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Die Kriegsmobilmachungen Von 1856, 1870 Und 1914

Die Kriegsmobilmachungen Von 1856, 1870 Und 1914

Die Kriegsmobilmachungen von 1856, 1870 und 1914

Autor(en): Lüem, Walter

Objekttyp: Article

Zeitschrift: ASMZ : Sicherheit Schweiz : Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift

Band (Jahr): 155 (1989)

Heft 7-8

PDF erstellt am: 04.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-59370

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http://www.e-periodica.ch ASMZ Nr.7/8/1989 machung 421 Vorwort Von Bundesrat Rudolf Minger zu: «Grenzbesetzung 1939», herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem EMD von Eugen Wyler u.a.. Murten 1940. Die «Sonntag, den 3. September 1939, war ich Zeuge der Vereidigung eines bernischen Ge- Kriegsmobilmachungen birgs - Infanterie-Regimen ts. Der Ernst und die Entschlossenheit, die auf den Soldaten-Gesichtern von 1856,1870 und 1914 zu lesen waren, und die Wucht der Überzeugung, die aus den Worten «Ich schwöre es!» zum Walter Lüem A usdruck kam, griffen ans Herz. Widersprüchliche Notwendigkeiten Mit dem Schwur, dem Vaterlande Die Auslösung einer die Treue zu halten, ist unsere Kriegsmobilmachung stellt in ihrer Militärisch erscheinen die Armee die Grenze Konsequenzen einer an gezogen, Gesamtheit einen staatspolitischen Kriegsmobilmachung getragen vom Vertrauen und der vorerst als einfach: Die Armee tritt Hoheitsakt mit weittragenden unter die Waffen, die militärischen Sympathie des ganzen um innen- und aussenpolitischen, zu erfüllen, die ihrer Schweizervolkes. Aufgaben wirtschaftlichen und militärischen Bestimmung entsprechen. Keine Armee Alle Welt weiss heute, dass Konsequenzen dar. In der ist so sehr auf die zeitgerechte unser Volk nicht den Durchführung und das nur festen Art und Weise, wie sie sich Gelingen ihrer Willen hat, seine Neutralität Mobilmachung angewiesen wie das Milizheer. zu abwickelt, wird sie recht eigentlich verteidigen, sondern dass wir in Denn erst mit der Mobilmachung zu einem «Testlauf» für das, was wird die Milizarmee als Kampfinstrument unserer Armee auch das Instrument die zivilen und militärischen überhaupt gebildet - im Gegensatz besitzen, um in Ausnützung Behörden in Friedenszeiten zum stehenden Heer, das jederzeit unserer günstigen Geländeverhältnisse vorbereitet haben. Aus allen einsatzbereit dasteht. Für die Miliz ist deshalb die Mobilmachung die erste jedem Angreifer, von Mobilmachungen, die hier woher er auch kommen und entscheidende Voraussetzung für mag, dargestellt werden, wurden jeweils ihre Existenz als Armee und damit für einen Widerstand entgegenzusetzen, die notwendigen Lehren gezogen, ihre Aktionsbereitschaft. Gelingt diese dessen Überwindung so dass jede nachfolgende erste Generalprobe, dann ist schon übermächtige Einsätze Truppen viel dass die an besser vorbereitet war als ihre gewonnen. Wichtig ist, und Kriegsmaterial erfordert. Miliz rechtzeitig mobil macht. Sie Vorgängerin. Dennoch blieben muss der Gefahr begegnen, gewisser- Mängel. massen in der Das kleine Finnland ist Vorbereitungsphase für angegriffen zu werden, bevor sie zur uns zum leuchtenden Beispiel Abwehr bereit ist. Dazu kommt, dass die und gleichzeitig auch Quelle des aus dem Zivilleben herausgerissene Selbstvertrauens geworden. Sein Truppe bei der Mobilmachung eine heldenhafter Kampf ist eine gewisse Zeit der Angewöhnung und Vorbereitung braucht. Eine Mobilmachung Bestätigung der Worte von muss daher eher zu früh als zu Albrecht von Haller, die am Beinhaus spät erfolgen. Die Vorzüge der von Murten geschrieben frühzeitigen Mobilmachung wiegen viel standen: schwerer als ihre Nachteile.

Schweiz - auch zu einer Begrenzung Schweizerischen Eidgenossenschaft aber auch den politischen Forderungen des Mitspracherechts der Kantone andererseits verursachte vorerst keine Nachdruck zu verleihen und die und nolens volens zu einer Ausdehnung Probleme. Mit dem Durchbruch der Vorbereitungen für einen kriegerischen der Kompetenzen des Bundes. demokratischen Ideen verstärkte sich Konflikt voranzutreiben. Dabei So gesehen bedeutet eine aber auch in Neuenburg die Tendenz blieb nichts dem Zufall überlassen, Generalmobilmachung eine radikale Umstellung zur Loslösung von Preussen, und im und beide Mittel wurden genau des ganzen staatlichen Lebens, Gefolge der Februarrevolution von berechnet und streng kalkuliert eingesetzt. eine Umstellung, die zu einschneidenden 1848 proklamierten die Neuenburger rechtlichen, aber auch zu Demokraten die Republik. Bestärkt wurde der Bundesrat in wirtschaftlichen Konsequenzen führt. Der Preussenkönig Friedrich seiner Haltung durch eine kräftige Die Generalswahl, die Truppenvereidigung, Wilhelm IV wollte aber auf Neuenburg Aufwallung des Nationalgefühls, das die Verschärfung des nicht verzichten, und im Londoner im «Roulez Tambours» beredten Militärstrafrechts, die Ausdehnung der Protokoll von 1852 anerkannten die Ausdruck fand. Die öffentliche Meinung Requisitionsbefugnisse, der Kriegsbetrieb europäischen Grossmächte das preus- stand geschlossen hinter dem der Verkehrsanstalten und sische Besitzrecht auf Neuenburg. Zu Entschluss der Landesregierung, einem andere Massnahmen verursachen einer Durchsetzung dieses Rechtes militärischen Vorstoss Preussens mit zusammen mit dem Vollmachtenregime boten sie aber nicht Hand. gleichen Mitteln entgegenzutreten des Bundesrates einen aussergewöhn- In der Nacht vom 2. auf den 3. und für die republikanische Form lichen Eingriff in das Leben der September 1856 schlugen die Neuenburger Neuenbürgs einen Krieg auf sich zu Nation. Royalisten los und besetzten das nehmen. Der wohl schwerste Eingriff liegt Schloss in Neuenburg. Die Bürgerwehren Auf diplomatischem Gebiet musste aber in den wirtschaftlichen der Republikaner eroberten die Schweiz auf gewiegte Vermittler Konsequenzen: Es scheiden nicht nur die aber das Schloss zurück und nahmen Rückgriff nehmen. Die sparsame arbeitsfähigsten Männer aus dem Ar- 480 Mann gefangen. Bauernrepublik unterhielt Gesandtschaften beitsprozess aus, was auf die Dauer Damit war der seit 1848 gewisser- nur in Rom und Wien. schwere Störungen der Wirtschaft und massen vorprogrammierte Konflikt Bundesrat Jonas Furrer wurde anfangs auch des öffentlichen und privaten eine Tatsache. Preussen forderte Dezember 1856 - eher zu spät - zu den Lebens befürchten lässt. Parallel dazu energisch die Freilassung der Gefangenen süddeutschen Staaten geschickt, um entstehen dem Staat jeden Tag ganz und drohte der Schweiz mit Krieg. Der diese von der Erteilung einer erhebliche Kosten, und dies zudem schweizerische Bundesrat blieb indessen Durchmarscherlaubnis an Preussen noch in einer Zeit, in der die Importe unnachgiebig, und insbesondere abzuhalten. Die Entsendung Johann Konrad und Exporte ins Stocken geraten oder Bundesrat Jakob Stämpfli bezog die Kerns zu Napoleon III. geschah gar gänzlich zum Erliegen kommen. Angst der Grossmächte vor einer erst, nachdem dieser nach einem Bei einer solchen Ausgangslage ist neuen Revolution geschickt in seine erfolglosen Vermittlungsversuch mit es verständlich, dass die politischen Überlegungen ein. So stellte er die Dufour den Preussen freie Behörden eine Mobilmachung so spät Freilassung nur für den Fall in Hand gegen die Schweiz eingeräumt als möglich verfügen, während von Aussicht, dass Preussen auf Neuenburg hatte. militärischer Seite immer mit guten endgültig verzichte. Die Krise spitzte sich über Gründen eine frühzeitige Mobilmachung Diesem seinem politischen Willen Weihnachten 1856 und den Neujahrstag verlangt wird. verlieh der Bundesrat Nachdruck, 1857 zu. König Friedrich Wilhelm IV Dieses Spannungsverhältnis indem er die militärische Abwehrbereitschaft verschob aber den auf den 2. Januar zwischen den politischen und militärischen erstellen liess und das Land auf angesetzten Mobilisationstermin dank Stellen muss laufend gelöst werden. einen Krieg vorbereitete. Nur dank der Vermittlung des Schaffhauser Das Armeekommando, das die der Intervention der Grossmächte und Historikers Heinrich Geizer. Verantwortung für den Schutz des nicht zuletzt dank der geschickten Bei den militärischen Massnahmen, Landes trägt, neigt naturgemäss dazu, englischen Diplomatie kam schlussendlich die letztlich in einer Mobilmachung die militärischen Anstrengungen so ein diplomatischer Vergleich gipfelten, unterscheiden wir zwischen hoch wie nur möglich zu treiben, während zustande, der einer friedlichen den vorsorglichen Massnahmen und die politischen Instanzen den Beilegung des Konfliktes den Weg öffnete, der eigentlichen Kriegsmobilmachung. militärischen Wünschen immer wieder indem Preussen im Juni 1857 auf Den vorsorglichen Massnahmen die Schranken der politischen und seine Neuenburger Souveränitätsrechte kam eine ganz besondere Bedeutung wirtschaftlichen Konsequenzen verzichtete. zu, weil damals auf eidgenössischer entgegensetzen müssen. Ebene keine Unterlagen dafür vorhanden waren und die Organisation Zentrale Rolle des Bundesrates sich lediglich auf Usanzen und Gesetze abstützte. Die Mobilmachung von 1856 Bei der Meisterung der Bedrohung trat die Bundesversammlung eher in Der Neuenburger Handel 1856/57 den Hintergrund, und der Bundesrat Ungünstige Voraussetzungen spielte eine überdimensionierte Rolle. Seit dem Wiener Kongress war Er ergriff sowohl politisch-diplomatische Die Vorbereitung der Mobilmachung Neuenburg ein Fürstentum des wie auch militärische Massnahmen, stand daher unter ungünstigen preussischen Herrscherhauses der Hohen- um seine Ziele durchzusetzen. Voraussetzungen, weil auf eidgenössischer zollern und zugleich Mitglied des Die beiden Mittel wurden gezielt Ebene weder ein schweizerischen Staatenbundes. Diese nebeneinander eingesetzt. Einerseits Mobilmachungsplan noch ein militärisches Staats- und völkerrechtliche Zwitterstellung ging es darum, die europäischen Gremium vorhanden war, das den als preussisches Untertanenland Mächte für die politischen Ziele der Bundesrat in allen diesbezüglichen einerseits und als Kanton der Schweiz zu gewinnen, andererseits Fragen hätte beraten können. Der ASMZ Nr.7/8/1989 42?

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Planskizze des Aufmarsches des ersten schweizerischen Aufgebots vom Dezember 1856

Bundesrat handelte aber entschlossen Finanzierung des Feldzuges stellte Ein Drittel der Armee und sorgte rechtzeitig für die nötigen Probleme. Die Eidgenossenschaft wird mobilisiert organisatorischen Massnahmen. So verfügte damals über Einnahmen in berief er anfangs Oktober 1856 General der Grössenordnung von 20 bis 21 Am 20. Dezember 1856 wurde die G.H. Dufour und den Artillerie- Millionen Franken, und sie musste Kriegsmobilmachung der 3. und Inspektor A. Fischer nach Bern und daher grössere Anleihen bei einem 5. Division angeordnet, wurden der bildete mit diesen beiden Persönlichkeiten Stuttgarter Bankier und in Sardinien ganze übrige Bundesauszug und die einen Kriegsrat. der dann im tätigen. Zur Versorgung von Armee Reserve auf Pikett gestellt. Damit hatten Dezember noch erheblich erweitert und Bevölkerung wurden Tausende zwei Divisionen ohne förmliche wurde. Dieser Kriegsrat stand unter von Zentnern Mehl in den USA und Pikettstellung und mit sehr kurzer dem Vorsitz von Bundesrat F. Frey- Roggen und Hafer in Deutschland Vorwarnzeit zur Kriegsmobilmachung Herose. Er blieb bis zur Wahl Dufours eingekauft. Die Pulvermühlen wurden anzutreten. Die Auslösung der als General bestehen und trat dann angewiesen, nur noch Kriegspulver Mobilmachung geschah durch den Bundesrat geschlossen in den grossen Generalstab herzustellen, und Lieferverträge für und stützte sich ab auf die über. Noch vor der Generalswahl Kriegspulver wurden mit Sardinien Bundesverfassung, die ihn in Fällen von wurde die Armee in grosse Verbände abgeschlossen. Dringlichkeit ermächtigte, die eingeteilt, und die Kommandostellen Bei der Erhöhung des erforderlichen Truppen aufzubieten und wurden besetzt. Frühzeitig veranlasste Bereitschaftsgrades und der Pikettstellung über solche zu verfügen unter Vorbehalt man auch militärische Rekognoszierungen sind vor allem die rasche Folge der einer unverzüglichen Einberufung an der Rheingrenze und selbst einzelnen Massnahmen und die geringe der Bundesversammlung. Diese wurde im badischen Vorland. All diese Vorwarnzeit bemerkenswert. Am auf den 27. Dezember einberufen, und Massnahmen konnten aber nicht 18. Dezember wurden die Kantone das Aufgebot von drei weiteren darüber hinwegtäuschen, dass während erstmals über den Ernst der Lage und Divisionen wurde erst vorgenommen, als Jahren keine systematische die kriegerischen Eventualitäten die Bundesversammlung am 30. Landesverteidigungsplanung betrieben worden informiert, und sie wurden eingeladen, Dezember 1856 die militärischen war. den Bundesauszug sowie die Reserve Massnahmen voll gebilligt hatte. Nach der Zur Überwachung der Mobilma- und die Landwehr in einen solchen ehrenvollen Wahl von General Dufour chungsmassnahmen des Gegners und Stand zu setzen, dass rasch über diese zum Oberbefehlshaber - er erhielt 130 der politischen Haltung der europäischen Mittel verfügt werden könnte. Auch von 140 Stimmen - wurden weitere Mächte veranlasste Bundespräsident auf eidgenössischer Ebene wurde eine Truppenaufgebote beantragt und Stämpfli die Bildung eines Erhöhung des Bereitschaftsgrades durch den Bundesrat bewilligt. Bis Nachrichtendienstes, der durch den angeordnet. Alle diese Anordnungen Ende Januar 1857 waren 29 300 Mann Basler Polizeidirektor Dr. Bischoff zu entsprachen faktisch einer Pikettstellung mit 1660 Pferden unter den Fahnen. einem leistungsfähigen Führungsinstrument der schweizerischen Armee, doch Der Gesamtbestand der Armee belief ausgebaut wurde. Auch die wurde dieser Begriff nicht verwendet. sich damals auf 104 354 Mann und auf 424 ASMZ Nr.7/8/1989

über 8000 Pferde. Zur Durchsetzung tungen auf eidgenössischer Ebene und von Schiffszwieback und gepressten seiner politischen Ziele musste der trotz allen Friktionen die angestrebten Gemüsetabletten nachgeführt werden, Bundesrat also fast einen Drittel der Ziele innert nützlicher Frist erreicht doch kehrte man sehr bald zur schweizerischen aufbieten. werden konnten. Armee Naturalverpflegung zurück. Bei den Für das der kantonalen Die rasche Erstellung der Aufgebot Sanitätsformationen legte man Wert und Stäbe die Kriegsbereitschaft und die Volk Truppen waren auf die Beweglichkeit der vom ganzen Kantonsregierungen zuständig. Diese getragene Verteidigungsbereitschaft Ambulanzwagen und bezog für den erstellten die entsprechenden Marschbefehle, beeindruckten das Ausland und Rücktransport der Verwundeten und Sektionschefs erwiesen sich ein Dezennium nach die dann über die Kranken die Eisenbahn mit ein. - nur dem als verteilt wurden. Das Einrücken Erstmals wurden auch in einem Sonderbundskrieg! - Kräfte, der Stäbe und und die Erstellung die den inneren Zusammenhalt der Truppen Feldzug alle Divisionshauptquartiere der Marschbereitschaft Eidgenossenschaft wieder erheblich zu erfolgte an das Telegrafennetz stärken vermochten. ohne grössere Friktionen. Ebenso angeschlossen. wurde energisch der Aufbau aller Dienstzweige an die Hand genommen. Als Kuriosum bleibt schliesslich die Es ging namentlich um den Kommissariats- Mobilmachung eines Bodenseegeschwaders und Versorgungsdienst, den zu erwähnen. Der General Die Mobilmachung von 1870 Parktraindienst, den Sanitätsdienst wollte damit verhindern, dass der sowie um den Einbezug des Telegraphen- Bodensee als Operationsbasis dem Gegner Der deutsch-französische Krieg - und Eisenbahndienstes und den in die Hände fiel. nicht unerwartet Aufbau der Armeejustiz. In den sechziger Jahren des vergangenen Bei der Mobilmachung war die Jahrhunderts bereiteten sich der der Beurteilung Erhöhung Beweglichkeit Frankreich und Preussen auf einen schweizerischen Armee erklärtes Der Aufmarsch wurde durch Krieg vor. Der Funke, der das Pulver- Ziel. So hatte man bereits bei der schlechtes Wetter starken Schneefall, fass zur Entzündung brachte, war an auf die - Armee-Einteilung Bildung schlechte Wegverhältnisse und sich unbedeutend. Dem süddeutschen verzichtet. Dann grosse von Armeekorps Kälte behindert. Dies führte vor Aristokraten Leopold von Hohenzol- wurde auch der Tross auf das - allem bei den Tessiner und Westschweizer lern wurde nach einem Putsch die Notwendigste beschränkt. Auf die Einheiten zu einem Zeitverzug, der spanische Königskrone angeboten. Er Organisation mobiler grosser in einigen Fällen dank der Eisenbahn lehnte ab, aber die französische Kriegswerkstätten wurde verzichtet, und wieder aufgeholt werden konnte. Die Diplomatie verlangte vom preussischen man stützte sich auf die zahlreichen Moral der Truppe war und es darf König eine Zusicherung, wonach diese zivilen mechanischen Werkstätten gut, abschliessend festgehalten werden, Kanditatur nie erneuert werden dürfte. ab. Die Verpflegung sollte in Form dass trotz unzulänglichen Vorberei¬ Der König lehnte höflich ab. Den

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Aufmarsch 1870 (Zeichnung Hans von Dach) ASMZ Nr.7/8/1989 42^

Bericht über diese Begegnung in Ems Das Militärdepartement entfaltete de gegen den Willen von General Herzog kürzte der preussische Ministerpräsident eine intensive Tätigkeit. Der Oberst Rudolf Paravicini zum vor der Polizeidirektor Wirz in Basel wurde angewiesen, Generalstabschef gewählt. Veröffentlichung so, dass daraus ein sehr Berichte über die Truppenbewegungen Dank dem raschen Erfolg der schroffer Wortlaut wurde. Nach dem im Elsass und im Badischen zu deutschen Operationen in Nordfrankreich Ehrenkodex der Diplomatie des beschaffen. In einem Kreisausschreiben konnte in der zweiten Hälfte August 19. Jahrhunderts war diese sogenannte wurden die Kantone aufgefordert, das Gros der Truppen wieder entlassen Emser Depesche eine Provokation. das Personelle in Ordnung zu bringen werden, und die Grenze wurde nur von Das französische Kabinett betrachtete und das Material in marschfähigen wenigen Sicherungselementen sie - unterstützt von der öffentlichen Zustand zu setzen. weitergehalten. Nachdem sich gegen Ende Meinung - als Kriegsgrund, und in des Jahres und im Januar 1871 die den Strassen von Paris erscholl der Kämpfe wieder in Richtung der Ruf: < und Paris In einer «Allgemeinen Instruktion» vorbereitet. Sie erfolgte nicht nur vom Militärdepartement, für sichere an die Divisionskommandanten frühzeitig, sondern wurde auch Kundschaft über die militärischen verfügte das Militärdepartement eine ungewöhnlich rasch und zielstrebig Rüstungen und Vorkehrungen der Armeeaufstellung hinter der durchgeführt. Die grossartige Demonstration beiden Mächte zu sorgen. Ferner wurde deutschen und französischen Grenze unseres Wehr- und Unabhängigkeitswillens es beauftragt, die geeigneten zwischen Schaffhausen und Pruntrut mit wurde vom Ausland sehr Massnahmen ins Auge zu fassen, damit die Basel als Mittelpunkt. Zwei Divisionen, wohl beachtet. Schweiz für den Ernstfall gerüstet die VI. mit Standorten zwischen Der österreichische Gesandte in dastehe zum Schutz ihrer neutralen Aare und Emme und die IX. im Räume Bern berichtete an seine Regierung: Stellung. Töss, Limmat und Rhein, wurden «Les armements suisses se fönt avec Einen Tag später wurden die ausdrücklich als Reserveverbände une activite extraordinaire.» - «La schweizerischen Gesandtschaften in bezeichnet. formation des divisions suisses et leur Berlin und Paris angewiesen, bei den Im Wortlaut der Befehle kommt concentration dans les positions, qui beiden Kriegsparteien zu erklären, deutlich das Fehlen eines Oberkommandos leur ont ete assignees sont presque dass die Schweiz ihre Neutralität mit zum Ausdruck. Der achevees. Tous ces mouvements se allem Nachdruck verteidigen werde. Oberbefehlshaber wurde erst am 19. Juli sont accomplis avec une regularite et Das Politische Departement wurde gewählt. erhielt 144 von celerite remarquable.» zudem angewiesen, eine öffentliche 151 gültigen Stimmen. Aus heutiger Verlautbarung im gleichen Sinne an Sicht erfolgte die Wahl eher zu spät. Diese positiven Feststellungen die Mächte aufzusetzen. Das Trotzdem musste die Vereinigte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, Militärdepartement musste Vorbereitungen Bundesversammlung vorerst noch den dass bei der Bildung und für eine Truppenaufstellung treffen, Antrag eines Nationalrates ablehnen, bedenkliche Mängel und das Finanzdepartement hatte die der die Wahl erst nach dem Austausch Ausrüstung traten. Diese Teil nötigen Geldmittel und Rohmaterialien der formellen zutage waren zum Kriegserklärung durch das für die Pulverfabrikation zwischen Preussen und Frankreich bedingt unglückliche Nebeneinander von Bund und Kanton vorzubereiten. vornehmen wollte. Einen Tag später wur¬ 430 ASMZ Nr.7/8/1989

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Mobilmachungsaufstellung 1914 (nach BAr. E 27/13 573)

lung zusammen, um dem Bundesrat in der Militärverwaltung. Mit der Obschon die Entwicklung seit Vollmachten für sein Handeln zu eher zentralistischen neuen Jahren auf einen Krieg zugesteuert geben und den vom Bundesrat getroffenen Militärorganisation von 1874 wurde hatte - wir erinnern an die Marokko- Massnahmen zur Wahrung von versucht, Remedur zu schaffen, aber und Balkankrisen und den Unabhängigkeit und Neutralität eine taugliche Lösung entstand nach Flottenwettbewerb, somit an Ereignisse, zuzustimmen. Am gleichen Tag wurde verschiedenen Anläufen erst mit der welche zu einer gefährlich gespannten auch Ulrich Wille mit 122 von 185 Militärorganisation von 1907. Lage führten -, war unser Land Stimmen als General gewählt. weder psychisch noch materiell auf Schliesslich gab der Bundesrat am einen Krieg vorbereitet. 4. August 1914 allen Staaten, die 1815 die Unverletzbarkeit und Neutralität der Schweiz anerkannt hatten, die Die vorsorglichen Massnahmen ausdrückliche Neutralitätserklärung der Schweiz bekannt. Psychisch und Die Mobilmachung von 1914 Als sich am 31. Juli 1914 die internationale materiell war unser Land auf einen Lage verschlimmerte - in Krieg schlecht vorbereitet. Insbesondere Der Ausbruch Russland erfolgte die Mobilmachung, steckte die wirtschaftliche des Ersten Weltkriegs in Deutschland wurde der Kriegszustand Kriegsvorsorge in den Anfängen. Auf erklärt -, trat der Bundesrat zu militärischem Gebiet sah es etwas besser Die Ermordung des österreichischen einer ausserordentlichen Sitzung aus. Generalstabschef von Sprecher Thronfolgerpaares am 28. Juni zusammen. Nachdem er schon am Morgen wie auch sein Vorgänger Arnold 1914 in Sarajevo erwies sich einen Monat desselben Tages die Pikettstellung Keller hatten zielstrebig Vorbereitungen später als der Anlass, der im der Armee beschlossen hatte, wurde für die Kriegsbereitschaft der europäischen Bündnissystem der Militärpakte vorsorglich die Mobilmachung der Armee getroffen. Mit der Militärorganisation Entente einerseits und ganzen Armee beschlossen. Der Auf- von 1907 und der Truppenordnung Dreibund andererseits zu einer unheilvollen, gebotsbeschluss erhielt aber nicht das von 1912 waren gute rechtliche aber fast vorprogrammierten Datum des 31. Juli, Tag des und organisatorische Grundlagen Kettenreaktion führte und damit den Pikettstellungsbeschlusses, sondern das des vorhanden. Zudem war nicht nur ein Ersten Weltkrieg auslöste. 1. Äugst. Diesem Zeitpunkt entsprechend verfeinertes Mobilmachungssystem Ende Juni und anfangs August konnte der 1. Mobilmachungstag erstellt worden, sondern auch ein einziges folgten sich die Kriegserklärungen auf Montag, den 3. August 1914, Bereitstellungsdispositiv für alle Schlag auf Schlag, und bereits am gelegt werden. Bereits am 1. August möglichen Fälle sowie verschiedene 3. August besetzte Deutschland wurde der Landsturm für Aufmarschpläne. Das Zerstörungsnetz Luxemburg und marschierte in Belgien Bewachungsaufgaben aufgeboten. Am war vorbereitet, und die Festungen ein. 3. August trat die Bundesversamm¬ von St. Maurice und St. Gotthard wa- ASMZ Nr.7/8/1989 431

ren in gutem Zustand. Die logistischen keit, sich an seinem Platz in den Keine der historischen Mobilmachungen Vorbereitungen blieben dagegen Gesamtorganismus einzufügen und wurde von innen oder aussen weitgehend im Gedanklichen stecken. einander in die Hände zu arbeiten. Der gestört. Saboteure und Terroristen Zudem bestanden mündliche und auch Ernst von jedem empfundene grosse waren ebenso unbekannt wie schriftliche Abmachungen für allfällige des Moments dabei auch eine spielte die Bedrohung aus der Luft. Zusammenarbeit mit dem Rolle.» Die guten Erfahrungen der drei deutschen und dem österreichischen Mobilmachungen sind daher nicht Generalstab, nicht aber analoge einfach in die Zukunft projizierbar. Vereinbarungen mit den Generalstäben der Schlussbetrachtungen Die heute immer kürzer werdenden Entente. Vorwarnzeiten wie auch die Tatsache, Die von 1856/57, Mobilmachungen dass eine künftige Mobilmachung K-Mob 1870 und 1914 erfolgten alle rechtzeitig, erfolgte planmässig mit einer an Sicherheit und diese drei gelungenen grenzenden Wahrscheinlichkeit stark Am Samstag, den 1. 1914, Generalproben stärkten nicht nur das August gestört wird, zwingen uns dazu, diesen 8.30 Uhr, wurden die Selbstvertrauen der Armee, sondern um neuen Formen der Bedrohung Mobilmachungstelegramme erlassen. In 80 bewirkten auch im Ausland einen mit adäquaten Mitteln zu begegnen. Minuten waren sie vom Haupttelegraphenbüro günstigen Eindruck. Zudem lässt sich in Bern aus in den drei festhalten, dass aus allen Mobilmachungen Landessprachen an alle schweizerischen die nötigen Lehren gezogen Literaturverzeichnis Telegraphenbüros abgegangen. Das wurden, und es war eigentlich jede Beck, Roland. Roulez tambours - Einrücken der Truppen und der besser vorbereitet als ihre Vorgängerin. Politisch-militärische Aspekte des Neuenburger Mobilmachungsorgane verlief planmässig. Konflikts zwischen Preussen und der Wie von Sprecher in seinem Dieses positive Gesamturteil muss Schweiz 1856/57. Frauenfeld 1982. Aktivdienstbericht ausführt, «bezog nach in dreifacher Hinsicht etwas korrigiert Bonjour, Edgar. Geschichte der Beendigung der Mobilmachung jeder werden: Schweizerischen Neutralität: Drei Jahrhunderte marschbereite Truppenkörper die ihm So halten alle drei Generäle fest, eidgenössische Aussenpolitik, Basel 1946. - Die Schweiz und durch den im dass die mobilisierten nicht Europa. Ausgewählte Mobilmachungsplatz Truppen Reden und Aufsätze, Band 5. Basel 1977. auf eine der Hinblick allgemeine denjenigen Grad Kriegstüchtigkeit Dufour, Guillaume Henri. Bericht über Grenzbewachung vorgeschriebene und der Kriegsbereitschaft die Bewaffnung und den Feldzug von 1857, Mobilmachungsaufstellung in der Nähe seines aufwiesen, den der Krieg erfordert hätte, vom 15. April 1857. Corpssammelplatzes oder im und «der hätte vorhanden sein müssen, Frey, Emil. Die eidgenössische Grenzgebiet. Einige Verschiebungen um sofort einer Invasion Grenzbesetzung von 1870/71, SA aus der Allgemeinen nach der Südfront unterblieben, weil entgegentreten zu können» (Wille). Schweizerischen Militärzeitung Italien nicht in den Krieg eintrat. Die Bei allen drei Mobilmachungen 1916. - Generalmobilmachung 1914. Sonderbeilage vorgeschriebenen Märsche und sämtliche zeigt es sich, dass keine wirtschaftliche «Der Bund», 30. Juli 1964. Bahntransporte konnten Kriegsvorsorge vorhanden und war, Hofer, Viktor. Der Schweizerische planmässig werden. Mobilmachungen alles in letzter Minute ausgeführt erst improvisiert Generalstab, Volume II: Die Zeit des in bezug auf die werden musste. Auch im militärischen Weiterausbaus, Basel 1983. Mobilmachungsaufstellung waren auf den Bereich waren noch 1914 die logistischen Jacky, Ed. L'Occupation des Frontieres vorgesehenen Zeitpunkt beendigt, das Vorbereitungen weitgehend nur Suisses en 1870-1871 et l'Entree en Suisse heisst mit den hintersten Trainformationen im Gedanklichen vorhanden. de l'Armee Francaise de l'Est, Neuchätel am 6. Mobilmachungstag. Damit - Zudem fällt auf, dass der General 1914. war die volle Marschbereitschaft jeweils erst relativ spät gewählt wurde Kurz, Hans Rudolf. Erinnerung an zwei «Der Juli erreicht. In diesem konnte und dass auch die Weisungen des Mobilmachungen. Fourier», Augenblick 1964. der Aufmarsch der Armee beginnen.» Bundesrates den General allem an vor Lezzi, E. Bruno, 1914. General Ulrich Von der bei den beiden Mobilmachungen Mobilmachungsaufstellung ersten Wille und die Kriegsbereitschaft der ging die Armee in eine erste strategische ungebührlich lang auf sich warten schweizerischen Armee. Band 13 der Bereitschaftsstellung über, welche liessen. Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft am 12. August 1914 bezogen war. Aus heutiger Sicht erfolgten die drei und Konfliktforschung, Osnabrück Mobilmachungen unter einer ganzen 1975. Beurteilung Reihe von günstigen Voraussetzungen: Rapold, Hans. Der Schweizerische Generalstab, Volume V: Zeit der Bewährung? Die den Ersten 1907— Über das Gelingen der Mobilmachung So war die Vorwarnzeit in jedem Epoche um Weltkrieg 1924, Basel 1988. hat General Ulrich Wille Fall und die noch weitgehende gross, Senn, Hans. General Hans Herzog berichtet: «Die Mobilmachung der des - allgemeine Beachtung Gepflogenheiten Sein Beitrag zur Entwicklung der dass bei Kriegsausbruch erwies sich Völkerrechtes führte dazu, die in schweizerischen Armee, Aarau 1945. als richtig und sorgfältig vorbereitet. einen Konflikt verwickelten Staaten Wille, Ulrich. Bericht an die Bundesversammlung Die Mobilmachung verlief überall klar unterschieden zwischen dem über den Aktivdienst 1914/18, planmässig, ohne Friktionen, pro- Friedens- und dem Kriegszustand. 3. Auflage, Bern 1926. grammgemäss und in der dafür Bestände angesetzten Zeit. Das war die Folge ihrer trefflichen Vorbereitung durch den Generalstab und durch die 1856 1870 1914 Militärverwaltungsbehörden des Bundes und Mann 29300 37423 238000 der Kantone, aber auch die Folge des grossen, natürlichen Sinnes unseres in % des Gesamtbestandes der Armee 28% 18,5% 100% Volkes für harmonische Ordnung und Pferde 1660 3541 50000 der sich aus ihm ergebenden Leichtig¬