Heimatbla?Tter 10-09:Layout 1
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
OSTTIROLEROSTTIROLER HEIMATBLÄTTERHEIMATBLÄTTER Heimatkundliche Beilage des „Osttiroler Bote“ NUMMER 10-11/2009 77. JAHRGANG Meinrad Pizzinini Die letzten Kämpfe von „Anno Neun“ in Tirol Rückblick auf bedeutende Ereignisse des Jahres 1809 in Osttirol Das Tiroler Gedenkjahr 1809- ten die Truppen beim Kärntner Tor 2009 mit dem Motto „Geschichte den Boden des Eisackkreises im trifft Zukunft“ gibt Anlass, einen Königreich Bayern. Lienz war also Rückblick auf den Entwicklungs- die erste befreite Stadt! Nach der gang des Jahres 1809 im südöst- Beschreibung des Oberleutnants lichen Tirol zu werfen. Abgesehen Franz Karl von Veyder4 brachen die von einem „roten Faden“ durch das Soldaten beim Überschreiten der Geschehen dieses bewegten Jahres Grenze in einen Jubelruf aus, und im Allgemeinen werden Ereignisse der Einzug in Lienz erfolgte unter in den Monaten April, August und großer Begeisterung der Bevölke- Dezember speziell herausgegriffen. rung, die die Soldaten als ihre „Brü- der und Erretter“ umarmten. Böller- Das Pustertal als knall und Glockengeläute begrüßten Durchzugsstrecke den wenig später einreitenden Das Pustertal fungierte durch Korpskommandanten Chasteler. Jahrhunderte als einzige inneröster- Im Gefolge des Militärs erschien reichische Verbindung – das Hoch- der als kaiserlicher Intendant zur stift Salzburg besaß unter den Wiedereinrichtung der österreichi- Fürsterzbischöfen eine eigene Lan- schen Verwaltung bestellte Joseph deshoheit – zwischen Wien und Freiherr von Hormayr, ein gebürti- dem Zentrum Tirols und den habs- ger Tiroler. Seinem neuen Amt ent- burgischen Besitzungen in der sprechend, wollte er in Lienz gleich Schweiz und am Oberrhein. Die aktiv werden und erkundigte sich Durchzüge des Hofes und beson- nach dem Verhalten der bayerischen ders des Militärs stellten für die Be- Beamten. Vermutlich war er über- völkerung immer eine große Be- rascht zu hören, dass man den recht- lastung dar. Natürlich bereisten schaffenen Landrichter Moritz auch viele prominente Personen das Bram5 im Amt belassen sollte, was Tal und machten vielfach in der Denkmal für den Einsatz und die Opfer der Tiroler Lan- auch geschah. Stadt Lienz Aufenthalt.1 In der ge- desverteidigung in den Jahren 1809 und 1813. Das Noch bevor das österreichische samten, viele Jahre währenden Denkmal am Platz vor dem Lienzer Dominikanerinnen- Militär durch das Pustertal durchmar- Napoleonischen Ära waren die kloster wurde 1910 enthüllt. Foto: M. Pizzinini schiert war, hatten die Tiroler Schüt- Truppendurchmärsche von „Freund zen- und Landsturmaufgebote das und Feind“ besonders zahlreich. Erinnert Napoleon entschlossen hatte, kam es im Land befreit. An der Ladritscher Brücke un- sei an den geradezu fluchtartigen Abzug Jänner 1809 in Wien im Beisein des Sand- weit der Brixner Klause und bald darauf bei des französischen Militärs unter General wirts Andreas Hofer zu einer Vorbe- Sterzing war es unter der Führung von Barthélemy Joubert nach der Niederlage sprechung über eine Erhebung bzw. einen Andreas Hofer zu den ersten Kämpfen ge- von Spinges am 2. April 1797.2 Von den Volkskrieg in Tirol.3 Es war in erster Linie kommen. Die ersten Erfolge waren am 10. Lienzern verlangte er die Verpflegung für Hofers Verdienst, wenn das Land in rund und 11. April zu verzeichnen, wobei im Ver- seine Truppen und 100.000 Gulden. Da zweieinhalb Monaten zum Aufstand gegen gleich zu den Einsätzen in den früheren diese nicht beigeschafft werden konnten, die ungeliebte bayerische Herrschaft ge- Kriegsjahren ein wesentlicher Unterschied wurden Bürgermeister Johann Oberhueber, rüstet war, der Anfang April losbrach. darin bestand, dass die Tiroler Landesvertei- der Stadtrichter und noch weitere Lienzer In Oberdrauburg sammelte sich das kai- diger nicht ausschließlich das Militär unter- Bürger nach Kärnten verschleppt. serliche Militär unter der Führung des stützten, sondern nun selbstständig handelten Nachdem sich Österreich unter Kaiser Feldmarschallleutnants (FML) Johann und dies mit Erfolg. Ungefähr zur selben Franz I. im Sommer 1808 zu einem neuer- Gabriel Marquis von Chasteler und in den Zeit konnten die Tiroler in und bei Innsbruck lichen Kriegszug gegen Frankreich bzw. frühen Morgenstunden des 9. April betra- erfolgreich tätig sein, wobei hier Schützen- OSTTIROLER NUMMER 10-11/2009 2 HEIMATBLÄTTER Feldmarschallleutnant Johann Gabriel Österreichischer Maler, Kaiser Franz I. Joseph Freiherr von Hormayr, 1809 in Marquis von Chasteler, Punktierstich von von Österreich, Öl auf Leinwand, um 1810. Tirol als kaiserlicher Intendant zur Wieder- J. Neidl, 1805/10. (TLMF, W 4909) (TLMF, Gem 1987) einrichtung der österreichischen Verwal- tung eingesetzt, zeitgenössische Radierung. major Martin Teimer, gebürtig aus Schlanders welche Nachts vorher die Vorgänger auf (TLMF, Historische Sammlungen) im Vinschgau, eine wichtige Rolle spielte. unserem Leidenswege, die früher Depor- tirten, hier zu dulden hatten. „Glücklich erreichten wir das Grenz- Deportierung hoher Auf der folgenden Post zu Mittenwald8 städtchen Lienz, wo wir einige Linientrup- Persönlichkeiten stiegen wir, um nicht neue Siege hören zu pen trafen, und vor jeder weiteren Miß- In dem nun befreiten Land wurde Inten- müssen, gar nicht aus der Kutsche, und eil- handlung sicher waren. Hier schickten wir dant Joseph Freiherr von Hormayr aktiv. ten nach Lienz, um so bald wie möglich den bewaffneten Bürger, der uns auf un- Alle höheren bayerischen Beamten wurden über die Gränze des Rebellen-Landes, und sere Kosten bis Klagenfurt hätte begleiten sofort des Dienstes enthoben und zum größten unter Menschen zu kommen, bey welchen sollen, zu seinen Spießgesellen nach Inns- Teil nach Klagenfurt deportiert. Die Herren man doch wenigstens seines Lebens und bruck zurück, und machten ihm begreiflich, Spechtenhauser, Rektor der Innsbrucker seiner Habe sicher ist.“ daß wir in Kärnthen, so wie in jedem Universität, Bertoldy, Professor und Leiter Endlich gelangte man nach Lienz, das in Lande, wo keine Banditen sind, durchaus der Bibliothek, sowie Schultes, ebenfalls der Beschreibung der „Deportirten“ nicht keine Sicherheitswache nöthig hätten. Die- Professor, konnten immerhin mit der Post- ganz schlecht abschneidet: ser Philister, der uns begleitete, hatte vor 8 kutsche, wenn auch unter Bewachung, ab- Tagen zu Innsbruck einige Pferde, Waffen, reisen, allerdings innerhalb eines sehr und Geld von den Dragonern unseres Kö- kurzfristig gesetzten Zeitraums. Die unge- niges, die er mitmorden half, erbeutet, und wollte Fahrt begann in der Nacht vom 22. war jetzt unsere Sicherheitswache! Er auf 23. April 1809 und führte über den hatte die Unverschämtheit uns einige Brenner, das Pustertal und weiter vorerst Mahle zu zeigen, daß seine Flinte scharf nach Klagenfurt. Schultes verfasste über die geladen sey; und wir bemerkten dagegen Reise und die Erlebnisse der „Abgeschobe- nur, daß unsere Reisemesser sehr scharf nen“ einen für Tirol nicht sehr schmeichel- geschliffen sind, so daß man allenfalls eine haften Bericht und veröffentlichte ihn im Feder damit schneiden könnte. folgenden Jahr in München unter dem um- Ob Lienz das alte Leoncium ist; ob es ständlichen Titel: „Geschichte der Deporti- durch die neue Veränderung der Dinge; rung der königlich baierischen Civilbeam- durch die Wiedergeburt Tirols, wie sie der ten nach Ungarn und Böhmen; nebst Be- Ortsbader nannte, der mit uns zu Tische merkungen über die gleichzeitigen saß, so viel gewonnen hat, als der Stadt- Kriegsereignisse, und über die durchwan- schreiber, der gleichfalls mit uns speiste, derten Länder“.6 Ausschnittweise werden behauptete, das wollen wir nicht entschei- Textstellen zitiert, die sich auf die Fahrt den. Es scheint allerdings einst ein ganz durch das östliche Pustertal beziehen.7 nahrhafter [!] Ort gewesen zu seyn; in dem Für die Jahreszeit, Ende April, war es Augenblicke aber, in welchem wir es sahen, äußerst kalt, und zwei Tage vor der Abreise fanden wir weiter nichts an demselben, als hatte es im Inntal noch stark geschneit. Im einen von einem armseligen Feinde erbeu- Wipptal mit dem Brennerpass war es sehr teten offenen Ort, der als Sammelplatz für schwer weiterzukommen. Im Pustertal die Traineurs und das Lumpengesindel der waren die Straßenverhältnisse zunächst Armee zu dienen bestimmt, und daher mit besser, doch von Niederdorf über das einem pensionirten Officier als Stadtcom- Toblacher Feld bis Sillian war der Postwagen mandanten versehen war. wiederum bis zur Achse in den Schnee ein- Die Gegend um Lienz ist sehr schön: getaucht. Immer wieder mussten sich die mahlerische Gruppen von Waldhügeln, Bayern böse Bemerkungen anhören, was hohen Bergrücken, Felsenwänden und sie sehr ärgerte, wie z. B. auch in Sillian: ewig beschneyten Alpengipfeln bilden die „Bey unserer Ankunft in Sillian peinigte Thalbucht, in der es gelegen ist, und die uns der Postmeister mit Erzählungen unge- Titelseite des ersten Bandes mit dem von hundert Schlangenwindungen der rau- heuerer Siege des Erzherzogs Johann, die Bericht über die Deportierung bayerisch- schenden Drau belebt wird. Schon der wir anhören, und was noch ärger war, die gesinnter, hoher Persönlichkeiten von Contrast dieser Lage mit dem Frostigen wir zu glauben scheinen mussten. Diese Innsbruck nach Klagenfurt im April 1809. und Baren des Toblacher Feldes, auf wel- Marter war indessen geringer als jene, (TLMF, Dip. 143) chem seiner hohen Lage wegen die Berge NUMMER 10-11/2009 OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER 3 umher alle klein und die Bäume sparsam und halb verkrüppelt sind, und noch mehr der Contrast mit dem Eintönigen des Waldweges bis Mittenwald erhöht