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Order Number 9180527

Wo die Opfer zu Tatern werden, machen sich die Tater zu Opfern: Die Rezeption der beiden ersten Romane Edgar Hilsenraths in Deutschland und den USA. [German text]

Moller, Susann, Ph.D.

The Ohio State University, 1991

Copyright ©1991 by Moller, Susann. All rights reserved.

UMI 300 N. Zeeb Rd. Ann Arbor, MI 48106

WO DIE OPFER ZU TATERN WERDEN, MACHEN SIGH DIE TATER ZU OPFERN : DIE REZEPTION DER BEIDEN ERSTEN ROMANE EDGAR HILSENRATHS IN DEUTSCHLAND UND DEN U.S.A.

DISSERTATION

Presented in Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree of Doctor of Philosophy in the Graduate School of The Ohio State University

By

Susann Moller, M.A.

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The Ohio State University 1991

Dissertation Committee: Approved by: Dagmar C. G. Lorenz David P. Benseler

Bemd Fischer Adviser Department of German Copyright by Susann Moller 1991 IN MEMORY OF ANNA

ii ACKNOWLEDGEMENTS

I wish to express my sincere gratitude to those who helped me to prepare and complete this study: to my advisor, Dr. Dagmar Lorenz, for her invaluable criticism and friendship; to my committee members, Dr. David P. Benseler, and Dr. Bemd Fischer, for their assistance; to Edgar Hilsenrath, for inspiring and entrusting me with his private correspondence; to the staff of the Leo-Baeck Institute in New York, for finding the answers to some detailed data inquiries; to two special friends, Sabine Cramer and Lydia Kegler, for their encouragement; to my parents and my sister, for their unflagging support and forbearance. VITA

January 11, 1951...... Bom in Hamburg, Germany 1976 ...... Erste Allgemeine Staatspriifung, Education & Philosophy: Rheinische Friedrich Wilhelm Universitat, Bonn, Germany 1980 ...... M.A., German: University of Georgia: Delta Phi Alpha, German Honor Society 1980-1982 ...... Additional Studies in Comparative Literature, University of Georgia 1983-198 4 ...... Grant Recipient: National Endowment of the Humanities, Wyoming 1984-198 6 ...... Additional Studies in Women's Studies: The Ohio State University 1986 ...... Presidential Fellowship Nominee: The Ohio State University 1987 ...... Assistant Professor of the Humanities: Columbus State Community College

FIELD OF STUDY German Language & Literature TABLE OF CONTENTS

DEDICATION...... ii ACKNOWLEDGEMENTS...... iii VITA ...... iv TABLE OF CONTENTS...... v CHAPTERS PAGE I BIOGRAPH3E ...... 1 1.1. - Seret - Tel Aviv - Lyon - New York...... 3 1.2. Berlin ? Berlin !...... 17 FuBnoten...... 34 II NACHT...... 36 II. 1. 1964 - Erstauflage und Kritik in Deutschland...... 40 11.2. 1966 - Veroffentlichung und Kritik in den U.S.A...... 65 11.3. 1978 - Neuauflage und Kritik in Deutschland...... 78 FuBnoten...... 98 III DER NAZI UND DER FRISOR...... 104 111.1. 1971 - Erstauflage und Kritik in den U.S.A...... 106 111.2. Helmut Braun und der deutsche Extremismus...... 124 111.3. 1977 - Veroffentlichung und Kritik in Deutschland...... 140 FuBnoten ...... 168 IV SCHLUBBETRACHTUNGEN...... 175

v Table of Contents, continued...

IV. 1. Kritik der achtziger Jahre...... 175 IV.2. Werkanalytische Zusammenfassung...... 192 FuBnoten...... 207 LITERATURVERZEICHNIS...... 211 Primdrwerke...... 212 Briefe...... 215 Rezensionen...... 217 Sekundarliteratur...... 236

r i KAPITEL I BIOGRAPHIE

Eine biographische Darstellung iiber Edgar Hilsenrath zu verfassen, bedeutet, Ordnung in einen ungeordneten Lebenslauf zu bringen, den "Lebenslauf eines Menschen, der aus dem Rahmen fallt oder eher zwischen alien Rahmen hangt"(266).l Nicht nur geographisch sondern auch zeitlich war Hilsenrath von jeher im Wechsel begriffen, woriiber er sich selber folgendermafien auBert: "Ich hatte immer Schwierigkeiten mit der Gegenwart und habe daher Vergangenes beschrieben. Jetzt fange ich damit an, mehr in die Gegenwart einzusteigen...."(117). Die Verlagsgeschichte seiner Werke ist ein Spiegelbild dieser turbulenten Lebensgeschichte. Sie reflektiert seine Uberzeugung: "Zu Hause ftihle ich mich nur in meiner Aufienseiterrolle, aber nicht in einer Stadt oder einem Land"(104). Hilsenrath, Auflenstehender im Literaturbetrieb wie in der Gesellschaft, ist in beiden Bereichen nicht leicht einzuordnen. Dieser Sonderstatus bestimmt sein Werk und sein Leben. Als Kind war Hilsenrath der einzige Jude in seiner Klasse, im Getto einer der wenigen Deutschen unter Rumanen und Russen, und als Emigrant in den USA weigerte er sich, englisch statt deutsch zu schreiben. Hervorgehoben in Zeitungsberichten werden immer wieder die schwarze Baskenmiitze und seine an die jugendlichen Freaks der 2

siebziger Jahre erinnernde Aufmachung. Diese Bekleidung ist jedoch ein Ergebnis seines langen Amerikaaufenthaltes und bescheidener finanzieller Verhaltnisse. Seine Vorliebe fur Tumschuhe, die Neigung, seine Gesprachspartner sofort zu duzen, sowie die Amerikanismen in seiner Diktion, sind Reminiszenzen eines 24 Jahre w&hrenden Exils in den Vereinigten Staaten. Heute, mit einem amerikanischen Pafi in Berlin lebend, wird er charakterisiert als "ein Jude ohne Kontakt zu Juden, der nicht mal am Jom Kippur in die Synagoge geht, ... ein Treuer der Sprache, die auch die Sprache seiner Verfolger ist"(4). Dieser Kommentar kennzeichnet Hilsenrath als Ausnahme. Ungesagt bleibt, dab er sich, derart charakterisiert, in die Reihe anderer "Ausnahmen" wie Lind, Fried, Canetti, Kramer, Waldinger und Sachs fiigt. Ein Groi3teil der deutschen Literaturkritik wirft Hilsenrath vor, dafl die von ihm bevorzugte Form der Satire zur Beschreibung der von ihm gewahlten Gegenstande, Faschismus und Holocaust, unangemessen sei. Jene Kritiker, die sich diesem Vorwurf nicht anschlieften, bezeichnen Hilsenrath als einen Autor, der gegen den Strom schwimmt. In einer Epoche, in der laut Jelinek die Satire ausgestorben ist, mufl Hilsenrath diesen Kritikern als Sonderling erscheinen. Sie bestdtigen damit Jelineks These, dafi die Satire ein vomehmlich von deutsch- jiidischen Autoren gepflegtes Genre ist, das mit der Ausrottung der Juden durch die Nazis verschwand (409). Hilsenrath wurde in diese literarische Tradition zu der u.a. Kraus, Canetti und Bettauer gehorten, hineingeboren. 1924 heirateten Hilsenraths Vater, Kaufmann und Sohn in Leipzig lebender orthodoxer Juden, und die in der Bukowina 3 geborenene, ebenfalls orthodox erzogene Mutter. Sie wuchs in Bum&nien auf, zog sp&ter nach Wien und lebte zum Zeitpunkt der EheschlieBung seit vier Jahren in Deutschland. Hilsenraths Vater, gebiirtiger Galizier und daher osterreichischer Staatsbiirger, wohnte bereits seit 26 Jahren in Deutschland. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und wurde mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Dessenungeachtet wurde ihm die polnische Staatsbiirgerschaft zugewiesen. Diese Zuweisung richtete sich, als Galizien von Polen annektiert wurde, nach der jeweiligen Staatsangehorigkeit der Eltem. Eine Option, die z.B. Broders Eltern geboten wurde, war Hilsenraths Vater unbekannt.

1.1. Leipzig - Seret - Tel Aviv,.- New York Edgar Hilsenrath wurde 1926 in Leipzig geboren, drei Jahre spater sein Bruder Manfred. Nach der Geburt des zweiten Sohnes zog die Familie nach an der Saale, das sich in den folgenden Jahren zu einer Hochburg antisemitischer Hetzpropaganda entwickelte. In seinem literarischen SelbstportrSt fur das Zeitmagazin schrieb Hilsenrath, da/3 er seine Schule damals nicht nur wegen der Priigelstrafe gehaBt habe. Er wurde gezwungen Lieder mitzusingen wie: "Wenn das Judenblut vom Messer spritzt"(209). Das Mobelgeschdft des Vaters wurde zuerst von den Nazis boykottiert und spater einschlieBlich des gesamten VermOgens der Familie beschlagnahmt. Der 12-jahrige Edgar Hilsenrath hatte nur eine vage Vorstellung von Begriflen wie "Arisierimg," "Veijudung" und "Kommunisten," und die Flucht nach Rumanien im Sommer 1938 kam ihm wie ein Abenteuer vor. Aus Angst vor einer Vorladung von der sandte der Vater seine Frau und 4 seine beiden Sdhne nach Seret. Sie sollten bei den Groi3eltem warten, bis er Haus und Geschaft aufgeldst hatte und dann nach reisen, wo fur sie alle amerikanische Einwanderungsvisen bereitlagen. Obwohl Seret eine vorwiegend judische Stadt war, wo man sich weigerte, rumanisch zu sprechen und sich als Trager der deutschen Kultur in der Bukowina verstand, fuhlten sich Edgar und sein Bruder Manfred aufierhalb des grofielterlichen Hofes als Fremde unter Fremden. Sie wurden als Westeurop&er angestaunt, doch man begegnete den Nachrichten seiner Mutter mit Unglauben. Fur die Juden in der einstmals zu Osterreich gehorenden Bukowina, die nach dem Ersten Weltkrieg von Rum&nien annektiert worden war, hatten die Nazis nichts mit den Deutschen gemein. Die Deutschen waren ihrer Meinung nach "ein edles Kulturvolk und jeder ein kleiner Goethe, Schiller oder Beethoven"(18). Ruth Beckermanns Film Die papierene BrUcke veranschaulicht den unter rumanischen Juden vorherrschenden Glauben an den Habsburgischen Mythos (314). Die Hauptstadt der Bukowina, das 40 km entfemte Czemowitz, trug den Spitznamen Klein-Wien und war, wie das an der russischen Grenze liegende Seret, seit der Donaumonarchie eingedeutscht. Die osterreichische Kultur der Jahrhundertwende vermischte sich mit jiidischer Tradition und einem Hauch des Balkans. Orthodoxe und assimilierte Juden feierten ihre Volksfeste auf der "Hutweide" und stiegen im Hotel "Anna-Hof' ab. Sie versuchten, ihr kulturelles Erbe mit Zitaten deutscher Beruhmtheiten unter Beweis zu stellen, und der FuiJballsport erfreute sich besonders bei den assimilierten Juden grofier Beliebtheit. Edgar Hilsenrath wurde Kapit&n der Jugendmannschaft, 5

und im Glauben, bald nach Paris weiterzureisen, sah seine Mutter von seiner Schulanmeldung ab. Stattdessen erhielt er Privatunterricht von einer deutschsprachigen Hauslehrerin. Die Parisreise des Vaters aber verzogerte sich, bis er Anfang 1939 fliehen muJlte. Mit 10 RM und einer Stange Zigaretten entkam er nach Frankreich, wo er von der Fremdenpolizei gejagt wurde. Fur ein Einreisevisum fur seine Frau und seine beiden Sohne war es zu spat, und mit Kriegsausbruch brach jeglicher Kontakt zu ihnen ab. Bald holte der Krieg auch die Familie in Rumanien ein, und in den sich iiberstiirzenden Ereignissen endete Edgar Hilsenraths Kindheit vorzeitig. Hilsenraths Groileltern wurden aus Leipzig nach Theresienstadt deportiert, ein Teil der Verwandschaft nach Auschwitz und in andere KZs, wo sie spater ermordet wurden. Nach Ausbruch des Krieges gelangte in Rumanien eine faschistische Regierung an die Macht. Unter Marschall Antonescu und seiner eisernen Garde traten die ersten Judengesetze in Kraft. Wie in Deutschland wurden auch in Rumanien Juden aus ofFentlichen Amtern entfemt. Der Horror der in Berlin wiederholte sich im ersten Progrom in Bukarest. Kolonnen der eisernen Garde marschierten nach dem Fall von Czernowitz durch Seret. Als die deutschen Truppen als Verbundete von Antonescu eintrafen, wurden die Hilsenraths mit den meisten Bewohnern von Seret ins Landesinnere nach Czaiova evakuiert. Wfihrend es manchen Juden gelang, wie z.B. Rose Auslander, sich in den kapitulierten St&dten zu verstecken, begann fiir die Mehrzahl der Alptraum der . Kurz vor dem Ruftlandeinmarsch am 22. Juni 1941 wurde das Judenlager von Czaiova aufgelost. Seine Bewohner wurden von 6

rumanischen Gendarmen emeut abtransportiert, zuriick in die Nahe von Seret, in das 18 km entfernte Radauz. Im Anschlu/3 an die RuBlandinvasion wurde im August 1941 der Vertrag von Tiraspol geschlossen. Hitler iibergab seinen rumanischen Verbiindeten das von ihnen als "Transnistria" bezeichnete Gebiet der Ukraine. Hierhin schob die rumanische Regierung die aus Bessarabien, dem nordlichen Moldau-Gebiet und der Bukowina zusammengetriebenen Juden ab. Am 14. Oktober 1941 wurden Edgar Hilsenrath, sein Bruder und seine Mutter deportiert. Der Deportationsbefehl kam plotzlich und unerwartet. Die rumanische Polizei trieb alle Juden zum Radauzer Bahnhof in bereitgestellte Viehwaggons. Keiner wuflte, wohin die Fahrt ging, und den in der Dunkelheit zirkulierenden Geriichten, schenkten die meisten Juden keinen Glauben. Da sie sich als Hiiter der deutschen Kultur verstanden, bezweifelten sie, daB sie sich auf dem Wege nach Transnistrien befanden, das die Einsatzkommandos der SS zum Land der MassenerschieBungen gemacht hatten. Zudem wahnten sie sich in Begleitung der rumanischen Gendarmen sicher, denen sie solch grundlosen Wahnsinn nicht zutrauten, da schlieBlich nicht alle Rumanen Faschisten waren. Die Rum&nen aber liquidierten in den folgenden Monaten Tausende von Juden auf Todesmarschen und in Arbeitslagem. Der Abschub in ein Getto bedeutete einen Aufschub und eine geringe, Uberlebenschance. Der Transport dauerte tagelang, bis sie eines Nachts den Dnjestr erreichten, wo sie bis zum nachsten Morgen kampierten und dann mit FloBen und F&hren zum anderen Ufer ubersetzten. Sie kamen in das rumanisch-jiidische Getto der ukrainischen Ruinenstadt Mogilev Podolsk am Ufer des Djnestr. 7

Hilsenrath, seine Mutter und sein Bruder wurden, wenn auch nicht Augen-, so doch Ohrenzeugen der MassenerschieBungen am Ufer des zweiten Grenzflusses. Jenseits des Bug war SS-deutsches Gebiet, wahrend der Dnjestr die rumanische Grenze markierte. In der hermetisch abgesperrten und vom Krieg verwiisteten Geisterstadt lemten die Deportierten das "grofie Sterben" und "brutale Uberleben" auf andere Art kennen. Riickblickend meint der Autor: "Ich glaube, wir sind damals mit den anderen gestorben. Nur starben wir einen anderen Tod"(210). SiebenunddreiBig Jahre spater faBte derSpiegel die Zustande in Podolsk unter der Uberschrift "Grauen im Getto" knapp zusammen: "Wer nicht verhungerte starb an Typhus oder erfror im russischen Winter"(166). Hilsenrath hauste in Massenquartieren, bekam Paratyphus, schlug sich mit Schwarzhandel durch und meldete sich "freiwillig" zur Zwangsarbeit, um seiner Mutter und seinem Bruder das Leben zu retten. Er arbeitete als "VorschlSger" in einer Eisenfabrik und erhielt dafiir den sogenannten "Lebensschein", der seine Familie vor der Liquidation bewahrte. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch 1944 wurde Hilsenrath zum Tode verurteilt. Vor der Urteilsvollstreckung marschierte die Rote Armee ein, und er liberlebte. Da RuBland wahrend des Krieges groBe Verluste erlitten hatte, brauchte es Arbeitskr&fte. Einen Monat spater setzten die Verhaftungen von Juden und Nicht-Juden ein. Um der Zwangsarbeit im russischen Kernland zu entgehen, floh Edgar Hilsenrath zuriick nach Seret. In Czemowitz wurde er von den Russen verhaftet. Noch einmal untemahm er einen Fluchtversuch, und hatte Erfolg. Es gelang ihm, von den Russen unbehelligt, in dem durch Feuer 8

verwiisteten Seret unterzutauchen. Das Haus seines GroBvaters stand noch und wurde zum Versammlungsort der Verwandten. Der GroBvater hatte liberlebt, doch viele Familienangehorige kehrten nicht zuriick. Spater erreichten seine Mutter und sein Bruder die Stadt. Wahrend jene beschlossen, bis auf weiteres in Seret zu bleiben, entschied sich Edgar Hilsenrath zur Weiterfahrt, um seinen Vater in Frankreich zu suchen. Er folgte zunachst mit Pferd und Wagen der russischen Front bis Bukarest. Bei seiner Ankunft hatte die Stadt kapituliert und Hilsenrath muBte seine Frankreichplane aufgeben. Die zionistische Hilfsorganisation verschaffte dem inzwischen 18-JShrigen ein Einwanderungsvisum und einen gefalschten Pafi nach Palastina. Mit diesen Papieren war er in der Lage, die das Mandatsgebiet damals noch kontrollierenden Englander zu tauschen. Mit dem ersten Fluchtlingstransport im Oktober 1944 gelangte Edgar Hilsenrath, nach Verhaftungen in Bulgarien, liber die Tiirkei, Syrien und den Libanon im Januar 1945 ins Heilige Land. Knapp neunzehn Jahre alt, zog er Bilanz fur einen neuen Anfang: Mit zwolf Jahren hatte er seine Schulausbildung in Halle unterbrechen miissen, mit vierzehn Jahren einen Roman begonnen und einige Theaterstiicke geschrieben, und mit funfzehn Jahren muBte er seine Abiturvorbereitungen aufgeben, als er den Deportationsbefehl erhielt. Er hatte weder einen SchulabschluB noch einen Beruf, - doch er hatte uberlebt. Er pflanzte B&ume in der Negev-Wiiste, pfliickte Orangen im Kibbuz, verdingte sich als Bauarbeiter und Tellerwascher. In Tel Aviv traf er Jakov Lind und dessen Frau. Gemeinsam bestritten sie ihren Lebensunterhalt als Hilfsarbeiter und sprachen iiber ihre literarischen 9

Plane. In Palastina verfahte Hilsenrath erste Gedichte und kleine Novellen, denn mit dem Romanfragment, das er als 14-Jahriger begonnen hatte, hatte er seine Ambitionen entdeckt. Jenes Manuskript war bis zum Ende der Kriegswirren Bestandteil seines Handgepacks gewesen. Als er vor der russischen Zwangsarbeit floh, iibergab er seiner Mutter "das Buch," das ihr bei einem Uberfall entwendet wurde (154). In Jerusalem schrieb Hilsenrath einen Brief an Max Brod, dem er mitteilte, daJ3 er den "leidenschaftlichen" Wunsch hege, Schriftsteller zu werden. In seiner Antwort verhielt sich Brod nicht gerade abweisend, aber zurechtweisend: "Ich habe einen Horror vor Menschen, die nichts

als Literatur w o lle n ." ^ Zugleich forderte Brod Hilsenrath auf, ihm eine Schreibprobe zu schicken. Hilsenrath kam dieser Aufforderung nicht nach, und der Kontakt brach ab. Wenig spater teilte das Rote Rreuz ihm mit, dafi sein Vater mit gefalschten Papieren den Krieg in Frankreich iiberstanden habe. Edgar benachrichtigte Mutter und Bruder in Seret, die iiber Ungarn, Osterreich und Deutschland illegal nach Lyon reisten, wo die Familie 1947 vereint wurde. In Paris lagen mit 10-jdhriger Verzogerung die dem Vater 1938 verweigerten Einwanderungsvisen nach Amerika vor. Die Hilsenraths lebten einige Zeit in Lyon, wo Edgars erste Versuche zu seinem Roman N a ch t in einem Cafe entstanden. Anf&nglich waren seine Bemuhungen, ein ldngeres und zusammenhangendes Stuck zu Papier zu bringen, durch die ihm verschriebene Elektro-Schock Therapie, mit der damals vielfach das Holocaust-Trauma behandelt wurde, beeintrSchtigt. Sein Hauptanliegen bestand darin, sich zu iiberzeugen, dafi er nicht nur schreiben wollte, 10

sondern auch schreiben konnte. Obwohl seine Bemuhungen frustrierend waren,schopfte er Energie aus seiner Tdtigkeit. Die perstinliche Vergangenheitsbewaltigung des Autors vollzog sich im Akt des Schreibens, den er mit einem Heilungsprozefi verglich: "Nachdem ich zu schreiben angefangen hatte, war es mit meinen Depressionen vorbei"(104). Nachtelang schrieb er einzelne Seiten, die immer wieder im Papierkorb landeten. Er liberschritt seine Hemmschwelle mit den ersten zwanzig zusammenh&ngenden Seiten zuN acht, doch setzte er den Roman erst 1951 fort, als er seinem Bruder nach Amerika folgte. Seine Eltern wanderten zwei Jahre spfiter in die U.S.A. ein, und Manfred vollendete seine Schulausbildung am City College in New York. Anschliefiend absolvierte er ein Studium als Elektroingenieur an der Universitat von Stanford. Nach Anstellungungen bei Lockheed und IBM zog er mit seiner eigenen Familie nach Californien. Zur selben Zeit arbeitete Edgar Hilsenrath in New York als Busboy und Tellerw&scher. Er bestritt seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten, die ihm den Freiraum gestatteten, sich auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. In zwei nicht mehr existierenden Cafeterien am Broadway, Nahe 75ste Strafle, entstand das erste vollstandige Kapitel vonNacht, das Hilsenrath an einen Bekannten seiner Mutter schickte, den ebenfalls in New York lebenden Schriftsteller Melchior Lengyel. Lengyel ermutigte Hilsenrath zur Weiterarbeit, doch vergingen wiederum einige Jahre, bis Hilsenrath sich entschlofi, das nun auf mehrere Kapitel angewachsene Werk Korrektur lesen zu lassen. Die Freundin einer Bekannten, eine Germanistikstudentin, erklarte sich gegen Bezahlung dazu bereit. 11

Narfidem sie die ersten fiinfzig Seiten gelesen hatte, wollte sie dem Autor Geld borgen, damit er den Roman beendete. 1954 schloB Hilsenrath sein 1950 mit Bleistift in einem Pariser Cafe kurz vor seiner Auswanderung nach Amerika begonnenes Werk ab. Sieben weitere Jahre vergingen, bis er seinen handgeschriebenen Roman tippen lieB. Auf der Suche nach einer deutschen Schreibmaschine wandte er sich an die Deutsche Staatszeitung und Herold. Durch eine irrtiimliche Telefonverbindung kam er mit dem Chefredakteur Henry Marx ins Gesprach, der sich den Roman zur Ansicht erbat. Henry Marx war von dem Werk so beeindruckt, da/3 er es mit einem Empfehlungsschreiben an Helmut Kindler schickte. Kindler leitete die Veroffentlichung des Romans in die Wege. Doch sein personlicher Einsatz war nur von kurzer Dauer. Nacht erschien 1964 in einer verbliiffend niedrigen Auflage von 1250 Exemplaren (1). Zu Hilsenraths Erstaunen lehnte Kindler eine Neuauflage ab. Auf sein Befragen erhielt er nur vage Auskiinfte, woraufhin er einen Teil der Auflage selber kaufte. Der Roman war in wenigen Wochen vergriffen, da die meisten Bucher den Buchhandel gar nicht erreichten: "250 Exemplare waren angeblich beim Druck kaputtgegangen, und mehr als ein Viertel der Auflage - einen ungewohnlich hohen Anteil - will Kindler als Werbe- und Rezensionsexemplare verschickt haben"(209). Zweifel an dieser Aussage waren angesichts der wenigen, durchweg positiven Pressestimmen zu N acht gerechtfertigt. Dariiberhinaus betrieb der Verlag offentliche Werbung erst auf Drangen des Autors, als das Buch beim Verlag schon vergriffen war (205). 12

Ursula SchifFels bezeichnete die erste deutsche Auflage vonNacht treffend als den Druck einiger "Pflichtexemplare"(251). Ein solches Verlagsgebaren ist kein Einzelfall. z. B. zog 1948 den Erstdruck seiner Gedichtesammlung Sand aus den Urnen wegen vieler

Druckfehler und eines schlechten Einbandes z u r iic k .3 Mit mangelhafter Druckqualitat und geringer Auflagenzahl iibt das Verlagswesen eine Zensur, die nicht so leicht zu durchschauen ist wie die Ablehnung eines Manuskriptes oder eine staatliche Zensur. Schiffels ist der Uberzeugung, daft Hilsenraths Fall bekunde, "wie schwer man sich in der Bundesrepublik Deutschland auch in den 60er Jahren noch mit der Vergangenheitsb ewaltigung tat" (251). In den sechziger Jahren wurde in Deutschland eine Reihe von Holocaust-Werken deutsch-jtidischer Autoren veroffentlicht und positiv rezipiert, eine "Vergangenheitsbewaltigung," die sich in den siebziger und achtziger Jahren fortsetzte, wie u. a. Christiane Schmelzkopf nachwies (456). Der Themenkreis Holocaust/Faschismus und die ihn behandelnden Werke wurden von den deutschen Rezensenten nicht generell ignoriert. Hilsenraths Werk aber stiefl unter vielen Literaturkritikern auf Ablehnung. Der Grund ist nicht allein in Hilsenraths Thematik zu suchen, wie u.a. Willi Bars Bemerkung zu entnehmen ist: "Faschismus aber ist mir durch diese Lektiire wenig vorstellbar geworden"(211:S.134). Seine Kritik anNacht indiziert, dail auch das Verhalten des Kindler Verlages weniger eine Reaktion auf die Thematik als auf deren spezifische Darstellungsweise ist. Noch deutlicher bringt der Fischer Taschenbuchverlag diesen Vorbehalt zum Ausdruck, als er 1980 in der Einleitung vonNacht betont: "Ein Buch, das 33

nicht mifiverstanden werden darf als Denunzierung jiidischer Getto-

Bewohner"(l). Wahrend Hilsenrath die "Banalitat des Grauens" beschreibt, befaBte sich Hannah Arendt mit der "Banalitat des Bosen" und stieB auf vergleichbare Ablehnung.^ Die akzeptierte Holocaust Literatur der sechziger und siebziger Jahre leitete sich aus der geschichtsdeutenden Formel ab, die Deutschen seien unter einem unbezwingbaren Terror der Gewalt zusammengebrochen. Dieses schuldentlastende Denken fuhrte zu einem "Deutschland-als-Opfer" Argument und steigerte sich "zu einer Mystifikation von Geschichte, in der sich alle mit alien versohnen, fast so, als miifiten sich nun die Tater auch mit ihren Taten versohnen"(391:S.116). Dem Leser wird die Moglichkeit gegeben, sich in die Resignation gegenuber einem ins Irreale geriickten Bosen zu fliichten. Analog findet auch das Gute in dieser Literatur seinen Ausdruck im Irrealen. Held und Widersacher oder Morder und Opfer, einerseits "verteufelt" und andererseits "glorifiziert," erzeugen ein Geschichtsbild, das sowohl den Schuldigen als auch den Holocaustiiberlebenden gestattet, sich mit einer vordergriindigen Idealisierung zu begniigen. Leslie Adelson argwohnte bei jiidischen Schriftstellem, die sich vom Denken in einer heroischen Formel, die dem Mythos verwandt ist, nicht befreien konnen: "Es fragt sich dann, inwiefern sich das strukturell vom Nazi-Mythos/Heroismus unterscheiden lafit. Weim die Helden den M&rtyrertod sterben, hat sich an der christlichen Praxis auch nichts geandert."^ Die Greueltaten des Dritten Reiches unter dem Konzept des Bosen zu subsumieren bedeutet, wie u. a. Hannah Arendt, Anders und 14

Friedlander ausfuhrten, die Geschehnisse zu ahistorisieren (305:S.46). Diese Abstrahierung erlaubte es, sich aller Verantwortung, die an ganz konkrete TatbestSnde und der zu ihnen fiihrenden Entwicklungen gebunden ist, von sich zu weisen. Faschismus wird zu einer Erscheinung, der man ausgeliefert ist, und unter der alles begriffen wird, auch der Nationalsozialismus. Eine AuseinanderBetzung mit der Vergangenheit, die fur die einen zu belastend und fur die anderen zu schmerzhaft ist, findet dabei kaum statt. Um die Mechanismen faschistischer und nazistischer Gewalt zu erkennen, diirfen diese nicht nur im Kontext der Geschichte des Dritten Reiches diskutiert werden (433). Diese Geschichte gewinnt Bedeutung, indem sie nicht auf die Vergangenheit reduziert, sondem in die Gegenwart transponiert wird. Die historisch-politische Aufgabe besteht darin, sich zum Faschismus des Nationalsozialismus in ein moralisch und politisch zukunftsfahiges VerhSltnis zu setzen, anstatt ihn ausschliefllich der Vergangenheit zuzuordnen. Martin Broszat z.B. fordert die Darstellung und Akzeptanz "von Gegenpositionen, unterlegenen Altemativen oder gescheiterten Vorhaben ohne falsche Harmonisierung"(325:S.81). Etablierte Verlage wie Kindler und Fischer verfahren, wie an Hilsenrath exemplarisch dargelegt wurde, mit historischer Literatur selektiv. Auf diese Weise vermitteln ihre Lektoren eine Vergangenheit, die ihren eigenen Bediirfnissen und politischem Nutzen entspricht. Die meinungsmachenden VerlagshSuser, wie Hermann Liibbe konstatierte, gehoren zur deutschen Kulturelite, die jede mogliche moralische Diskreditierung ihrer selbst zu verhindern sucht (413:S.335). Die jahrelange Zuriickweisung Hilsenraths bei groflen Verlagen lieBe 35 darauf schlieflen, da!3 sie in ihm einen ideologischen Gegner sahen, der dem Auswahl- und Veroffentlichungskriterium "in sich stimmiger Deutungsmuster" nicht entsprach (413:S.335). Aus diesem Grund mag auch die MeinungBverschiedenheit zwischen Helmut Kindler und Nina Raven-Kdndler enstanden sein, die eine verlagsinterne Kontroverse hervorrief. Ihr zugrunde lag Nina Raven-Kindlers Erklarung: "Ich furchtete die falsche Reaktion des deutschen Publikums"(57). Struminski hielt diese Behauptung fiir einen Vorwand, "denn in Hilsenraths Buch benehmen sich Juden nicht gerade so wiirdevoll, wie man es gerne sehen wurde"(266). Innerhalb des Kindlerverlages kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Cheflektor Hans-Geert Falkenberg, der die Publikation vonN acht unterstiitzte und dem jiidischen Werbeleiter Ernest Landau. Landau versuchte, in einer Rundschreibeninitiative Gegenstimmen zuNacht zu sammeln. Obwohl Hilsenraths Hoffnung auf eine Auflagenerneuerung enttauscht wurde, war Nacht immerhin kurzfristig gedruckt worden. Er konnte sich mit dem Buch an einen New Yorker Agenten wenden, der internationale Werke an amerikanische Verlage vermittelte. Er wahlte den in der Branche bekannten Max Becker, der Doubleday, den damals groflten amerikanischen Verlag, iiberzeugte, Ubersetzung und Druck des Romans zu iibernehmen. Um sich bei Kindler von der vereinbarten Option fur zwei weitere Bucher zu entbinden, sandte ihm Hilsenrath ein Manuskript "aus der Mottenkiste" und eine an einem Nachmittag geschriebene Gedichtsammlung. Kindler reagierte mit der vom Autor erwarteten Ablehnung. Zwei Jahre nach dem "deutschen Pflichtdruck" wurde N acht in Holland und den U.S.A. verlegt und 16

brachte es zu einem solchen Erfolg, dafl der renommierte Londoner W. H. Allen Verlag sich um die Verbreitung im britschen Commonwealth bemiihte. Nacht wurde im Vergleich mit John SteinbecksDie Frtichte des Zorns oder John Hearseys M auer als das bedeutendere Werk angesehen. Hilsenrath, der sich als Exilautor deutscher Sprache im amerikanischen Kulturkreis auf verlorenem Posten betrachtete, wurde durch das Interesse in den USA an seinem Werk entschadigt. 1974 Manor Books eine amerikanische Taschenbuchauflage heraus. In Deutschland vergingen jedoch vierzehn Jahre vom ersten Druck des Romans bis zu einer neuen Veroffentlichung. Zwischenzeitlich schrieb Hilsenrath seinen zweiten Roman Der Nazi und der Frisor, der 1971 zuerst in den U.S.A. gedruckt wurde (2). Hilsenrath gehorte nun zu den wenigen Exilautoren, denen es gelungen war, ein deutsches Manuskript zuerst im Ausland anzubieten und in Ubersetzung verlegen zu lassen. Gerty Agoston sandte ihre Rezension an die New York Times mit dem Hinweis: "The Nazi and the Barber has - ironically - not been published in Germany yet. It is another discovery of a great German writer - in an English translation"(27). Nach dem internationalen Erfolg vonN acht war Hilsenrath kein Unbekannter mehr, weder fur Max Becker, der auch dieses Werk vertrat, noch fur Doubleday, der wiederum die Veroffentlichung iibemahm.Der Nazi und der Frisor stiefl auf eine so positive Resonnanz, dafi der Roman von 1973 bis 1975 in Frankreich, Italien und England verlegt wurde. In Frankreich wurde er fur den "Preis fur schwarzen Humor" vorgeschlagen, in Schweden 1980 zum "Buch des Monats" erkl^rt, und 1987 stand er in Norwegen an der Spitze der Bestsellerliste. 17

1973 erwarb Manor von Doubleday die Taschenbuchrechte fur Nacht und Der Nazi und der Frisor. Beide Werke erschienen mit einer Startauflage von jeweils 175.000 Taschenbiichern. 1977 erfolgte bei Manor eine Neuauflage vonThe Nazi and the Barber - unter dem ver&nderten Titel The Nazi who lived as a Jew. Der Verlag wollte mit diesem provokativen Titel die Verkaufszahlen steigern, doch die Umbenennung war rechtswidrig, da sie ohne Hilsenraths Genehmigung erfolgte. Doubleday, der die allgemeinen amerikanischen Rechte fur Hilsenrath hielt, verklagte Manor. Der Verlag wurde jedoch aufgelost, und Abrechnungen uber Tantieme der zweiten amerikanischen Taschenbuchauflage wurden nie an Hilsenrath entrichtet. Heute hat Der Nazi und der Frisdr als TaBchenbuch im Verkauf die Millionengrenze iiberschritten.

1.2. Berlin?'.Berlin! Mit dem Erscheinen dieses Romans auf dem europaischen Markt zog Hilsenrath nach Deutschland, um seiner sprachlichen Entfremdung ein Ende zu setzen. Seine Aufzeichnungen fur die Sternstunde im Berliner Buchhandlerkeller veranschaulichen die damalige Lage des Autors: "Es war auch eine einsame Zeit, denn ich lebte druben als deutscher Exilautor (obwohl ich offiziell nicht einmal zu den Exilautoren gehorte), das heifit: Ich schrieb deutsch in einer fremdsprachigen Umgebung. Da wird man zum Aufienseiter: Ich k&mpfte auch t&glich um die deutsche Sprache, k&mpfte gegen eine Umwelt an, die gem wollte, da/3 ich englisch denke und die deutsche Sprache, so wie es die meisten Emigranten machten, an den Nagel hange"(25). In seinem Verhdltnis zur deutschen Sprache spiegelt sich 18

Hilsenraths Uberzeugung, daft die Identitat eines Menschen, besonders eines Schriftstellers, durch seine Sprache bestimmt wird. Der Freiraum des sprachlichen Ausdrucks ist relativ zur Kenntnis einer jeweiligen Sprache. Es geht Hilsenrath darum, sein sprachliches nnd historisches Erbe aufrecht zu erhalten. Der Holocaust ist von der deutschen Sprache untrennbar, und fur Hilsenrath determiniert diese Themenwahl das sprachliche Medium. Sander Gilman charakterisierte Hilsenraths Entscheidung zutreffend: "Fur Hilsenrath ist das Problem der Sprache des Juden das Problem der Sprache des Exilierten ... Die verborgene Sprache des "Juden" ist Deutsch, und zwar nicht weil eine notwendige Verbindung bestiinde zwischen Juden und der deutschen Sprache, sondem weil es sowohl die Sprache der Kindheit ist als auch die Sprache seiner pr&genden Erfahrung, der Konzentrationslager"(127:S.289). Fur Hilsenrath kam es nicht infrage, seinen Eltem zu folgen, die Amerika 1970 verlieften und nach Israel auswanderten. Zwar wurden seine Werke in Israel rezensiert, doch ihre Ubersetzung und Veroffentlichung in hebraischer Sprache wurden ihm nie angeboten. Die wenigen deutsch-judischen Schriftsteller wie Nathan Zach betonten die staatliche Eigenstandigkeit Israels sprachlich, indem sie auf hebrSisch schrieben. Der jiingeren Generation war der deutsche Sprachkulturkreis fremd, wie Untersuchungen u.a. von Margarita Pazi zeigen. (436/351) Nathan Zachs geographischer Standort beruht auf einer politischen Entscheidung, aus der sich seine sprachliche Entscheidung ableitet. Hilsenrath befurwortet den Staat Israel, steht den Zionisten jedoch skeptisch gegeniiber und trifft auch bei ihnen auf Zuriickhaltung. Seine geographische Standortbestimmung resultiert aus einer 19

sprachlichen Entscheidung, aus der sich die kulturelle Entscheidung ergibt. In einem offentlichen Brief an P. J. Blumenthal erklarte er dem Redakteur von Cheschbon: "Schreibend kann ich nur in meiner sprachlichen Heimat leben. In Israel bin ich ein Fremder. Hier liegt der Widerspruch. In Israel fuhle ich mich als europaischer Jude deutscher Sprache, und fur so einen ist gar kein Platz in Israel. Es ist eine andere Mentalitat, und mit dem Taxifahrer aus Marokko und dem echten Sabra habe ich kaum etwas gemein. Hier liegt das grofite Problem. Wo gehore ich eigentlich hin? Im Grunde gehore ich nirgendwo hin. Meine Heimat sitzt in meinem Kopf. Solange der noch klar ist, ist alles o.k"(19:S.16). Hilsenraths Kommentar ist nicht nur personlicher Natur. Seine Fragestellung reflektiert die Geschichte der Juden, die immer wieder vertrieben und ausgesiedelt wurden, wie H. G. Adler in einem geschichtlichen AbriB darlegte(295). Nach der Unabhdngigkeitserklarung der Vereinigten Staaten und der franzdsischen Revolution, denen das Prinzip der Gleichberechtigung zugrunde lag, wurde den Juden in den europdischen Verfassungen zu ihrer biirgerlichen Emanzipation weiterhin die Nationszugehorigkeit verweigert. Auch Konformismus bewahrte sie nicht vor dem Reichsbiirgergesetz von 1935. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund bedeutet Heimat fur Hilsenrath nicht ein nach duBerlichen Regeln festgelegtes System innerhalb geographischer Grenzen, sondem der Mensch ist sich selber Heimat. Heimat ist im Unterschied zur Staatszugehorigkeit ein verinnerlichtes BewuBtsein. Hilsenrath betrachtet sich als ein in Deutschland lebender, amerikanischer Staatsbiirger jiidischer Herkunft. 20

In den 60iger und 70iger Jahren flog Hilsenrath mehrere Male nach Miinchen, um seine literarische Agentin zu besuchen. Im Herbst 1975 verwirklichte er seinen Plan, in den deutschen Sprachraum zuriickzukehren und wahlte West-Berlin als standigen Wohnsitz. Schon als Kind traumte er von Berlin: "Berlin - ein magisches Wort. Es tauchte zum ersten Mai auf, als ich fiinf war"(18). Am Tag seiner Flucht nach Rumanien, so weifi er sich zu erinnern, schien es ihm als fiihre er in Wirklichkeit nach Berlin, - "iiber Rum&nien, Paris, Amerika und zuriick nach Berlin"(18). Hatte er bisher fur den Leser das Unvorstellbare einer vergangenen Wirklichkeit rekonstruiert, so konstruierte er nun fur Bich die Wirklichkeit des ehedem Unvorstellbaren. Der Presse teilte er mit, der Ruf der Stadt habe ihn bewogen, sich hier niederzulassen: "Berlin habe ich eigentlich nur deshalb gew&hlt, weil man mir sagte, die Leute seien hier aufgeschlossener, weil sie auf einer Insel lebten umgeben von der Mauer, und dall man Auslandem gegenuber toleranter sei"(204). Der in den deutschen Sprachraum zuriickgekehrte Hilsenrath identifizierte sich weiterhin als Auflenseiter oder Auslander. Dieses Selbstbild bestimmt seine Haltung gegenuber seiner Auflen- und personlichen Innenwelt. In seinem literarischen Selbstportr&t Wir starben einen anderen Tod , verriet er 1978 in der Zeit: "Das Gesicht des Fremden tragt meine Ziige. Der Fremde ist immer anwesend. Immer" (209). Die politisch-geographische Abkapselung Berlins ermoglichte ihm, sein Selbstverstandnis als Fremder und Insulaner zu erhalten. Der Sonderstatus der Stadt kam Hilsenrath auch in anderer Hinsicht gelegen. West Berlin wurde von der 2 1

Bundesregierung besonders in den Kiinsten subventioniert, und ein Wohnungswechsel in die geteilte Stadt wurde steuerlich begunstigt. Aus praktischen und ideellen Griinden liefl sich Hilsenrath in der Stadt seiner Kindertraume nieder. Die Gedanken bei seiner Ankunft hielt er im Skript fur die Sendereihe Passagen fest. Am Ende eines inneren Dialoges wird er gefragt: "Sind Sie ein waschechter Berliner?" Waschecht, das sind jene, die dort geboren sind, und dennoch antwortet Hilsenrath: "Nein, - aber ich konnte ja einer werden"(18). Er weist daraufhin, dail die Heimat im Kopf, eine Frage eigener Wahl und Uberzeugung und nicht des zufalligen Geburtsortes ist. Hilsenrath schrieb selbst die deutschen Verlage an, nachdem die Versuche von Dagmar Henne, der Munchner Vertreterin von Max Becker, erfolglos blieben. Er bekam eine Absage nach der anderen, unter ihnen von Hoffmann und Campe, Bertelsmann, Rowohlt, Scherz etc. Dank verschiedener Interviews im SFB und im Saarlandischen R u n d fu n k wurden Autor und Werk trotzdem bekannt. Einen entscheidenden Anteil an der Meinungsbildung hatte ein deutschsprachiger Appell aus dem Ausland. Ein BBC Interview mit Hilsenrath veranlaflte die britische Rundfunkredaktion, die N eue Ziircher Zeitung von der negativen und fehlenden Resonanz deutscher Verlage in Kenntnis zu setzen. Die Neue Ziircher Zeitung, die in Deutschland den Ruf eines objektiven Beobachters genieflt, warf deutschen Verlegern vor, endlich Der Nazi und der Frisor zu drucken(261). Doch die grofien Verlage weigerten sich nach wie vor, Hilsenraths Roman in ihr Repertoire aufzunehmen. Hilsenrath erklart sich die 22

Ablehnungen wie folgt: "Die Verleger haben hierzulande ja alle grofle Angst vor politischen Satiren"(278). In der Tat steht Hilsenrath mit dieser Erfahrung nicht allein. Welchen Grad die Intoleranz erreichen kann, lafit sich an August Kuhn illustrieren. Seine Satire iiber den bayrischen Chauvinismus Massbierien wurde von alien bayrischen Verlagen abgelehnt. Das Buch, ganz auf bayrische Verhaltnisse zugeschnitten, fand schliefllich in Hessen, wo es mehr oder weniger funktionslos war, einen Verleger(210:S.140). Im Kleinen entspricht Kuhns Erfahiung der Hilsenraths, dessen Bucher zuerst dort verlegt wurden, wo sich das Lesepublikum nicht mit den Verfolgem sondern mit den Verfolgten in seinen Romanen identifizierte. Satire findet deshalb bei jenen Lesern Zustimmung, die sich nicht als Tater betroffen fuhlen. Peter Schiitze argumentiert, dail "Satire immer nur diejenigen anspricht, die sich nicht identifizieren mit dem, was da satirisch angegangen wird"(210:S.141). Als 1977 die zweite amerikanische Taschenbuchauflage des Romans bei Manor erfolgte, wurde The Nazi and the Barber auch in Deutschland verlegt. Dem Autor kam im Berliner Buchhfindlerkeller der gluckliche Zufall in Gestalt des Jungverlegers Helmuth Braun zu Hilfe. Braun, selbst noch ein Unbekannter, versuchte, unbekannten Autoren einen Durchbruch zu verschaffen. Hilsenrath bot ihm sein Manuskript an, und Braun erinnerte sich an den Artikel in der Neuen Ziircher Zeitung. Sein Angebot folgte prompt nach Durchsicht des Manuskripts und Hilsenrath unterschrieb den Vertrag. Die Befurchtungen seiner Freunde, dafi er bei einem solch kleinen Verlag untergehen wurde, trafen nicht ein. Der Nazi und der Frisbr erschien 23 mit 10.000 Exemplaren, und schon in den ndchsten bei den Monaten liefi Braun eine zweite und dritte Auflage in jeweils gleicher Hohe drucken. Als Heinrich Boll den Roman fur Die Zeit rezensierte, begann ein Wirbel um den unbekannten Autor und unbekannten Verlag. Spiegel und Stern schickten Reporter zu Hilsenrath, und der Autor unterzeichnete weitere Vertrage mit Braun. Ein Jahr spater prasentierte BraunNacht in einer Auflagenhohe von 50.000. Doch als Kleinverlag konnte Braun einem Wettbewerb mit dem etablierten deutschen Verlagswesen nicht lange standhalten und meldete noch im gleichen Jahr seinen Konkurs an. Der Abstieg des Verlages erfolgte ebenso rasant wie sein Aufstieg. Am Anfang von Brauns Erfolg stand HilsenrathsDer Nazi und der Frisor, der Hilsenrath zum Bestsellerautor machte und Braun in die Schlagzeilen der Presse brachte. Am Ende der kurzlebigen Symbiose stand Hilsenraths Roman Nacht, dessen Erfolg den Verlag nicht vor dem Untergang retten konnte (242). Auch Hilsenrath war von Brauns Konkurs finanziell betrofFen, da der Groflteil seiner Honorare in der Konkursmasse verschwand. Der Bertelsmann Buchclub nutzte die Situation und kaufte 35.000 Exemplare vonNacht unter Preis. Als die beiden ersten Romane Hilsenraths erfolgreich in Deutschland verlegt waren, schien der Fischer Verlag seine einstige Zuriickweisung vergessen zu haben. Er erwarb die Taschenbuchrechte und veroffentlichte 1979 Der Nazi und der FrisQr als Taschenbuch mit einer bisherigen Auflagenhohe von 66.000 und 1980Nacht, m it einer bisherigen Auflagenhohe von 22.000. Sieht man von der "Pflichtpublikation” Kindlers ab, so wurden die Erstlingswerke 24

Hilsenraths in Deutschland in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Entstehung veroffentlicht. Brauns Konkurs zwang Hilsenrath, einen neuen Verleger zu finden. Auf der Frankfurter Buchmesse 1978 unterzeichnete er gegen einen VorschuB von 150.000 DM fur zwei neue Werke einen Vertrag mit Langen Muller und iiberschrieb dem Verlag alle Rechte fur seine bisherigen Werke. Finanziell ging es Hilsenrath besser denn je, doch die mangelnde Werbung des Verlages enttauschte ihn. Heute ist er der Meinung, daB der Vertrag auf beiden Seiten ubereilt abgeschlossen wurde, da seine Bucher weder in das Verlagsprogramm noch zum Image von Langen Muller paBten. Der Erfolg fur das erste in Auftrag gegebene Buch Gib acht, Genosse Mandelbaum, das bei Piper mit seinem Originaltitel Moskauer Orgasmus neu aufgelegt wird, blieb aus (3). Im Ausland fanden sich keine Interessenten, und in der Inlandspresse erfuhr es nur geringe Beachtung. Nach Jahresablauf libergab Hilsenrath, wie vereinbart, ein zweites Manuskript,Bronskys Gest&ndnis (4). Obwohl auch diesem Roman internationaler Ruf versagt blieb, fand er Beachtung in deutschen Feuilletons, und Ullstein erwarb die Taschenbuchrechte. Nach Fertigstellung der zwei vereinbarten Romane trennten sich Langen Muller und Hilsenrath in gegenseitigem Einvernehmen. Drei Jahre spater fand der Autor mitZibulsky oder Antenne im Bauch in Claassen einen neuen Verleger, erlebte aber, als das Buch 1983 auf den Markt kam, eine neue Enttauschung (5). Das Werk wurde kaum in der Buchwerbung angekundigt oder zur Rezension verschickt und blieb iiber die Grenzen des deutschen Marktes hinaus unbekannt. Hilsenrath trennte sich von Claassen und reiste in 25

den folgenden sechs Jahren als Mitglied des Pen Clubs im In- und Ausland zu Lesungen. Er recherchierte ein Thema, mit dem er sich seit fast zwanzig Jahren beschaftigte, und das ihn 1986 in die Tiirkei fuhrte. Helmut Braun, der nach dem Bankrott seines literarischen Verlages den Filmverlag Rubicon grundete, finanzierte das Projekt, das als Drehbuch geplant war. Nach sorgfdltigen historischen und linguistischen Studien entstand zun&chst ein neuer Roman D a s Marchen vom letzten Gedanken (6). Umfang und Inhalt dieses Romans verweisen aufNacht und Der Nazi und der Frisor , wahrend Stil, Struktur und Konzept neue Dimensionen annehmen. Nacht war die literarische Realisierung erster Zukunftsplane, nach denen ihn sein Vater befragte: "Eigentlich will ich gar nichts werden. Nichts. Ich will atmen. Atmen. Und schreiben. Und aussagen, was die Toten im StraiJenschlamm von Mogilew-Podolsk nicht aussagen konnen. Nicht mehr"(209).D a s Marchen vom letzten Gedanken sprengt diesen Rahmen. In diesem Roman erweitert Hilsenrath seine damalige Absicht, indem er die Toten des ukrainischen Gettos zum Symbol fur alle werden l&fit, deren Leben in Verfolgung und Vernichtung endete. Die toten Armenier sind ebenso Opfer eines faschistischen Regimes wie die Toten in Prokow. Ihren Tod verursachte ein politisches System, das kein Einzelfall ist. Unter bestimmten politisch-strukturellen Voraussetzungen sind Massaker als grundsatzlich menschenmogliche Handlungen iiberall imd zu jeder Zeit duplizierbar. In seiner antifaschistischen Grundsatzhaltung lehnt Hilsenrath es ab, dafi die Geschehnisse im Dritten Reich "durch Ereignisse, die nichts mit den Betroffenen und den Vollstreckem zu tun 26 haben, gestrichen werden"(19:S.14). Vielmehr verweist er auf den Faschismus als internationales Phanomen, das nicht nur den von den Nazis veranstalteten Holocaust bewirkte. 1978 erklarte Hilsenrath: "Meine Beziehung zum Judentum ist eine historische, - eine Schicksalsgemeinschaft"(278). Diese Schicksalsgemeinschaft formierte sich aufgrund von und unter Herrs chaftssystemen, die gegen die Emanzipation des Judentums gerichtetet waren und in sich bereits jene Elemente bargen, aus deren Summe der Holocaust im Dritten Reich resultierte (398:S.43). Diesem Argument von Max Horkheimer, Wilhelm Reich und Theodor W. Adorno zufolge ist der Faschismus kein deutsches Phanomen. Er ist, wie Hannah Arendt erklarte, "als eine gegen die Nation gerichtete internationale Bewegung" zu begreifen (304:S.38). Hilsenrath teilt diese Ansicht und iibertrSgt seine Beziehung zur jiidischen Schicksalsgemeinschaft auf die armenische Schicksalsgemeinschaft. Beide Schicksalsgemeinschaften sind insofem Teil von Hilsenraths historischer Erfahrung, als Juden, wie auch Armenier, Opfer eines Herrschaftssystems wurden, das sich jener, von Rajani Palme Dutt als faschistisch identifizierten Methoden wie Terrorismus, Kampfformationen, Antiparlamentarismus, Demagogie und die gewaltsame Unterdruckung aller Parteien und Oragnisationen, d.h. die systematische Entrechtung des Individuums, bediente (343:S.298). Hilsenraths literarische Behandlung der Armenierverfolgung geht tiber die historische Faschismusdebatte hinaus, die hauptsachlich systempolitische Charakteristiken in Italien, Spanien, Ungarn und faschistoide Ziige in den U.S.A. ab 1919 diskutiert. Doch Hilsenrath stellt 27

die faschistischen Zusammenhange bei der Armenierverfolgung nicht nur im Roman dar. Seine SolidaritStsbekundungen gehen fiber ein literarisches Engagement hinaus. Am 30.4.1990 reiste er nach Bonn, wo er an dem ersten ArmeniertrefFen in Deutschland teilnahm. Hilsenraths Verlagssuche fur Das Marchen vom letzten Gedanken verlief zunachst erfolglos, bis ihm wiederum der Zufall zu Hilfe kam. Eine Bekannte seiner Freundin Marianne Bohme, Eva Jaeggi, Psychologin und Sachbuchautorin bei Piper, las das Manuskript und leitete sie es an den Verlagsleiter Ralf Peter Marstin weiter, der ihren Enthusiasmus teilte. Wenig sp&ter bot Piper an, den Roman sowie Hilsenraths Gesamtwerk zu verlegen. Noch vor seiner Veroffentlichung erhielt Das M&rchen vom letzten Gedanken im Mkrz 1989 den Doblinpreis. Im Sommer desselben Jahres erschien das Buch in Leinen sowie als Taschenbuch mit blauer Banderole, die mit dem Aufdruck "Alfred Doblin Preis 1989" Aufsehen fur den Roman auf der Frankfurter Buchmesse erregte. Hilsenrath ist sich dariiber im unklaren, wie die Doblin- Preisverleihung zustande kam. Er erinnert sich, daf3 Henry Marx 1976 nach einer Fernsehdiskussion mit Walter Hollerer, dem Vorsitzenden des Literarischen Colloquiums in Berlin, an den Kritiker herantrat, um ihn auf den in Deutschland noch unveroffentlichten Roman Der Nazi und der Frisdr aufmerksam zu machen. Hilsenrath schickte Hollerer einen Brief und das Manuskript, erhielt aber nie eine Antwort. Auch nachdem der Roman in Deutschland erschienen war, wurde Hilsenrath nie zu einer Lesung, ausgenommen einer Marathonlesung von hundert Autoren, in das Literarische Colloquium eingeladen. Selbst als Braun 28

Hollerer um eine Buchbesprechung vonDer Nazi und der Frisor bat, erfolgte keine Stellungnahme. Nachdem Hilsenrath der "Doblin Preis" von der Jury verliehen wurde, sprach man ihm eine Einladung ins Literarische Colloquium, das die Grass-Stiftung verwaltet, aus.® Auch die Akademie der Kiinste, wo Gunter Grass Hilsenrath den mit DM 15.000 dotierten Preis iibergab, hatte Hilsenrath nie zu einer Lesung eingeladen. Eine Erklarung fur die Preisverleihung legt Andreas Grafs Vergleich von Hilsenrath mit Grass nahe (133). Die von Graf gezogenen Parallelen zwischen Das Treffen in Telgte, Die Blechtrommel, Nacht und Der Nazi und der Frisor mogen auch dem Doblin-Kolloquium aufgefallen sein. Wie diese Parallelen von den Mitgliedern des Preisverleihungsgremiums interpretiert wurden, ist unbekannt. Einige mogen Der Nazi und der Frisor als eine Satire auf Die Blechtrommel oder H u n d e ja h re verstanden haben. Andere hingegen mogen Hilsenraths Roman verkannt und eine Geistesverwandtschaft zu Grass' Werk gesehen haben, derzufolge sie den Begriinder dieses Literaturpreises von 1972 in Gestalt Edgar Hilsenraths ehrten. Letztlich mag auch jemand verstanden haben, da/3 mit dem Doblinpreis ein jiidischer, sozialkritischer Autor zu ehren sei. Hilsenrath wurde der Doblinpreis fur einen Roman verliehen, der das Armenierprogrom von 1915 zum Thema hat. Mit dem Protagonisten vonDas Marchen vom letzten Gedanken stellte der Autor dem deutschen Publikum eine Figur vor, die zeitlich und geographisch distanzierter ist als die seiner anderen Werke. Im Fall von Nacht mangelte es vielen deutschen Juden an Bereitschaft, den Anti-Helden, wie vom Autor 29

beabsichtigt, als Resultat einer "Verfremdung" zu akzeptieren; "eine angebliche Verharmlosung, die aber keine ist"(210:S.134). Genauso zweifelten viele deutsche Nicht-Juden, daB der Anti-Held inDer Nazi und der Frisor gemaB Hilsenrath dazu auffordere, "sich mit dem Faschismus auseinanderzusetzen und entgegengesetzte Haltungen einzunehmen" (210:S.141). Das Marchen vom letzten Gedanken hingegen beschreibt einen Holocaust, fur den sich die Deutschen nicht verantwortlich fiiihlen. Dagmar Lorenz bezeichnete diesen Genozid als einen "anderen Holocaust", - entsprechend konnen auch "andere" fur ihn verantwortlich gemacht werden (186). Obwohl Hilsenrath und die Historiker auf die damalige Beteiligung der Deutschen und Osterreicher hinweisen, fuhlt sich das heutige Publikum von den Ereignissen nicht direkt betroffen. Hilsenraths "Anklage im Tammantel" bewirkt das, was er sich von jedem seiner Werke erhoffte, ndmlich "daB die Leute es lesen konnen und, wenn auch nachtraglich, begreifen, was eigentlich passiert ist"(210:S.134). Dariiberhinaus bezweckt Das Marchen vom letzten Gedanken mehr als ein Verstandnis der historischen Vergangenheit in das BewuBtsein der Leser zu rufen. Der Homan fordert dazu auf, liber die Zusammenhange jener Vergangenheit mit der Gegenwart nachzudenken. Der Doblinpreis 1989 fur Das Mdrchen vom letzten Gedanken erganzt gewissermafien den friiheren Erfolg der Gunter Wallraff Studie Ganz unten. Tomas Kosta konstatierte 1987, daB "es hier einmal gelungen ist, mit einem Buch einen einmaligen Erfolg zu haben, dessen Thematik die Auslander betrifft. Das ist niemand anderem gelungen, schon gar keinem Politiker. Aber ein Buch hat das 30 geschafifit"(393:S.136). Zwei Jahre spater schaffte es Hilsenrath einen neuen Aktualitatsbezug zu einer Gruppe dieser Minderheit herzustellen. Als "Gastarbeiter" deklassifiziert, werden Tiirken und Armenier in Deutschland trotz der Integrationserlasse der Bundesregierung nicht als Gleichberechtigte behandelt. Die tiberlebenden der armenischen Opfer von 1915 sowie die Nachkommen ihrer tiirkischen Verfolger werden in Deutschland diskriminiert. Nicht nur die Wurde der Opfer, auch die Wiirde der Tater wird vom "Gastarbeiterhafl," einer Fortsetzung des deutschen Antisemitismus, verleugnet. Hilsenrath fiihrt mit seinem letzten Roman jenen Vorwurf ad absurdum , der ihm anlaftlich seiner friiheren Werke gemacht wurde, ndmlich da!3 er die Wiirde der Opfer angetastet habe. Die Wiirde der Opfer wird in Deutschland taglich von jenen angetastet, die die toten Opfer glorifizieren, aber deren Nachfahren und die iiberlebenden Verfolgten miflachten. Trotz der Preisverleihung besteht die alte Kontroverse, ob die Satire der literarischen Darstellung des Holocausts angemessen sei. In der deutschen Literaturszene herrscht die Uberzeugung, dafl die Satire die Wiirde der Opfer und T&ter antastet, weil sie mit den schwerwiegenden Inhalten zu leichtfertig verfahre. Dieser Vorwurf wurde schon Heinrich Heine gemacht, dessen Reaktion sich Hilsenrath anschliefit: "Sie glauben gar nicht, wie schwer mir diese Leichtfertigkeit fallt"(104). Dies scheint ein Grund zu sein, weshalb Hilsenrath weiter von der osterreichischen Literaturpapstin Siegrid Loffler und dem deutschen Literaturpapst Reich-Ranicki ignoriert wird. Letzterer treibt seine Ablehnung der satirischen Behandlung emsthafter Stoffe so weit, 31 daB er die Veroffentlichung der Werke von Kurt Tucholsky und Karl Kraus fur unentschuldbar halt(448:S.263). Aus Reich-Ranickis Beschreibung seiner Schulzeit Geliehene Jahre geht hervor, wie sehr er im Bann des deutschen Idealismus steht. Schon damals faszinierte ihn in der Literatur "die poetisch-intellektuelle Welt," w&hrend ihn "jene andere, die derbe und primitive" abstieB (446:S.55). Dennoch sind sich Reich-Ranicki und Hilsenrath einander naher als erwartet: der Piper Verlag veroffentlicht seit l&ngerem Reich-Ranickis Werke. Zwei Jahre bevor Piper Das Marchen vom letzten Gedanken herausbrachte, erschien bei ihm Rudolf AugsteinsHistorikerstreit: Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung (308). Mit dem letzten Roman Hilsenraths prasentiert der Verlag gewissermaBen ein literarisches Pendant zu der vorangegangenen akademischen Auseinandersetzung.Das Marchen vom letzten Gedanken kommentiert jene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die sich in dentermini technici der akademischen Abstraktion verliert und den Blick fur das einzelne Opfer triibt.^ Hilsenraths unmittelbarer Freundeskreis ist klein. Zu ihm gehort der in New York und London lebende Jakov Lind, mit dem er vor 45 Jahren in Tel Aviv Freundschaft schloB. Parallelen im Werk der beiden Autoren, insbesondere ihr "makabrer Humor," lassen darauf schlieBen, daB sie ihre literarischen Plane miteinander diskutiert haben. Dagmar Lorenz wies daraufhin, daB Lind, der zwei Jahre vor Hilsenrath mit seinem Buch Eine Seele aus Holz debiitierte, in Deutschland auf ahnliche Kritik stieB wie Hilsenrath: "Not surprisingly he was, just as Lind, criticized for what sanctimonious German critics and authors 32 mistook for irreverence"(186). In Berlin lernte Hilsenrath seine langjahrige Freundin Marianne Boehme kennen. Mit ihr, seinem Bruder Manfred und seinem Freund Thomas Halascinski unternahm er 1988 eine Rumdnienreise. Das Resultat dieser Fahrt, sendete der SFB, ein Horstiick mit dem Titel Das verschwundene Schtetl (22). Als Sprecher trat wie schon 1985 fur das Horspiel Warum so umstdndlich oder Woody Allen aus Berlin im Selbstgesprdch der Freund und Berliner Schaubiihnenschauspieler Werner Rehm auf (18). Halascinski ist ein Gesch&ftspartner des ehemaligem Verlegers Helmut Braun, Inhaber des Rubicon Film Verlages, der die Filmrechte zu Hilsenraths Werken erwarb. Schon 1976 schlofl Hilsenrath Freundschaft mit dem Lyriker Johannes Schenk und seiner Lebensgefahrtin, der Malerin Natascha Ungeheuer, die den Einband fur Das Mdrchen vom letzten Gedanken entwarf. Hilsenrath verkehrt regelmaflig in Schenks Literatencafe oder im Buchhandlerkeller, wo K. P. Herbach ihm 1976 Helmut Braun vorstellte. Hier traf er Ingeborg Drewitz wieder, mit der er den literarischen Gedankenaustausch ihrer ersten Begegnung auf einer Pen-Tagung in New York fortsetzte. Der Veranstaltungskalender beider Treffpunkte spricht das "linksintellektuelle" Publikum an. 1976 gingen Hilsenraths Manuskripte hier von Hand zu Hand und niemand verstand, warum seine Romane in Deutschland keinen Verleger fanden. Der personliche Einsatz von Marianne Wagner, Redakteurin beim SFB, Drewitz und Herbach bewirkte ein wachsendes Interesse an Hilsenrath in der Offentlichkeit. Zu Hilsenraths Freundeskreis zahlen 33

Lektoren, Rezensenten, und Rundfunkredakteure, darunter Peter Jokostra und Christoph Buch. Aus Opposition gegen die Kirchenzwangssteuer in Deutschland trat Hilsenrath aus der jiidischen Gemeinde aus, tragt sich aber heute mit dem Gedanken, sich ihr aus Solidaritat wieder anzuschlieften. Sein Verhaltnis zur jiidischen Gemeinde bezeichnet er als "neutral." Sie vermittelte ihm vor funfzehn Jahren jene Wohnung, in der er seit seiner Riickkunft nach Deutschland wohnt. Als die judische Gemeinde das Haus vor zwei Jahren verkaufte, wurden aus den Mietwohnungen Eigentumswohnungen. Dank seines neuerlichen Romanerfolges konnte Hilsenrath seine bescheidene Wohnung behalten. Zwar ist aus dem Mieter ein Wohnungsbesitzer geworden, doch Hilsenraths Lebensverhaltnisse und Bediirfnisse sind seit seinem Erfolg vonDer Nazi und der Frisor unverandert geblieben. In seinem ungeregelten Leben hat eine systematische Entwicklung stattgefunden, die auch der Literaturkritik nicht entgangen ist und Kritikern Unbehagen verursacht, weil Hilsenrath verschiedene literarische Tabus bricht. Nicht nur Hilsenraths Lebenslauf "hSngt zwischen alien Rahmen." Sein Stil bedingt, dafi auch seine Werke "zwischen den Rahmen hangen." Hilsenrath hat einen Teil dieser Entwicklung selbst charakterisiert: "... aus mir [sollte] ein verhinderter Dramatiker werden, dessen Romane fast ausschliefilich aus Dialogen bestehen"(190:S.78). Intention und Wirkung von Hilsenraths Romanen werden in den folgenden Kapiteln exemplarisch anNacht und Der Nazi und der Frisor untersucht. 34

IFUBNOTEN

1 Alle Zitate in dieser Arbeit sind parenthetisch im Text mit einer Nummer gekennzeichnet, die sich auf die Nummer der jeweiligen Quelle im Literaturverzeichnis bezieht. Dieser Nummer folgt die Seitenzahl. 2 Nach Auskunft von Edgar Hilsenrath, dem sich diese Zeile von Max Brod besonders einpragte. 3 Zitiert nach Ruth Gross (377:S.103). Es handelte sich um den Druck bei A. Sexl, Wien: 1948. 4 Detlev Claussen stellte fest: "Man [der Tater] mogelt sich selbst unter die Opfer"(337:S,23). Claussen zitierte Hannah Arendt, die in Besuch in Deutschland die Banalisierung der Greuel wie folgt beschrieb: "Aus der Wirklichkeit der Todesfabriken wird eine blofie Moglichkeit: die Deutschen hatten nur das getan, wozu andere auch fahig seien." 5 Zitiert nach einer Anmerkung von Leslie Adelson in meiner Seminararbeit "Ausgesuchte Dramen zwischen 1950 und 1970," The Ohio State University, Department of German, 1985. 6 Die Jury bestand aus den Literaten Sibylle Cramer, F.C. Delius und Hans Bender. 7 Hilsenrath schreibt: "... die Historiker werden sich ins Faustchen lachen, besonders die Zustandigen fur zeitgenossische Geschichte, denn sie brauchen zur Unterbrechung ihrer Langeweile neuen Stoff,... In ihrer Phantasielosigkeit werden sie nach Zahlen suchen, um die Massen der Erschlagenen einzugrenzen - sie sozusagen: zu erfassen -, und sie werden 35 anch Wortem suchen, um das grofie Massaker zu bezeichnen und es pedantisch einzuordnen. Sie wissen nicht, daB jeder Mensch einmalig ist, und daB auch der Dorftrottel im Heimatdorf deines Vaters das Recht auf einen Namen hat. Sie werden das groBe Massaker Volkermord nennen oder Massemnord, und die Gelehrten unter ihnen werden sagen, es heiBe Genozid. Irgendein KlugscheiBer wird sagen, es heiBe Armenozid, tmd der allerletzte Fachidiot wird in Worterbiichem nachschlagen und schlieBlich behaupten, es heiBe Holocaust"(6:S.174). KAPITEL II NACHT

Seit den letzten zwanzig Jahren hat sich die offizielle Haltung gegenuber der Exilliteratur und der Literatur deutscher Juden geandert. In den germanistischen Seminaren werden u.a. Franz Kafka, , und Exilautoren wie Karl Otten, Friedrich Torberg, , Arnold Zweig, H.G. Adler, Ernst Bloch, Werner Bergengriin, Vicki Baum, Oskar Maria Graf, Hans Habe, Theodor W. Adorno, Ludwig Marcuse, Bertold Brecht, und Nelly Sachs behandelt. Es werden also "geistige" Wiedergutmachungsversuche untemommen, die in der akademischen Auseinandersetzung aber auch zu einer erneuten Distanzierung gefuhrt haben. Adorno pragte fur die aus moralischer Abscheu und Gewaltfaszination gemischte Nachwirkung des Holocaust auf der intellektuellen Ebene den umstrittenen Begriff "faschistische Asthetik"(467:S.108). Vor diesem Hintergrund stellt sich fur deutsche Leser von N acht die Frage, wie man sich mit dem Roman kritisch auseinandersetzt, ohne sich zum Mitleid "verpflichtet" zu fiihlen. Dieser wirkungsasthetische Zwiespalt entsteht besonders durch die provokative Sprache, mit der Nacht einen zeitgeschichtlichen StofF darbietet. Nachdem Nacht in Deutschland und Amerika erschien, entstand mit der Romanlektiire eine historisch differenzierte Identifikation fur

36 37 den jeweiligen Addressaten. Die Leserschaft lafit sich in Gruppen einteilen, die realiter an ihre Existenz als Verfolger oder Verfolgte und als Zeitgenossen oder Nachkommen des Zweiten Weltkrieges gebunden sind. Fur beide Gruppen gilt, wie aus Gunter Wallraffs Ganz unten hervorgeht, die im heutigen Tagesgeschehen latent vorhandenen Vor- und Nachboten des Krieges neu zu konfrontieren. 1 Als Einzelfalle scheinen sie von minderer Bedeutimg, wahrend sie als 'Massenmord', 'Massentransport', 'Massenaufmarsch' usw. das Sensationsinteresse einerseits und das Engagement gegen Ubergriffe auf die Menschenrechte andererseits erregen. Die Namen der existentiellen Endzeit lauteten Treblinka, Sobitor, Majdanek . . . Auch das Getto Prokow ist ein Teil der Geschichte des Judentums und der Gegenwartsgeschichte: man beklagt die Juden, die Opfer. Der einzelne Jude wird dabei ungeachtet seiner Kultur- und Geistesgeschichte als die Summierung gelebter und gestalteter Tradition ignoriert. InNacht bedeutet aber gerade die geistige Bindung an die Vergangenheit eine unvergleichliche Stiitze des Lebens- und Uberlebenswillen. Der vorliegende Roman ist ein Zeugnis der Enthumanisierung erschopfter, verhungerter, in taglicher Todesangst lebender Juden in einer ausgebrannten rumanischen Getto-Stadt. Hilsenrath gibt Einblick in die kriminalisierte Gesellschaft dieses Umschlagplatzes der Vemichtung (450). Unter den todgeweihten Typhuskranken sind die Klassenunterschiede aufgehoben. Doch die von der Epidemie Verschonten verteidigen mit alien Mitteln ihre Privilegien als zeitweilig Begiinstigte. Der Autor entwirft ein Panorama, in dem Korruption, 38

Prostitution und Razzien eine Kultur vernichten. Auf diese Weise demonstriert er jene Verzerrungen und Verkehrungen, die unter dem allgemeinen Zwang der Vereinheitlichung im Getto entstehen (454:S.29).2 Je aussichtsloser die Situation fur die Gettobewohner von Prokow von 'aufien gemacht wird, umso monstroser wird ihre Unfahigkeit, sich 'innen' zusammenzuschliefien. Hunger, Demoralisierung und Krankheit fiihren zu einer zunehmenden Handlungsunf&higkeit, die der Autor rekreiiert, indem er seine Handlungsfiguren ohne Bindung aneinander, in einer zerrissenen Wert- und Sozialordnung, auf dem Erzahlplan auf- und wieder untertauchen laJ3t. Die fur dieses Elend Verantwortlichen bleiben Schattenfiguren; antisemitische Hetze ist langst kein Thema mehr, sondern ihr unwiderbringliches Ergebnis, ihr Todesurteil, ist zur Tagesordnung geworden. Hilsenrath klammert bewuflt die Nazisoldaten und den politischen Kontext aus. Er verfahrt ahnlich wie Peter Weiss, der in Asthetik des Widerstandes die Nazis nicht bei Namen nennt (490). Dadurch betont er eine drastische Reduzierung seiner Charaktere, die perspektivenlos erscheinen, im Unterschied zum Leser, der ihre schemenhafte Existenz derart nachvollziehen kann. Ahnlich derMoses- Deutung von Sigmund Freud entwickelt Hilsenrath eine Gegenstandsbildung, die nicht die Einleitung einer gewaltsamen Aktion darstellt, sondern den Rest einer abgelaufenen Bewegung.3 In ihr wird der Zusammenhang von Affekten, Widerspnichen und Unterdriickung im Getto deutlich.

Hilsenraths Wortwahl ist bezeichnend fur den Versuch, Ereignisse darzustellen, die die Vorstellungskraft iiberfordern. Er 39

bedient sich eines Vokabulars, das in Grofierer Versuch Uber den Schmutz thematisch zusammenstellte (348:S.23). Doch eingebettet in das Handlungsumfeld vonN a ch t evozieren diese sprachlichen Mittel eine ganz andere Reaktion beim Leser. Nach Uberwindung der Ekelschwelle vermeint man, den Protagonisten ahnlich, im Getto-Schlamm zu versinken. Dieser Schlamm ist konstant gegenwartig und bezeichnet das Chaos in sdrntlichen Szenenfolgen. Der Matsch, in dem die Menschen ausrutschen, in dem Leichen und Tierkadaver liegen, veranschaulicht wie alles zu einem Etwas ohne Konturen verschwimmt, das der Regen ins Visionare steigert, bis sich schlieBlich das Individuum selbst verliert. In M&nnerphantasien zeigte Klaus Theweleit die Beziehung zwischen Schlamm und Mensch auf. Er wies auf die Angst des Mannes hin, im "weiblichen Schlamm" zu versinken und dabei seine sexuelle Identit&t zu verlieren (478:S.49,I). Er stellte fest, was auch auf Hilsenraths vorliegenden Roman zutrifft, daB in dieser Situation alle Grenzen verschwimmen, die des Ortes, der Zeit, der Wahrnehmung, der Sexualit&t und schlieBlich des Korpers. InNacht beschreibt der Autor den ProzeB einer qualvollen psychischen Reduktion des Menschen bis zu seiner physischen Auflosung. Fur die historische Erhellung des literarischen Judenbildes in Deutschland nach 1945 sind u. a. die typologischen Studien von Christiane Schmelzkopf und Heidy Muller aufschluBreich (456/427). Die funfziger Jahre wurden von dem Bemiihen bestimmt, das nationalsozialistische Hetzbild des Juden durch sein Gegenteil zu ersetzen. Jiidische Figuren werden "als fromme Glaubige (Albrecht 40

Goes), heldenhafte Kampfer (Stephan Hermlin), humanistisch gebildete Vertreter der Menschlichkeit (Walter Jens)..." dargestellt (456:S.252). In den sechziger Jahren erfolgte eine Absage an diese iiberhohten Protagonisten, aber eine Deutung der Geschichte unterblieb weiterhin. Vor dem Hintergrund einer damonisierten nnd somit in abstrakte Feme geriickten nationalsozialistischen Vergangenheit agierten "skurrilisierte" (Gunter Grass) und wirklichkeitsentstellte Protagonisten (Alfred Andersch). In ihnen manifestierte sich die Abwehr einer verantwortlichen, differenzierten Perspektive auf die Geschichte. Die Autoren der ftinfziger und sechziger Jahre schufen ihre Figuren im Umfeld eines Philosemitismus, der zuerst eine Idealisierung und anschliefiend ein Korrektiv dieser Uberhohung produzierte. In den siebziger Jahren entstand "wieder ein jeder Selbstreflexion und mehrdimensionalen Geschichtsperspektive entbehrendes Spielen mit dem alten Klischee des ’h&Olichen Juden*. Beispiele seiner Ausgestaltung finden sich bei Gerhard Zwerenz, Rainer Werner Fafibinder und Herbert Achtembusch (456:S.252).

II. 1. 1964 - Erstauflage und Kritik in Deutschland Nach der Stellung und Funktion seiner Protagonisten befragt, erklarte Hilsenrath, dai3 sie Anti-Helden seien. Hubert Nachtsheim ist einer der wenigen Rezensenten, der vermutete, dafi Nacht b eim Leserpublikum auf Ablehnung stofien konne, weil der 'Held' fehlt. "Sensible Leser," fahrt er fort, "mag bei manchen Passagen Ubelkeit befallen"(208). Die Skepsis gegeniiber dem Anti-Helden wird zweifellos durch die Konfrontation mit Bildem des Zerfalls und Reizworten wie "Eiter," "Blut," "Erbrechen," "Exkremente" usw. gesteigert. Hilsenraths 41 sprachliche Mittel bewirken einen, wenn auch unvollkommenen, Nachvollzug dessen, was der Protagonist erlebt. Um etwaigen, durch Hilsenraths Vokabular hervorgerufenen Kontroversen entgegenzuwirken, entschlofi sich Kindler 1964 in der Erstauflage von Nacht zu einem erklarenden Vor- und Nachwort. Im Nachwort weist Hilsenrath auf den autobiographischen Charakter seines Werkes hin, der oft zum Ausgangspunkt literarischer Diskussionen iiber Nacht wurde, die Leser aber fehlleitete. Dieses Nachwort spiegelt nicht die Ansicht des Autors, sondem Kindlers, der durch diesen Hinweis den Giiltigkeitsanspruch vonNacht auf den Autor beschrankt. Um die Veroffentlichung seines verlagsintem umstrittenen Romanes zu sichern, sah Hilsenrath sich gezwungen, den Konditionen Kindlers Folge zu leisten. Erst Jahre spater konnte er dieses Mifiverstandnis korrigieren: "Zu diesem Nachwort wurde ich durch den Kindler Verlag gezwungen.Nacht ist ein 100-prozentiger Roman und keine Autobiographie. Natiirlich war ich in einem Getto, - aber das ist nicht meine Geschichte, - es ist eine erfundene Wahrheit."^ Der Kindler Verlag furchtete, da/3 ein Holocaust Werk wie N acht auf zu groBen Protest stieBe, wenn es liber einen autobiographischen Inhalt hinaus Geltungsanspruch erheben wurde. Trotz dieses Nachwortes steigerten sich die verlagsinternen Animositaten gegeniiber dem Werk. B. Graubard vom Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern riet von der Publikation ab. Er begriindete sein Urteil damit, daB die Juden inN ach t kein Mitgefuhl erregen wurden, sondern das Gegenteil (41). Er sprach den Lesem das Vermogen ab, die system-politischen Zusammenhange zu 42 erkennen, unter denen jeder Mensch, jiidisch oder nicht, in die von Hilsenrath geschilderten Abgriinde sinken kann. Marion Gid, Chefredakteur fur die Neue Jiddische Zeitung in Milnchen widersprach Graubard: "I do not believe that an intelligent reader will tend to be permeated with an anti-Jewish prejudice against Ranek and Red, characters in this book, and assume that their actions were a result of their being "(126). Diese Feststellung betrifft jedoch den sogenannten "intelligenten" Leser, demgegeniiber Gid den "unintelligenten" Leser als Antisemiten versteht. Es fragt sich, inwieweit Antisemiten den Roman so rezipierten, wie es der Kindler Verlag befurchtete. Obwohl der Antisemitismus als Pseudoreligion alien rationalen Darstellungen und Argumenten widerspricht, stellte sich nach Durchsicht der vorliegenden Unterlagen heraus, dafi der Roman Nacht nicht zur antisemitischen Hetze benutzt wurde. Die Moglichkeit wurde jedoch von einigen Rezensenten erwogen, als Kindlers Werbeleiter Ernest Landau eine schriftliche Umfrage einleitete. Zum besseren Verstandnis der Publikationsgeschichte vonNacht dient der Briefwechsel, der sich zwischen Autor, Verleger, Cheflektor, Verlagswerbeleiter und verschiedenen Rezensenten angesichts der Erstauflage entspann. Die Briefe werden chronologisch besprochen, um ihre Wirkung auf die Meinungsbildung zuNacht zu iiberprufen. Auf Anraten des Cheflektors Henry Marx von derNew Yorker Staats- Zeitung und Herold sandte Hilsenrath dem Cheflektor des Kindler- Verlags, Hans Geert Falkenberg, Ende 1963 ein Manuskript unter dem Arbeitstitel Nachtasyl. Der Titel wurde spSter aufgrund des gleichnamigen Werkes von Alexander Gorki Nacht in umgeSndert.5 43

Am 9. Dezember 1963 erhielt Hilsenrath Antwort von Falkenberg, der den Roman unter der deutschen Nachkriegsliteratur fur herausragend hielt, da er "an keiner Stelle auf eine so gnadenlose, harte, dennoch sehr einfache Schilderung eines judischen Gettos gestoBen" war (35). Am 2. Marz 1964 lenkte Henry Marx mit einem Empfehlungsschreiben die Aufinerksamkeit Helmut Kindlers emeut auf das Werk. Marx schloB seinen Brief mit den Worten "im Glauben, daB Sie der beste Verlag fur dieses Buch sind"(55). Seine Annahme bewahrheitete sich freilich nicht. Nachdem Falkenberg den Druck des Romanes empfohlen imd Kindler seine Zustimmung gegeben hatte, leitete Werbeleiter Landau eine Leserumfrage ein. Mit der Bitte um Stellungnahme, implizierte er in seinem Begleitschreiben zum jeweiligen Werbeexemplar, daB das Werk antisemitische Tendenzen unterstiitze. Am 31. Juli 1964 beantwortete der judische Historiker und KZ- Uberlebende Joseph Wulf als erster Landaus Ersuchen. Er erwiderte mit unverholener Kritik an Landaus Einwand: "... ich kann nicht verstehen, warum die Veroffentlichung so eines Romans schSdlich sein kann”(60). Aus Hugh Elbots Schreiben vom 10. August 1964 ging ebenfalls hervor, daB Landaus Einwande unhaltbar waren. Der Redakteur vom Radio Free Europe vertrat die Meinung,Nacht sei ein Dokument, das "fiiir alle Volker und alle Zeiten mehr oder weniger bestimmend ist"(33). Auch Ernst G. Lowenthal machte in seinem Brief vom 10. August 1964 keinen Hehl daraus, daB ihn Landaus versteckte Formulierungen befremdeten. Zwar raumte er als erster die Moglichkeit ein, daB er "die Veroffentlichung unter UmstSnden als sch&dlich” betrachte, doch schon im n&chsten Satz wurde deutlich, daB er Landaus Vorbehalte 44 keineswegs teilte. Statt einer antisemitischen Wirkung vermeinte er, bei Landaus Anspielung konne es sich "hochstens um die streckenweise zu starke Ausw&lzung der IntimssphSre" handeln (53). Lowenthal hielt entsprechende Szenen aber fur glaubhaft und notwendig. Der erste, der sich den Vorbehalten Landaus anschloB, war B. Graubard vom Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Am 14. August 1964 nahm er ausfuhrlich Stellung zu Landaus Frage. Aus seinem Brief ging hervor, daB er als Uberlebender eines polnischen Gettos nicht an Einzelheiten seiner Gefangenschaft erinnert werden wollte. Er bevorzugte deshalb Schilderungen "moralischer Verbundenheit," die im Gettoaufstand von Warschau und Oneg- Schabbat Kreis um Ringelblum ihren Ausdruck fanden (41).® Graubards Meinung ist als personliche Reaktion verstSndlich. Im Unterschied zu Hilsenrath war er nicht in der Lage, "Schreiben als Therapie11 zu nutzen, um sich mit seinen Gettoerfahrungen auseinanderzusetzen. Fur Graubard fand die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit durch Lesen statt, das freilich weniger therapeutisch ist, da der ProzeB der lesenden Wissensaufnahme im Gegensatz zur schreibenden Wissensentledigung steht. Die Lektiire von N ach t bewirkt bei Menschen, die ahnliche Schrecken erlebt haben, eine gedankliche und emotionale Wiederholung. Eine grofie Anzahl von Holocaustiiberlebenden zieht der Erinnerung ein selektives Vergessen vor, das die Ereignisse nicht annulliert sondem neu zusammensetzt, so daB man mit ihnen leben kann.^ Es scheint daher sinnvoll, die Bedeutung des Romans besonders an seiner Wirkung auf solche Leser zu messen, die nicht als 45

Holocaustuberlebende betroffen waren. Judische Stimmen sollen zwar beachtet werden, aber die Veroffentlichung vonNacht allein von ihnen abhSngig zu machen, heiBt dem Werk seine intendierte Wirkung abzusprechen. Nacht, in deutscher Sprache verfaflt, d.h. in einer Sprache mit einer zahlenrngftig geringen jiidischen Leserschaft, richtet sich vor allem an das nicht-jiidische Publikum, dem das Unvorstellbare des Gettos durch unsentimentale Gestaltung seiner Wirklichkeit vorstellbar gemacht wird. Am 18. August 1964 bestStigte auch die Nurnberger Buchhandlung Emil Jakob : "Man kann auch niemand zumuten es zu lesen und trotzdem sollten die Menschen von dem Inhalt wissen - also sollte man es doch lesen"(45). Wiederum fand sich nicht der geringste Verdacht einer antisemitischen Wirkung. Die Notiz, die Landau am 20. August 1964 Herrn und Frau Kindler vorlegte, nahm nur einseitig Kenntnis von den eingegangenen Stellungnahmen Nacht. zu Landau teilte dem Verleger und seiner Frau mit, dai3 Hermann Lewy, Chefredakteur der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland "das Buch nicht positiv beurteilen konne"(50). Entweder handelte es sich um eine Unterstellung Landaus, oder der besagte Chefredakteur anderte seine Meinung. Fast ein Jahr sp&ter schrieb Lewy eine ausfuhrliche Rezension zu Nacht, die Landaus Behauptung Liigen strafte. Am 28. August 1964 reagierte die Leitung vomDiXrer Haus in Bremen positiv auf das Leseexemplar und forderte: "Das muI3 einer grofieren Leserschaft vorgelegt werden"(37). Dennoch setzte Landau seine negative Informationsverbreitung fort. Eine Woche nach der 46

ersten Hausmitteilung benachrichtigte er Helmut und Nina Raven- Kindler wie folgt: "Die judische Presse ist sich in ihrer Ablehnung dieses Buches einig"(48). Er belief sich auf Karl und Lilly Marx, Besitzer der jiidischen ZeitungAllgemeine sowie Moses Lustig, den Cheflektor der Miinchener jiidischen Nachrichten, die jedoch keine antisemitische Wirkung befurchteten. Vielmehr nahmen sie AnstoB am "Sex" inNacht und hielten den Roman fur "unecht." Abgesehen davon, daB ihr Urteil nicht die Haltung der jiidischen Presse reflektierte, wie Landau behauptete, war ihre Meinung dem Kindler-Verlag lediglich intern bekannt. Am 28.8.1964 gab es noch keine verofifentlichten Rezensionen. Die ersten Buchbesprechungen wurden gegen Jahresende publiziert. (Die Bttcherkommentare, Siegener Zeitung und Freiheit und Recht), Von den Zeitschriften der jiidischen Gemeinden kam neun Monate spater im Jedioth Chadashoth der einzige VerriB. Am 8. September 1964 unterstiitzte Paul Arnsberg erstmalig Landaus Rezeptionsprojektion, indem er sich dagegen aussprach, "diese schrecklichen Verfallserscheinungen, an denen die Verfolger schuldig sind, einer Offentlichkeit bekannt zu geben. Daraus ktinnten falsche Schlusse gezogen werden"(29). Gleichen Tages bedankte sich Marion Gid, Korrespondent vomForward in New York und Chefredakteur fur die Neue Jiddische Zeitung in Miinchen fur die Lektiire von Nacht Er widersprach Landaus Befurchtung, indem er auf den symbolischen Charakter des Romans verwies: "I don’t think any mindful reader will be inclined to develop prejudices towards the Raneks, the Reds and the other characters of this novel and ascribe their behaviour to their Jewishness"(39). Gid wies Landau darauf hin, daB Raneks Schicksal 47

weder ein spezifisch jiidisches noch ein Einzelschicksal sei, sondem dafi er und alle anderen Protagonisten eine Gruppe von Betroffenen reprasentieren. Er setzte die Eigennamen der Protagonisten in den Plural und verlieh ihnen den intendierten, uber ihre Singularity! hinausweisenden Gehalt, der dem Roman immanent ist. Ein halbes Jahr spater erhielt Hilsenrath einen Brief von Marion Gid. Der Chefredakteur bedauerte, dafi Kindler nicht fur das Offentlichkeitsinteresse an Nacht warb. Ihm waren zum Zeitpunkt seines Schreibens am 21. Februar 1965 weder Anzeigen noch Rezensionen zu Nacht bekannt. Er riet zur Ubersetzung ins Englische: "Once your book finds an echo in America, its success in other countries, especially in Germany, is assured, irrespective of the misgivings certain people may have about it"(40). Gid ermutigte Hilsenrath, sich an den in New York wohnhaften ehemaligen Generalsekretar der deutschen Liga fur Menschenrechte, Kurt Grossmann, zu wenden. Gid hoffte, daB Grossmann, Empfanger des Albert Schweizer Buchpreises und spater Vorsitzender der osterreichisch-deutschen Abteilung der jiidischen Liga, die Offentlichkeit aufNacht aufmerksam machen konnte. Ferner schlug er Hilsenrath vor, Heinrich Boll um eine Rezension zu bitten. Am 12. Marz 1965 folgte eine weitere Stellungnahme aus New York. , spaterer President des deutschen PEN, informierte Hilsenrath, dafl er N acht zur Rezension an Georg Ramseger, den Feuilletonredakteur fur die Die Welt empfohlen und ein "rfihmendes" Urteil an Kindler gesandt habe (47). Am 24. M&rz 1965 schrieb der freischaffende Schriftsteller Peter Jokostra einen Brief an Landau. Seine Kritik an der manipulativen 48

Aufforderung des Werbeleiters war uniiberhorbar: "Ich habe mich bei dieser Lekture nicht von Empfehlungen leiten lassen." Er teilte dem Werbeleiter mit, dafi er die Welt der Literatury den Silddeutschen Rundfunky sowie die Rheinische Post von diesem "notwendigen" Buch unterrichtet und sich umgehend beim echo der zeit um Rezensionsmoglichkeiten bemtiht habe (46). Jokostra stellte als erster Nacht in den Kontext der bisher veroffentlichten Getto-Literatur imd an die Spitze ihrer bedeutendsten Zeugnisse von Leon Uris, Elie Wiesel und Adolf Rudnicki. Doch auch Jokostras literaturhistorische Hinweise wurden von Landau ignoriert. Hilsenrath folgte Gids Rat und setzte sich schriftlich mit Kurt Grossmann in Verbindung. Am 27. M&rz 1965 erhielt er seine Antwort, die sich kaum von den iibrigen Stimmen aus Amerika unterschied: Grossmann, Marx, Gid und Kesten waren uberzeugt, dahNacht einer breiten Offentlichkeit zugSnglich gemacht zu werden verdiente. Inhaltlich wie sprachlich iibertraf das Werk ihrer Meinung nach vergleichbare literarische BeitrSge. Grossmann bemerkte: "Was mich aber am meisten frappierte, war die Tatsache, dafl Sie mit zwolf Jahren Deutschland verliefien, keine Schulbildung haben konnten und Sprache und Darstellungskunst sich aus einer Intuition formten, die wuchtig und kunstvoll ist"(42). Diese Stimmen aus Amerika konnte Landau nicht ignorieren. Am 31. M&rz 1965 wandte er sich mit der Bitte um eine Rezension an die d p a Korrespondentin Gerty Agoston in New York. Nach seinen bisherigen Bestrebungen, den Erfolg des Buches zu vereiteln, verwundert seine Empfehlung an Agoston: "Der Mann hat etwas zu 49 erzflhlen und kann schreiben”(51). Der Brief vom folgenden Tag, an Hilsenrath gerichtet, legt die Vermutung nahe, daB Landau die Veroffentlichung von Nacht nicht grunds&tzlich ablehnt. Die Bemuhungen des Werbeleiters lassen darauf schlieBen, daB er zwar eine Veroffentlichung des Buches in Deutschland ablehnte, - nicht aber in Amerika.® In seinem Schreiben an Hilsenrath versuchte Landau den unterbliebenen Verkaufserfolg vonN acht mit der kulturpolitischen Situation zu erklaren. Er vermied es, den mangelnden Absatz des Buches mit der geringen Auflagenhdhe in Verbindung zu setzten. Aus einer Abrechnung von Hilsenraths Rechtsanwalt Eugen Leer geht hervor, daB Kindler nach dem Verkauf von 791 der 1200 gedruckten Bucher die Restexemplare Mitte April 1965 aus dem Handel zog (52). Landau rechtfertigte diese VerlagsmaBnahme mit der Behauptung, daB unter der bundesdeutschen Bevolkerung ein verkappt antisemitischer Trend bestunde. Als Beweis fuhrte er z.B. den BundeserlaB zur Verlangerung der Verjahrungsfrist fiir Naziverbrechen an. Diese "WiedergutmachungsmaBnahme," setzte sich im Bundestag nur unter dem Druck der Weltmeinung durch und fuhrte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, die nicht von Erhard sondem von Ulbricht eingeleitet wurden. Diese Politik spiegelte Landaus Ansicht nach die Tendenz zu einem inoffiziellen Antisemitismus, der von einem wachsenden Rechtsradikalismus riihrt. Verlage und Publizisten, die die sen Stromungen entgegenarbeiten, argumentierte Landau, "bezahlen nicht selten mit empfindlichen wirtschaftlichen EinbuBen"(49). 50

Ein Verlag von der GroBenordnung Kindlers wird von dem "Risikodruck" eines einzelnen Romans finanziell kaum betroffen. Kindlers Etat ist so kalkuliert, daB seine Gewinne in der Sparte Nachschlagewerke und Anthologien Verluste auffangen. Ferner verbliiflt, daB Landau, ein Uberlebender mehrerer Konzentrationslager, dem deutschen Verlagswesen zubilligte, sich mit einem Trend konform zu verhalten, der dreiBig Jahre zuvor zum Holocaust fuhrte. Landaus Verweis auf den Rechtsradikalismus als Grund fur den "inoffiziellen” Anti semi tismus Mitte der sechziger Jahre ist einseitig. Landaus Entscheidung gegenNacht fiel mit der politischen Kontroverse in der Faschismusdiskussion zusammen, die verdeutlichte, daB der Antisemitismus nicht nur rechtsradikalem Denken entspringt, sondem auch in der marxistischen Tradition wurzelt. Auf Einzelheiten naher einzugehen, wurde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. In Germans and Jews Since wird die kulturpolitische Lage Deutschlands in den sechziger Jahren differenziert untersucht. Jack Zipes setzte sich mit den Faktoren auseinander, die Links- und Rechtsintellektuelle gleichermaBen bewegten, die Deutschen in "gut" und "schlecht" einzuteilen, um ihre Vergangenheit zu bew<igen: "By deviding the Germans in 'good' and bad' ... the Federal Republic could once again claim respect for Germany and Germans if it could only emphasize the 'good* and at least contain, if not extirpate, the ’bad'"(498:S.32). Landau folgte diesem Denkmodell, indem er dieselbe Unterscheidung auf die Juden anwendet. In Deutschland durfte es fur ihn nur den "guten" Juden geben, auf den die Demoralisierungsmaschinerie Hitlers keinerlei EinfluB hatte. 51

Im Rahmen des von konservativen jiidischen Kreisen gutgeheifienen deutschen Philosemitismus arrangierte Landau eine kulturpolitische Entscheidung, die seine Meinung zum Roman selbst nicht zu spiegeln schien. H&tte er den Roman an sich abgelehnt, hStte er kaum seine Bemiihungen fortgesetzt, fiir Hilsenrath Verbindungen zu maBgebenden Rezensenten in New York zu kmipfen. Empfehlungen, die er auBer an Gerty Agoston an Kurt Grossmann und die deutsch- jiidischen Publizisten Paul Freedman und Samuel Gringhaus von der United Restitution Organization richtete, bestatigen, daB seine Vorbehalte den Ort der Publikation und nicht das Werk betrafen. Am 2. April 1965 druckte das Borsenblatt des deutschen Buchhandels Jokostras Brief an Landau vom 24. Marz desselben Jahres (159). Hier und in der Nummer vom 9. April erschien uberNacht eine ganzseitige Anzeige des Kindler-Verlages, einepro forma Reklame, denn wie Landaus Brief zu entnehmen ist, war das Schicksal des Buches zu diesem Zeitpunkt bereits besiegelt. Am 14. April 1965 entgegnete Raven-Kindler auf die EnttSuschung Hilsenraths mit einer weiteren Stellungnahme zur Verlagsentscheidung. Sie eroffnete ihren Brief mit dem Vorwurf, Hilsenrath zeige nicht die gebiihrende Dankbarkeit: "Ich weifi nicht, ob Sie sich dariiber im klaren sind, daB Sie wohl keinen Verleger in Deutschland gefunden hatten, der Ihr Buch herausgebracht hatte"(57). Diese Unterstellung ist hypothetisch, da Hilsenrath sein Manuskript auf Anraten von Henry Marx lediglich an Kindler gesandt hatte.

AnschlieBend wiederholte Raven-Kindler Landaus Position, die, ihrer Aussage nach, ihre Sicht und die ihres Mannes reflektierte, und 52 auch Gert Falkenbergs Zustimmung fand. Mit der Einbeziehiing von Falkenberg erweckte sie den Eindruck, daB die Verlagsfuhrung geschlossen hinter der Entscheidung steht. Von Cheflektor Falkenberg lag jedoch nur eine einzige Stellungnahme zuNacht vor, in der er sich fur die Veroffentlichung einsetzte. Fur seine Teilnahme an den anschlieBenden, gegenteiligen Bestrebungen im Kindler Verlag gibt es keine Zeugnisse. Raven-Kindler bezweckte jedoch noch mehr mit Falkenbergs Namensnennung. Sie machte Hilsenrath darauf aufmerksam, da/3 Cheflektor und Werbeleiter derselben Leidensgemeinschaft angehorten, zu der auch er, Hilsenrath, zahle. Auf diese Weise implizierte sie, dafi Hilsenrath, wofem er mit Landau und angeblich auch Falkenberg nicht iibereinstimmte, auflerhalb dieser Gemeinschaft steht. Derart zum Aufienseiter gestempelt, konnte sie Hilsenrath die Glaubwiirdigkeit seiner Einwande in Abrede stellen. Raven-Kindlers Argumente zielten darauf, bei Hilsenrath Dankbarkeit, Mitleid und Schuldgefiihl zu wecken. Ihre Ausfuhrungen kulminierten in dem Vorwurf, da/3 es nicht am Verlag liege, wenn ein Buch kein Bestseller wird. "Das muJ3 man nattirlich als Buchverleger immer wieder horen und hinnehmen"(57). Dieser Vorwurf macht die T&ter zu Opfern. Er entbehrt jeder Grundlage, da der Verlag dem Roman nie die Chance gab, eine groBere Leserschaft zu erreichen. Am 27.April 1965 traf die letzte Antwort auf Landaus Gesuch ein. Alfred Joachim Fischer, Journalist und Auslandskorrespondent in Kanada bezeichnete N acht als "ein literarisches und menschliches Meisterwerk." Eine Besprechung vonNacht lehnte er aber, "wenngleich schweren Herzens," ab. Der "Durchschnittsdeutsche" war seiner 53

Meinung nach "fur diesen StofF langst nicht reif genug"(36). Er befiirchtete statt Mitgefiihls eine antisemitische Reaktion, die er durch die "realistische Darstellung" bewirkt wdhnte. Bei Hilsenrath gibt es keinen jiidischen oder sozialistischen Helden wie bei Torberg, Hermlin oder Apitz. Es fehlen auch positive Figuren wie inJakob der Ltigner, Das Brandopfer, Der gelbe Stern oder E fraim . Statt Helden und Verbrecher gegenuberzustellen, stellt Hilsenrath die Reproduktion der ausbeuterischen und oppressiven Nazitaktiken unter den Opfem dar. Folglich kulminierten Graubards Betrachtungen in der AuBerung: "Ich fiirchte, daB es aus dem Geiste der gutmeinenden aber nichts verstehenden Hannah Arendt geboren ist"(41). Graubard als auch Lustig sprachen sich gegen eine Darstellung des Gettos aus, in der sich der Erfolg eines totalitfiren Systems spiegelt, das seinen hochsten Triumph feiert, wenn es von seinen Unterdruckten unter Ihresgleichen kopiert wird (303:S.45). Schriftsteller, die das Getto uberlebt hatten, wie z. B. Gerty Spies oder Jurek Becker vermieden bewuBt die Darstellung moralischer Korruption. Torberg, der inHier bin ich mein Vater einen jiidischen Nazispitzel darstellte, wurde entsprechend scharf kritisiert. Hilsenraths Antiheld ist fur jene Deutschen problematisch, die glauben, den ehemaligen JudenhaB durch besondere Judenliebe auszugleichen, damit aber die "Sonderstellung" der Juden fortsetzen (435:S.303-322). Hilsenrath ist iiberzeugt, daB es in Deutschland nicht in das neue philosemitische Bild paBt, "Juden als Menschen zu zeigen, ohne sie zu iiberhohen"(275). Gid stellte eine dhnliche Vermutung an: "May be — it is just an assumption — that the Kindler Verlag has after all become afraid of its previous courage to publish your book and took to 54

heart the opinion of a certain prominent Jewish leader in Germany who has advised against its publication on the ground that it may show Jews in an unfavourable light (which is, of course, sheer idiocy and a result of an acute inferiority complex)"(40). Diese Art der Vergangenheitsbewaltigung war also nicht nur "zu kontrovers fur teutonische Leser," wie die Neue Ziircher Zeitung schrieb (259). Sie war auch zu kontrovers fur einen Teil der in Deutschland lebenden jiidischen Gemeinde. Mit seinem Begleitschreiben zu den versandten Leseexemplaren machte Landau ein unvoreingenommenes Lesen unmoglich und tiberzeugte die Verlagsfuhrung von seinem Urteil: "In Deutschland darf ein solches Buch nicht verbreitet werden"(208). Diese Haltung iiberzeugte Philosemiten und gestattete verkappten Antisemiten, mit Hinweis auf die deutsch-jiidische Kritik, die Veroffentlichung vonNacht abzulehnen. Hierin zeigt sich eine Kontinuitat des literarischen BewuBtseins, das von 1941 iiber zwanzig Jahre lang unverandert blieb. Damals schrieb Bertold Brecht in den Anmerkungen zum unaufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui: "Man hort heute allgemein, es sei unstatthaft und aussichtslos, die groBen politischen Verbrecher, lebendig oder tot, der Lacherlichkeit preisgeben zu wollen. Selbst das gemeine Volk, hort man, sei da empfindlich, nicht nur, weil es in die Verbrechen verwickelt wurde, sondem weil die Ubriggebliebenen in den Ruinen nicht iiber derlei lachen konnten"(322:S.1176). Diese "Ubriggebliebenen" lehnenNacht ab, da die Gestaltung des Juden nicht mit ihrer Vorstellung ubereinstimmt. Ihre Vorstellungen erfiillen sich dort, wo "das alte Klischee aus Besch&mung oder verzweifeltem 55

Bemiihen um eine Alternative mit neuen Bildera zugedeckt wird, die den Dialog mit der jiidischen Erfahrung verstellen"(250:S.279). Der Zusammenhang zwischen BrechtB Einsicht und Hilsenraths Erfahrungen geht femer aus Hilsenraths Kommentar anlaBlich der deutschen Reaktion zu Nacht hervor: "Kindler hatte aber Angst das Buch herauszubringen, weil es eben mit einem Tabu brach, und lieB das Buch damals verschwinden..."(203). Dieses Tabu ist fur die Art der Vergangenheitsbewaltigung in Deutschland charakteristisch und erklart, warum Hilsenrath dort abgelehnt, im Ausland aber gepriesen wurde. Im Ausland lebende deutsche Juden stehen nicht unter dem Druck einer an ihnen direkt schuldig gewordenen Umwelt, die ihre Schuld zu vergessen sucht, indem sie historische Rechtfertigungen anfuhrt, neue Helden erfindet oder aber Juden stereotypisiert glorifiziert. Da dieser Druck im Ausland nicht besteht, wird dort die Notwendigkeit hinf&llig, deutschen Helden judische Helden entgegenzusetzen. Die 30.000 Juden in Deutschland, bilden mit weniger als 0,1% der Bevolkerung eine verhaltnismaflig geringe Minderheit im Vergleich zu sechs Millionen Juden in den U.S.A. oder 500.000 in Frankreich. Deutscher Staatsbiirger jiidischer Volksangehorigkeit zu sein, birgt aufgrund der Geschichte des Dritten Reiches einen Konflikt, den z. B. ein amerikanischer Jude nicht kennt. In Deutschland stehen die Juden vor dem Problem, ihre Identitat innerhalb einer Gesellschaft wieder herzustellen, in der der AuslSnderhaB entweder den JudenhaB ersetzt hat oder gleichbedeutend neben ihm existiert. Aus Gunther Wallraffs Studien geht hervor, da/3 sich der latente RassenhaB auf Gruppen konzentriert, die kulturell unangepaBt und ethnisch so 56

verschieden erscheinen, dafl sie die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit auf sich ziehen (486). Die judische Minderheit besteht in Deutschland heute grofltenteils aus Osteurop&ern, die nach dem Holocaust hierhin verschlagen wurden. Diese Minderheit duldet die literarische Konzeption des "Beispieljuden" weil sie, wie Sander Gilman zeigt, Zuriickhaltung ubt, um Konfrontationen zu vermeiden (127:S.272). Im Unterschied hierzu bildet die amerikanische Judenschaft eine Einheit, die, Leo Trepps Studien zufolge, "auf der Anerkennung des Pluralismus ihrer gestaltenden Gruppen beruht"(482:S.242). Deutsche Rezensenten, die keine antisemitische Wirkung von N acht befiirchteten, betrachteten den Roman als Darstellung eines Uberlebenskampfes, "in dem moralische Gesetze nicht mehr gelten, in dem Menschen zu Tieren werden"(188). Dieser Kampf, den Bernd Lubowski treffend als "einer gegen alle, jeder gegen seinen Ndchsten" bezeichnete, wird, wie Walther Herzog feststellte, vom Menschen allgemein gefuhrt, denn "es geht gar nicht um Juden oder Nichtjuden mehr"(142). Der von Edwin Hartl gewahlte Rezensionstitel "Antisemitismus als literarischer Vorwurf' ist zu eng gefaJlt (138). Es handelt sich um Beobachtungen zur Psyche des Einzelnen innerhalb einer Gruppe, die aus rassistischen, religibsen oder politischen Griinden erbarmungslos gejagt und verfolgt wird. Dementsprechend beobachtete Gid: "The book does not read like an autobiographic work. ... It is a great book,... - not only about the holocaust, but in general"(126). Er sah in Prokow ein symbolisches Getto, das auf keiner Landkarte zu linden ist, und von dem der Autor behauptet: "Seine Ruinen konnten iiberall stehen imd seine Menschen iiberall leben ..."(1). m

Die Mehrzahl der Buchbesprechungen zur Erstauflage vonNacht enthalten ahnliche Beobachtungen und beweisen, wie haltlos die Befurchtungen Eindlers und die Mutmafiungen der die Einstampfung des Werkes betreibenden Tauzieher waren. Trotz oder gerade wegen seines Verzichts auf ein "gefuhlsseliges Pathos," auf das die Rezensenten immer wieder hinwiesen, war Hilsenrath in der Lage, seine Leser tief zu erschiittem. Dieser Umstand verbliiffte die meisten Kritiker so, dafi sie die Frage, wie diese Wirkung des Werkes zustande kam, in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stellten. In Unkenntnis von Jokostras Rezension 1965 begann ich 1985 meine Auseinandersetzung mit N a c h t in einer Seminararbeit folgendermafien: "Ich sehe mich bei der Analyse dieses Werkes zu einem impressionistischen Ansatz gezwungen, der in sich die Fragwiirdigkeit birgt, iiber sich selbst hinaus zu reichen." Ich stand als Germanistin vor dem Problem, Hilfsmittel kritischer Bewertung zu verwenden, die angesichts der stofflichen Gestaltung inN a c h t versagten. Uberzeugend formulierte Jokostra mein Dilemma, bei dem alle literarischen Wertmafistabe vor dem Hintergrund vonNacht zum Klischeebegriff werden: "Der Kritiker wird die Ohnmacht der Worte erfahren, und ... feBtstellen, wie antiquiert die sich anbietenden literarischen Kategorien und Klassifizierungsmoglichkeiten sind. Der Kritiker wird zu einem Bekenntnis gezwungen. ... Sein Pro oder Kontra zu formulieren"(158). Die Durchsicht der Rezensionen zeigt, dafi ein Abwagen der Schwachen und StSrken vonNacht fehlt: "Man war, man ist," wie Jokostra konstatierte, "entweder fur oder gegen den Roman"(158). 58

Jokostra artikulierte einen der haufigsten Vorbehalte gegeniiber N a ch t. Wapnewski widerstrebte Hilsenraths Verbindung von romanhafter Handlung mit den Fakten eines Dokumentarberichtes (280). Auch der Rezensent des Jedioth Chadashoth verwehrte sich, diese Fakten, d.h. das epische Material, von den realen Gegebenheiten gelost, als Dichtung anzuerkennen. Er kritisierte das Werk, weil es "das Spezifische der bestimmten Ortlichkeit fur unwesentlich erachtet"(197). Im Widerspruch hierzu bezeichnete er das Werk an spaterer Stelle als ,,Lokalbericht,,, bemiiht, den literarischen Wert von Nacht innerhalb eines hierarchisch geordneten Genresystems und im Vergleich zur Stellung des Romans zu degradieren. Das Problem der Zuordnung zu literarischen Genres wird auch in anderen Rezensionen artikuliert.9 Die Vermischung von Tatsachen und Erfindungen, die zum grofiten Teil in Dialogform vermittelt werden, bewirkt eine Uberschneidung der Gattungen.10 Hermann Lewy hinterfragte die Genre-Zuordnung vonNacht, indem er seine Rezension mit den Worten einleitete: "dieses als 'Roman' gekennzeichnete Werk ..."(182). Er loste die Problematik durch einen Vergleich mit der Prosafassung vonAndorra. hatte dieses Werk "in zwolf Bildern" urspriinglich unter dem Titel Der andorreanische Jude veroffentlicht. Parallel zu Andorra sah Lewy auch in Prokow "ein Symbol der Vergewaltigung des Menschen durch den Menschen"(182). Der Aufbau in New York bezeichnete Nacht als "ein in Dialogfuhrung geschriebenes Dokument," wahrend Christ und Welt schrieb, der Roman sei "trotz der Fakten kein Dokumentarbericht sondern Dichtung"(273/165). Edwin Hartl von den Salzburger Nachrichten 50 ordnete das Werk als "Geschichte" ein, und der Saarl&ndische Rundfunk stellte Nacht als "dichterisch geformte Chronik" vor (138/275). Neben den Rezensenten in Deutschland beschaftigte sich auch der Feuilletonredakteur der Zeitung Die Stimme in Tel Aviv mit diesem Thema. Er stellte Hilsenrath in den Umkreis anderer KZ-Schriftsteller und bemerkte, dafi er nicht der einzige ist, der den literarischen Weg "vom Tatsachenbericht zur symbolisch-metaphorischen Erz&hlung" wahlte (114). Der Redakteur verwies insbesondere auf den Prager Schriftsteller H.G. Adler, dessen soziologische Studien iiber Theresienstadt und die Deportationen viel Widerspruch emteten (296). Noch treffender scheint der Vergleich mit Adlers Eine Reise, in dem fiktive Personen von symbolischen Orten zu einem symbolischen Getto reisen.(297) Adler evoziiert in diesem von ihm als "ErzShlung" bezeichneten Werk eine Holle der Erinnerung ohne Menschlichkeit. Adler und Hilsenrath wahlten fur diese Thematik eine ahnliche Art der Darstellung. Der Rezensent fiiir Die Stimme bezeichnete sie treffend als "Verfremdungsmethode durch eine symbolisch dargestellte Holle, ... die einzig mogliche Form der Wahrheitsfindung fur die sen Themenkreis, ... denn die Wahrheit liegt in der Phantasie”(114). Verfremdend resiimierte Hilsenrath, selbst ein Opfer der Naziverfolgung, was sich nicht nur in Mogliev alias Prokov, sondem auch in anderen Lagem und Gettos ereignete. Er konnte das, was er aus Berichten iiber Tulczyn, Picziora, Ladijin usw. erfuhr in sein transnistrisches Gettobild einfliefien lassen. Ukrainische oder rumanische Miliz wird kaum erwahnt, wodurch sich der Eindruck der Isolation in diesem Getto vertieft. Hilsenrath verfuhr selektiv, indem er eo

darauf verzichtete, Nazis und Judenmorder zu beschreiben. Man fuhlt ihre Pr&senz lediglich in dem pervertierten Verhalten der Gettobewohner. Gertrud Petersen erkannte folgerichtig, daB "durch die Ausklammerung der Gegner die Bilder umso grausamer, die Tragik umso weitreichender erscheint"(227). Hans Rochelt sah die Interdependenz von Hilsenraths selektivem Verfahren und der von Lewy diskutierten Symbolik des Ortes: "Allein mit der Anderung des Schauplatzes setzte jedoch die bewuBte Gestaltung ein, und der Autor begann in den Ablauf des Sterbens, des trostlosen Krepierens Ordmmg zu bringen"(238). Auch Gid hielt die Wahl des Schauplatzes in Nacht fur bemerkenswert und fur einen besonderen Grund zur Veroffentlichung des Werkes: "... the book is unique in an area barely touched upon before; - that part of Southern Russia occupied by the Rumanians which was called by them 'Transnistria.' Thereby this new book serves to fill a void in holocaust-literature"(126). Der Rezensent des Jedioth Chadashoth allerdings war anderer Ansicht. In seinem Beitrag munierte er vor allem, daB dem Werk das positive Rollenmodell, "der vital gebliebene Jude fehlt, der sich nicht unterkriegen laBt"(197).ll Nachdem er sich als Uberlebender von Auschwitz iiber die "widerstandslosen" Protagonisten in N a c h t entrustete," lieB er in Gedankenstrichen, also en passant, eine Bemerkung einflieBen, die es verdient, nicht nur "so nebenbei" gelesen zu werden. Er definierte Holocaustliteratur als Darstellungen der Konzentrationslager und Gaskammern, - "die also in ihren Zielen und Methoden das Elend eines transnistrischen Zwangsgettos bei weitem iiberstiegen ..."(197). Dieser Kommentar erhebt das AusmaB des 61

Leidens zum Mafistab einer hierarchischen Klassifizierung, wodurch das Einzelschicksal eines jeden Betroffenen entwertet wird. Daruberhinaus verkennt der Rezensent des Jedioth Chadashoth, dafi unabhangig von den jeweiligen Methoden, das Ziel der Judenverfolgung, -ob im Getto oder im Lager,- dasselbe war. Er hielt, seiner Argumentation folgend, die von Gid erkannte Liicke in der Holocaustliteratur fur unbedeutend und kaum der literarischen Betrachtung wert. Gid aber machte zu Recht auf einen Mangel aufmerksam, der bei der Durchsicht der zwischen 1945 und 1965 veroffentlichten Holocaustliteratur deutlich wird. Die in diesem Zeitraum erschienen Gettobeitrage beschrdnken sich auf Warschau, Vilna, Krakau, Sianliai und Lodz. Die meisten dieser Werke wurden auf jiddisch geschrieben imd in englischer Ubersetzung im Zeitraum zwischen 1950 und 1960 in Amerika publiziert.12 Friihere Gettoliteratur aus den vierziger Jahren wurde ebenfalls auf jiddisch verfafit und vomehmlich in Polen gedruckt (474/344). Darstellungen in deutscher Sprache, wie etwa die im Leo-Baeck Institut archivierten Augenzeugenberichte und Memoiren, sind bis heute unveroffentlicht. Nacht ist die erste, in deutscher Sprache verfafite Gettodarstellung uber Transnistrien. Trotz der Kontroverse waren sich alle Kritiker einig, was die emotionale Wirkung vonNacht betraf. Es gab keine Rezension, in der sich nicht eine Bemerkung fand wie : "... ein unerhort hartes und zutiefst erschiitterndes Buch"(208); oder: "... ein hartes unsentiraentales Buch, oft schockierend und beklemmend"(154). Darin stimmten Frankfurter Rundschau, Deutsche Presseagentur , Freiheit und Recht, 62

Allgemeine judische Wochenzeitung, Salzburger Nachrichten, Siegener Zeitung, Westfdlische Rundschau, Kolnische Rundschau, Welt der Arbeit, den Pforzheimer Kurier, Christ und Welt, das M U hlheim er Tageblatt, Israelitisches Wochenblatt, Neues Osterreich und Echo der Zeit iiberein. Diese tibereinstimmung in der Rezeption scheint im Widerspruch zu Hilsenraths eigener Charakterisierung des Romans, den er als "ein hoffnungsvolles Werk" bezeichnet, zu stehen (90). Die Voraussetzungen zur Losung dieses Widerspruchs linden sich bei Gid und in einem spateren britischen Beitrag des Lektors L.L. Day. Beide Untersuchungen gingen iiber eine rein emotionale Stellungnahme hinaus. Day betrachtete die Ereignisse nicht nur als abgeschlossene Vergangenheit, sondern verwies auf ihre fortbestehende Gultigkeit: "Reading it [Night], you know how, when suffering, each of us can be bestialized out of our barely gained civilization"(90). Dieses VerstSndnis der Psyche mufi der Beurteilung des Romans vorausgehen. Kritiker, die den Roman ablehnten, weil in ihm Juden zu Bestien werden, weigerten sich die conditio humana anzuerkennen. Ihrer Verweigerung aber wohnt der Glaube an ein heroisch iibermenschliches Vermogen inne. Animalitat ist jedoch ein Teil der menschlichen Existenz und unabhangig von Religion und ethnischer Herkunft. Der Mensch als Tier ist, wie Axel Hofmann, Hermann Lewy und andere darlegten, das Produkt systempolitischer Lebensbedingungen, das inN ach t "als normale Erscheinung" dargestellt wird, indem Hilsenrath u.a. auch auf sprachliche Uberhohungen verzichtet. Kritiker, die lediglich die Darstellung eines jiidischen Protagonisten als Ubermenschen akzeptieren, setzen willentlich oder 63

nicht, eine Politik der "Sondermerkmale" und "Andersartigkeit" fort, die sich auf rassistische Vorurteile stutzt. Eine solche Darstellung, nicht aber Nacht, vermag antisemitische Tendenzen zu schiiren.Nacht ist ein "hoffnungsvolles Buch," weil es eine Absage an die Andersartigkeit der Juden ist, ganz gleich ob sie durch den Antisemitismus oder den Mythos des "erwahlten Volkes" propagiert wird. Der Roman setzt nicht nur den Toten ein Denkmal sondern den Lebenden ein Mahnmal. Hoffnung erwachst aus der einzig moglichen Erklarung, die der Autor fur die Handlungen seiner Protagonisten liefert. Diese wurden systematisch von ihren Unterdriickern dehumanisiert und verloren, ihrer Menschenwiirde beraubt, auch ihre Mitmenschlichkeit. Dennoch gelingt es Hilsenrath, einerseits das Mitgefuhl fur die Opfer aufrecht zu erhalten, wahrend er sie andererseits auch als Tater darstellt. Eine Shnliche Problematik offenbart sich in der amerikanischen Literatur, sei es in ihrer Darstellung des Holocaust, wie die Kontroverse um Jerzy Kosinskis The Painted Bird zeigt, sei es in ihrer Darstellung der Indianerausrottung. Auf die Welle anti-indianischer Selbstrechtfertigungen der John Wayne Filme folgte eine umgekehrte Propaganda. Doch auch diese Schwarz-Weifl-Malerei konnte, wie u.a. Ralph Friar in The Only Good Indian - The Hollywood Gospel nachwies, nicht auf den "weiBen" Helden verzichten (358). Die Darstellungen bedienen sich weiterhin der bekannten Melodramatik, um sich, unter neuen Vorzeichen, der Anteilnahme des Publikums an den indianischen Opfern zu versichem. Gleichzeitig werden die Indianer aus der menschlichen Allgemeinheit gelost und weiterhin als KuriositSt prfisentiert, ein Schema, das sich auch in dem kurzlich erschienenen 6 4

Film Dances with Wolves wiederholt. Hilsenrath dagegen wagte das menschliche Portrat einer Minderheit, bei dem diese nicht mehr isoliert, sondern in die Allgemeinheit integriert erscheint. Ihre Isolation und die daraus resultierenden Handlungen, so wird deutlich, beruhen nicht auf ihrem Judentum, sondern auf Systemzwfingen.Nacht ist ein hofftmngsvolles Buch, da judische Protagonisten ohne Glorienschein die ihnen gebiihrende Achtung finden, wie sie ihnen u.a. Gid entgegenbrachte: "I personally feel a certain amount of sympathy and warmth, even for Ranek"(126). Hilsenrath hatte die Absicht, mit seinem Roman ein Gegensttick zu der von ihm als "durchweg melodramatisch" bezeichneten Holocaust-Literatur in Deutschland zu schaffen. Die Rezensionen bestatigen, daJI dem Autor sein Vorhaben gelungen ist, denn sie betonen immer wieder die "unsentimentale" Darstellung des Gettos. Kindler teilte diese Uberzeugung, doch nur um sie in seinem Vorwort zuNacht kommerziell auszuniitzen: "Nacht ist ein hartes, ein unsentimentales Buch. Daher beriihrt es um so tiefer, wenn der Autor zeigt, wie auch angesichts des erschiitterndsten Elends die Liebe noch eine letzte, zartliche Bliite zu entfalten vermag"(l). Seine Wortwahl erweckt in dem potentiellen Kaufer eine dem Roman inadequate Erwartungshaltung. Kindler achtete weder die Absicht des Autors noch bedachte er, daB das Werk durch diese Fehlinformation einer moglichen Leserenttauschung preisgegeben wurde. Kindlers romantische Verzerrung der Liebe in Nacht, unterstellt eine Bedeutung, die ihrem MiBverstandnis Vorschub leistet. Unter alien deutschen Rezensionen von 1965 beobachtete lediglich Willi Fense vom Pforzheimer Kurier, daB "die groBen Worte des 65

Klappentextes, ... von denen der Verfasser in iippigster Weise Gebrauch macht," dem Roman unangemessen sind (110). Kindlers Bemiihungen, dem Roman durch diesen entstellenden Kommentar grofieren Absatz zu verschaffen, erwiesen sich beim zweiten deutschen Debuts vonNacht als uberfliissig.

II.2. 1966 - Veroffentlichung und Kritik in den U.S.A. Die Anzahl der deutschen Rezensionen zum Erstdruck vonNacht war angesichts der geringen Auflagenzahl erstaunlich. Als Gid am 21.Februar 1965 sein Bedauern fiber den Mangel an Rezensionen ausdrfickte, lagen in Osterreich eine und in Deutschland ffinf Buchbesprechungen zu Nacht vor. Dreizehn weitere Besprechungen, von denen wiederum eine in Osterreich, zwei in Israel und eine in der Schweiz erschienen, folgten auf die Anzeige imBorsenblatt des deutschen Buchhandels am 2. April 1965. Als das Buch 1966, von Michael Roloff fibersetzt, in den U.S.A. bei Doubleday verlegt wurde, erffillte es die Erwartungen der amerikanisch-jfidischen Kritiker von 1964. In Amerika hatte eine literarische Entwicklung begonnen, die der Rezeption von Hilsenraths Werk zugute kam. AlsN igh t erschien, schrieb Alfred Kazin in seinem Artikel The Jew as Modern American Writer : "Definitely, it was now the thing to be Jewish"(389:S.24). Zwei Jahre zuvor bemerkten Irving Malin und Irwin Stark inBreakthrough, einer Sammlung zeitgenossischer, amerikanisch-jfidischer Literatur, dafi einer stattlichen Anzahl jfidisch-amerikanischer Autoren der Durchbruch gelungen sei (418:S.13). 1944 hatte Lionel Trilling noch geurteilt, dafi ein jfidischer Kfinstler in den Staaten keinen Einfiufi auf 66

die amerikanische Kultur nehmen konne (483). In den darauffolgenden zwanzig Jahren anderte sich die Situation. Abraham Chapman, der 1974 behauptete, dafi der jiidische Autor in der amerikanischen Literatur bis in die jiingste Vergangenheit unbeachtet geblieben sei, wird nicht nur durch unzahlige literarische Werke sondem auch durch viele literaturhistorische Untersuchungen z.B. von Sol Liptzin, Allen Guttmann, Leslie A. Fiedler, Philip Roth und Daniel Walden widerlegt (334). Das Weltzentrum jiidischer Kultur hatte sich bereits 1924 von Europa nach Amerika verlagert als Folge einer Immigrationswelle zwischen 1881 und 1924. Neunzig Prozent der heute in Amerika lebenden Juden sind Nachfahren dieser grofttenteils aus Osteuropa stammenden 2.750.000 Umsiedler. Zwar ist auch heute noch dem Kerner-Report von 1968 zuzustimmen, dafi Amerika mit Rassenvorurteilen belastet ist, die zwar vorrangig, doch nicht einzig, die "farbige" Bevolkerung betrefFen. Nach einer em euten, wenn auch durch das amerikanische Einwanderungsgesetz von 1920 stark beschr&nkten Immigration der Juden w&hrend der Hitler-Zeit, haben sich aber diese Vorurteile in der Folge des Vietnam-Krieges und im Zuge illegaler Einwanderungen aus Mexiko auf Asiaten und Latein-Amerikaner verlagert. Die Diskussion, die bei Kindler um Nacht entstanden war, war in den U.S.A. schon 1941 inn Budd Schulbergs RomanWhat makes Sammy Run? gefiihrt worden. Wahrend dieser Diskussion entwickelten sich zwei entgegengesetzte Positionen. Die einen warfen dem Schriftsteller vor, da!3 er entweder selber antisemitisch eingestellt sei oder aber dem 67

Antisemitismus neues Hetzmaterial liefere. Man tolerierte die realistische Darstellung jiidischer Charaktere nur in jiddischer Sprache. Im Unterschied zu Deutschland gab es in Amerika geniigend Absatz fur jiddische Literatur, deren Kritiker das Bediirfhis des Autors, eine grohere und auch nicht-jiidische Leserschaft fiir sein Werk zu finden, verurteilten. Es herrschte die von Richard Tuerk treffend zusammengefahte Uberzeugung: "The usual argument runs that it would be fine to write realistic fiction in Yiddish and not allow it to be translated into English, but to write in English or to permit such works to be translated into English allows Gentiles to see them, thus making the author into an anti-Semite who wants to destroy the image of the Jew in the eyes of the non-Jews"(484:S.141). Die zweite Gruppe der Kritiker verwies darauf, dafi jiidische Autoren wie alle anderen Autoren, das Recht haben, ihre Protagonisten in aller Komplexit&t darzustellen. Antisemitische Ruckschliisse wiirden nur von uberzeugten Antisemiten gezogen. Ferner wiesen sie daraufhin, dafl Kritiker oft, indem sie ein Werk als Verdammung der Juden und des Judentums verstiinden, den literarischen Beitrag mifiverstiinden. Dies wurde z. B. auch an Rezensionen zu Philip Roths Defender of the Faith deutlich. Die Rezensenten iibersahen, dafi weder Sammy Glick noch Sheldon Grossbart, Protagonisten des jeweiligen Werkes, die moralische Norm festlegen. Amerikanische Verlage lieflen beide Meinungen gelten. Auch die "realistischen" Werke wurden weiterhin veroffentlicht. Die Meinungsverschiedenheit wurde weder durch die Diskussion um'What Makes Sammy Run? noch um die Erorterungen um Defender of the 68

Faith gelost. Sie besteht in den U.S.A. weiterhin, erreichte jedoch schon in den sechziger Jahren nicht mehr das AusmaB, demN a ch t in Deutschland zum Opfer fiel. Der amerikanische Meinungspluralismus schuf zwischen dem Vorwurf der einen und der Antwort der anderen einen Ausgleich. Zwolf Jahre nach der Publikation vonNight erinnerte sich Isaac Bashevis Singer in seinem autobiographischen WerkA Young Man in Search of Love, eines Kommentars seines Lektors: "Why write about thieves and whores when there were so many decent Jewish men and devoted Jewish wives? If such a thing were translated into Polish and a Gentile read it, he might conclude that all Jews were depraved"(466:S.109). Der Vorwurf ist kaum zu unterscheiden von Graubards und Lustigs Argumenten in Bezug aufNacht. Es nimmt nicht Wunder, dafl der amerikanische Verlag, der aller deutschen Verlagsintrige zum trotz 1966 HilsenrathsNight publizierte, 1978 auch SingersA Young Man in Search of Love veroffentlichte. Night erschien zu einem Zeitpunkt, da sich die amerikanische Literatur der zweiten H&lfte des zwanzigsten Jahrhunderts jiidischen Autoren und jiidischen Themen geoffnet hatte. Abgesehen von der iiberwaltigenden Zahl jiidischer Autoren, die heute in fast alien Anthologien zur zeitgenossischen amerikanischen Literatur zu finden sind, wurde auch die Mehrzahl aller literarischen Beitrage zum Holocaust in Amerika veroffentlicht (474/344). Ein ethnischer sowie literaturkritischer Pluralismus scheinen in Amerika den Verlags- Despotismus einzuschranken, demzufolge ein Werk unterdriickt und seine Rezeption manipuliert werden kann. Trotz des 1960 unter dem Titel N ight erschienenen Werkes von Elie Wiesel sah Doubleday von 69

einer Umbenennung von Hilsenraths Roman ab. In zwanzig Staaten der U.S.A. wurde Hilsenraths Night in den Zeitungen der Grofist&dte zwei Jahre lang rezensiert und in der kleineren Lokalpresse als lesenswerte Neuerscheinung angekiindigt. Unter den vielen Rezensenten erwahnten jedoch nur vier Kritiker, dafi es sich bei dem Werk um eine Ubersetzung aus dem Deutschen ins Englische handelte. Francis Thompson, Professor der Anglistik an der Universitat Tampa hielt die Ubersetzung fur ausgezeichnet (268). Harley Rudkin und der Schriftsteller Martin Dibner bekraffcigten dieses Urteil. Rudkin Sufierte sich zur Sprache: "... no awkward grammatic lapses, nor slang out of context, as sometimes happens in these cases"(244). Dibner beurteilte die kulturelle Komponente der Ubersetzung: "The translation by Michael Roloff deserves special commendation, catching as it does the mood of a place both alien and repugnant to our American ideas, ... and expressing it in an idiom familiar and understandable"(95). Die drei Kritiken vermitteln den Eindruck, dafi die Ubersetzung den sprachlichen und kulturellen Kriterien der Fremdsprache gerecht wurde. Dennoch diirfen diese Belobigungen nicht dariiber hinwegt&uschen, dafi eine Ubersetzung, im Bemiihen dem fremdsprachigen Milieu gerecht zu werden, den Originaltext der fremden literarischen Tradition zuweilen zu sehr anpaflt. Als Beispiel sei die englische Charakterisierung Raneks als "a tattered coat upon a stick" angefuhrt. William Butler Yeats schuf diese Wendung im zweiten Vers von Sailing to Byzantium (497). Es fragt sich, ob dieses Zitat zur Beschreibung Raneks von Hilsenrath oder von Roloff gewfihlt wurde.*4 Aufgrund dieser und ahnlicher ubersetzungsspezifischer Textvarianten 70 lobte Francis Daugherty die Ubersetzung nicht uneingeschrSnkt. Stattdessen machte er als einziger den Leser darauf aufmerksam, dafi es sich bei N ight um eine Ubersetzung handelt, die vom Leser eine kritische Distanz verlangt (89). Die amerikanische Kritik setzte ahnliche Schwerpunkte wie die deutsche. Edouard Roditi, Literaturprofessor am San Francisco State College, schrieb einen Artikel fur Congress Bi-Weekly, in dem er Hilsenrath mit Bruno Bettelheim und Elie Wiesel verglich und ihm den Vorwurf literarischer Unerfahrenheit und schreibtechnischer Mangel macht. Gemafi Roditi fehlen Hilsenrath die wissenschaftliche Schulung des ersteren sowie das Vermogen des letzteren, Lebenserfahrungen allegorisch und allgemein verstandlich zu vermitteln. Seiner Ansicht nach hatte Hilsenrath besser daran getan, eine Autobiographie statt einen "erfundenen Alptraum" zu schreiben. Roditi erlauterte seinen Standpunkt folgendermafien: "Wiesel was fortunate enough to make his literary debut as a French writer in postwar Paris, where there was no lack of outstanding young novelists to emulate and, among Left Bank intellectuals, of inspiring discussions of the theory of the novel"(240). Roditis Argument entspricht zum Teil den Tatsachen. Seine Beobachtung spiegelt die literarische Isolation, in der Hilsenrath seinen Roman schrieb. Doch Hilsenrath, im Bewufitsein dieses Sachverhaltes, bediente sich einer Sprache und Struktur, die die der Isolation innewohnende Reduktion reflektiert. Roditi versaumt, die Romantheorie von Robbe-Grillet in seine Betrachtungen einzuschliefien, der sich in Pour Un Nouveau Roman gegen eine normative Romantheorie wandte, 71 da an die Stelle einer verbindlichen Asthetik die individuelle Werkstattpoetik franzosischer Autoren getreten war (451). Roditis Beobachtung birgt die Fragwiirdigkeit kanonisierter, akademischer Prinzipien. Da Night seiner Ansicht nach nicht den Kriterien eines Romans entspricht, maB er das Werk an den Kriterien eines Dokumentarberichtes. Seine inhaltliche Deutung muBte an dieser normativen Klassifizierung scheitern. Roditi folgerte seinem analytischen Ansatz entsprechend: "As a sociological study of life under extreme circumstances,Night thus tends to be very misleading,r(240). Seiner Meinung nach hatte Hilsenrath nicht nur Klassenunterschiede sondern auch ethnisch-kulturelle Unterschiede im jiidischen Getto ignoriert. Dennoch bewertete Roditi N ig h t als ein Portrat der Kriminalitat unter jiidischen Opfern, deren Handlungen im Zusammenhang von Studien zu verstehen sind, die sich mit der Kriminalit&t anderer unterdriickter und degradierter menschlicher Gemeinschaften befassen. Roditis Vorbehalte sind weniger inhaltlicher als struktureller Natur. Er versuchte Night in konventionelle Schemata zu pressen und beendete seine Betrachtungen mit einem unhaltbaren Vergleich: "Night, ... a modern Gothic novel ... in terms of the aesthetics of Poe, such as we find it in The Fall of the House of C/sAer,,(240). Inhaltlich fiihlte er sich zu einem Vergleich bewogen, der Hilsenraths schriftstellerischen Absichten zur Wirkung seines Romans entsprach. Roditi zog eine Parallele zu den Ergebnissen des U.S. Senatsausschusses von 1966 zur Untersuchung des Schwarzen-Gettos in New York: "The kind of criminality that appears to become endemic and even socially 72 acceptable in an American-Negro ghetto appears here to be of much the same nature as the black-marketeering, prostitution, thieving, blackmail, racketeering, violence, drug-peddling and drug-addiction that Hilsenrath also describes in his account of the desperate survival in his fictional ghetto of Prokov"(240). In den deutschen Rezensionen fehlte vergleichsweise jeglicher Gegenwartsbezug zu Obdachlosen, auslandischen Arbeitnehmern oder Fluchtlingslagern in der Bundesrepublik. Die sozialpolitischen Zustande in Nacht wurden in Deutschland auf theoretischer Ebene erbrtert, ohne Verbindungen zu konkreten Verhdltnissen zu kniipfen. Im Gegensatz zu Roditi verzichteten Dibner und andere amerikanische Rezensenten auf eine Genrediskussion von N ight. Dibner konzentrierte sich, wie die meisten Kritiker in den U.S.A. auf die Sprache Hilsenraths: "Night is ... not for the queasy," schloB er, und Alice Wolff erwartete ein skeptisches Publikum, "since compassion is almost overwhelmed by revulsionf'(95/288). Leo Daugherty meinte "reading Night is a ... nauseating experience" und Alan Spain wamte: "Let it be noted that this reviewer warns that the author reveals the crude ghetto life ... without concern for the squeamish"(89/260). Die amerikanischen Rezensenten beurteilten das Werk primar nach seiner emotionalen Wirkung und der daraus resultierenden Leserreaktion, Am treffendsten fafite Darrell Huntley zusammen, womit sich die amerikanischen Interpretationen vorwiegend auseinandersetzten: "Night is the most powerful, stunning piece of writing this reviewer has encountered in years and at the same time a repulsive, degrading piece of literature which shatters the sensitivity of 73 the reader"(153). Die amerikanischen Rezensenten lehnten Night nicht w egen seines in Deutschland gelegentlich als "obszon" bezeichneten Vokabulars ab und zogen auch nicht den FehlschluB, daB es sich um ein "pomographisches" Buch handelte. Selbst Bill Warren, der Hilsenraths skatologisches Vokabular besonders bemfingelte, gestand: "... distasteful reading - though the author writes well"(281). In den Beobachtungen dieser Rezensenten spiegelt sich das puritanische Erbe der Amerikaner, das Tabu von "foul language." Kaum einer der Kritiker konnte das Werk beurteilen, ohne darauf hinzuweisen, daft Hilsenrath gegen dieses Tabu verstoBt. Die Stellung dieses Tabus im BewuBtsein der amerikanischen Leser wird in der Rezension von George Gleason besonders deutlich. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf dieses Sprachtabu, indem er es ironisierte: "The gentle should, perhaps, be warned that many of the words of the book are Anglo-Saxon basic. Fortunately, perhaps, most of these words are cast in the past tense, and six-letter words are acceptable, are they not"(129)? Trotz oder gerade wegen dieses VerstoBes waren sich die amerikanischen Rezensenten einig, daB diese "untere Sprachebene" der Situation der Romanfiguren gerecht wird. Nur wenige amerikanische Kritiker betrachteten Hilsenraths anti-heroische Darstellung der Juden als TabuverstoB. Die Mehrzahl der Rezensenten vertrat die Ansicht, daB Anti-Helden dem Themenkreis der Holocaustliteratur besonders gerecht werden. Ralph Hallow ist einer der wenigen, der darauf aufmerksam machte, daB dieser "literarische Kunstgriff' mutig sei: "Mr. Hilsenrath had the courage and literary sagacity to realize any conventional hero in the Prokow getto would 74 insult the thinking reader's sense of reality"(137). Hallow hob hervor, dafi der Anti-Held Ranek im Kontext anderer Holocaustwerke eine Ausnahme ist. Zwar handelten N ight, Grapes of Wrath und The Cross and the Arrow von der Degradierung des Menschen, aber John Steinbeck und Albert Maltz stellten einen traditionellen Helden dar, der, weil er mutig uberlebte, fiir den Leser akzeptabel sei. Hallow stellte fest, dafi der impotente Ranek der Tradition des absurden Theaters nahe steht und argumentierte: "... no period other than the era of Nazi bestiality better illustrates the existential absurdity of the human condition as conceived by Camus and Sartre and by the later 'absurdists’"(137). Daugherty gehorte zu den wenigen Rezensenten, die ein besonderes Merkmal des absurden Theaters, den "Black Humor," auch in N ight entdeckten. Aufgrund der ins Vision&re gesteigerten Szenen im Werk, die Daugherty zwar nicht als absurd sondem als "super-realistic pastiche" bezeichnet, zog er Parallelen zu Henry Miller, Franz Kafka und William Burroughs (89). George Williams und Frank Willis hingegen entging der schwarze Humor in Night. Trotzdem stimmten sie im Ergebnis ihrer Untersuchungen nicht iiberein. Williams hielt Hilsenrath fur mutig, weil er seiner Ansicht nach ein vollig humorloses, aber lesenswertes Buch iiber den Holocaust geschrieben habe (282). Willis dagegen war entt&uscht, weil jeglicher Humor fehle, der allein "relief from sordidness" verschaffte (283). Er vertrat den Standpunkt, dafi Hoffnung in der Holocaustliteratur nur durch Humor entstehen kann. Da in Night Hoffnung nicht durch Humor entsteht, verkennt Willis diesen Humor. Hoffnung entsteht inNight durch den Inhalt, den Uberlebenswillen des 75

Menschen und die Ort und Zeit des jiidischen Gettos transzendierende AusBage (82/91/171). Alan Spain best&tigte, dafi es Hilsenrath gelungen sei, ein hoffnungsvolles Werk zu schreiben:"Night is not a eulogy to death and horror but to life itself and man's desire for its continuance"(260). Auch Leonard Brown und Francis Daugherty betrachten Unmenschliehkeit als Kehrseite der Menschlichkeit und Teil des Lebens (81/89). Evelyn Mayerson halt diese Interdependenz fur eine besondere Charakteristik von Night. Sie ist der Meinung, dafi das Werk trotz der schauerlich entmenschlichten Protagonisten ein Zeugnis des ins Unmenschliche gesteigerten Willens zum Uberleben ist (195). George Gleason folgert ahnlich: "If Ranek and the other animals of the ghetto must exist without humanity, the value of humanity is not therefore decreased; rather, for the reader, humanity is suddenly all the more precious"(129). Seine projiziierte Leserreaktion erfullte die Intention Hilsenraths. Als Night 1967 von W. H. Allen verlegt, in England erschien, beschrieb Lektor L. L. Day, unter welchen Gesichtspimkten englische Verlage ihre Manuskripte auswahlen. Jede Krise, erklarte er, rufe eine Flut von literarischen Beitragen hervor, die in unmittelbarer Folge verdffentlicht werden. Nach der Ubers&ttigung des Marktes erfolge trotz weiterer Manuskriptangebote eine Publikationsebbe, da die Frage, was warum passierte, nicht mehr gestellt wurde. Manuskripte zur betreffenden Katastrophe werden dann unter dem Gesichtspunkt erortert, was sie noch an Neuem zu dem erschopften Thema beitragen. Als Beispiel fiihrte er die Holocaustthematik an: "One of the themes which has been done to death (an inelegant but hideously appropriate 76 phrase) is that of the people in the camps"(90). Dennoch befurwortete Day die Veroffentlichung vonNight im Commonwealth. Days verlagspolitische Ausfuhrungen liefem eine ErklSrung fur den GroBteil der in England erschienen Rezensionen zu Night. Die britischen Rezensenten legten vorwiegend Kopien der Buchbesprechungen ihrer amerikanischen Kollegen vor. Erstaunlicherweise verzichtete auch John Moynihan, der bekannte Rezensent des Sunday Telegraph, auf eine ausfiihrliche Kritik (203). Nach einer kurzen Biographie des Autors, gab er ohne eigenes Urteil in zwei kleinen Absatzen lediglich den Inhalt des Werkes wieder. Englischen Rezensenten, die ihre eigene Meinung darlegten, hielten Night, wie ihre amerikanischen Kollegen, fur ein hoffnungsvolles Buch. Zu dieser Uberzeugung gelangten sie jedoch aus anderen Grunden als die Rezensenten in den U.S.A. W&hrend die amerikanischen Rezensenten ausdriicklich hervorhoben, daB es sich bei den Protagonisten inNight run Anti-Helden handelt, trifft man diese Differenzierung nirgendwo in der britischen Presse an. The Evening News and Star berichtete z.B.:"... here also are heroism and the triumph of love"(200). Im Wolverhampton Express stand: "... a novel about the terrors and heroisms of human beings..."(212). In der Oxford Mail stieB man auf eine vergleichbare Feststellung: "His book is a chronicle of suffering, cowardice, treachery and heroism ..."(139). Die Betonung des 'Heldentums' konnte die Vermutung nahelegen, daB die englischen Leser einen Anti-Helden im Kontext der Holocaust-Literatur nicht fur akzeptabel halten. Doch dieser 77

Verdacht findet sich insofem nicht bestatigt, als die Buchbesprechungen die Lekture vonNight empfehlen. Es ist anzunehmen, dab die britischen Rezensenten ein weiter gefafftes Heldenkonzept zugrundelegen, demnach auch der Anti-Held als Held gilt. Den englischen Kritiken zufolge manifestiert sich die Hoffnung inNight nicht in der Tat sondem in der Absicht. Der Wille zu iiberleben erscheint dort als Heldentum, wo er von den Lebensumstdnden unterminiert wird. Dementsprechend liefle sich folgender britischer Buchkommentar deuten: "On a more heartening note is the extraordinary resilience of the human spirit in even the grim m est circum stances"(212).15 Lediglich der Rezensent vom

Northampton Evening Chronicle lehnt das Werk mit der Frage ab: "Was there no courage or faith"(219)? Diese Kritik wurde bereits in Deutschland von Graubard geiibt. Night wurde in England insgesamt positiv rezensiert. DieUmtali Post erklSrte das Werk im Juni 1967 zum Buch des Monats. Die Umtali P o s t und der Sheffield Morning Telegraph wiesen auf den Gegenwartsbezug der inNight geschilderten Vergangenheit hin. Die Umtali Post formulierte diesen Bezug allgemein, indem sieN ight als Mahnmal bewertete: "... it is a reminder of what has happened before but could happen again"(86). Der Sheffield Morning Telegraph hingegen stellte eine konkrete Beziehung her: "It serves both, as a reminder of the past and of the present, a reminder of famine in a Jewish ghetto and the famine of the Indian plains"(235). Dieser Vergleich erinnert an Roditis Parallele zwischen dem Getto in Prokow und dem Getto in New York. Beide Rezensenten ziehen 78 eine Verbindung zwischen Night und den sozialen MiBstanden in Amerika bzw. der unter englischer Kolonialherrschaft verursachten Hungersnot in Indien. Der Vergleich zeugt von dem Bemiihen, die Greuel des Dritten Reiches bewuBt zu machen, indem man jene Aspekte extrahiert, die auf zeitgenossische Zustande ubertragbar sind. Eine solche Veranschaulichung fordert nicht nur ein Nachdenken iiber die passive Teilnahme an Diskriminierungen und MiBhandlungen, sondern wirkt auch dem Vergessen der Judenverfolgung entgegen. Dieses Anliegen spricht auch aus den Uberlegungen von Day und anderen Rezensenten, die Hilsenraths Werk trotz eines an Holocaustliteratur iibersattigten englischen Buchmarktes empfahlen. Die Verkaufszahlen in GroBbrittanien bestatigen, daB 1967 andere Themenkreise als der Holocaust im Interesse des Fublikums standen. Night verbuchte Erfolge weniger bei den englischen Lesem als bei den Kritikem, wie aus einem Brief des W. H. Allen Verlages an Hilsenrath im Juli 1967 hervorgeht: "This is such a good book that it is distressing to have to tell you that it has not caught on as we had hoped, but of course, the British public has been offered a lot of horror over the past few years, and I fear that we would have done better with this book had we been able to publish it two or three years earlier"(34).16

IL3.JL9.78 - Neuauflage und Kritik in Deutschland Bis zu seiner deutschen Neuauflage im Braun-Verlag wurde Nacht in franzosischer, italienischer und hollandischer Ubersetzung veroffentlicht und erreichte im Ausland eine Auflagenhohe von 800.000 Exemplaren. 500.000 davon wurden in den U.S.A. publiziert, einschliefilich einer Taschenbuchausgabe von 175.000 Exemplaren bei 79

Manor-Books. Zwischenzeitlich erschien im Ausland auch Hilsenraths zweiter Roman Der Nazi und der Frisdr. Braun verlegte diesen Roman ein Jahr vorNacht und erzielte mit ihm auch in Deutschland gro/3en Erfolg. Der Erfolg dieses Romans veranlafite den Stahlkaufmann Ferdy Zinn zu einer Werbestiftung von DM 300.000 fur die Neuauflage von N acht. Abgesehen von den steuerlichen Vergiinstigungen, die dem Mazen durch die Abschreibung dieser Werbekosten entstanden, lag das Risiko des Investionsverlustes allein bei ihm. 17 Wahrend vor vierzehn Jahren keinerlei Werbung betrieben wurde, erschienN acht 1978 mit einem hoheren Werbeaufwand als z. B. Gunter Grass' Der Butt, dessen Reklamegelder bei 200.000 DM lagen. Der Werbeetat fur Hildegrad Knefs Der geschenkte Gaul wurde vergleichsweise mit 250.000 DM, der fur Alex HaleysRoots mit 280.000 DM veranschlagt (107). Braun ersetzte Vor-und Nachwort von Kindlers Erstausgabe mit einem autobiographischen Aufsatz Hilsenraths. Der Roman erschien mit einer Startauflage von 50.000 Stuck auf dem deutschen Buchmarkt. Das Werk erfreute sich eines regen Absatzes, der im darauffolgenden Jahr durch den plotzlichen Konkurs des Braun-Verlags unterbrochen wurde. Bis zur Verlagsauflosung wurden 11.000 Exemplare im Buchhandel verkauft. Der Bertelsmann Buchclub, der 35.000 Exemplare aus der Konkursmasse aufkaufte, setzte diese in der Folgezeit ab. Angesichts auch im Jahr 1978 fehlenden, mit N acht vergleichbaren deutschen Veroffentlichungen, liegt der Schlu/3 nahe, da/3 es schon 1964 ein Leserpublikum gab, da/3 "zum Mitleiden nicht mit sentimentalen Tricks iiberredet werden mu/3," und auf Kindlers Sentimentalisierung im Vorwort verzichten konnte (148). Die Rezensionen zur Neuauflage 80 entlarvten Kindlers Kommentar als unhaltbaren Ubergriff auf die Miindigkeit der Leser. Seine irrefuhrende Darstellung des Liebesaspekts wurde durch neue Kritiken berichtigt, ohne die Verkaufszahlen des Werkes zu beeintrachtigen. Niels Hopfner gehorte zu jenen Rezensenten, die die Liebe in N acht im Zeichen eines Fatalismus sahen, "der sie zu einem winzigen Lichtspalt reduziert anstatt die Erlosung aus der Nacht zu bewirken"(148). N a c h t wurde als ein selten thematisierter Beitrag zur Holocaustliteratur bewertet, "eine bisher kaum beachtete Variante der Judenvernichtimg ohne Mithilfe der SS"(96). Diese Beobachtung von Ingeborg Drewitz duflerten Gid imd Petersen schon 1965. Femer wiesen die deutschen Kritiker auf den Erfolg des Werkes speziell in Amerika und im Ausland hin. Wie wichtig dieser Hinweis war, zeigt die Rezension von Gerard Wirts, ein Beispiel fur die verwirrende Publikationsgeschichte des Romans. Wirts glaubte,N acht sei ein Jahr nach Hilsenraths literarischem AnfangserfolgDer Nazi und der Frisor entstanden. Er zog den FehlschluB, N ach t sei "die menschliche Rache eines Mannes, den der Erfolg mifitrauisch gemacht hat"(285). Viele deutsche Rezensionen von 1978 verglichenN ach t m it dem ein Jahr friiher erschienen Der Nazi und der Frisdr. Abgesehen von diesen gegeniiberstellenden Besprechungen werden in den Kritiken sowohl bekannte, den Rezensionen von 1965 Shnelnde Standpunkte, als auch neue Ansichten vertreten. In den vierzehn Jahren, die zwischen der ersten und zweiten Veroffentlichung vonN acht lagen, waren neue Beitrage zur Holocaust-Literatur erschienen. Neue Rezensenten hatten alte Rezensenten abgelost. Es stellt sich die Frage, inwieweit die 81

Rezensionen zu N acht im Jahre 1978 auf Ver&nderungen im deutschen literarischen Bewufitsein seit 1964 deuten. Gunther Engels, Rezensent fur die Kolnische Rundschau, beurteilte N acht im Kontext der in Deutschland bis dahin erschienenen Holocaustliteratur. Er stimmte mit Verleger Helmut Braun iiberein, dafi Hilsenrath mit der "scheinheiligen philosemitischen Tradition," der "Sozialromantik des Gettos" und der "verschworenen Schicksalsgemeinschaft" gebrochen hat (107). In diesen Punkten bildet N a ch t einen Gegenpol zu Jurek BeckersJakob der Liigner. Engels, Schachtsiek-Freitag, Ingeborg Drewitz und Ernst Johann betonten, dafi N ach t die jiidischen Getto-Bewohner nicht denunziere. Ihre Analysen entkrafteten die Argumente von 1964, indem sie von einer Erorterung des Anti-Helden vollig absahen. Auf diese Weise wurde ein Aufleben der Proteste gegen die "unheldische" Darstellung jiidischer Protagonisten vermieden. Durch den Verzicht auf diese Problemstellung entsteht der Eindruck, dieses Tabu sei inzwischen abgeschwScht. Auch die Kritik an Hilsenraths Sprache schien sich eriibrigt zu haben, da Autoren wie mit einer reduzierten Sprache experimentierten, und Heiner Muller mit einem skatologischen Vokabular provozierte.19 Mit Ausnahme von Ernst Johann klammerten die Rezensenten Uberlegungen zur Genrezugehorigkeit vonN acht aus. Zwischenzeitlich erschienene Mischformen im Roman, Drama, Experimentiertheater und Film, hatten zur Erweiterung von Genre- Definitionen gefiihrt.20 N acht wurde als eine Abfolge von Bildem beurteilt, die wie im Film ein- iiber- und ausgeblendet werden. D e r S p ieg el stellte nicht zu Unrecht die Frage: "Eine Horror-Vision von 82

Pasolini, ein Sado-Stiick von Arrabal"(166)? Entsprechend beschrfinkte sich Johann, der das Werk der Gattung des Romans zuordnete, nicht nur auf literarische Kategorien der Komposition. Er urteilte interdisziplinar, dafi Hilsenrath sowohl die erfundenen als auch die tats&chlichen Begebenheiten "... nicht willkiirlich aneinanderreiht, sondern sinn- und beziehungsvoll an die einzig richtige und einzig mogliche Stelle setzt ... wie man Gemalde oder Filme 'nachrechnen' kann"(157). Erwagungen zur Romanpoetik wurden im Umfeld einer durch Medienimpulse in Bewegung geratenen Asthetik angestellt. In die traditionelle Romanstruktur drang in Form der Montage die statistisch oder reportagenhaft erfafite, unvermittelt wirkende Realitat ein. In N a c h t wirkt ein subjektives Zeitempfinden, verschiedenen Kameraeinstellungen entsprechend, der linearen Kontinuitat von Zeit und Raum entgegen. AufN a ch t trifft das von Doblin als "Kinostil" bezeichnete Verfahren zu, bei dem durch Kontraste und Schnitte Wirkungen erzielt werden, die verfremden und befremden (340).N acht erfiillt als Folge von Bildem des Unvorstellbaren alle Voraussetzungen fur eine Verfilmung In Screening the Holocaust stellt Ran Avisar fest, dafi diese Bilder, weil sie unvorstellbar sind, nur zu leicht als erfunden verstanden werden konnen (309). Um diesem Mifiverst&ndnis bei Holocaustfilmen entgegenzuwirken, werden Dokumentaraufnahmen integriert, mittels derer sich die von Hilsenrath als "erfundene Wahrheit" bezeichnete DarsteUimg auf der Leinwand konkretisiert. Im Mittelpunkt der deutschen Diskussion zu Nacht stand 1978 die Uberzeugung, dafi Hilsenrath nicht nur die Auswirkungen der 83

Judenverfolgung im Dritten Reich in einem rumanischen Getto beschreibt. Die Rezensenten waren sich einig, dafi inN acht ein Zustand geschildert wird, in dem, laut Schachtsiek-Freitag z.B., "der Mensch gleich welcher Rasse, Nationalit&t, Konfession und politischer Uberzeugung nicht einmal als des Menschen Wolf iiberleben kann"(247). Dieser Zustand ist das Resultat aller politischen Systeme, "die in ihrer Geschichte massenweise Minderheiten jedweder Art verfolgt haben”(247). Vierzehn Jahre nach dem Erstdruck erkannte die deutsche Presse vorbehaltlos an, dafi N a c h t iiber das Einzelschicksal eines Holocaustiiberlebenden hinausreicht. Deshalb, argumentiert Johann, gab Hilsenrath seinen Protagonisten, mit Ausnahme der exemplarisch fungierenden Figuren Debora und Ranek, keine Namen. Die Rezensenten waren sich ferner einig, dafi "die Entmenschung durch unmenschliche Lebensumstande" von Hilsenrath ohne Anklage geschildert wird, eine Auffassung, die schon 1964 einstimmig in der Presse vertreten wurde (96). Doch erst 1978 verlieh Johann dieser Uberzeugung eine Basis: "Die Getto-Gesellschaft, zusammengesetzt aus Wesen, noch unter dem Range von Insekten, braucht auch keine Anklage. Die Anklage ist ihre Existenz"(157). Fritz Raddatz vertrat als einziger die Ansicht, dafi Hilsenrath mit dem Buch nur eins bezweckte: "... das klebrige 'Wir wufiten von nichts' soil an den Pranger"(232). SSmtliche Stimmen zu N ach t von 1964 bis 1978, einschliefilich Helmut Kindler, waren vom Gegenteil iiberzeugt gewesen: "Der Autor klagt nicht an," denn "die Anklage bleibt dem Leser iiberlassen"(227). Diese Beobachtung stand im Mittelpunkt aller Besprechungen, da sie in ihr die Erkl&rung fur Hilsenraths 84

"unsentimentale" Darstellung sahen. Raddatz dagegen verallgemeinerte ohne Belege: "Aus miserablem Gewissen kehrt die deutsche Literaturkritik ihre Kriterien beiseite." Er deutete mit diesem Vorwurf an, da/3 er iiber Schuldgefuhle, die aus der Vergangenheit des Dritten Reiches riihren, erhaben ist, scheint aber alien anderen Rezensenten eine Nazi-Vergangenheit zu unterstellen. Fraglich bleibt bei seiner Rezension welche literarischen Kriterien er seiner Besprechung zugrundelegte. Mit einer dem Verri/3 imJ e d io th Chadashoth ahnelnden Uberheblichkeit bezeichnete er das rumSnische Getto im Verlauf seiner Betrachtungen als "eine Art Freilufl-KZ." Raddatz Diktion zeugt von einer unbegreiflichen Hybris, angesichts der Tatsache, da/3 er vom Zweiten Weltkrieg verschont blieb. Dennoch maflt er sich ein Urteil iiber Konzentrationslager und Gettos an, als sei er selber unter den Opfem gewesen und beansprucht, als Au/3enstehender eine Situation sachkundiger als ein Beteiligter beurteilen zu konnen. Diese Haltung ahnelt der historischen "Wie-es- eigentlich-gewesen-ist-Attitiide," mit der Paul Liitzeler das "allmachtige ErzahlerbewuBtsein des 19.Jahrhunderts" charakterisierte (414:S.7). Im Unterschied hierzu steht die multiperspektivische, quasi kaleidoskophafte Darstellung von Rezensenten und Autoren wie Jokostra und Hilsenrath, die dem Urteil des Lesers nicht vorgreifen. Griinde fur Raddatz' Leserbeeinflussung lassen sich aus seinen Lebensdaten ableiten (428J.21

Raddatz wurde 1931 in Berlin als Sohn eines TJFA-Direktors geboren. Er verlebte eine privilegierte Kindheit und absolvierte seine Schul- und Universitatsausbildung ohne Zwischenfalle. DaB diese 85

Ausbildung nicht ohne Verinnerlichung der herrschenden Lehrerpropaganda moglich war, versteht sich von selbst. Nach seiner Promotion in Germanistik an der Humboldt-Universitat wurde er 1956 stellvertretender Cheflektor des DDR-VerlagesVolk und Welt 1958 ermoglichte ihm Helmut Kindler die Ubersiedlung in die Bundesrepublik und bot ihm das Cheflektorat des Kindler-Verlages an. Nach zweijahriger Tatigkeit wechselte Raddatz als stellvertretender Leiter zum Rowohlt-Verlag. Differenzen iiber die Verlagspolitik zwischen ihm und dem Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt fiihrten 1969 zur Trennung. Raddatz nahm daraufhin einen Lehrauftrag an der Technischen Universitat in Hannover an. 1977 wurde er Feuilleton-Chef fur Die Zeit, eine Position, die ihm gestattete, ein Jahr sp&ter seine Polemik iiber N acht zu veroffentlichen. Seine Thesen fanden nirgends Zustimmung. Selbst die kleineren Lokalzeitschriften, die ihre Buchkritiken aus den Feuilletons der grofien Presse bezogen, sahen von einer Kurzfassung oder einem Nachdruck seiner Rezension ab. Fritz Raddatz bewies mit seinem Verri/3 erneut, wie problematisch ein statisches, fest umrissenes Genre-System ist. Seine Analyse scheitert an normativen Konstrukten, die er als Wertmaftstab anlegte: "Hier hat jemand den eklatanten Beweis dafiir geliefert, wie Kunstlosigkeit ein grofies Thema vernichtet. Was der Autor mit diesem - Roman - geschaffen hat, ist fast ein neues Genre: das Breitwandbuch"(232). Auf eine Definition dieses neuen Genres verzichtete Raddatz und fuhr stattdessen mit einem polemischen Aufsatz fort, den er mit Anekdoten von Tabori und Griindgens anreicherte. 86

Raddatz lehnte sich an die literaturtheoretischen Ansatze von Theodor Adorno und Georg Lukacs an (440). Seine geistige Beziehung zu Lukacs erhellt, wenn nicht Raddatz1 Anekdoten, so doch den BegrifF des "Breitwandbuches." Den folgenden Uberlegungen liegt Liitzelers Argument zugrunde, dafi "die Anschauungen, die die Romanpoetik heute pragen mit Lukacs Formeln aus der Theorie des Romans ... zwar nicht falsch aber hochst unzulanglich gekennzeichnet" sind (414:S.10). Der literaturphilosophische Standort vonNacht entspricht nicht Lukacs' These, der zeitgenossische Roman stelle neben dem Verlust von Sinn und Seinstotalit&t gleichzeitig die Suche nach einer einheitlichen Kosmologie dar.N acht ist ein Roman, der als Erkenntnisinstrument fungiert, "weil die Systemphilosophie unglaubwiirdig geworden ist"(414:S.ll). N ach t kann Raddatz1 literaturkritische Erwartungen nicht erfullen, denn Hilsenrath beschreibt keine neue Seinskosmologie,

sondern vermittelt die Disparatheit des Seienden.22 In seiner Kritik zur Literatur&sthetik von Adorno und Lukacs wahlte Raddatz zur Illustration einen Vergleich mit Goyas Gemalden: "Der gefahrdete Mensch wird sinnlich wahrnehmbar. ... Das Wiirdelosmachen des Anderen lafit auch den TSter seine Wurde verlieren - jene unheilvolle Dialektik zwischen Tater und Opfer ist bei Goya schon ins Bild gebannt..."(440:S.172). Im Verlauf seiner Argumentation wird deutlich, dafi Raddatz bei Hilsenrath das vermifit, was seiner Meinung nach den modernen Roman auszeichnet: "Von Goyas Tiermenschen bis zu Kafkas Kafer - die Dehumanisierung fand sich immer in Verwandlung, nicht im Gleichen."(440:S.172). Verwandlung aber bedeutet fur Raddatz eine Katharsis, wie sie auch 87

Lukacs, im Unterschied zu Adorno, proklamiert. Katharsis aber gibt es bei Hilsenrath nicht im Text. Sie liegt vielmehr, von Hilsenrath als Wirkung beabsichtigt, auBerhalb des Textes, beim Leser. Diese antizipierte Verwandlung soil sich aus Hilsenraths Sprachgestus produzieren, der dort politisch wirkt, wo der Leser aufgrund fehlender Alternativen im Text zum Nachdenken verschiedener Moglichkeiten veranlaBt wird. Nelly Toll und Sibylle Milton stellten in ihren jeweiligen Untersuchungen zur Kunst des Holocaust fest, daB die Thematik dieses Massenmordes kiinstlerische Formen evoziiert, die oft anders als bisher bekannte Formen sind, weil die Kiinstler andere Absichten verfolgen. Raddatz folgte zwar Adornos Ansatz, indem er im modernen Roman nicht mehr die Dialektik von Form und Inhalt fur maBgebend hielt, sondern die Form als bloB Hinzugefugtes, d.h. als duBerlich begriff. Doch w&hrend er erkldrte: "Becketts Werk als Darstellung des Perversen zu betrachten, heiBt das Dargestellte der Darstellung zur Last zu legen," nahm er diese kritisierte Haltung gegenuber Hilsenraths Werk ein (440:S.171). Sein VerriB muB deshalb auBerliterarische Beweggriinde haben, denn erz&hltheoretische Untersuchungen spielten bei Raddatz' Bewertung vonN acht keine Rolle. Er bezeichnete N acht als eine Katastrophe, ein obszones Buch, das sich durch billigste Klischees auszeichne. Aus diesem Grunde, so argumentierte er, sei Raven- Kindlers Ablehnung des Werkes berechtigt gewesen. Um dem Vorwurf entgegenzuwirken, aus personlichen Gninden Partei fur die Frau des Verlegers zu ergreifen, stellte er seinen Ausfiiihrungen ausdriicklich die Absicht voran, daB er "nicht ein Schicksal rezensiert, sondern ein Buch"(232). 88

Raddatz' Rezension beschrankte sich auf drei werkspezifische Beobachtungen. Ihm fiel auf, daB das Werk mit Redewendungen wie "es war, als wollte er, ihm schien, als wenn," "es kam ihm vor, als ob" usw. angefullt ist. Ohne deren inhaltliche Beziige herzustellen, muBte ihm die besondere Bedeutung, die diesen Satzteilen durch ihre Wiederholung zukommt, entgehen. Mit Hilfe dieses Stilmittels vermittelt Hilsenrath den Eindruck einer wachsenden Passivitat seitens des Protagonisten, dessen Realit&t zunehmend fragwiirdig wird. Raddatz sah in diesem Verfahren einen Beweis fur Hilsenraths "puren literarischen Dilettantismus"(232). Er bemerkte zwar, daB Hilsenrath sparsam mit seinem Vokabular umgeht, wodurch "die Ohnmacht der Sprache unser Entsetzen versehrt"(232). Seine Folgerung, das Grausen werde dadurch langweilig, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Autorin Gertrud Isolani zeigte den Zusammenhang von Grauen und Spracharmut auf. Sie folgerte, und Raddatz Ausfuhrungen best&tigen ihre Vermutung, daB die Gegner des Romans diesen Zusammenhang verkennen werden, indem sie "die Sprache dieser Armsten der Armen 'shocking' finden"(155). Fur Raddatz bestand der Widerspruch darin, daB in Nacht nicht die Macht der barocken Sprache des Spatburgertums wie bei Grass, sondern die Ohnmacht einer reduzierten Sprache von KLassen- und Heimatvertriebenen verwundet. Indem Raddatz Hilsenraths Dialoge als "Wortgeklingel" bezeichnet, sagt er auch: Sprache ist nicht so. Doch die Sprache ist so, weil Hilsenrath sie so verwendet, weil er sein Spracherleben so interpretiert und vor allem, weil seine Dialoge auch Bilder sind. 89

Fiir George Steiner gab es diesen Widerspruch nicht. In Language and Silence: Essays on Language, Literature and the Inhum an sah er die Reduktion von Sprache proportional zum jeweiligen AusmaB der Unterdriickung (473). Gegeniiber seinem Publikum hatte der Holocaustautor die Verantwortung, diesen Kausalzusammenhang darzustellen, ohne die Oppression oder die durch sie verursachten Greuel zu reduzieren. Hilsenrath stellt Sprachreduktion als Folge externer Unterdriickung in den Zusammenhang seiner eigenen Existenz. Neben seiner Gettoerfahrung flo/3 auch die Wirkung der von seinem Vater veranlaBten Elektroschock-Behandlung auf den "verstummten" Hilsenrath in seinen ersten Roman ein. Hilsenrath stellt die Macht der Sprache in Frage. Durch diese Infragestellung gelingt ihm die "verletzende" Wirkung. Sprache ist fiir Hilsenrath von zentraler Bedeutung. Sie ist, wie Axel Hofmann beobachtet, das einzige in N a ch t, was "den Menschen noch vom Tier unterscheidet’X 150). Im Gegensatz zu Hilsenrath, der Herrschaft nicht durch Sprachgewalt ausdriickt, offenbart sich bei Raddatz ein patriarchalisches SprachbewuBtsein. Dieses zeigt sich besonders in der elitaren SchluBbemerkung: "Statt der Posaunen des Jiingsten Gerichts nur Wortgeklingel, statt der Stummheit gegeniiber dem Unsagbaren unsagliche Beredtheit: ein Nelly Sachs fiir kleine Leute"(232). Mit Raddatz eigenen Worten bleibt Sprachkritik, so gehandhabt, Phanomenkritik (441:S.150). Die historiBchen Ursachen, die Hilsenrath und sein Werk beeinfluBten, bleiben unbeachtet. Raddatz' Kritik offenbart, daB Sprache fiir ihn ein Machtmittel ist, mit dessen Hilfe nicht nur verwundet sondern auch gerichtet wird. Unter diesen 90

Voraussetzungen kann Hilsenrath, der nicht richtet, fur Raddatz nur die Rolle des Kldgers iibemehmen. Raddatz scheint, entgegen seiner Behauptung, mehr als eine Buchkritik bezweckt zu haben, denn es ist aufiergewohnlich, daB ein Rezensent die Frau eines Verlegers personlich in Schutz nimmt. Femer bedachte Raddatz Der Nazi und der Frisdr nur mit der Nebenbemerkung, daB der Roman iibergebiihrlich gelobt worden sei. Sein VerriB endete mit dem in Paranthese gesetzten Hinweis auf Wolfgang Nagels positive KritikSchon mal von diesem Hilsenrath gehdrt (209). Raddatz hatte diesen Artikel in die gleiche Ze^-Ausgabe aufgenommen, in der er seinen VerriB veroffentlichte. Neun Monate zuvor hatte Raddatz bereits Heinrich Bolls positive Rezension zuD er Nazi und der Frisdr gedruckt (75). Es ist anzunehmen, daB er aufgrund von Bolls Ansichten zu diesem Roman, von einer Kritik, die sich gegen diesen Schriftsteller, der auch sein Freund war, gewandt hatte, absah. Raddatz' Uberzeugung, daB satirische Figuren das wahre Grauen des Faschismus unterwandern, waren mit Bolls Ansichten unvereinbar. Wahrend Boll in der satirischen Demontage von Individuen ein Transparentmachen gesellschaftlicher Verhaltnisse sah, ist Raddatz vom Gegenteil iiberzeugt: "Der politische Gegner als Karikatur ist keiner mehr. Es ist dasselbe Debakel, in dem Chaplins Hitler-Film als bratpfannenschlagende Kostumklamotte versandet"(440:166). Unter den deutschen Rezensenten, die Bich 1978 zu N a c h t SuBerten, fand sich nur ein Kritiker, der zu dem Roman bereits 1964 Stellung genommen hatte: Heinrich Ernst Knolle alias Peter Jokostra

(4 2 8 ).23 Jokostras Karriere wurde nach dem Studium durch den Krieg 91

unterbrochen. Um dem Kriegsdienst zu entgehen, arbeitete er nach 1933 als Gelegenheitsarbeiter. Nachdem er in MaBuren, wo er sich versteckt hielt, gefunden und zur Winterschlacht an die Wolga eingezogen wurde, desertierte er. Als Raddatz 1958 in die Bundesrepublik iibersiedelte, muBte Jokostra aus der DDR fliehen, wo er, wie Raddatz als Lektor tatig gewesen war. Seitdem lebt er als freier Schriftsteller in der BRD. Seine kritische Perspektive wurde durch Kriegserfahrungen und die Zensur seines Essays Das Weltbild Franz Kafkas in der DDR gepragt (385). Aufgrund dieser Erfahrungen liegt es nahe anzunehmen, daB Jokostra die Mechanismen einer verschleierten Zensur gelaufig sind. Ohne in seinen Rezensionen zu N a c h t das Verhalten Kindlers kritisch zu beleuchten, versuchte er, sachlich anhand werkbezogenen Beobachtungen den Roman fur sich selbst sprechen zu lassen. In seiner Rezension von 1978 nahm Jokostra ohne Namensnennung Stellung zu den Argumenten, mit denen Raddatz den Roman verri/3. Jokostra widerlegte den Vorwurf, es handle sich um ein Werk "ohne inneres Gesetz," indem er auf die stringente Komposition der zu einem Gesamtbild verdichteten Einzelepisoden hinwies. Er widersprach den Literaturkritikern, die an N acht bemdngelten, da/3 Hilsenrath zuviel zu erfassen sucht und dadurch letztlich nichts mehr erfaflt. Wenn in Nacht, das Bild der Realitat konturlos wird, erfullt sich die Intention des Autors. Die literarische Sinnkonstituierung wird nicht durch Beliebigkeit ersetzt, sondem Hilsenraths Auswahlprinzip, das langsam fortschreitende Sich-Auflosen der existentiellen Form, tritt umso deutlicher zutage. 92

Jokostra schlo/3 seine Betrachtungen mit dem gleichen Zitat wie Raddatz aus der SchluBszene von George Taboris Autobiographic. Taboris Vater sagt beim Betreten der Gaskammer: "Nach Ihnen, Herr Mandelbaum"(164). Jokostra widerlegt Raddatz' Unterstellung, es handele sich bei Nacht um "Wortgeklingel," indem er eine Parallele zwischen Taboris und Hilsenraths Schlufiszene zieht: "Es [Nacht] besitzt die gleiche Authentizitat wie die schrecklichen Worte, die der Vater des Regisseurs Tabori beim Betreten der Gaskammer einem Freund zufliistert. Es ist ebenso absurd und ergreifend menschlich wie diese Geste, wenn Debora angesichts der ewigen Nacht zu dem Kind der toten Hure sagt: Du brauchst keine Angst zu haben. Mutter wird auf dich aufpassen"(164). Sieht man, wie Raddatz, Deborah mit dem Kind auf dem Arm losgelost aus dem inhaltlichen Umfeld, evoziiert das Bild eine klischeehafte Madonna. Diese Sicht verfalscht die Bedeutung des Bildes, das, wie Jokostra darlegt, im Kontext das Klischee in Frage stellt. Thompson schrankte die Bedeutung des Bildes ein, als er es vor dem unmittelbaren Hintergrund der Handlung interpretierte: "Deborah, cradling a baby in a sentimental tableau."(268) Roditi verallgemeinerte: "Deborah illustrates an ideal of womanhood, a kind of utterly incorruptible and always merciful Madonna."(240) Zwar wird Deborah zu Beginn des Romans als "Heilige" vorgestellt und am Ende zum "Marienbild" stilisiert, doch die Romanhandlung verleiht der SchluBszene die von Jokostra aufgedeckte Absurditat, die entsteht, indem die historische Realit&t der Protagonistin mit dem weiblichen Mythos kollidiert. 93

Jokostra teilte Raddatz' synthetisierendes Bediirfnis, Literaturkritik auf traditionelle poetologische Normen zu stxitzen, nicht. Der postmodeme Roman kann nicht an dem aus Naturalismus und Realismus hergeleiteten Romantypus gemessen werden (388/387). Aus Jokostras Kommentar sprechen auch Zweifel an Lukacz' romantheoretischen Konzepten, die in den siebziger Jahren zunehmender Kritik unterzogen wurden. Bereits 1958, entgegen Wolfgang Kaysers und Erich Kahlers Abhandlungen, bewies Jokostra in Das Weltbild Franz Kafkas , dafi sich deren literaturtheoretische Begriffe, auf die Erzfihlprosa Kafkas angewandt, als unzul&nglich erweisen. Auch bei seiner Beurteilung von N a c h t ersetzt er die Romanpoetik mit seiner allgemeinen Kulturkritik. Diese stellt, wie das literarische Werk, eine Verbindung mit der Offentlichkeit her. Viktor Zmegac wies in seinem historischen VergleichZ u m Problem der Romantheorie nach, daJ3 es den modemen Roman ebenso- wenig gibt wie eine allgemein giiltige Romantheorie. Es erscheint uberflussig, zeitgenossische Romane in Bezug auf einzelne Konzeptionen einordnen zu wollen. Dagegen ist es sinnvoll, wie Jokostra, nach der Funktion dieser Werke, d.h. nach der Funktion von N ach t zu fragen. Zmegac folgerte allgemein, dafi der modeme Roman nur "im Hinblick auf die kiinstlerischen wie auch die kommunikativen, in der implizierten Leserrolle erkennbaren Ansichten des Autors" kategorisiert werden kann (499:25). Der neuen Literatur liegt die Uberzeugung des Autors zugrunde, "der Roman miisse sich als eine Sprachkunst ausweisen, die keine Riicksicht zu nehmen hat, weder auf bestimmte literarische Konventionen noch auf die eingeiibten 91

Erwartungen der Leser"(499:25). Zmegac mutmaBte, daB Werke, die das Ansehen der Literaturkritiker genieBen, eine geringe Leserfrequenz haben. Am Beispiel von N acht wird das Gegenteil deutlich. Im Echo auf dieses Werk werden Gemeinsamkeiten zwischen Rezensenten- und Publikumsreaktion deutlich. In dem MaBe wie Hilsenraths Werk als literarische Bewaltigung der Realitat verstanden wird, in dem MaBe stellt N ach t als Beispiel einer neuen asthetisch vermittelten Sicht der Wirklichkeit einen Wert dar und erfullt eine gesellschaftliche Funktion. Gemeinsam mit Alfred Doblins November 1918 stand N acht an der Spitze der vom Sildwestfunk Baden Baden durch eine Umfrage bei Literaturkritikern erstellten Bestenliste von 1978. Im selben Jahr wurde Hilsenrath als Gast in der neunten Life-Ubertragung der Sendung Autorscooter vorgestellt. Moderator Peter Wapnewski hatte zur Diskussionsrunde auch den politischen Rundfunkredakteur Joachim Trenkner eingeladen. Hilsenrath war aufgrund seines Romanerfolges Der Nazi und der Frisor zu Gast. Nach wenigen einleitenden Worten wandten sich die Gespr&chsteilnehmer N a c h t zu. Der Germanist Wapnewski stellte Nacht positiv als das Produkt eines Schriftstellers und Chronisten vor. Der Verdienst Hilsenraths bestehe darin, nicht antisemitische Tendenzen sondem Ressentiments der menschlichen Natur gegenuber hervorgerufen zu haben.N acht reflektiere, so fuhr er fort, daB "das Versagen eines jeden Menschen unter grauenvollem Druck auch grauenvoll zum Ausdruck kommt"(280). Wapnewski eroffhete die Diskussion mit einer Kritik an der von Raven-Kindler aufgestellten Behauptung, das deutsche Volk sei noch nicht reif fur ein Werk wie N ach t. Angesichts der Verbrechen, die das 95 deutsche Volk im Dritten Reich begangen und nun zu verantworten habe, hielt Wapnewski die Position Raven-Kindlers fur unverantwortlich. Ferner sei ihm unerklarlich, warum Helmut Kindler, von dem er glaube, daB man ihm "nie und nimmer Sympathien fur den Faschismus vorwerfen konne," den Erfolg vonN ach t verhinderte. Wahrend Wapnewski dem Publikum die Antwort schuldig blieb, wurden seine personlichen Sympathien fur Kindler deutlich. Obwohl ihm die Fakten der Kontroverse vertraut waren, verzichtete er auf eine Deutung. Wapnewskis Inschutznahme von Kindler entlarvte seinen Philosemitismus als geheuchelte "Judenliebe aus schlechtem Gewissen," die der des Verlegers glich. Mit diesem Philosemitismus beschritten beide, wie viele Deutsche, den Weg des geringsten Widerstandes, der Leon Brandt noch 1979 zur folgenden AuBerung bewegte: "Philo-Semitism as an expression of German guilt complexes is repulsive to me because it imposes the status of 'being special' on me, because it limits my freedom to feel free as equal among equals ...''(323:74). Hilsenrath zeigt in N a ch t, daB die Nazi-Opfer, wie alle Menschen, unabhangig von ihrer Herkunft, unter dem Druck systematischer Tortur, versagen konnten. Literarische Riickblicke auf die Vergangenheit sind Kunstprodukte. Kindler und Landau waren auBerstande, N a ch t als literarische Manipulation vom historischen Material zu trennen. Indem sie historische Extremsituation und literarische Verarbeitung miteinander gleichsetzen, zeigen sie ihr Unverstandnis gegentiber dem ProzeB des Schreibens. Die Getto-Erfahrung, die unkontrollierbar fur Hilsenrath war, wurde fur ihn in gedanklichem Nachvollzug zu einem 96 kontrollierbaren literarischen Experiment. Hilsenrath setzte die KZ Parole "Stirb du heute und ich morgen!" in die Taten seiner Protagonisten um, die als homo lupus im Vergleich zum homo sapiens einzig von dem Gedanken zu iiberleben getrieben werden. Er charakterisierte Schreiben als Therapie und widersprach Wapnewski, der Vergangenheitsbewaltigung eher fur die Sache der Schergen als die ihrer Opfer hielt. Fur Hilsenrath ist sie ebenso ein Anliegen "der Opfer, - um Komplexe und Neurosen loszuwerden"(280). Wapnewski erwog die Tragweite dieser AuBerung und stimmte Hilsenrath daraufhin zu, wobei er weiterhin betonte, daB er Nacht fur lesenswert halte. Als Trenkner auf die divergierende Meinung zuNacht in der FAZ und in der Zeit aufmerksam machte, kam es zu Spannungen zwischen Hilsenrath und Wapnewski. Hilsenrath erklarte, bei Raddatz' Rezension handle es sich nicht um werkimmanente Kritik und begrundete den VerriB mit der Beziehung zwischen Raddatz und Kindler: "Da Raddatz sich dem Kindler Verlag verpflichtet fiihlte und wuBte, dafi ich Kindler angegriffen hatte, hat er ihn sozusagen mit meinem VerriB verteidigt"(280). Dieser Erklarung fiigte Hilsenrath dem Sachverhalt entsprechend hinzu, Nacht konne man nicht an traditionellen Kriterien messen, da das Werk in der Sprache des Bettlers geschrieben sei. Er schloB mit Bemerkungen, die seine Ressentiments gegeniiber einer Literaturwissenschaft spiegeln, die Jahrzehnte benotigte, neue Wege des Romans anzuerkennen. "Germanisten sind weltfremd. Der [Raddatz] muB, um das zu verstehen, vielleicht erst mal selbst als Bettler rumlaufen"(280). 97

Dieser Vorwurf reflektiert Hilsenraths Ansicht, daB Autoren unterschiedlicher geschichtsphilosophischer Ansichten und Erfahrungen unterschiedliche Darstellungs- und Romanformen schaffen. Hilsenraths Darstellung und amorphem Gattungsverstandnis stehen Raddatz' Postulat nach Katharsis und Wapnewskis Asthetik einer einheitlichen Kosmologie der Epik gegeniiber, die sich im wissenschaftlichen Spezialgebiet des Letzteren, in der Literatur des Mittelalters, manifestiert. Auf Hilsenraths Bemerkung anderte Wapnewski seine Meinung und stimmte mit Raddatz iiberein, N acht sei eine Chronik und ein Erstlingswerk voller Klichees. Dieser Meinungumschwung unterminiert die Glaubwurdigkeit seiner bisherigen positiven Aufierungen, die nun als zweckdienliche Zugestandnisse erscheinen, die Wapnewskis wahres Urteil hinter einer kiinstlichen antiseptischen Objektivitat verschleierten. 98

n FUBNOTEN

1 Gunter Wallraff dokumentierte in seiner Studie Ganz unten wie antisemitisches und nazistisches Hetzvokabular heute auf den "Untermenschen" Gastarbeiter angewandt wird, wie z.B. die Bezeichnung der Tiirken als Kanaken, ein Begriff, der urspriinglich desertierten Sowjetsoldaten gait (486). 2 In seiner Analyse des SS-Staates stellte Krausnick fest, da!3 das Getto durch eine bis zur letzten Konsequenz getriebene hierarchische Gesellschaftsstruktur gekennzeichnet war. Parallele Erscheinungsformen wie z.B. Demutigungen der SS gegeniiber ihren eigenen "Rekruten" fanden auch in den Gettos statt. Joan Ringelheimer wies auBerdem nach, daB der hierarchische Stellungsunterschied zwischen Mannem und Frauen im Getto besonders ausgepragt war (450:S.741-746). 3 Freud interpretierte Michelangelos Moses als ein Sinnbild, bei dem der Gesichtsausdruck die Affekte reflektiert, die Muskulatur der Korpermitte die Widerspruche verdeutlicht, un der in der Aktion erstarrte FuB die Unterdriickung spiegelt (357:S.190). 4 Hilsenrath wiederholte noch einmal genauer in einem Schreiben an mich, was er auch Wapnewski gegeniiber im Autorscooter erlauterte, namlich wie das Vorwort zur Erstauflage zustande kam. 5 OfFenbar war der Verlag weniger um eine Verwechslung m it dem bereits unter gleichnamigem Titel veroffentlichten Roman Elie Wiesels besorgt (492). 99

6 Obwohl er keine Titel nennt, ist anzunehmen, dab er an Werke denkt wie z.B. Philip Friedmans Jewish Resistance to , Stanislaw Kohns The Treblinka Revolt, Zvi GoldfarbsHehalutz Resistance in Hungary und Rachel Auerbachs The Jewish Uprising in Warsaw. 7 Jean Amery, Hugo Bettauer, Jerzy Kosinski und andere iiberlebten zwar den Holocaust, fanden das Leben danach jedoch problematischer als das Uberleben selbst, - und begingen Selbstmord. 8 Dieses Verhalten entspricht ebenfalls den Bemiihungen osterreichischer Kulturorgane, die Bucher und Filme zum Holocaust und zur jiidischen Geschichte durchaus in den U.S.A. vertreiben lassen, aber im eigenen Land unterdriicken. 9 Reinhard Baumgart urteilte iiber die normative Gattungstheorie der Modeme: "Es ist ahnungslos museal, heute noch reinlich Gattungsasthetik zu treiben"(311). Wayne C. Booth pflichtete ihm bei: "Es gibt keine Gattung, die so amorph ist, wie die des Romans"(320). Edward M. Forsters Kommentar fiihrte diese Geisteshaltimg, deren Vertreter nicht alle genannt werden konnen, fort: "The novel is a formidable mass"(356). Nach diesen Zitaten fa!3te Paul Michael Lutzeler entsprechend zusammen: "Es ist nicht moghch, die Asthetik des deutschsprachigen Romans unserer Zeit auf eine Formel zu bringen"(414:S.8). 10 Cohn sieht die erlebte Rede nach zwei Polen hintendieren. Der eine Pol ist "Ironie", der andere "Sympathie." Hilsenraths "Roman in Dialogform" la!3t sich zweifelsohne in die Reihe der von Cohn angefuhrten Beispiele zur "Erzahltheorie" eingliedem (338). H Er ignoriert den Roten, jenen vital gebliebenen Juden Nacht,in der, die Hackordnung durchsetzend, die Einzelschicksale seiner 1 0 0

Mitmenschen miBachtet. "Vital" hat fur diesen Rezensenten lediglich die einseitige Bedeutung des von Martin Buber gepragten "iiberwindenden Juden"(327). 12 Jiddisch wurde in Amerika in solchem MaBe gesprochen und verstanden, daB es bis 1950 viele jiddische Theater gab. Untersuchungen hierzu finden sich u.a. in Studien zu Maurice Schwartz, Begriinder des Jewish Art Theater in New York und Jacob Gordin, einer der bekannten Dramatiker des jiddischen Theaters. Femer waren die amerikanischen Juden bestrebt, sich zu akulturisieren, wahrend die deutschen Juden bemiiht waren, sich zu assimilieren. Zur Begriffsdefinition sei auf die besonders aufschluBreichen Beobachtungen von Richard Tuerk verwiesen (484:S.145f). 13 Beispiele jiidischer Autoren in Anthologien zur zeitgenossischen Literatur Amerikas: Abraham Cahan, Meyer Levin, Ludwig Lewisohn, Herbert Gold, Irving Howe, Alfred Kazin, Louis Untermeyer, Philip Roth, Isaac Bashevis Singer, Jakov Lind, Norman Mailer, Saul Bellow, Herman Wouk, Allen Ginsberg, Bernard Malamud. 14 William Butler Yeats: "An aged man is but a poltry thing / a tattered coat upon a stick." Das Gedicht handelt vom Altem, Sterben und den Angsten und Sehnsiichten des Menschen. Die Assoziationen, die beim Leser durch diese iibersetzte Charakterisienmg Raneks hervorgerufen werden, sind deshalb irrefuhrend. 1® Weitere Beispiele fur die britische Sicht, daB HofFnung sich in Nacht durch den Willen zu uberleben ausdriickt: "a statement of the human struggle for survival"(171); "vivid and memorable in telling what 1 0 1 men can endure"(91); "it is a tribute to the courage and strength of those who were able to survive such circumstances"(82). Die Pladoyers fur Nacht in England verdeutlichen auch bei den Rezensenten, eine gewisse ''Ubermiidung'' dem Holocaustthema gegeniiber: "Although this is yet another novel about the fate of the Jews in Europe during the war ..."(220); oder: "Should we continue to punish ourselves by learning and relearning the facts of Nazi bestiality? On the face of it, it is debatable. But the alternative, to forget, is surely unthinkable"(139). 17 Werbekosten lassen sich sofort abschreiben, und Gewinne fliefien in steuerlich besser manipulierbaren Raten zuriick. Braun kalkulierte, daB nach Abzug der Grundkosten, der Werbekredit nach ca. 40.000 verkauften Exemplaren auf Null abgetragen sein wurde. Laut Vertrag war Zinn, unabh&ngig vom Erfolg des Buches, nur bis zu DM 50.000 prozentual am Gewinn beteiligt, wahrend ein eventueller Verlust ganzlich zu seinen Lasten ging, Fxir Ferdy Zinn war diese Investition im Vergleich zu anderen Publikationsgeldem, die er als ehemaliges KPD-Mitglied entsprechend ideologischen Veroffentlichungen zuflieBen lieB, gering. Er erklarte sich zur Unterstiitzung vonNacht bereit, nachdem er vonDer N azi und der Frisor begeistert war.Nacht aber hatte er zu Zeiten des Vertragsabschlusses noch nicht gelesen. Nachdem er die Lekture von Nacht beendet hatte, dnderte er sein Urteil iiber Hilsenrath und bezeichnete ihn als einen vollig unpolitischen Menschen. I® Die Werbekampagne fand in drei 1-monatigen Phasen statt: vom 15. Juli bis 15. August, vom 15. September bis 15. Oktober und synchron zum Hauptweihnachtsgeschaft vom 15. November bis 15. Dezember. Neben Anzeigen, Displays und Plakaten, veranstaltete Braun ein 5- 1 0 2

wochige Lesereise mit Hilsenrath. Vom 4. September bis 13. Oktober nahm Hilsenrath an 50 Terrainen teil (288). 19 Besonders in Handkes Sprechstiicken wie Publikumsbeschimpfung (1966) und Kaspar (1968) wird diese Sprachreduktion deutlich, die den herrschenden Sprachgebrauch als Herrschaft verfestigendes Ordnungssystem entlarvt, indem Zeichen- und Kommunikationssysteme so variiert werden, daB sie als Zeichen der Individualitatszerstorung vorgefuhrt werden. Doch wahrend Handke, seinem literarischen Programm zufolge, dem Publikum ein Exerzierstiick abstrahierter Realitaten vorfuhrte, stellte Hilsenrath die Sprachreduktion als Folge von extemer Oppression in den konkreten Zusammenhang seiner eigenen Existenz. Heiner Muller sucht in der Pervertierung alles Menschlichen die Dialektik der Geschichtsbewegung zu betonen. Die Brutalitat der Geschichte findet ihren Widerhall in der BrutalitSt von Mullers Sprache, die veranlaBte, Heiner Mullers Werke als "Kotze-Kacke-Eiter-Stiicke" zu charakterisieren (317). 20 Franz K Stanzel, Manfred Durzak, Helmut Kreuzer, Jurgen Schramke, Paul M. Lutzeler und Egon Schwarz nehmen zur Problematik der Konstellation "Subjektivitdt" und "Realismus" Stellung. Sie sind sich darin einig, daB es sich bei der Unterscheidung von experimenteller Literatur und existentiell-subjektivem Schreiben um einen konstruierten Scheingegensatz handelt. Femer stimmen sie darin liberein, da!3 die stete Nachweiserbringung einer "Romankrise," "ErzShlkrise" und "Sprachkrise" im deutschen Roman der letzten zwanzig Jahre lediglich die Wiederholung eines Faktums beinhaltet. 103

21 Alle biographischen Angaben zu Fritz Raddatz sind dem Munzinger Archiv entnommen: Lieferung 34/81 - K - 14296**a. 22 Doch nehmen nicht erst die Literaturkritiker der Modeme Abstand von einer normativen Romanpoetik. Herder auBerte bereits in Briefs zur Befdrderung der Humanitdt: "Die Dichtungsform des Romans laBt die groBesten Disparaten zu." Schlegel urteilte im116. Athendums- Fragment: "Der Roman erlaubt, daB die Willkiir des Dichters kein Gesetz iiber sich leide." Goethe bemerkte in Maximen und Reflexionen: "Der Roman ist eine subjektive Epopoe, in welcher der Verfasser sich die Erlaubnis ausbittet, die Welt nach seiner Weise zu behandeln." Nach diesen Zitaten schlieBt Zmegac: "Die Normpoetik des Romans verliert seit dem 18. Jahrhundert rapide an Geltung"(499:S.24). 23 Alle biographischen Angaben zu Peter Jokostra sind dem Munzinger Archiv entnommen: 32-33/85 - K - 009716 - 3 J - ME. KAPITEL III DER NAZI UND DER FRISOR

1968 beendete Hilsenrath sein zweites Werk, Der Nazi und der Frisdr. Er hatte den Roman innerhalb von 14 Monaten geschrieben und im Miinchner Bahnhof korrigiert, wo er nachts seine Dialoge im Larm der ein- und ausfahrenden Ziige deklamierte. Hilsenrath verzichtete zunachst darauf, das Manuskript an deutsche Verlage zu schicken. In Anbetracht seiner Erfahrung mit dem Kindler-Verlag und des Erfolges, den N a c h t in den U.S.A. geemtet hatte, wandte er sich an seinen amerikanischen Agenten Max Becker. Becker bot auch dieses Manuskript dem Doubleday-Verlag an, der den Roman 1971 verofFentlichte. Er erschien, ubersetzt von Andrew White, alsThe N azi and the Barber mit dem Untertitel A Tale of Vengeance (2). Wahrend in N ach t die Figur des Kl&gers fehlte, wird sie inD er Nazi und der Frisdr in Frage gestellt: Klager und Angeklagter sind identisch. In diesem unlosbaren Widerspruch wird die Funktion des einen sowie des anderen ad absurdum gefuhrt, d.h. letztlich fehlt auch hier der Klager. WohingegenN ach t seine Glaubwurdigkeit durch die NShe zum eigenen Erleben Hilsenraths erhielt, ensteht Authenzit£Lt in Der Nazi und der Frisdr durch die Ich-Form. Hilsenrath greift die im absurden Theater bevorzugte Problematik von Schein und Sein auf. Die angeblich den Juden typisierenden, angeborenen Kennzeichen werden

104 105

durch den arisch aussehenden Juden Itzig und den jiidisch aussehenden Arier Max falsifiziert. Wenn es iiberhaupt judische Charakteristika gibt, so sind diese angeeignet bzw. angelemt, wie bei der Verwandlung von Max in Itzig deutlich wird. Beschneidung, KZ- Nummer, Eigenname, hebraische Sprache, judische Feiertage usw. konnen aus jedem Max einen Itzig machen. Im Menschen ruhen die Moglichkeiten beider Identitaten, deren Realisierung eine Frage individueller Entscheidung ist. Max' Entscheidung hangt davon ab, inwieweit die eine oder andere Identitat eine Lebensverbesserung oder das Uberleben an sich garantiert. Besessen vom Neid und von der Moglichkeit, Finkelsteins Frisorladen zu ubemehmen, schlieflt er sich der Judenhetze an. Von seinem Uberlebensdrang getrieben, verwandelt er sich in Itzig: "In der HChle des Lowen wird dich niemand suchen"(2:S.215). Die Identitatsveranderung des Protagonisten bedingt dessen Orts- und Systemwechsel, anhand derer Hilsenrath verdeutlicht, da/3 alles Sein und die Spaltung von Schein und Sein eine Frage der Perspektive ist. In der Schlafkoje auf der Exitus ist der Rabbi Nummer eins oder Nummer fiinf: "Das hangt ganz davon ab, ob du ... von unten zu zahlen angfangst oder von oben"(2:S.256). Vom Standpunkt der Englander ist die judische Armee illegal, aus der Sicht der Israelis hingegen legal (2:S.234). Die Unterscheidungen sind systembedingt und artifiziell. Dem Gegensatz von "Jasagern und Neinsagern" ist immer auch ein verbindendes Element immanent. Die Trennung zwischen Juden und Arier, Tater und Opfer, Klager und Angeklagtem, Toten und Scheintoten wird aufgehoben. In einer Art Selbstbeschau fallt auch der 106

Zuschauer mit dem Akteur zusammen: "TrSumte ich wdre im Theater. ... Dachte: Du sitzt im Zuschauerraum ... und dabei siehst du dich auf der Buhne"(2:S.208).

III.l. 1971 - Erstauflage und.Kritik in den U.S.A. Amerikanische Rezensenten begegneten dem Roman unmittelbar nach seiner Veroffentlichung mit groBem Interesse. Zu den detaillierteren Rezensionen von 1971 zahlt der imAufbau veroffentlichte Beitrag der mit dem Jean-Paul-Preis der Stadt Bayreuth und dem Literaturpreis der Berliner jiidischen Gemeinde ausgezeichneten Exilautorin Hilde Marx. Riickblickend auf den Anti-Helden Ranek, pragte sie fur Max Schulz die treffende Bezeichnung des Un-Helden. Sie stellte femer fest, daB, im Unterschied zum ersten Roman, nun die Ich- Form der Erzahlung "Authentizit&t in die Welt schillernder Phantasie"(193) bringt. The Nazi and the Barber zeichne sich durch Logik, sichere Figuren- und Umgebungszeichnung und sprachliches Fingerspitzengefiihl aus. Marx verglich die Wirkung des Werkes mit der Spannung eines Kriminalromans voll zynischen Gelachters, von "desgleichen die Literatur fiber diese Hollenzeit wenig aufzuweisen hat"(193). Mit Blick auf andere Kritiken gab sie zu bedenken, daB ein Vergleich mit Gunter Grass inkorrekt sei. Sie verwies damit auf Rezensenten wie Shimon Wincelberg, die entweder stilistische oder inhaltliche Parallen zu Die Blechtrommel zogen (284). Marx argumentierte, Hilsenrath zeichne sich nicht nur durch ein anderes Einfuhlungsvermogen in die Materie sondern auch durch eine eigenwillige sprachliche Formkunst aus. Bereits 1971 griff sie der sp&teren Debatte in Deutschland, wer Hilsenrath entdeckt habe, voraus: 107

"Aufbau-Leser konnen von sich sagen, ihn 'entdeckt' zu haben,"(193) behauptete sie im Hinblick auf den Artikel Unsere zweite Generation, der 1965 anlafllich vonN igh t erschienen war. Die New Yorker Staats- Zeitung und Herold sowie der F orw ard veroffentlichten jedoch schon 1964 ihre ersten Beitrage iiberN igh t Wahrend Marx den UntertitelA Tale of Vengeance lediglich in ihrer bibliographischen Angabe zitierte, sah Jill Neville in ihm die Summe ihrer Interpretation: "It's a sobbing, capering buffoon of a book, sick with desire for justice. But how can six million dead Jews be avanged"(214)? So gestellt, geht die Frage am Text vorbei. Hilsenrath verlangt nicht nach Gerechtigkeit sondern er problematisiert sie. In Form der Satire zeigt er, daft die Frage selbst unsinnig ist, da dieser Massenmord nicht geahndet werden kann. Nevilles Charakterisierung "a tale written with all the wrath gone awiy"(214) verkennt die Intention des Buches. Rache kommt lediglich in der Person von Schulz zum Ausdruck. Schulz, dessen Identitat mit der des T&ters zusammenfallt, muft, um sich seiner Identitat zu vergewissern, als TSter identifiziert werden. Da sich niemand findet, dies zu tun, wird ibm seine Identitat annuliert. Der Identit&tstausch hat den Identitatsverlust zin* Folge. Max fihnelt in diesem Moment in seiner Subjektlosigkeit den Figuren von Elfriede Jelinek. Max ist nichts, er ist nur, was er scheint (384). 1 Gleichzeitig spielt Hilsenrath auf die Frage nach der jiidischen Identitat an (484:S.153f). Wahrend z.B. Bernard Malamud "judisch nach aufterer Form" imd "judisch nach innerer Uberzeugung" unterscheidet, ist die ethno-moralische Differenzierung bei Hilsenrath irrelevant geworden.2 Sie wird durch eine allegemein menschliche, nicht 108 spezifisch judische Ethik ersetzt. Auch Allen Ginsbergs Krai Majales, der die Grenzen seines Judentums sprengt, indem er sie mit dem Buddhismus, Christentum, und anderen Religionen verbindet, liefert nur eine scheinbare Parallele zu Hilsenraths Perspektive, in der eine religiose Etikettierung verspottet wird. Ginsberg nennt sich "a Buddhist Jew/ who whorships the Sacred Heart of Christ the/ blue body of Krishna /the straight back of Ram /the beads of Chango the Nigerian singing Shiva/ Shiva in a manner which I have invented"(366:S.90). Max hingegen pinkelt "dreimal symbolisch ... einmal in der Grabeskirche ..., DENN HIER HATTE DER LEIB CHRISTI GELEGEN! ... einmal in der Omarmoschee ... DENN HIER VOM FELSBLOCK SAKHRA WAR MOHAMMED IN DEN HIMMEL GERITTEN! ... und einmal vor der Klagemauer ... DENN HIER, DEN LETZTEN RESTEN VON SALOMOS TEMPEL, WAR DIE HEILIGSTE STATTE DER JUDEN"(2:S.295)! Dieses Bekenntnis in Fettdruck gleicht, besonders im Hinblick auf seinen Ausgang, einer Satire auf Ginsberg: "Und keiner hatte es gesehen. Denn ich, Max Schulz, bin ein geschickter Pinkler"(2:S.296). Dann schwenkt Hilsenrath den Blickwinkel fur den Leser, lenkt ihn auf sich, den Autor, und Handlung und Anspielung fallen zusammen: "Und plotzlich war ich nicht mehr Max Schulz. Ich war wieder ein Jude"(2:S.296). Besch&mt wischt er die Flecken wieder weg. Analog zu Max, der an drei heiligen, historischen Orten in Israel uriniert, markiert Hilsenrath drei Stellen durch Fettdruck: erstens einen Absatz iiber antisemtische Hetzpropaganda seitens Max, zweitens den Namen Itzig Finkelstein in einem Absatz, der die Verwandlung von Max zu Itzig beschreibt und drittens den oben erwfihnten Absatz iiber 109 die Befleckung (2:S.65, S. 168, S.296). Max bereut und wischt die Indizien seiner Tat weg. Ubertragen auf die fettgedruckten Stellen im Roman, wurde das bedeuten, da/3 Max den Antisemitismus, Itzig Finkelstein und Christus, Mohammed und Salomon auszuloschen sucht. Was bliebe, ware Max, wie er sich als Itzig, als Juden versteht und realisieren mochte: ohne eine belastende Vergangenheit und ohne den durch das religiose Erbe bedingten Konflikt der Gegenwart. Auch Wayne Gibbs nahm den Untertitel wortlich und paraphrasierte: "It is a tale of vengeance"(125). Doch die faktische Bedeutung des Untertitels wird durch den Inhalt und die satirische Form des Romans in ihr Gegenteil verkehrt, das mit den Worten Gibbs lauten miifite: it is a tale of the impossibility of vengeance. Marx hingegen erfaBte diese Verfremdung und charakterisierte das Werk als ein "fanatisches Suchen nach Recht und Unrecht und die Unmoglichkeit der letzten Antwort"(193). Gibbs versaumte, den Ton der Satire als agens movens fur die Interpretation dieses Romans einzubeziehen. Er lie/3 den Eindruck entstehen, da/3 Hilsenrath eine historische Abhandlung verfaflt habe, "for his question on every page is what punishment is just for the wanton murder of six million defenseless men, women and children"(125). Gibbs entging, da/3 die erste H&lfte des Romans das soziale Umfeld und Wertesystem der Protagonisten Schulz und Finkelstein in einer typologischen Unterscheidung ironisiert, wahrend ein Bewu/3tsein vom Zusammenhang zwischen Strafe und Gerechtigkeit erst spater entsteht. Gibbs Verdienst bestand jedoch darin, den Aspekt der Strafe angesprochen zu haben, denn im Unterschied zu Nevilles Interpretation 1 1 0

werden Max' Handlungen weniger von der Suche nach Gerechtigkeit als von der UngewiBheit seiner Strafe bestimmt. Indem er ahnt, daB er sich fur seine Verbrechen verantworten muB, wird ihm als Un-Held seine Un-Macht klar. Fur Max, der berechnend plant, der stets die Selbstkontrolle bewahrt, wird die UngewiBheit, d.h. der Kontrollverlust, zum Alptraum bzw. zum "Wachtraum"(2:S.420). Seine Angst vor der UngewiBheit ist groBer als seine Angst vor dem Tode. Wahrend seine ehemaligen Opfer dem gleichen psychischen Terror ausgesetzt waren, konkretisierte sich ihre Erlosung im Tode. Max aber findet keine Erlosung, denn sein in Aussicht gestellter Tod beinhaltet ein Dasein in zehntausendfacher Angst (2:S.423). Hilsenrath macht deutlich, daB jede Handlung von einer individuellen Entscheidung abhfingig ist, fur die der Einzelne verantwortlich ist, - auch wenn er nicht zur Verantwortung gezogen wird. Gibbs erkannte, daB mit Ausnahme von Itzig, die Juden in Deutschland in diesem ftoman niemals Gestalt annehmen und nur als Zahlen erwdhnt werden. Der Aspekt der Kollektivschuld, der Gibbs ErwSgungen implizit ist, manifestiert sich in Max, stellvertretend fur die Deutschen, die sich schuldig gemacht haben und nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Als The Nazi and the Barber in den U.S.A. erschien, stand in Israel Shimon WincelbergsK ataki auf den Bestsellerlisten. Wincelberg, in den U.S.A. ansassig verbrachte den Sommer 1971 in Jerusalem und schrieb dort iiber The Nazi and the Barber fur The Jerusalem Post M agazin e. Seine Rezension erschien unter dem Titel ... as sheep to do the slaughter (284). Diese Uberschrift suggeriert eine NShe zu Hannah Ahrendts Portr&t des "alltaglichen Nazis" aus, der "im Schafspelz" I l l mordet, weil andere desgleichen tun, und der Rest der Welt sie nicht daran hindert. Wincelberg fa/Jte zusammen, dafi die notwendige kritische Distanz den meisten Autoren, die den Holocaust als Opfer iiberlebt haben, fehle. Fur diese Distanz verbiirge ein gewisser Grad an "moralischer Hornhaut," der die wenigen, iiber dieses Attribut verfugenden Autoren gleichfalls zur Auseinandersetzung mit lukrativeren Themen bewogen habe. Wincelberg teilte die einer objektiven Kritik zugangliche Holocaustliteratur in vier Kategorien ein: mystisch eschatologische Visionen, wie z.B. bei Elie Wiesel, betaubte Ironie, wie bei Andre Schwarz-Bart, alptraumartige Refiexionen, wie bei Jakov Lind und ein gnadenloser Naturalismus bei grofltenteils nie in Ubersetzung erschienenen jiddischen und hebr&ischen Werken (284). Mit seiner abschliefienden Inhaltsangabe vonThe Nazi and the Barber fiihrte er beispielhaft vor Augen, dafi diesem Roman keine der vier Kategorien gerecht wird. Wie Hilde Marx kommentierte er die Problematik seiner eigenen Inhaltsangabe. Beide Rezensionen zeichnen sich dadurch aus, daft sie den Leser auf die Vielschichtigkeit des Romans aufmerksam machen, aufgrund dessen ein Handlungsabrifl die Wirkung des Romans immer entstellt: "Das alles klingt firmlich ..."(193) urteilte Marx, und Wincelberg konstatierte: "none of this sounds ... in particularly good taste"(284). Ihr Dilemma entsteht dadurch, dal3 eine Inhaltsangabe die einem Werk charakteristischen Darstellungsformen nur ungemigend widerspiegelt. Wincelberg ging dieser Problematik nach und erkannte, daJ3 sie nicht nur dem satirischen Ton entspringt. Sie resultiert auch aus der Erzahlperspektive, die Wincelberg in ihrer rezeptiven Tragweite 112

treffend umrifi: "While one would expect any sensible book about the Holocaust to be written from the victim's point of view, there is, I suppose, no literary reason why such a novel should not show us these events through the eyes of your run-of-the-mill, small-time mass- murderer, who, you will admit, until now has had an almost universally bad press ..."(284). Wincelberg implizierte, dafi viele Leser in Kenntnis dieser Perspektive auf die Lektiire verzichten wiirden. Da Hilsenrath aus der Sicht des Taters die Frage nach den Opfern stellt, sah Wincelberg in Max Schulz die Summe einer Kultur, "which never quite outgrew the ferocious mentality of medieval absolutism ..."(284). Mit diesem Gedanken fuhrte Wincelberg den Protagonisten aus der Nazi- Zeit heraus und stellte ihn in den historischen Kontext europaischer antisemitischer Verfolgungen. Als irrefiihrend erweist sich Wincelbergs Behauptung, Max sei eine Figur "with undiminished Candidean innocence"(284). Damit fiele Max in die Tradition der Pikareske, deren Merkmale weder seiner Person noch seinen Handlungen entsprechen. Wincelberg war nicht der Einzige, der mit dem Begriff des Pikaresken bei der Analyse des Romans Verwirrung stiftete. Auch der Rezensent vomPublisher's Weekly hielt den Roman fur pikaresk. Im Verlauf seiner Argumentation wird deutlich, wie er zu dieser SchluBfolgerung gelangte. Er beschrieb Max als "war hero, devoted husband and father, pious and nationalistic"(292). Die Eigenschaften, die er in Max zu erkennen glaubte, entsprechen einem "Pikaro" aber keineswegs Max. Max ist ein Kriegsheld wider Willen, ein Vater ohne Vaterpflichten, ein Ehemann aus Bequemlichkeit, ein Frommler, der an der Klagemauer "aus Tradition" 113 betet und weint und am Schabbat aus dem gleichen Grund nicht raucht (2:S.291, S.318). Wincelbergs SchluBfolgerung, "the one novelistic device to which Max's character does not lend itself is the picaresque"(284), wird erst dann zum Vorwurf als der er gemeint ist, wenn man Max als einen unschuldigen Candide mifiversteht. Publisher's Weekly rezensierte den Roman ebenfalls positiv aber auch unter der Voraussetzung eines falschen Charakterbildes: "... never is he [Max] able to exonerate himself completely of the guilt that gnaws at him throughout his entire life”(292). Schuld taucht nicht als BewuBtsein sondern als terminus technicus wahrend der Verhandlung zwischen Max und dem Richter auf, die im iibertragenen Sinne bestatigt, was Max schon auf der Exitus praktizierte: "Der Richter wird von mir ... eingeseift"(2:S.247). Max' Motiv, das zur Ver-Handlung fiihrt, bestimmte seine gesamten Handlungen. Um sich "wichtig" zu machen, trat er der SS bei, und als er entdeckt, daB die Presse nicht mehr iiber ihn berichtet, ist er nicht etwa beruhigt unentdeckt zu bleiben. Vielmehr wiederholt er von nun an indigniert Betrachtungen wie folgt: "Nicht wichtig genug"(2:S.404). Besessen von seiner Ich- Bestimmung, vermeint er, durch Kontrolle und Sadismus, sich als Subjekt zu bestatigen. Sein einziges Streben zielt daher nach der Position des Starkeren, in die er sich projiziert, ob wahrend seines Gestandnisses gegeniiber dem toten Itzig: "Ha? Ich lafi dich zappeln"(2:S.221)! oder gegeniiber dem Richter: "Dieses Gesprfich fing an, mir SpaB zu machen"(2:S.398). Charles Brady trug mit einer weiteren Beobachtung zum Verst&ndnis des Romans bei. Er stellte fest, daB Max als 114

FreiheitskSmpfer der Haganah nicht nur zum Helden sondem zum "Jew of Jews"(77) wird. Er erweiterte Max inn jene Dimension, in der er als Verkorperung des Nazi-Verbrechers analog zum Paradigma des Juden wird. Bradys allegorisierende Deutung, der Roman beinhalte das Paradox des in einer Komodie endenden Buches Hiob, scheint jedoch verfehlt. Ein Vergleich zwischen Max und Hiob ist insofem unzuldssig, als daB Hiob nie T&ter sondem Gottes Opfer ist. Im Unterschied zu dieser biblischen Parabel, prSsentiert The Nazi and the Barber ein offenes Ende, das Gibbs als "profoundly moving and philosophical, although not necessarily satisfying"(125) bezeichnete. Die "unbefriedigende" Wirkung des Romans entsteht durch eine nie aufgehobene Ambiguit&t, die iiber das Romanende hinaus Unbehagen verursacht und weiter zum Nachdenken zwingt, anstatt den Leser mit einer Losung zu befriedigen. Auch Margolies hielt die letzten Seiten fur wenig iiberzeugend: "Indeed they seem quite arbitrary and do not at all grow out of anything that preceeded them"(192). Dennoch beschrieb er die Wirkung des Romans mit einer Krake, die die Vorstellungskraft des Lesers nicht mehr aus ihren Fangarmen l&Bt. Er driickte bildhaft aus, was Marx mit der Spannung eines Kriminalromans verglich. Wie Marx und Wincelberg erkannte auch Margolies, daB eine Inhaltsangabe Werk und Wirkung entstellt. Im Unterschied zu seinen Kollegen sah er den Grund hierfur nicht in der Satire sondern vornehmlich in der Spannung, die zerstort wurde. Seine Analyse beschrankte sich auf selektive Handlungsdetails, mittels derer er dem Leser einen Eindmck in die Komplexitat des Romans zu verschaffen suchte. Seine Rezension unterschied sich von anderen Beitragen, da er 115 als Rabbiner vor allem den moralischen Aspekt untersuchte, Er trug seine Interpretation in Fragen vor und erfaBte so Hilsenraths Absicht, einen DenkanstoB statt eines Losungsversuches anzubieten. Margolies stellte fest, daI3 das Werk trotz seiner moralischen Komponente bar jeder Anklage und falscher Frommigkeit sei. Mit dieser Beobachtung riickt er den Roman in die Nahe vonN ight. Beide Werke zeichnen sich durch ein Fehlen auktorialer Ubergriffe aus. So wie N ig h t, gemail Gid, einen "intelligenten" Leser fordert, so verlangtThe Nazi and the Barber einen aktiven Leser. Der Roman halt den Leser nicht nur durch Spannung sondern auch durch eine stete Suche in Bann. An die Stelle der Suche nach dem Tater im Kriminalroman ist die Suche nach der Antwort auf "moralische Fragen" getreten. Margolies exegierte die folgenden: Ist Identitat angeboren oder erlemt? Gibt es einen Unterschied zwischen dem Soldaten, der auf Befehl auf den Feind schiefit und dem, der auf Befehl seine Mitmenschen ermordet? Hat ein Berufsverbrecher seine Menschlichkeit abgelegt oder ist sie ihm abzusprechen? Kann der Glaube an Gott nach Laubwalde aufrecht erhalten werden? Ist der Charakter zu radikaler Anderung fahig? Wann muJ3 staatlicher Obrigkeitsgehorsam der Ergebenheit hoherer Gesetze weichen (192)? Margolies forderte ausdriicklich auch sensible Leser zur Lekture des Werkes auf. Die Wamungen der amerikanischen Rezensenten, an den empfindlichen Leser von N igh t gerichtet, wurden fur The Nazi and the B arber nicht wiederholt, obwohl auch dieser Roman nicht frei von skatologischen Wendungen ist. Wahrend inN ight "die realistische Sprache des Bettlers" umstritten war, hielt man "foul language" als sprachliches Pendant zu den inhaltlichen Ubertreibungen der Satire fur 116 akzeptabel. Margolies bestatigt diesen Eindruck, indem er sich nicht etwa durch die Sprache sondern durch die Thematik zu seiner Aufforderung bemiifligt fuhlte: "Nor should the sensitive soul be discouraged by the subject matter ... the holocaust”(192). Wincelberg bemangelte sogar, da!3 zeitweilig die SchSrfe idiomatischer Wendungen bei der Ubersetzung verloren ginge. Janet Macaulay munierte an der Ubersetzung eine ver-ruckte Umgangssprache, "that makes it sound as if a foreigner is talking"(189). Hirer Kritik hielt Gerty Agoston entgegen: "Das ist Neudichtung in englischer Sprache - Neuschopfung jedes Wortwitzes und jeder Situationskomik"(62). Wincelbergs und Macaulays Kritik an der fehlenden Pr&gnanz deutscher idiomatischer Ausdriicke in der amerikanischen Ubersetzung ist berechtigt. Stellenweise vermittelt sie den Eindruck, als spr&che ein AuslSnder, ein Effekt, der die Absichten des Autors unterwandert und dem Original fehlt. Andererseits liefert dieser Ubersetzungsmangel den Beweis dafur, dab Hilsenraths Sprache vollig iiberzogen ist, und die einfache Syntax und der reduzierte Sprachschatz im deutschen Original einen triigerischen Eindruck erwecken. Die Erwagungen zu Form und Stil wurden durch motivische Beobachtungen ergflnzt. Macaulet entdeckte verschiedende Traditionslinien in The Nazi and the Barber, die sich in der Atmosphere des Werkes offenbaren. In dieser Hinsicht, nicht aber aufgrund angeblich ahnlicher stilistischer Mittel, hielt auch sie einen Vergleich mit Grass fur angebracht. Sie machte auf Anspielungen an Grimms MSrchen, Frau Holle und die Hexe aufmerksam und beobachtete parallele und gegenlaufige Motive, wie den polnischen Wald und den 117

Wald der Sechs Millionen in Israel, die Gr&fln und Hanna, Vitaminspritze und Todesspritze, usw. Ihr bedeutendster Interpretationsbeitrag betraf jedoch den Untertitel: "A Tale o f Vengeance and vengeance there is. Max Schulz avengenges his own guilt by becoming his own victim ..."(189). Diese Analyse ist treffend aber problematisch, denn Hilsenrath macht dem Leser durch Max Schulz deutlich, "daI3 die Dinge viel komplizierter sind, als Sie, Herr Amtgerichtsrat, sich die komplizierten Dinge vorstellen"(2:S.408). Macaulets Beobachtung entspricht der Logik des Identitdtstausches, aber nicht der dem Opfer immanenten Bedeutung des Objekts. Max macht sich aus freier Wahl zum Opfer, wodurch Hilsenrath nicht nur die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, sondem auch ihre Bedeutung im Einzelnen hinterfragt. Nicht nur Max, der Tater, sondem auch Mira, das Opfer, rSchen sich an sich selbst (2:S.348). Hierin liegt die Ursache ihrer Beziehung oder dessen, was Max fur Liebe hfilt. Beide fiihren nach dem Holocaust ihre eigene Selbstentstellung herbei. Im Gegensatz zu Max' Beschneidung, seiner "verborgenen Ver-Unstaltung," steht Miras "offentliche Ver-

M assung."^ Macaulays analytische Zusammenfassung scheint voreilig: "The novel suggests that justice which insists on punishment forestalls any effective reparation"(189). Im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Max und Wolfgang Richter steht die Art der Strafe, die nahelegt, daB iiber Morder und Massenmorder durch ein Todesurteil kein Recht gesprochen wird. KlSger/Angeklagter und Richter sitzen nebeneinander, wodurch nicht nur die Strafe, wie Macaulet meint, 118 sondem auch Urteil und rechtsprechende Instanz in Zweifel gezogen werden. Gerty Agoston konzentrierte sich, wie Marx, auf die Ezahlperspektive, ubersah aber, daB der Roman nicht nur in der ersten, sondem auch in der dritten Person erzahlt wird. Dieser Wechsel schafft, wie schon Marx feststellte, auBer AuthentizitSt auch einen Wechsel zwischen Identifikation und Distanz. Agostons Uberlegungen zum Romanende aber iibertreffen alle iibrigen Rezensionen an PrSgnanz. Sie beurteilte Max als einen Mitlaufer, der, weil er nicht unter der Last seiner Schuld zusammenbricht, Gott herausfordert. Ihre Beobachtung lenkt den Blick von der vieldiskutierten Ambiguitat auf deren letzte Instanz. In einer Art Szenenverdoppelung setzt sich nicht nur Amtsgerichtsrat Wolfgang Richter neben Max, sondem auch Gott. "Die Menschwerdung Gottes," auf die die Juden warten, wird von Hilsenrath anlaBlich des Holocaust proklamiert. Gott stellte seine "Menschlichkeit" dadurch unter Beweis, daB er sich als Passiv-Beteiligter mitschuldig machte, und "aus Gott, dem Richter, wird Gott, der Angeklagte"(62). Agoston schloB ihre Untersuchung mit der Vermutung: "In dem Werk steckt auch ein ironischer, groBer Film"(62). Sie sah als einzige der amerikanischen Rezensenten dieses Potential, das erst einige Jahre spater in Deutschland von Helmut Braun wiederentdeckt wird. W&hrend die Rezensenten sechs Jahre zuvor N ig h t in eine literarische Tradition zu stellen suchten und Vergleiche zu amerikanischen Werken zogen, erschopften sich die komparatistischen Ansatze zu The Nazi and the Barber mit Hinweisen auf Grass, Rabelais und Voltaire. Gemein ist vielen von ihnen die Annahme, daB Max 119 innerhalb der Satire ein pikaresker Charakter sei. Die h&ufigen Vergleiche zwischen ihm und Oskar Matzerat stellen Max in die Tradition von Grass' Protagonisten, anstatt ihn als einen "Traditionsbrecher" zu erkennen. Hilsenraths Figuren fungieren auBerhalb eines kleinbiirgerlichen Rahmens. Bei Hilsenrath gibt es innerhalb der sich stets wandelnden Handlungsorte und Systeme keinen Fixpunkt, zu dem sein Protagonist zuriickkehrt. Wahrend die Umwelt in Der Nazi und der Frisor in stetem Wandel begrifFen ist, vollzieht sich in Max keine Anderung. Er erscheint als eine Satire auf den drei- jahrigen Oskar, der "besessen" auf die Trommel haut, wahrend Max, von der Gr&fin mit einem Sechs-Jahrigen verglichen, "systematisch" Zeitungsartikel ausschneidet (2:S.194). Mit Ausnahme seiner Systemanpassungsversuche verbleibt Max ein statischer Charakter, der, um die Verantwortung fiir seine Massenmorde abzuwSlzen, bis zum SchluB darauf verweist, daB er geistig geschadigt ist. Max wird auch nicht, wie Oskar und anderen der Tradition des Pikaro zugehorigen Protagonisten, eine Mentorfigur an die Seite gestellt. Daruberhinaus fehlen ihm die u.a. von Wilfried van der Will als pikaresk identifizierten Merkmale wie Narzismus, periodisch wiederkehrendes BewuBtseins der Vereinsamung, Neugier des auBenstehenden Beobachters, hfiufiger Berufswechsel und vor allem "der Protest gegen ideologische und ideologieverd&chtige Volksbewegungen"(493:S.65). Max bezeichnet sich selbst als "Mitmacher" und bleibt diesem modus vivendi verhaftet. Zwar zeichnet er sich durch Liigen, Schwarzmarktschlaue und dem Verlangen nach embryonaler Geborgenheit aus, doch stehen diese "pikaresken" Ziige bei 120 ihm unter dem Zeichen einer kriminellen Identit&t. "Der Doppelaspekt des Tragikomischen"(494:S.683f), der den Pikaro auszeichnet, weil er trotz der Infragestellung aller Werte auch selbst Werte setzt, geht Max insofem verloren, als er an Stelle verinnerlichter Werte iiberlieferte Gebrfiuche setzt, die er nachahmt.4 Auch kann sein Verlangen nach Unschuld nicht mit dem pikaresken Verlust der Unschuld und der Sehnsucht nach ihrer Wiedergewinnung verglichen werden. Max motiviert, im Unterschied zum korruptionsimmunen Pikaro, die Angst vor Strafe. Wahrend sich fur Oskar die Welt als "ein Labyrinth der Tauschungen" darstellt, stellt sich Max als eine Tauschung in die Welt. Wohingegen sich Oskar gegen eine feindliche Welt wappnet, ist es angezeigt, daJJ sich die Welt gegen Max wappne. Demzufolge kann der Behauptung im Publisher's Weekly , der Roman "propels Max Itzig in and out of one picaresque situation after another"(292), nicht zugestimmt werden. Hilsenrath und Grass spielen als Satiriker mit der Realit&t, so da/3 sich phantastische Elemente entfalten, ohne die satirische Spannung zur Wirklichkeit zu gefahrden. Wahrend aber inDie Blechtrommel diese phantastischen Elemente erschafft werden und erhalten bleiben, werden sie in The Nazi and the Barber als Realitat entlarvt. So entsteht ein doppelter Effekt, den Marx als "zynisches Gelachter in den Momenten dunklen Humors"( 193) verspiirte. Hilsenraths Satire ist subversiv, indem sie den Schein jener Elemente, die Grass' Satire konstituieren, zerstort. Die Hexe im polnischen Wald, Frau Holle, und Hanna der Vogel bleiben nur fur einen kurzen Augenblick Produkt der Einbildungskraft. Diese Dimension ist in Bradys prSgnanter 121

Charakterisierung "Hilsenrath's gallows-humor experiment in sardonic folk-tale diction"(77) enthalten. Hilsenraths "marchenhafte" Anspielungen bewegen sich auf einem "phantastischen" Hochseil, von dem sie in die Tiefe der Realitkt, in den Tod, stiirzen. (Die Hexe, Frau Holle und Hanna sterben). Hilsenraths Destruktion und Verfremdung einer Scheinwelt steht unter vergleichbaren Vorzeichen wie die Satiren von Elfriede Jelinek, wie schon Dagmar Lorenz bemerkte. Parallel zu Hilsenrath fuhrte Jelinek die Kontroverse urn ihr Werk darauf zuruck, dafi es innerhalb der zeitgenbssischen deutsch-sprachigen Literatur eine Einzelerscheinung darstellt, da die Mehrheit der Satiriker, die Juden, tot sind. Ihre Gesellschaftskritik, Satire und politischer Feminismus stehen in der Tradition von Kraus, Bettauer und Canetti, eine Tradition, die auch Hilsenrath in seinem Werk fortsetzt (410). Margolies muil daher nicht bis auf Rabelais zuriickgreifen, um eine Traditionslinie aufzuzeigen: "There are some scenes in the book which for artistic grotesquerie can match Rabelais at his best’’(192). An der Stelle der Frau als das Andere bei Jelinek, stehen bei Hilsenrath die Juden. Analog zu Jelinek und im Unterschied zu Grass, geht Hilsenrath liber eine einfache dialektische Gegeniiberstellung hinaus. Statt das Jiidische als das Andere zum Nazi, als Opfer zu verstehen, stellt er Juden so dar, dafi das Jiidische zugleich als Negation dieses unterstellten Anderen, und zwar als un-jiidisch erscheint.® Sein literarisches Verfahren bringt auf diese Weise sowohl eine Spiegelung der Stereotypisierungen als auch die Uberschreitung und Sinnentleerung der Oppositionen hervor, denn Max gleicht, wie Agoston bemerkte, "einer der iiblen Karrikaturen aus dem Sturmer"(62). In 122

dieser Bewegung, die auf eine nicht mehr stereotypisierte Wahrnehmung des Juden zielt, -und nicht auf philosemitische Definitionen vom Juden, auch nicht im Sinne einer philosemitischen Schreibweise,- treffen sich Hilsenraths Verfahrensweise und antifaschistische Intention. Er stellt auf diese Weise bloB, daB der Jude dem deutschen Wert- und Normensystem so weit unterliegt, daB er immer anders sein muB und die ihm zugeschriebenen Eigenschaften, ganz gleich ob positiv oder negativ, lediglich das andere zu dem der DeutBchen sind, so daB man gar nicht weiB, was der Jude ist (439).® So erkl&rt sich, was Macaulay fur ein besonderes Merkmal des Eomans halt: "The outrageous plot provides the opportunity for satirical thrusts against German and Jew ..."(189). Hilsenrath invertiert Rollen und Perspektiven analog zu Jelinek, bei der die Ausgesperrten auch immer die Eingesperrten sind (383). Wie Jelinek zeigt Hilsenrath, z.B. im Frisdrsalon, die Kontinuit&t von faschistischem Gedankengut auf. Femer manifestiert sich in Max die Statik eines Individuums, das zwar seine Geschichte mitteilt, gleichzeitig aber geschichtslos sein mochte. Da er unfahig ist, sich fiber seine Vergangenheit zu entsetzen, wird er zum Exempel der Subjektlosigkeit, vergleichbar mit den Figuren Jelineks, die sich gleichfalls in einem katatonischen Zustand befinden. Die Blechtrommel erzielte daher nie Reaktionen, die z.B. mit Nevilles vergleichbar wSren: "a bitter book, full of blacker-than-black comedy"(214). Eine Entwicldimg findet in The Nazi and the Barber nicht mehr statt, dagegen werden menschliche Zerstorungen, Zustandsbeschreibungen von Individuen ohne SubjektidentitSt, die schablonisierte, mude Formen annehmen, wie 123 auch der Richter, der schliefllich einschlaft. In The Nazi and the Barber kommt die Geschichte zum Stillstand, als Gott und Max sich nebeneinander setzen um zu warten. Rudolf Burger beschrieb Jelineks Figuren als "Opfer rind Exekutor"(329:S.21), eine Charakterisierung, die auch auf Max zutrifft, fiir den Hilsenrath, Shnlich der Protokollsatze bei Jelinek, ganze Protokolle bereitstellt. Georg Schmid kennzeichnet Jelineks Beschreibungstechnik als eine "kalte Registratur"(457;S.47). Diese Kalte schien Margolies bei Hilsenrath mit Untertreibung zu bezeichnen, als er beobachtete: "Unlike other books on the Holocaust, this one manages to blend understatement with black humor to render the story bearable"(192). Ahnlich resiimierte Schmid liber Jelinek: "Doch ist dahinter die Betroffenheit und Betretenheit auszumachen, die das Ganze schlieBlich keineswegs als klinizistisch erscheinen lassen. Das Schreiben erscheint vielmehr als Errettung angesichts eines sprachlos Machenden"(457:S.47). Diese Analyse trifft auch den Kern von N a ch t, der den Unterschied zwischen Grass und Hilsenrath signalisiert. Grass zweifelt nicht an der Macht seiner Sprache, die die Sprache der Machtigen und insofem auch faschistisch ist. Hilsenrath hingegen, legt wie Jelinek, durch Imitation und Verdopplung die Herrschafts- und Gewaltverhaltnisse in der Sprache bloB. Die Sprache wird gewohnlich und zum elementaren Konstituenten seiner Satire, indem sie den "gewohnlichen" faschistischen Massenmord spiegelt. Sie generiert keine Mythen mehr, sondem zitiert diese, um sie zu hinterfragen. Die Natur, die Bourne, sprechen immer noch, aber sie sind die Toten; die Frau gebiert immer noch, aber das Kind ist nicht mehr lebensfahig; die 124 hochste Instanz regiert immer noch, aber sie ist nicht mehr urteilsfhhig. "Die satirische Botschaft," kommentierte Agoston, "dieses Zerrbilds von Menschen, Rassen und Nationen, dieser Karrikatur einer von Menschen geschaffenen Justiz"(62), entsteht durch eine surrealistische Entmythisierung. Trotz der vielen Rezensionen und hoher Verkaufszahlen in den U.S.A. wurde der Roman von der einflufireichsten Zeitschrift ignoriert. Am 15. Mai 1971 versuchte Gerty Agoston den Feuilletonchef derN ew York Tim es, Alfred Kazin, auf The Nazi and the Barber aufmerksam zu machen: "I believe it is the most important book by a German born author since Die Blechtrommel. ... The Nazi and the Barber is t h e literary event of 1971"(28). Sie schickte zwei weitere Kopien ihres Schreibens an die Tim es Rezensenten Hardwicke und Lehmann-Haupt (26/27). Am 2. Juni 1971 sandte auch der Lektor vom Olin Magazine, John Palcewski, einen enttauschten Brief an John Leonard, ebenfalls Rezensent bei der New York Times'. "That a book of this caliber does not merit the attention of the T im es is astonishing. You have created a credibility gap -- with regard to your literary judgement"(56). Trotz mehrfacher AufTorderungen ist das Werk bisher nicht von derT im es rezensiert worden.

in.2. Helmut Braunjund_der_deutsche Estremismus Obwohl Hilsenraths deutsches Manuskript zuerst in englischer Ubersetzung in den U.S.A. veroffentlicht wurde, erschienThe Nazi and the Barber erst vier Jahre spater in England. 1973 verkaufte Doubleday die Taschenbuchrechte fur beide Werke an Manor Books. Manor brachte N ight und The Nazi and the Barber in einer Taschenbucherstauflage 125 von je 175.000 Exemplaren heraus. 1977 druckte der Verlag eine weitere Ausgabe des letzten Romans unter dem Titel The Nazi Who Lived as a Jew. Dieser Druck war rechtswidrig, da Manor die TitelSnderung ohne Genehmigung vorgenommen hatte. Doubleday erstattete eigener Aussage nach Klage gegen Manor. Meine Recherchen iiber den Ausgang des Verfahrens blieben erfolglos. Manor existiert nicht mehr, und Verlagsabrechnungen zur zweiten Taschenbuchauflage wurden nie ausgeschrieben. Bevor W.H.Allen 1975 in England auch Hilsenraths zweiten Roman verlegte, erschien dieser 1973 bei Mondadori in Italien und 1974 bei Fayard in Frankreich. Le Nazi et le Barbier wurde von der literarischen Presse in der Schweiz, Belgien und Frankreich, einschlieBlich des F igaro, positiv aufgenommen. Am 29. Oktober 1974 teilte die Franzdsische Presseagentur mit, daB der Roman fiir den "Grand Prix de l'Humeur Noir" nominiert wurde.? Obwohl Der Nazi und der Frisor 1976 im Ausland eine Auflage von iiber einer Million Exemplaren erreicht hatte, versuchte Hilsenraths Miinchner Agentin vergeblich, den Roman auch in Deutschland bei einem Verlag unterzubringen. Hilsenraths eigene Bemiihungen, deutsche Verlage fur seinen Roman zu interessieren, endeten mit iiber 25 Ablehnungen, im &hnlichen Wortlaut wie die des Carl Hanser Verlages. Am 27.8.1976 teilte Verlagslektor Peter von Becker Hilsenrath mit, daB der Roman eine umfangreiche Lektoratsarbeit erfordere. Konzeption und stilistische Ausfiihrung, Psychogramm des Erzahlers, soziale Umfelder, und insbesondere die weiblichen Protagonisten mangel ten an Detail. "Der gelegentlich so reizvolle Ton, skurril, makaber, satirisch, verklingt einfach zu oft in einem 126

kolportageahnlichen, manchmal 'journalistisch1 dahingeschriebenen Parlando. Etwa die Pal&stinafahrt ... erscheint fast nur als belangloses 1 Ge spr achszitat1" (30). Trotz dieser Ablehnungen seitens der groBen deutschen Verlage, nahm der Kleinverleger Helmut Braim 1977 Hilsenraths Werke in sein Programm auf. Braun hatte als Student der Betriebswirtschaffc mit 300 DM Eigenkapital zundchst etcetera , und 1975 mit 65.000 DM den Literarischen Verlag Helmut Braun gegriindet. 1977 wurde die deutsche Presse auf ihn aufmerksam, als ihm der Sprung vom Kleinverlag zum Verlag mittlerer GroBe mit der Veroffentlichung vonDer Nazi und der F risor zu gelingen schien. Norbert Schachtsiek berichtete in seinem Verlegerportr&t, daB Braun sich fur Autoren einsetze, "die fur die groBen Verlage unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten uninteressant sind und bestenfalls alB Alibifunktion in Programmnischen untergebracht werden"(248). Letzteres Merkmal traf auf Hilsenrath und die Publikation vonN acht in Deutschland zu, doch sein Erfolg im Ausland minimierte den Risikofaktor fur Braun. Die siebzig Bucher, die er seit Verlagsbestehen innerhalb von drei Jahren herausgebracht hatte, umfaBtenpostum Peter Schalliicks Gesamtwerk in zwanzig Banden, Rose Auslanders gesammelte Gedichte sowie Werke der Autoren Hans-Jiirgen Heise, Rudolf Otto Wiemer, Christoph Meckel, Frank Gohre, Hugo Ernst K&ufer, Kurt Marti, Felix Rexhausen, Esther Knorr-Anders, Rainer Horbelt, Dieter Eberl, Wolfgang Komer, Klaus Peter Wolf, Ursula Erler, Ossip Ottersleben, Ingo Cesaro, Helga Novak, Peter Paul Zahl, und Fred Viebahn. Selbst Autoren, die bei Kiepenheuer, Bertelsmann und der Deutschen Verlags-Anstalt 127

vertreten waren wie Friedel Thiekijtter, Caroline Muhr und Theodor Weissenborn waren zu Braun gewechselt. Brauns Verlagsprogramm und Verkaufsstrategien verhalfen ihm zu verschiedenen Forderungs- und Stiftungsgeldern fur seine Veroffentlichungen. Zuschusse aus privater Hand sowie von Landschaftsverbanden, Kommunen und Kultusministerien ermoglichten ihm, weniger kommerzielle Titel zu veroffentlichen. Zur Zeit seiner Verlagsgriindung vollzog sich in Deutschland eine Tendenzwende und Reliterarisierung, die Brauns Verlagsprogramm und Hilsenraths Werken zugute kam. Das Jahr 1975 wurde in den Feuilletons als ein historischer Wendepunkt bezeichnet, mit dem "das Ende der Theoriephase innerhalb der Neuen Linken" ansetzte, indem man allgemein "ein asthetisch literarisches Nachholbedurfnis"(242) nachwies. Als Braun Der Nazi und der Frisor verlegte, nutzte er die Enthiillung der "Alibifunktion" vonN acht im Kindler-Verlag, sowie ein offentliches Klima in Deutschland, das Schachtsiek als "Nazi- Renaissance in den Medien"(248) bezeichnete. Im September 1977 druckte Der Tagesspiegel ein Interview mit Hilsenrath, in dem der Autor unter anderem iiber seine Verlagserfahrungen bei Kindler berichtete. Ende des Monats erschien Helmut Kindlers Kommentar, in dem er Hilsenrath einer "verzerrten Darstellung des Sachverhalts" bezichtigte und die Rezeption des Buches verfalschte: "Leider blieb das Buch auch bei der Literaturkritik in Deutschland ohne Echo"(169). Kindler lie/3 es nicht bei Denunzierungen bewenden, sondem erhob gleichfalls den Anspruch: "Dazu mochte ich sagen, da/3 ich noch heute stolz darauf bin, Hilsenrath fur das deutsche 128

Sprachgebiet entdeckt zu haben"(169). Braun nahm in einer Pressemitteilung Stellung, und Kindlers Geschdftsgebaren kreierte sowohl eine vorteilhafte Spannung fur die geplante Veroffentlichung von N acht, als auch ein gesteigertes Interesse anDer Nazi und der Frisor (78).® Nachdem Braun drei Jahre lang literarische Experimente in KLeinauflagen von 1000 Exemplaren publiziert hatte, verwendete er eineinhalb Jahre lang 80 Prozent aller VerlagsaktivitSten auf Hilsenrath und veroffentlichte Der Nazi und der Frisor mit einer Startauflage von 10.000 Exemplaren, einige Monate spater gefolgt von einer Neuauflage in gleicher Hohe. Am 16. September 1977, teilte Hella Jacobowski Hilsenrath mit, dafi Rolf Michaelis, Mitglied derDarmst&dter Jury , den Roman als Buch des Monats vorgeschlagen habe (44).^ Im November 1977 stand das Werk auf der Bestsellerliste des Spiegels. Ein Jahr spfiter, im August 1978 plazierte sich dort auch N acht. Im Dezember 1977 stand Der Nazi und der Frisor gemSB einer statistischen Erhebung der Sildwest Presse an der Spitze der meistverkauften Werke in der Kategorie Belletristik, Seite an Seite mit GoebbelsTagebilcher 1945 in der Sparte Sachbucher.1^ Im Herbst 1977 begann Hilsenrath seine Lesereisen in der Bundesrepublik. Wfihrend er in den U.S.A. gelegentlich von Universitaten eingeladen worden war, traf er in Deutschland, in Buchhandlungen, Bibliotheken und Volkshochschulen nicht nur akademische Leser an. Anfang 1978 fiihrten ihn seine Lesungen nach Nordrhein-Westfalen. Von Marz bis Juli 1978 veroffentlichte die deutsche Presse nicht nur Rezensionen iiber Der Nazi und der Fris&r sondern berichtete iiber die Rezeption des Werkes als Politikum. In 129

dieser Zeit bestimmten vornehmlich zwei Medienereignisse das politische Klima in Deutschland: die Aufbereitung eines Umfeldes, in dem "Verlage unter mehr oder weniger historischem Mantel Waffen und Ereignisse der grofideutschen Wehrmacht verkauften, wie z.B. den Hitler-Film von Hans Joachim Fest"(180) und eine RBC-Dokumentation iiber 200.000 in der BKD lebende NS-Verbrecher, die nicht strafrechtlich verfolgt worden waren. Aus einer

Seiner Ansicht nach waren ausgeprSgte Schwerpunkte krimineller Aktionen seitens rechtsextremistischer Gruppen nicht festzustellen, denn die Mehrheit der RechtBextremen lehne Gewalttaten ab. Die rechtsradikale Militanz entwickelte sich ungestort. In Kamen gehorten NPD Fahnen zum Stadtbild, in Hannover fanden Demonstrationen in Nazi Uniform statt, in Diisseldorf verteilten Neo- Nazis vor der Stadtbibliothek ungehindert ihre Propaganda. Aufgrund des fragwiirdigen Verhaltens von Polizei und Verfassungsschutz formten sich schlietilich in den meisten Stadten des Ruhrgebietes antifaschistische Burgerinitiativen. Betriebsrate und Gewerkschaften erklarten, "falls die Ordnungshiiter keinen ausreichenden Schutz gar anti er ten, selbst Abordnungen zu offentlichen Veranstaltungen demokratischer Organisationen"(84) zu entsenden. Die Presse berichtete iiber JN Kundgebungen, bei denen die Polizei ihre Schutzfunktion intensiv wahrnahm, wahrend Verfassungsschutzbeamte die Aktionen einzelner Antifaschisten protokollierten. Dirk Laumann erhielt auf Befragung des Verfassungsschutzes die Auskunft, dai3 nicht die Aktivitaten der Rechtsextremisten sondem die der Linksradikalen erast zu nehmen seien (180). 1978 veroffentlichte die Bundeszentrale fur politische Bildung eine Statistik, derzufolge rechtsextremistische Entwicklungen im Vergleich zu den beiden Vorjahren rucklaufig, linksextremistische Entwicklungen konstant waren. Im Vergleich zu 83 rechtsextremistischen Organisationen mit 17.800 Mitgliedem gab es 225 linksextremistische Organisationen mit 75.200 Mitgliedern.13 Die Berufsaufschliisselung dieser Statistik zeigt gleichzeitig, da!3 mehr rechte als linke Extremisten im Schuldienst tatig 133 waren. Der gesamtstatistische Eindruck einer "linken" Ubermacht wirkte sich in den siebziger Jahren auf eine einseitige Ausfiihrung des Artikel 911, 2111, 18 des Grundgesetzes aus. Die Stellung des Antrags auf ein ParteiverbotBverfahren unterlag politischem Ermessen. Ein Vereinsverbot unterlag dem allgemeinen polizeilichen Opportunit&tsprinzip, welches erlaubte, von an sich rechtmaBigen MaBnahmen aus Griinden polizeilicher ZweckmaBigkeit keinen Gebrauch zu machen. Mit der Begriindung, daB die Beobachtung der Neo-Nazis erschwert wurde, wenn man sie durch Verbote in den Untergrund abdrange, und daB ihre Zahl verhaltni smaBig gering sei, wurde der Verfassungsgrundsatz in sein Gegenteil verkehrt: statt eines Verbotes iibte man unbeschrfinkte Toleranz. 14 Die "Extremismus-Debatte" der siebziger Jahre setzte sich zwar mit dieser unbeschrankten Toleranz auseinander, war aber vielfach von einer Gleichsetzung mit dem Linksradikalismus gekennzeichnet. Sie wurde durch einen BeschluB des Regierungschefs des Bundes und der Lander vom 28.1.1972 hervorgerufen. Dieser BeschluB legte fest, daB jeder extremistische Einzelfall fur sich zu priifen sei, und daB die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation lediglich Zweifel an der Verfassungstreue begriinde, die aber eine Ablehnung des Einstellungsantrages rechtfertigten. Jedem Bewerber sollte im Einzelfall, trotz dieser Mitgliedschaft, die Gelegenheit gegeben werden, die VerlaBlichkeit seiner Verfassungstreue zu beweisen. Als "RadikalenerlaB" bezeichnet, richtete sich dieser BeschluB insbesondere gegen die "Zahl der Verfassungsfeinde, vor allem in der akademischen Jugend"(397:S.356), die, so Martin Kriele, seit 1968 erheblich zunahm. 134

Dieser BeschluB wurde als eine Verschdrfung der bis dahin bestehenden Situation betrachtet. Die studentischen Organisationen, so behauptete Kriele 1980, die die demokratischen Parteien imterwanderten, standen nicht der CDU/CSU, sondem der SPD und FDP nabe. Sie suchten ihre Koalitionspartner "unbedenklich bei verfassungsfeindlichen Organisationen, ... wahrend christdemokratische Organisationen ... als Koalitionspartner nicht infrage kamen"(397:356). Kriele vertrat damit die eine der in zwei Lager gespaltenen Meinung der Verfassungskritiker. Ernst Wolfgang Bockenforde pl&dierte dafiir, dafi in einem freiheitlichen Staat niemand zu verfassungstreuer Gesinnung, wohl aber zu verfassungstreuem Verhalten verpflichtet sei, sonBt wurde eine politische Gesinnungseinheit durchgesetzt, die der demokratischen Grundhaltung zuwiderlaufe (318). Das Problem seiner Argumentation besteht jedoch darin, daB, obwohl Gesinnung und Wille zu totalitarer Gesinnungsdurchsetzung zweierlei sind, der totalitare Durchsetzungswille, wie die Geschichte zeigt, schnell zur Gesinnung hinzutreten kann. Die Freiheit zum Meinungspluralismus zu garantieren ist ebenso problematisch wie inhaltliche Werte durchzusetzen. Wahrend die einen, Bockenfordes Meinung teilend, gleiche Toleranz alien Extremisten gegeniiber vertraten, forderten andere, wie Kriege, eine selektive Ausklammerung extremistischer Gruppen. Obwohl sie scheinbar vor den Fehlem der Weimarer Republik warnten, stellten sie ihnen realiter die Weichen: "Die Gefahr fur die Legitimation der Demokratie geht weniger von kommunistischer Indoktrination aus als vielmehr von einem unaufgekl&rten, im 135

Relativismus aufgehenden Liberalismus. Der Relativismus akzeptiert den totalitaren Durchsetzungswillen als ehrenhaft und gleichberechtigt. Der Liberalismus der Weimarer Republik hob sich in diesem Relativismus selbst auf. Jetzt bereiten wir eine geistige Situation vor, in der sich in kritischen Zeiten links wiederholen kann, was damals rechts geschah,'(397:S.363). Angesichts der Meinung, da/3 zu den Kommunisten ein ebenso relativistisches Verhaltnis bestehe wie friiher zu den Nazis, muflte der Verfassungsschutz nicht begrtinden, aufgrund welcher Kriterien und Informationen diese oder jene Gruppierung als verfassungsfeindlich anzusehen war. Wolf-Dieter Narr kommentierte entsprechend: "Indem man angeblich Verfassungsfeinden auf der Spur ist, mogen die Spiirhunde selbst die Verfassung gefahrden, weil sie diese mit ihren eigenen Interessen und ihrer eigenen Interpretation verwechseln"(430:S.371). Die Extremismus-Debatte verdeutlichte Deutschlands Scheu, scharfe Begriffe gegen jenen Extremismus zu institutionalisieren, der Teil seiner Vergangenheit war. Infolge dieser Weigerung blieben sowohl ein rechter als auch ein linker Extremismus immer emeut anders bestimmbar. Dieses politische Klima zeitigte seine Wirkungen auch am Bundesverfassungsgericht. President Bendas Stellungnahme spiegelte die Haltung, mit der die Polizei auf die Schutzgesuche Hilsenraths und seiner Lesungsveranstalter reagierte. Statt ihr Augenmerk auf einzelne Vorfalle zu lenken, miisse die Gesellschaft begreifen, da/3 die ernsteren Gefahren im Hochschulbereich l&gen, erklarte Benda. Seine Kritik xichtete sich gegen 136

eine Bevolkerung, die den "Ausverkauf der Grundrechte durch ihre iibermafiige Inanspruchnahme in Bagatellfallen"(430:373) herbeifuhre. Der "Bagatellfall Hilsenrath" wurde von Henryk Broder in der Frankfurter Rundschau besprochen. Broder verwies auf vergleichbare Vorfalle in Hamburg, Hannover, Berlin, Munster und anderen Stadten, aufgrund derer die Neo-Nazi Demonstrationen bei Hilsenrath Lesungen nicht mehr als Sondererscheinungen betrachtet werden konnten: "Polizisten erklaren sich -nicht nur in Kamen- fur nicht zustandig, Biirgermeister, Regierungspr&sidenten und Minister spielen die Vorfalle als Einzelf&lle herunter und glauben, damit genug dagegen getan zu haben"(80). Die Ausschreitungen angelegentlich der Hilsenrath Lesungen gleichen, wie sein WerkN a ch t, einem Mahnmal. Um Hilsenrath keinen Gefahren auszusetzen, brach der VHS-Direktor eine Lesung im KulturzentrumAlte Milhle ab und verlegte sie in seine Privatwohnung. Diese Notmafinahme erinnert an die Verbannung jiidischer Schriftsteller aus der Offentlichkeit. Die um Saalschutz gebetene Polizei in Bonen erklarte sich fur unzustandig, woraufhin die Kreispolizei in Unna verstandigt wurde. Diese wSlzte jegliche Verantwortung auf die Polizei in Kamen ab. Doch auch hier behauptete die Polizei, sie sei nicht autorisiert und riet dem Veranstalter, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Der Vorfall war eine Wiederholung dessen, was sich im Volkshochschulzweckverband in Kamen zugetragen hatte. Angesichts der Drohungen und Beschimpfungen von fiinfzehn mit Schaferhund und Fahrradketten augeriisteten Neo-Nazis muftte die Veranstaltung abgebrochen und Hilsenrath in Sicherheit gebracht werden. Die um 137

Schutz gebetene Polizei riet Veranstalter Gunther Kurrasch und Hilsenrath zur "Zuriickhaltung, um die Nazis nicht noch mehr zu provozieren"(228). So wurden Opfer wieder als T&ter hingestellt. In Furth, einer Stadt mit langer judischer Tradition, die 8000 jiidische Einwohner vor dem Krieg aufwies, zu denen Jakob Wassermann, die Ullsteins und Henry Kissinger gehorten, traf Hilsenrath wiederum auf anti-semitische Hetzpropaganda von Neo-Nazis. Wfihrend sie im Februar und MSrz noch in den letzten Reihen der Veranstaltungen gesessen hatten, waren sie im Juli in die ersten Reihen geriickt. Gerda Marie Schonfeld kommentierte Hilsenraths Reaktion in der Weise, wie sich der Autor auch in seinen Werken spiegelt: "Keiner, der sich gewalttatig Gehor verschafft"(253). Hilsenrath reflektierte statt dessen iiber seine Vortragsreisen in drei Satiren. Die erste, veroffentlicht in der Z eit, beleuchtete in einem Dialog zwischen Dichter und Lesungsveranstalter das Verhalten der Polizei: "Bei linksradikalen Radaubriidem kommt die Polizei sofort. Bei den rechtsradikalen laBt sie sich Zeit"(8). In der zweiten Satire, vom Spiegel publiziert, nahm Hilsenrath ein aus dem Nazi und der Frisor bekanntes Bild auf. Ahnlich wie Max, der seine eigenen Gesichter betrachtet, entspann Hilsenrath einen Dialog zwischen sich und seinem Spiegelbild: "Der Mann im Spiegel grinste mich an. Er hatte denselben Schnauzbart wie ich. Seine Zuge waren unkenntlich. Ich nehme an, vom Seifenschaum"(9). In Kenntnis des Romans, wird diese Selbstbetrachtung Hilsenraths zu einer subtilen Variante, in der er sich, -eingeseift von Max,- in die Rolle von Wolfgang Richter versetzt. Seine anschlieftende Bilanz iiber die deutschen Frisore l&flt keinen Zweifel 138 daran, da/3 auch Max zu jenen Frisoren gehort, "die sich nur verkrochen. Jetzt kommen sie wieder aus ihren Lochem"(9). In der Westfdlischen Rundschau rechtfertigte sich Hilsenrath wahrend eines fiktiven Dialogs mit einem d&nischen Chefredakteur fur seine Satiren im Spiegel und in der Zeit. Er machte den Redakteur auf den Realitatsbezug von Hitlers Olbergpredigt inDer Nazi und der Frisor aufinerksam und brachte so auch seinen Roman in den Blickpunkt des Interesses (10). Einen Monat sp&ter erschien im Spiegel unter dem vielsagenden Titel "Interesse an Edgar Hilsenraths Buch steigt durch neofaschistische Auftritte"(289) ein Interview mit Helmut Braun. Braun bemerkte, da/3 es sich bei den Manuskripten, die seinem Verlag seit der Veroffentlichimg vonDer Nazi und der Frisor zugesandt worden waren, durchweg um Satiren handelte. In einem literarischen Klima, das Joachim March mit den Worten charakterisierte, "hierzulande ist offenbar der Sinn fur das Satirische unterentwickelt zugunsten des tierisch Ernsten"(191), schien Hilsenraths Roman Schriftsteller ermutigt zu haben, die sich bisher vor ihrer eigenen Courage scheuten. Mit der Form der Satire durchbrach Hilsenraths Romaninhalt literarische Schranken in Deutschland. Gerda Marie Schonfeld beschrieb das Werk als "eine Satire iiber Juden und SS, - und damit ein Thema, was hierzulande, wenn iiberhaupt, nur einem Juden gestattet wird"(253). Uber die jiidische Identitat Hilsenraths bestand kein Zweifel, denn wie Schonfeld, betonten Presse und Veranstalter immer wieder, das Hilsenrath ein jiidischer Schriftsteller sei. Braun bestdtigte, da/3 die Verkaufszahlen aufgrund der Storaktionen und in der Folge von 480 Besprechungen in den Medien gestiegen waren: "Der Autor ist im 139

Gesprach. Der Reiz sich mit dem Buch und dem Verfasser zu befasBen, wird starker"(289). Fur Hilsenrath bedeutete diese Popularitat, daft er sich aufgrund zunehmender Telefondrohungen gezwungen sah, eine unveroffentlichte Nummer zu beantragen. Wahrend der Suche nach Buchhandlungen fur seine Vortragsabende stieB er auf Ablehnungen, wie z.B.: "Hier in Niirnberg kann man mit Juden keine Lesungen mehr machen"(209). Hilsenrath war zur Bestatigung seines eigenen Protagonisten Max/Itzig geworden, zu dem Max Rosenfeld sagt: "Juden wie sie sind ein gefundenes Fressen fur die Hetzpropaganda der Antisemiten"(2:S.211)! Die finanziellen Verpflichtungen aufgrund der Wende vom Kleinauflagenpublizisten zum Bestsellerverleger uberstiegen Brauns Kalkul. Er versuchte den Verlag vor dem unabwendbaren Bankrott zu retten, indem er mit N a ch t einen noch groBeren Erfolg zu erzielen hoffte. Seine Investitionen schlugen fehl, da Geldgeber Ferdy Zinn wegen einer Liquiditatskrise die Reklamestiftung fiirN ach t absagte. Braun begriindete seine wirtschaftlichen Verluste damit, "wenn man seine Bemuhungen so auf einen einzelnen Autor konzentriert, karm die Sache zu leicht umkippen"(392:S.52). Doch Braun hatte von jeher hohen Werbeaufwand betrieben, was den Verlag fur Autoren so begehrenswert machte. GemaB Peter Roos deckten sich seine Werbekosten mit seinen Umsatzkosten, und Hilsenrath stellte keine Ausnahme sondem eine Erganzung der gezielten Einzelwerbungen des Braun-Verlags dar (242). Im Ungewissen iiber die Verteilung der Konkursmasse wechselte Hilsenrath wenige Tage vor der Frankfurter Buchmesse 1978, auf der 140

Braun noch fur N ach t und Der Nazi und der Frisor warb, zu Langen- M iiller.

III.3. 1977- Veroffentlichung und Kritik in Deutschland Die neo-nazistischen Angriffe auf Hilsenrath dokumentieren die literarische Grundsatzdiskussion fiber das Verhfiltnis von Satire und

Faschism us. 15 jn seiner aufschluBreichen Studie Zwischen Tr&nen und G elachter entwickelte Uwe Naumann vier Thesen, die auch fur das Verstandnis von Der Nazi und der Frisor verbindlich sind (432:S.8-21). Naumanns Satireanalysen gestatteten folgende Riickschliisse: Erstens entlarven antifaschistische Satiren den Faschismus als ein Herrschaftssystem, in dem die Herausbildung einer intakten, menschlichen Identit&t nicht moglich ist, da ein Uberleben nur durch Verstellung garantiert ist. Die Ideologiekritik des Autors offenbart sich in einem Protagonisten, der als Schauspieler, Doppelgfinger oder Nachahmer dafiir biirgt, da!3 die Menschen unter dem Faschismus nie zu sich selbst finden. Zweitens leitete Naumann aus den ihre Identitat suchenden und zugleich verleugnenden Figuren ab, dafi es sich nicht wie beim Pikaro um ein Ssthetisches PhSnomen, sondern um einen Reflex auf die reale Erfahrung faBchistischer Wirklichkeit handle. Drittens widerlegte Naumann den Vorwurf einer Verniedlichung nazistischer Gefahren durch die Satire, indem er bewies, dafi dort, wo sie die Totalitat der politischen Realitat des Faschismus zu erfassen sucht, die Widerstandskrafte impliziert. Mit dieser Argumentation wandte er sich gegen die Satire-Kxitik von Adorno und Lukacs und folgte Jurgen Brummacks Ansichten (326:S.275f).^^ 141

Die charakteristisch ambivalente Darstellung der Satire bedingt auch eine ambivalente Rezeption. Naumann wies nach, dafi die geteilte Meinung der Kritiker eine Reihe von Satirikern wie Tucholsky und Kraus, veranlafite, den polarisierten Reaktionen nachzugeben, indem sie auf weitere satirische Darstellungen des Holocaust verzichteten.l? Er stellte die Polarisierung unter den Rezipienten als einen komplexen historischen Prozefi dar, so daB sich pauschalisierende Urteile iiber die Wirkung der antifaschistischen Satire auf die Leser als Spekulation erwiesen. Sein Argument stiitzte sich auf verschiedene Rezensionsbeispiele, die sowohl den Leser unterschatzten, als auch die Wirkung eines einzelnen WerkeB iiberschatzten. Unter diesem Aspekt lohnt sich eine Beurteilung vonDer Nazi und der Frisor, dessen Aussage iiber die menschliche Verrohung in der Folge vonN a c h t modifiziert wird, da "Satire allein beim Schreiben gegen den Faschismus iiberfordert wfire"(432:S.23).18 Im Umfeld seiner Satire-Ubersicht, Lion Feuchtwangers D er falsche Nero, Paul Westheims Heil Kadlatz, Ernst Tollers Der entfesselte W otan, Gunter Kunerts Im Namen der Hilte, Walter Mehrings MiiUer - Chronik einer deutschen Sippe und Heinrich Manns L id ice, urteilte Naumann iiber Die Blechtrommel: "Weniger gradlinig in der Aussage, aber auch mit satirischen Mitteln iiber die Nazi-Zeit erzahlend,..."(432:S.13). Seine Kritik markiert noch einmal den Unterschied zwischen Grass und Hilsenrath, da Letzterer aufgrund seiner "Gradlinigkeit" in hoherem Mafie den Leser bestiirzt und den Kritiker provoziert. Naumann sah Hilsenraths Roman im Kontext von Rolf Hochhuths J u r is te n, Hugo HartungsWir Wunderkinder und 142

Martin Walsers Eiche und Angora. Im Bereich der Identitatssuche und Verleugnung, meinte er, stiinden aber auch diese Werke nur "in gedampften Relationen"(432:S.14) zuDer Nazi und der Frisor. Er stellte fest, daB das Werk in "unerhortem" Kontrast zu den von ihm untersuchten antifaschistischen Satiren stiinde, da die Konzeption der Identitatsproblematik "auf eine groteske Spitze getrieben"(432:S.14) wurde. Obwohl Naumann dieses Urteil nicht begriindet, laBt es sich aus seiner Auswahl der Werke ableiten, in denen sich verleugnende Nazis zumeist in der Konfrontation mit ebenfalls eine Rolle spielenden Antifaschisten lacherlich gemacht werden. In der Regel sind die Nazis die Unterlegenen, wahrend die Opfer, um zu iiberleben, in ihren Tauschungsmanovern versierter sein miissen. Dieses Grundkonzept trifft auf Der Nazi und der Frisor nicht zu. Eine der negativen Kritik gegenuberstehende konkrete positive Norm wird weder implizit noch explizit gestaltet. An ihre Stelle sind Moglichkeiten unter positv-negativ veranderbaren Vorzeichen getreten, durch die der Roman eine "historische" Dimension erh<. Dariiberhinaus fehlt die traditionell didaktische Qualit&t der Satire, ohne daB sie in Nihilismus iiberschlSgt. Einzelne, dem traditionellen Satire-Modell verhaftete Rezensionen beweisen, daB Hilsenraths Roman einer alternativen interpretierenden Denkleistung des Rezipienten bedarf. Deshalb vergroBert sich bei Hilsenraths Werk die durch die implizierende Technik der Satire ohnedies immanente Gefahr des MiBverstandnisses. Im Bereich der Darstellimgstechnik in der faschistischen Satire gelangte Naumann zu einer, Hilsenraths BegrifF der "erfundenen Wahrheit" fundierenden Einsicht: "Was als konBtitutives Merkmal der 143

Satire gilt, die Ubertreibung, verschwimmt in der antifaschistischen Satire hfiufig mit bloBer Fotografie der Nazi-Realit£t"(432:S.17). Naumann erarbeitete einen exemplarischen Begriff der Satire, der ein flieBendes Ubergehen in die Groteske einbegreift, und der auch Hilsenraths kiinstlerische Methode spiegelt (432:S.32).19 Hilsenrath machte die Widerspriiche, die auf der Kluft zwischen Schein und Sein basieren, zum Thema seiner impliziten Kritik. Aus diesem Angriff schopft er ein SelbstbewuBtsein, das ihm ermoglicht, als Ausdruck politischer Uberlegenheit, seinen libermachtigen faschistischen Gegner, den darzustellenden Un-Helden, als grotesk zu empfinden. Analog rezipieren die Leser mit einer Mischung aus Uberlegenheit und Grauen, die ein befreiendes Lachen verhindert, "weil das Dargestellte entweder noch nicht voll durchschaut/durchschaubar ist oder aber realiter noch zu gefahrlich, grausam, machtvoll"(432:S.31). Eben diese Erfahrung machte das Publikum w&hrend Hilsenraths Lesereise. Daher sollte beriicksichtigt werden, daB, wie Naumann bezeichnend resiimierte, der Satiriker die Meinung seines Publikums entweder spaltet oder eine gespaltene Meinung voraussetzt. Die neo-nazistischen Angriffe, einerseits unhaltbar, bestdtigen andererseits, daB Hilsenrath seine Intentionen literarisch erfolgreich umgesetzt hat. Insofern ist Cornelius Streiters Bedauem "Pech fiir das Buch ist es, gerade jetzt, mitten in der Nazi-Welle, erschienen zu sein”(265), wirkungsgeschichtlich nicht gerechtfertigt.Der Nazi und der Frisor kommt dort der hochstmoglichen literarischen Provokation gleich, wo seine Rezeption zeigt, wie die gesellschaftliche Realitfit mit den literarischen Verzerrungen konkuriert. Hilsenraths Satire trennt die 144 politischen Gegner von Gleichgesinnten, indem sie die einen emiedrigt und die anderen best&rkt. Zundchst aber schien diese ideologische Spaltung einer geographischen Spaltung zu entsprechen. Am 24.2.1976 erschien in der Neuen Zilrcher Zeitung ein Literaturbrief aus London, in dem Alfred Starkmann fiber die positive Rezeption von N acht und Der Nazi und der Frisdr im Ausland berichtete. Er suchte nach den Griinden, aufgrund derer beide Werke von deutschen Verlegern ignoriert wurden. Er stellte die Hypothese auf, daB Der Nazi und der Frisdr in Deutschland, auf vergleichbare Vorbehalte wie N a ch t stoBen wiirde, da die Thematik die gleiche geblieben sei. Lediglich die Argumente wurden anders formuliert werden, da sich die Darstellungsform in eine Satire gewandelt habe. Starkmann konstatierte gleicbfalls, daB Der Nazi und der Frisdr in Deutschland einen literarischen Durchbruch darstellen wiirde, "in der Behandlung zeitgeschichtlichen Grauens, der ein neues Zeichen setzt bei der langst nicht abgeschlossenen Bewaltigung der Vergangenheit"(261). Im ersten deutschen Interview mit Andreas Mytze charakterisierte Hilsenrath den Kern seiner Satire: "Das Buch ist eine Satire, weil ich nicht das Opfer erzahlen lasse, der Roman ist vom Standpunkt des Henkers aus konzipiert"(204). Mytze vermutete, daB das Werk von deutschen Verlegern abgelehnt worden war, weil ein Henker, der in der deutschen Literatur eine Heldenfunktion erfullt, mit einem Tabu bricht. Doch Hilsenrath hielt ihm entgegen, daB Max kein Held, sondern ein "Unheld" sei. Ahnlich wie Starkmann, beurteilte Mytze Hilsenraths Satire als einen "neuen literarischen Weg der Vergangenheitsbewaltigung"(205). Gunther Nickel, der eine Rezension 145

fur die uberregionale Schiilerzeitschrift D ie Lupe schrieb, Stimmte deshalb nicht mit Ivan Denes uberein, fur den sich das Werk "haupts&chlich an jene, die die beschriebene Zeit und die Zeiten miterlebt haben,"(92) wandte. Nickel meinte, daJJ "es ohne allzugroBe Vorkenntnisse zu verstehen ist"(215). Hermann Lewy, dem Ernest Landau 1964 ein abwertendes Urteil iiber N acht unterstellt hatte, dessen Rezension 1965 aber das Gegenteil reflektierte, nahm auch zu Der Nazi und der Frisdr in der Allgemeinen jiidischen Wochenzeitung Stellung. Obwohl auch Lewy sich nicht gegen die Feststellung verwehren konnte, daB das Werk "oft unnotig pornographisch" sei, hielt er die Sprache hauptsachlich fiir "prazise, fast niichtern und sachlich," vergleichbar mit der sprachlichen Kargheit Stemheims (181). Wie auf viele amerikanische Rezensenten, wirkte das Werk auch auf Lewy wie ein Kriminalroman. Weder die Affinitat zum Kriminalroman noch die pornographische Sprache beeintr&chtigten seiner Meinung nach "den hohen literarischen Wert und die geschichtliche Bedeutung dieses spannenden Romans, der die teuflischen Ziele des Nationalsozialismus bloBlegt"(181). Trotz seiner positiven Empfehlungen befurchtete Lewy, daB die Satire insofern eine problematische Seite habe, als daB sie nicht von alien Lesem verstanden wiirde. Lewy selber lieferte ein Beispiel der von Naumann thematisierten MiBverstandnisse, indem er zu einer realistischen statt einer satirischen Interpretation neigte: "Max, dem menschliche Empflndungen fremd sind, zerbricht an der Tatsache, daB seine Massenmorde nicht siihnbar und deshalb nie verzeihbar sind"(181). Lewys Analyse offenbart seine Affinitat zur melodramatischen 146

Darstellung des Themenbereiches. Der Protagonist, der daran zerbricht, daB er seine Taten nie siihnen kann, und daB ihm nie vergeben wird, gehort aber zur Tradition des tragischen Helden, eine Figur, iiber die sich Max als Un-Held hinwegsetzt. Aus dieser Perspektive erklart sich, daB Lewy die von ihm zitierte Stelle "ein Jude, der stolz auf sein Volk ist, bleibt nicht in Deutschland," als "des Autors abfallige Meinung iiber die jiidische Gemeinschaft in Deutschland"(181) miBverstand. Der Rezensent der Berner Zeitung Der kleine Bund charakterisierte die Ursache fur Max' Verwandlung als einziger gemaB der in dieser Arbeit vertretenen Interpretation. Die Stichworte seiner hier verkiirzten Analyse verdeutlichen seinen Argumentationsverlauf: Der pure "Selbsterhaltungstrieb" zwingt Max zu dieser Tamung. Sein "Sicherheitsbediirfhis" fiihrt ihn in die Hohle des Lowen. Dann folgt ein Umkippen aus der einen Identitat in die andere. "Mimikry" wird zu "Identifikation". Doch Max, den "Befehlsgehorsam" und "sadistische Aggressivitat" charakterisieren, entlarvt seine Motive als "vordergriindig," indem er immer wieder seinen Dachschaden fur seinen Massemnord verantwortlich macht. "Hintergriindig" ist jedoch Hilsenraths Kunstgriff bei diesem Rollenwechsei, der ihm die Gelegenheit gibt, "seine Leser zum Denken und damit zur Einsicht iiber eine ganze Epoche zu bringen"(106). Fast ausnahmslos griffen alle Rezensenten in ihren Besprechungen vonDer Nazi und der Frisdr die Vorgeschichte von N ach t auf und berichteten von Hilsenraths Erfolg im Ausland. Ursula Schiffels reflektierte 1986 auf den Gesamteindruck der Rezensionen und faBte deren Schwerpunkt bestatigend zusammen: "Lakonik, schwarzer 147

Witz - all das, was die Kritiker dem N azi & Frisor bescheinigten, ... es f&llt kfliim ein Satz ohne Hintergedanken, ohne (gedachte) Fragezeichen oder (auch Selbst-) Kritik"(251). Die Mehrheit der Rezensenten stimmte, wie Schiffels feststellte, uberein, daB Hilsenrath die Mittel der Satire so manipuliere, daB weder die Thematik trivialisiert noch der Schrecken der Nazizeit kaschiert werde. Willi Bar sowie der Rezensent der Gemeinde ubernahmen Richard Anders’ Ansicht, Hilsenrath stelle sich dadurch nicht als ignoranter Zyniker sondem als betroffener Moralist dar (69/279/65). Dieser Ansicht widerspricht jedoch der Text, indem ihm auktoriale Eingriffe, didaktische Inhalte und ein festgefugtes Wertesystem fehlen. Andererseits erkannte Anders, und hier folgten ihm Bar sowie Nickel, das im perspektivischen Wertesystem verankerte Paradox: "Max Schulzes Strafe besteht darin, daB er ihr entgeht’’(69/215/65). Erwin Hirschmann las die Satire von der Warte des historischen Realismus: "Die Geschichte ist im Grunde banal, der geschilderte Hintergrund Btimmt nur teilweise"(146). Er beabsichtigte, mit seinen faktischen Verbesserungen zu zeigen, daB auch diejenigen, die die Satire wortlich nehmen und deshalb die Wahrscheinlichkeit des Dargestellten bezweifeln, zur Einsicht gelangen miissen, "daB die geschilderte Geschichte - wenn auch noch so unwahrscheinlich - wahr sein konnte"(146). D iese Wahrscheinlichkeit mache schaudern und werde durch das erzahlerische Verhalten potenziert, denn "Hilsenrath bietet kein Rezept an"(146). Hirschmann erkannte, daB Hilsenrath auf eine didaktische Moral verzichtet und mag aufgrund eines einseitigen Satireverstandnisses die stilistischen Mittel eher "wortlich" als 148 verfremdend begriffen haben. Nickel fragte sich, obwohl er deri Roman zur Lektiire empfahl, "ob die groteske Figur des Schulz/Finkelstein nicht durch bessere Stilmittel als das der Obszonitat gewonnen hatte"(215)?

Da m it. zShlt er zu jenen Kritikem, die Obszonitat fur ein Stilmittel halten statt fur eine Realitat, die die Satire verdeutlicht.^O "Satire kennt keine Tabus, darf sie nicht kennen," folgerte Kramberg in seiner Rezension, nachdem er sich fragte, warum Hilsenrath "die sogenannten Grenzen des sogenannten humanen Geschmacks scheinbar perfid ignoriert"(176). Er gelangte zu der Uberzeugung, daB die Perfiditat nicht auf den Autor sondem auf den literarischen Gegenstand selber zuriickverwies. So schlug er implizit eine Briicke zu N ach t, wo ebenfalls gilt, daB der Romangegenstand kein Phantom, sondern monstros wie der Mensch selber ist. Miesen sah das Eigentiimliche von Hilsenraths Satire in einem "Feuerwerk deutsch- jiidischer Vergangenheitsbew<igung, wie sie absurder und trotzdem logischer nicht gedacht werden kann"(198). Ihren Hohepunkt verlegte Miesen in jene satirische Tragik, die sich offenbart als "sp&ter die Juden in Israel selber glauben, ihre Physiognomie sei die Schulz’sche 'Sturmer'-Visage"(198). Damit erkannte er zwar nicht den Hbhepunkt, aber unter den vielen Hohepunkten, analog zu den vielen Moglichkeiten im Roman, einen, den auBer ihm nur Anders beachtete: "Indem Hilsenrath seinen Helden wie eine Stiirmer-Karikatur vom Juden aussehen und ihn mit dieser Physiognomie vor der jtidischen Prufungskommi ssion in Berlin und Bpater in Israel Erfolg haben laBt, stellt er Klischee-Vorstellimgen vom Juden an den Pranger, die selbst 149 bei denjenigen zu finden sind, gegen die diese bewufiten Fehlinformationen gerichtet waren"(65). Besonders die Gegenstimme Alfred Frankensteins stellte die Interpretationen von Anders und Miesen unter Beweis. In seiner Rezension fur die Israel Nachrichten suggerierte Frankenstein Unterstellungen seitens Brau wie z.B.: "Der Name des Autors war rnir unbekannt, der Verlag behauptet, er sei selbst Jude. Ich habe da meine Zweifel, wiewohl der Name ein Pseudonym sein mag"(118). Frankensteins Darstellung des Romaninhalts l&Bt Riickschliisse auf seine ideologische Befangenheit zu, denn Riicksichten, auch auf Israel, nahm Hilsenrath, wie Streiter feststellte, nicht. Auch der Rezensent der G e m e in d e meinte, daB Hilsenrath "sehr treffend fragwiirdige Erscheinungen im jiidischen Bereich, wie etwa eine ode und unwissende Propagandamache aufs Kom"(279) nehme. Frankensteins Ton in seiner Zusammenfassung wechselte drastisch, als Max/Itzig Pal&stina erreicht: "Max Schulz lem t das Land lieben und bewundem, und auch die Menschen, die es aufgebaut haben"(118). Frankenstein erweckte den Eindruck, Der Nazi und der Frisor sei ein Melodrama und verfiel dem Irrtum, Max brfiche unter seiner Schuld zusammen. Da dieser Aspekt aus Frankensteins Sicht positiv sein muB, berichtigte er eine mbgliche positive Wirkung seiner Uberlegungen mit weiteren Unterstellungen: "Der Verlag meint, dafi Max Schulz in seinem imagmSren Tagebuch als grotesker Held, als Anti-Held gezeigt wird. Mir aber scheint, daB dieser Roman in seiner vulgaren Sprache, voll von Gotteslasterung und Blasphemie, voll von pornographisch-sadistischen Details ...."(118). Frankenstein biirgt fur 150

die Beispiellosigkeit mit der Verrisse ihre Rechtfertigungen aus Hilsenraths Sprache zogen. Auf der Grundlage einer normativen Sprachasthetik fiihrten isolierte Stilkritiken zu entstellenden Darstellungen. Ohne die Funktion der kritisierten Stellen im Kontext zu reflektieren, wurden ihnen automatisch Mangel unterstellt. Der Grund, mit dem der RezenBent der G em ein de solche Sprachkritik bemaft, "Zartbesaiteten Seelen behagte der freimutige Stil und die reichliche Verwendung sogenannter ordin&rer Kraffcausdriicke nicht ganz"(279), ist deshalb zweifelhaft. Kramberg kontrastierte diese Pressemeinung, indem er Hilsenraths "Sprachmelodie" hervorhob, die im "Kostum der Satire ungestraft Damonen in Freiheit setzt, die in der Mordergrube des Unterbewuflten rumoren"(176). Diese Dimension der Sprachsatire, charakteristisch fiiir Der Nazi und der Frisor, stellt eine Verbindung zu Canettis Die Blendung , und auch, wie Kramberg meinte, Jakov Linds Eine Seele aus Holz her. Frankenstein aber fuhr fort, seine Ausfuhrungen mit Berufung auf Braun zu untermauern. Seine Diffamierungstaktiken kulminierten in der Bilanz: "Ausnutzung des tragischen Sterbens von sechs Millionen Nazi-Opfern fur billige Sensationszwecke ..."(118). Christa Rotzoll sprach sich literarisch gegen, historisch aber fur den Roman aus. Ihre Argumentation verlief Shnlich wie Reich- Ranickis, doch statt einer kategorischen Ablehnung befand sie: "Doch ein miBlungenes Buch kann es immer noch in sich haben, mehr als manches gegliickte. Besonders dort, wo nach dem Krieg in Deutschland die GesprSche losgehen, ist der Roman mit schonen Schein-Naivit&ten vollgestopft"(243). Uberzeugt, dafi es sich um einen "Schelmenroman" 151 handle, lautete ihr Urteil im Anklang an Reich-Ranicki, sie konne sich, aufgrund des Widerspruchs, der im Sujet beschlossen liege, den Mann nicht vorstellen, der eine erfolgreiche Pikareske iiber den Holocaust schreibt. Torberg pflichtete bei, dafi das Thema in Pikaro-Manier behandelt, diese Ablehnungen rechtfertige, argumentierte aber, dafl es sich bei Der Nazi und der Frisor keineswegs um einen Schelmenroman handle.21 Die Schablone, die Rotzoll dem Roman unterlegte war ungeeignet, da Hilsenrath die Schandtaten im Simplicissimus, deren Mafi Rotzoll noch fur Menschenmafl hielt, uberschreitet. Statt hierin eine Erweiterung des Menschenmoglichen zu sehen, steckte sie mit Simplicissimus die Grenzen des Unmoglichen ab und bemerkte vorwurfsvoll: "Man soil in der Literatur nichts fur unmoglich halten"(243). Zur Unterstiitzung ihrer Theorie fuhrte sie Vergleiche mit der Blechtrommel an, verriet aber ihr eigenes, ahistorisches Nazi-Bild, indem sie Max fur ebenso "phantastisch" wie Oskar hielt. Obgleich dhnliche Vergleiche von anderen Rezensenten gezogen wurden, stand sie mit ihrer Schlufifolgerung all ein: "Die Groteske, die solchen Geschichten abgewonnen wird, mu!3 fast ... matt und verdriickt geraten, beladen mit Mitleid und Melancholie"(243). Richard Anders gehorte, wie B&r, zu den Rezensenten, die den Vergleich zwischen Hilsenraths Roman und der Blechtrommel fur "ebenso unzuldssig wie oberflfichlich"(69) hielten. Doch die Gemeinsamkeiten, die er und Bar bei beiden Protagonisten sahen, um dem irrigen Vergleich ein gewisses Verstandnis abzugewinnen, stimmen mit dem Bild von Max nicht iiberein: "Mit Oskar Matzerat hat 152

Max Schulz die kleinbiirgerliche Doppelmoral ... gemeinsam"(65). Schwejk und Hauptmann von Kopenick, die Anders in diesen Vergleich einbezog, teilen diese Kleinburgerlichkeit mit Oskar, nicht aber mit Max. Kellerloch-Dasein und Stockgewalt bieten keine Parallele zur Skat- spielenden Gemiitlichkeit in der biederen Matzerat Wohnung. Andererseits stellte Anders treffend fest, daB das harmlose AuBenseitertum Oskars mit Max' Schwerverbrechen nichts gemein hat. Homungs Charakterisierung von Max als einer "Mischung von SpieBburger und Schelm"(152) verharmloste Hilsenraths Protagonisten und ordnete ihn ebenfalls als Pikaro ein. Schonfeld geriet in den Widerspruch ihrer beiden gegenlaufigen AuBerungen: "Der Autor laBt sich in keiner Zeile aufs Verharmlosen ein," in diesem "Husarenstiickchen von einem, der durchkam"(253). Obwohl der Rezensent der G em ein d e, im Gegensatz zu Schonfeld, Max als "Unhelden" verstand, mutmaBte er, daB es sich um einen "Schelmenroman" handele. Beide waren in dem Bemuhen befangen, Der Nazi und der Frisdr literarisch einzuordnen, und zwar in die "Tradition des klassischen Simplicius Simplicissimus," in die ihn auch der Stern und S p ie g e l stellten (213/291). Torberg lehnte diese Kategorisierung ab, teilte aber ihre Ansicht, "daB paradoxerweise ein unheimlich wahrheitsgetreues Gesamtbild entsteht"(269). Streiter schloB sich Torberg an und nahm zu den Grass-Vergleichen Stellung: "Max ... ist mit den Primitivlingen aus Grass'Blechtrommel und aus Doblins Alexanderplatz verglichen worden. Falscher geht's nicht; denn Max Schulz, zwar primitiv, aber keineswegs ungebildet, hat allein 10.000 Menschen auf dem Gewissen, das unterscheidet ihn von anderen 153 romanhaften Figuren unendlich"(265). Streiter war, wie Anders, einer der Rezensenten, die kaum auf Form- und Sprachunterschiede zu Grass aufmerksam machten, da sich fur sie der Unterschied zu Grass auf inhaltliche Ph&nomene beschrankte. Nickel vermied pikareske Vergleiche, doch war auch er von der "SpieBburgerlichkeit" des Protagonisten liberzeugt, die sich fur ihn am deutlichsten zeigte, als Max sich mit einem FuBbad im Suezkanal begnugte, statt militarische MaBnahmen zu ergreifen.(215) Max' als "verantwortungsbewufites" Handeln getarnte Umkehr, entspricht jedoch seiner Befehlshorigkeit, getamt in der Umkehr des symbolischen Waschens der Hande in Unschuld(2:S.370). Inhaltsanalytisch variierten die Meinungen gelegentlich. B&r suchte, im Sinne von Anders, Max' Verbrechen auf das "Trauma der HSBlichkeit und den Makel unehelicher Geburt"(69) zuriickzufuhren. Homung wie Streiter waren der Ansicht, Max sterbe schlieBlich an einem Herzinfarkt, eine Ansicht, die textlich moglich, aber doch zweifelhaft ist. Anders implizierte bei seiner Inhaltsangabe die der Infarkt-Szene anhaftende Ambiguitat imd Manfred Rieger postulierte schlieBlich iiberzeugend: "Max Schulz bleibt mit seiner Vergangenheit auf eine Weise allein, die ihn weder leben noch sterben laBt"(237). Riegers Renzension iiberzeugte durch zwei weitere Vergleiche. Er begann seinen Artikel mit einem Zitat von : "Hitler miiBte jetzt als Jude weiterleben. ... Hitler hat die Juden zu Deutschen gemacht, in einigen wenigen Jahren, und deutsch ist nun ein Wort geworden, so schmerzlich wie jiidisch"(237). Rieger war sich wohl im Klaren, daB Canettis Aufierung, die er als Untertitel fur Hilsenraths 154

Roman vorschlug, im Jahre 1945, aber nicht mehr im Jahre 1977 angemessen gewesen w&re. Der von ihm zur Romandeutung ebenfalls herangezogene Aufsatz Jean Amerys Vom Zwang und der Unmoglichkeit Jude zu sein, fuhrte zu seiner aufschlufireichen Schlufibetrachtung. Rieger besann sich auf Amerys Anspruch: "Ich mu/3 das Fremdsein als ein Wesenselement meiner Personlichkeit auf mich nehmen, auf ihm beharren wie auf einem unverauflerlichen Besitz ...."(237). Unter diesem Aspekt erlangte der Roman fur Rieger die folgende, sich in Max/Itzig manifestierende Bedeutung: "In dem Augenblick, da der falsche Itzig Finkelstein des Romans sich vergeblich als Max Schulz zu bekennen versucht, erlebt er - in diesem Sinne - sein Jude-Sein"(237). Karl-Jiirgen Miesen vermeinte einen Protagonisten in der Auseinandersetzung mit seinen Gewissenqualen vor sich zu sehen. Diese Ansicht teilte auch Schonfeld, die vermutete, da/3 Max "am Unrechtsbewufitsein stirbt"(253). Diese Vermutung schien sie veranlaflt zu haben, Max als "Helden" zu verstehen. In ihrer Schlu/3bemerkung wiederholte Schonfeld Anders' Worte, mit denen er eine Verbindung zu N ach t herstellte, die nur einem Rezeptionsanalytiker auffallen konnte. Er machte den von Afac/i/-Rezensenten gepragten Anspruch "die Wiirde der Opfer bleibt unangetastet," nun auch fur Der Nazi und der Frisor geltend (253). Implizit vermittelten Anders und Schonfeld damit ihre Befiirchtungen, da/3 dieser Roman, mit der gleichen Begriindung wie seinerzeit Nacht, verrissen werden konnte. Ahnlich wie Lewy sah Homung den besonderen Effekt des Werkes in seiner Affinitat zum Kriminalroman. Doch im Unterschied zu Lewy 155

verursachfce ihm dieses "unakademische" Genre nicht das Unbehagen, aufgrund dessen Lewy sein Analyseergebnis mit einem "trotz allem" eingeleitet hatte. Vielmehr versuchte Homung der Form des Romans in alien Aspekten gerecht zu werden und bezeichnete ihn als "Kriminalkomodie in Romanform"(152). Es scheint, daB er den Begriff der Komodie dem der Satire insofern vorzog, als die Komodie die Hilsenraths Roman charakteristische Dialogform reflektiert. Ihrem Genre entsprechend betonte er den "schwarzen Humor" im Werk. Barbara Hohfeld stellte fest, daB auch eine umfassende literarische Bestimmung des Werkes, wie Homung sie angstrebte, nicht flexibel genug sei. Sie teilte unter den deutschen Kritikern als einzige die Meinung vieler ihrer amerikanischen Kollegen. Sie hielt eine adaquate Wiedergabe des Romaninhalts fur problematisch: "... ich merke, daB meine Nacherz&hlung schief wird. Die Verstrickungen sind in Wirklichkeit viel raffinierter"(147). Eine der tiefgreifendsten Rezensionen verfaBte Friedrich Torberg kurz vor seinem Tode. Gleich zu Beginn nahm er Stellung zu der Behauptung, es handle sich um einen Schelmenroman: "Schelmereien vor dem Hintergrund von sechs Millionen Leichen? Das kann nicht gut werden."(269) Seine sich am Roman entlang entwickelnden Reaktionen vermittelten einen Einblick in die meinungsbildende Macht der Presse. Nur langsam gelang es Torberg, sein MiBtrauen, das er im Romananfang bestarkt fand, abzubauen. Wahrend er seinen eigenen LeseprozeB darstellte, verdeutlichte er, inwieweit die Pressemeinung ihn zu isolierten Analysen bewegte. Wie Hirschmann kritisierte er historische Ungereimtheiten, wie z.B. den Vornamen Chaim. Kaum 156 einer der seit dem ersten Weltkrieg um totale Assimilation bemiihten Juden hfitte sein Kind so benannt, konstatierte Torberg. Er iibersah, daB Itzig vor dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1907 geboren wurde und sein Vater einer alteren Generation angehorte. Wahrend Torberg Beispiel an Beispiel reihte, verwehrte er sich gleichzeitig dagegen, daB er Haarspaltereien betriebe: "Wenn ein jiidischer Autor eine Konfrontation zwischen Nazi und Juden zum Thema eines Romans macht, dann habe ich Anspruch darauf, daB er sich in jiidischen Dingen halbwegs auskennt"(269). Dieser Anspruch macht deutlich, daB Torberg dem Roman eine Erwartungshaltung entgegenbrachte, derzufolge er, wie auch Boll und Hirschmann, die Exposition als suspekt betrachtete. Diese "Hab-Acht- Wirkung" aber entspricht der Intention Hilsenraths. Torberg gelangte zu dieser Einsicht im selben Moment wie Boll, als Hilsenrath "sich nicht zur naheliegenden Juxtaposition der wahrlich billigen Klischees verleiten und nicht etwa den blonden Recken Itzig unterm Naziregime eine arisch getarnte Karriere machen l&Bt. Er wahlt die schwierigere, in ihrer abstrusen Originalit&t erst recht liberzeugende Umkehrung: Max Schulz wird Jude"(269). Wie Bfir und Anders wies er den Verdacht, Hilsenrath sei ein Zyniker, von sich. Nicht nur aufgrund Torbergs rezensionstechnisch besonderen Analyse sondem auch wegen seines abschlieBenden Befundes, stellte sein Beitrag eine Ausnahme dar. Die Schliissigkeit, die sich fur Torberg in dem Roman manifestierte, resultierte aus einer aus amoralischen Voraussetzungen zutage tretenden Moral. Ihr zufolge laBt Hilsenrath, wie auBer Torberg nur wenige Rezensenten 157 konstatierten, Max nicht unter "wohlfeilen" Gewissensbissen leiden. Damit identifizierte Torberg den Grund, weshalb Hilsenrath nicht als Moralist auftritt. Aus der Sicht eines Uberlieferers jiidischer Anekdoten beurteilte Torberg Hilsenraths Werk als einen "schauerlich-witzigen Roman, einen um eine Spirale iiberdrehten, bitterbosen KunstgrifF, der ihn endgultig legitimiert"(269). Der sich als Kritiker und Pamphletist in der Nachfolge von Karl Kraus verstehende Literat schloB seine Betrachtungen entsprechend: "Die Entlarvung der klischierten Vorurteile, an denen unser Dasein krankt, erfolgt gewissermafien nebenher und bedeutend schliissiger, witziger, schauerlicher als in der miBgliickten Andorra-Parabel des ideologisch blockierten Max Frisch"(269). Wolf Silberbach berichtete iiber das BJJ Seminar 1979, das im Dezember in Cleeberg bei GieBen unter dem Thema "Judentum in der Literatur" stattfand. Wahrend dieses Seminars verglichen zwei Arbeitsgruppen die jiidische Literatur in Deutschland mit der in den U.S.A. Das Ergebnis ihrer Studien offenbarte, daB literarische Typisierungen sowie Klassifizierungen problematisch waren. Einzig die Feststellung, "die Juden in der deutschen Literatur hdtten im Prinzip nicht in ihrer Eigenschaft als Juden und wenig iiber sich selbst geschrieben, w&hrend die jiidischen Schriftsteller in den U.S.A. der jiidischen Thematik einen prominenten Platz einr&umen"(259), wurde verbindlich formuliert. Unter den Seminarteilnehmem befanden sich Edgar Hilsenrath und Marcel Reich-Ranicki, die kontroverse Positionen einnahm en. 158

Reich-Ranicki warf Hilsenrath vor, "die Judenvernichtung ... entziehe sich dem Zugriff der Groteske"(259). Der Literaturkritiker leitete damit die eigentliche Kontroverse des Seminars ein. Wahrend Sander Gilman in seiner spateren Untersuchung Jewish Self-Hatred Hilsenraths Werke nicht als Beispiele des Selbsthasses anfiihrte, hielt Reich-Ranicki dem Autor entgegen,"Der Nazi und der Frisdr ... und andere Werke des Selbsthasses brachten keinen Nutzen und richteten nur Schaden an"(259). Die Reaktion der Seminarteilnehmer offenbarte jedoch eine veranderte Grundhaltung unter der jiingeren Generation, die aus einem neuen SelbstbewuBtsein heraus argumentierte, man solle "sich nicht von Antisemiten vorschreiben lassen, was man iiber sich selber schreibt"(259). Trotz Reich-Ranickis "heftiger Attacken" gegen Hilsenrath war die Mehrheit iiberzeugt, dafi die Anerkennung der Groteske oder Satire als Darstellungsmittel fur den Holocaust letztlich durch die Absicht des Autors bestimmt werde. Reich-Ranickis Polemik, Der Nazi und der Frisdr ware besser ungeschrieben geblieben, stieB auf geringes Verstandnis. Reich-Ranickis Vorbehalte stehen in der Folge der in der Forschung wenig beachteten Uberlegungen zur Satire von Theodor W.

Adorno und Georg Lukacs 2 ( 9 8 / 4 1 5 ).22 in der Bestimmung des literarischen Verfahrens waren sich beide Kritiker zunachst einig, Satire beruhe auf der unmittelbaren Evidenz des Dargesteliten. Fur Adorno endete sie mit Karl Kraus als historisch letzte Moglichkeit, denn Karl Kraus bezeuge das Versagen der Satire vor der faschistischen Gewalt (298:S.280f.)23 Adorno, fiir den BewuBtsein und Wirklichkeit in der Gegenwart zusammenfielen und das Denken nur noch in der 159

Anerkennung von SachzwSngen bestand, sah in der satirischen Gestaltung eines Themas die bloBe Verdopplung der Wirklichkeit (298:S.282). Wie Adorno hielt Lukacs die Satire fur eine Form der uneigentlichen, oder um Naumanns te rm in u s aufzugreifen, der impliziten Rede, weshalb Absicht und Inhalt der Kritik erst aufgrund eines auBerliterarischen Konsens evident werden. Wahrend Adorno Satire nicht als Kunstform verstand, sondern ihr lediglich eine historische Giiltigkeit zubilligte, setzte sich Lukacs mit der Geschichte der satirischen Literatur und Satiretheorie in der biirgerlichen Asthetik auseinander (415:S.87,99). Er differenzierte dabei nicht zwischen verschiedenen Satireformen und dem satirischen Roman. Diese "satirische" Verallgemeinerung erschien Ludger Clafien problematisch, da sich der Roman differenzierter erz&hlerischer Strategien bedient. Fraglich ist daher, inwieweit "die Fundierung der Satire auf den Konsens ohne weiteres auch auf satirische Romane anzuwenden ist"(336:S.17). Im Vergleich zu Kurzprosa, Kabarettext etc., argumentierte ClaBen treffend, spielen die wesentlich vielfaltigeren literarischen Gestaltungsmittel im Roman eine entscheidende Rolle. Am Beispiel von Aldous Huxley's SatireBrave New World legte Adorno dar, daB Satire, um die Gegenwart zu kritisieren, die Verlangerung bestehender Tendenzen in eine negativ-utopische Zukunft darstelle und schloB: "Einverstandnis selber, das formale Apriori der Ironie, ist zum inhaltlich universalen Einverstandnis geworden. ... Beobachtungen am gegenw&rtigen Zustand der Zivilisation sind aus ihrer eigenen Teleologie vorgetrieben bis zur unmittelbaren Evidenz ihres Unwesens"(298:S.282). ClaBen wies auf den Widerspruch hin: 160

"Damit widerspricht er [Adorno] aber seiner eigenen theoretischen PrSmisse, nach der Satire nur aufgrund eines auBerliterarischen Konsenses evident sein kann"(336:S.18). Fur Hilsenraths Roman gilt, da/3 Verzerrungen und Ubertreibungen das Dargestellte im literarischen Verfahren transparent machen. Adornos konkrete Romananalyse erbringt daher vielleicht fur Huxley, aber nicht fur alle Satiren den Nachweis, da/3 sie stets die Ideologie einer Gesellschaft bestdtigen, die sie kritisieren. Obwohl Adorno und Lukacs ubereinstimmten, da/3 die Wirksamkeit der Satire auf historischen Widerspruchen beruhe, gelangten beide zu einer grundsatzlich verschiedenen Uberzeugung. Lukacs beharrte auf dem Diktum Juvenals, da/3 es nicht schwer sei, eine Satire zu schreiben (415:S.91). Adorno hingegen, wie schon der Titel seines Aufsatzes Juvenals Irrtum vermuten lafit, postulierte, da/3 es schwer sei, eine Satire zu schreiben. Aus dieser Perspektive wird Reich-Ranickis Reaktion auf Hilsenraths Roman verstandlich: "Das Genie, das dieses Thema mit Groteske oder Satire bewaltigen konnte, [ist] noch nicht geboren"(259). Mit dieser Behauptung unterstellte er der Satire eine eindimensional negative Verzerrung ihrer Thematik, im Sinne des traditionellen

Satireverst&ndnisses "verkehrte W e l t . " 2 4 j)er Nazi und der Frisdr veranschaulicht jedoch beispielhaft, daf3 Hilsenrath nicht das verzerrte Spiegelbild einer "richtigen" Welt darstellt, sondern vielmehr ein Spiegelkabinett, das die Optik der vielfachen Brechung imd Verzemmg prasentiert (336:S.157).25 Dank dieser Perspektivierung falsifiziert

Hilsenraths Roman Adornos und Lukacs' literaturtheoretische These, 161

dafi die Satire apriori auf einen auBerliterarischen Konsens angewiesen sei. In seiner literarischen Ausformung vermittelt das Werk die Kritik

nm Dargestellten durch seine Erzahlstrategien.^B Ferner best&tigt der Roman ClaBens Ansicht, daB das vielfUltige Satirematerial nicht zulaBt, "das Werk eines Autors oder eines bestimmten Modells zum Inbegriff von Satire zu verallgemeinern"(336:S.157). Schon 1958 befand Hans Magnus Enzensberger, daB die Satire formal und inhaltlich, aufgnmd der Vermischung verschiedener Stilmittel, ein "Wechselbalg"(319) sei. Einerseits wird Satire der Realitat untergeschoben, damit sich die Realitat in ihrem verzerrten Spiegel wiedererkenne, andererseits experimentiert Satire mit den verschiedensten Formen, um im VerstoB gegen asthetische Normen ihre Provokation zu verscharfen (349:S.686- 689). Enzensberger stellte seine Uberlegungen am Beispiel von Heinrich Bolls Doktor Murkes gesammeltes Schweigen an. Bolls satirischer Ton war selbst in seiner Rezension vonD er N azi und der Frisdr uniiberhorbar: "Hilsenrath nennt seinen Helden schlicht einen Nazi. Das ist wohltuend, wenn auch unakademisch"(75). Boll unterstrich als Verdienst des Romans, daB er anstatt die bekannten Verbrecher Hoss, Himmler, Eichmann oder gar Hitler zu thematisieren, den "XY" beschreibt. Er verweist damit auf einen Typ Mensch, der z.B. im Frankfurter Auschwitz-ProzeB aufgetreten sein konnte. Als besonders erwdhnenswert schienen Boll realistische Details wie z.B. die Goldz&hne, durch die die Diskrepanz zur historischen Debatte in Deutschland, "wo die Versachlichung der Nazizeit an so vielen Sachen vorbeisieht"(75), aufgedeckt werde. Boll ging vertieft auf die Sprache im Roman ein, die er nicht wie Lewy und Struminsky als 162

Vehikel fur "vulgar uberspitzte Sexszenen" beurteilte. Er konstatierte, dafi die Darstellung zwar "obszon, grotesk, brutal und ubertrieben" sei, "doch nicht einmal in AnsStzen pornographisch - und nirgendwo schlupfrig"(75). Als Beispiel verwies er auf die Diskrepanz zwischen der grotesken Leiche des amerikanischen Majors und ihrer "diskreten Beseitigung" seitens Max. Diese "Pervertierung der Sprache" charakterisierte Walter Benjamin anlafilich seiner Rezension von Kracauers Die Angestellten als Kennzeichen der Satire, die mit dem innigsten Wort die schabigste Wirklichkeit, mit dem vornehmsten die gemeinste, mit dem friedfertigsten, die feindseligste deckt"(315:S.223f). Auch Der Nazi und der Frisdr zeichnet sich dadurch aus, dafi der Bildlichkeit der Alltagssprache eine besondere Qualitdt zukommt, weil sie ein Auseinandertreten von Bewufitsein und Wirklichkeit offenbart. "Schliipfrig" ist aber Bolls Rezension, in der er mit im Roman nicht anzutreffenden Begriffen wie "Vorkriegsnutte," "Fressen," usw. operierte. Er lehnte "sprachliche" Vorwiirfe gegeniiber Hilsenrath nicht nur explizit sondera auch implizit ab, indem er sich selbst eines "anrtichigen" Vokabulars bediente. Indem Boll durch einen obszonen Wortschatz gegen die Kritik an der Sprache inDer Nazi und der Frisdr protestiert, deckt er Hilsenraths Sprache als Protesthaltung gegeniiber der Sprache seiner Verfolger a u f . 2 7 Bolls Sprache, die in seinem Gesamtwerk die verschiedensten Formen annimmt, kontrastiert als "variable" Sprache, analog zu Hilsenraths "reduzierter" Sprache, mit dem Grass-Stil, "der einmal eine syntaktisch verschlungene, kraftig fabulierende Sprache und zum andern ein eigentiimlich verklausuliertes und zugleich assoziativ ineinander verschranktes 163

Idiom meint"(341:S.153). Erinnert man sich daran, wie Hilsenrath seine Dialoge im Miinchner Bahnhof deklamierte, so zeugt Bolls Aussage im Werkstattgesprach mit Horst Bienek von einer weiteren Gemeinsamkeit bei beiden Autoren: " es ist eine gute Probe, wenn man das, was man hingeschrieben hat, laut vorlesen muB. ... Das ist eine sehr wichtige Korrektur"(316:S.176). Durzak deutete Bolls Ansicht als einen "Hinweis auf eine Form von literarischer Sprache, die sich der Ndhe zum gesprochenen Wort bewuBt bleibt und das geschriebene Wort selbst nur als gesprochenes kiinstlerisch gelten laBt"(341:S.158). Urs Widmer machte in seiner Studie zur Sprache in der deutschen Literatur nach 1945 darauf aufmerksam, daB sich ein Bruch mit der literarischen Hochsprache vollzog, der sich in diesem, syntaktische Eigentumlichkeiten hervorrufenden, "lebendigen" Sprachgestus manifestiere (491:S.156). Durzak wahlte, wie Enzensberger, Doktor Murkes gesammeltes S c h w e ig e n zur Satirebestimmung Bolls. Diese Werksammlung reflektiert, gemdB Durzak, die auf alien Werkebenen Bolls wiederkehrende einzige Stil-Konstante: "satirische Demaskierung durch die Sprache"(341:S.161). Im Unterschied zu Hilsenrath, gerat Boll in seiner Satire jedoch "manchmal in die Nahe von moralischem Pathos"(341:S.163). Bolls sprachlichen Betrachtungen zu Der Nazi und der Frisor gingen Uberlegungen zu seiner Reaktion auf den Roman, der bei ihm anfanglich Ekel bewirkte, voraus. Diese Wirkung schrieb er inhaltlich einem "Dickicht von Greueln und Abscheulichkeiten zu"(75), deren Funktion ihm, wie Torberg, erst spSter deutlich wurde. Er vermutete im 164

Fehlen jeglicher Nachkriegsromantik und jedes Edlen, ob Edelnazi, Edelnutte, oder Edeljude, die einzig mogliche Antwort auf die quantitative (statistische) Erorterung des Holocaust. Er kam dem Verstandnis des Un-Helden nahe, indem er die Protagonisten als umgekippte Marchenfiguren bezeichnete, "unhold" und in "unholden" Verhaltnissen. Im Rahmen der "marchenhaften" Verfremdungen, pragte Boll fur Max einen eindrucksvollen Beinamen: "Hans im Gluck im Blut (mit seiner Goldlast)"(75). Eindrucksvoll, weil sich in diesem Begriff eine deutsche national-literarische Tradition mit ihrem politischen Pendant verbindet, das Max inkamiert, und auf das sich ein "und wenn sie nicht gestorben sind, wahrend Hilsenraths Lesereisen konkretisierte. Boll bezeichnete den Roman nie explizit als Satire, implizierte aber diese Form durch seine eigenen Betrachtungen: "[Max] verbringt seinen Lebensabend in der N&he des Waldes der sechB Millionen, einer Pflanzung zum Gedachtnis der von den Nazis ermordeten Juden"(75). Diese kurze, nach happy end klingende Zusammenfassung, loste er wieder in einem langatmigen ethnisch-religiosen Kontrast auf: "Das konnte den Roman Der Nazi und der Frisdr fast zu einem mit Tannenbaumzweigen geschmttckten, in entsprechendes Papier verpackten 'Weihnachtsbuch' machen, das man beim 'KHngelingeling' aufschlagt"(75). Auf die abscbliefiende Mahnung "ich rate von dieser Vorstellung ab"(75), konnte Boll jedoch nicht verzichten. Damit bezeugte er, dafi er, im Unterschied zu Hilsenrath, zur Tradition des didaktischen Satirikers gehort. Auffallend ist, dafi Boll davon absah, den Roman iiber einen impressionistischen Ansatz hinaus zu besprechen. 165

Er machte keinen Hehl daraus, dafi sich das Werk seiner Meinung nach, einer pauschalen Normenzuordnung entzieht: "Ich habe kein fix und fertiges Urteil fiber dieses Buch ..."(75). Ein Gesamturteil fiber D er Nazi und der Frisdr wird erschwert, weil der Roman, in Form einer Satire, einen epischen Spielrauin beanspracht, der das Ungeheure ihres Gegenstandes spiegelt (315:S.223f). Der dritten, erweiterten und veranderten Auflage seiner Untersuchung Der deutsche Roman der Gegenwart, ffigte Durzak 1979 ein letztes Kapitel mit dem Titel "Brfickenkopfe" hinzu (98). Er wollte das Spektrum der erorterten Romanbeispiele von 1971 dort erganzen, "wo sich moglicherweise neue epische Gelfindeerschliefiungen andeuten, Brfickenkopfe sozusagen in ein noch ungesichertes Gebiet...."(98:S.477). Zu ihnen zahlte er neben Fritz Zorn, Heinar Kipphardt, Hans Jfirgen Frohlich, Peter Weiss, Bemward Vesper, E.R. Richartz auch Edgar Hilsenrath. Durzak bemerkte zum ersten Male, dafi HilBenrath einer neuen literarischen Richtung angehort. Durzak verzichtete auf Vergleiche zwischen Hilsenrath und anderen Autoren, einschliefilich des von ihm in einem separaten Kapitel abgehandelten Gunter Grass. Er stellte fest, daB eine literarische Einordnung der Werke Hilsenraths 1979 verfrfiht sei, da sich "Vorstofie in Neuland .... erst retrospektiv vermessen und zu Tendenzen oder Trends verallgemeinern lassen"(98:S.477). Dennoch wfire auch schon 1979 das Argument angemessen gewesen, dafi Hilsenrath den nach 1945 proklamierten "Kahlschlag" seitens Literaten wie Wolfgang Borchert in die Praxis umsetzte. Da der "Kahlschlag" in der Modeme aber nur ein Konzept verblieb, lafit sich Hilsenrath nicht mehr in diese literarische Periode 166 einordnen. Stattdessen kontrastierte Durzak Der Nazi und der Frisor m it Die Asthetik des Widerstands. Er charakterisierte Weiss' Werk als die Wunsch-Autobiographie eines Autors, "der seine historische Identitat permanent in eine politisch-heilsgeschichtliche verwandeln will"(98:S.479). Weiss' aus auktorialer Vorstellungskraft und zur Wirklichkeitskorrektur geschaffene Gegengeschichte verflache, verglichen mit Hilsenraths erfundener Wahrheit, im besserwisserischen Optimismus einer didaktischen Parabel. Durzaks Folgerungen oblagen, anstatt einer Stil- und Formanalyse, der Wirkung von Hilsenraths Roman. Er konstatierte, wie Naumann, das Besondere dieses Werkes lage in einer Bestiirzung und Irritation, die den Leser "auf Abgriinde aufmerksam macht, die langst wieder zugeschiittet und verdrfingt scheinen"(98:S.479). Seine rezeptionsorientierten Betrachtimgen endeten mit dem Befund, dafi der schon an soziologischer ReprSsentanz mangelnde Berichterstatter bei Weiss, gemessen an der "proletarischen" Wandlungsfigur von Max, nur bei Intellektuellen auf Resonnanz stofie. Als Erzahler stellte Weifi seine Gedanken zum deutschen Faschismus in den Kontext seiner hoheren Bildung, die sich in Metaphern aus der gesamten westlichen literarischen Tradition ausdriickt. Hilsenraths Roman ist auch ohne umfassende Kenntnis dieser Tradition verstdndlich. Durzaks Erwagungen bestatigten Hilsenrath, was ihm insbesondere die jiingere Generation mit Nickel und Silberbach zugestanden hatte, namlich die erfolgreiche literarische Umsetzung seiner Absicht, d.h. die kollektive Bewufitseinsspaltung eines Kapitels deutscher Geschichte im Kern getroffen und einem breiten Publikum zuganglich gemacht zu haben. In 167 seiner Zusammenfassung machte Durzak nochmals auf die aus diesem Roman resultierende und mit anderen Werken nicht vergleichbare Betroffenheit aufmerksam: "Nicht die Vorbild-Gesten einer arrangierten Historie, sondem die aus der Wirklichkeit genommenen, in grotesker Uberzeichnung schmerzhaft bewuflt gemachten Verhaltensrituale setzen eine schockhafte Erkenntnis frei, an die eine 'Lehrbuch-Geschichte' im Stile von Weiss nie heranreichen kann"(98:S.479). 168

m FUI3N0TEN

1 In ihrer Rede anl&Blich der Verleihung des Heinrich-Boll-Preises 1986 sagte Elfriede Jelinek: "Wir sind nichts, wir sind nur, was wir scheinen"(384). 2 Diese Unterscheidung machte Bernard Malamud u.a. inThe Assistant, wo der Rabbiner uber den zum Judentum konvertierten Morris Bober sagt: "Yes, Morris Bober was to me a true Jew because he lived in the Jewish experience, which he remembered and with the Jewish heart. Maybe not to our formal tradition - for this I don’t excuse him - but he was true to the spirit of our life"(417:S.229). 3 Die Beschneidung, die das Andere im Verborgenen auch als Kastration symbolisiert, ist Sander Gilmans Studie The Hidden Language of the Jew entnommen. Hilde Marx' Begriff vom "Un-Helden" markiert ein weiteres Stereotyp, analog zur "Un-Gestalt" des beschnittenen Juden. Miras Korpermasse symbolisiert die Masse vieler Korper, d.h. derer, die in dem Massen-Grab lagen, dem sie entkam. Ihre EBsucht unterscheidet sich von Bulemie insofem, als dafi sie ihre Nahrung nicht erbricht. Damit setzt sie ihrer traumatischen Verlusterfahrung eine permanente "Einverleibung" entgegen. Ihr Korper fiingiert als sichtbare Verkorperung der unsichtbaren Toten. 4 Zur Figur des Pikaro und seiner Entwicklung in der Modeme s. auch Gero von Wilperts Bemerkungen (494:S.683f). 169

5 Nicht nur der Jude Itzig, sondem auch der Arier Max, sind Frisore und teilen die anriichige Tradition dieses "unehrlichen" Berufes, die sich aus der Stellung des vormaligen Baders und Hurenhausbesitzers ableitet. (Max/Itzig zeigt eine starke Anziehung zum Bordell). Femer wurde der Bader, ebenso wie der Henker, von der Heirat mit einer Biirgerstochter ausgeschlossen und auf dieselbe untere Gesellschaftsstufe gestellt. (Max, der Frisor wird zu Max, dem Henker). 6 Meine Darstellung der literarischen Verfahrensweise Hilsenraths beruht auf einer Analogiebildung zu den schriftstellerischen Intentionen Jelineks in Bezug auf ihre Darstellung von Mann und Frau, die Gabriele Presber iiberzeugend analysierte (439:S.144). 7 Agence France Presse, Informations Mondiales, (Paris, 29.10.1975): den ersten Preis gewann Roland Dubillard fur sein Gesamtwerk; LeNazi et le Barbier teilte den zweiten Platz mit Art Buchwalds Watergate et Cie. ® In seiner Stellungnahme argumentierte Braun, daiJ Henry Marx der "eigentliche Entdecker Hilsenraths fur Deutschland" sei. Femer wies er daraufhin, daJ3 die geringe Auflagenhohe vonNacht beweise, dal3 man das Werk von vomherein abgeschrieben hatte, "da sich grundsatzlich eine Relation zwischen Werbebemiihxmgen und Auflagenhohe herstellen la!3t"(78). 9 Darmstadter Jury-Mitglieder waren Editha Beckmann, Rudolf Goldschmit, Peter Hartling, Georg Hensel, Ernst Johann, , Rolf Michaelis, Winfried Sabais und Fritz Usinger. Am 5.1.1978 veroffentlichte die SUdwest Presse in Ulm ihre Bestsellerliste vom Voijahr. NebenDer Nazi und der Frisdr plazierten sich in der Belletristik Gunter Grass' Der Butt, Alex HaleysWurzeln, Gunter 170

WallrafFs Der Aufmacher, Christine Bruckners Nirgendwo ist Poenichen, B em t EngelmannsHotel Bilderberg, Ephraim Kishons Mein Freund Jossele und Loriots Wurn und Wendelin. Gemein ist diesen Veroffentlichungen eine dokumentarische oder satirische Sozialkritik, die die Folgen der Hitlerzeit verarbeitet. Schon am 4.11.1977 fuhrteder Spiegel Grass', Kishons und Bruckners o.a. Werke neben Der N azi und der Frisor auf seiner Bestsellerliste an. Am 11.8.1978 zeigen die drei Werke auf der SpiegeZ-Bestsellerliste keine Gemeinsamkeiten:Nacht , Johannes Mario Simmels "Wirtschafts-Wunder-Schelmen-Roman" Hurra wir leben noch und Martin Walsers Ein fliehendes Pferd. Forderungs- und Integrationsmafinahmen wurden von den Rechtsextremisten als privilegierte Behandlung dieser Minoritaten ausgelegt. Zur Eingliederungsmafinahmen fur Aussiedler s. die im Hinblick auf die Wiedervereinigung Deutschlands wieder besonders aufschlufireichen Beitrage von 1978 inAls Deutsche unter Deutschen leben (412). 12 Am 2.5.1978 berichtete die Siiddeutsche iiber eine JN- Kundgebung in Kamen, bei der die Polizei dafiir sorgte, dafi Neo-Nazis ungestort ihre Propaganda verbreiten konnten. Als die sozialistischen Falken in Unna mit einer Hitler-Karikatur auf die NS-Rennaissance aufinerksam machten, wurden sie vom Verfassungsschutz "wegen Verdachts der Verherrlichung von Nazi-Symbolen"(172) protokolliert. Am 17.3.1978 berichtete Die Tat, daB die Polizei die Beschwerde der NPD gegen die Lautsprecherpropaganda der CDU bei den Landtagswahlen in Unna mit stillem Einverstandnis registrierte, indem sie nur achselzuckend 171 davon Kenntnis nahm, da!3 der CDU das Elektrokabel durchgeschnitten wurde (84). Diese statistischen Erhebungen sowie ausgewahlte Beitrage zu den Konfliktzonen zwisehen Extremismus und Demokratie finden sich in Extremismus im demokratischen Rechtsstaat (361:S.579-585). 14 j)er betreffende Auszug aus dem Artikel 911, 2111,18GG lautet: "... statt unbeschrankter Toleranz das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien und Vereine und Verwirkung von Grundrechten im Falle ihres MiBbrauchs im Kampf gegen die freiheitHch-demokratische Grundordnung." 13 Angesichts meiner im Vordergrund dieser Arbeit stehenden Fallstudie liber Hilsenrath wird auf eine Diskussion liber die Entwicklung der Satire und ihre verschiedenen Definitionen verzichtet. Die folgenden Uberlegungen stiitzen sich auf ein Verstandnis von Satire als kunstlerischer Methode, das in der Forschung u.a. von Jurgen Brummack, Klaus Gerth und Jurgen Fritz erortert wird (326/360/363). 1® Nahere Ausfuhrungen zur Satire-Kritik von Lukacs und Adorno folgen an spaterer Stelle in diesem Kapitel; zur Gegenposition und ihrer ausfuhrlichen Darstellimg vgl. Jurgen BrummacksZu Begriff und Theorie der Satire (326). 17 Kurt Tucholsky: "Satire hat auch eine Grenze nach unten. In Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Machte. Es lohnt nicht - so tief kann man nicht schieJ3en"(485:S.49). Karl Kraus inDie Fackel , Oktober 1933, zitiert nach Ruth Greuner: "Ich bleibe stumm, und sage nicht, warum;" und "Zu Hitler M it mir nichts ein"(373:S.321). Heinrich Mann sah nach den Vorbehalten des literarischen Beirats vonE l Libro 172

Libre davon ab, weitere Verbreitung fur sein WerkLidice zu suchen (419:S.99). Charly Chaplin schrieb in seiner Autobiographie, er hatteThe Great Dictator nie zustande bringen konnen, wenn er 1940 bereits das AusmaB der Nazi-Greuel gekannt hStte (333:S.366). 18 Diese Beobachtung wurde aus Uwe Naumanns Studie ubemommen, in der Die Gewehre der Frau Carrar als Brechts erganzende, unsatirische Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus im Unterschied zu Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui, Dreigroschenroman und Die Rundkdpfe und die Spitzkdpfe hervorgehoben wird. 19 Naumann stellte fest, daB sich Satire und Groteske nur auf der analytischen Ebene trennen lassen, wahrend ihre Grenzen in der literarischen Praxis verschwimmen (432:S.32). NShere Ausfuhrungen zur Funktion des Grotesken finden sich u.a. bei Carl Pietzcker (437:S.85-102). 20 James Baldwin, nach der Obszonitat in seinen Werken befragt, erklarte Raddatz: "... Sie haben mir vom ’alltaglichen Faschismus'... erzShlt... Glauben Sie denn, das macht vor irgendeinem Lebensbereich, auch dem intimsten halt? In meinem Werk gibt es keine Obszonitat”(441:S. 120). 21 Friedrich Torberg bemerkte im Epilog vonTante Jolesch, daB ein bestimmter Lebensstil einschlieBlich des Vollzugs seines Untergangs "in keiner anderen Form so schliissig zu erfassen ist wie in der anekdotischen"(479:S.267). Als satirische Kurzform spielt auch die Anekdote, wie Der Nazi und der Frisor mit "historischen Moglichkeiten," in denen sich ihre gesellschaftskritische Pointierung manifestiert (494:S.27). 173

22 Eine aufschlufireiche, kritische Auseinandersetzung zur satirischen BegrifFsbildung bei Adorno und Lukacs liefert Ludger Claflen (336). Dolf Oehler halt Adorno entgegen, der schwarze Humor "ist kein Verfallssymptom, er ist dialektisches Unterpfand des Prinzips HoShung"(434:158). Er tragt mit dieser Anschauimg zum VerstSndnis von Nacht als einem hoffnungsvollen Roman bei. 23 Neben Clafien bietet Manfred Schneider eine detaillierte Untersuchung fiber Adornos These (458:S,280f). 24 Michael Naumann setzt sich in Der Abbau einer verkehrten “Welt (431) mit einem differenzierten Satirekonzept auseinander, im Unterschied zu Klaus Lazarowicz' Studie Verkehrte Welt (403). Negativitat und Positivitat in der Satire werden von Wolfgang Preisendanz in seinem Aufsatz Das Komische aufgeschliisselt (438:S.413-416). 25 Clal3ens Begriff des Spiegelkabinetts und der kaleidoskophaften Optik (336:S.157) im Unterschied zur "doppelten Optik," die Eberhard Lammert in Thomas Manns fruher Erzahlkunst nachweist, bietet sich insbesondere fur Der Nazi und der Frisor an. 26 Die erzahlstrategische Bedeutung des Romans fur die Satire im Unterschied zu satirischen Kurzformen wird u.a. von Kurt Wolfel in Epische und satirische Welt (496:S.85-98) erklart. 27 Hilsenraths Protest £LuI3ert sich in einer zertnimmerten Sprache, die die Zertriimmerung seiner Kultur durch den Nationalsozialismus spiegelt. Exilautoren hingegen konnten die Sprache bewahren, weil sie, im Unterschied zu Hilsenrath, vom Holocaust unbeschadet blieben. Hilsenraths personliche Erfahrung manifestiert sich, wie bei Claude 174

Lanzmann (301:S.255) in einer 'beschadigten' Sprache im Vergleich zu Canettis 'heiler' Sprache. KAPITEL IV SCHLUBBETRACHTUNGEN

Wfihrend der achtziger Jahre befaBten sich vier Literaturwissenschaftler in Deutschland, Kanada und den U.S.A. eingehend mit den beiden ersten Romanen Hilsenraths. 1 Peter Stenberg untersuchte Stil und pholosophischeB Konzept Hilsenraths im Kontext deutscher Holocaustliteraten (263). Dagmar Lorenz stellte den Autor in den Rahmen dreier Generationen, die den Holocaust iiberlebten (187). Sander Gilman untersuchte vomehmlich den Sprachgestus der Werke (127), und Andreas Graf widmete sich einem Motiwergleich zwischen N acht und Gunter Grass’ Das Treffen in Telgte (133).

IV. 1. Kritik der achtziger Jahre Graf nahm die Beobachtung Christoph Siegers auf, der 1987 in seinen Anmerkungen zu Das Treffen in Telgte feststellte, daB N a ch t bereits 1979 eine konkrete Prfisenz im deutschen literarischen Schaffen verzeichnen konnte (370:S.288). Sieger wies allgemein auf Grass' Wiederaufbereitung von Hilsenraths Beschreibung zweier treibender Leichen im Dnjestr hin. 1989 setzte sich Graf mit den einzelnen Vergleichspunkten auseinander und konstatierte, daB Grass den Namen des Beobachters dieser Szene, Ranek, gegen Zesen und den Dnjestr gegen die Ems austauschte. Grass verwandelte die Szene kaum,

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gab ihr jedoch durch den unterschiedlichen Charakter seines Beobachters eine andere Bedeutung als inN acht. Zesens Reaktion beim Anblick der Leichen offenbart den Unterschied zwischen Hilsenraths ■und Grass' literarischem BewuBtsein: "Weil von Sprache bedrSngt, blieb ihm nicht Zeit sich zu entsetzen"(370:S.37). Zesens Reaktion weist zuriick auf Grass, der das Entsetzen mittels idyllischer Beschreibung, "Weidengeschling, Miihlenwehr, Strudel" usw. verdrdngt. Auf diese Weise zieht er den Leser im Bann seiner von Graf als "artifizielle Details" bezeichneten Worte mit sich fort. Hilsenrath aber erlaubt Ranek, indem er ihn vom Hunger bedrdngen laBt, keine Zeit sich zu entsetzen. Auf diese Weise weist Hilsenrath vorwSrts auf ein auch dem Leser vorstellbares Empfinden. Wahrend bei Grass das Entsetzen der Sprache weicht, weicht bei Hilsenrath die Sprache dem Entsetzen,

visuell und de facto in der sich anschlieBenden Leerzeile.2 Die Liicken in der Realitat und in der Dichtung werden nicht mehr durch den Autor allein gefullt. Der Leser erganzt die fiktive der Welt der Figuren und die reale Welt des Chronisten und stellt so einen individuellen Gegenwartsbezug des Textes her (471:S.258f). Die Seinsbereiche von Erzdhler und Protagonisten konnen nicht mehr voneinander abgegrenzt werden, da der Leser beim Eintritt in den Text diese Grenzen aufhebt. Grafs Uberzeugung, in Das Treffen von Telgte stiinde Betroffenheit als "imausgesprochenes Paradigma zwischen alien Zeilen dieser Erzfihlung"(133:S.282), mu/3 hinzugefiigt werden, daB solche Betroffenheit in N a ch t paradoxerweise durch die Abwesenheit der Sprache ausgesprochen wird. Sie kontrastiert mit Raddatz’ SprachverstSndnis, dem, Grafs treffender Beobachtung zufolge, Grass 177

gerecht wird: "Im 'gesteigerten Zesen1 meint man die Grass selbst immer wieder attestierte ’Wortm&chtigkeit' mitschwingen zu horen"(133:S.292). Was Graf als das Dilemma eines jeden Schriftstellers beschreibt, daB die Distanz des in Worte gefaBten Erlebens dessen sinnliche Unmittelbarkeit diskriminiere, wird von Hilsenrath uberwunden. Bei Grass und Hilsenrath stehen sich Macht und Ohnmacht der Sprache gegeniiber. Wahrend Grass sie als "ubliche Ohnmacht der Literaten"(370:S.71) bezeichnet, sieht Hilsenrath in eben dieser Ohnmacht das Potential fur Verstandigung. Deshalb waren selbst Rezensenten mit unterschiedlichsten Genre-Auffassungen und literatur-analytischen Kriterien angesichts der historischen und biographischen Realitdt inN acht peinlich betroffen. Hilsenrath ironisiert einen Teil 'jiidischen' BewuBtseins, den Verlust der kommunikativen Ffihigkeiten in einer abwehrenden Umwelt, der z.B. in The Painted Bird dargelegt wird. Fur diesen Kommunikationsverlust ist Mira beispielhaft, wie Gilman argumentiert. Doch Gilman iibersch&tzt die Funktion von Mira, die nur eine Randfigur ist. Dem Topos des Kommunikationsverslustes stellt er mit Hanna, einer weiteren Randfigur, den "Metamorphose-Topos” zur Seite. Doch das literarische Erbe jiidischer Dichtung wird qu a si am Rande erwahnt, w&hrend seine Bedeutung im Zentrum, d.h. mit der Hauptfigur, umgedeutet wird. Gilmans These, "Sprachfdhigkeit ist ein Kennzeichen des Feindes, nicht des Opfers"(127:S.291), verliert dadurch keineswegs an Berechtigung. Der Gegensatz zwischen Mira und Max beweist dies ebenso wie die unterschiedliche Sprachverwendung bei Grass und Hilsenrath. Hilsenrath kehrt Sprachohnmacht und 178

Sprachr eduktion als Zeichen der 'jiidischen' Kommunikationsunfahigkeit gegen sich selbst, so dafi aus ihnen eine Ausdrucksmacht erwachst, die in N a c h t den Mythos von der "Opfersprache" ironisiert, in Der Nazi und der Frisor aber den Mythos der Tatersprache zur Groteske macht. Ahnlich wirkten die Interviews in Claude Lanzmanns Film Shoah, zu denen Ruth Angress bemerkte: "it [Shoah] focuses on what matters by speaking unremittingly about what the myth-makers call the 'unspeakable'"(301:S.254). Die Nazis hingegen legen in dem Film Zeugnis ab, inwieweit sie mittels Verallgemeinerungen und techno-burokratischem Vokabular ihre Beteiligung am Mord bagatellisieren. Der Nazi Verbrecher, so Angress, "the detached perpetrator, ... is too shallow to have regrets, so that there is an unbridgeable chasm between the deed and the doer, the enormity of the crime and the banality of the criminal"(301:S.257). Die 1981 von Grass an Siegfried Lenz gerichtete Erklarung liber den literarischen Schaffensprozefi sieht wie eine zusammenfassende Wiederaufbereitung vonN ach t aus: "Wir haben es ja in jedem Fall, ob das nun unmittelbar erlebte Vergangenheit ist oder ob es lfinger zuriickliegende Prozesse sind, mit Gerollhalden zu tun, die das eine und das andere verdecken. Und so ist das Erinnern auch immer ein Wegraumen von Gerollhalden"(371:S.257). Grass vertauschte Hilsenraths Schlamm und das Waten durch den Morast der Erinnerung als Entschlickungsproze/3 mit dem Bild des Schutts. Seine Metapher deutet auf ein unterschiedliches Konzept von Geschichte. Fur Hilsenrath besteht Geschichte nicht aus "faBbaren Brocken" sondem aus einer zahfliissigen Substanz, die ihren Ausdruck in der Ambivalenz 179 seiner Werke findet.^ Auf grand dieser Ambivalenz mufi Grafs These, Hilsenraths Literaturkonzept sei im Existentialismus verankert, widersprochen werden. Sein Argument "Trost- und HofFnungslosigkeit jeder einzelnen Existenz werden zum Bild der Sinnlosigkeit von Existenz uberhaupt"(133:S.289), enthebt N a c h t dem ihm immanenten historischen Kontext. Hilsenrath besteht darauf, dafi N acht e in "hoffnungsvolles" Werk ist. Er stellt nicht die "Sinnlosigkeit von Existenz uberhaupt," sondern die Sinnlosigkeit einer bestimmten Existenz unter dem Nazi-Regime dar, d.h. Sinn und Sinnlosigkeit sind soziale Produkte. Die durch die Flufiszene evoziierte Betroffenheit beim Leser bliebe aus, wenn sich ihre Bedeutung mit Grafs Interpretation "Trost bietet Ranek erst der Tod"(133:S.289), erschopffce. Ranek reflektiert nicht dariiber zu sterben, sondern sinnt darauf, seinen Hunger zu stillen um zu iiberleben. Raneks todlicher Hunger und der Liebeshunger der beiden Toten ("haschen, einholen, stofien") veranschaulichen die Interdependenz von Schein und Sein als Leben im Tod und Tod im Leben. Wahrend Graf einerseits treffend beobachtete, die Zeit des Erzahlens "gerinnt in vorliegendem Fall [dasTreffen in Telgte] zum literarischen Bild"(133:S.290), entgeht ihm andererseits, dafi die Zeit des Erzdhlens in N a ch t in einem literarischen Bild zerrinnt. Um seinen existentialistischen Befund iiber Hilsenrath zu untermauem, zog Graf Parallelen zwischen Albert Camus’ D ie P est und N a c h t: "Die verzweifelte Situation der Menschen in einer abgeriegelten Stadt, das schicksalhaft iiber sie hereinbrechende Unheil ... und die Verzweiflungstaten der hilflos zum Tode Verurteilten geraten beide 180

Male zu einer Modellsituation menschlicher Bedrangnis"(133:S.290). Grafs Vergleich gerSt zur Mythisierung des Nazi-Systems als einer plotzlichen Krankheit. Lorenz untersuchte die unterschiedliche Art und Weise in welcher der Holocaust die Werke von Hilsenrath, Jurek Becker und Nadja Seelich beeinflufite. Sie reprSsentieren im Altersabstand von ungefahr zehn Jahren drei Generationen unter dem unmittelbaren bzw. mittelbaren Einflufi der Nazi-Verfolgung. In ihrer Interpretation von N acht richtete sich auch Lorenz gegen die Meinung, der Roman sei aufgrund seiner "Sex-Szenen" abzulehnen: "... the sex-related occurrences are seen as trivial compared with mass murder"(187:S.81). Lorenz wies daraufhin, dafi die Austauschbarkeit der Individuen bereits in N a ch t ein Zentralthema darstellt, das in Der Nazi und der FrisSr tiberspitzt fortgesetzt wird. Sie nahm den Gedanken auf, dafi die Juden nicht etwa als Untermenschen dargestellt werden, sondern auf diesen Stand von einem System reduziert wurden, dessen Anhanger sich durch vollig ausgehungerte und heruntergekommene Juden in ihrem Herrenmenschenbewufitsein bestatigten. Lorenz charakterisierte Der Nazi und der Frisdr als eine Satire auf parallele Biographien in der realistischen Tradition des neunzehnten Jahrhunderts. Sie verwarf Vergleiche mit D ie Blechtrommel und wies daraufhin, dafi jeder Versuch einer Polarisierung bei Hilsenrath erfolglos bleibt, denn: "There is nothing monolithic about past and present"(187:S.83). Der Standpunkt, Brutalitat erzeuge Brutalitat, wie er u.a. von Wissenschaftlern der Frankfurter Schule vertreten wird, unterliegt einem Ursache- imd Wirkungsprinzip, 181 das Hilsenrath als simplifiziertes Schemadenken bloBstellt. Max, der seine Gewalttaten durch die an ihm begangene Vergewaltigung zu begrunden sucht, wird durch Figuren wie Mira, Richter, Hanna und andere widerlegt. In N acht sind Raneks Monologe, in denen er fur das gewaltsame Durchsetzungsvermogen pladiert, gleichzeitig von Zweifeln durchsetzt, denen Debora Validitat verleiht. Ein Roman, der wie D er Nazi und der Frisor, die Faschismusdebatte, anti-jiidische Literatur des neunzehnten Jahrhunderts und zeitgenossische Werke als Gegenstande einer Satire einbezieht, stoBt in literturwissenschaftlichen Kreisen auf geteilten Zuspruch. Aufgrunddessen, urteilte Lorenz wie Katherine Monk, wurde der Roman zu einem "underground success" in Deutschland. Im Gegensatz zu Graf, der das Dilemma des Schriftstellers darin sah, dafi die Distanz des in Worte gefaflten Erlebten dessen sinnliche Unmittelbarkeit diskriminiere, urteilte Stenberg, daB es die fehlende Distanz zum Erlebten ist, durch die alles Sinnliche nur indirekt wirkt. Er stellte fest, die judischen Schriftsteller deutscher Sprache "had failed to find a successful imaginative form to inform the German public of the dimensions of the catastrophe for both the German and Jewish cultures"(263:S.277). Er untersuchte, inwieweit Autoren durch die Holocausterfahrung derart schockiert sind, daB sie die Thematik nicht mit den ihnen sonst verfugbaren literarischen Mitteln von Perspektive, Ironie, Sarkasmus und Melodrama bearbeiten. Seiner Ansicht nach verhindert die Unmittelbarkeit des Erlebten bei den meisten deutsch- judischen Holocaustschriftstellem jene Distanz, mittels derer sich die 182

Nazi-Greuel anders ale vom Standpunkt moralischer Emporung und personlicher Bindung darstellen lassen.4 Stenberg beobachtete, daB Autoren der jiddischen Sprache bei der Verarbeitung der Holocaustthematik zugute kommt, daB sie sich ausschlieBlich an ein Publikum wenden, das direkt oder indirekt betroffen ist. Die Kommunikation zwischen deutsch-jiidischem Autor und Leser aber scheitert, wenn er die Thematik in der Sprache der Tater behandelt. Als Beispiel nannte Stenberg u.a. Canetti, der in D ie B lendung nicht imstande gewesen sei, den Holocaust fiktiv zu erfassen. Stenberg benicksichtigte nicht, daB das Werk bereits 1936 veroffentlicht wurde, und der Holocaust noch nicht riickblickend dargestellt werden konnte. Er meinte, in Die Blendung und Churban oder die unfafibare G ew iph eit vertrauten weder Canetti noch Sperber ihrer Imagination sondern ihrer Logik, die sich in ihrer essayistischen Form manifestiere. Sperber schrieb das Manuskript urspriinglich auf franzosisch. In seiner SchluBbemerkung unterstrich er den Umstand, daB ihn erst der zeitliche Abstand von 34 Jahren befahigte, die Tater mit einer Analyse ihrer Verbrechen in ihrer und seiner eigenen Sprache zu konfrontieren (468:S.63). Leicht abgeandert reflektierte er Deboras Antwort auf den "verfiihrerischen Rat 'LaBt die Toten die Toten begraben'"(l:456). Wahrend fur Debora das Vergessen unvorstellbar ist, ist fur Sperber das Vergessen mit seinem Judesein unvereinbar. Stenberg fuhr mit einer Untersuchung fiber All das Vergangene und Wie eine Trdne im Ozean fo r t. Letzteres Werk ist weniger essayistisch, weil Sperber hier autobiographische Details verarbeitete. Dennoch gestattet er dem Leser, 183 im Vergleich zu Hilsenrath nie einen direkten Einblick in die Judentransporte und Konzentrationslager bzw. Gettos. Charakterraerkmale der zeitgenossischen Holocaustliteratur sind Stenbergs Ansicht nach "the description of that brutality in naturalistic terms ... and ... idealized heroism or sentimentality to counter the bleakness"(263:S.280). Diese Art der Beschreibung kann sich einerseits "physisch," wie in Friedrich Torbergs Mein ist die Rache oder "psychisch," wie in Peter Weiss' Die Ermittlung manifestieren und schlieBt eine satirische, ironische und/oder fantastische Behandlung aus. Weiss' Gerichtssaal, ein Mikrokosmos des Holocaust, erscheint als ein ebenso artifizielles Konstrukt wie die "exilierte" Rahmenerz&hlung Torbergs. Weiss muB sich dieses Mangels bewuBt gewesen sein, denn er versuchte ihm 1980 in der Auffiihrung seines Stuckes an der Berliner Volksbiihne mit makabren audio-visuellen EfFekten entgegenzuwirken. Er stieB, wie Tabori mit K a n n ib a le n , auf die Kritik der judischen Gemeinde und erregte, wie Hilsenrath, den Zorn der Neo-Nazis (424/449). Stenberg erfaBte erstmalig, daB die wenigen Autoren, die die Satire w&hlten, sich nicht direkt mit dem Holocaust, sondern mit Shnlich vernichtenden Aspekten des Nazi-Regimes befaflten. Als Beispiele fiiihrte er Gunter Grass’ Die Blechtrommel, Jerzy Kosinskis The Painted Bird, Emil Kniezas Jankel Tannenbaums Kompanie und Mel Brooks’ Film The Producers sowie Jakov MenzelsClosely Watched T r a in s an. Selbst schweizer Autoren vermieden die satirische Darstellung des Holocaust. Weder Dtirrenmatt noch Frisch waren Stenbergs Ansicht nach in der Lage, iiber die allegorische 184

Auseinandersetzung hinaus, einen "literarischen Freiraum" zu schaffen, in dem sie den Holocaust mit Elementen der Satire bemessen konnten. Stenbergs Argument zufolge, daB zeitliche Distanz diesen Freiraum schaffe, hdtten die von ihm zitierten zeitgenossischen Autoren inzwischen, d.h. zwanzig, dreiBig, vierzig Jahre spater zu einer ironischen, absurden oder satirischen Darstellung finden konnen. Auch Hilsenrath beniitigte fast zwanzig Jahre, um den gelegentlichen schwarzen Humor in N acht in eine vollkommene Satire zu entwickeln. Stenberg hielt Hilsenraths Ironie fur das Ergebnis seines Amerikaaufenthalts, literarisch gepragt durch Singer. DochN a c h t wurde bereits in Frankreich begonnen und Singers Ironie und Hilsenraths Satire sind zwei verschiedene Formen literarischer Darstellung. Femer steht Hilsenraths Satire nicht unter dem Einflufi eines einzelnen deutsch-gallizischen Schriftstellers, sondern entstammt der Tradition deutsch-gallizischer Juden insgesamt. Stenbergs Bezeichnung der Werke Hilsenraths als "novels of destruction" im Vergleich zu Singers "tales of survival" (263:S.282), ist gleichfalls verfehlt, da wichtige Gestalten, z.B. die Protagonisten vonSchoscha, nicht uberleben. Im Widerspruch zu dieser Charakterisierung konzentrierte Stenberg seine Analyse auf das Uberleben in N ach t. Er machte auf den Kontrast zwischen der systematischen Exekution in Konzentrationslagern und das darwinistischen Prinzipien folgende Ausrottungsverfahren in den Gettos aufmerksam. Das Getto als Handlungsort ermoglicht Hilsenrath den "Uberlebenstest" gelegentlich mit schwarzem Humor zu unterlegen, der sich aus der willkiirlichen Unordnung des Uberlebens und Sterbens ergibt. Ferner, und dieser 185

Gedanke wurde einzig von Stenberg artikuliert, befand sich Hilsenrath im Gegensatz zu Singer in Transnistrien als deutscher Jude unter den rumSnischen Juden in der Minderheit. Stenberg folgerte, daB Hilsenrath, unter den Juden Bessarabiens ein AuBenseiter, der die gefuhlsmaBige Bindung an ihre Heimat kaum oder nur begrenzt teilte, die Portratstudien in N a ch t durch eine gewisse "Unverbundenheit" erleichtert wurden. Stenberg bemerkte, daB der Homan, indem er als Getto-Roman klassifiziert wurde, den Leserkreis verengte. Ungelesen wurdeN ach t durch diese oberflachliche Einstufung fur eine naturalistische Beschreibung oder ein Melodrama gehalten. Das Niemandsland der rumanisch besetzten Ukraine hingegen, argumentierte Stenberg, biete einen der "science fiction world" Shnlichen Handlungsrahmen, ganz anders als in den sogenannten Getto-Romanen (263:S.284).5 In dieser Umgebung, fuhr er fort, kann sich die spezifisch jiidische Selbstironie im Hinblick auf das Akzeptieren einer der Willkiir entstammenden menschlichen Tragik besser entfalten als in der StacheldrahtumzSunten Ordnung biirokrati scher Vernichtungsmechanik: "The very anarchy of the rules of the game of survival allows Transnistria to take on the image of an absurd berserk world rather than the form of a unique concentrated evil, which arises from the descriptions of everyday life in the German concentration camps"(263:S.285). Die lokale Verschiebung findet ihr Pendant in der perspektivischen VerSnderung des Inhalts. Wdhrend Hilsenrath die Tater schemenhaft in den Hintergrund ruckt, konzentriert er im Vordergrund die Masse der Opfer. Diese Ballung erlaubt ihm, die Opfer 186

in ihrer Komplexitat darzustellen, anstatt die in der Holocaustliteratur dominante Dichotomie zwischen gut und bose zu wiederholen. Wahrend die Tater in N a ch t zwar prdsent, aber nicht physisch sichtbar sind, nimmt einer von ihnen in Der Nazi und der Frisdr detaillierte Gestalt an. Es ist anzunehmen, daB nicht nur der zeitliche Abstand sondern auch, analog zu Transnistrien, Hilsenraths kulturelle Unverbundenheit mit Israel ihm die zur Satire gehorende Distanz verschafften. Stenberg sah die unbestreitbare Ahnlichkeit zwischen Ranek und Max im Willen zu uberleben, der bei Max uberdies mit dem Willen zur Selbstbestatigung verkniipft ist. Dabei verfiel Stenberg dem Irrtum, Max sei eine pikareske Figur. Dennoch verstand er nicht nur N ach t sondern auch Der Nazi und der Frisdr als einen Roman, der sich nicht nur auf die Judenverfolgung der Nazis beschr&nkt. Zum Beweis fuhrte er die groteske und dennoch historische Variante an, in der der Antisemitismus angesichts der Numerierung der Frisorstuhle mit dem Finger auf sich selbst zeigt. Die SchluBfolgerungen Stenbergs sind problematisch. Er verkannte Max, indem er ihn fur einen masochistisch-schizophrenen Protagonisten hielt, der in sich das Erbe zweier Metamorphosen vereint: Kafkas Gregor Samsa (Kafer) und Bruno Schulz' Vater (Vogel). Stenberg interpretierte die Herzverpflanzung als psychologische Vollendung von Max' physischer Verwandlung. Gregor, der Vater und Max sind seiner Ansicht nach gleichermaBen burlesk und d&monisch. Stenberg iibersah, daB Hilsenrath der traditionellen Form der Metamorphose eine neue und wiederum verdrehte Sinngebung verleiht. Hilsenrath manipuliert dieses verfugbare Versatzstiick, das in der judischen 187

Tradition zum Ausdruck des Leidens, innerer Reflektion, und des Krepierens wurde. Max hat die Wahl, wahrend bei Kafka und Schulz das Judesein die Moglichkeit der freien Wahl ausschlieBt.® Zudem fuhrt das Herz des Rabbiners zu keiner inneren Reflektion und dient auch nicht der Verwandlung sondern dem Uberleben von Max. Der Topos des "judischen Leidens" wird von Hilsenrath ironisiert und nicht kritiklos eingearbeitet. Dafur spricht auch sein Portrat von Hanna, das viel deutlichere AnklSnge an diese literarische Tradition zeigt, z.B. als Hanna sich einbildet, sie sei ein Vogel und aus dem Fenster fliegt. 1988 versuchte Sander Gilman das Verhaltnis von Juden und Deutschen "und spezifisch jiidische Themen wie z.B. das der 'richtigen' Sprache' exemplarisch aus den Werken Beckers, Grass' und Hilsenraths abzuleiten. Gilman wiederholte sein historisch fundiertes Postulat in Jewish Self-Hatred , dafi der Antisemitisimus den Juden eine "korrumpierte und korrumpierende Sprache" unterstellt (365). Dieser Umstand wirke sich nicht nur auf die Darstellung jiidischer Figuren sei tens nicht-jiidischer Autoren aus, sondern werde zumeist nicht unbewuflt aber unkritisch auch von judischen Autoren reflektiert. Eine bewufite Thematisierung der 'judischen* Sprache fande, so Gilman, bei Becker und Hilsenrath statt und spiele bei beiden intertextuell eine "entscheidende" Rolle. Jedoch liegt ihre Besonderheit in der personlichen Uberzeugung Hilsenraths begriindet, der die Sprache der Opfer auch zur Sprache der Tater werden lS8t, ein Kunstgriff, der fur Celan und Sperber zum Dilemma wurde. Wie Stenberg, sah Gilman inDer Nazi und der Frisor Hilsenraths Antwort auf Grass’ Hundejahre. Die Argumente beider Kritiker 188 bediirfen einer Erweiterung. Anselm, der beweisen muB, daB er kein Jude ist, und sich einer kodierten, d.h. artifiziellen Sprache bedient, ist bei Grass de facto ein Jude. Max, der beweisen will, daB er kein Jude ist, und sich einer 'judischen,' d.h. artifiziellen Sprache bedient, ist bei Hilsenrath de facto ein Nazi. Weder Anselm noch Max kommunizieren, wenn sie ihre Geheimsprache, bzw. auch jiddisch sprechen, in ihrer eigenen Sprache. Indem Grass Anselm die Worte ruckwarts buchstabieren lfiBt, imitiert er von rechts nach links die semitische Schriftsprache und dupliziert die Vorstellung der Geheimsprache des Juden als Ausdruck einer "ruckwartigen," d.h. minderwertigen Kultur. Hilsenrath entlarvt die Vorstellung einer 'judischen' Sprache, weil von einem Nazi duplizierbar, als artifiziell. Doch der Aspekt der 'judischen' Sprache spielt in Der Nazi und der Fris&r keine "entscheidende" Rolle. Der sprachliche Aspekt ist gleichgestellt mit alien anderen Arten jiidischer Stereotypisierung, die in ihrer Gesamtheit in Frage gestellt, umgekehrt und wiederum in Frage gestellt werden. Gilman untersuchte zum Vergleich auch den Homan Jakob der L ilg n e r und wies nach, daB Becker bewuBt versuchte, den Zusammenhang zwischen dem Stereotyp der 'judischen' Sprache und dem Stereotyp des 'liigenden' Juden aufzuzeigen und zu durchbrechen. Hier bietet sich ein Vergleich mitN acht an, auf den Gilman verzichtete, vermutlich, weil dieser Homan nicht die Kriterien aufweist, an denen Gilman die 'jiidische' Sprache bemiBt. Hilsenrath erteilte gerade in diesem Roman der Sprache eine entscheidende Rolle. Wie Jakob, so liigt auch Ranek um zu uberleben. Beide werden durch die Macht der Umstande zur "Schaffung eines fast normalen Moments durch Liigen 189

in einer Welt, die verriickt geworden ist"(127:S.279), gezwungen. Doch wfihrend Jakob mit dem "Lokalkolorit" des Lodzer Gettos spricht, fehlt Ranek jegliche 'jiidische' Sprachfarbung. Dennoch erregt seine Sprache Aufsehen bei judischen und nicht-jiidischen Lesem. Hilsenrath erreicht diesen EfFekt, indem er die 'deutsche' Sprache, ihr Vokabular und ihre Syntax auf ein Minimum reduziert. Auf diese Weise senkt er den Status der status quo Sprache Deutsch und schafft zur 'minderwertigen' Sprache der Opfer ein Aquivalent, das sowohl die Sprache der Opfer als auch der Tater ist. Hilsenrath weist den Partikularismus einer religiosen, physischen, psychischen und sprachlichen Identifikation als deutscher Jude zurtick. Durch die Art und Weise, in welcher er die Andersartigkeit thematisiert, stellt er sich wiederum in diese Tradition. Juden sind fur Hilsenrath, was sie laut Gilman auch bei Becker sind, namlich "eine Erfindung derer, die diejenigen, die als Juden etikettiert werden, zu Opfem machen wollen"(127:S.285). Ranek beweist, dafi seine Reaktionen auf die korrupte Gettowelt nicht sein 'Jiidischsein' sondern sein 'Menschsein' zeigen, dem auch der Tater innewohnt. Max Schulz beweist dies, als er sich, nachdem er sich als Jude "etikettiert" hat, ebenfalls als Opfer identifiziert, - Opfer einer Kinderschandung und der Nazipropaganda. Erstere riistete ihn mit der Ausflucht er habe einen Dachschaden, letztere mit der aller Priigelknaben auf dem Olberg: "Ich war kein Antisemit. Ich bin nie einer gewesen. Ich habe bloB mitgemacht"(2:S.223). Wahrend Becker in D er Boxer die Vorstellung vom Anderssein nur begrenzt ironisiert, wird sie bei Hilsenrath inD er Nazi und der Frisor zur beiBenden Satire. Sie gestattet ihm, den Welten 190 des Scheme und Seine, - die Becker in Protagonieten, die scheinen, was sie nicht sind und solchen, die scheinen, was sie sind, einf&ngt,- auch die dritte Komponente, sie scheinen nicht, was sie sind, hinzuzufugen (312). ^ Damit erschopft Hilsenrath alle perspektivischen Darstellungsmoglichkeiten und erweitert die Skala an Verkehrungen und Vermischungen. Grass entwickelt lediglich eine einfache Umkehrung der negativen jiidischen Stereotypen. Gilman urteilte deshalb zurecht, da/i Grass ihr genaues Gegenbild bemitzt und dabei die Stereotypen aufrecht erh<, - nur unter positivem Vorzeichen (127:S.292). In Syllogismen, die hypothetisch oder konditional die komplexen Voraussetzungen des Romans bilden, zeigt Hilsenrath nicht nur die Gegensfitze in der Welt, die voneinander abgetrennt, zueinander in unaufhebbarem Widerspruch stehen, w&hrend sie einander gleichzeitig bedingen. Das formulierte und akzeptierte VerstSndnis von "jiidisch" und "arisch" bedingt EinwSnde, die die Best&tigung eines dritten Verstandnisses erfordert: "menschlich." Da es sich, Hilsenraths Vorgehensweise folgend, um ein "menschlich" handelt, das nicht aus zwei sich bedingenden Gegensatzen sondern einer kongruenten Einheit besteht, ergeben sich entweder neue Definitionen fur "jiidisch" und "arisch," oder aber sie werden als Konzepte ad absurdum gefuhrt. Die Trennungslinien zwischen wirklichem und scheinbaren Anderssein werden gezogen, indem die Trennungslinien zwischen Wirklichkeit und Schein aufgehoben werden. Obwohl auf diese Weise Gemeinsamkeiten entwickelt werden, geschieht dies nicht auf Kosten der Unterschiede. Es ist gerade der Unterschied, der von Hilsenrath als PhSnomen der 191

Gemeinsamkeit, bzw. als verbindendes Ph&nomen dargestellt wird. Gilman beobachtete, daft Hilsenrath nicht nur sein Selbstverst&ndnis sondem auch das Verst&ndnis vom Judenper se problematisiert, d.h. "nicht nur als Problem fur die Juden in Deutschland und den Vereinigten Staaten sondem auch fur ihre Peiniger"(127:S.288). Am Ende seines Artikels legte Gilman nahe, daft Hilsenrath der Stereotypisierung einer 'judischen' Sprache inDer Nazi und der Frisor letztlich damit begegnet, daft Max im Augenblick des Todes jenseits der Sprache steht (127:S.291). Der Roman selber spricht dagegen. In der letzten Zeile der deutschen Veroffentlichung gibt Max sich Antwort auf die Frage, wohin er in Gedanken fliegt. In der letzten Zeile der amerikanischen Ausgabe stellt Max eine Frage, die unbeantwortet bleibt. Ferner ist der Tatbestand, Max sttirbe an einem Schlaganfall, keineswegs eindeutig sondern "scheindeutig." Max wird von Richter angekiindigt, daft er die Angst der Ermordeten auf ewig zu durchleiden habe, doch das wiirde ihn, als Leidenden in die wirkliche, anstatt die adoptierte Rolle des Opfers versetzen. In der Originalfassung tritt diese Problematik umso deutlicher zutage. Die von Richter verkiindete Strafe wird durch einen unentschlossenen Gott aufgehoben. Da Max kein Opfer ist, verliert er die Sprache nicht sondem beh< das letzte Wort. Gilman stellte dar, daft Hilsenrath "zunachst dem akzeptierten Bild des Juden, wie es z.B. in den Werken von Grass vorkommt," entgegenwirken mufite (127:S.292). In dem Bemuhen ein Bild zu schaffen, das seinem Selbstverstandnis entspricht und die scheinbar widerspriichliche Identitat des Juden, Deutschen und Literaten adaquat reflektiert, wurde ihm, laut Gilman, innerhalb seiner kulturellen Welt 192 in Deutschland der Status als Jude verweigert. Die Rezensionen verbiirgen allerdings fur einen anderen Eindruck. Immer wieder betonten die Kritiker, da/3 Hilsenrath jiidisch ist, um in diesem Zusammenhang auf die Glaubwiirdigkeit vonN a c h t und die Statthaftigkeit seiner Satire hinzuweisen. Es entstand zwar der Eindruck, daJ3 Hilsenrath im Abseits steht, doch hat Monk die hierfiir triftigeren Griinde formuliert. Sie liegen einerseits in Hilsenraths Personlichkeit begriindet, denn "he ... sees himself as an outsider living on an island of outsiders," andererseits sind seine Werke "underground classics in that he gets across what happened in the Holocaust from a different approach"(201). Hilsenraths Romane erschienen in Deutschland in einem literarischen Vakuum, das durch den Umstand, da/3 sie mit Grass' Werken verglichen wurden, offengelegt wird. Diese Vergleiche wurden gezogen, weil es nichts anderes entfernt Vergleichbares gab. Monk stellte aufierdem fest, da/3 nicht nur Deutschland sondern auch die U.S.A. einer Kategorisierung Hilsenraths verunsichert gegeniiber stehen: "The Library of Congress can't really decide if Hilsenrath is a German, American, or Jewish writer, so his books lie isolated in a section unto themselves"(201).

IV.2. Werkanalvtische Zusammenfassung Monks These von einem abweichenden Ansatz entspricht Hilsenraths philosophischem Konzept und literarischem Verfahren. Fur diese ist die folgende Textstelle ausDer Nazi und der Frisor besonders aufschluBreich: "Traumte gestern nacht ... ich ware im Theater. ... Sah eine Biihne. ... Sah die Schauspieler herumrennen. ... Dachte: Du sitzt im Zuschauerraum ... und dabei siehst du dich auf der 193

Biihne. Fragte mich: 'Was ist das eigentlich’"(2:S.209)? Als Zuschauer ist Hilsenrath, im Gegensatz zu seinem Protagonisten, in der Lage, sich selbst und andere im Biihnenfreiraum,- analog zum literarischen Freiraum zu beobachten. Dabei macht er Erfahrungen und Entdeckungen, denenzufolge Gewohntes in Frage gestellt wird. Festgefiiigte Verhaltensmuster und polarisierte Vorstellungen, wie die Trennung von Akteur und Zuschauer, brechen auf. Die Aufhebung dieser Trennung gleicht einer Aufhebung der Trennung zwischen Bewufltem und UnterbewuBtem. Auf der Biihne kann sich das UnterbewuBte freier duBem, denn Wiinsche und Angste sind hier von Hemmungen gelost. Sie werden diagnostiziert, so daB Traumata wahrend des Schreibens aufgearbeitet werden konnen. Vergleichbar mit S0ren Kierkegaards Paradox, daB eine Wunde, die offengehalten wird, eine gesunde Wunde sei, wird Schreiben fur Hilsenrath zur Therapie. Hilsenrath ermoglicht den tlbergang von der bewuBten zur unterbewuBten Einstellung durch die zu einer Identitat verschmolzene Vorstellung von Zuschauer und Akteur. Die Gestalten auf der Biihne lassen q u a si das UnterbewuBte zu Wort kommen und ermoglichen Erinnerung und Konfrontation mit ihm. Hilsenrath konfrontiert Erinnerung, indem er sich in der Rolle seiner fiktiven Figuren erf&hrt. Hilsenraths Interesse richtet Bich, besonders deutlich in der Szene, wo Angeklagter und Richter ihrem Spiegelbild im Frisorsalon gegeniibersitzen, auf die Darstellung von Mythen und Vorurteilen, durch eine "Instanz." Autor und Richter, in der amerikanischen Ausgabe auch Autor und Gott, fallen als "allwissende" Instanz zusammen, die am Ende, weil sie ratios wie Jahwe im Hiobsmythos ist, 194

sich selbst ironisiert. Mittels dieser Selbstironie erlaubt sich Hilsenrath den millionenfachen Mord der Nazis als eine Satire zu zeichnen. Mit in N acht schockierenden und in Der Nazi und der Frisor grotesken Bildem menschlichen Denkens und Handelns, reiilt er den Massenmord aus der Illusion bewfiltigter Vergangenheit. InN acht werden ethische Vorstellungen durch Schamlosigkeit und Intimit&t der Sprache verletzt. Verkniipft mit vorbeiziehenden Bildem der Grausamkeit, deren Weite die menschliche Existenz ergrundet, konfrontiert Hilsenrath den Leser mit mehreren Moglichkeiten. In Der Nazi und der Frisor kreisen in einem makabren Toten- und Hochzeitstanz die Toten, die jiidischen Opfer, um die Gegenwart und die Scheintoten, wie Max, um die Vergangenheit (2:S.351). Sie sind miteinander durch die Satire verbunden, die das Lachen, das einem im Halse steckt, wie Klofie, die beim Ausspucken Unschuldige treffen, - in einem "Totlachen" explodieren lfiflt (2:S.54,363). Die Verwandlung von Max zu Itzig vollzieht sich in Max' Beschneidung. In ihr offenbart sich das jiidische Ritual der Selbstzerfleischung aus Schuldbewufitsein, das sich in peinigenden Dialogen als Aggression gegen das Opfer Itzig wendet, dem die Schuld angetan wurde. Den Rollentausch begleiten Grenzuberschreitungen, in denen z.B. Mord ebenso sinnlich ist wie Sex. Seine Intimit&t ist fur Morder, Opfer und Leser gleichermafien peinlich. Hilsenrath enthullt das Massengrab, dem Mira entsteigt, als sexuelle Stimulation und Erfiillung. In all ihrem Fett und all ihren stummen Schreien liegt Miras Geheimnis, das Max ihr entreifien und sich selber einverleiben will. Die Lust nach Vergewaltigung, Zerstorung und Kannibalismus 195 fiihrt ihn zu der Uberzeugung, dafi er Mira liebt. Sein SchluB "ich bin ein anderer geworden"(2:S.345), ist ein TrugschluB. Er verdeutlicht noch einmal Max' im Grofienwahn verankertes Begehren, nur sich selbst zu best&tigen. Obwohl Raddatz' Vergleich zwischen N ach t und George Taboris K annibalen den Gehalt beider Werke entstellte, verwies Raddatz auf einen Autoren, der dem philosophischen Konzept und literarischen Verfahren Hilsenraths naher steht als die anderen von den Kritikem angefuhrten Schriftsteller. Parallelen lassen sich z.B. zwischen Beneath the Stone und Der Nazi und der Frisor ziehen. Major Borst verdankt seine Entstehung Mhnlichen Beweggriinden wie SS-Mann Schulz: "... eine gallebittere Wut iiber die kriegerischen Zeiten, die den Menschen mit der Dummheit aller D&monologien zum Stereotyp abstrahieren"(475:S.200). Beide Hauptfiguren berichten aus der Ich- Perspektive iiber ihre Wiederbegegnung mit einem fruheren Freund und spSteren Gefangenen. Die Selbstreflexionen beider Figuren ahneln dem Ausdruck von Schuldgefiihlen und verfuhren, da beide Protagonisten nicht wie Bilderbuch-Nazis erscheinen, zu Verstandnis. Das Ziel beider Protagonisten ist und bleibt, sich iiber ihre Umwelt zu erheben. Am Ende steht Borsts bzw. Schulz1 Selbstproklamation zum Ubermenschen. Sie spiegelt sich bei Borst in seiner Aufwertung gegenuber den EnglSndem, bei Max in der Abwertung seiner Richter. Gegen seine eigenen Rechtfertigungsversuche setzt Max eine unbestechliche Objektivitat, den Richter imd Gott. Beide sollen seinem Tatmotiv Geltung verschaffen. Das Bekenntnis zum Massenmord, vorgetragen von einem "jiidischen" Frisor, befremdet und verwirrt. 196

Hilsenrath entlarvt die verschiedensten Moglichkeiten als eine immer gleiche Moglichkeit unter verschiedensten Bedingungen. Sein Bemiihen erinnert an den Schachspieler, der gegen sich selber spielt. Doch im Unterschied zu Dr. B. in Stefan Zweigs Schachnovelle erkrankt Max nicht an einem Nervenfieber. Er arrangiert sich mit einer Realitat, die er selber arrangiert. In der Originalfassung zwingt er den Allmachtigen von seinem Thron, in den europaischen Versionen wahlt er seine eigene Todesursache: Herzinfarkt wahrend eines Wachtraums, d.h. Scheintod. Der Roman konnte an jeder beliebigen Stelle enden, denn Max durchlauft keinen LernprozeB. Doch fur den Leser ergeben sich durch die Wiederholung bekannter Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln und in unterschiedlichen Umfeldem immer wieder neue Aspekte.8

Hilsenraths Figuren sind zwar Rollen zugeteilt, die sie erfiillen: Debora, die verweigert, Ranek, der sich nimmt, Max, der Befehle ausfuhrt usw. Doch wenn die Vergangenheit die Figuren einholt, wird ihre Schuld oder Unschuld nicht immer aufgerechnet. Hilsenrath bricht mit dem AusschlieBlichkeitsanspruch des Existentialismus, daB die Gesetze der Kausalitat nicht mehr bestehen. Es gibt Antriebe fur das Tun seiner Figuren, wie Hunger, Sorge, Neid usw. Es gibt Camus' mit dem Grauen des Krieges ausgeldschten Lebenssinn ebenso wie den durch das Grauen des Krieges angefachten Uberlebenssinn. Was der Leser bei Hilsenrath wahmimmt ist eine einzelne Erscheinung in der Mehrzahl ihrer Vielschichtigkeiten. Fur diese kaleidoskophafte Toleranz ist wiederum eine Textstelle ausDer Nazi und der Frisor aufschluBreich: "... das Gesicht eines Frisors, ... Halbidioten, ... 197

Dichters, ... Ariers, ... Juden, ... Normalen, ... Perversen, ... Morders, ... es schien zugleich die Ziige samtlicher Sterblichen zu tragen, .. und doch konnte ich das nicht mit Bestimmtheit sagen, obwohl es ein bestimmtes Gesicht war"(2:S.38). Worte, Gesten und Gesichter sind bei Max aus Selbsterhaltungstrieb in ein Geflecht von unterschiedlichem Ausdruck miteinander verkniipft. Sie stehen aber nicht zur isolierten Identifikation bereit: "... wollte eines wShlen ... eines der Gesichter ... konnte aber nicht ... die wollten nichts mit mir zu tun haben; die starrten mich wiitend an, seltsam verzerrt, weil ich Grimassen schnitt und die Zunge herausstreckte"(2:S.38). Nur wenn wir alle unsere Erscheinungsweisen, auch das Tier, das die Rezensenten in Ranek "witterten," akzeptieren, wird die Distanz zwischen Betrachter and Betrachtetem wie zwischen Max und seinen Spiegelbildem und Leser und Gelesenem aufgehoben. Wie inDas Sein und das Nichts stehen sich Subjekt und Subjekt gegenuber. Doch wo sich bei Sartre das Subjekt als Objekt des anderen und damit den anderen als Subjekt erkennt, da weigert sich bei Hilsenrath das Subjekt im Spiegel Max anzuerkennen und verweigert ihm seine IdentitMt. Identitfit sowie Identitatsverlust manifestieren sich im eigenen Gegenuber und im Gegenuber aller. Durch das Zusammenfallen von Subjekt und Objekt provoziert Hilsenrath seine und des Lesers Selbsterkenntnis und fuhrt zur Relativierung ihrer jeweiligen Positionen. Er konfrontiert sich und den Leser mit der Gebundenheit an eine historische und menschliche Dimension, die ’die Gnade der spaten Geburt' nicht ausloscht. Seine Romane konfrontieren nicht mehr mit der Vergangenheit, sondem Vergangenheit und Gegenwart spiegeln sich ineinander. 198

So wie Hilsenrath experimentiert auch Tabori mit einer fur jiidische Autoren ungewohnlichen Erzahlperspektive. In M u tters Courage provoziert Tabori mit einem Nazi-Offizier, der wie SS-Mann Schulz iiber seine Vergangenheit und Gegenwart berichtet. Beide Autoren wenden sich gegen das SelbstverstSndnis jener Deutschen, die ihren Frieden mit der Vergangenheit geschlossen haben. Hilsenrath und Tabori decken durch die Wiederholung von Monologen und Riickblenden auf, daJ3 die Asthetisierung von Verhaltnissen diese nur perpetuiert. In Mutters Courage bedient ein Nazi-Offizier einerseits die Maschinerie des Massenmordes, rettet andererseits eine Judin und fragt sich, wie er vor Gott ein Gerechter wird, Ebensowenig wie Hilsenrath scheut Tabori angesichts des Todes und Grauens nicht die Beschreibung tabuisierter menschlicher Regungen. Die Kritiken beweisen, daB auch er den Moralkodex verletzte, alsz.B., der "Gettoliebe" in N ach t vergleichbar, Mutter Courage im zuBammengepferchten Viehwaggon nach Auschwitz von einem Unbekannten von hinten geliebt wurde. In seiner Beschreibung werden Banales und Existentielles, Ernsthaftes und Ldcherliches nebeneinandergestellt. Tabori und Hilsenrath durchbrechen tabuisierte Bereiche, In Mutters Courage ist der Abgrund von Auschwitz, inN acht der von Prokow, stets durch die Sprachbehandlung pr&sent. Die respektlos scheinende, Sentiment und moralische Emporung vermeidende Beschreibung, macht die Erlebnisse von Mutter Courage und Ranek trotz radikaler sprachlicher Reduktion bis ins Detail deutlich. 199

Dramaturg Jorg Gronius stellte fest, daft das Biihnengeschehen heutzutage ein Gefuhl enormer Peinlichkeit erzeugen muft um sich einer Katharsis zu vergewissem, wobei die kathartischen Bediirfnisse eher auf ein gemeinschaftliches Vergessen ausgerichtet sind (376:S.17). Gronius' dramaturgische Beobachtungen lassen sich auch auf die Prosa ubertragen. Hilsenraths Darstellungsmittel bewirken dieses Gefuhl der Peinlichkeit, das gelegentlich zur Ablehnung dessen, was dieses Gefuhl hervorruft, fuhrte. Ein Roman des Peinlichen riihrt an Tabus, treibt Unterbewufttes hervor, provoziert Disharmonie zwischen Leser und Gelesenem. Die Kriterien einer traditionellen Romanpoetologie versagen bei Hilsenraths Werken, weil letztere nicht die Erwartungen eines gsthetisch harmonischen, abgerundeten Ganzen erfullen. So wie sich Graubard, von der israelitischen Kultusgemeinde in Miinchen, iiber die skatologische Sprache inN acht entsetzte und die Veroffentlichung des Romans verhindem wollte, versuchte in Berlin auch Heinz Galinski, Zentralratsvorsitzender der Juden in Deutschland, die Auffuhrung von Taboris K annibalen mit Shnlichen Argumenten zu unterbinden: "Ich war selber in Auschwitz, und ich habe niemals Pisse gesagt."(475:24) Ihre Entriistung reflektiert, daft sie Hilsenraths und Taboris sprachliche Mittel als Diffamierung betrachteten. Hilsenrath und Tabori aber benutzen "die Sprache des Bettlers," um sich mit ihrem Protagonisten sowohl zu identifizieren als sich auch von ihm zu distanzieren. Aus dieser Auseinandersetzung resultiert fur beide Autoren eine erfundene Authentizitat, die Hilsenrath als "erfundene Wahrheit" bezeichnet. 200

Tabori und Hilsenrath teilen nicht nur ein ahnliches Verstanis iiber die Bedeutung von Sprache. Ihre Figuren sind sowohl in ihrer Opfer- als auch ihrer T&terrolle charakteristisch ambivalent.^ InN acht l&Bt das Gettoleben die Opfer zu TStern werden, ohne daB ihr Tun Aussicht auf Befreiung aus der Opfersituation bietet. Deborah mit dem Kind auf dem Arm kann allenfalls als ein Aufschub des Endes fiir die Uberlebenden betrachtet werden. In Der Nazi und der Frisdr wird der Tater zum Opfer seiner NS-Vergangenheit, wShrend er weiterhin Tater bleibt. Wdhrend Brecht dem Theater des Naturalismus mit seinem Verfremdungseffekt begegnete, reagierten Hilsenrath imd Tabori auf die deutsche Holocaustliteratur mit einem Befremdungseffekt. Mit dieser Wirkungsabsicht widersetzen sie sich dem Representations- und Unterhaltungsanspruch philosemitischer Holocaustliteratur, wie sie von den groBen deutschen Verlegem wie Rowohlt, Bertelsmann und Kindler gefordert wird. Sie weigern sich, den Weg des geringsten Widerstandes einzuschlagen und lehnen das unsinnige Ansinnen einer Wiedergutmachung ab. Nichts wird wieder gut. Keine ernstzunehmende Therapie schafft Heilung durch das Herstellen eines S ta tu s quo, den auch die Schockbehandlungen an den Holocaust- Uberlebenden bezweckten. Sich der Verletzungen zu erinnem bedeutet fur Hilsenrath, mit den Wunden bewuBt zu leben, um in steter Auseinandersetzung mit ihnen kiinftige Katastrophen zu verhindem. In Prokow, Hilsenraths exemplarischem Getto, wird Ranek zur Allegorie des Holocausts. Wahrend der Protagonist dem Leser mit jedem Satz bekannter wird, wird Ranek sich selber immer fremder, weil seine Situation ihn minimiert. Das Ungeheuerliche, der letztlich abstrakte 201

Massenmord, wird in den Zusammenhang von Raneks Lebensablauf, seinem Fiihlen, Sagen, Denken und Tun gestellt und mit zunehmend reduzierter Darstellung des Protagonisten umso konkreter. Das Einzelschicksal, das in der Diskussion um den Massenmord untergeht, macht denselben erst sichtbar. Diese Uberzeugung Hilsenraths ist auch fur Der Nazi und der Frisor charakteristisch. Da Max fur seine Verbrechen nicht gestraft wird, werden die Probleme der ehemals Lebenden (im Wald der sechs Millionen) mit ihrem Tod nicht ausgeloscht. Durch die Entmythisierung der Erlosung gibt Hilsenrath zu verstehen, da!3 ihr Tod sie nicht zu besseren Menschen, d.h. auch anderen Menschen macht. Max, der lebende Nazi, dringt in dieses Totenreich ein und l£L/3t die Toten nicht ruhen. Im Dialog mit Itzig zwingt er diesen zur Wiederholung seines Schicksals und wiederholt dadurch sein eigenes. Die Ambivalenz, die Hilsenrath im Verhaltnis von Opfer und T&ter entwickelt, bildet die Grundlage seiner Werke. Die totale Isolation der Gettobewohner in N acht distilliert sich in einem beklemmenden Gleichnis: hungemde Juden in Prokow berauben ihresgleichen. Ranek liegt am Ende, selber vom Roten beraubt, im Schlamm des Gettos. Die Banalitdt seines Abgangs gleicht dem von Taboris Shylock. Der dahinsiechende Ranek ist eine Peinlichkeit fur Autor und Leser zugleich. Die dramatische Funktion des gewaltsam verstummelten Ranek, nachdem der Rote ihm den Kiefer wegen seiner Goldzahne zertrummerte, ist konkret. Sie stimmt aggressiv, denn das Bild stellt dem Leser das eigene Verfallensein an den Tod ohne asthetische Hulle vor Augen. Der Leser kann Ranek akzeptieren oder ablehnen. Lehnt er ihn ab, so vernichtet er die Ursache der Peinlichkeit. 202

Im Bezug auf das Verh<nis von Deutschen zu Juden, storen nicht nur Ranek und Itzig sondem auch alle anderen Juden (im Wald der sechs Millionen) in ihrer Verstummelung die Ruhe der Deutschen. Wdre N acht nicht schon 1964 erschienen, konnte man es als einen Kommentar zum Historikerstreit lesen. Anstatt die Ermordung der Juden mit sachlichen Griinden zu erklaren, beweist der Roman, daB die Morde durch Sachlichkeit moglich wurden. Indem die NS-Gewalt ihre Perversionen auf die Opfer ubertrug, verwandelte sie diese in Objekte, um die Moglichkeit, sich mit ihnen zu identifizieren, auszuschlieBen und den Weg zu ihrer Zerstorung zu offnen. In Hilsenraths Psychogrammen werden Hilflosigkeit, Schw&che, HSBlichkeit und abstoBende Eigenschaften deutlich, wodurch die Protagonisten ihre Emsthaftigkeit und Glaubwiirdigkeit erlangen. Da die Verrohung das Resultat systematischer, menschlicher Versachlichung ist, verlieren die Protagonisten nie ihre Wiirde, es sei denn, sie wird ihnen gewaltsam genommen. Der Leser wird zwar in seiner Sympathie fur die Figuren erschuttert, doch im Wechsel von Abstand und Ndhe und ergriffen durch Hilsenraths Sympathie, kehrt sich das Entsetzen nie in Antipathie oder Abscheu um. Prokow fallt in das Uberall und Nirgends der Holocaustlandschaft, in der die Innen- und AuBenwelt der Protagonisten hermetisch abgeschlossen und chaotisch ist. Ein Entkommen ist unmoglich, deshalb wird der Stellenwert, den Hilsenrath der Erinnerung beimiflt, umso deutlicher. Sie allein kann diese Hermetik durchbrechen. Ranek disqualifiziert Erinnerung, im BewuBtsein, da!3 sie ihn am Uberleben hindert, als Halluzination. Debora hingegen erkennt, daB sie, 2 0 3 wenn sie vergiBt, ihrer Identity verlustig geht (1:S.418).10 Max vereint in sich Deboras Erkenntnis und Raneks Bediirfnis. Um sein Leben zu retten, verleugnet er einerseits seine Vergangenheit, bekennt sich aber andererseits zu ihr, tun seine Identit&t zu bewahren. Da Erinnerung die Fahigkeit zu trauem ermoglicht, die Ranek schlieBlich verliert und Max niemals besitzt, sind sie Beispiel fur das neutralisierte BewuBtsein bei Opfer/Tatern und Tdter/Opfern. Margaret Mahler sieht in diesem Abwehrmechanismus einen Entdifferenzierungs- und Entlebendigungsversuch, dessen einziger Emotionsdurchbruch in Panik oder Apathie besteht (416:S.75,111,228). Hilsenrath beschreibt diesen ProzeB, der bei Ranek in volliger Abstumpfung und im Tod, bei Max im letzten SchweiBausbruch und im Scheintod endet. Weder Ranek noch Max werden einer Katharsis teilhaftig. Aus der Fahigkeit zu trauern formulieren sich die Fragen, die Debora und Hilsenrath an die Gegenwart stellen, und die auch Joachim Fest fur allzeit notwendig halt: "... der Toten soil man sich erinnem. ... Gleich dahinter beginnen die Fragen"(353). Die Hinwendung zur AuthentizitSt und Konkretheit des Moralischen und Amoralischen in der Geschichte bedeutet, die Dynamik der Geschehnisse durch eine Sensibilisierung der Geschichte zu erklSren. Auf diese Weise schafft Hilsenrath ein Muster fur die Entwicklung des Nachdenkens beim Leser. Hilsenraths Romane fordem zur Auseinandersetzung mit der conditio humana und der Erinnerung auf, die nicht nur eine Beziehung zur Vergangenheit sondern auch zur Gegenwart ermoglichen.il Da die Funktion des Erinnerns in der Welt des Wissens und Handelns ebenso ihre Bedeutung hat wie in der Kunst, stellt Hilsenrath eine Verbindung 204 zwischen Autor und Leser her. Susan Sontags Einordnung des Dramas gilt auch fur den Roman. In der heutigen Zeit ist er nicht mehr in erster Linie eine Form der Kunst sondern eine Form der Geschichte (467:S.108). Hilsenrath ldfit es nicht bei der Einsicht bewenden, dafi die, die nicht in der Vergangenheit wiihlen dazu verurteilt sind, diese neu zu erleben. Er schlieBt auch die ein, die in der Vergangenheit wiihlen, - und diese ebenfalls neu erleben. Der Unterschied besteht darin, da/3 Vergangenheit den Ersteren als Strafe, den Letzteren als Hoffnung erscheint. Nacht und Der Nazi und der Frisor sind "hoffnungsvolle" Romane. Wahrend Hilsenrath Moglichkeiten fur die Orientierung und die Begriffswelt der Gegenwart schafft, artikuliert sich beim Leser Unbehagen. Dieses fordert Rechenschaft von risikolosen, vagen Gesinnungsbekenntnissen, die durch kontinuierliche weltgeschichtliche Gewalt- und Katastrophenberichte an Singularitdt einbiiflen. Mit Blick auf Hilsenraths Werk soil dem Vorschlag von

Martin Broszat modifiziert zugestimmt werden 3 ( 2 4 ).12 Das zur Stereotypie verflachte Diktum der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kann durch die Auseinandersetzung mit N acht und Der Nazi und der Frisor , neu erschlossen werden. Die produktive Leistung der Dichtung und BewuBtseinsbildung des Autors weist iiber das historische Erbe hinaus auf Losungsmoglichkeiten, die geschichtlich entwickelt werden. Die literarische Ausarbeitung dieser Wirkungszusammenhange vermittelt Hilsenrath und dem Leser ein Verstandnis der Phasen auf dem Weg zur Rekonstruktion, Destruktion und Konstruktion. Die Darstellung historischer, biographischer oder 205 fiktiver Ereignisse demonstrieren in beiden Romanen, wie die Triebprinzipien der Selbsterhaltung die Auseinandersetzung mit der Umwelt "regulieren." Zum einen ist es der Hunger, zum anderen die Angst, die dazu fuhren, dafi alles bisher Gewordene paradox umkippt, in sich zusammen- oder auseinanderfallt. Die literarische Formung dieser Zustande, die einem die Sprache verschlagen, zwingt den Leser in den Zwiespalt von Einsicht und Zweifel zugleich. In beiden Romanen konstituiert die Wechselbeziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit ein zugleich realistisches wie surrealistisches literarisches Produkt. In N acht wird dies besonders in den von Raddatz kritisierten Wendungen "es wirkte wie," "es war als ob," "es schien ihm als wenn" usw. deutlich. In Der Nazi und der Frisor bewirkt der satirische Ton die Briichigkeit der Realit&t. Ranek und Max sind einerseits erfundene Figuren, andererseits verkorpern sie die historische Gestalt irgendeines Getto-Juden bzw. SS-Mannes, womit ihrer literarischen Gegenwart die durchsichtige Folie realer Vergangenheit unterlegt wird. Hilsenrath geht es wfihrend seiner Auseinandersetzung mit dem Stoff nicht um die Perfektion eines Ergebnisses, sondem um die Darstellung verschiedener Moglichkeiten. Mittelbar oder unmittelbar unterbricht er den FluJ3 der Erz&hlung, indem er sich, wie in N acht, bewuBt auf Klischees einl&fit, nm sie zu zerstoren, oder er spricht, wie in Der Nazi und der Frisor, den Leser direkt an, um ihn vom fiktiven Geschehen zu distanzieren. Mittels Ironisierung entgehen die Personen der Gefahr, Opfer fragwiirdigen Mitleids zu werden. Mittels Satire bleibt das Interesse am Exotischen unbefriedigt. Durch Konventionen und Demontage der Konventionen 206 findet sich der Leser, obgleich seine konkrete Lebenssituation eine ganz andere ist, betroffen in den Romanen wieder. Hilsenraths Romane bringen das Verhaltnis des Lesers zur Sprache in eine Krise, weil sie seine bewufiten Sicherheiten in Form einer Enttabuisierung des Verschwiegenen und Verdr&ngten infragestellen. Hilsenrath konfrontiert die Neigung zur totalen Losung und zum totalen Helden, die den kollektiven Traum von totaler Grofie verkorpert, mit ambivalenten Losungen und ambivalentenH e l d e n . 13 207

IV FUJ3NOTEN

1 Christiane Schmelzkopfs Artikel, ein Kapitelauszug ihrer Dissertation von 1982, beschrankte sich auf eine kurze moralische Deutung vonNacht und tr> nichts Neues zur Diskussion bei (252). Ihre aufschlufireichen, historisch vergleichendenden Betrachtungen zur Darstellung jiidischer Figuren in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 hingegen, wurden in diese Arbeit einbezogen. 2 Die als "Leerstellen" bezeichneten Zasuren in Nacht reflektieren nicht das "Schweigen des Juden," sondem Hilsenraths Versuch, in das Schweigen der Toten die Stimmen der Lebenden und Uberlebenden zu holen. 3 Die folgende Stelle inDer Nazi und der Frisdr mutet wie eine Satire auf Grass' GeschichtsverstSndnis an: "Als ob das noch einen Sinn hatte, den Schutt wegzuraumen, wo doch sowieso alles im Eimer war"(2:S.84). 4 Ruth Angress beobachtete auch beiShoah: "It's as if the intervening years had cleared our perspective so that now nothing obstructs our view of an arctic region of the mind and of the past"(301:S.260). 5 Damit kommt Stenberg der Erfahrung von Angress nahe, die die Lager mit einer Kraterlandschaft auf dem Mond verglich, deren surrealistische Atmosphere durch ihre Juxtaposition mit derselben, heute grasiiberwachsenen Landschaft, zum Ausdruck kommt (301:S.250f). 208

6 Sander Gilman wies auf dieses Phanomen in seiner Untersuchung vonDer Boxer hin, als Mark seinen Vater fragt, warum jiidischen Kindem im Gegensatz zu katholischen Kindem das Recht der freien Wahl verweigert wird (127:S.298). 7 Die Figuren in Der Boxer und Der Nazi und der Frisor offenbaren die folgenden Parallelen: Figuren, die scheinen, was sie sind: Martha in ihrer Rolle und Existenz als Judin(Boxer), Max in seiner Rolle als Angeklagter und Existenz als Schuldiger(Nazi); Figuren, die scheinen, was sie nicht sind: Filmschauspieler in SS Uniformen (Boxer), Itzig scheint arisch, ist aber nicht arisch, oder Max scheint jiidisch ist aber nicht jiidisch {Nazi). Hilsenrath geht sodann iiber diesen "einfachen Tausch" hinaus, mit Figuren, die nicht scheinen was sie sind: Max scheint nicht arisch, ist aber arisch, Itzig scheint nicht jiidisch, ist aber jiidisch. Indem Itzigs und Max' Schein bzw, Sein sich unter negativem Vorzeichen wiederholen, sind sie unter positivem Vorzeichen austauschbar. Aus der empirischen Beobachtung leitet Hilsenrath eine positive und eine negative Hypothese ab, die Riickschliisse auf die korrespondierende Realitat enthalten. Er hebt den AusschlieBlichkeitsanspruch der beiden kontrSren PhSnomene auf, indem er darstellt, daB beide Seiten eines scheinbaren Widerspmchs wahr sind, d.h. er demonstriert, daB keine widerspriichliche Paarung vorliegt, wodurch sich fur den Leser eine besondere Herausforderung ergibt. 8 Entsprechend erzShlt Max seine Geschichte drei mal, drei verschiedenen Zuhorem, zu drei verschiedenen Zeitpunkten, in drei verschiedenen Umgebungen. 9 Puffi Pinkus in Kannibalen ergaunert sich ebenso sein Essen wie Ranek und beide werden von ihrem Schicksal ”verzehrt"(475:S.50f). 209

10 Alexander und Margarete Mitscherlich stellen dar, da/3 mit dem Verlust der Erinnerung der Verlust des Individuums einher geht (425:S.62f). 11 Alexander und Margarete Mitscherlich stellen ferner fest, da/3 eine Beziehung zur Vergangenheit und Gegenwart nur durch das Erinnem moglich wird: "And only by slowly detaching oneself from lost relations can a meaningful relationship to reality and to the past be maintained. Without the painful work of recollection this can never be achieved"(425:S.66). Vgl. hierzu auch: C.T.Lipsons (408:S.144) und Sigmund Freud (357:S.244, XIV). 12 Martin Broszat pladiert fur eine NeuerschlieJ3ung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch starker differenzierende Einsichten. 12 Hilsenrath liefle sich in die Auswahl der zur Zukunft Deutschlands und der deutsch-jiidischen Tradition befragten Juden in Henryk Broders Fremd im eigenen Land einreihen. Jack Zipes charakterisierte diese folgenderma/3en: "Many of the older Jews find meaning as Jews in consciously dedicating themselves to living in West Germany, working to 'demistify' the image of the Jew, and countering anti- Semitic tendencies (Abosch, Bomemann, Carlebach, Frei, Gingold, Goral, Rewald). Most of the intellectuals are not religious and adhere to Sartre's view of Jewishness as a sociohistorical designation, and they openly declare themselves committed to a secular notion of Jewishness that has been heavily defined by the Holocaust and its consequences (Bernstein, Merz). All return to the notion of the Holocaust as living history"(498:S.42). Dagmar Lorenz bemerkte speziell zu Hilsenrath: "Ziel 210

Hilsenraths ist es, ahnlich wie eine Reihe seiner osterreichischen Kollegen, als nicht assimilierter Jude und dennoch aufterhalb der konservativen, religiosen Gemeinde zu lehen. Er sucht nach Altemativen zum Zionismus, zur Orthodoxie und Assimilation im Land seiner Verfolger, das er auch sein eigenes nennt." LITERATURVERZEICHNIS

Verdffentlichungsdaten sind in der Reihenfolge von Tag, Monat, Jahr eingetragen. Alle Literaturangaben sind fortlaufend numeriert und mit Ausnahme der Primarliteratur aphabetisch geordnet. Die Primarliteratur unterteilt sich, jeweils chronologisch verzeichnet, in "Hauptwerke" und "Sonstiges" (Kurzprosa, Horspiele, unveroffentlichte Essays). Bei den anfgefuhrten Briefen handelt es sich um unveroffentlichte Dokumente, die zum Teil beim Piper-Verlag in Miinchen eingesehen werden konnen. Auf die Angabe von Seitenzahlen bei Zeitschriftenartikeln wurde verzichtet, da international unterschiedliche Numerierungen beniitzt werden. Sie konnen bei den folgenden Bibliographien eingesehen werden:

Arts and Humanities Citation Index. Philadelphia: Institute for Scientific Information, 1977ff. Internationale Bibliographie der Rezensionen wissenschaftlicher Literatur. Osnabrtick: Dietrich, 197Iff. Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur. Hrsg. Felix Dietrich. Osnabriick: Dietrich, 1964.

211 212

Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur aus alien Gebieten des Wissens. Hrsg. Otto Zeller. Osnabriick: Dietrich, 1965ff. Kritisches Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Hrsg. Heinz Ludwig Arnold. Miinchen: Text + Kritik, 1978ff. MLA International Bibliography of Books and Articles in the Modern Languages & Literatures. New York: MLA, 1964ff. Book Review Digest. Hrsg. Leslie Dunmore-Leiber. New York: Wilson, 1964fF.

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31. Conradi, Amulf. Brief an Edgar Hilsenrath. Frankfurt/M (24.2.1989). 32. Dirs, Robert. Brief an Edgar Hilsenrath. London (31.7.1967). 33. Elbot, Hugh G. Brief an Ernest Landau. Munchen (10.8.1964). 34. Evans, Julian. Brief an Edgar Hilsenrath. London (4.9.1989). 35. Falkenberg, Hans-Geert. Brief an Edgar Hilsenrath. Munchen (9.12.1963). 36. Fischer, Alfred Joachim. Brief an Edgar Hilsenrath. Montreal (27.4.1965). 37. Gerhold, Emma & Gottfried. Brief an Helmut Kindler. Bremen (28.8.1964). 38. Ghazarian, Ara. Brief an Edgar Hilsenrath. Watertown, MA (18.10.1989). 39. Gid, Marion. Brief an Ernest Landau. Munchen (8.9.1964). 40. -----. Brief an Edgar Hilsenrath. Munchen (21.2.1965). 41. Graubard, B. Brief an Ernest Landau. Munchen (14.8.1964). 42. Grossmann, Kurt R. Brief an Edgar Hilsenrath. Kew Gardens,NY (27.3.1965). 43. Heise, Manuela A. Brief an Edgar Hilsenrath. Reinbek (28.3.1989). 44. Jacobowski, Hella. Brief an Helmut Braun. Darmstadt (16.9.1977). 45. Jakob, Emil. Brief an Kindler. Numberg (18.8.1964). 46. Jokostra, Peter. Brief an Ernest Landau. (24.3.1965). 47. Kesten, Hermann. Brief an Edgar Hilsenrath. New York(12.3.1965). 48. Landau, Ernest. Hausmitteilung des Kindler Verlages. Munchen (28.8.1964). 49. . Brief an Edgar Hilsenrath. Munchen (1.4.1965). 217

50. -----. Hausmitteilung des Kindler Verlages. Munchen (20.8.1964). 51. -----. Brief an Gerty Agoston. Munchen (31.3.1965). 52. Leer, Louisa. Brief an Edgar Hilsenrath. Munchen (6.3.1968). 53. Lowenthal, Ernst G. Brief an Ernest Landau. Frankfurt/M (30.7.1964). 54. Liitge, Jurgen. Brief an Edgar Hilsenrath. Bern (15.3.1989). 55. Marx, Henry. Brief an Helmut Kindler. New York (2.3.1964). 56. Palcewski, John. Brief an John Leonard. New York (2.6.1971). 57. Raven-Kindler, Nina. Brief an Edgar Hilsenrath. Munchen (14.4.1965). 58. Romer, Richard. Brief an Eugen Leer. Munchen (4.3.1968). 59. Simmel, Johannes Mario. Brief an Edgar Hilsenrath. Zug (11.9.1989). 60. Wulf, Joseph. Brief an Ernest Landau. Berlin (4.8.1964).

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