KRETA Perfekte Tage auf der Insel des Zeus KRETA separaten Kartelokalisieren. problemlos imbeigefügtenReiseatlasbzw. aufder Orte, StädteundLandschaftenkönnenSie Reiseatlas undExtra-Reisekarte:Alleerwähnten Perspektive erleben. lassen SieIhrReisezielauseinerbesonderen Spaziergänge undAuto-bzw.Fahrradtouren Spaziergänge &Touren:Sorgfältigausgewählte Ausgehen. Restaurants, EmpfehlungenzumEinkaufenund Reiseziele gramm. ImAnschlussandieBeschreibungder Karte undeinVorschlagmiteinemTagespro- wichtig ist.JedesKapitelergänzeneinedetaillierte und wasnachobjektivenKriterienweniger was Sieunbedingtsehensollten(odermöchten) Lust undLaune.SokönnenSieschnellbewerten, zugeordnet: TOP10,NichtverpassenundNach dert: Alle wichtigenReisezielenachRegionengeglie- Rückkehr. problemlosen Aufenthalt–vonderAnreisebiszur Erster Überblick:PraktischeHinweisefüreinen Ihr Reiseziel. vermitteln wichtigeHintergrundinformationenfür Das Magazin:AnregendeundinformativeBeiträge ZUM AUFBAUDIESESBUCHES p N L S J R M H G F E D C B A LEGENDE , + !

Querverweis aufeineandereSeite Eintritt Flughafen Fähre Café, Restaurant,sonstigeGastronomie Sonstige Information Empfehlung fürFamilien Adresse oderStandort Hinweis aufdenKartenteil Auskunft Bahnhof Bus-/Straßenbahn-Haltestelle U-Bahn-/Metro-Station Öffnungszeiten Telefonnummer

Nicht verpassen! Nach LustundLaune! Die Reiseziele jeder Region sind drei Rubriken Die ReisezielejederRegionsinddreiRubriken TOP 10

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Kapiteleinteilung

Iraklion Ostkreta Seiten 49–74 Seiten 105–132 Zentralkreta Westkreta Seiten 75–104 Seiten 133–162

1 TOP 10 0 13 40 km 0 20 mi

Chania 3 Kíssamos (Kastélli) Souda Nisi Dia Rethimnon 4 Iraklion Farangi Anogia 2 Samarias 5 Spili 9 Malia Neapoli 1 Paleochora Moni 10 Chora Arkadiou Agios Sfakion Nikolaos Zaros Gournia 8 7 6 Gortis Mirtos

Nisi Koufonisi Gavdos Nisi Chrisi KRETA Perfekte Tage auf der Insel des Zeus

Verlag Karl Baedeker – www.baedeker.com Inhalt TOP 10 4 Das Kreta Gefühl 6 Das Magazin 9 n Vor allem Kreter, dann erst Grieche n Minoische Rituale n Der Rhythmus der Insel n Fremde Herren und ihre Spuren n Dichter und Maler n Die Schlacht um Kreta n Iss, trink und lass es dir gutgehen n Kretische Landschaften und Tierwelt n Ikonen ihrer Zeit n Feste

Erster Überblick 39 n Ankunft n Unterwegs auf Kreta n Übernachten n Essen und Trinken n Einkaufen n Ausgehen Iraklion 49 Erste Orientierung n An einem Tag n TOP 10 Archaiologiko Mouseio n Nicht verpassen! Enetiko Limani & Frourio Koules n Istoriko Mouseio Kritis n Agia Ekaterina Nach Lust und Laune! Sieben weitere Adressen zum Entdecken Wohin zum … Essen und Trinken? n Einkaufen? n Ausgehen?

Zentralkreta 75 Erste Orientierung n In drei Tagen TOP 10 Knossos n Gortis n Phaistos (Festos) Nach Lust und Laune! Zehn weitere Adressen zum Entdecken Wohin zum … Essen und Trinken? n Einkaufen? n Ausgehen?

Ostkreta 105 Erste Orientierung n In drei Tagen TOP 10 Gournia n Agios Nikolaos Nicht verpassen! Malia Palati n Kritsa & Panagia Kera n Sitia Nach Lust und Laune! Zehn weitere Adressen zum Entdecken Wohin zum … Essen und Trinken? n Einkaufen? n Ausgehen? Westkreta 133 Erste Orientierung n In fünf Tagen TOP 10 n Rethimnon n Farangi Samarias n Moni Arkadiou Nach Lust und Laune! Vierzehn weitere Adressen zum Entdecken Wohin zum … Essen und Trinken? n Einkaufen? n Ausgehen?

Wanderungen & Touren 163 n Zaros und die Rouvas-Schlucht n Obstgärten und Olivenhaine n Die Lassithi-Hochebene n Das Amari-Tal n Kretas Westküste

Praktisches 177 n Reisevorbereitungen n Das Wichtigste vor Ort n Sprachführer Reiseatlas 185 Register 195 Abbildungsnachweis 198 Impressum 199 10 Gründe wiederzukommen 200

Kapiteleinteilung: siehe vordere Umschlaginnenseite TOP 10 Was muss ich gesehen haben? Unsere TOP 10 helfen Ihnen, von der absoluten Nummer eins bis zur Nummer zehn, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten einzuplanen.

KNOSSOS P80 GORTIS P87 Im rekonstruierten Palast von In der einstigen römischen Insel- Knossos (PAbb. links) nahe der hauptstadt sind viele Ruinen Inselhauptstadt Iraklion ist die romantisch in einen uralten Oliven- Pracht der mehr als 3500 Jahre hain gebettet. Hier sind die ältesten alten minoischen Kultur am offen- bekannten geschriebenen Gesetze kundigsten. in Europa zu sehen.

ARCHAIOLOGIKO MOUSEIO, PHAISTOS (FESTOS) P90 IRAKLION P54 Der minoische Palast von Phaistos Was die Archäologen an Kunst, liegt landschaftlich besonders Kult- und Alltagsgegenständen in schön über einer fruchtbaren Ebe- Kretas Erde fanden, wird in diesem ne zwischen Ida- und Asteroussia- Museum nicht nur schön und inte- Gebirge. ressant präsentiert, sondern auch gut erklärt. GOURNIA P110 Die Ausgrabungen eines kleinen CHANIA P138 minoischen Landstädtchens zeigen Über 500 Jahre venezianischer anschaulich, wie einfache Men- Herrschaft haben in Kretas zweit- schen vor über 3500 Jahren auf größter Stadt ihre deutlichsten der Insel lebten. Spuren hinterlassen. MONI ARKADIOU P148 RETHIMNON P142 Das einsam auf einer Hochebene Minarette aus osmanischer gelegene Renaissance-Kloster Besatzungszeit ragen in dieser ist ein Nationalheiligtum, weil sich Stadt besonders zahlreich in den hier Hunderte von Kretern für die Himmel und der Hafen ist der Befreiung von osmanischer Herr- schönste ganz Kretas. schaft opferten.

FARANGI SAMARIAS P146 AGIOS NIKOLAOS P112 Naturerlebnis und sportliche Das Bilderbuchstädtchen im Osten Herausforderung zugleich ist eine bietet einen See als Fischerhafen, Wanderung durch die Samaria- ein ausgezeichnetes Museum und Schlucht in den Weißen Bergen, eine ehemalige Leprakolonie als abgerundet von einer Bootsfahrt. Ausflugsziel. DAS KRETA Erleben, was die Insel ausmacht, ihr einzigartiges Flair spüren. So, wie die Kreter selbst.

EINE VOLTA UNTERNEHMEN bestellt dann nicht jeder für sich. Nach Feierabend und noch vor Vielmehr ordern alle gemeinsam dem späten Abendessen flanieren eine bunte Vielfalt von Speisen, die die Kreter liebend gern vor Cafés dann in die Mitte des Tisches ge- und Tavernen auf und ab, um zu stellt werden. Jeder nimmt sich, sehen und gesehen zu werden und wovon er mag. Auf jeden Fall muss zwischendurch einen Ouzo oder am Ende etwas übrig bleiben. Leere Raki zu trinken. Ideale Flanier­ Teller bedeuten, dass die Tischge- meilen sind der Hafen von Chania meinschaft geizig war und manch (P138ff), die abends für den Ver- einer vielleicht gar nicht satt wurde. kehr gesperrte Hauptstraße von Ideale Orte für solche kretischen Paleochora (P156) und das See- Diners sind Ouzerien und Rakadika ufer von Agios Nikolaos (P112f). wie in der Odos Vernardou in Re­ thimnon (P144, 160), in der Odos LYRA UND LAOUTO Merineli in Iraklion (P53, 71) oder Die Musik, die junge und alte Kreter im Hafen von Chania (P138ff). gleichermaßen begeistert, wird auf Lyra und Laouto gespielt. Sie erzählt AB IN DIE BERGE von Liebe und Leid, Freiheitsdrang Wenn die Kreter sich einen Kurzur- und Freiheitskämpfen. Oft werden laub gönnen, fahren sie außer im Verse auch spontan mit Bezug auf Hochsommer meist in die Berge. die Anwesenden gedichtet. Lyra Da stehen in vielen Dörfern kleine, und Laouto gehören zu jeder kreti- traditionell eingerichtete Pensionen schen Hochzeit, erklingen urplötz- und Hotels mit viel Lokalkolorit und lich in kleinen Kafenias, sind aber ausgezeichneter Küche. In den auch regelmäßig in vielen Tavernen Dorf-Kaffeehäusern kommt man in der Altstadt von Rethimnon oder leicht mit den Einheimischen ins Chania zu hören. Gespräch, die Luft ist rein und klar, Esel, Hunde und Hähne sorgen für EIN ABEND MIT FREUNDEN die nächtliche Geräuschkulisse. Kreter essen ungern allein oder in Gute Ziele für solch kleine Fluchten trauter Zweisamkeit. Sie treffen sich sind die Lassithi-Hochebene abends mit Freunden und Bekann- (P168ff) oder das große Dorf Ano- ten zum gemeinsamen Mahl. Da gia am Psiloritis (P96f).

6 GEFÜHL

Ideale Flaniermeile – der venezianische Hafen von Chania

7 Das Kreta Gefühl

CHILLEN BEI GUTER MUSIK tem nicht die einzige attraktive Die modernen Straßencafés in der Schlucht Kretas. Über 100 Canyons Odos Chandakos oder der Odos Ko- ganz unterschiedlicher Wildheit rai in Iraklion (P49ff) sind von warten auf Wagemutige. Kreter morgens bis spät in die Nacht hin- durchqueren sie mit Bergsteiger­ ein stets mit jungen Leuten gefüllt. vereinen, für Urlauber bieten Spe­ Hier sitzt man wie in einem riesigen zialreisebüros Touren an (www. Open-Air-Club bei moderner Musik vamosvillage.gr, www.ansovillas. und verbringt Stunden in einem com, www.happywalker.com). Und einzigen Café, aber mit vielen guten ganz Wagemutige springen sogar Gesprächen. am Bungee-Seil 137 m tief in eine Schlucht: jene von Aradena (A189 VIELFÄLTIGE STRANDFREUDEN D2, P48) bei Chora Sfakion. Kretas Küste ist 1046 km lang. Hier finden Sie südseehafte Lagunen wie KLEINE TRAUMINSELN in Elafonisi oder Balos (A188 A4) ENTDECKEN und Palmenstrände wie in Vaï oder Kretas Küsten sind einige Eilande Preveli. Manche Strände sind über vorgelagert, auf denen sich schnell 10 km lang wie die von Georgioupo- ein echtes Insel-Gefühl einstellen lis und Rethimnon, anderswo erwar- kann. Da fährt man gern im Som- ten Sie winzige versteckte Buchten mer mit kleinen Ausflugsbooten wie der Red Beach bei Matala. Mal zum Baden hin: Von Limenas Cher- fällt das Ufer ganz kinderfreundlich sonisou zur Insel Dia (A192 B5), flach ab, dann wieder wird es gleich von Rethimnon zur Insel Marathi schwimmfreundlich tief wie in Sou- (A189 E4) in der Souda Bay, von gia (A188 C2) oder Kato . Chania zur Insel Agii Theodori (A188 C4), von Kissamos nach KEINE SCHEU VOR SCHLUCHTEN (A188 A5), von Iera­ Die weltberühmte Samaria-Schlucht petra nach Chrisi (P124) oder von ist zwar die längste, aber bei Wei- Paleochora nach Gavdos (P154). Was man dafür vor allem braucht, Mountainbiker in der Therisiano-Schlucht ist eine gute Sonnencreme.

8 Das Magazin Vor allem Kreter, dann erst Grieche 10 Minoische Rituale 14 Der Rhythmus der Insel 18 Fremde Herren und ihre Spuren 20 Dichter und Maler 24 Die Schlacht um Kreta 26 Iss, trink und lass es dir gutgehen 30 Kretische Landschaften und Tierwelt 32 Ikonen ihrer Zeit 36 Feste 38 Das Magazin VOR ALLEM KRETER, DANN ERST GRIECHE

Nikos Kazantzakis, Autor des Welterfolgs Alexis Sorbas (1946), erklärte einmal, er sei »in erster Linie Kreter, dann erst Grieche« – eine Haltung, die die Einwohner der Insel weitgehend mit dem berühmten Landsmann teilen.

Kretas Vereinigung mit dem Mutterland erfolgte ohnehin erst im Jahr 1913 und kaum im Bewusstsein gemeinsamer kultureller Wurzeln: Nach zahl­ losen Invasionen suchte Griechenlands größte, fernab im Süden der Ägäis gelegene Insel das schützende Dach der Nation. Jahrhundertelang hatte Kreta sich verschiedenster Invasoren zu erweh- ren (P20ff) und dieser unablässige Kampf hinterließ tiefe Spuren in der Volksseele: Der Kreter ist ein Überlebenskünstler und Freigeist, der auf seine Unabhängigkeit pocht. An Festtagen tragen alte Männer gern ihre Nationaltracht, mit einem Dolch oder einer Feuerwaffe in der Schärpe – als Symbol von Freiheit und Ehre.

Symbol der Trauer Man sieht auf Kreta viele Frauen in Schwarz – das hier traditionell nach dem Tod eines Angehörigen bis zu drei Jahre lang als Zeichen der Trauer

10 Das Magazin getragen wird und aufgrund der vielen Kriegstoten früher fast zur Nationalfarbe wurde.

Eleftherios Venizelos Kretas bedeutendster Staatsmann, der aus dem Dörfchen Mournies bei Chania stammende (1864–1936), opponierte tatkräftig gegen die Türkenherrschaft und hisste 1897 erstmals auf Kreta die griechische Flagge. 1910 wurde er griechischer Premier­ minister und vollzog drei Jahre später die Anbindung der Insel an das Mutterland. Zahllose Straßen und Plätze in ganz Griechenland tragen seinen Namen.

Familiensache Die Eigenart der Kreter erschließt sich am besten bei einem Blick auf die Grundfesten ihres Lebens: Land und Familie. Familie bedeutet hier in der Regel Großfamilie – nicht selten wohnen drei Generationen unter einem Dach, und selbst wenn die Sippschaft weit verstreut ist: Man hilft einander immer, besonders in Stunden der Not. Vor allem an Festtagen kann man beobachten, wie locker und friedlich sich hier die Generationen zusammenfinden: Neben Jugendlichen in tren- digem Outfit hocken in der Kneipe ihre Großväter mit kühnen Schnurrbär- ten und ausgebeulten Hosen. Die Jungen verlassen zwar mehr und mehr ihre Dörfer, um in der Stadt zu studieren oder zu arbeiten, kehren jedoch regelmäßig dorthin zurück – allemal zu Ostern, doch ebenso zu Familien- festen oder zur Erntehilfe.

Jung und Alt unterwegs auf dem Motorrad in Rethimnon

11 Das Magazin

Alle Kreter lügen Vor rund 2500 Jahren behauptete der Philosoph Epimenides (selbst ein Kreter!): »Alle Kreter sind Lügner.« Später von niemand Geringerem als dem Apostel Paulus zitiert (im Titusbrief), wurde diese Unterstellung schließlich Gemeingut. Vermutlich geht sie auf einen religiösen Streit zu- rück: Die Kreter verehrten Zeus als Fruchtbarkeitsgott, der starb und jähr- lich wiedergeboren wurde – begraben war er angeblich unter dem Berg Glouchtas bei Knossos. Für die Nordgriechen war Zeus hingegen der un- sterbliche Göttervater, weshalb sie die Kreter als Lügner hinstellten. Was der Wahrheit näher kommt, ist, dass die Kreter es mit der Wahrheit nicht immer so genau nehmen. Geraten sie ins Erzählen, übertreiben sie gerne, und was sie heute versprechen, ist oft am nächsten Tag vergessen. Sie sind also eher etwas unstet: mal warmherzig, mal gleichgültig, mal engagiert – aber immer sie selbst.

Zu Gast in der Fremde Das griechische Wort xenos hat zweierlei Bedeutung: »Fremder« oder »Gast«. Und der Fremde wird hier sehr schnell zum Gast, auch in Zeiten des Massentourismus. Immer wieder erlebt man spontane Gesten der Gastfreundschaft: Man bekommt frisch gepflückte Feigen in die Hand gedrückt, wird auf ein Glas Raki oder gar zu einer Mahlzeit eingeladen. In solchen Fällen muss man sich nicht genieren – Kreter sind großzügig! Und freuen sich dann einfach über ein Lächeln und ein Wort des Dankes (möglichst auf Griechisch: efcharisto).

Fischerboote im Hafen von Iraklion Das Magazin

Orangen werden auf der ganzen Insel angebaut

Kretische Institutionen Das kafenion, eine Mischung aus Café und Kneipe, ist auf Kreta, was die Stammkneipe für den Deutschen in der Heimat ist. Wenigstens eines gibt es in jedem Dorf, immer leicht zu erkennen an den männlichen Gästen, die bei starkem griechischem Kaffee oder Raki davor sitzen, plaudernd oder mit Hingabe Backgammon spielend. Ursprünglich den Männern vor- behalten, wird es heute – als Folge durch den Tourismus gelockerter Sit- ten – auch von Frauen besucht. Zumindest die jüngere Generation gönnt sich gerne einen Nescafé frappé (die simple griechische Variante des Eis- Im kafenion spielen die Männer gern kaffees) in einem der moderneren Backgammon Kaffeehäuser, wie sie Uferpromena- den und Plätze säumen. Die Stühle sind meist neben­ einander gereiht der Straße zu­ gewandt – man nimmt hier mit Vor- liebe die Parade der Passanten ab. Ähnlich geht es bei der volta zu, dem einst von den Venezianern ein- geführten Abendspaziergang: Da wogt ein bunt gemischtes Völkchen durcheinander und frönt der Lust des Sehens und Gesehenwerdens – Familien, Pärchen Arm in Arm und kleine Gruppen von Freunden tref- fen sich zum Flanieren, Tratschen und Flirten. Das Magazin MINOISCHE RITUALE Die Minoer waren kreative Menschen, die exquisite Ästhetik und religiöse Rituale pflegten – dies verraten allein die wunderschönen Bilder, die sie uns auf Tongefäßen, Fresken und Mosaiken hinterlassen haben.

Kreta war die Heimat der ersten europäischen Hochkultur. Ihre Anfänge datieren auf etwa 3000 v. Chr., ihre Blüte erlebte sie ein Jahrtausend später, 1700 v. Chr. überstand sie ein verheerendes Erdbeben und nach 1400 v. Chr. endete sie unter mykenischem Einfluss. Benannt ist sie nach dem König der altgriechischen Sage, der einst im Palast von Knos- sos residiert haben soll – wobei Minos kein Eigenname war, sondern ein Herrschertitel wie der des Pharao in Ägypten: Viele weitere kretische Köni- ge trugen ebenfalls diesen Namen. Die Spuren jener alten Kultur blieben lange Zeit verborgen, bis im Jahr 1900 der englische Archäologe Arthur Evans mit der Ausgrabung des Palasts begann (P81).

14 Das Magazin

Die minoischen Priesterkönige errichteten in Knossos (Abb. un- DIE SCHLANGENGÖTTIN ten), Phaistos (Festos), Malia und Zentrale Gestalt in der minoischen Re- Zakros gewaltige Palastanlagen – ligion war die Schlangengöttin, in der Machtzentren eines künstlerisch Regel barbusig dargestellt, mit einer hoch begabten Volks, dessen Schlange in jeder Hand. Die entblößten Leben im Zeichen magischer Kult- Brüste symbolisierten Fruchtbarkeit, handlungen stand. die Schlangen – als sich immer wieder häutende Wesen – Heilung und Wieder- Lebenskunst geburt (Abb. P56). Was wir heute über die Minoer wissen, rührt wesentlich von Kunst- werken her, die erhalten geblieben sind, vor allem den lebendigen Dar- stellungen ihrer Alltags- und Glau- benswelt auf Wandfresken – Bild- nisse von erstaunlicher technischer und künstlerischer Qualität, ausge- führt in Farben aus Pflanzen, Mine- ralien und gemahlenen Meerestier- schalen. Schwungvoll und feinfühlig sind die Bewegungen der Figuren wiedergegeben – die weiblichen mit weißer, die männlichen mit rötlicher Haut, was entweder auf eine hohe gesellschaftliche Stellung der Frau- en deutet oder daher rührt, dass sie sich im Schatten aufhielten, wäh- rend die Herren der Schöpfung in praller Sonne auf den Feldern schufteten. Skulpturen, Keramik, Mosaiken und Kunstgewerbe bezeugen das hohe Niveau von Wohlstand und Lebensstil der Minoer. Ihre Residenzen waren ausgestattet mit Dachterrassen, Lichtschächten, Bädern und aufwendigen Sanitäranlagen. Sie waren wohlgenährt, verfügten über riesige Getreide- speicher und betrieben Vorratshaltung von Wein und Öl in pithoi, volumi- nösen Tongefäßen. Außerdem waren sie gewandte Seefahrer, die ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse weithin vertrieben und gegen Kupfer und Zinn zur Bronzegewinnung sowie Gold, Silber und Edelsteine zur Herstel- lung von Schmuck und Zierrat tauschten. Bemerkenswert an minoischen Palästen ist der völlige Verzicht auf Be- festigungen – offenbar wähnte man sich sicher vor feindlichen Angriffen.

15 Das Magazin

Tanz mit dem Stier DAS MINOISCHE ZEITALTER Lange bevor eine Fackel bei Olym- Archäologen gliedern die minoische pischen Spielen durch das Stadion Geschichte in vier Perioden: getragen wurde, schlugen offenbar n Vorpalastzeit (2600–1900 v. Chr.). minoische Athleten waghalsige Salti Anfänge der Bronzezeit auf Kreta. über die Hörner anrennender n Altpalastzeit (1900–1700 v. Chr.). Kampfstiere – was nicht nur der Erste minoische Paläste, später von Sensationslust des Publikums ­Erdbeben zerstört. geschuldet, sondern auch als reli­ n Neupalastzeit (1700–1450 v. Chr.). giöses Ritual von Bedeutung war. Hochblüte der minoischen Kultur, Alten Abbildungen zufolge neue Paläste, Ausbau von Knossos. (PAbb. unten) spielte sich das so n Nachpalastzeit (1450–1100 v. Chr.). ab: Der Athlet packte den Stier an Niedergang der minoischen Kultur den Hörnern, schwang sich mit unter dem Ansturm der Mykener. einem Salto über dessen Rücken und landete hinter ihm auf den Füßen, die Arme zum Zeichen des Sieges erhoben. Auch Frauen nahmen an diesem gefährlichen Spektakel teil, das eine gehörige Portion an Mut und Geschick erforderte. Eventuell sind entsprechende Szenen auf Bildern aber auch nur sym- bolisch zu verstehen. Der Stier spielte jedenfalls in der minoischen Gesell- schaft eine wichtige Rolle als Verkörperung der Männlichkeit: Allgegen­ wärtig war er als Kleinplastik oder auf Vasenmalereien und mächtige Nachbildungen von Hörnern zierten die Mauern der Paläste. Daneben gab es rhyta genannte rituelle Trinkgefäße in Form eines Stierkopfs.

Sprung über einen Stier – religiöses Ritual oder nur Symbolik?

16 Das Magazin

DER MYTHOS VOM MINOTAUROS Poseidon machte König Minos einen weißen Stier zum Geschenk. Als der Meeresgott dessen Opferung verlangte, weigerte sich der König, das herrliche Tier zu töten. Aus Rache ließ Poseidon Pasiphaë, die Gattin des Minos, in Liebe zu dem Stier entbren- nen. Aus ihrer Vereinigung entspross ein Wesen mit menschlicher Gestalt und Stier- kopf: der Minotauros, den Minos in einem Labyrinth unter dem Palast gefangen hielt. Um den Gott zu besänftigen, opferte er fortan jährlich je sieben Jungfrauen und Jüng- linge aus dem fernen Athen, das ihm tributpflichtig war. Da beschloss der attische Königssohn Theseus, dem ein Ende zu bereiten, meldete sich freiwillig zum nächsten Opfergang, spürte das Ungeheuer auf und tötete es. Den Rückweg aus dem Labyrinth fand er mithilfe eines abgespulten Fadens, den ihm die Königstochter Ariadne gab.

Ende mit Schrecken Der Triumph der minoischen Kultur endete um 1450 v. Chr., als sämtliche Paläste einer Katastrophe zum Opfer fielen. Die Theorie, ein gewaltiger Vulkanausbruch auf der nahen Kykladeninsel Santorin (Thira) habe gigan- tische Flutwellen, Erdbeben und Brände auf Kreta ausgelöst, gilt heute als widerlegt. Die Vielzahl verkohlter Relikte in den Palastruinen führt man in- zwischen auf andere Ursachen wie mykenische Invasoren oder einen Volksaufstand gegen die kretischen Herrscher zurück. Stichhaltige Bewei- se gibt es jedoch auch hierfür nicht, und so ist nur eines sicher: dass die Minoer im Laufe der folgenden beiden Jahrhunderte von der Bildfläche verschwanden.

Der sogenannte Lilienprinz aus Knossos Fresko einer Prozession in Knossos

17 Das Magazin Der RHYTHMUS der Insel Bei Livemusik in einem Restaurant oder einer Bar werden Sie häufig erleben, dass die Einheimischen zu Tränen gerührt den Refrain mitsingen – und selbst davon bewegt sein, wie tief Musik in der Seele Kretas verankert ist.

Mantinada, Rizitika und Erotokriti Bis auf das 5. Jahrhundert v. Chr. geht die Liedform der mantinada zu- rück: In gereimten Verspaaren von 15 Silben ist sie meist dem Ausdruck starker Gefühle gewidmet, vor allem Liebesfreude und -leid. Sehr beliebt ist auch die »Rebellenmusik« der rizitika, die aus den Weißen Bergen bei Chania stammen und gerne bei Hochzeiten, Taufen und anderen feierlichen Anlässen gespielt werden.

Kretische Tänze erfordern eine gute Kondition Das Magazin

Oft können Sie auch erotokriti (»Liebesproben«) hören – Volkslieder, ba- sierend auf dem gewaltigen Versepos Erotokritos (10.000 Zeilen!) aus der Feder des einer hellenisierten venezianischen Adelsfamilie entstammen- den kretischen Dichters aus dem 16./17. Jh. (P118).

Musikinstrumente Gebräuchlichstes Musikinstrument auf Kreta ist die dreisaitige Lyra, traditionell aus Maulbeerbaumholz gefertigt und aufrecht auf dem Knie gespielt. Begleitet werden ihre Klänge gewöhnlich von der Laouto, einer Art viersaitigen Laute (Abb. links), die auch als Soloinstrument zum Einsatz kommt. Lyraspieler wechseln bei ihrem Vortrag meist zwischen Gesang und instrumentalen Sequenzen, mit der Laute als zweiter Stimme im Hinter- grund. Die typische kretische Musik ist eine einzigartige Mischung ver- schiedenster Einflüsse – teils erin- nert sie an irischen Folk, teils klingt sie nach orientalischen Vorbildern.

Livem usik Konzerte mit solcher Musik erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit, vor allem in Rethimnon und Chania. Achten Sie einfach auf Kneipenschilder mit Musikinstrumenten darauf – da wird sich abends schon etwas abspie- len auf der Bühne, unter Umständen auch ganz spontan mit den Instru- menten, die an der Wand der Wirtschaft hängen … Wenn Sie einen guten Abend erwischen, dauert die Vorstellung mehrere Stunden und hat den Charakter einer improvisierten, abwechslungs­ reichen Session. Dann noch ein paar tiefe Schlucke aus dem Raki-Glas, und es wird ein unvergessliches Erlebnis! Gute Chancen, in Lokalen die Lyra zu hören, haben Sie in Chania in der Odos Kondilaki und in Rethimnon in der Odos Vernardou.

Meistermusiker Suchen Sie CDs mit kretischer Musik, werden Sie am ehesten in Iraklion fündig. Empfehlenswert sind Aufnahmen von Nikos Xilouris und seinem Bruder Antonis (Künstlername Psarantonis) oder von Thanassis Skordalos.

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