zu wenig schlecht. weise gering sind, stehen auch die Plattformen unterei- Marcel Schaniel, Möbel Pfister nander in einem starken Wettbewerb. Sie sind permanent auf der Suche nach der noch besseren Leistung, der noch Mit einer Kooperation können traditionelle Anbieter den riesigen digitalen Plattformen nicht entrinnen. Die Plattform wird immer besseren Idee. agiler sein und keine Kompromisse machen müssen. Sven Betzold, ifolor In Marktsegmenten, in denen eine digitale Plattform eine gewisse Schwungmasse erreicht hat, leitet sie Kaufkraft Es wird schwer, in einer kleinen Gruppe kooperierender Firmen in in erheblichem Mass auf sich um. Diese fehlt den individu- grosse Themen wie Big Data, künstliche Intelligenz oder Machine ellen Anbietern, die sie fortan bei der Plattform kaufen Learning zu investieren. müssen – es sei denn, sie beschränken sich auf Nischen Malgorzata Gliszczynska, eBay International ohne Potenzial für eine Plattform. Eine Kooperation ist wahrscheinlich viel zu langsam. Es braucht unzählige Sitzungen, um sich zu einigen. Die Wahrscheinlichkeit, Dass Onlineanbieter ihre Geschäfte ausschliesslich mit dass das funktioniert, ist klein. Stephan Widmer, Beliani «eigenen» Kunden machen, wird wohl immer weniger die Regel sein. Sie bedienen zunehmend eigene und fremde Alexander Graf, Herausgeber des Blogs Kassenzone.de, Kunden parallel. Den Kosten für das Marketing und die hat ebenfalls grosse Bedenken gegenüber Kooperations- Kundenakquisition bei eigenen Kunden stehen die Kosten formaten zum Ausgleich von Leistungsdefiziten. Hier sind für die Kommissionen von Plattformen gegenüber. Immer seine Argumente: häufiger kommen Anbieter an den Punkt, an dem der Grenzertrag aus einer Bestellung eines fremden Kunden Meistens funktionieren Kooperationen nicht. Die Umsetzungsge- höher ist als derjenige eines eigenen Kunden. Die beste schwindigkeit sinkt mit jedem weiteren Partner um 50 %, sie ist heute aber einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Man hat zu viele Form der Schaffung des Zugangs zu Kunden wird nach Humanschnittstellen, zu viele Gespräche, die sind fehlerbehaftet Make-or-Buy-Gesichtspunkten evaluiert. Die Gestaltung und emotional geladen, nicht datengetrieben. Einzelne verfolgen des Mixes der Zugangskanäle – also Make and Buy – ist eine Hidden Agenda – das ist meistens zum Schweitern verurteilt. ein Aspekt der strategischen Positionierung und der ope- Alexander Graf, Blog Kassenzone.de rativen Optimierung.

Die in den Bedenken vorgetragenen Argumente sind so Aus dieser Betrachtung ergeben sich folgende Hand- schwerwiegend, dass die erfolgreichen Beispiele fast lungsempfehlungen: schon verwunderlich erscheinen. Andererseits basiert Er- folg immer darauf, dass man Wege findet, die Bedenken- • die mentale Barriere gegenüber der Nutzung von träger eines Besseren zu belehren. Plattformen abbauen • die Leistungsmerkmale, die für Erfolg auf den infrage 5.6 Fazit: Umgang mit digitalen Plattformen kommenden Plattformen relevant sind, identifizieren • das eigene Angebot mit den relevanten Leistungs- Angesichts des Bedeutungszuwachses digitaler Plattfor- merkmalen vergleichen, infrage kommenden Platt- men in den vergangenen zehn Jahren hat sich bei vielen formen jeweils die aussichtsreichen Teile des eigenen individuellen Anbietern ein ambivalentes Verhältnis zu Angebots zuordnen

55 E-Commerce Report 2018

• die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit der gene Unternehmen zu nutzen. Dazu muss in der Regel Plattform schaffen: Stammdaten, IT-Infrastruktur, auch unternehmensintern an einigen Stellen umgedacht Prozesse, Personalressourcen und Verantwortlich- werden, z.B. in Marketing und Vertrieb. Gelingt die Posi- keiten, Budget, und Kennzahlen für die Erfolgsmes- tionierung auf einer Plattform, profitiert man davon, sung – das alles zunächst auf einem minimalen Ni- wenn die Plattform stark ist. Gleichzeitig sollten aber Vor- veau mit Fokus auf Validierung kehrungen getroffen werden, um eine zu hohe Abhän- • die Plattform mit einem kleinen aber repräsentativen gigkeit und Zwangssituationen zu vermeiden. Unter die- Angebot nutzen, beobachten, analysieren, nieder- sem Gesichtspunkt sind Wettbewerber auf der Plattform schwelling optimieren Verbündete: Die wichtigste Massnahme ist die Schaffung • Angebotsformen, die absatzseitig auf befriedigende von Transparenz und von Möglichkeiten, sich – gegebe- Weise funktionieren, ausbauen, dazu auch die Rah- nenfalls gemeinsam – gegenüber der Plattform zu artiku- menbedingungen für die Arbeit mit der Plattform lieren. Davon abgesehen sollte man versuchen, seine Ak- verbessern mit Fokus auf Effizienzsteigerung tivitäten auf zwei oder mehr Plattformen zu diversifizie- • Varianten für die Nutzung der Plattform testen, sich ren. mit Optionen und Tools vertraut machen, Support- und Problemlösungsmöglichkeiten mit der Plattform Für individuelle Anbieter ist es problematisch, wenn eine identifizieren, die Plattform verstehen lernen Plattform zu dominant ist, und am vorteilhaftesten, wenn • das eigene Angebot kontinuierlich in Bezug auf die zwei oder drei Plattformen im Wettbewerb zueinander erfolgskritischen Leistungsmerkmale optimieren, stehen. In der Reisebranche konnte man am Beispiel der eine Differenzierung von Wettbewerberangeboten Vermittlungsplattformen im Übernachtungsgewerbe be- anstreben, gegebenenfalls Massnahmen zur verbes- obachten, wie es sich entwickelt, wenn individuelle Anbie- serten Wahrnehmung als Anbieter treffen ter die Dienste einer Plattform zu arglos nutzen und sich • das eigene Angebot auf der Plattform aus Konsu- von ihr abhängig machen, während diese eine Marktdo- mentensicht gesamthaft beurteilen und optimieren, minanz erreicht. Die Onlinereisebüros nutzten ihre zuverlässig sein, auf faule Tricks auch gegenüber der Machtstellung aus und missbrauchten ihre Gestaltungs- Plattform verzichten macht. In diesem Fall konnten die Auswüchse in Mitteleu- • Erfahrungen mit anderen Anbietern austauschen, ropa mit den bestehenden regulativen Instrumenten des Transparenz schaffen, ein Benchmarking etablieren Wettbewerbsrechts korrigiert werden. In der Entwicklung • sobald der Umsatz auf der Plattform eine relevante neuer Branchen ist es indes nicht ungewöhnlich, wenn es Grössenordnung erreicht, z.B. 3 bis 5 %, die Konse- beim Ausloten neuer Geschäftsmodelle in den ersten Jah- quenzen eines kurzfristigen Ausfalls des Kanals be- ren zu Übertreibungen kommt. Es besteht aber die denken, nach Möglichkeit alternative Plattformen Chance, dass alle Beteiligten von solchen Vorgängen sen- evaluaieren und nach dem gleichen Muster erschlies- sibilisiert werden und lernen, ausgewogenere Formen der sen Zusammenarbeit zu etablieren. Alle Beteiligten bilden ein • gegebenenfalls Kooperationen mit anderen Unter- System, dessen Merkmale sie durch ihr Verhalten mitbe- nehmen eingehen, um eine kritische Masse für die stimmen. Bewältigung der Herausforderungen zu schaffen Einen wirksamen und transparenten Beilegungsmechanismus für Streitigkeiten gibt es nicht. Am wichtigsten bleibt der Austausch Das Ziel im Umgang mit digitalen Plattformen muss sein, zwischen den Hotels und gemeinsame Beschwerden. deren Potenzial auf die bestmögliche Weise für das ei- Thomas Allemann, Hotelleriesuisse

56 Bezahlen ohne Klick: Seamless Payment

6 Bezahlen ohne Klick: Seamless Payment von Michael H. Quade und Ralf Wölfle

Die User Experience verbessern und die Conversion opti- Ware oder nimmt eine Dienstleistung in Anspruch und de- mieren – seit Jahren stehen diese Aufgaben ganz oben auf legiert dabei implizit die Auslösung der Bezahlung an den der Task-Liste von E-Commerce-Managern. Besonders Anbieter. Durch den Rahmenvertrag ist vereinbart, dass grosses Potenzial bietet dafür die Check-out-Phase – aber die Ermächtigung zur Zahlungsauslösung ein fester Be- auch nicht einfach zu überwindende Restriktionen durch standteil derjenigen Handlung im Kaufprozess ist, die die gesetzliche Regulation und Sicherheitsanforderungen. vertraglich bindende Willenserklärung darstellt. Gerade im Mobile Commerce ist die Marginalisierung des Check-out-Vorgangs erfolgskritisch. Dieses Kapitel be- In der Praxis sind neben Lösungen, die diesem strikten leuchtet den Stand der Entwicklung von Seamless Pay- Verständnis von Seamless Payment gerecht werden, auch ment, primär in der Schweiz. Zu den folgenden Ausfüh- viele Annäherungen zu beobachten. Beispiele dafür sind, rungen haben, neben einigen Mitgliedern des Studienpa- dass zu einer hinterlegten Kreditkarte lediglich die Prüf- nels (Tab. 1 auf Seite VIII), folgende Personen durch ein ziffer nochmals einzugeben ist oder dass eine erneute Au- fokussiertes Interview beigetragen: thentifizierung verlangt wird. Auch solche Lösungen kön- nen den Bestellprozess bereits deutlich vereinfachen. • Brigitte Andenmatten, Projektleiterin Zürcher Ver- kehrsverbund ZVV Der ÖV kann neue Käufergruppen gewinnen: Die Einstiegshürde in die Nutzung wird niedriger, weil man sich nicht mehr mit dem Ta- • Patrick Gardin, Brand Manager yourmile AG rifsystem auseinandersetzen muss. Christof Zogg, SBB • Gian-Mattia Schucan, CEO FAIRTIQ AG Auslöser für Konzepte mit Seamless Payment ist, dass un- 6.1 Seamless Payment: Definition und Merkmale sere zunehmend vernetzte Umwelt mit ihrer vielfältigen Sensorik neue, durch Automatisierung vereinfachte For- Dieser Beitrag basiert auf folgendem Begriffsverständnis: men des Einkaufens ermöglicht. Für diese werden auch die Begriffe Frictionless Commerce [67]und Contextual Seamless Payment ist eine in einen Kaufvorgang inte- Commerce [68] verwendet. Aus der Perspektive des über- grierte, automatisiert ausgelöste Bezahlung. Mit jedem Be- geordneten Konsumprozesses stehen sie für den An- zug von Waren oder Dienstleistungen kommt ein Kaufver- spruch, dass ein Kaufvorgang so ablenkungslos («friction- trag zustande. Die Willenserklärung kann durch eine Hand- less») wie möglich in den der jeweiligen Situation entspre- lung des Käufers selbst oder durch persönliche Erkennungs- chenden («contextual») Handlungsablauf des Kunden in- merkmale z.B. eines persönlichen Gerätes erfolgen. Die Be- tegriert sein soll. Seamless Payment ist für die Umsetzung zahlung der bezogenen Leistung erfolgt ohne Zutun des solcher Konzepte eine zentrale Funktion. Ob und in wel- Käufers, sie wird vom Anbieter ausgelöst. Voraussetzungen chem Umfang Frictionless Commerce oder Contextual dafür sind, dass Seamless Payment als Verfahren initial ein- Commerce realisiert werden kann, hängt allerdings auch malig zwischen Käufer und Anbieter in einem Rahmenver- davon ab, wie die Konzepte aus rechtlicher Sicht zu be- trag vereinbart und dass ein anzuwendendes Zahlungsmit- werten sind. Dazu bestehen in der EU und in der Schweiz tel hinterlegt wurde. noch Unsicherheiten. Einige, aber nicht alle weiter unten Das Merkmal von Seamless Payment in konsequenter beschriebenen Seamless-Payment-Lösungen können als Umsetzung ist, dass auf Seiten des Käufers jegliche Tä- Bestandteil von Frictionless- oder Contextual-Commerce- tigkeit nur für die Bezahlung wegfällt. Er bezieht eine Konzepten bezeichnet werden.

Tab. 3: Kaufsituationen mit Eignung für konventionelle Zahlungsverfahren und für Seamless Payment

Kaufsituationen primär geeignet für Kaufsituationen geeignet für Seamless Payment konventionelle Zahlungsverfahren Eher einmaliger oder selten wiederholter Bezug von Eher regelmässige oder häufiger wiederholte Bezüge Waren oder Dienstleistungen (ÖV-Ticket, Carsharing, Convenience Food etc.) Beliebige Kaufbeträge Eher niedrige Kaufbeträge Eher stationär ausgeführter Kaufvorgang Eher mobil ausgeführter Kaufvorgang Eher in Verbindung mit physischen Produkten Eher in Verbindung mit Dienstleistungen Nicht automatisierte Kaufvorgänge Vollständig oder teilautomatisierte Kaufvorgänge

57 E-Commerce Report 2018

Tab. 3 zeigt eine Gegenüberstellung von Kaufsituationen, ableiten. Auch andere technische Systeme werden zur die sich auch weiterhin eher für konventionelle Zahlungs- Identifikation eingesetzt: Die Abrechnung von Strassen- verfahren oder für Seamless Payment eignen. Je nach maut-Gebühren etwa kann mit Hilfe von in die Fahrzeuge Kaufsituation oder Art der Produkte oder Dienstleistun- eingebauten On Board Units erfolgen. In Deutschland gen ist Seamless Payment eine mehr oder weniger sinn- etwa erfassen diese die gefahrenen Strecken und über- volle Option. mitteln die Daten periodisch an den Zentralrechner des Mautsystems zur Abrechnung mit dem Fahrzeughalter. Der vorgängig zu vereinbarende Rahmenvertrag, in dem einmalig eine Reihe von Informationen zu erfassen sind, Es gibt für mich einen wichtigen Aspekt und das ist «Einfachheit»! ist eine Hürde für Seamless Payment und bewirkt, dass Die App macht den Alltag für den Fahrgast einfacher. Patrick Gardin, yourmile das Verfahren bei einmaligen oder selten wiederholten Kaufvorgängen nicht vorteilhaft ist. Dagegen profitiert Der Nutzen von Seamless Payment für die Kunden be- ein Käufer bei häufiger wiederholten Bezügen, weil diese steht primär in einfacheren und schnelleren Zahlungspro- vom Bezahlvorgang entlastet werden. Auch die notwen- zessen, da mehrere Schritte eines klassischen Check-out- digen vertrauensbildenden Faktoren können dann eher Prozesses wegfallen. Apps, die Seamless Payment mög- als gegeben angesehen werden: Die Kunden kennen den lich machen, bieten häufig darüber hinaus noch weitere Anbieter, den Preis für das Produkt oder die Abrech- Vorteile wie nützliche Zusatzinformationen, z.B. zur Ver- nungsmodalitäten für die Leistung bereits von früheren kehrssituation, Möglichkeiten zur Bewertung eines Ser- Käufen. Wenn der Preis des Produkts oder der Leistung vice, Profitieren von personalisierten Empfehlungen, spe- zudem noch relativ niedrig ist, sind Kunden eher bereit, ziellen Angeboten wie Gutscheinen oder Sammeln von eine automatisierte Zahlungsauslösung zu akzeptieren. Punkten in Kundenbindungsprogrammen.

Seamless Payment vereinfacht insbesondere Kaufvor- Auf der Anbieterseite besteht der Nutzen in einer Erhö- gänge mit Einsatz von mobilen Geräten wie Smartpho- hung der Attraktivität seines Angebots durch die nieder- nes. Die auf einem kleinen Touchscreen mühsame Erfas- schwellige Handhabung und allfällige Zusatzservices, sung von Informationen entfällt. Auch kann vermieden ausserdem in einer niedrigeren Absprungrate der Kunden werden, dass die sensitiven Informationen z.B. einer Kre- im Check-out-Prozess. Ebenfalls wertvoll ist die umfas- ditkarte in der Öffentlichkeit abgelesen und erfasst wer- sende Gewinnung von Kundendaten. Sie können die den müssen. Grundlage für Produktverbesserungen und personali- Die den Charakter von Seamless Payment kennzeich- sierte Angebote sein. All das kann infolge der Automati- nende Koppelung der Bezahlung mit dem Bezug eines sierung mit einer hohen Effizienz und niedrigen Prozess- Produktes oder einer Dienstleistung lässt sich bei Dienst- kosten erfolgen. leistungen leichter realisieren als bei physischen Produk- Investitionen in die digitalen Kanäle lohnen sich: Sie stiften Kun- ten. Dienstleistungen lassen sich leichter digital repräsen- dennutzen und weisen die tiefsten Vertriebskosten auf. tieren, z.B. in Form eines Tickets, und digital erfassen, z.B. Brigitte Andenmatten, ZVV eine Personenbeförderung durch die Erfassung des Ortes eines Smartphones als persönlichem Gegenstand. In den Wir nehmen natürlich die GPS Daten im Backend auf. Wir können Fahrten im Nachhinein analysieren. Wir wollen auch Trends her- unten aufgeführten Beispielen überwiegen deshalb Se- auslesen können. Patrick Gardin, yourmile amless-Payment-Lösungen bei Dienstleistungen. In den Beispielen mit physischen Produkten wird der immense Die Verkehrsbetriebe wollen dank Mobile Apps Kosten bei Ticke- Aufwand zur sicheren Erfassung der Käufe deutlich. tautomaten, den Ticketverkauf in Verkehrsmitteln und das Hand- ling von Bargeld reduzieren. Gian-Mattia Schucan, FAIRTIQ Soll nicht nur die Bezahlung, sondern der gesamte Kauf- prozess vollständig automatisiert werden, müssen Start 6.2 Ablauf der Bezahlung im Seamless Payment und Ende des Vorgangs ohne Zutun des Kunden erfolgen. Dazu muss der Kunde resp. der Zahlungspflichtige auf Der Ablauf der Bezahlung im Seamless Payment unter- eine geeignete Art und Weise identifiziert werden kön- scheidet sich von konventionellen Zahlungsverfahren. nen. Personen können über biometrische Merkmale iden- Eine Gegenüberstellung der Merkmale zeigt Tab. 4. tifiziert werden. Diese können über Kameras z.B. beim Betreten und Verlassen eines Geschäftes aufgenommen Es wurde bereits ausgeführt, dass die Bezahlung im Se- und mit den Daten der registrierten Kunden abgeglichen amless Payment unmittelbar mit der Kaufentscheidung werden. Alternativ kann die Erkennung stellvertretend für ein Produkt oder mit dem Leistungsbezug gekoppelt durch ein der Person zugeordnetes, persönliches Gerät er- ist und dass die Zahlung ohne weitere Interaktion mit dem folgen, z.B. durch ein Smartphone. Aus dessen Standort- Kunden durch den Anbieter ausgelöst wird. Dabei können daten lassen sich die relevanten Handlungen der Person die Kunden über die Höhe der bevorstehenden Zahlung

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Tab. 4: Unterschiede im Zahlvorgang zwischen konventionellen Zahlungsverfahren und Seamless Payment

Konventionelle Zahlverfahren Seamless Payment

Sequenziell von der Produktauswahl oder dem Leistungs- Unmittelbar mit der Kaufentscheidung für ein Produkt bezug getrennte, separate Bezahlung oder mit dem Leistungsbezug gekoppelte Bezahlung Manuelles Auslösen der Zahlung durch den Käufer Automatisches Auslösen der Zahlung durch den Anbieter Im Kaufvorgang wird ein beliebiges Zahlungsmittel durch Im Kaufvorgang wird automatisch das hinterlegte Zah- den Kunden ausgewählt. lungsmittel vorgeschlagen und ausgewählt. Zahlung erfordert Präsenz am Point of Sale resp. im On- Zahlung erfordert keine Präsenz am Point of Sale oder im lineshop Präsenz im Check-Out. Check-out des Onlineshop. Bestätigung jeder einzelnen Zahlung mit PIN, Passwort Keine Bestätigung einer einzelnen Zahlung oder biometrischen Sensoren (Fingerprint etc.) Spontane Zahlung möglich (mit Notwendigkeit zur Erfas- Zahlung nicht spontan möglich (wegen vorgängig zu ver- sung eines Zahlungsmittels) einbarendem Rahmenvertrag u.a. mit Regelung der Ver- fahren zu Nutzeridentifikation und Zahlungsabwicklung) Detailinformationen zur Zahlung werden vor der Ausfüh- Detailinformationen zur Zahlung werden nicht zwingend rung angezeigt. vor der Ausführung der Zahlung angezeigt. Wiederkehrende Bonitätsprüfung durch den Anbieter Einmalige Bonitätsprüfung durch den Anbieter

informiert werden, ein Eingriff in den Vorgang ist aber muss mit entsprechenden Vertragsbedingungen sicher- nicht möglich. Bei allfälligen Beanstandungen haben die stellen, dass er das Recht zur Belastung des Zahlungsmit- Kunden erst nach erfolgter Zahlung die Möglichkeit, eine tels ohne Zutun des Kunden erhält. Zahlung beim Anbieter zu reklamieren. Aufgrund der Risiken des Handlings von Zahlungsdaten Der Anbieter bestimmt auch den Zeitpunkt der Belas- und der infolgedessen rigiden Sicherheitsanforderungen tung des Zahlungsmittels. Dieser kann vor, während oder wollen Anbieter die Daten der Zahlungsmittel ihrer Kun- nach dem Bezug der Leistung liegen. Beim Kauf von Ti- den nicht bei sich speichern. Die durch das Payment Card ckets für den öffentlichen Verkehr z.B. belastet die App Industry Security Council festgelegten Sicherheitsaufla- ZVV Tickets vom Zürcher Verkehrsverbund ZVV das Zah- gen für die direkte Speicherung von Zahlungsmitteldaten lungsmittel vor der Fahrt. In der App muss das ge- sind sehr hoch [69]. Ihre Einhaltung erfordert geeignetes wünschte Ticket analog dem Kauf an einem Automaten Know-how, robuste Infrastruktur und jährliche Zertifizie- «gelöst» werden, erst dann darf die Reise angetreten wer- rungen. Deshalb überlassen – abgesehen von wenigen den. Bei den Apps FAIRTIQ oder Lezzgo für den öffentli- sehr grossen Unternehmen – fast alle Anbieter die Spei- chen Verkehr muss zu Beginn in die Reise «eingecheckt» cherung der Zahlungsmitteldaten ihrer Kunden einem werden, am Ende wird «ausgecheckt». Der Ticketpreis Payment Service Provider (PSP). Um in der Zusammen- wird erst im Nachhinein anhand aller zurückgelegten arbeit mit diesem Seamless Payment realisieren zu kön- Fahrten berechnet und am Folgetag über das hinterlegte nen, wird in den meisten Fällen das Token-Verfahren ein- Zahlungsmittel belastet. gesetzt [70]. Der Token ist eine durch den PSP generierte Referenz zum hinterlegten Zahlungsmittel. Er kann vom Den Check-in/Check-out bei den neuen Ticketinglösungen finde ich Anbieter unter Einhaltung aller Sicherheitsauflagen ge- lästig, das wird sicher noch wegfallen. Stephan Widmer, Beliani speichert - und bei Folgeverkäufen zur Zahlungsabwick- lung ohne direkte Interaktion mit dem Endkunden ver- Bei konventionellen Zahlungsverfahren hat der Kunde wendet werden. eine grössere Flexibilität bei der Wahl des Zahlungsmit- tels und in der Kontrolle der einzelnen Schritte im Check- 6.3 Seamless Payment in aktuellen Lösungen out-Prozess als bei Seamless Payment. Konventionelle Zahlverfahren bedingen dafür mehr Interaktion und Prä- Nach der Erläuterung des Konzepts von Seamless Pay- senz im Vorgang. ment und der Merkmale des Bezahlungsverfahrens wer- den nun einige aktuelle Seamless-Payment-Lösungen aus Für Seamless Payment müssen die Kunden mindestens den Bereichen öffentlicher Verkehr, Taxigewerbe und einmal ein gültiges Zahlungsmittel angeben. In der Regel Einzelhandel beschrieben. Alle vorgestellten Anwendun- geschieht das im Zuge der Registrierung. Der Anbieter gen basieren auf der Nutzung einer Mobile App mit einem

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Smartphone. Den Anfang macht FAIRTIQ. Der Durch- Beim ersten Öffnen der Mobile App wird eine kurze Vi- bruch der beiden Apps Lezzgo und FAIRTIQ bei der Erwei- deoeinführung über die Funktionsweise der App angebo- terung ihres Angebots auf den gesamten öffentlichen ten. Im darauffolgenden Schritt fordert die App den Zu- Verkehr in der Schweiz gab den Anstoss, das Thema in griff auf Standortdaten und Mobilfunk. Wurde dieser ge- diesem Bericht eingehend zu behandeln. währt, können sich Kunden in drei Schritten registrieren: Erfasst werden müssen die Mobilenummer, ein Zahlungs- Seit dem 1. März 2018 ist FAIRTIQ in der ganzen Schweiz nutzbar. mittel und – aufgrund der Bestimmungen des Verbands Die Umsätze sind innerhalb von zwei Monaten um über 100% ge- stiegen. Das geht im Moment richtig ab! ÖV Schweiz zu online gekauften Tickets – Name und Ge- Gian-Mattia Schucan, FAIRTIQ burtsdatum. Der Name ist dabei nur ein Sicherheitsele- ment zur Vorbeugung von Betrug durch unerlaubtes Ko- pieren eines Tickets. Ausserdem können die Kunden an- 6.3.1 FAIRTIQ geben, ob sie ein Halbtax-Abo oder ein Verbund-Abo be- Mit FAIRTIQ wird die Nutzung des öffentlichen Verkehrs sitzen. Diese werden dann bei der Berechnung der Ticket- (ÖV) in der Schweiz neu definiert. Bisher war es notwen- preise automatisch berücksichtigt. dig, sich vor der Fahrt ein Ticket zum Zielort zu kaufen. In- Muster, die auf einen Missbrauch des Systems hindeuten, werden nerhalb von Tarifverbünden braucht man dafür ein Zo- laufend besser erkannt. Nutzer, welche diese Muster wiederholt nenticket, überregional ein auf die Zielhaltestelle ausge- aufweisen, können vom automatische Ticketing ausgeschlossen stelltes Ticket. werden. Brigitte Andenmatten, ZVV

Über die Mobile App FAIRTIQ können nun ebenfalls Ti- Die Reise kann nun mit einem einfachen Ziehen des Schie- ckets für Fahrten im ÖV gekauft werden. Allerdings muss bers in der App angetreten werden. Mit diesem Check-in das Reiseziel nicht vor Beginn festgelegt werden und der wird automatisch die nächstgelegene ÖV-Haltestelle als Preis für das Ticket steht auch nicht schon am Anfang der Ausgangsort der Reise gespeichert. Während der Reise Reise fest. Die Abrechnung des Tickets erfolgt erst im kann das Ticket in der App angezeigt und bei Kontrollen Nachhinein auf Basis der tatsächlich zurückgelegten vorgewiesen werden. Am Reiseziel wird der Schieber in Strecke zum insgesamt optimalen Tarif. der App wieder zurückgezogen. Mit diesem Check-out wird die Reise beendet und die nächstgelegene ÖV-

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Haltestelle als Reiseziel gespeichert. Daraufhin wird ein Wenn es eines Tages möglich sein sollte, die heute noch provisorischer Ticketpreis angezeigt. expliziten Check-in- und Check-out-Vorgänge durch eine automatisierte Erfassung der ein- und aussteigenden Per- Der Ticketpreis bleibt bis zum Ende des Tages proviso- sonen zu ersetzen, könnte von einer Frictonless-Com- risch: Das System ist so ausgelegt, dass es immer den merce-Lösung gesprochen werden. günstigsten Ticketpreis für einen Tag berechnet. Tätigt ein Kunde mit FAIRTIQ mehrere Fahrten an einem Tag, die in der Summe der Einzelpreise den Preis einer Tages- 6.3.2 ZVV Tickets karte übersteigen, wird dem Kunden schlussendlich der Die Mobile App ZVV Tickets des Zürcher Verkehrsverbun- Preis für die Tageskarte abgerechnet. des verfolgt im Gegensatz zu FAIRTIQ den klassischen Ansatz: Ein Ticket ist vor Reiseantritt bis zum Ziel zu lö- Während der Reise resp. solange die Kunden eingecheckt sen. Die ZVV-App kann als persönlicher Ticketautomat sind, werden die Standortdaten durch die App laufend an für die Hosentasche angesehen werden. FAIRTIQ übermittelt. Das Back-End-System analysiert diese Daten kontinuierlich mit Machine Learning-Verfah- Nach dem Öffnen der App werden dem Kunden die am ren. Vergisst ein Kunde nach dem Aussteigen aus dem häufigsten gekauften Tickets angezeigt. Erst beim erst- Transportmittel das Auschecken, sendet das System eine maligen Kauf eines Tickets wird das Akzeptieren der AGB Meldung via App, dass nun das Ende der Reise erkannt und das Hinterlegen eines Zahlungsmittels für die künfti- wurde und dass man auschecken sollte. Wird innerhalb ei- gen automatischen Belastungen gefordert. Der Kaufvor- ner Stunde nicht manuell ausgecheckt, geschieht dies au- gang selbst funktioniert gleich wie am Ticketautomat, tomatisch. ausser dass man Ende selbst keine Zahlung ausführen muss. Das System von FAIRTIQ vereinfacht die Nutzung des öf- fentlichen Verkehrs massiv. Der Kunde muss sich nicht Für das Speichern von virtuellen Mehrfahrtenkarten kön- mehr mit Tarifzonen und Grenzen der Verkehrsverbünde nen Kunden ihre Mobilenummer erfassen. Bei einem in der Schweiz auseinandersetzen. Gerade wenn man das Wechsel des Smartphones können diese Karten anhand lokale Nahverkehrssystem nicht kennt, ist FAIRTIQ eine der Nummer wiederhergestellt werden. grosse Erleichterung. Im Back-End-System sind alle Tarife der Schweiz hinterlegt und es wird automatisch immer Aktuell testet der ZVV die Integration eines Check-in-Ti- das günstigste Ticket berechnet. ckets in der Mobile App. Dazu wurden die Funktionen von Lezzgo in die App integriert. Vor der ersten Nutzung des Mit FAIRTIQ liessen sich auch Preismodelle umzusetzen, die sich Check-in-Tickets müssen Kunden zu den bereits erfassten einem Abo annähern, z.B. Mengenrabattmodelle oder Price-Cap- ping-Modelle. Gian-Mattia Schucan, FAIRTIQ Daten noch Namen und Geburtsdatum eingeben. Gemäss den Informationen der Initiative ÖV-Ticket 2020 Die Möglichkeiten des Systems sind noch nicht ausge- vom März 2018 [71] wird die SBB das automatische Ticke- schöpft. Zurzeit ist FAIRTIQ auf einen Tag ausgelegt. ting in der App SBB Mobile integrieren. Dabei soll die Grundsätzlich ist aber auch denkbar, es auf einen Monat Funktionalität von FAIRTIQ integriert werden. oder ein Jahr auszuweiten. Je nachdem, wie viel man fährt, wird dann ein Monats-Abo oder ein Generalabonne- ment abgerechnet. 6.3.3 Uber

Schon heute können Fahrten über Gutscheincodes abge- Ebenfalls im Transportbereich angesiedelt ist die Mobile rechnet werden. So kann eine werbende Organisation die App von Uber. Uber sieht sich als Vermittler von Angebot Reise an einen bestimmten Ort und zurück mit einem ge- und Nachfrage vor allem bei Personentransporten. Als Pi- nau dafür ausgelegten Gutschein vergünstigen oder kom- onier – nicht nur im Seamless Payment – mit einer aggres- plett übernehmen – z.B. im Zusammenhang mit einer siven Expansionsstrategie erfährt Uber viel öffentliche Veranstaltung. Auf die gleiche Weise könnten Firmen für Aufmerksamkeit und schafft ein Bewusstsein für das in- ihre Mitarbeitenden die Reisekosten zwischen mehreren novative und disruptive Potenzial neuer Geschäftsmo- Standorten übernehmen und die aufwendige Spesenab- delle auf Basis mobil vernetzter IT. rechnung entfällt. Es war sicher positiv, dass Uber in den Markt eingetreten ist. Das hat uns gezeigt, dass wir reagieren müssen, eine Alternative brin- Wenn der Kunde sich einmal registriert hat, dann ist die Bezahlung für jedes einzelne Ticket nur noch einmal wischen oder klicken und gen und uns auch positionieren. Patrick Gardin, yourmile fertig! Christof Zogg, SBB Beim ersten Öffnen der Fahrgast-App müssen sich Kun- Die Mobile App Lezzgo der BLS bietet eine fast identische den mit ihrer Mobilenummer, E-Mail-Adresse, Name und Funktionalität wie FAIRTIQ. Passwort registrieren. Ein Zahlungsmittel kann auch erst

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später beim Buchen der ersten Fahrt hinterlegt werden. werden. Dieser Schritt kann aber auch übersprungen und Das Erfassen einer Kreditkarte ist mit der Handykamera bis zur ersten Buchung verschoben werden. möglich. Übernommen werden der Kartenherausgeber und die Kartennummer, Ablaufdatum und Sicherheitszahl Eine Buchung erfolgt wie bei Uber in drei Schritten: Fahrt- müssen manuell erfasst werden. ziel festlegen, Fahrzeugkategorie auswählen und Bu- chung bestätigen. Eine Besonderheit ist, dass als Preis im- Eine Fahrt kann mit drei Schritten gebucht werden: Im mer ein Fixpreis angezeigt wird, berechnet aufgrund von ersten Schritt erfolgt die Erfassung oder Auswahl des Rei- gemessener Distanz und den hinterlegten Tarifen. Der an- seziels. Als Ausgangsort schlägt die App den aktuellen gezeigte Preis wird nach der Fahrt abgerechnet, auch Standort vor, er kann geändert werden. Im zweiten wenn Umwege gefahren werden mussten oder die Fahrt Schritt wird die Klasse des Transportmittels (Uber X oder länger gedauert hat. Uber Black) bestimmt, unterstützt durch die Anzeige der Preisspanne für die Fahrt. Abschliessend muss die Bu- Der Fixpreis ist eine vertrauensbildende Massnahme, um den Kun- den eine Sicherheit zu geben, was die Fahrt kosten wird. chung bestätigt werden. Hat ein Uber-Fahrer die Buchung Patrick Gardin, yourmile angenommen und bestätigt, werden dem Fahrgast der Name des Fahrers, das Fahrzeug und die Autonummer in Während der Fahrt wird dem Fahrgast angeboten, dem der App angezeigt. Zusätzlich erfährt der Fahrgast, wie Fahrer via App ein Trinkgeld zu geben. Sobald der Fahrer lang es in etwa dauert, bis der Fahrer bei ihm eintrifft. das Ende der Fahrt bestätigt, wird das hinterlegte Zah- lungsmittel belastet. Der Fahrgast kann nun via App die Das System von Uber stellt am Ende der Fahrt automa- Fahrt mit positiv oder negativ bewerten. Bei einer Nega- tisch das Erreichen des Fahrziels fest und belastet das hin- tivbewertung kann der Kunde zusätzlich einen Kommen- terlegte Zahlungsmittel mit dem ermittelten Fahrpreis. tar erfassen. Die Berechnung basiert auf der Fahrzeit und der gefahre- nen Strecke, dazu kommen noch verschiedene Gebühren. Durch das Hinterlegen mehrerer Zahlungsmittel ist es bei Nach Abschluss der Fahrt können sich Fahrgast und Fah- go! möglich, zwischen privaten und geschäftlichen Fahr- rer gegenseitig bewerten. ten zu unterscheiden. Auch diese App kann mit Gut- scheincodes aufgeladen werden. So kann z.B. ein Unter- Mit der Uber-App können auch Fahrten im Voraus zu ei- nehmen Taxifahrten seiner Gäste übernehmen. nem bestimmten Zeitpunkt gebucht und allenfalls auch wieder storniert werden – je nach Zeitpunkt fällt dann eine Stornogebühr an. Es ist auch möglich einen Fahrpreis 6.3.5 Amazon Go mit weiteren Fahrgästen zu teilen: Dazu sind deren Na- Mit Amazon Go begibt sich Amazon in die Welt der Super- men und Mobilenummern zu erfassen. Die Mitreisenden märkte und führt dort eine Seamless-Payment-Lösung werden über die Uber-App aufgefordert, das Aufteilen zu für physische Produkte ein. Das Konzept, das der Öffent- bestätigen. lichkeit seit Januar 2018 lediglich in einem Pilotgeschäft in Seattle zugänglich ist, hat ein sehr grosses Transformati- 6.3.4 go! So einfach geht Taxi onspotenzial für die Distribution von Konsumgütern und insbesondere für den stationären Handel. Das wird in Ka- Über die Mobile App go! So einfach geht Taxi von der pitel 7.4 weiter ausgeführt. yourmile AG können Taxifahrten gebucht und bezahlt werden, ganz ähnlich wie bei Uber. Vermittelt werden die Das Besondere an Amazon Go ist, dass es sich um eine Lö- Taxis der yourmile angegliederten Taxigesellschaft 7x7 sung handelt, die das stationäre Ladengeschäft mit aus Zürich und zahlreicher anderer angeschlossener Taxi- E-Commerce vereint. Das zeigt sich an mehreren Ausprä- unternehmen in der ganzen Schweiz. Die App ist die offi- gungen: Die Kunden können sich über das Artikelange- zielle Branchenlösung von TaxiSuisse, der Fachgruppe bot, vorhandene Aktionen und Preise in der Mobile App des Taxigewerbes im Schweizerischen Nutzfahrzeugver- oder direkt im Laden informieren. Entnehmen die Kunden band ASTAG. Die Integration der Betriebe geschieht ent- im Geschäft etwas aus dem Regal und legen es in ihren weder über eine Schnittstelle zu den branchenüblichen physischen Warenkorb, wird der Artikel auch in ihrem vir- Dispositionssystemen der Taxizentralen oder, für die Fah- tuellen Warenkorb gelegt. Verlassen die Kunden den La- rer kleinerer Taxiunternehmen, über die App go! Driver. den, wird automatisch ein Check-out ausgeführt und der Kaufvorgang mit der Belastung des hinterlegten Zah- Nach dem ersten Öffnen der App wird dazu aufgefordert, lungsmittels abgeschlossen. sich mit Namen, Adresse, Mobilenummer, E-Mail-Ad- resse und Passwort ein Profil anzulegen und mit dem Be- Amazon Go ist ein stationäres Geschäft für Convenience- stätigen der AGB zu registrieren. In einem nächsten Produkte, das nur betreten werden kann, wenn die gleich- Schritt können eines oder mehrere Zahlungsmittel erfasst namige App von Amazon auf dem Smartphone installiert

62 Bezahlen ohne Klick: Seamless Payment

und eingerichtet ist. Die Einrichtung geht in der Regel explizit für die Abrechnung notwendige, zusätzliche schnell, denn sie basiert auf einem gewöhnlichen Ama- Handlung eines Käufers ist lediglich der Check-in. zon-Konto. Nach dem Einloggen mit dem bestehenden Konto wird man nur kurz aufgefordert, das bei Amazon Amazon Go ist indes nicht das einzige Projekt für die Er- hinterlegte Zahlungsmittel zu bestätigen oder ein neues probung eines kassenlosen Geschäfts. Im Sommer 2017 zu erfassen. In den meisten Fällen ist das eine Kreditkarte. eröffnete Alibaba in der chinesischen Stadt Hangzhou ein Damit ist die Registrierung abgeschlossen und in der App Tao Cafe, das neben einem Café einen kassenlosen Su- erscheint ein QR-Code. Mit diesem kann man die permarkt beinhaltet. Dort werden die Kunden biomet- Schranke des stationären Geschäfts öffnen und dieses be- risch über Gesichtserkennung erfasst. Auch im Tao Cafe treten. Es ist auch möglich, mit einem QR-Code mehrere werden optische Sensoren eingesetzt, um Warenbezüge Personen den Laden betreten zu lassen. Alles was diese zu erfassen. Weitere technische Einzelheiten sind nicht Personen aus dem Regal entnehmen, wird dann dem vir- bekannt. tuellen Warenkorb es entsprechenden Kontos zugeord- net. 6.4 Fazit: Seamless Payment

Die Erfassung eines Produktes, das aus dem Regal ent- Angefangen mit Uber, in der Schweiz aufgegriffen in den nommen oder auch zurückgelegt wird, geschieht über Apps Lezzgo und FAIRTIQ, sind Seamless-Payment-Lö- hunderte von Kameras an der Decke und den Regalen des sungen dabei, von einer breiten Öffentlichkeit als solche Ladengeschäfts. Die Kameras erfassen jeden Winkel und wahrgenommen und genutzt zu werden. Die Lösungen alles was sich im Laden befindet und bewegt, und das basieren auf Technologien, die vor zehn Jahren so noch mehrfach. Jeder Artikel, der aus dem Regal genommen nicht verfügbar waren und zeigen, dass immer wieder wird und in den Korb oder die eigene Tasche gelegt wird, neue Innovationsschübe aus der Welt der vernetzten In- wird sofort erfasst und auch auf dem Smartphone in der formatik neue Geschäftsabläufe und damit auch neue Ge- App angezeigt. Diebstahl ist damit praktisch ausge- schäftsmodelle möglich machen. Es ist davon auszuge- schlossen. Die Artikel selbst sind dabei nicht besonders hen, dass sich auch in den Bereichen Seamless Payment gekennzeichnet. Es handelt sich um die gleichen Produkt- und Frictionless Commerce in den kommenden Jahren verpackungen und Kennzeichnungen wie in anderen Lä- noch einiges bewegen wird. Mit den aufkommenden digi- den. talen Assistenten und dem sich ausbreitenden Internet of Things werden wir vielleicht schon bald von Delegated Den Laden verlässt man wieder über die Schranke, auto- Commerce sprechen. matisch wird dies als Check-out registriert und in der App wird angezeigt, dass der Einkauf beendet wurde. Etwa 15 Indem wir Sortiment und Funktionen in unserer App laufend aus- Minuten später erhält man ebenfalls in der App den Beleg bauen und optimieren, erhöhen wir den Mehrwert für bestehende Nutzer und gewinnen neue Kundensegmente. über den Einkauf, und das hinterlegte Zahlungsmittel Brigitte Andenmatten, ZVV wird durch Amazon belastet. Diese Themen sind allerdings vielschichtig und in einer Amazon hat fünf Jahre lang die Lösung entwickelt und ge- ganzheitlichen Perspektive nicht leicht zu bewerten. Dem testet, bevor sie für die Kundschaft freigegeben wurde. Nutzen aus dem Komfort für Konsumenten und aus den Die Technologie dahinter basiert auf Deep Learning und ist Geschäftsmodellen für die Wirtschaft stehen Risiken aus die gleiche wie für Amazon Echo mit dem Assistenzsys- den grundsätzlich bekannten Nebenwirkungen der Digi- tem Alexa, das über Sprache gesteuert wird. Im Gegen- talisierung gegenüber. Auf der gesellschaftlichen Ebene satz zu Amazon Echo werden bei Amazon Go Bilddaten sei im Kontext von Seamless Payment ein Aspekt kurz an- verarbeitet. Das System kann einzelne Personen durch gesprochen: Die Möglichkeiten, sich unbeobachtet zu be- den Laden verfolgen, ohne biometrische Merkmale, z.B. wegen, vertraulich zu kommunizieren und anonym zu be- vom Gesicht, zu erfassen. zahlen sind Schlüsselelemente in den Spannungsfeldern In der Wahrnehmung der Kunden dürfte Amazon Go von Dienstbarkeit und Überwachung, von Freiheit und Be- schon als Frictionless Commerce angesehen werden. Die vormundung. Die Grundlagen einer freien Gesellschaft dürfen nicht unbedacht aufs Spiel gesetzt werden.

63 E-Commerce Report 2018

7 Fortschreitende Transformation im Handel

2017 war für die grosse Mehrheit der Anbieter im Studien- Welchen Einfluss die ausländischen Anbieter dabei ha- panel ein gutes Jahr (Kapitel 8.1). E-Commerce entwi- ben, wird in Kapitel 2.4 angesprochen; hier geht es um die ckelte sich analog zu den Vorjahren deutlich wachsend, Aspekte der digitalen Transformation. Den Bezugsrah- während der Detailhandel als Ganzes stagnierte. GfK men dafür bildet in dieser Studienreihe das Konzept der Schweiz bezeichnete das als «positive Nachrichten, denn Wertschöpfungsfunktionen des Handels, das im E-Com- damit wurde der Abwärtstrend der letzten Jahre gebro- merce Report 2012 erläutert wird [73]. In praktisch allen chen» [72]. Das Jahr 2018 startete dafür gleich mit einer traditionellen Wertschöpfungsfunktionen des Handels Hiobsbotschaft, als Ex Libris die Schliessung von zwei zeichnen sich weitere Verlagerungen hin zu anderen Akt- Dritteln seiner Filialen verkündete. Ex Libris ist dabei, euren im Markt ab. Das wurde verstreut bereits in den vo- seine Identität umzudrehen: vom stationären Händler mit rausgegangenen Kapiteln sichtbar und soll an dieser Onlineangebot zum Onlinehändler mit stationären Stelle fokussiert zusammengefasst werden. Touchpoints [29]. Treffender kann man den Struktur- wandel nicht veranschaulichen. Die Handelszeitung beti- Zunächst sei aber das Grundverständnis der Wertschöp- telt einen Bericht zu dieser Entwicklung mit «Blaupause fungsfunktionen des Handels kurz rekapituliert: Die Iden- für die Branche» [28]. tität des Handels in seiner Erscheinungsform in Mitteleu- ropa zum Ende des 20sten Jahrhunderts ist im Wesentli- In den Filialen müssen wir abbauen, aber in der Zentrale geben wir chen durch folgende vier wichtigste Wertschöpfungs- Gas, um uns in unserer neuen Rolle als Onlinehändler mit ergän- funktionen bestimmt: die Zusammenstellung von Sorti- zenden Filialen perfekt aufzustellen. Daniel Röthlin, Ex Libris menten für die anvisierte Zielgruppe, das Informations- management und die Beratung von Kunden, die Logis- An den Ereignissen bei Ex Libris wird konkret, was in vie- tik mit allen Leistungen von der Abnahme beim Hersteller len Interviews in diesem Studienjahr klarer zutage tritt als bis zur Übergabe an Kunden sowie die finanzielle Ab- in früheren Jahren: die Erwartung noch grösserer Struk- wicklung mit allen Aspekten von der Vorfinanzierung der turveränderungen im Handel in den kommenden Jahren.

64 Fortschreitende Transformation im Handel

Ware bis zum Inkasso bei den Käufern. Der Strukturwan- Kunden zu gelangen und alle im Zusammenhang mit ei- del im Handel kann daran aufgezeigt werden, dass einer- nem Verkauf notwendigen Funktionen zu erbringen. Im seits diese Wertschöpfungsfunktionen entbündelt wer- traditionellen Verständnis ist der Zugang zum Kunden da- den, also nicht mehr zwingend zusammenhängend von mit implizit in den anderen Funktionen enthalten. Zum einem Akteur erbracht werden müssen. Andererseits Beispiel in den Logistikleistungen, deren Endpunkt im kann jede Funktion sowohl für sich allein optimiert oder Präsenzhandel das Ladengeschäft ist, das Konsumenten auf neue Weise erbracht werden als auch auf neue Weise aufsuchen, wenn sie etwas kaufen wollen. Das Internet mit anderen kombiniert werden. Seit dem Aufkommen hat den Konsumenten aber alternative, örtlich unbe- des E-Commerce ab Mitte der 1990er Jahre kann beo- schränkte Zugänge zu verfügbaren Angeboten eröffnet. bachtet werden, dass durch zahlreiche Kombinationen Die Konsequenz daraus, dass stationäre Geschäfte in Be- vielfältiger Ausprägungen von Handelsfunktionen, die in zug auf den Zugang zu Kunden entwertet werden, wird unterschiedlichen Konstellationen von mehreren Betei- aber von vielen Beteiligten nicht in aller Konsequenz er- ligten erbracht werden, eine grosse Vielfalt unterschied- fasst. Rückgänge der Kundenfrequenz in Geschäften und licher Distributionskonzepte entsteht. Eine einheitliche vereinzelte Leerstände von Ladengeschäften werden Identität eines Händlers, geprägt durch ein typisches zwar wahrgenommen, in ihren Konsequenzen bei anhal- Bündel von Wertschöpfungsfunktionen, gibt es deshalb tender Entwicklung aber immer wieder unterschätzt. nicht mehr. An die Stelle von Händlern treten zunehmend andere Arten von Unternehmen – allen voran IT- In kleineren Städten wird es in Zukunft – abgesehen von der Nah- versorgung – wahrscheinlich kein grosses Ladenangebot mehr ha- Technologieunternehmen – und übernehmen ursprüngli- ben. Daniel Röthlin, Ex Libris che Handelsfunktionen. Oft sind diese nur auf eine Funk- tion spezialisiert, während die anderen Funktionen der Die Herausforderung des Zugangs zu Kunden betrifft sta- Distributionsleistung beim angestammten Handel blei- tionäre Anbieter wie Onlineanbieter gleichermassen: ben. Traditionelle Händler verlieren dabei Wertschöp- fungstiefe und Marktanteile. Das ist eine der Ursachen der Online wie offline: die Gretchenfrage für den Händler ist immer, Misere des Handels, denn es ist ja nicht so, dass weniger wie er den Zugang zu Kunden hinkriegt. Gregor Doser, Google Switzerland konsumiert würde.

Der Handel hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert Im Internet gibt es keine Passantenlagen und deshalb ist E-Com- und ist weiterhin in einer grossen Transformation. merce so verdammt mühsam. Samy Liechti, BLACKSOCKS Gregor Doser, Google Switzerland In den diesjährigen Interviews wurde deutlich, dass die In der Praxis vollzieht sich dieser Strukturwandel über Entwicklung nicht nur anhält, sondern sich durch weitere viele Jahre, sodass er von vielen Akteuren kaum bewusst Leistungssteigerungen vor allem bei technologiegetrie- wahrgenommen wird. Überdeutlich tritt er dafür in sol- benen Intermediären weiter beschleunigen könnte. An chen Momenten zutage, in denen sich nach schleichender erster Stelle sind hier digitale Plattformen zu nennen Anbahnung disruptive Veränderungen schlagartig zei- (Kapitel 5). Indem sie sich in maximaler Konsequenz auf gen – wie bei Ex Libris. den Nutzen für Endkonsumenten ausrichten und viele Leistungen kostenlos für sie erbringen, drängen sie sich Ich glaube, bei der Verschiebung von Offline zu Online stehen wir erfolgreich zwischen Anbieter und Kunden und überneh- noch immer am Anfang. Immer mehr tektonische Veränderun- men die Kontrolle in der Kundenbeziehung. Anbieter gen werden spürbar und sichtbar. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services müssen den Kontakt fortan bezahlen – jedes Mal aufs Neue. Je nach Geschäftsmodell der Plattform erwerben Veränderungen an Wertschöpfungsfunktionen und ihren sie dabei entweder einen echten Kontakt zu einem Inte- Kombinationen lassen sich aber bereits beobachten, be- ressenten, den sie fortan selbst betreuen dürfen, oder nur vor sie sich in disruptiven Ereignissen niederschlagen: eine Bestellung, die sie zwar ausführen, dabei aber keine eigene Beziehung zum Käufer aufbauen dürfen. Gerade im letzten Fall reduziert sich das Geschäftsmodell des 7.1 Transformation im Zugang zu Kunden Anbieters um die Funktion des eigenen Kundenzugangs. Am fundamentalsten sind wohl die Veränderungen im Zu- Das kann als Chance angesehen werden, weil die Kunden- gang zu Kunden. In theoretischen Abhandlungen über die akquisition an sehr leistungsfähige Dienstleister ausgela- Wertschöpfungsfunktionen des traditionellen Handels gert werden kann, unterscheidet sich aber stark vom klas- wird der Zugang zu Kunden allerdings gar nicht explizit sischen Selbstverständnis eines Händlers. thematisiert [74, 75]. Er wird als inhärenter Bestandteil der Händlerrolle angesehen. Es ist ja gerade die Kernauf- Darüber hinaus zeichnet sich ein weiterer, potenziell sehr gabe des Handels, stellvertretend für die Hersteller an die weitreichender Trend zur Ablösung des direkten Zugangs zu Kunden ab, dessen Konsequenzen noch schwer abzu-

65 E-Commerce Report 2018

schätzen sind: der Einzug digitaler Assistenten in den All- Die Unterscheidung oder am besten die Einmaligkeit ei- tag der Konsumenten. Es ist zu erwarten, dass sich diese nes Angebots in einem Vertriebskanal wird damit zu ei- mittelfristig so nützlich machen werden, dass Konsumen- nem wichtigen Erfolgsfaktor. Das aber läuft den Prinzi- ten sie gerne nutzen – und dabei Mikroentscheide im Vor- pien der industriellen Massenfertigung – gerade auch bei feld eines Kaufs an den Assistenten abtreten. Es ist nicht Markenartikeln – entgegen. Vier Konsequenzen ergeben auszuschliessen, dass ein digitaler Assistent zum Ga- sich aus diesem Sachverhalt: Erstens entsteht anbieter- tekeeper für den Zugang des Kunden zu Angeboten im seitig eine Notwendigkeit der Produktdifferenzierung Internet wird und damit eine unglaubliche Macht erhält. nach Kanal, da Verkaufschancen nur da gegeben sind, wo Diese Macht beschränkt sich nicht auf das Matching von die Kombination aus Verfügbarkeit und Preis im Vergleich Angebot und Nachfrage bei einzelnen Transaktionen. Sie zu Wettbewerberangeboten aussichtsreich ist. Zweitens beinhaltet die Möglichkeit, die Entwicklung von Angebot haben diejenigen Anbieter einen Vorteil, die attraktive und Nachfrage insgesamt zu beobachten, zu analysieren Produkte exklusiv oder nur bei eingeschränktem Wettbe- und zur Steuerung der Angebotsseite zu nutzen. Der Wis- werb verkaufen können. Das trifft bei vertikal integrier- sensvorsprung der Plattformen hinter den digitalen Assis- ten Handelsunternehmen für ihre Eigenmarkenprodukte tenten im Vergleich zu individuellen Anbietern würde da- zu, ausserdem bei Marken mit selektivem Vertrieb und bei so gross, dass faire Wettbewerbsbedingungen nicht bei ausschliesslich direkt vertreibenden Herstellern. Als mehr per se als gegeben angesehen werden können. Drittes drängt sich eine Differenzierung durch Individua- lisierung der Produkte auf, sei es durch Mass Customiza- Sprachbasierte Assistenzsysteme wie Alexa haben ein enormes tion (konfigurierte oder modulare Produkte) oder indivi- Veränderungspotenzial, denn sie werden den Nutzern primär Ei- genmarken vorschlagen, z.B. Amazon Basics. duelle Nachveredelung industriell gefertigter Produkte Kilian Eyholzer, Victorinox (Aufdrucken eines Namens auf dem Trikot eines Sportver- eins) oder durch Unikate (z.B. FREITAG-Taschen). Vier- Für einzelne, kleinere Hotels ist eine Direktvertriebsstrategie fast tens haben Anbieter mit sehr grossen und folglich unüber- nicht mehr machbar. Um sich im Direktvertrieb zu behaupten, sichtlichen Sortimenten die Möglichkeit, einzelnen Kun- muss man sehr gross sein. Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse den durch Personalisierung immer gerade den Aus- schnitt aus ihrem Sortiment bevorzugt zu präsentieren, Als Konsequenz dieser Entwicklung ist abzusehen, dass der im jeweiligen Moment zu den Vorlieben des Kunden individuelle Anbieter immer weniger eigene Kundenbe- passt und auch im Wettbewerbsvergleich attraktiv ist. ziehungen haben und immer häufiger von einer Plattform Der grosse Trend ist, dass Marken in ihrem eigenen Onlineshop di- erworbene Kunden bedienen werden. Genau genommen rekt verkaufen. Malgorzata Gliszczynska, eBay International sind das zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle, in de- nen sich die Aufgaben von Marketing und Vertrieb stark Unsere Anstrengungen in der Personalisierung werden für die Kun- unterscheiden. den immer sichtbarer werden: Wir werden den Kunden relevantere und inspirierendere Dinge zeigen. Linus Glaser, Zalando

7.2 Transformation im Angebot Die Voraussetzungen bestehender Unternehmen, eine Die Überwindung der Ortsabhängigkeit des Angebots dieser Konsequenzen für sich ziehen zu können, sind un- durch das Internet hat eine weitere, sehr weitreichende terschiedlich. Die Veränderungen in der Wertigkeit der Konsequenz: Angebote in stationären Geschäften stan- Waren wirken sich damit auf den Strukturwandel aus. den untereinander nicht in Konkurrenz, sofern sie weit ge- nug voneinander entfernt waren. Es war völlig unschäd- 7.3 Transformation in der Logistik lich, wenn Geschäfte in verschiedenen Städten ein identi- sches Sortiment hatten – die Industrialisierung der Kon- Infolge der gewonnenen Markttransparenz ist das theore- sumgüterindustrie und des Einzelhandels in der zweiten tisch verfügbare Angebot zwar gigantisch gross, ob es für Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte genau das bewirkt. einen Kauf infrage kommt, hängt aber noch erheblich mit Heute führt die Multiplizität des Angebots zu einer Ab- der Verfügbarkeit in Bezug auf den Standort des Interes- wertung der betroffenen Produkte und birgt für Anbie- senten zusammen. Hier besteht eine grosse Diskrepanz ter die Gefahr, beim betroffenen Artikel auf die Kriterien zwischen dem Ideal einer sofortigen Verfügbarkeit und Verfügbarkeit und Preis reduziert zu werden. den Logistikstrukturen der derzeitigen Distributionssys- teme: Aus logistischer Perspektive birgt die Multiplizität Was immer schwieriger wird sind generische Geschäftsmodelle. des Angebots, die zum Wesen des stationären Einzelhan- Studienteilnehmer dels gehört, das Potenzial, Nachfrage aus einem lokal na- hen Warenbestand zu erfüllen. Allerdings hat es der stati- Beim Direktvertrieb geht es nicht nur um die Kosten. Es geht auch um die Möglichkeiten der Angebotsdifferenzierung und des flexib- onäre Einzelhandel versäumt, seine lokalen Bestände mit len Handelns am Markt. dem Suchverhalten der Interessenten im Internet zu ver- Sebastian Riedle, Swiss International Air Lines binden. Folglich werden Onlinebestellungen fast immer

66 Fortschreitende Transformation im Handel

aus einer zentralen, nationalen Logistik heraus erfüllt, koordinierten Lieferdiensten zuzustellen, wären wohl jeg- was mit grossen Distanzen verbunden ist. Für ausländi- liche Anstrengungen Schweizer Anbieter, mit der sche Anbieter sind die Distanzen noch grösser und trotz Schweizerischen Post Wettbewerbsvorteile in der Logis- einer automatisierten Zollabwicklung in den meisten Fäl- tik erreichen zu wollen, vergebens. len mit einer um einen Tag längeren Lieferzeit verbunden. Auch umgekehrt schafft die Logistik das Potenzial, die lo- Die sofortige Produktverfügbarkeit ist nur in einem Geschäft mög- kale Verfügbarkeit von Produkten in Geschäften zu er- lich. Matthias Fröhlicher, KOALA höhen. Ist das mit kurzen Vorlaufzeiten verbunden – z.B. einem halben Tag – können die Nachteile der beschränk- Für Schweizer Anbieter ergeben sich daraus zwei Poten- ten lokalen Verfügbarkeit kompensiert werden. Bei ent- ziale: Zum einen müssten Versender, die aus einem Wa- sprechenden Lösungen könnten Kunden solche Artikel, renbestand in der Schweiz liefern können, kürzere Liefer- die sie im Geschäft vorfinden möchten, vorgängig reser- zeiten anbieten können als ihre ausländischen Wettbe- vieren oder bestellen. werber. Zum anderen müssten stationäre Geschäfte, die unter einem Rückgang der Kundenfrequenz und des Wa- Online-Sortimentserweiterungen werden für stationäre Geschäfte renumschlags leiden, vom Potenzial aus Lieferungen an essenziell sein. Philippe Huwyler, coop@home lokal nahe gelegene Empfängeradressen gerade für sehr kurzfristige Belieferungen profitieren können. Transformationspotenzial bieten auch neue Logistikkon- zepte im In- und Ausland für Lebensmittel. Sie setzen da- De facto ist es aber so, dass hierzulande 80 % der Auslie- rauf, die in der Schweiz wie zementiert erscheinenden ho- ferungen durch die Schweizerische Post erfolgen, was das hen Mindestbestellwerte und hohen Versandkosten zu Leistungsniveau aller Anbieter nivelliert und keine posi- reduzieren. Damit soll eine höhere Bestellhäufigkeit er- tive Unterscheidung von ausländischen Wettbewerbern reicht und schlussendlich bei höherem Leistungsniveau ermöglicht, sobald deren Ware in der Schweiz angekom- und höherem Gesamtvolumen auch eine höhere Wirt- men ist. Die fehlende Möglichkeit zur Differenzierung schaftlichkeit erzielt werden. Einen entsprechenden Ver- wird häufig kritisiert. Konsequenzen in Form eines stärke- such startete Farmy im April 2018 im Raum Zürich. ren eigenen Engagements ziehen in der Schweiz aber nur wenige Anbieter – coop@home ist eine leuchtende Aus- Mit Gratislieferung und engen Lieferzeitfenstern kann man einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Tobias Schubert, Farmy nahme. Die grossen ausländischen Player dagegen scheuen sich nicht, die Regie in der Logistik selbst zu über- nehmen, wenn sie sich damit Vorteile erarbeiten können. 7.4 Transformation in der Bezahlung

Grösste Beachtung verdienen an dieser Stelle die An- Im Bereich der Bezahlung entsteht Transformationspo- strengungen von Zalando – pilothaft zunächst in tenzial dadurch, dass diese so nahtlos wie möglich in den Deutschland realisiert –, neue Formen einer Differenzie- natürlichen Handlungsablauf der Konsumenten eingebet- rung in der Logistik zu erreichen. Drei Initiativen sind hier tet wird. In jüngerer Zeit wurden in der Schweiz zu diesem zu nennen: Erstens der niederschwellige Einbezug der Zweck eine Reihe von Seamless-Payment-Lösungen re- Lagerbestände unabhängiger stationärer Einzelhänd- alisiert (Kapitel 6). Neben der Vereinfachung des Kaufvor- ler in das eigene Fulfillment, wodurch die Warenverfüg- gangs eröffnen sich dabei weitere Potenziale, z.B. durch barkeit verbessert und die Lieferzeit verkürzt werden nachträgliche Tarifoptimierung oder gezielte Promotio- kann. Zweitens die Arbeit am Fashion Fulfillment Network nen. Gerade bei wiederholten Einkäufen können solche of the Future, in dessen Rahmen bereits das Logistikzent- Lösungen den Alltag der Kunden spürbar erleichtern und rum in Lahr und Next Day Evening Delivery für die Schweiz damit ein hohes Kundenbindungspotenzial entfalten. entstanden sind. Im weiteren Ausbau ist auch die Koordi- Eine Lösung wie Amazon Go eröffnet noch weiterge- nation mehrerer Beteiligter in der physischen Distributi- hende Möglichkeiten. Hält man sich vor Augen, dass diese onskette vorgesehen. Die dritte Initiative sind Zalandos Lösung mit gewöhnlicher Handelsware ohne weitere kostenlose Abholungen von Retouren im Rahmen des Kennzeichnung arbeitet, wird deutlich, dass das System Kundenbindungsprogramms Zalando Plus. prinzipiell auch als Service für andere Händler imple- Bei Fashion profitiert der stationäre Handel noch davon, dass das mentiert werden könnte, wenn diese ihren Verkaufsraum Zurücksenden der Retouren so mühsam ist. entsprechend ausrüsten liessen. Amazon Go könnte da- Sven Betzold, ifolor mit die Bezahllösung Amazon Pay auf den stationären Handel ausweiten. Aus Sicht eines Anbieters wäre das In der Schweiz sind keine vergleichbaren Initiativen in der eine Auslagerung der Bezahlfunktion an einen speziali- Zustell- und Abhollogistik zu erkennen. Würde es Zalando sierten Dienstleister. Unter dem Aspekt der digitalen tatsächlich gelingen, Waren aus stationären Schweizer Transformation ist das insofern relevant, als Amazon Geschäften in ihr Fulfillment einzubinden und mit selbst dadurch auch aus stationären Geschäften detaillierte

67 E-Commerce Report 2018

Transaktionsdaten gewinnen und in Bezug auf die Kun- Für viele der bestehenden Schweizer Anbieter wäre es den Erkenntnisse über deren Offline-Einkaufsverhalten wohl am wichtigsten, sich mit den Mechanismen der Ent- gewinnen würde. bündelung und den sich daraus ergebenden Potenzialen vertraut zu machen und ihr eigenes Wertschöpfungs- Bezahlung ist immer noch sehr komplex, es sind viele Anbieter in- bündel unter Einbezug geeigneter Partner neu zu defi- volviert. Irgendwann wird eine grössere Disruption kommen – das wird dann wohl eher eine internationale Lösung sein. nieren. Kilian Eyholzer, Victorinox Digital kompetente, stationäre Händler könnten einen neuen E-Commerce-Boom auslösen. Matthias Fröhlicher, KOALA 7.5 Fazit: Fortschreitende Transformation im Handel Angesichts der offensichtlichen Überlegenheit der gros- sen ausländischen Anbieter ist allerdings zu reflektieren, Die Zusammenfassung der Beobachtungen zu den wich- welche Erfolgsaussichten Schweizer Anbieter im sich öff- tigsten Entwicklungen im Bereich der traditionellen Han- nenden Schweizer Markt haben. So, wie sich die Dinge delsfunktionen zeigt, dass die digitale Transformation derzeit entwickeln, ist zu befürchten, dass Schweizer An- noch voll im Gange ist und dass weitere, weitreichende bieter insbesondere in den Bereichen des Zugangs zu Veränderungen in den Distributionsstrukturen auch in Kunden und in der Logistik zurückfallen. Das würde be- der Schweiz zu erwarten sind. deuten, dass sie sich vermehrt in ausländisch dominierte Distributionssysteme einordnen müssen, um überhaupt Die Verteilung des Marktvolumens auf immer mehr paral- im Markt zu bleiben. Die Alternative wäre, sich in erfolgs- lele Distributionskonzepte bewirkt, dass die bestehenden relevanten Bereichen verstärkt selbst zu engagieren und Geschäftsmodelle Marktanteile verlieren. Umgekehrt zur Bildung einer kritischen Masse Kooperationen einzu- eröffnen sie Möglichkeiten, dass Unternehmen parallel gehen. mehrere Geschäftsmodelle verfolgen können, um ihre Ressourcen auf diese Weise besser auszulasten. Ein Bei- Kooperationen sind notwendig, um eine kritische Masse zu bilden spiel dafür ist die bereits erörterte duale Vertriebsstrate- und mehr Kraft zu haben, um die noch nicht verteilten Felder zu gie von Beliani (Kapitel 5.3.2). besetzen. Daniel Röthlin, Ex Libris

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68 B2C-E-Commerce in den einzelnen Unternehmen

8 B2C-E-Commerce in den einzelnen Unternehmen

Von der allgemeinen Entwicklung wird nun auf die Situa- werden darf. Da den Studienteilnehmern Vertraulichkeit tion in den einzelnen Unternehmen übergegangen. Da- über nicht öffentlich bekannte Einzelheiten zu ihrem Un- bei ist zu beachten, dass das Studienpanel keine reprä- ternehmen zugesichert wurde, müssen auch hier die Er- sentative Gruppe darstellt und dessen Entwicklung nicht gebnisse verdichtet und Einzelaussagen zum Teil anony- verallgemeinernd auf den Markt als Ganzes übertragen misiert werden.

Abb. 15: Umsatzwachstum über drei Jahre von 2015 bis 2017, gesamt und online

140 + + 130 n=25 Unternehmen, die seit mehr als vier Jahren im E-Commerce aktiv sind 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10

Umsatzwachstum 2015 bis in 2015 2017 % Umsatzwachstum 0 -10 -20 -30 Unternehmen A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Online 200 173 93 92 84 76 65 57 48 48 36 30 25 18 17 12 10 7 2 1 0 0 -4 -14 -24 Gesamt -5 -12 4 -1 23 -7 -29 -3 -5 18 -15 -2 -18 * Die Unternehmen R, W und Y haben ihr Markenportfolio reduziert oder einen Geschäftsbereich ausgegliedert. © 2018 FHNW

8.1 Umsatzentwicklung in den Unternehmen sinnvolle Auswertung nicht geeignet. Gründe dafür kön- nen neben anderen sein, dass das Unternehmen noch Die 35 Unternehmen, die als potenziell marktprägende keine vier Jahre im E-Commerce aktiv ist oder dass sich E-Commerce-Anbieter im Studienpanel zu dieser Studie die Basis der Zahlenreihe aufgrund von Akquisitionen, beigetragen haben, weisen eine grosse Vielfalt und He- Teilverkäufen oder dergleichen verändert hat. Bei einigen terogenität auf: Es sind Kleinstunternehmen und inter- Studienteilnehmern wurde die Umsatzentwicklung aus national tätige Konzerne vertreten, Unternehmen, die geeigneten Quellen, z.B. Geschäftsberichten der Mutter- bereits 1996 oder erst 2014 mit E-Commerce begonnen gesellschaft, abgeleitet. Die betroffenen Gesprächs- haben. Unter ihnen befinden sich Start-ups und Traditi- partner werden in der Regel über das Vorgehen infor- onsunternehmen, Internet-Pure-Player und Multika- miert und haben Gelegenheit, auf Fehler hinzuweisen. nalanbieter, Anbieter in Phasen starken Wachstums oder in einer Konsolidierung. Von den erfassten Unternehmen kann bei 13 ein Ver- gleich zwischen der Entwicklung im E-Commerce (blaue Das spiegelt sich auch in der Umsatzentwicklung von 25 Balken) und der Entwicklung des Gesamtunternehmens Unternehmen über den Dreijahreszeitraum 2015 bis 2017 über alle Verkaufskanäle (orange Balken) angestellt wer- wider (Abb. 15). Bei den Unternehmen, die einmalig im den. Bei diesen Mehrkanalanbietern entwickelte sich der Zusammenhang mit einem Themenschwerpunkt befragt Bereich E-Commerce gleich oder besser als das Gesamt- wurden, wurde die Umsatzentwicklung nicht erhoben. unternehmen und hat dementsprechend eine hohe Be- Von zehn Unternehmen liegen die für diese Untersu- deutung für die Unternehmen. Zehn der 13 Multikanalun- chung notwendigen Angaben nicht vor oder sind für eine

69 E-Commerce Report 2018

ternehmen waren über die drei Jahre gesamthaft mit ei- Abb. 16: Über Smartphones generierter Umsatz nem Umsatzrückgang konfrontiert, wobei neun davon im E-Commerce ein Wachstum erzielten. 14 1 bis 5% n=31 12 5 bis 10% Zu den fünf Spitzenreitern A bis E zählen drei E-Com- 14 10 10 bis 20% merce-Pure-Player. 44 % aller Studienteilnehmer wiesen in den letzten drei Jahren im E-Commerce ein durch- 8 20 bis 30% schnittliches jährliches Wachstum von 10 % oder mehr 6 30 bis 40% 8 auf. 12 % der Unternehmen mussten in den letzten drei 4 40 bis 50% Jahren im E-Commerce insgesamt einen Umsatzrück- 5 über 50% gang hinnehmen. 2 1 1 0 2 0 Betrachtet man nur das Jahr 2017, konnten sieben von 25 Anteil am E-Commerce-Umsatz 2017, © 2018 der über Smartphones generiert wurde FHNW Studienteilnehmern, das sind 28 %, im E-Commerce eine Wachstumsrate von 20 % oder mehr erzielen. Vier muss- Abb. 17: Planungen für die Umsatzentwicklung im Jahr 2018 ten einen Umsatzrückgang hinnehmen. 10 Sowohl in der dreijährigen als auch in der einjährigen Be- um 3% oder n=32 mehr sinken. trachtung war 2017 im Studienpanel ein besseres E-Com- 8 10 mit +/- 3 % etwa merce-Jahr als jedes der drei Vorjahre. Mehrere Stu- gleich bleiben. dienteilnehmer konnten eine rückläufige Phase in der 6 8 8 um 3 bis 10 % Entwicklung der Onlineumsätze beenden. steigen. 4 5 um 10 bis 25 % Neben den Angaben aus dem kleinen und nicht repräsen- steigen. 2 um über 25 % tativen Studienpanel zum E-Commerce Report Schweiz 1 steigen. publizieren auch VSV und GfK Angaben zur Umsatzent- 0 wicklung der von ihnen befragten Unternehmen im Unsere E-Commerce-Umsätze mit Kunden in © 2018 E-Commerce [4]. Demnach konnten zwei Drittel von 182 der Schweiz werden 2018 im Vergleich zu 2017 … FHNW

Unternehmen ihre Umsätze 2017 um mehr als ein Prozent steigern, 25 % mussten Umsatzrückgänge um mehr als 8.2 Planungen für 2018 ein Prozent hinnehmen. Die Anzahl der Unternehmen mit Die Ziele zur Umsatzentwicklung im laufenden Jahr in rückläufigem Umsatz hat sich auch hier im Vergleich zum der Schweiz zeigt Abb. 17. Die Ambitionen sind recht Vorjahr reduziert, allerdings repräsentieren diese Unter- hoch und entsprechen in etwa denen des Jahres 2015; in nehmen für 2017 insgesamt ein höheres Umsatzvolumen. den beiden vergangenen Jahren 2016 und 2017 lagen sie Die wachsenden Unternehmen repräsentierten 2017 nur niedriger. Zwölf Unternehmen wollen darüber hinaus noch die Hälfte des Umsatzes dieser Studiengruppe. 2018 im Ausland steigende Umsätze erzielen. Diese Feststellungen bestätigen einerseits, dass das hohe Die Aktivitätsfelder sind über die Jahre weitgehend kon- Wachstum des E-Commerce in Höhe von 10 % im Jahr stant. Viele Unternehmen wollen ihr Angebot ausdehnen 2017 zu einem deutlich überproportionalen Anteil auf und ihre Services verbessern, wozu insbesondere auch ausländische Anbieter entfällt. Andererseits zeigt sich, eine Beschleunigung in der Logistik gehört. Bei Multika- dass eine Partizipation am an und für sich boomenden nalunternehmen ist die Aufgabenliste unverändert sehr E-Commerce für die einzelnen Anbieter keineswegs ein lang. Obwohl sie meistens schon lange an ihrer Transfor- Selbstläufer ist. mation arbeiten, geht es nur langsam vorwärts. In einem Bei vielen Schweizer Anbietern ist das Wachstum im E-Commerce Interview wird die Vielschichtigkeit der Herausforde- in eine Stagnation umgeschlagen. Der grösste Teil des E-Com- rungen besonders deutlich: merce-Wachstums kommt von ausländischen Playern. Matthias Fröhlicher, KOALA Man muss versuchen, die Digitalisierung mit der analogen Welt zu verbinden, mit dezentralen Lagern, mit den Menschen vor Ort, mit Abb. 16 zeigt den Anteil am Umsatz der Studienteilneh- dem Category-Know-how. Man muss 24/7 Stunden erreichbar mer, der über Smartphones generiert wurde. Mit einer sein, gute Produktdaten haben, gute Visibilität und gute Preise. Dann muss man im Alltag die Omnichannelprozesse wirklich le- Ausnahme liegt dieser bereits überall bei mindestens ben. Es ist es auch wichtig, mit der Industrie zusammen zu arbei- 10 %, bei der Hälfte schon über 20 %. Immer mehr Unter- ten, für ihre Produkte Märkte zu entwickeln. Zudem muss man nehmen richten sich zwischenzeitlich bei ihren Online- seine Kosten im Griff haben. Erreichen kann man das nur, wenn massnahmen primär an mobilen Endgeräten aus. man die richtigen Leute hat, die richtigen IT-Systeme und Macher, die das alles realisieren wollen und Leadership übernehmen. Beim Topmanagement muss das anfangen. Studienteilnehmer

70 Erwartungen für die Zukunft – für das Jahr 2023

9 Erwartungen für die Zukunft – für das Jahr 2023

Dass die Studienteilnehmer nicht von einer Verlangsa- Abb. 18: Erwarteter Marktanteilsgewinn des E-Commerce mung der E-Commerce-Entwicklung in der Schweiz aus- 14 Gleich hoch gehen, zeigt Abb. 18. Die Hälfte der Befragten erwartet, n=34 wie heute 12 dass der Marktanteil im E-Commerce in ihrer Branche in 13 Bis unter 15% den kommenden fünf Jahren bis 2023 um 50 % oder mehr 10 höher als heute 11 15 bis unter 50% steigen wird. Zum Vergleich: In Kapitel 2.1 wurde aufge- 8 höher als heute zeigt, dass der E-Commerce-Anteil in den zurückliegen- 50 bis unter 100% 6 den fünf Jahren seit 2013 um 53 % gestiegen ist. höher als heute Doppelt so hoch 4 5 wie heute Wie die Branche in fünf Jahren aussehen wird, kann ich nicht sa- 2 3 Ein Vielfaches gen. Aber es zeichnet sich ab, dass immer mehr Ware online ge- 1 1 von heute kauft wird, dass es immer schneller gehen wird und dass Persona- 0 lisierung immer sichtbarer wird. Linus Glaser, Zalando Wie hoch schätzen Sie den Anteil des E-Commerce © 2018 am B2C-Branchen-Umsatzvolumen in fünf Jahren? FHNW

In meinen Augen steht die Entwicklung des E-Commerce erst am Anfang. Francesco Vass, ricardo.ch Einzelne Unternehmen haben grosse Ambitionen. Dazu gehört Digitec Galaxus, die in diesem Jahr beim Umsatz Der Anteil des Direktvertriebs wird, auch im Luftverkehr, weltweit die Milliardengrenze knacken und mit der Expansion nach weiter deutlich steigen. Deutschland weiterhin kräftig wachsen wollen [14]. Eine Sebastian Riedle, Swiss International Air Lines solche Vorwärtsstrategie ist mit Investitionen und Risiken Bei den bestehenden Onlineshops wird es eine Konsolidierung ge- verbunden. Diese werden in guter unternehmerischer ben, aber diese wird durch die zunehmenden Onlineshops von Her- Manier abgewogen und bei guten Aussichten eingegan- stellern kompensiert. Samy Liechti, BLACKSOCKS gen. Das gilt auch für die Start-ups Bedfinder und Farmy.

In Zukunft werden im Onlinehandel nur ganz grosse Anbieter und Unsere langfristige Vision ist, dass man, egal wo man in der Welt spezialisierte Nischenanbieter Chancen haben. ist, FAIRTIQ öffnet und schaut, ob es am Aufenthaltsort funktio- Gregor Doser, Google Switzerland niert, und wenn ja, einfach eincheckt, reist und auscheckt wie zu- hause. Dass man sich so um nichts kümmern muss. Besonders weit liegen die Erwartungen für die Lebens- Gian-Mattia Schucan, FAIRTIQ mittelbranche auseinander. Ein Studienteilnehmer er- wartet einen Fortgang der langsamen Entwicklung ana- Eine Reihe von Themen, die in diesem Studienbericht be- log zu den letzten Jahren, andere gehen von Änderungen reits angesprochen wurden, finden sich auch in den Zu- bei den Konzepten und viel mehr Dynamik aus. kunftserwartungen wieder (Abb. 19). Dazu gehören die steigende Bedeutung asiatischer Anbieter und der Trend In fünf Jahren wird der E-Commerce-Anteil bei Lebensmitteln ein zur Verlagerung von einzelnen Onlineshops zu digitalen Vielfaches von heute sein. Tobias Schubert, Farmy Plattformen. Für einen Schweizer B2C-Onlinemarkt- platz sind die Studienteilnehmer klar optimistisch. Bei Lebensmitteln wird es im E-Commerce zu einer Aufteilung des Marktes kommen: zwischen zentralen Angeboten für haltbare Ich glaube, dass die asiatischen Anbieter in fünf Jahren auch logis- Produkte und regionalen Angeboten für Frischeprodukte. tisch in Europa angekommen sein werden. Markus Mahler, BRACK.CH Markus Mahler, BRACK.CH

Abb. 19: Verschiedene Aussagen zu Zukunftserwartungen der Studienteilnehmer

Asiatische Onlineplattformen werden in der Schweiz eine Bedeutung erlangt haben, die weit über 11 15 2 1 2 Gadgets und Billigprodukte hinausgeht. Mindestens ein Schweizer B2C-Onlinemarktplatz (horizontal, mit Transaktionsunterstützung) wird 14 11 4 2 sich etabliert haben (≥ 3 % Marktanteil). Es wird eine deutliche Verschiebung von Online- shops einzelner Anbieter zu anbieterübergreifenden Konzepten wie Onlinemarktplätzen oder digitalen 7 18 7 1 Plattformen gegeben haben. n = 31, 31, 33 © 2018 FHNW stimme voll zu stimme eher zu stimme eher nicht zu stimme nicht zu weiss nicht

71 E-Commerce Report 2018

Abb. 20: Erwartungen zu verschiedenen Aspekten für stationäre Geschäfte in einer vernetzten Handelswelt

Auch für stationäre Geschäfte wird es wichtig sein, über digitale Plattformen Zugang zu Kunden 30 2 zu finden. Konsumenten werden eine komfortable Möglichkeit haben, online herauszufinden, wo ein gesuchter 14 10 2 Artikel in einem stationären Geschäft verfügbar ist. Stationäre Geschäfte werden einen Teil ihrer im Laden vorhandenen Artikel regelmässig auch 13 11 2 1 zum Verkauf in anderen Kanälen bereitstellen. Ein Teil des stationären Schweizer Detailhandels (≥ 5 % Marktanteil) wird in der Regie von grossen 12 10 4 3 2 Online-Playern betrieben werden. Stationäre Geschäfte werden regelmässig Artikel verkaufen, die zum Kaufzeitpunkt im Laden nicht 10 8 3 4 2 vorrätig sind.

n = 32, 26, 27, 31, 27 © 2018 FHNW stimme voll zu stimme eher zu stimme eher nicht zu stimme nicht zu weiss nicht

Entsprechend dem Themenblock zu den Perspektiven des Sehr grosse Beachtung finden die Entwicklungen bei Einzelhandels insgesamt (Kapitel 3) wurden auch eine neuen Technologien, von denen erwartet wird, dass sie Reihe von Fragen zur Zukunft stationärer Geschäfte ge- die Transformation im Handel in Zukunft massgeblich be- stellt (Abb. 20). Am deutlichsten fällt die Einschätzung einflussen werden. Interessant in dem Zusammenhang aus, dass es künftig auch für stationäre Geschäfte wichtig ist, dass es bei Zalando geradezu zum Selbstverständnis sein wird, über digitale Plattformen Zugang zu Kunden zu gehört, ihr Geschäftsmodell mit Technologien voranzu- finden. Das bedeutet, dass die abwartende Haltung allein, treiben. Das dürfte in der Schweiz nur für sehr wenige also das Sich-Verlassen allein auf die Frequenz des Stand- Handelsunternehmen zutreffen. orts, nicht mehr ausreicht. Zalandos Identität ist die eines Händlers, der über die Handelstä- Je nach Marktsegment ist der Nutzen, den ein Ladengeschäft brin- tigkeit hinaus Mehrwert durch Technologie schafft. gen kann, unterschiedlich gross. Ich befürchte, dass etliche Ver- Linus Glaser, Zalando kaufsstellen noch überbewertet werden. Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse Die grossen Themenblöcke im Bereich der Technologie sind künstliche Intelligenz oder Artificial Intelligence, di- Ein traditionelles Handelsunternehmen muss sich grundsätzlich gitale Assistenten mit Interaktionsmöglichkeiten via überlegen, wo es seine Existenzberechtigung sieht in einer Welt, in Chat oder Sprache, in einigen Branchen Augmented und der ein Grossteil des Geschäfts von wenigen grossen Playern on- line abgewickelt wird. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services Virtual Reality und in der Logistik Automatisierung durch Robotik. Die folgenden Zitate geben einen Überblick Es gibt einfach zu viel Verkaufsfläche, die Leute haben das gese- über die nicht immer einheitlichen Erwartungen der Stu- hen. Samy Liechti, BLACKSOCKS dienteilnehmer.

Die Marktverschiebung zugunsten Online geht weiter, auch wenn Bots, künstliche Intelligenz, Robotics, das sind die aktuellen The- sich einige grosse Technologieunternehmen stationär engagieren. men im E-Commerce. Maud Hoffmann, Geschenkidee.ch Florian Teuteberg, Digitec Galaxus Sprachassistenten, Virtual Reality und Augmented Realitiy wer- Dass in der Logistik Handlungsbedarf besteht, kommt den den Markt weiter fragmentieren und den Handel wieder vor seit mehreren Jahren im E-Commerce zutage. Ob es aber Herausforderungen stellen. Gregor Doser, Google Switzerland notwendig ist, zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils in Interaktion via Chat, ob als Text oder sprachbasiert, wird ein sehr der Sendungszustellung die erfolgskritischen Funktionen wichtiger Kanal für uns werden. selbst zu erbringen, ist umstritten. 14 zustimmende Ant- Sebastian Riedle, Swiss International Air Lines worten stehen zehn verneinenden und drei Enthaltungen gegenüber. Mit der neuen Generation tragbarer Lautsprecher haben immer mehr Personen die Schnittstelle zu Voice-Assistenten schon im Im internationalen Vergleich ist die Zustelllogistik in der Schweiz Haus. Pierre Wenger, Interdiscount zu teuer und zu wenig dem Kundenbedürfnis angepasst. Pierre Wenger, Interdiscount Chatbot eedi übertrifft bezüglich Conversion und positivem User Feedback all unsere Erwartungen! Auch Same Day Delivery wird in den nächsten Jahren eine Stan- Maud Hoffmann, Geschenkidee.ch darderwartung werden. Francesco Vass, ricardo.ch

72 Erwartungen für die Zukunft – für das Jahr 2023

Wir haben hier in der Schweiz komische Akzente, da wird es noch Wir planen mit lernenden Algorithmen zu arbeiten, um Suchergeb- lange dauern, bis digitale Sprachassistenten funktionieren. nisse personalisiert auf jeden User auszusteuern. Matthias Fröhlicher, KOALA Malgorzata Gliszczynska, eBay International

Die dumme Alexa - meine Kinder machen sich einen Spass mit ihr. Was all die aufgezeigten Entwicklungen für die Ertragssi- Francesco Vass, ricardo.ch tuation der Unternehmen in der Zukunft bedeuten, ist eine Frage ganz am Ende der Interviews. Dabei tritt eini- Wenn Amazon Alexa in die Schweiz kommt, werden wir einen SBB-Skill für eine Fahrplanabfrage bereitstellen. ges an Bedenken zutage. Für ihr eigenes Unternehmen Christof Zogg, SBB aber – und darauf wird ja auch mit aller Kraft hingearbei- tet – sind die Unternehmen im Studienpanel weit über- Artificial Intelligence sehe ich im E-Commerce kommen. Das wird wiegend optimistisch (Abb. 21). einen neuen Quantensprung geben. Stephan Widmer, Beliani Abb. 21: Erwartungen zur Entwicklung der Ertragssituation Es ist schon bezeichnend, dass ein Onliner Amazon Go entwickelt und nicht eine Migros oder ein Tesco. Stephan Widmer, Beliani 20 n=31 20 Machine Learning entwickelt sich rasant. Das ist schnell, skalier- 15 bar und benutzerfreundlich, die Anwendungen gehen von leis- tungsstarker Bildanalyse, Spracherkennung, Textanalyse bis hin 10 zu schnellen Übersetzungen. Gregor Doser, Google Switzerland 5 5 6 Bei den weiteren Trends sticht vor allem das Thema Per- 0 Schlechter Gleich wie Besser als sonalisierung heraus. als heute heute heute  Wie wird sich die Ertragssituation Personalisierung im Marketing wird jetzt sehr wichtig. Wish und (EBIT) des E-Commerce in fünf Jahren darstellen? Aliexpress sind da schon weiter als Schweizer Unternehmen. Allen Krief, DeinDeal Der Wettbewerb wird stärker, die Ertragssituation im E-Commerce Die Kundenansprache wird in den nächsten Jahren immer indivi- wird eher schlechter werden. Gregor Doser, Google Switzerland dueller werden. Pierre Wenger, Interdiscount

73 E-Commerce Report 2018

10Zeitreise durch den E-Commerce von Corin Kraft und Uwe Leimstoll

Bereits seit zehn Jahren werden potenziell marktprä- wird um 2013, 2014 zum Buzzword, niemand hatte erwar- gende Schweizer E-Commerce-Anbieter im Rahmen des tet, dass mobile Endgeräte so schnell einen so hohen Stel- E-Commerce Report Schweiz (ECR) Jahr für Jahr zu diver- lenwert im E-Commerce einnehmen würden. sen Themen rund um den E-Commerce befragt. Dieses Kapitel betrachtet die Entwicklung des E-Commerce aus Davon abgesehen ist das Leistungsniveau im E-Com- drei unterschiedlichen Blickwinkeln und beleuchtet den merce in diesem Zeitraum stark angewachsen. Der Wett- jeweiligen historischen und wirtschaftlichen Kontext. bewerbsdruck unter den Schweizer Anbietern offenbart die Schwächen der verschiedenen Geschäftsmodelle. Den Die Zeitreise beginnt mit den verschiedenen Formen des rasanten Siegeszug des erst im Herbst 2011 in der Schweiz E-Commerce, wo die Entwicklung und Haltung von reinen gestarteten Pure Players Zalando hatte niemand für mög- E-Commerce-Anbietern und Multichannel-Anbietern be- lich gehalten. Erstmals werden im E-Commerce Report trachtet wird. Weiter geht es mit der Einbettung des die Konsequenzen der Kleinheit des Schweizer Marktes E-Commerce in den gesamten Schweizer Detailhandel. im internationalen Wettbewerb erörtert. Schliesslich wird der zentrale Erfolgsfaktor des E-Com- merce, der Zugang zum Kunden, unter die Lupe genom- 2018 stehen wieder neue Technologien wie Sprachsteue- men. rung (Amazon Echo), künstliche Intelligenz oder das Inter- net of Things in den Startlöchern. Die rasante Entwick- lung der Mobile-Technologie hat gezeigt, wie schnell 10.1 Pragmatik und neue Technologien treiben technische Veränderungen geschehen können und wel- den E-Commerce che Auswirkungen sie auf den E-Commerce haben. Nun Der erste E-Commerce Report erscheint 2009, wo eine wird es spannend sein, zu beobachten, welche Rolle die neue, von der dot.com-Krise geläuterte «Aufbruchsstim- neuesten Technologien im E-Commerce einnehmen wer- mung» herrscht. Das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr den, wie sie die Kanäle verändern und ob Alexa & Co mit 2000 hat eine gewisse Unsicherheit ausgelöst und die vi- der Sprachsteuerung zu neuen Gatekeepern bezüglich sionäre Euphorie der 1990er Jahre, die unendliches des Zugangs zum Kunden werden könnten. Wachstum des E-Commerce und das Ende des stationä- ren Handels voraussagte, weicht ein Jahrzehnt später ei- 10.2 E-Commerce im Wechselspiel mit dem stati- ner pragmatisch optimistischen Herangehensweise an onären Handel den E-Commerce. Die Zuversicht, welche die Studienteil- nehmer gegenüber dem Wachstum des E-Commerce von 2009 ist festzustellen, dass Handelsunternehmen ihre Ge- Beginn an mitbringen, ist über die ganzen zehn Jahre hin- schäftsmodelle weiterhin auf die gleiche Art und Weise weg grundsätzlich sehr positiv geblieben. verfolgen wie vor dem Aufkommen des E-Commerce. E-Commerce wird als eine weitere Form des Distanzhan- Pragmatik: «Niemand verkündet den Untergang des dels verstanden, als ein eigenständiger, unabhängiger Ka- stationären Handels» (ECR 2009) nal. Nur wenige Unternehmen verfolgen Multichannel- Strategien. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z.B. die C2C- Marktplätze eBay und ricardo.ch sind zu Beginn der Strategien: All-in versus Balance 2010er Jahre fast alle E-Commerce-Lösungen vertikaler Natur (branchenbezogen); die Anforderungen und Rah- Anfangs kristallisieren sich im E-Commerce zwei Haupt- menbedingungen der verschiedenen Branchen unter- strategien heraus: die Wachstumsstrategie und die aus- scheiden sich erheblich. Ausländische E-Commerce-An- gewogene Mehrkanalstrategie. Bei reinen E-Commerce- bieter spielen zu diesem Zeitpunkt fast keine Rolle. Anbietern ist die Wachstumsorientierung die Grundlage für die Erzielung von Skalenerträgen und damit der Zu- Neue Technologien: Ausblick für neue Kanäle kunftssicherung. Für Mehrkanalunternehmen bedeutet die Wachstumsstrategie, dass sie beim Ausbau neuer On- Die Geschwindigkeit, mit der das iPhone sich ab 2007 zum linekanäle keine Rücksicht auf das traditionelle Geschäft universalen Interface gewandelt hat, hat alle überrascht – nehmen (z.B. coop@home). Bei der ausgewogenen Mehr- inklusive der Unternehmen, die dem neuen Kanal «Mo- kanalstrategie hingegen, die 2009 noch 50 % der Stu- bile» kaum hinterhergekommen sind. Mobile Commerce dienteilnehmer verfolgen, wird E-Commerce primär zum Schutz der stationären Kanäle und nur halbherzig voran- getrieben.

74 Zeitreise durch den E-Commerce

Nach wenigen Jahren steht fest: Das aktive Partizipieren In diesem Zuge übernehmen stationäre Verkaufslokale am Marktwachstum des E-Commerce gelingt nur denje- auch in anderen Branchen eine Rolle, die einer Service- nigen, die auf eine klare Wachstumsstrategie setzen. Mul- stelle gleichkommt: Beratung, Abholstelle, Rückgabe, tikanal-Unternehmen sehen ein, dass halbherzige E-Com- Bezahlung – das sind Dienstleistungen, die den Kunden merce-Aktivitäten nicht erfolgversprechend sind. Im Jahr einen Mehrwert bringen. Ein Unternehmen, das in der 2012 kann eine regelrechte Aufholjagd beobachtet wer- Schweiz diesbezüglich eine Vorreiterrolle einnimmt, ist den: Vor allem die etablierten Offlineanbieter intensivie- die Digitec Galaxus AG. In seinen Showrooms bietet das ren ihre Investitionen und setzen verstärkt auf kanalüber- Unternehmen viele Services an und eine Auswahl von Ge- greifende Handelskonzepte. Sie versuchen, sich durch die räten kann angeschaut und getestet werden. Der Online- Kombination der Kanäle vorteilhaft von reinen Onlinean- kanal steuert das grosse Sortiment bei, das unter ande- bietern abzugrenzen. Damit wächst die strategische Be- rem aufgrund der Ausgestaltung und Vernetzung der Lä- deutung, die der stationäre Handel dem E-Commerce bei- den zu vergleichsweise niedrigen Kosten angeboten wer- misst. Die bei der Realisierung auftretenden Schwierig- den kann. keiten werden allerdings unterschätzt, die meisten Unter- nehmen sind wenig erfolgreich. Der stationäre Handel verlagert sich in Richtung Showroom, die lo- gistische Verteilung kann auf anderem Weg erfolgen. Seit Migros verstanden hat, dass die Marktanteilsgewinne deutlich Philippe Huwyler, coop@home, ECR 2014 grösser sind als die Kannibalisierungsverluste in den Migros-Lä- den, verfolgt sie eine Wachstumsstrategie im E-Commerce. Wir haben einige Tests mit Pop-up-Stores gemacht. Die Leute Christian Wanner, Le Shop, ECR 2009 schätzen es sehr, eine physische Begegnung mit einer Marke haben zu können. Laurent Garet, La Redoute Suisse, ECR 2016 Auch 2017 werden Multikanalkonzepte weiterhin als be- deutend eingeschätzt, dennoch konnten viele Branchen 2018 steht fest: Beinahe seit zehn Jahren stagniert der keine flächendeckende und kanalübergreifende Custo- stationäre Handel, während E-Commerce ungebrochen mer Experience realisieren. Einerseits ist das Denken in wächst. Die Entwicklung schlägt zunehmend auf eine sich Kanälen weiterhin sehr präsent, andererseits führen Kos- verschlechternde Rentabilität durch. In einigen Nonfood- ten und zunehmende Komplexität zu weiteren Herausfor- Branchen sinkt die Verkaufsfläche. Das Leistungsniveau derungen für Multikanalanbieter. Insbesondere die Trans- im E-Commerce hingegen ist in der Zwischenzeit drama- formation des traditionellen Handels in einen potenten tisch gestiegen und ausländische Onlineanbieter partizi- Player in einer vernetzten Handelswelt ist nicht gelungen. pieren überproportional am Marktwachstum. Trotz des Stattdessen werden einige IT-getriebene Onlineanbieter noch geringen Marktanteils von E-Commerce wird der von traditionellen Unternehmen gekauft (z.B. Digitec von Onlinekanal immer häufiger als branchenbestimmend an- Migros). Damit wird zwar Online-Know-how erworben, gesehen, und es stellt sich die Frage, welchen Platz inner- das übernehmende Unternehmen transformiert sich halb der vernetzten Handelswelt die stationären Ge- dadurch jedoch noch nicht. Ein Umdenken, das einen schäfte einnehmen können. Wird es gar eine Trendwende Blick aus dem Tunnel der Kanäle wagt, wäre gewinnbrin- geben? gend für den gesamten Handel. 2018: Erneute Trendwende? Bei kanalübergreifenden Handelskonzepten sind noch fast alle am Heute gibt es klare Anzeichen für die im Kleinen schon Üben. Kilian Kämpfen, Scout24Schweiz, ECR 2017 länger beobachtete Entwicklung, dass ursprünglich reine Vom vollen Regal zum Showroom Onlinehändler sich vermehrt im stationären Handel betä- tigen möchten. Amazon macht sich zum Beispiel mit der Schon relativ früh zeichnen sich Veränderungen auf Bran- Übernahme der amerikanischen Bio-Supermarktkette chenebene ab. Wachsender E-Commerce zwingt den sta- «Whole Foods» im stationären Handel stark. Werden die tionären Handel zum Wandel. Besonders betroffen ist der mächtigen Onlineplayer nun auch den stationären Handel Medienhandel, der sich auch aufgrund seiner gut digitali- transformieren? sierbaren Produkte stark in Richtung E-Commerce ver- schiebt. Die Ladenumsätze mit physischen Medien gehen Heutige reine E-Commerce-Anbieter werden zunehmend in den stationären Handel gehen. zurück. Am Beispiel von Ex Libris wird im Laufe weniger Constantin Hilt, microspot.ch, ECR 2011 Jahre deutlich, dass eine Trendwende vom stationären Händler mit einem Onlinekanal hin zu einem Onlinehänd- Online alleine wird langfristig nicht funktionieren, es ist die Kombi- ler mit ein paar wenigen stationären Läden erfolgen wird. nation von Online, Mobile und Offline. Waren es 2012 rund 110 Ex-Libris-Filialen, soll ihre Anzahl Armin E. Schmid, eBay International, ECR 2014 2018 auf 14 reduziert werden [29]. Die Frage nach dem Verhältnis von online und offline wird auf jeden Fall neu gestellt: Welches Potenzial haben stati- onäre Geschäfte für ursprünglich reine Onlineanbieter?

75 E-Commerce Report 2018

10.3 Kritischster Erfolgsfaktor im E-Commerce: formgeschäft aufgebaut haben (Google, Amazon, Zugang zum Kunden – vom Hoffnungsträger Zalando etc.), etwas ausgeliefert gegenüber. Ausserhalb zum drohenden Kick-Out der Dienste solcher Vermittler wird es für Onlineanbieter immer schwieriger, einen Zugang zum Kunden herzustel- Der entscheidende Erfolgsfaktor im E-Commerce ist der len. Der direkte Zugang zum Kunden wird also zum knap- Zugang zum Kunden. Dies ist wohl die wichtigste Er- pen Gut und das hat seinen Preis. kenntnis, die der E-Commerce Report Schweiz über die letzten zehn Jahre immer wieder verdeutlicht hat. Der Zu- Die individuellen Anbieter müssen sich den Plattformen gang zum Kunden birgt viel Potenzial, stellt gleichzeitig unterordnen. Diese verkaufen ihnen den Zugang zum aber auch eine grosse Herausforderung dar. Es ist essen- Kunden. Der Mechanismus dahinter ist relativ simpel: tiell, dass Unternehmen ihre Kompetenzen diesbezüglich Google beispielsweise bietet den Konsumenten eine Gra- so erweitern, dass sie zu vertretbaren Kosten mit der Kon- tisleistung auf so hohem Niveau, dass potenzielle Kunden kurrenz mithalten können – ansonsten fallen sie aus dem gerne zugreifen. Der Kontakt zum Kunden entsteht damit Markt. Die Geschichte rund um den Zugang zum Kunden fast immer über Google und nicht mehr direkt. Der ein- lässt sich in drei Akten erzählen: Vom Hoffnungsträger zelne Anbieter hat also keine Wahl und muss diese Platt- zum Engpass zum Kick-Out. form in sein Geschäftsmodell miteinbeziehen. Damit nimmt sie die Rolle eines Intermediärs ein. Hoffnungsträger: Zugang für alle zu allem Für Swiss ist es nicht egal, ob Kunden via Google auf die swiss.com- Das Internet galt in seinen Anfängen als Hoffnungsträger Seite kommen oder eines Tages direkt bei Google Flight Search bu- schlechthin. Es war die Vision eines Netzwerks, das jedem chen. Luca Graf, Swiss International Air Lines, ECR 2015 von überall her Zugang auf alles gewährt. Damit sugge- rierte das Internet indirekt auch für den E-Commerce un- Performance Marketing wird ab 2013, 2014 zum Gebot, beschränkten Zugang zum Kunden. So einfach ist es aller- um die Marketingmittel gezielt und in ihrer Wirkung nach- ding nicht: Aus der ursprünglichen Idee einer egalitären vollziehbar einsetzen zu können. In der Reisebranche zie- Partizipation hat sich in der Realität ein System mit weni- hen Onlinebuchungsplattformen zunehmend Buchungen gen mächtigen Playern entwickelt, was den Zugang zum auf sich und nutzen ihre Vormachtstellung mit vertragli- Kunden erschwert. chen Meistbegünstigungsklauseln so weit aus, dass Kar- tellbehörden aktiv werden. Engpass: Neue Gatekeeper regieren das Plattform- Ökosystem Kick-Out: Der Markt bin ich! – Absolutismus im E-Commerce Das Bewusstsein, dass der Zugang zu Kunden ein Engpass werden könnte, kommt 2009 gerade erst auf. Lange war Anhand von Amazon lässt sich eine künftige Entwicklung das Erscheinen in den organischen Suchergebnissen auf hin zum Kick-Out der individuellen E-Commerce-Anbieter Google noch relativ einfach zu bewerkstelligen, aber das beobachten. Amazon ist als Händler und Marktplatz zu- ändert sich. Google wird zum Gatekeeper. Kundendaten gleich Wettbewerber und Dienstleister (vermittelnde und ihr Potenzial für höherwertige Kommunikationsmög- Rolle) der auf der Plattform anbietenden Verkäufer. Da- lichkeiten gewinnen an Aufmerksamkeit und der verant- mit wird Amazon zu einem extrem mächtigen und markt- wortungsbewusste Umgang mit Kundendaten wird ein bestimmenden Anbieter, der die Spielregeln für den Schwerpunktthema im E-Commerce Report 2010. E-Commerce neu bestimmen kann. Wer diese Spielregeln nicht kennt, nicht akzeptiert oder das «Mitspielen» nicht Ein Franken, den wir bei Google ausgeben, entspricht viel mehr als beherrscht, kann sehr schnell den Zugang zu Kunden ver- einem Franken Gewinn (!). Das ist, wie wenn Sie im Voraus die Lot- lieren und aus dem Markt fallen. Es wird interessant sein tozahlen kennen. Matthias Thürer, ebookers.ch, ECR 2010 zu beobachten, wie die grossen Player die Spielregeln in diesem Plattform-Ökosystem in Zukunft weiter verän- Im Jahr 2014 wird der Zugang zum Kunden zu einem dern werden. Die Vision eines Internets, das jedem den wahrhaftigen Engpass für E-Commerce-Anbieter: 70 % Zugang zu allem ermöglicht, wird abgelöst von einer Re- der im E-Commerce Report 2014 befragten Studienteil- alität der Oligopole. nehmer sehen die Gefahr, dass die in ihrer Branche erziel- Es besteht ein The-winner-takes-it-all-Risiko. bare Marge von Dienstleistern, die den Zugang zum Kun- Simon Lehmann, travelwindow, ECR 2013 den herstellen, abgeschöpft wird. In diesem Sinne stehen E-Commerce-Anbieter den «Gatekeepern», die das Platt-

76 Studiendesign

11Studiendesign

Der E-Commerce Report Schweiz ist eine wissenschaft- Hauptsitz haben oder die in der Schweiz eine Niederlas- liche Studienreihe mit dem Ziel, die Entwicklung des sung unterhalten und einen bedeutenden Teil der Wert- B2C-E-Commerce in der Schweiz über mehrere Jahre schöpfung für den Schweizer Markt in der Schweiz er- hinweg zu erfassen und zu analysieren. Es handelt sich bringen. In der Schweiz potenziell marktprägende um eine empirische, primär explorative, branchenüber- E-Commerce-Anbieter aus dem Ausland kommen für greifende Studie. Der vorliegende Studienbericht ist das eine Teilnahme in Betracht, wenn sich deren Repräsen- Ergebnis der zehnten Studiendurchführung im Früh- tant bereits seit längerer Zeit intensiv mit dem Schwei- jahr 2018. zer E-Commerce auseinandersetzt und eine Bereit- schaft zu einem offenen Austausch mitbringt.

11.1 Forschungsansatz Als marktprägende E-Commerce-Anbieter werden Un- Zur Untersuchung von qualitativen Veränderungen und ternehmen bezeichnet, die die Entwicklung des E-Com- Entwicklungen in Business- und Management-Kontex- merce in ihrer Branche massgeblich beeinflussen kön- ten eignet sich ein interpretativer Forschungsansatz nen. Das ist bei den folgenden drei Gruppen von Unter- [76]. Qualitative Veränderungen sind in der Regel nicht nehmen der Fall: messbar und häufig nicht direkt beobachtbar. Es er- • E-Commerce-Leader: Sie zeichnen sich durch einen scheint deshalb angebracht, Wissen über die realen Zu- grossen, mehrjährigen Erfolgsausweis im E-Com- stände und Entwicklungen auf der Basis von Experten- merce in ihrer Branche aus. interviews zu erheben. Dabei ist zu beachten, dass das • Branchenprägende Unternehmen (im Sinne von Spezialwissen der Experten auch auf Erfahrungen und Grösse und Bekanntheit/Marke): Sie unterhalten Erwartungen basiert und damit bereits der subjektiven mehrere Vertriebskanäle und engagieren sich sub- Interpretation der Experten in ihrem jeweiligen Kontext stanziell im E-Commerce. unterliegt. Die Aussagen mehrerer Experten können • E-Commerce-Innovatoren: Sie sind durch eigene In- deshalb nicht direkt miteinander verglichen werden. Es novationen aufgefallen oder führen als Early Adop- ist eine interpretierende Analyse nötig, in der die Exper- ters neue, im Ausland entwickelte Geschäftsmo- tenaussagen unter Berücksichtigung des jeweiligen delle in der Schweiz ein. Kontextes richtig verstanden und eingeordnet werden [77]. Dann können sie zusammengeführt und miteinan- Um für die E-Commerce-Verantwortlichen einen Anreiz der verglichen werden, um Aussagen über die zu analy- zur Mitwirkung an der Studie zu schaffen, werden sie zur sierenden Veränderungen zu machen. Teilnahme an einer Peer Group eingeladen, dem E-Commerce Leader Panel Schweiz. Das Panel bietet 11.2 Auswahl der Studienteilnehmer den Teilnehmern Gelegenheit, sich mit Personen in ähn- licher Funktion auszutauschen. Eine jährlich stattfin- Die Auswahl der geeigneten Experten für die jährliche dende Panelveranstaltung bildet den Rahmen dazu. Datenerhebung folgt inhaltlichen und operationalen Gesichtspunkten. Es werden konzeptionell für den An der Studiendurchführung im Jahr 2018 beteiligten E-Commerce verantwortliche Personen, in der Regel sich 35 Onlineanbieter, sie sind in Tab. 1 aufgeführt. Die Geschäftsleitungsmitglieder, von in der Schweiz poten- Vertreter dieser Unternehmen bilden das Studienpanel. ziell marktprägenden E-Commerce-Anbietern befragt. Mit ihnen wurde der Fragenkatalog in voller Länge res- Sie nehmen im Schweizer B2C-Onlinehandel eine Ex- pektive der für ihre Branche relevante Teil daraus durch- pertenrolle ein und sind zugleich aktiv in die Wertschöp- gearbeitet. Die Auswertungen strukturierter Fragen ba- fungsprozesse involviert. Mit dieser Sicht können sie sieren ausschliesslich auf Antworten aus diesem Studi- Aussagen zu den aktuellen Entwicklungen des Schwei- enpanel. Darüber hinaus wurden mit einem Gast in sei- zer E-Commerce und zu den Besonderheiten ihrer Bran- ner Expertenrolle als Herausgeber eines E-Commerce- che machen. Der E-Commerce Report unterscheidet Blogs und mit vier weiteren Firmenvertretern auf be- sich damit von Studien, die auf einer Befragung von stimmte Themen fokussierte Befragungen durchge- Konsumenten basieren. führt. Sie dienen der qualitativen Vertiefung der jeweili- gen Themen. Als Schweizer Unternehmen werden in dieser Studie Unternehmen eingestuft, die in der Schweiz ihren

77 E-Commerce Report 2018

11.3 Datenerhebung Fragebogen für die schriftliche Befragung ist mit dem der Interviews weitgehend identisch. Wegen der explorativen Zielsetzung der Studie erfolgt die Erhebung der Daten mit Hilfe einer primär qualitati- Im Jahr 2018 wurden 31 von 35 Anbietern zum wieder- ven Befragung. In der Regel werden die Panelmitglieder holten Mal befragt. Vier Unternehmen wurden neu in dazu von den Autoren der Studie persönlich interviewt. das Studienpanel aufgenommen. Sieben Unternehmen Die Befragung wird als strukturiertes Expertenge- nehmen seit Beginn der Studienreihe im Jahr 2009 teil. spräch gestaltet, was eine konstruktive und vertiefte Für das Schwerpunktthema «Umgang mit mächtigen di- Auseinandersetzung mit den Themen erlaubt [78]. In gitalen Plattformen» in Kapitel 5 sowie das Thema «Be- Einzelfällen werden wiederholte Befragungen schriftlich zahlen ohne Klick: Seamless Payment» in Kapitel 6 wur- durchgeführt, aber nur bei Studienteilnehmern, die die den Interviews mit Personen aus insgesamt vier weite- Studienautoren in den Vorjahren bereits so gut kennen- ren Unternehmen geführt. gelernt haben, dass die grundlegenden Fakten und Zu- sammenhänge bekannt sind. Im Jahr 2018 wurden TUI Die Ausgestaltung des Fragebogens basiert in der Suisse und hotelleriesuisse schriftlich befragt. Hauptsache auf dem Studienkonzept. Die Frage nach der Umsatzentwicklung des Unternehmens kann mit Um eine konsistente Befragung zu gewährleisten, wird absoluten Zahlen oder mit Indexwerten beantwortet jedes Jahr ein strukturierter Fragebogen erstellt. Seit werden. Zur einheitlichen Ermittlung der Indexwerte der Befragung im Jahr 2011 werden offene Fragen mit wird den Teilnehmern eine Excel-Dateivorlage zur Ver- geschlossenen Fragen ergänzt. Auf diese Weise wird der fügung gestellt. primär explorative Forschungsansatz um eine konfir- matorische Komponente ergänzt. Der Vorteil dieses Bei Fragen zum «Stellenwert des E-Commerce im Un- Vorgehens besteht darin, dass die Befragten in der offe- ternehmen» und zu den «Erwartungen für die Zukunft nen Frage zunächst unbeeinflusst und in ihren eigenen des E-Commerce im Unternehmen» werden die Teil- Worten antworten können, durch die geschlossenen nehmer unterschiedlich befragt. Unterscheidungskrite- Fragen aber zusätzlich Antworten zu einheitlichen Aus- rium ist, ob das Unternehmen ein reiner E-Commerce- sagen aufgenommen werden können. Zur Unterstüt- Anbieter, ein Multikanalanbieter oder ein reiner E-Com- zung des Interviewprozesses wird der Fragebogen teil- merce-Anbieter mit konkurrierenden Kanälen im zugehö- weise mit individuell vorbereiteten Informationen verse- rigen Konzern (Multi-Brand-Strategie) ist. Zur letzten hen, die im Interview überprüft werden. Die individuel- Gruppe gehört z.B. Le Shop. Le Shop ist einerseits ein len Aspekte beziehen sich auf Besonderheiten der Bran- eigenständig organisierter, reiner E-Commerce-Anbie- che oder des befragten Unternehmens. ter, andererseits gehört er zur Migros-Gruppe, die mit anderen Verkaufskanälen in der gleichen Branche tätig Der Aufbau des Fragebogens für die Interviews 2018 ist. Unternehmen, die neben E-Commerce weitere Ka- stimmt weitgehend mit den Fragebogen der Vorjahre näle unterhalten, werden zusätzlich nach Aspekten be- überein. Inhaltlich wurden einzelne Fragen ergänzt oder fragt, die für reine E-Commerce-Anbieter nicht relevant gestrichen, andere wurden für eine einmalige Befragung sind. In der Studie wird ein Unternehmen als reiner E- zum Schwerpunktthema aufgenommen. Für das Fokus- Commerce-Anbieter betrachtet, wenn der Umsatz zu thema «Bezahlen ohne Klick: Seamless Payment», 90 % oder mehr via E-Commerce generiert wird. wurde in Interviews mit drei das Studienpanel einmalig ergänzenden Unternehmen ein spezifischer Kurzfrage- Um geeignete Rahmenbedingungen für die Offenheit bogen nur zu diesem Thema verwendet. Dieses Vorge- der Experten zu schaffen, bleiben die individuellen Aus- hen erlaubt einerseits, Vergleiche zwischen den Jahren sagen vertraulich. Im Studienbericht werden diese so anzustellen und Veränderungen zu identifizieren, ande- verdichtet, dass keine Rückschlüsse auf das einzelne Un- rerseits können wechselnde thematische Schwerpunkte ternehmen möglich sind. Davon ausgenommen sind In- behandelt werden. Die Themen sind im Anhang abge- formationen, die beobachtbar sind oder bereits an an- druckt. Mit Änderungen an jährlich wiederholten Fragen derer Stelle öffentlich bekannt wurden, sowie Zitate, die wird zurückhaltend umgegangen. Wenn sie vorgenom- von den Experten explizit freigegeben wurden. men werden, dient das der Präzisierung der Frage, der Anpassung an geänderte Verhältnisse oder der zeitli- Die Interviews dauerten zwischen anderthalb und zwei chen Straffung der Interviews. Stunden, bei den erstmals teilnehmenden Unterneh- men etwa eine halbe Stunde länger. Die Gespräche wur- Die Studienteilnehmer erhalten den gedruckten Frage- den aufgezeichnet und als Audiodateien gespeichert. bogen zu Beginn des Interviews. Einige Tage zuvor wer- Die geschlossenen Fragen beantworteten die Experten den sie lediglich über die Themen informiert. Die schrift- durch Ankreuzen auf dem Fragebogen. lichen Befragungen erfolgen mittels eines Fragebogens, den die Studienteilnehmer am Computer ausfüllen. Der

78 Studiendesign

Das Ausfüllen des schriftlichen Fragebogens dauert je- kommt es immer wieder zu Erläuterungen, die zu ande- weils – je nach Ausführlichkeit der Befragten – schät- ren Fragen einen Beitrag leisten. Diese Zuordnung er- zungsweise 30 bis 60 Minuten. Offene Fragen waren so leichtert die spätere Analyse, weil damit alle Aussagen gestellt, dass der oder dem Befragten ein grosser Spiel- fragebezogen aus der Datenbank abgerufen werden raum bei der Ausführlichkeit der schriftlichen Antwort können. blieb. Die Bereitschaft zu langen schriftlichen Ausfüh- rungen ist bei den meisten Studienteilnehmern gering. Die Ausführlichkeit der Antworten, die Bandbreite der Aussagen und die Vertraulichkeit der Einzelaussagen Zwischen dem 9. Januar 2018 und dem 20. April 2018 machen eine interpretierende Verdichtung notwendig. wurden insgesamt 36 Interviews geführt, wobei in ei- Die Interpretation erfolgt auf Basis des Sachverständ- nem Interview dieselbe Person für zwei Anbieter ant- nisses der Studienautoren. Beide Studienautoren verfü- wortete. Zudem wurden zwei schriftliche Fragebogen gen über mehr als zehn Jahre Forschungs- und Publika- versandt. Ende April lagen beide beantwortet vor. Die tionserfahrung im Bereich E-Business. Antwortquote beträgt im Jahr 2018 somit sowohl bei den Interviews als auch bei den schriftlichen Befragun- Bei der Auswertung mit herangezogen werden auch öf- gen 100 %. fentlich verfügbare Dokumente und laufende Beobach- tungen zur Marktentwicklung sowie statistische Sekun- därdaten, zum Beispiel des Bundesamtes für Statistik 11.4 Auswertung und Präsentation der Analy- BFS oder der Gesellschaft für Konsumforschung GfK. seergebnisse Bei Bedarf werden auch Daten aus anderen Ländern be- Für die Verarbeitung der erhobenen Daten werden rücksichtigt. Microsoft Excel und seit der Durchführung im Jahr 2014 Der Studienbericht fasst die verdichteten Antworten zu- eine selbst entwickelte Microsoft-Access-Datenbank sammen. Die Ausführungen basieren deshalb immer eingesetzt. In einem ersten Schritt werden nach Ab- auch auf Selektion und Interpretation. Wo aus den Be- schluss eines Interviews die Antworten auf die geschlos- obachtungen Schlussfolgerungen gezogen werden, senen Fragen in Excel erfasst und anschliessend in die wird versucht, dies im Text durch entsprechende Formu- Datenbank importiert. In einem zweiten Schritt werden lierungen deutlich zu machen. Die Bandbreite der in den die Antworten auf die offenen Fragen direkt in der Da- Interviews mehrfach vorgebrachten Aspekte wird so tenbank erfasst. weit wie möglich abgebildet, zumindest wenn sie ge- Die schriftliche Dokumentation der Interviews erfolgt genüber früheren Studiendurchführungen einen Er- durch Abhören der Audioaufzeichnungen und Anferti- kenntnisgewinn beinhalten. Wiederholungen von hin- gen eines zusammenfassenden Transkripts [79]. Die länglich Bekanntem, etliche Einzelaussagen und viele Transkription richtet sich nach zuvor formulierten Re- unternehmens- oder branchenbezogene Informationen geln, um eine einheitliche Vorgehensweise sicherzustel- können dagegen nicht in den Studienbericht aufgenom- len [80]. Die Regeln beschreiben beispielsweise, worauf men werden. Soweit ergänzende Informationen in den besonders zu achten ist, was weggelassen werden darf, Studienbericht einfliessen, werden die Quellen dafür ge- wo zu paraphrasieren und zu generalisieren ist und wann nannt. welche Interpretationen einfliessen können oder müs- Die Studienergebnisse werden erstmals an der jährlich sen. Die Transkription erfolgt frageweise und folgt so stattfindenden Panelveranstaltung im geschlossenen dem Ablauf des Interviews. Alle Transkriptionen erfol- Kreis der Studienteilnehmer präsentiert. Etwa eine Wo- gen in deutscher Sprache, auch wenn das Interview auf che später erfolgt eine öffentliche Präsentation der Er- Englisch geführt wurde. gebnisse und die Publikation des Studienberichts. Eine erfasste Aussage wird in der Datenbank zunächst Der finale Studienbericht 2018 wurde im Juni 2018 ver- bei der Frage gespeichert, zu der sie gemacht wurde. öffentlicht. Er wird auf der Website www.e-commerce- Sind alle Aussagen zu einer Frage erfasst, werden die report.ch zum Download bereitgestellt. Aussagen in einem weiteren Schritt der Frage zugeord- net, zu der sie inhaltlich passen. Denn in den Interviews

79 E-Commerce Report 2018

Anhang: Aufbau der Interviews

Den Interviews im Jahr 2018 lag das folgende Themenraster zu Grunde:

Thema 1: Stellenwert des E-Commerce (Gegenwart) 1.1 Entwicklung der Branche als Ganzes Beurteilungen für die Branche als Ganzes Massnahmen des traditionellen Handels im Bereich der Digitalisierung 1.2 B2C-E-Commerce in der Branche 1.2.1 Stellenwert des B2C-E-Commerce für die Branche Stellenwert des B2C-E-Commerce für die Branche Situation des B2C-E-Commerce in der Branche 1.2.2 Aktuelle Entwicklungen im B2C-E-Commerce in der Branche Aktuelle Entwicklungen im B2C-E-Commerce in der Branche Kanalübergreifende Handelskonzepte Aktuelle Entwicklungen bei ausländischen Anbietern Logistik Seamless Payment Jahresschwerpunkt: Umgang mit mächtigen digitalen Plattformen 1.3 B2C-E-Commerce im Unternehmen 1.3.1 Stellenwert des B2C-E-Commerce für das Unternehmen (Unterscheidung von reinen E-Commerce-Anbietern und Distanzhändlern, Multikanalanbietern und reinen E-Commerce-Anbietern mit konkurrierenden Kanälen im Konzern) Beurteilung der eigenen Position im Markt Stellenwert des B2C-E-Commerce für das Unternehmen Einbettung der E-Commerce-Geschäftseinheit in die Unternehmens-/Konzernstruktur Investitionsverhalten Beurteilung der Ertragssituation des B2C-E-Commerce-Unternehmens 1.3.2 Erhebung Umsatzentwicklung Umsatzzahlen zur Beurteilung des Wachstums in den letzten drei Jahren 2015 bis 2017 Umsatzanteil 2017, der über Smartphones generiert wurde Thema 2: Aktuelle Ausgestaltung des E-Commerce und Weiterentwicklung (Gegenwart) 3.1 Aktuelle Ausgestaltung des E-Commerce und geplante Weiterentwicklung im laufenden Jahr Quantitatives Ziel im Jahr 2018 Wichtigste Aktivitätsfelder im Jahr 2018 Vertiefungen zu Aktivitäten in einzelnen Feldern

80 Autoren

Thema 3: Erwartungen für die Zukunft (in fünf Jahren: 2023) 4.1 Erwartungen für die Branche Erwartungen zum Stellenwert des B2C-E-Commerce in fünf Jahren in der Branche Einschätzungen zu E-Commerce-Trends für die kommenden fünf Jahre 4.2 Erwartungen für das einzelne Unternehmen (Unterscheidung von reinen E-Commerce-Anbietern und Distanzhändlern, Multikanalanbietern und reinen E-Commerce-Anbietern mit konkurrierenden Kanälen im Konzern) Stellenwert des B2C-E-Commerce in fünf Jahren für das Unternehmen Erwartungen zur Ertragssituation in fünf Jahren Stellenwert der B2C-E-Commerce-Umsätze im Ausland in fünf Jahren Thema 4: Lessons Learned aus den vergangenen fünf Jahren (2013) Lessons Learned aus den vergangenen fünf Jahren

Autoren

Prof. Ralf Wölfle leitet den Kompetenzschwerpunkt Prof. Dr. Uwe Leimstoll ist Dozent für Wirtschaftsinfor- E-Business am Institut für Wirtschaftsinformatik, das matik und E-Business an der Hochschule für Wirtschaft zur Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Er unter- Nordwestschweiz FHNW gehört. Der Kompetenz- richtet in Bachelor- und Masterstudiengängen. Inner- schwerpunkt erfüllt die Leistungsaufträge angewandte halb des Kompetenzschwerpunkts E-Business des Insti- Forschung sowie Dienstleistungen in diesem Themen- tuts für Wirtschaftsinformatik arbeitet er an wirtschafts- gebiet. Im Vordergrund stehen die Konzeptentwicklung nahen Forschungsprojekten primär in den Themenbe- und das Management von E-Business-Projekten. Ralf reichen «E-Commerce» und «Business Software in Wölfle ist Mitherausgeber und Koautor von zwölf Bü- KMU». Er ist Koautor der Business-Software-Studie. Vor chern im Themenfeld E-Business und Verfasser zahlrei- seiner Promotion über Informationsmanagement in cher weiterer Publikationen. Er ist langjähriger Leiter mittelständischen Unternehmen an der Universität Frei- der Jury Business beim Branchenwettbewerb «Best of burg im Breisgau war er mehrere Jahre in der klassischen Swiss Web» und war von 2004 bis 2017 Vorstandsmit- Unternehmensberatung tätig. glied bei simsa, dem Schweizer Branchenverband der Internet-Wirtschaft. Corin Kraft ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Insti- tute for Competitiveness and Communication an der Michael H. Quade, M.Sc. ist Dozent für Wirtschaftsin- Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nord- formatik und Digital Business an der Hochschule für westschweiz FHNW. Sie beschäftigt sich schwerpunkt- Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz mässig mit dem Thema der Digitalen Transformation FHNW. Seine Aufgaben in der Lehre umfassen das Un- und ist in diesem Bereich in diversen Forschungs- und terrichten in Bachelorstudiengängen und die Betreuung Dienstleistungsprojekten tätig. Neben ihren Aufgaben von studentischen Projekten mit Auftraggebern aus an der FHNW bereitet sie ihre Dissertation zum Thema Wirtschaft und Verwaltung. Er forscht am Kompetenz- Internet of Things vor. schwerpunkt E-Business zu den Themen Mobile Busi- ness und Digital Business. Vor seiner Tätigkeit an der FHNW arbeitete er bei Swisscom Mobile als Projektma- nager. Er ist Vorstandsmitglied bei smama, dem Bran- chenverband zur Förderung von Mobile-Business in der Schweiz, sowie Präsident der Jury Enterprise beim Bran- chenwettbewerb «Best of Swiss Apps».

81 E-Commerce Report 2018

Anmerkungen und Quellen

1 Wölfle, Ralf: Digitale Transformation – eine begriffliche Standortbestimmung im Jahr 2016, Arbeitsberichte der Hochschule für Wirtschaft FHNW Nr. 100, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2016. 2 Statistisches Bundesamt BFS: Statistik Schweiz – Definitionen. Abgerufen am 13.05.2016 unter http://www.bfs.admin.ch/bfs/por- tal/de/index/themen/16/11/def.html. 3 Amazon.com Inc: Amazon Go, Website. Abgerufen am 6.12.2016 unter https://www.amazon.com/b?node=16008589011. 4 Verband des Schweizerischen Versandhandels VSV, GfK Switzerland: Online- und Versandhandelsmarkt Schweiz 2017, Charts zur Pressemitteilung vom 20.2.2017, S. 9. Abgerufen am 28.5.2018 unter https://www.gfk.com/fileadmin/user_upload/dyna_con- tent/CH/documents/Medienmitteilungen_2017/DE20180220_Charts_Online- _und_Versandhandelsmarkt_Schweiz_2017_def.pdf. 5 VSV/GfK weisen in ihrer Studie [4] einen Onlineanteil von 7.6% aus. Onlinebestellungen im Ausland sind dabei nicht berücksichtigt. 6 Centola, Loris; Adler, Oliver (Hrsg.): Retail Outlook 2017 – Schweizer Detailhandel im Umbruch, Swiss Issues Branchen, Credit Suisse AG, Januar 2017, S. 5. 7 Die Vergleichszahlen für das Jahr 2012 basieren auf der Publikation von VSV und GfK vom März 2013 [8]. In dieser wird der Wert der Onlineeinkäufe im Ausland mit 600 Mio. CHF beziffert. Onlineumsätze mit Lieferadresse an Paket-Abholstationen im Ausland sind darin noch nicht ausgewiesen. Für sie wird ein geschätzter Wert von 100 Mio. CHF angenommen und in diesem Vergleich mit berücksichtigt. 8 Verband des Schweizerischen Versandhandels VSV, GfK Switzerland: Der Schweizer Online- und Versandhandelsmarkt 2012, Fo- lienpräsentation März 2012, S. 6. 9 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report Schweiz 2012 – Eine Studie zur Entwicklung des Schweizer E-Commerce, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2012, S. 26. 10 Handelsverband Deutschland (HDE): Handel digital – Online-Monitor 2018. Abgerufen am 29.5.2018 unter https://www.einzelhan- del.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9449. 11 Handelsverband Deutschland (HDE): Online-Handel bleibt Wachstumstreiber - HDE-Prognose für 2018: Umsatzplus von zwei Pro- zent, Medienmitteilung vom 31.1.2018. Abgerufen am 2.2.2018 unter: https://www.einzelhandel.de/presse/aktuellemeldun- gen/10965-online-handel-bleibt-wachstumstreiber-hde-prognose-fuer-2018-umsatzplus-von-zwei-prozent. 12 Im E-Commerce-Report Schweiz 2016 [13, S.1] wurde hergeleitet, warum Schweizer Onlineanbieter sowohl als Treiber als auch als Getriebene im Strukturwandel des Vertriebs an Konsumenten anzusehen sind. 13 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report Schweiz 2016 – Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten, Institut für Wirt- schaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2016. 14 Güntert, Andreas: «Ich freue mich auf Amazon», Interview mit Galaxus-Chef Florian Teuteberg, handelszeitung.ch, 28.5.2018. Ab- gerufen am 29.5.2018 unter https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/ich-freue-mich-auf-amazon. 15 Handelsverband Deutschland (HDE): Handel digital – Online-Monitor 2018. Abgerufen am 29.5.2018 unter https://www.einzelhan- del.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9449, S. 5. 16 Kapalschinski, Christoph: Amazon scheitert mit Angriff auf Ticket-Händler, handelsblatt.com, 21.2.2018. Abgerufen am 24.2.2018 unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/veranstaltungskarten-amazon-scheitert-mit-angriff- auf-ticket-haendler/20987408.html. 17 Im E-Commerce-Report 2015 [18] wurden der Markt für Veranstaltungstickets und die Profile verschiedener Ticketing-Anbieter, darunter auch Ticketcorner im Verbund mit CTS Eventim, ausführlich beschrieben. 18 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report Schweiz 2015 – Der Schweizer Onlinehandel aus Anbietersicht, Institut für Wirt- schaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2015. 19 Varnholt, Burkhard; Adler, Oliver (Hrsg.): Retail Outlook 2018 – Der Detailhandel hinkt der Konjunktur hinterher, Cre-dit Suisse AG, Januar 2018. 20 Zalando SE: Geschäftsbericht 2017, Berlin, März 2018, S. 4. 21 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report-Schweiz 2017 – Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten, Eine qualitative Studie aus Sicht der aus Anbieter, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2017, S. 15-16. 22 Stitzel, Harry: Günstige China-Päckli boomen, srf.ch, 8.1.2018. Abgerufen am 30.5.2018 unter https://www.srf.ch/news/wirt- schaft/rekord-dank-online-handel-guenstige-china-paeckli-boomen. 23 Blick.ch. Swisscom-Chef rechnet bei Siroop mit langem Weg, 25.9.2016. Abgerufen am 30.5.2018 unter https://www.blick.ch/news/wirtschaft/telekommunikation-swisscom-chef-rechnet-bei-siroop-mit-langem-weg-id5528708.html. 24 inside-channels.ch: Digitec-Galaxus will hunderte neue Stellen schaffen, 9.12.2016. Abgerufen am 15.12.2016 unter http://www.in- side-channels.ch/articles/45954. 25 Rudolph, Thomas; Linzmajer, Marc; Lersch, Tim; Neumüller, Kathrin (2017): Der Schweizer Online-Handel, Internetnutzung Schweiz 2017, Forschungszentrum für Handelsmanagement, Universität St. Gallen, St. Gallen, 2017, S. 22.

82 Anmerkungen und Quellen

26 Pöschl, Fabian: Was Francesco Vass mit Ricardo.ch plant, CEtoday, 28.3.2018. Abgerufen am 13.4.2018 unter http://www.ceto- day.ch/meinungen/2018-03-28/was-francesco-vass-mit-ricardoch-plant. 27 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report-Schweiz 2017 – Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten, Eine qualitative Studie aus Sicht der aus Anbieter, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2017, S. 6-8. 28 Speiser, Marcel: Blaupause für die Branche, Handelszeitung Nr. 3, 18.1.2018, S. 2. 29 Ex Libris: Für eine gestärkte Zukunft: Ex Libris muss Filialgeschäft restrukturieren, Medienmitteilung, 10.1.2018. Abgerufen am 10.1.2018 unter https://www.exlibris.ch/de/ueber-uns/newsroom/medienmitteilungen/fuer-eine-gestaerkte-zukunft/. 30 Ex Libris: Zahlen & Fakten über Ex Libris, Website. Abgerufen am 18.1.2018 unter https://www.exlibris.ch/de/ueber-uns/portrait/. 31 Zalando SE: Zalando führt Beauty Kategorie ein, Pressemitteilung, 18.10.2017. Abgerufen am 31.5.2018 unter: https://corpo- rate.zalando.com/de/newsroom/de/pressemitteilungen/zalando-fuehrt-beauty-kategorie-ein. 32 Graf, Alexander: Die kluge Ziege #smartgoat, Kassenzone, 24.9.2018. Abgerufen am 20.4.2018 unter https://www.kassen- zone.de/2015/09/24/die-kluge-ziege-smartgoat/. 33 SISA Studio Informatica SA ist ein führender Anbieter für Software für Zollabwicklung und Logistik in Reinach. 34 Lang, Thomas: Zalando in Zahlen – CHF 685 Mio Umsatz und ein Volumen von 15.2 Mio Paketen in der Schweiz 2017 [Schätzung], Carpathia Digital Business Blog, 7.2.2018. Abgerufen am 10.5.2018 unter http://blog.carpathia.ch/2018/02/07/zalando-schweiz-um- satz-pakete-2017-schaetzung/. 35 Vonplon, David: Amazon-Deal wird zum Politikum, 4.4.2018. Abgerufen am 16.4.2018 unter https://www.handelszeitung.ch/poli- tik/amazon-deal-wird-zum-politikum. 36 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK: Strategische Ziele für die Post, Strategi- sche Ziele des Bundesrates für die Schweizerische Post AG 2017–2020. Abgerufen am 10.5.2018 unter: https://www.uvek.ad- min.ch/uvek/de/home/uvek/bundesnahe-betriebe/post/strategische-ziele.html. 37 Schweizerische Eidgenossenschaft, Der Bundesrat: Staat und Wettbewerb – Auswirkungen staatlich beherrschter Unternehmen auf die Wettbewerbsmärkte, Bericht des Bundesrates, 8.12.2017. Abgerufen am 10.12.2017 unter https://www.newsd.ad- min.ch/newsd/message/attachments/50761.pdf. 38 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report Schweiz 2009 – Eine Studie zur Entwicklung des Schweizer E-Commerce, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2009, S. 49. 39 Speiser, Marcel: Digitec Galaxus flirtet mit Zalando, handelszeitung.ch, 14.2.2018. Abgerufen am 16.2.2018 unter https://www.han- delszeitung.ch/unternehmen/digitec-galaxus-flirtet-mit-zalando. 40 Weitere Informationen zum Konzept solcher Integrationsplattformen finden sich in Kapitel 5.5 auf Seite 29. 41 Zalando SE: Geschäftsbericht 2017, Berlin, März 2018, S. 85. 42 Farmy AG: Farmy.ch sichert sich weitere 3 Millionen, expandiert in die Romandie und schafft die Liefergebühr ab, Medienmitteilung vom 11.4.2018. 43 O.V.: Die Zukunft des Einkaufens – Perspektiven für den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland und der Schweiz. Eine Studie von GDI Gottlieb Duttweiler Institute und KPMG, KPMG Holding AG, Zürich, 2013, S.24. 44 Brenzikofer, Thomas; Virchow, Corinna: «Wir müssen dort investieren, wo es der Kunde spürt», Interview mit August Harder, Leiter Informatik/Produktion für die Coop-Gruppe, C-Level Magazin Nr. 3, 2012, S. 26-29. 45 REWE Group: REWE Group platziert Schuldscheindarlehen über eine Milliarde Euro, Pressemitteilung vom 16.2.2018. Abgerufen am 3.5.2018 unter https://www.rewe-group.com/de/newsroom/pressemitteilungen/1629-rewe-group-platziert-schuldscheindarle- hen-ueber-eine-milliarde-euro. 46 Varnholt, Burkhard; Adler, Oliver (Hrsg.): Retail Outlook 2018, Der Detailhandel hinkt der Konjunktur hinterher, Credit Suisse AG, Januar 2018, S. 34. 47 Hartmann, Björn: Wie sich der Amazon-Deutschlandchef die Zukunft vorstellt, Hamburger Abendblatt, 18.12.2017. Abgerufen am 27.5.2018 unter: https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article212882091/Wie-sich-der-Amazon-Deutschlandchef-die-Zukunft- vorstellt.html. 48 Herbert Bolliger machte mehrfach in Interviews Aussagen zum überraschenden Erfolg von Zalando. Die hier wiedergegebene Aus- sage zur Folge der Sortimentsreduktion im Bereich Fashion in 3M-Filialen machte er am 24.11.2016 an der Herbstveranstaltung der Vischer AG zum Thema «Handel und Vertrieb im Umbruch» in einem Podiumsgespräch mit dem Publizisten Hannes Britschgi. 49 Zalando SE: Auf die Plätze, fertig – los geht‘s, Lahr! Story, 29.9.2017. Abgerufen am 27.5.2018 unter https://corpo- rate.zalando.com/de/newsroom/de/storys/auf-die-plaetze-fertig-los-gehts-lahr. 50 Bartels, Jan: The Fashion Fulfillment Network of the Future, Zalando SE, Capital Markets Day 2017, 20.6.2017. Abgerufen am 20.6.2017 unter https://corporate.zalando.de/sites/default/files/mediapool/2017_06_20_cmd_the_fashion_fulfillment_net- work_of_the_future_website_0.pdf. 51 Ein Business-Ökosystem umfasst die an der Wertschöpfungskette einer Branche beteiligten Partner, die in einem kooperativen Netzwerk zusammenarbeiten, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, und die daraus entstehenden Strukturen und Verflech- tungen. Die Partner übernehmen dabei unterschiedliche Rollen und haben oft sehr unterschiedliche Macht. Vgl. Moore, James F.: Predators and Prey – A New Ecology of Competition, Harvard Business Review 71 (3), May-June 1993, S. 75-86. 52 Tapscott, Don: The Digital Economy – Promise and Peril in the Age of Net-worked Intelligence, McGraw-Hill, New York, 1995. 53 Leist, Dominik ; Hießl, Christina ; Schlachter, Monika: Plattformökonomie – eine Literaturauswertung. Universität Trier, Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia-

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Abgerufen am 10.6.2017 unter: http://www.handelsblatt.com/my/unternehmen/handel-konsumgue- ter/amazon-manager-kleber-und-herbrich-flexibilitaet-ist-unsere-konstante/19902308.html. 58 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report-Schweiz 2017 – Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten, Eine qualitative Studie aus Sicht der aus Anbieter, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2017, S. 21-22. 59 KW-Commerce: Das Unternehmen KW-Commerce. Abgerufen am 18.5.2018 unter http://www.kw-commerce.de/de/unterneh- men/#dna. 60 Für eine vertiefte Behandlung des Themas Brand Bidding siehe [58], S. 32-33. 61 Siehe [58], S. 24-54. 62 Schegg, Roland: Booking Holding als dominanter Player im Hotel Vertrieb, Resultate einer Online-Umfrage zur Vertriebssituation in der Schweizer Hotellerie für das Jahr 2017, Folienpräsentation, Institute of Tourism, University of Applied Sciences of Western Switzerland Valais (HES-SO Valais) und hotelleriesuisse, Sierre, 22.3.2018. Abgerufen am 20.5.2018 unter https://www.hotellerie- suisse.ch/files/pdf14/DE_kurze_Version_OTA_Studie_Schegg_2018.pdf. 63 Wölfle, Ralf; Leimstoll, Uwe: E-Commerce-Report Schweiz 2014 – Der Schweizer Onlinehandel aus Anbietersicht, Institut für Wirt- schaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, 2014, S. 11 und 25. 64 Digitec Galaxus AG: Galaxus lanciert mit Teo Jakob neuen Premium-Bereich, Medienmitteilung vom 24.5.2018. Abgerufen am 24.5.2018 unter: https://static.digitecgalaxus.ch/Files/1/4/2/6/9/2/6/2/2018-24-05-Premium-Teo-Jakob_DE.pdf. 65 Zalando SE: Geschäftsbericht 2017, Berlin, März 2018, S. 84. 66 Zalando SE: Mehr Vernetzung zwischen Online und Offline: Zalando erweitert Kooperation mit stationärem Handel, Pressemittei- lung vom 16.2.2018. Abgerufen am 27.2.2018 unter https://corporate.zalando.com/de/newsroom/de/pressemitteilungen/mehr- vernetzung-zwischen-online-und-offline-zalando-erweitert. 67 Brynjolfsson, Erik; Smith, Michael D.: Frictionless Commerce? A Comparison of Internet and Conventional Retailers, Management Science 46 (4), 2000, S. 563–585. 68 Buss, Sebastian; Bohnhoff, Tobias; Werner, Karsten: Contextual Commerce: Revolution oder Gimmick? – Wie Buy-Buttons den eCommerce-Markt beeinflussen, Whitepaper, Statista GmbH, Hamburg, 2016. 69 PCI Security Standards Council, LLC.: Zahlungskartenbranche (PCI) Datensicherheitsstandard – Anforderungen und Sicherheitsbe- urteilungsverfahren, Version 3.2, April 2016. Abgerufen am 4.5.2018 unter https://de.pcisecuritystandards.org/_one- link_/pcisecurity/en2de/minisite/en/docs/PCI_DSS_v3-2_de-DE.pdf. 70 Scoping SIG, Tokenization Taskforce PCI Security Standards Council: Information Supplement – PCI DSS Tokenization Guidelines, August 2011. Abgerufen am 4.5.2018 unter https://www.pcisecuritystandards.org/documents/Tokenization_Guide- lines_Info_Supplement.pdf?agreement=true&time=1523974970778. 71 Pilloud, Jeannine: «öV Ticket 2020» Blick in die Zukunft der öV-Branche. Medienkonferenz, , März 2018. Abgerufen am 7.3.2018 unter https://www.ticket2020.ch/wp-content/uploads/2018/02/O%CC%88V_Ticket_2020_Blick-in-die- Zukunft_Pra%CC%88sentation_Medienkonferenz_DE.pdf 72 GfK Switzerland: GfK Markt Monitor Schweiz – Jahr 2017, Medienmitteilung vom 6.2.2018. Abgerufen am 9.2.2018 unter http://www.gfk.com/fileadmin/user_upload/country_one_pa- ger/CH/documents/2018.02.06.GfK_Markt_Monitor_Schweiz_Jahr_2016-2017_Medienmitteilung.pdf. 73 Siehe [9], Seite 34-44. 74 Albers, Sönke; Peters, Kay (1997): Die Wertschöpfungskette des Handels im Zeit-alter des Electronic Commerce, in Marketing ZFP, 19. Jahrgang 1997, Nr.2, S. 69–80. 75 Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution (Hrsg.): Katalog E, Definitionen zu Handel und Distribution – Elektronische Fassung, 5. Ausgabe, Köln 2006. 76 Saunders, Mark; Lewis, Philip; Thornhill, Adrian: Research methods for business students, 6. Auflage, Financial Times, Prentice Hall, Harlow, 2012. 77 Gläser, Jochen; Laudel, Grid: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchun- gen, 4. Auflage, VS Verlag/Springer, Wiesbaden, 2010. 78 Siehe [77]. 79 Höld, Regina: Zur Transkription von Audiodaten, in: Buber, Renate; Holzmüller, Hartmut H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung – Konzepte, Methoden, Analysen, 2. Auflage, Gabler, Wiesbaden, 2009, S. 655-668. 80 Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken, 11. Auflage, Beltz, Weinheim und Basel, 2010.

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