General Ulrich Wille Als Corpsstudent General
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General Ulrich Wille als Corpsstudent Von Peter Hauser General Ulrich Wille (1848-1925), der Oberbefehlshaber der Schweizer Armee während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, war einer der prominentesten schweizerischen Corpsstudenten. Er wurde am 5. April 1848 in Hamburg gebo- ren als Sohn von François Wille (1811-1896) und Eliza Sloman (1809-1893), der Tochter des aus England stammenden Hamburger Reeders Robert Miles Sloman, die sich als Romanschriftstellerin einen Namen gemacht hatte. Die Fa- milie Wille stammte aus La Sagne im Kanton Neuenburg und hiess ursprünglich Vuille. Ulrich Willes Urgrossvater Henri Vuille, ein Schuhmachermeister, war aus La Sagne ausgewandert und hatte sich in Zweibrücken in der Pfalz niederge- lassen. Der Grossvater von Ulrich Wille, Jacques Arnold Wille, lebte in Ham- burg.1 Vater François Wille, Journalist und Mitglied des Frankfurter Parlamen- tes, kehrte 1849 als Folge der gescheiterten liberalen Revolution in die Schweiz zurück und kaufte sich 1851 das Gut Mariafeld in Meilen am Zürichsee, das noch heute der Familie Wille gehört.2 François Wille und seine Vorfahren hatten das Bürgerrecht von La Sagne behalten, und die Willes waren und sind daher echte Schweizer. 1 Carl Helbling, General Ulrich Wille, Biographie, Zürich 1957, Seite 7. 2 Gut Mariafeld an der General Wille-Strasse 165 war der einstige Landsitz der Zürcher Jun- kerfamilie Escher, erbaut 1722-25 auf den Grundmauern eines Herrschaftssitzes aus dem 15. Jahrhundert: www.meilen.ch, dort «Sehenswürdigkeiten». Gut Mariafeld in Meilen, Aufnahme 19893 François Wille studierte ab 1831 in Göttingen Theologie und war begeistert für die freiheitlichen und demokratischen Ideale. Im Mai 1832 nahm er an dem ge- gen die Despotie gerichteten Hambacher Fest teil. 1833 erhielt er in Göttingen, wie Bismarck, aus unwesentlichem Anlass das Consilium abeundi. Ab Michae- lis (29. September) 1833 setzte er seine theologischen und juristischen Studien in Kiel fort, stets bedroht durch die Untersuchung eines tödlich verlaufenen Du- ellhandels, an welchem er als Sekundant beteiligt gewesen war. Wille wurde zu einer sechsmonatigen Haft auf der dänischen Festung Nyburg verurteilt. Nach Verbüssung der Strafe arbeitete er in Hamburg als Journalist und schloss sein Studium erst 1845 in Jena mit dem Dr. phil. ab.4 François Wille war in den Augen seines konservativen Schwiegervaters Sloman ein lockerer Vogel5 und er muss auch ein wilder, waffenfreudiger Kerl gewesen 3 Bild aus: www.meilen.ch, dort «Sehenswürdigkeiten». 4 Helbling (wie Anm. 1), Seite 8. 5 Niklaus Meienberg, Die Welt als Wille und Wahn, Elemente zur Naturgeschichte eines Clans, 4. Auflage, Zürich 1987, Seite 17. Das teilweise sehr polemisch geschriebene Buch ist auch deshalb umstritten, weil sich Meienberg mit fragwürdigen Methoden Zugang zu den 2 sein. Er rühmte sich nämlich der 26 Narben von Hieb- und Schusswunden und hatte mehr als 10 Pistolenduelle überstanden, alle auf 5 Schritte Barriere. Einmal wurde er auf der Höhe des Herzens durch den Arm geschossen.6 Die Schmisse auf der rechten Wange deuten darauf hin, dass François Wille linkshändig ge- fochten hat, also ein sog. «Linkser» war. Eliza Sloman, seine Frau, schrieb nicht ohne ironischen Unterton über seine Duellfreudigkeit: «Nach seinem Tempera- ment war es ihm ein Bedürfnis, sich mit seiner Person einzusetzen. Rücksichts- lose Worte musste er bezahlen und, selbst ungeübt in den Waffen, hat er gern gegen überlegene Gegner sein Kaltblut auf die Probe gestellt.»7 Auch Heinrich Heine reizte das mit Schmissen verzierte Gesicht Willes im Gedicht «Deutsch- land, ein Wintermärchen», Kapitel XXIII, Vers 4, zum Spötteln: «Da war der Wille, dessen Gesicht/ Ein Stammbuch, worin mit Hieben/ Die akademischen Feinde sich/ Recht leserlich eingeschrieben.» nicht zur Publikation bestimmten Briefen von General Wille an seine Frau in den Jahren 1914 bis 1918 verschafft hatte. 6 Helbling (wie Anm. 1), Seite 14. 7 Bernhild Vögel, DIE ZEIT, Ein Nachruf auf das gleichnamige, 1840 in Hamburg gegründete Wochenblatt, die «Ahnfrau» der 1946 entstandenen heutigen ZEIT, in: www.birdstage.net 3 Jean François Arnold Wille (1811-1896), Porträt von A. Sincadelli, 1877,8 Ob François Wille korporiert war oder nicht, kann ich nicht sicher sagen. Corps- student war er bestimmt nicht; in den Kösener Corpslisten ist er jedenfalls nicht erwähnt.9 Möglicherweise gehörte er aber zu der 1829 gegründeten, im Februar 1831 vertagten, im Sommersmester 1831 erneuerten «2. Burschenschaft oder Germania», die sich im Herbst 1831 zu einer neuen Burschenschaft Allemannia wandelte. In ihren Reihen wird ein F. Wille erwähnt. Ob als Mitglied des enge- ren oder weiteren Vereins oder nur als «Schwanz» oder Renonce ist nicht be- 8 Bild aus: Helbling (wie Anm. 1), nach Seite 8. 9 Bei Johannes von Muralt (Schriftleiter), Das Corps Tigurinia 1850-1940, Zürich 1940, (nachfolgend zit. Tigurinergeschichte), Seite 22 heisst es allerdings, «Dr. Fr. Wille Hassiae Giessen, dessen Sohn 65/67 aktiv gewesen und im August 1814 zum General der schweiz. Armee ernannt worden sei», habe an Kneipen und Kommersen der Tigurinia teilgenommen. In den Kösener Corpslisten von 1960 (KCL 1960) findet sich jedoch kein Wille als Mitglied des Corps Hassia Giessen. Bei der Angabe «Hassiae Giessen» muss es sich um einen Irrtum handeln. 4 kannt. Es könnte aber unser François Wille sein,10 der Otto von Bismarck ge- kannt hat, welcher zur gleichen Zeit wie er in Göttingen studierte und 1832/33 beim Corps Hannovera Göttingen aktiv gewesen war. Im April 1892 wurde Ul- rich Wille, der 1872 Clara geb. Gräfin Bismarck11 geheiratet hatte, anlässlich eines Besuches beim früheren Reichskanzler in Friedrichsruh von diesem denn auch als «der Sohn eines alten Freundes von 1832» vorgestellt.12 Ulrich Wille wuchs auf Gut Mariafeld in einer kulturell hochstehenden und ge- bildeten Umgebung auf. Zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Kulturleben wie zum Beispiel Conrad Ferdinand Meyer, Gottfried Keller, Franz Liszt, Arnold Böcklin, Theodor Mommsen und Richard Wagner waren Gäste von François und Eliza Wille auf Mariafeld.13 Ulrich besuchte in Meilen die Volksschule und durfte bei den Kadetten mitmachen, hatte aber Mühe mit der schweizerischen Mundart, d.h. dem im Kanton Zürich gesprochenen «Züritüütsch», denn sein Vater wollte, dass in der Familie Hochdeutsch gesprochen werde. Auch später bevorzugte Ulrich Wille das Hochdeutsche, was ihm insbesondere im Vorfeld seiner Wahl zum General der Schweizer Armee von Gegnern auch vorgehalten wurde 14 10 Schriftliche Mitteilung (E-Mail) von Dr. Harald Lönnecker, Leiter des Archivs der Deut- schen Burschenschaft, Bundesarchiv in Koblenz, an den Verfasser vom 19.5.2012. 11 Tochter aus zweiter Ehe von Friedrich Wilhelm Graf von Bismarck (*1783, †in Konstanz) aus dem rheinischen Zweig der Schönhausener Linie des Geschlechts der Bismarck, wüm- bergischer Generalleutnant, Diplomat und Militärschriftsteller. 12 Helbling (wie Anm. 1), Seite 95. 13 Daniel Heller, Ulrich Wille, in: Erwin Jaeckle/Eduard Stäuble (Hrsg.), Grosse Schweizer und Schweizerinnen, Stäfa 1990, Seite 429. 14 Helbling (wie Anm. 1), Seite 17 f. 5 Ulrich Wille 185215 Nach sechs Jahren Volksschule erhielt Ulrich von seinem Vater intensiven Pri- vatunterricht. Ein Gymnasium hatte er nie besucht und deshalb auch keine Ma- turitätsprüfung abgelegt. Die deswegen nötige Aufnahmeprüfung an der Univer- sität Zürich bestand er aber mit Bravour16 und immatrikulierte sich an Ostern 1865 als stud. jur. 17 Beim geschilderten Charakter des Vaters erstaunt nicht, dass er sofort Renonce beim Corps Tigurinia Zürich18 wurde. Ulrich Wille war 15 Aus Helbling (wie Anm. 1), nach Seite 24. 16 Helbling (wie Anm. 1), Seite 18. 17 Matrikeledition der Universität Zürich Nr. 2889, www.matrikel.uzh.ch 18 Tigurinerverzeichnis Nr. 100 und KCL 1960 144, Nr. 100: Wille Ulrich, aus Meilen Kt. Zürich (xx), später (1866) Hallenser Preusse (Corps Borussia Halle), Dr. jur., Gutsbesitzer, 1914-1918 General der Schweizerischen Armee, Mariafeld bei Meilen am Zürchersee, gest. 31.1.1925. 6 hell begeistert und schrieb seinen Grosseltern im Frühling 1865: «Ich bin jetzt also Student und, was noch mehr sagen will, Fuchs des Corps Tigurinia. Und in dieser Eigenschaft, nach Abschüttelung des Staubs der lateinischen Folianten, möchte ich mit keinem König tauschen.» Es waren die Ideale von Freundschaft und Ehre, die er im Corps gepflegt sah, und es ist klar, dass auch das väterliche Temperament in ihm brauste.19 Das elitäre Weltbild des schlagenden Couleur-, insbesondere des Corpsstudententums, prägten Willes Gedanken- und Vorstel- lungswelt zeitlebens mit.20 Im Sommer 1865 gab es in Zürich sechs schlagende Verbindungen: Das Corps Tigurinia,21 gestiftet 11.11.1850 an der Universität, die Verbindung (später Corps) Alpigenia,22 gegründet 15.6.1855 am Polytechnikum, das Corps Rhena- nia,23 gestiftet 11.11.1855 am Polytechnikum, die Landsmannschaft Teutonia,24 gegründet am 15.12.1860 am Polytechnikum, die Landsmannschaft Baltica,25 gegründet am 24.6.1862 an der Universität und am Polytechnikum sowie die 19 Helbling (wie Anm. 1), Seite 20. 20 Heller (wie Anm. 13), Seite 429. 21 1923 suspendiert, 1927 in Köln rekonstituiert, 1931 in Köln suspendiert, 1932 als suspen- diertes Corps nach Zürich zurückverlegt. Am 30.6.2007 als Corps Tigurinia II in Zürich neu gestiftet. Eine Rekonstitution war nach Kösener Statuten nicht möglich, weil die Suspension mehr als 50 Jahre gedauert hatte und kein Alter Herr mehr lebte. 22 15.6.1866 unter dem Druck der mensurfeindlichen Stimmung am Polytechnikum Selbstauf- lösung.