Freitagnacht-Kryptos: Die Seeschlange(n) des Comer Sees

Seit 1946 wird regelmäßig von einem Ungeheuer berichtet, das im malerischen Comer See in Italien lebt – Dutzende Sichtungen sind bereits registriert.

Der Comer See bei Varenna, ausnahmsweise ohne Seeschlange

Nun schien es fast so, als sei das Rätsel aufgeklärt: Am Ufer wurde eine Riesenschlange angeschwemmt.

Wie die Zeitung „Provincia di Como“ am 3. September 2021 auf ihrer Homepage berichtet, wurde in Sorico, am nördlichen Seeende, ein vier Meter langer Python tot aufgefunden. Er lag am Ufer des Flusses Mera, der aus den Alpen kommend dort in den See mündet.

Der Kadaver der Riesenschlange. Foto: La Provincia

Ein (ungenannter) „sehr verängstigter“ deutscher Tourist habe das Tier entdeckt und sofort Alarm geschlagen. Er sei zuerst sehr erschrocken gewesen, habe dann aber festgestellt, dass sich das Tier nicht mehr bewegte. Er verständigte unmittelbar die Provinzpolizei. Als die Polizeipatrouille das Tier untersuchte, stellte sie fest, dass es definitiv tot war.

Ein Sprecher der Polizei identifizierte die Riesenschlange als Python – ein Tier, das am oberen Comer See und dem nahen Naturreservat Pian di Spagna natürlich nicht vorkommt. Der Kadaver war vier Meter lang und maß etwa zwanzig Zentimeter im Durchmesser.

Es müsse sich um ein ausgebüxte „Haustier“ handeln, mutmaßte die Polizei (bereits in den Vorjahren wurden Pythonkadaver im Gardasee angeschwemmt). „Es gibt spezielle Schlangenfarmen, allerdings nicht in der Provinz Como“, erklärte Marco Testa, der Kommandant der Provinzpolizei. „Eine gezüchtete Python ist eigentlich wenig gefährlich, sie kann sich aber an jede Art von Tier klammern, auch an große, die sie zerquetscht und dann auffrisst; das gleiche könnte natürlich auch einem Menschen passieren.“

Er nimmt an, dass die Python ihrem Halter entkommen sei und dann verhungerte, weil sie keine Nahrung fand. Er schätzte das Alter des verendeten Tieres auf 15 Jahre. (Quelle:La Provincia vom 3. September 2021)

Seeschlangen sind im Comer See lange bekannt

Das Dorf Argegno in der Lombardei, hoch über dem Comer See

Ein ganzes Kapitel meines Buchs „Die Seeschlange vom Comer See“ widmet sich den Sichtungen ab 1946.

Es wurde allerdings bereits in der Renaissance von riesigen Fischen im See gemunkelt, und seit Fertigstellung des Buches bin ich noch auf drei weitere Berichte vor 1946 gestoßen.

Max Nohl 1858

Der Königliche Baumeister Max Nohl (1830-1863), Architekt u.a. der Synagoge Berlin und des Kristallpalasts Köln, unternahm 1858 eine Reise nach Italien, deren Tagebuch posthum veröffentlicht wurde. Es heißt darin im Eintrag vom 8. August 1858 in Cadenabbia:

„Manche kleine heitere Ereignisse, … die vermeintliche Seeschlange“ (Max Nohl: Tagebuch einer italienischen Reise. Stuttgart: Ebner und Seubert 1866, S. 53).

Leider verraten die kargen Worte nicht, was mit der „vermeintlichen Seeschlange“ gemeint war – ein Seil, das wie eine schwimmende Schlange wirkte, oder Wellen, die eine echte, große Seeschlange vortäuschten – oder noch etwas anderes.

Virginia Johnson, 1902

Die in Brooklyn geborene Schriftstellerin Virginia Johnson (1849–1916) verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Europa. In ihrem Reisebuch „Lake Como: a world’s shrine“ schreibt sie über die Fischer des Sees:

„Wer kann schon sagen, welche Fabelwesen die Tiefen des Sees verbergen, halb Ungeheuer und halb Wassermann, an die die Alten glaubten? Die Felsüberhänge sind trügerisch, man vermag die Leichen der Ertrunkenen nur selten zu bergen. Welche Furcht, wenn sich diese Formen zuweilen in den Netzen verfangen!“ (Virginia Johnson: Lake Como: a world’s shrine. A. S. Barnes & company, 1902, S. 192)

Ian H. Discoll, 1945

Über Ian H. Driscoll weiß ich nur, dass er Bücher über Flugzeuge und die Weltkriege schrieb. Er muss irgendwann vor 1945 den Comer See besucht haben. Eine seiner Bekannten, eine Frau namens Daphne, angelte damals ein Ungeheuer im See:

„Wir fuhren weiter zur Villa Carlotta [bei Tremezzo am Südwestende des Sees], dort mieteten wir uns ein Boot und verbrachten den Sommerabend mit Angeln. Wir hatten kein besonderes Glück, doch Daphne ließ das Boot in einem wilden Augenblick des Enthusiasmus fast kentern, als sie sich einbildete, sie hätte einen Wal am Haken. Als wir die Schnur schließlich eingezogen hatten, fanden wir am Haken nichts außer ihrem Wurm, der unangetastet war. Sie aber duldete – trotz dieser unbestreitbaren Tatsache – keinen Widerspruch, nichts weniger als das Ungeheuer vom Loch Ness hätte sie am Haken gehabt.“ (Ian H. Driscoll: Mercury sped on. J. Crowther & Goodsman, 1945, S. 133)

Promenade am Comer See

Buchtipp

Sie sind nach wie vor eines der beliebtesten Reiseziele der Deutschen und waren seit Jahrhunderten der Ort, an dem Menschen aus dem Norden – darunter Goethe – zum ersten Mal den mediterranen Charme des Südens fühlten: die oberitalienischen Seen.

Fünf große und mehrere kleine Seen, alle in Flusstälern gelegen, die durch Gletscher während der letzten Eiszeit ausgeschliffenen wurden, strecken sich wie Finger von der heißen Po-Ebene bis in die schneebedeckten Alpen. Es ist ein uraltes Kulturgebiet, mit Felszeichnungen der Menschen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit, es ist auch die Gegend, aus der viele der großen klassischen römischen Autoren kamen: Plinius der Ältere und der Jüngere aus Como, Vergil aus Mantua, Catull aus Verona und Livius aus Padua.

Ein solch historisch und touristisch erschlossenes Gebiet sollte keine Geheimnisse mehr bergen – und doch: Kaum jemand weiß, dass die oberitalienischen Seen Ungeheuerseen sind, vergleichbar mit dem schottischen Loch Ness. In den meisten dieser Seen werden von den Anrainern und von Touristen immer wieder Ungeheuer gesichtet. Hat der dunkle Moorsee Loch Ness ein eigenes düsteres Flair, so ist bei den Alpenseen Italiens eigentlich kaum vorstellbar, dass die Existenz eines überlebenden Sauriers von den klassischen Autoren, den Gelehrten der Renaissance und den Tourismusmanagern übersehen worden sein sollte. Und doch sehen Augenzeugen dort unheimliche Wesen aus den blauen Fluten auftauchen. Dieses Buch erzählt die Geschichte des Ungeheuers vom Loch Maggiore, vom Lariosaurus des Comer Sees, der Hydra des Idro-Sees und von den Drachen und Monstern in Orta-See, Gardasee, Iseo-See, Po und Etsch.

Die Seeschlange vom Comer See: Geheimnisvollen Seeungeheuern im Gardasee, im Comer See und im Lago Maggiore auf der Spur Sie sind nach wie vor eines der beliebtesten Reiseziele der Deutschen und waren seit Jahrhunderten der Ort, an dem Menschen aus dem Norden – darunter Goethe – zum ersten Mal den mediterranen Charme des Südens fühlten: die oberitalienischen Seen.

Fünf große und mehrere kleine Seen, alle in Flusstälern gelegen, die durch Gletscher während der letzten Eiszeit ausgeschliffenen wurden, strecken sich wie Finger von der Anzeige heißen Po-Ebene bis in die schneebedeckten Alpen. Es ist ein uraltes Kulturgebiet, mit Felszeichnungen der Menschen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit, es ist auch die Gegend, aus der viele der großen klassischen rö- mischen Autoren kamen: Plinius der Ältere und der Jüngere aus Como, Vergil aus Mantua, Catull aus Verona und Livius aus Padua.

Die Seeschlange vom Comer See ist 2009 bei Twilight-Line erschienen und hat als Taschenbuch 228 Seiten.

Mit dem Kauf über den Link unterstützt ihr den Betrieb dieser Website. Freitagnacht-Kryptos: König Arthus und eine Alien Big

Um 1260 berichtet Etienne de Bourbon die Geschichte, wie ein savoyischer Holzfäller am Mont du Chat einer Jagdgesellschaft begegnete. Es handelte sich um König Arthus mit seinem prachtvollen Gefolge. Aber wie in Sagen üblich, schlief der Holzfäller auf einem Diwan ein und erwachte auf einem Reisigbündel.

König Arthus, noch ohne Katze.

Eine andere Variante der Sagen um den britischen König Arthus rund um den Genfer See und Savoyen erzählt davon, wie Artus mit „einer riesigen Katze“ kämpft. Nach ihr bekam der Berg dann seinen Namen (Ashe gibt keine Quelle).

Mont-du-Chat in Savoyen (Foto: Torsade de Pointes, CC0)

Ashe fügt aber an, dass diese Erzählung eine aus Wales übernommene Sage ist, hier lebt auf der Insel die Riesenkatze „Palugs“, in Savoyen heißt sie dann „Chapalu“ (=Katze Palugs).

Es handelt sich also leider nicht um eine frühe „Alien “ in der Schweiz …

Der Herkunftsort der Katze: Blick auf die walisische Insel Anglesey (Foto: Tim Felce, CC SA-BY 2.0)

Quelle:

Geoffrey Ashe: König Arthur. Die Entdeckung von Avalon. Düsseldorf: Econ1986, S.167f. Vom traurigen Schicksal des „Kanalschwimmers“

Neben dem einzigen einheimischen Wal an den deutschen Küsten, dem Schweinswal, verirren sich auch immer wieder verschiedene Arten von Klein- und Großwalen in deutsche Gewässer.

In den letzten Jahren wurde es schon fast zur Tradition, dass sich ein Delfin in die Flensburger-, Eckernförder- oder Kieler Bucht verirrte und sich hier zum Teil über mehrere Wochen aufhielt (so 2017-2020). Sehr zur Freude der Einheimischen, der Touristen und natürlich auch der Presse, die dann regelmäßig Schnappschüsse der exotischen Besucher abdruckt (wir berichteten).

Die Tiere sind hier natürlich verschiedenen Gefahren ausgesetzt, so etwa Verletzungen durch Motorboote oder Krankheiten. Auf die Idee, die Tiere zu Bejagen, käme heutzutage vermutlich kaum ein Mensch. Das war aber nicht immer so, wie folgender trauriger Fall zeigt.

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Walfangs der Nordfriesen Selbst heute gibt es gegen Ende des Februars in vielen Orten der nordfriesischen Küste noch das beliebte Biikebrennen. Dieser Brauch erinnert an längst vergangene Zeiten, in denen zahlreiche Männer Nordfrieslands am 22. Februar jeden Jahres von den Angehörigen mit den weithin leuchtenden Feuern verabschiedet wurden, bevor sie zum Walfang aufbrachen. Weitere Überbleibsel aus der Blütezeit des Walfangs sind Grabsteine auf den Inselfriedhöfen, Kachelbilder in alten Häusern, auf denen Schiffe und Walfangszenen zu erkennen sind, oder Walfangkiefer als Trophäen vor Föhrer Kapitänshäusern. Wenn man sich näher mit dem Walfang der Nordfriesen im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigen will, gestaltet es sich allerdings schwierig, ausreichend Literatur zu finden. Die meisten Werke beschäftigen Anzeige sich oft nur sehr ausführlich mit der geschichtlichen Entwicklung eines einzigen Ortes. Manchmal ist es auch zweifelhaft, ob alle überlieferten Informationen der Wahrheit entsprechen. Nur wenigen Menschen ist es heute geläufig, dass die Nordfriesen auf den Inseln und Halligen ihr Leben einst komplett auf den Walfang umgestellt hatten und wie sehr der Walfang ihre regionale Sozial- und Wirtschaftsgeschichte über zwei Jahrhunderte nachhaltig beeinflusst hat.

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Walfangs der Nordfriesenist eine veröffentlichte Studienarbeit der Uni Flensburg aus dem Jahr 2003. Sie wurde mit 1- bewertet und stellt eine einzigartige Sammlung historischer Quellen dar.

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Ein Großer Tümmler im Nord-Ostsee- Kanal

Bereits 1929 verirrte sich ein Großer Tümmler in den Nord- Ostsee-Kanal (damals noch Kaiser-Wilhelm-Kanal) und sorgte für eine Sensation. Drei Wochen lang, so berichten die Kieler Neuesten Nachrichten am 12.10.1929, habe sich das Tier, das über eine Schleuse in den Kanal gelangt sei, in diesem getummelt und sei von vielen Menschen beobachtet worden.

Kieler Neueste Nachrichten 12.10.1929

Die Fischer der Region waren allerdings nicht begeistert. Für sie war der Kanalschwimmer eine Jagdkonkurrenz und sie behaupteten, er würde ihre Fangerträge massiv verringern. Sein trauriges Schicksal zeichnete sich ab. Also machte man sich am Nord-Ostsee-Kanal auf die Jagd und am 12. Oktober 1929 wurde der Kanalschwimmer dann von Fischern aus Holtenau erlegt. Im Internet lässt sich noch ein Foto finden, dass die stolzen Fischer vor ihrer erlegten Trophäe zeigt.

Inzwischen ist der „Kanalschwimmer“ Bestandteil der Zoologischen Sammlung in Kiel und sein präpariertes Skelett kann hier besichtigt werden. Das Skelett des „Kanalschwimmers“ im Zoologischen Museum in Kiel (Foto: André Kramer)

Heutzutage würden Gesetze eine solche Bejagung verbieten und der Aufschrei der Öffentlichkeit wäre groß (obgleich die Bejagung von Tieren wie Fuchs und Dachs ebenso zweifelhaft ist). Doch in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war der Gedanke an Artenschutz noch nicht derart etabliert. So wurde der Seehund an den deutschen Küsten durch Bejagung (auch er galt als „Fischdieb“) fast ausgerottet (Borkenhagen 2011, S. 446 f.). Heute können Touristen wieder hunderte dieser Tiere bei Bootsausflügen bestaunen und sich an ihnen erfreuen.

Zufriedene Seehunde vor Büsum 2021 (Foto: André Kramer)

Gleichzeitig sind die Ausnahmegäste der Delfinfamilie in unseren Gewässern nicht immer unproblematisch. Aus noch nicht gänzlich geklärten Gründen neigen sie nämlich dazu, unseren einheimischen Schweinswal, der etwa 1,80 Meter lang wird, zu attackieren und zu töten. Größer noch, ist die Gefahr für Schweinswale allerdings durch die Stellnetze der Fischerei.[1]

Quellen

Borkenhagen, Peter: Die Säugetiere Schleswig-Holsteins. Husum: Faunistisch-Ökologische Arbeitsgemeinschaft e. V. 2011

Harfst, Michaela: Warum töten Delfine Schweinswale in der Ostsee? Auf: Warum töten Delfine Schweinswale in der Ostsee? – Whale and Dolphin Conservation Deutschland (whales.org) 23.01.2017

A.: „Kanalschwimmer“ Tümmler – Erledigt. In: Kieler Neueste Nachrichten 12.10.1929

[1] Vgl. Harfst 2017

Freitagnacht-Kryptos: Der Monster-Alligator

Beitrag aus dem Eau Claire Leader, 30. August 1910:

„Die Anwesenheit meines Mannes und Schwagers und zweier anderer Männer hat wahrscheinlich nur meine Nichte Selma Schauder und mich daran gehindert, letzten Donnerstagnachmittag vor Schreck fast zu sterben. Wir sahen einen riesigen Alligator mit offenem Mund auf uns zuschwimmen und ein wildes Zischen von sich geben.“, sagte Mrs. H. Peterson aus Chicago. Es gab einen Bericht, dass sie in Grass Lake in der Nähe der Stadt einen lebenden Alligator gesehen habe.

Was macht so ein Alligator in der ruhigen Landschaft von Wisconsin?

„Mr. Peterson und mein Schwager, William Schauder, Stadtschatzmeister von Clintonville, fischten in den Wasserpflanzen entlang Gibson’s Island. Jenseits des Sees, von unserem Cottage aus, machten uns Selma und ich in einem anderen Ruderboot auf den Weg zu ihnen. Ich lernte gerade rudern und es ging langsam. Die Männer kamen aus dem Schilf, kurz bevor wir dort ankam, hörte ich zunächst Selma, meine kleine Nichte, schreien. Ich sah mich um und sah einen etwa zwei Meter langen Alligator auf dem Wasser auf uns zuschwimmen. Es war nur etwa zwei Meter von uns entfernt, als ich meine Ruder fallen ließ und um Hilfe schrie.“

So macht es das Krokodil – Das Sexualleben der Tiere Die Fortpflanzung ist die entscheidende Triebfeder der Evolution. Lisa Signorile führt uns anhand ebenso amüsanter wie teils höchst skurriler Beispiele aus den fünf wichtigsten Wirbeltiergruppen systematisch und in unverkrampftem Ton durch die verschiedenen Teilgebiete der Fortpflanzungsbiologie. Welche Fantasien haben Knochenfische? Sind Haie Exhibitionisten? Sind Krokodile tatsächlich Erektionskünstler? In diesem Buch lernen wir Anzeige wirklich alles über das Sexualleben der Tiere – vom Balzverhalten über die Kopulation, die Anatomie der Geschlechtsorgane und die Brutpflege, bis hin zu Selbstbefriedigung und Homosexualität im Tierreich.

So macht es das Krokodil: Das Sexualleben der Tiere ist 2017 im btb-Verlag erschienen und hat als Taschenbuch 224 Seiten. Es ist auch für den Kindle erhältlich.

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Mississippi-Alligator

Die Männer konnten den Alligator vertreiben

Die Männer waren nur etwa sechs Meter entfernt und kamen so schnell wie möglich heran. Gerade als Mr. Peterson sein Ruder hob, um dem Alligator über den Kopf zu schlagen, tauchte er ins Wasser. Er entkam zwischen den Pflanzen. Mr. Peterson und Mr. Schauder sowie zwei Männer aus Chicago, die am Pine Lake campen und zu dieser Zeit ebenfalls in der Nähe waren, bestätigen Mrs. Petersons Bericht über den Vorfall. Alle sind sich einig, dass der Alligator zumindest sechs Fuß lang, sein Kopf etwa einen Fuß lang und seine Augen so groß wie die einer Kuh waren.

Abend über den Gewässern von Wisconsin

Die Camper und Urlauber, insbesondere aus Chicago und Milwaukee, freuen sich über die Entdeckung eines hungrigen Alligators in den Clover Leaf Lakes. So hate sich der Zeitvertreib der Männer rasch vom Angeln und Bootfahren nun zur Jagd auf den Alligator geändert. Viele spotteten über die Vorstellung, dass ein Alligator in den Gewässern eines Wisconsin-Sees leben kann. Aber niemand kann dann wirklich sagen, was in den letzten drei Tagen von mindestens einem Dutzend Menschen gesehen wurde. Manche sagen, es könnte eine große Schlammschildkröte gewesen sein, ein Stör oder ein Hecht. Nichts entspricht den Beschreibungen der Zeugen.

Wo kommt das Reptil her?

Vor ungefähr dreizehn Jahren schickte ein Freund aus dem Süden einen etwa achtzehn oder zwanzig Zoll langen Alligator zu Richard Jackson, einem Restaurantbesitzer in der Stadt. Vor zwölf Jahren übergab Mr. Jackson den Alligator an A.C. McComb, den Holz- und Immobilienhändler von Oshkosh. Er hat das Resort am Pine Lake, einem der drei Seen in der Gruppe, die als Clover Leaf Lakes bekannt sind, gebaut. Mr. McCombs hat diesen, nachdem er mehrere Wochen in einem kleinen Teich gehalten wurde, in den See geworfen und seitdem nicht mehr gesehen.

Der Japanische Fischotter – Versuch eines schwierigen Portraits 1

Eine Schönheit am Fluss

Nicht gewohnt, in der Dunkelheit zu gehen, dachte Genzo, der beste Weg nach Hause führe entlang des Ufers vom Nosaiji- Fluss. Es war weit mehr als nur ein bisschen unheimlich, so alleine durch die Nacht zu laufen. Keine Menschenseele befand sich in der Nähe…das war zumindest das, was er dachte.

Doch plötzlich beobachtete er Etwas…eine menschliche Gestalt. Die Person war nicht am Laufen, sie stand einfach da, mit dem Gesicht in Richtung Fluss.

“Eine Frau hier nachts, ganz allein”… so murmelte er verwundert vor sich hin.

Als er näher kam, bemerkte er, dass die Frau auf sehr elegante Weise schlank war, mit feinen abfallenden Schultern [diese Statur ist traditionell ein ästhetisches Symbol in Japan, sic!]. “Eine wahrhafte Schönheit…” dachte er. “Was für ein Glück hat mir das Schicksal beschert! Eine schöne Frau ganz alleine nachts am Fluss zu treffen. Ich muss ihr Gesicht sehen!”

Spurloses Verschwinden in den Fluten

Er näherte sich der Gestalt, und sein Herz schlug vor Vorfreude schneller, doch dann…PLATSCH! Da verschwand sie im Fluss.

“WAS IN ALLER WELT?!” Überrascht schnellte Genzo runter zum Wasser und spähte nach unten. Nichts. Nicht einmal eine Welle.

“Warte einen Moment. Vor ein paar Sekunden stand hier noch eine schöne Frau mit abfallenden Schultern, genau hier! Ich bin mir sicher!”

Genzo dachte, alles war so komisch war, das ihm gerade passiert war…vermutlich war er von einem Fuchs getäuscht worden.

Genzo dachte “Warte einen Moment. Vor ein paar Sekunden stand hier noch eine schöne Frau mit abfallenden Schultern, genau hier! Ich bin mir sicher!”

Eine Frau?

Als er nach Hause kam, wollte er Allen von seinem seltsamen Erlebnis erzählen, aber er zögerte, denn er hatte Zweifel, dass man ihm Glauben schenken würde.

Aber eines Tages gestand Genzo sein seltsames Erlebnis nun doch einem Freund. Er beschrieb, was er gesehen hatte, eine elegante dünne Frau mit schönen abfallenden Schultern mit Blick auf den Fluss, und die alsbald mit einem Platschen im Wasser verschwand.

Nachdem er die Erzählung von Genzo gehört hatte, wandte sich der Freund ihm zu und sagte ihm: “Es war keine Frau, es war ein Fischotter!”

Ein Japanisches Volksmärchen aus Tsuchiura

(erzählt nach Avi Landau/Tsuku Blog)

Ein schlafender japanischer Rotfuchs, hat er Genzo getäuscht?

Realer “Wassergeist” mit Symbolkraft…

Das japanische Folklore hat ihre Wassergeister. Allen voran ist da der Kappa, eine amphibienartige Kreatur, die die Flüsse bewohnen soll. Doch mit dem Japanischen Fischotter (gegenwärtig noch: Lutra lutra nippon, ehemals: Lutra lutra whiteleyi) hatte die Insel auch einen sehr realen Würdenträger aquatischer Spiritualität. Seine Herrschaft in Japans Flüssen ist, so scheint es, allerdings schon lang vorbei. 1979 wurde das letzte Mal ein Otter in freier Wildbahn dokumentiert (Yoshikawa et. al., 2017: 329). Das vormoderne Japan zollte “seinem” damals noch weit verbreiteten Otter einen gewissen Respekt, sprach ihm sogar Seele und Geist zu (TsukuBlog). Noch heute ist Lutra lutra nippon das offizielle Symbol der Ehime Präfektur (Animal Fandom). Auch die sehr erfolgreiche japanische Manga-Serie Doraemon, deren fiktive Hauptfigur es 2008 zum Kulturbotschafter Japans brachte, widmete den japanischen Fischottern eine ganze Folge (Staffel 8, Folge 8).

Historisches Bild des Japanischen Fischotters von Kanno Tayo zwischen 1635 und 1642

…und wissenschaftliches Anliegen der Nation

Japans Wissenschaft war indessen stets bemüht, die Eigenständigkeit “ihres” Otters hervorzuheben. Japans bekannter Zoologe Yoshinori Imaizumi, der sich auch schon bei Japans kleiner, endemischer Wolf-UnterartCanis lupus hodophilax für den eigenen Artstatus ausgesprochen hatte (Knight, 1997: 135), vertrat dieselbe Position auch in einer morphologischen Studie über den Japanischen Fischotter (Imaizumi & Yoshiyuki: 1989). Zumindest wäre das der Fall für die Exemplare von den Inseln Honshū und Shikoku. Diese klassifizierte er von nun an als Lutra nippon, während er die Exemplare aus Japans Nordinsel Hokkaido weiterhin als Unterart des Eurasischen Fischotters sah und sie in geläufiger Weise alsLutra lutra whiteleyi führte (Waku & Sasaki, 2016).

Die Mythen des alten Japans In den altjapanischen Mythen spiegeln sich die Facetten einer faszinierenden ostasiatischen Kultur, die Mentalität und Weltsicht des modernen Japan bisweilen immer noch prägt. Die ‚Aufzeichnung alter Geschehnisse‘ und die ‚Annalen Japans‘, beide im 8. Jahrhundert n. Chr. entstanden, erzählen in kraftvoller, bildreicher Sprache von den Schöpfergottheiten, vom Anfang der Welt und den zahllosen Abenteuern, die zu bestehen waren, ehe die Macht von den Göttern auf die Menschen Anzeige übergehen konnte. Für diesen Band hat die Japanologin Nelly Naumann die alten mythischen Texte neu übersetzt und mit höchst anschaulichen Erklärungen und Informationen versehen.

Die Mythen des alten Japan ist ein tiefgründiges, komplexes Buch. Es hat 320 Seiten und ist 2011 beim Anaconda-Verlag erschienen.

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Ein späteres Paper gab ihm Recht, was die Eigenständigkeit des Japanischen Fischotters betrifft. Hierbei wurden die mitochondrialen Cytochrome eines 30-Jahre alten ausgestopften Exemplars untersucht. Die Sequenzen zwischen dem Japanischen Otter und dem Eurasischen Fischotter waren demnach sogar grösser als jene zwischen zwei getrennten Spezies der Gattung Mustela. Explizit bezog sich dieses Paper daher schon beim Japanischen Fischotter auf den Namen einer eigenen Art, Lutra nippon. Die Autoren betonten allerdings auch, dass eine längere Gensequenz notwendig sei, um das Verhältnis zwischen dem Japanischen und dem Eurasischen Fischotter eindeutig zu klären. Und hier könne nur ein frisches Sample Abhilfe verschaffen (Suzuki et. al., 1996: 625).

Produkt der geographischen Isolation?

Aus ebendiesem Grund mahnen rezente Studien, die sich mit dem Problem befassen, zur Vorsicht (Roos et. al., 2015). Doch auch kommen nicht umhin, eine ältere phylogenetische Otterlinie in Betracht zu ziehen, die sich vom Eurasischen Otter Lutra lutra unterscheidet. Interessanterweise unterscheiden sich die Japanischen Otter von ihren „Nachbarn“, den eurasischen Fischottern auf der koreanischen Halbinsel sogar noch stärker als die „Koreaner“ von ihren Artgenossen in Eurasien. Offenbar war die japanische Population sehr lange geographisch isoliert. (Han Chan et. al., 2019: 231 – 232). Verbreitung der beiden Otter(unter)arten in Japan. Vermutlich besiedelten sie auch die küstennahen Inseln, dies ist jedoch oft nicht belegt

Dazu würde passen, dass das ehemalige Verbreitungsgebiet dieser Linie nicht die Nordinsel Hokkaido mit einschloss (Han Chan et. al., 2019: 228). Hokkaido war offenbar für neuerliche Besiedelungen vom asiatischen Festland weitaus leichter zu erreichen. In dieselbe Richtung weist auch ziemlich klar der genetische Status von Japans Wölfen, welche ebenfalls zwei verschiedene Abstammungslinien repräsentieren und sich die Nordinsel Hokkaido und die Südinsel Honshū klar untereinander aufteilten. So wie es gegenwärtig aussieht, gehörte Honshūs „Bonsai-Wolf“ Canis lupus hodophilax auch einer älteren Stammlinie an (wir berichteten). In diesem Sinne würde auch der Japanische Fischotter die geographische Isolation von Honshūs einheimischen Tierpopulationen dokumentieren.

Sympatrische Koexistenz?…

Allerdings stellt sich die Situation bei Japans Ottern nicht ganz so klar dar wie bei Japans Wölfen. Eine Studie aus dem Jahre 2016 kam zu dem paradoxen Ergebnis, dass sogar in Japans isolierter Insel Honshū dereinst offenbar zwei verschiedene Otter-Abstammungslinien existiert haben. Denn ein aus der Präfektur Jogashima (Westen von Honshū) stammendes Präparat wurde von den Autoren dem Eurasischen Fischotter zugeordnet, das sich von dem Vertreter des Japanischen Fischotters unterschied! (Waku et. al., 2016. zitiert nach Han Chan et. al., 2019: 232) Es wird angedacht, dass es auf Japans südlichen Inseln parallel zwei verschiedene Otter-Arten (oder Unterarten) gegeben hat, die durch reproduktive Barrieren voneinander getrennt waren. In der Biologie nennt man so etwas Sympatrie. Daraus würden sich dann auch die festgestellten Unterschiede der beiden japanischen Exemplare erklären (Han Chan et. al., 2019: 232).

… fragwürdig

Gleichzeitig dämpft die Studie diese optimistischen Erwartungen. Erstens fehlt für eine Sympatrie jeder weitere Beweis. Auch eine Landbrücke vom Kontinent über die Nordinsel Hokkaido zum Fundort im Honshū hat es zur datierten Zeit des Otters nicht gegeben (Waku & Sasaki, 2016). Ferner ist nicht klar, ob das untersuchte Präparat des Eurasischen Otters überhaupt ursprünglich aus der Region stammt oder eingeschleppt wurde (Waku et. al. zitiert nach Han Chan et. al., 2019: 233). Am Fundort florierte dereinst die Tiefseefischerei und so könnte der Otter in Booten vom Kontinent her nach Japan gelangt sein (Waku & Sasaki, 2016). Es hilft dabei nicht wirklich, dass nur wenige Präparate zuverlässige Information über ihre Herkunft haben (Han Chan et. al., 2019: 229). Sofern also nicht mehr Vergleichsobjekte aus derselben Region vorliegen, ist der Standpunkt zweier verschiedener Otter-Populationen nicht legitim.

Aquarell auf einer Briefmarke von 1974

Nach wie vor: ungeklärter Status der japanischen Fischotter

Ganz allgemein muss zur systematischen Einordnung des Japanischen Fischotters gesagt werden: Es steht zwar fest, dass es genetische Unterschiede zwischen dem Japanischen Fischotter und seinen Eurasischen Vettern gibt. Ob diese Unterschiede allerdings ausreichen, um von einer eigenen Art zu sprechen, lässt die gegenwärtige Beweislage schlicht und ergreifend nicht zu. Es steht der Wissenschaft einfach nicht genug stichhaltiges Probenmaterial zur Verfügung, das eine solche Schlussfolgerung zulassen würde. Daher wird vorerst davon abgeraten, den Japanischen Fischotter als Vertreter einer regionalen, endemischen Spezies zu klassifizieren (Han Chan et. al., 2019: 232 – 233). Wie gesagt: Erst mehr (und frischere) Samples könnten Lichts ins Dunkel bringen. Vorerst bleibt der Status des Japanischen Fischotters also ungeklärt.

Nominale taxonomische Stellung der japanischen Fischotter Der japanische Fischotter entspricht weitgehend morphologisch vom eurasischer Fischotter. Er ist etwas länger als große Individuen eurasischer Fischotter und sein Schwanz ist mit 60 bis 70% der Körperlänge deutlich länger (53 bis 60% beim eurasischen Fischotter). Die 1989 erfolgte Artbeschreibung basierte vor allem auf dem Schädel. Er ist kräftig gebaut mit großem Gesichtsschädel. Die Lage einiger Fenster wie des Foramen ovale unterscheidet sich vom eurasischen Fischotter. Auch einige wichtige Proportionen sind anders. In der Erstbeschreibung wird eine andere Form des „Rhinaliums“ erwähnt. Dies ist vermutlich ein Übertragungsfehler des Wortes „Rhinarium“, des Nasenspiegels. Er zieht sich beim japanischen Fischotter höher die Nase herauf.

Auch genetisch gibt es Unterschiede. Nach der Erstbeschreibung von 1989, wurde 1996 das Cytochrom b-Gen untersucht, da nur ein unvollständiges Genom vorlag und Sequenzierungen damals aufwändig, langwierig und teuer waren. Dieses Gen ist ein sehr altes Gen, das bei verwandten Arten nur wenige Unterschiede aufweist. Für Marder hat man einen Unterschied von mindestens 3,5% im gesamten Genom als Mindestdifferenz zur Unterscheidung zweier Arten festgelegt. Der japanische Fischotter unterscheidet sich im Cytochrom b-Gen um 3,6% vom eurasischen Fischotter. Gemeinsam mit den Unterschieden am Schädel und dem längeren Schwanz reicht das für eine formale Art-Unterscheidung aus. Da die japanischen Fischotter (fast?) ausgestorben sind, sind Kreuzungsexperimente nicht möglich.

Beide Methoden ergänzen sich und lassen den Japanischen Fischotter berechtigt als eigene Art dastehen. Auch eine Untersuchung von 2019 bestätigt diese Einschätzung. Sie ist hier im Volltext zu lesen.

Ein taxonomisches Detail gibt es dennoch anzumerken. Der japanische Fischotter ist zunächst als Unterart des eurasischen Fischotters beschrieben worden. Sein Name lautete Lutra lutra whiteleyi. Bei der Erstbeschreibung der Art verwendeten die Autoren – vermutlich aus patriotischen Gründen – Lutra nippon. (Nippon ist ein traditioneller Name für Japan). Taxonomisch ist das jedoch falsch, wenn eine Unterart in den Artstatus erhoben wird, erlangt der Unterart-Name den Status eines Artnamens. Ein neuer Artname wird nicht vergeben. Dem entsprechend müsste der Japanische Fischotter Lutra whiteleyi heißen.

Die Redaktion

Sein taxonomischer Status bleibt ungeklärt und Japans Flüsse bleiben ohne Otter

Unter die Räder auf Japans Weg in die Moderne

Japans politische Moderne war hier mal wieder schneller als die Wissenschaft. Der Japanische Fischotter war auf der Insel früher weit verbreitet. Sogar in den Kanälen und Wasserwegen der Hauptstadt Tokyo soll er einst sehr zahlreich gewesen sein. Seine Anpassung an die aquatische Umwelt wurde ihm jedoch auf Japans Weg in die Moderne zum Verhängnis. Die Liberalisierung des Handels mit dem Ausland machte die warmen Otterpelze zu einem wertvollen Exportprodukt.

Raubtiere der Welt Von den Katzen, Hyänen und Mangusten bis zu den Bären, Hundeartigen, Skunks und Mardern: dieses umfassende Werk porträtiert alle Raubtiere (Carnivora) der Welt. Trumpf des Buches sind die 86 Farbtafeln mit mehr als 300 wissenschaftlichen Zeichnungen einzelner Spezies, Subspezies und Farbvarianten. Sie werden vertieft durch 340 Abbildungen von Schädeln und Fußabdrücken. Zu jeder Art liefern die Autoren detaillierte Informationen, wie Verbreitung und Lebensraum, Ernährungsökologie, Sozialverhalten, Fortpflanzung, Mortalität und Anzeige Gefährdungsstatus. Zusätzlich ergänzen aktuelle Verbreitungskarten im Internet das Buch. Ein zoologischer Feldführer, den auch naturinteressierte Laien immer wieder gerne in die Hand nehmen werden.

Raubtiere der Welt: Ein Feldführer ist ein gebundenes Buch. Es hat 240 Seiten und ist 2012 bei Haupt erschienen. Für Umfang und Ausstattung ist der Preis erstaunlich niedrig, was an integrierter Werbung für eine Tierschutz-Organisation liegen mag.

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Außerdem waren sie bei japanischen Siedlern und Soldaten, die sich in der Kälte von Chinas Mandschurei niederließen, sehr beliebt. Den Tieren stellte man rigoros mit Fallen nach – zu Tausenden wurden sie noch am Anfang des 20. Jahrhunderts gejagt. Hinzu kamen noch die Zerstörung des Lebensraumes und die Umweltverschmutzung. Flussufer wurden zubetoniert, Pestizide töteten die Lebensgrundlage, Fischernetze und Straßenverkehr machten den Tieren zu schaffen. In fast allen Teilen des ursprünglichen Verbreitungsgebiets waren die Otter nach dem Zweiten Weltkrieg schon verschwunden (TsukuBlog).

Wie so oft bei diesen tragischen Geschichten reduzierte sich der Lebensraum der bedrohten Art bald nur noch auf ein kleines, entlegenes Rückzugsgebiet. Im Falle des Japanischen Otter war das die Kochi-Präfektur auf der südlichen Insel Shikoku.

Die Präfektur Kochi liegt an der Südküste der Insel Shikoku

Tragischer Showdown in der Kochi- Präfektur

Von dort liegt uns die letzte gesicherte Existenz von Japanischen Ottern vor (TsukuBlog, Scientific American). Wir schreiben das Jahr 1979. Otter tollen in einem Fluss bei der Kleinstadt Susaki am Fluss Shinjo. Die Region weist den höchsten Waldanteil von ganz Japan (ca. 80 %) auf (TsukuBlog). Dennoch wird der Otter in diesen Jahren oft gesehen (Yoshikawa et. al., 2017: 329). Langsam aber sich regen sich in der lokalen Presse auch die Stimmen für den Schutz der Tiere, nachdem man den starken Rückgang der Populationen in den 1960- er Jahren nahezu ignoriert hatte (Yamamoto & Ando, 2011: 33).

Die Präfektur Kochi ist eine subtropische, aber sehr gebirgige Landschaft

Besser zu spät als nie? – das ist heute wieder mal (wie so oft) eine Angelegenheit der Kryptozoologie.

Zwei Fischotter im Shinjo-Fluss?

Und als wäre dieses Ende nicht schon tragisch genug: es gibt sogar mehrere Fotos von diesem unwiederbringlichen Moment. Sie zeigen Japans letzten dokumentierten endemischen Otter (Yoshikawa et. al., 2017: 329; Scientific American, 2012). Wie eine Auswertung der Fotos und Sichtungsberichte ergab, könnten zwei verschiedene Tiere den Fluss Ende der 1970-er Jahre bewohnt haben, denn die gesehenen Tiere zeigten unterschiedliche Verhaltensweisen und unterschieden sich auch auf den Fotos. Ein Otter hat eine Narbe am Hals, der Andere nicht. Für die Zeit danach gibt es keine zuverlässigen Information für die Präsenz von Ottern am Shinjo-Fluss (Yoshikawa et. al., 2017: 325).

Einer der beiden japanischen Fischotter, die 1979 in Kochi fotografiert wurden

Auf der Nordinsel Hokkaido waren die Otter indes schon längst verschwunden – der letzte dokumentierte Otter datiert auf das Jahr 1955. Er war am Akinokawa-Fluss gefangen worden (Murakami et. al, 2017: 5).

Der andere, 1979 fotografierte Otter zeigt eine deutliche Narbe am Hals

Doch nicht ausgestorben?

Es gab nur ein einziges Zoo-Exemplar des Japanischen Otters. Das Tier lebte von 1956 bis 1969. Es wird angenommen, dass dieses eines der letzten seiner Art gewesen ist (Cryptomundo). Japans Kultur- und Wissensgemeinschaft wollte das Verschwinden seines Otters jedoch nicht so einfach akzeptieren. Zahlreiche Bürger wollen Fischotter nach 1979 beobachtet haben (TsukuBlog). Und auch von offizieller Seite war man, so scheint es, anfangs noch optimistisch.

Ein drittes Foto von 1979, es zeigt wieder das Tier mit der Narbe

Im nahezu gleichen Wortlaut kursiert im Internet der folgende Text der englischen Wikipedia-Seite über die Suche der Otter von den Jahren 1991 – 1996. Leider fehlen genauere Quellenangaben oder mehr Details. Zumindest findet sich im japanischen Netz eine externe Quelle, welche die Funde bei der Expedition aus dem Jahre 1991 – 1992 teilweise bestätigt (siehe hierzu: Yoshikawa et. al., 2017: 335). Als Quelle wird der Bericht des japanischen Professoren Yoshihiko Machida von der Kochi-Universität genannt (Machida, 1998).

Ich habe hierzu kurz und leider nur oberflächlich mit einer japanischen Muttersprachlerin Rücksprache gehalten. Sie sagte, dieser Text habe tatsächlich zahlreiche Referenzen aus den Jahren 1992 bis 1999, allerdings beziehe sich der Inhalt auf weit ältere Zeitperioden.

Derselbe Professor wird in einem Artikel des Mainichi aus dem Jahre 2017 rezitiert, wie er sich auf die Otter-Expeditionen von 1992 bis 1999 bezog. Hierbei kritisierte er die Durchführung. Denn diese beschränkten sich nämlich nur auf die Küstenregionen und hatten nicht die gesamte Präfektur im Blick. Sie erfüllten daher auch nicht die Bestimmungen, die gemäß der International Union for Conservation of Nature (IUCN) eingehalten werden müssen, um eine Art für ausgestorben zu erklären.

Die spätere Erklärung der Japanischen Umweltbehörde zum Status des Otters (siehe unten) sei daher nicht legitim (Mainichi News vom 28. März 2017).

Kurzum: Es gab diese Expeditionen wohl tatsächlich. Dennoch mahnt der Verfasser dazu, die folgenden vier Abschnitte mit der nötigen Distanz zu lesen. Der Vollständigkeit halber sollen sie aber dennoch erwähnt werden, – auch um dem Leser das Sortieren von belegter und nicht belegter Information im Netz zu ermöglichen.

Erste Suche 1991 – 1992

Im Dezember 1991 machte sich die japanische Umweltbehörde in Kooperation mit der Lokalverwaltung der Präfektur von Kochi (in der der letzte wilde Otter gesichtet wurde) auf, um nach Hinweisen auf überlebende Otter zu fahnden. Im März 1992 fand sie tatsächliche Haare und Exkremente, von der man glaubte, dass diese von einem Otter stammten. Darüber hinaus fand sie 10 Fußspuren und zehn weitere Exkrement-Proben. Eine Analyse des Querschnitts eines Haares soll ergeben haben, dass es von einem Otter stammte. Somit wurde dieses Haar-Sample als solider Beweis für die Fortexistenz des Japanischen Otters gesehen (nicht ausreichend belegt, so zu finden auf: Englischer Wikipedia-Seite, AnimalFandom u.a.)

Ergänzung: Bei dieser Expedition handelt es sich wohl um die drei Untersuchungen im südwestlichen Teil von Kochi, von denen Yoshihiko Machida in einem Paper aus dem Jahre 1998 spricht. Dabei wurde 1992 ein Haar in tierischen Exkrementen gefunden. Der Fundort befand sich im Dorf Kuroshio-chō. Wie eine Rasterelektronenmikroskopie ergab, gehörte dieses Haar dereinst einem Japanischen Fischotter (Machida, 1998 zitiert nach: Yoshikawa et. al., 2017: 335).

Der zweite Teil dieses Beitrages mit Infos zu weiteren Suchexpeditionen und aktuellen Erkenntnissen sowie dem Literaturverzeichnis zum Download erscheint voraussichtlich am Donnerstag, 27. Mai 2021.

Wer Interesse an der streckenweise recht ähnlichen Geschichte des Japanischen Wolfes hat, möge sich hier umsehen:Der Shamanu – Japans realer Geisterwolf

Wolfsangriffe 1: Frankreich im Mittelalter und der frühen Neuzeit

Autor Karl-Hans Taake hat für diese Arbeit eine Reihe historischer Texte über mutmaßliche Wolfsangriffe in Frankreich vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert analysiert. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf den räumlichen und zeitlichen Verteilungsmustern mehrerer Serien dieser Angriffe. Darüber hinaus hat er einen Bericht über eine Reihe von Angriffen in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg studiert.

Erstaunlich viele Tote durch Wolfsangriffe

Der französische Historiker und Universitätsprofessor Jean- Marc Moriceau veröffentlichte 2016 sein BuchHistoire du méchant loup (übersetzt: Geschichte des bösen Wolfs). Darin publizierte er die Ergebnisse seiner Forschung zu den potenziellen Angriffen räuberischer und tollwütiger Wölfe auf Menschen im historischen Frankreich. Er hat Daten zu 8672 Angriffen „räuberischer Wölfe“ zu 3731 Angriffen „tollwütiger Wölfe“ gesammelt. Ein „Sonderfall“ mit mutmaßlich 6000 Opfern am Ende des 16. Jahrhunderts in der Westbretagne kommt noch hinzu.

Eines der Stereotypen um den Wolf ist der „heulende Wolf“, im 15. Jahrhundert sicher ein verbreitetes Geräusch

Auf der Grundlage historischer Quellen und Projektionen schätzt Moriceau, dass die Angriffe von räuberischen (nicht tollwütigen) Wölfen in Frankreich von 1571 bis 1870 zwischen zwei und 1475 Opfern (verletzt oder tot) kosteten. Die niedrigsten Zahlen mit zwei bis drei jährlichen Opfern entstanden in den Jahren 1841 bis 1870. Im Zeitraum von 1571 bis 1600 gab es bis zu 1475 Opfer pro Jahr. Vergleichbare Zahlen von Wolfsangriffen gibt es in keinem anderen Land. Dies ließ Taake aufhorchen, er hat in den von Moriceau untersuchten Texten nicht nur die Zahlen, sondern auch Einzelbeobachtungen untersucht.

Deutschlands wilde Wölfe Lange waren sie ausgerottet, doch langsam kehren sie zurück: frei lebende Wölfe in Deutschland. Dass sie keine Bestien sind, sondern Wildtiere mit ausgeprägtem Familienleben, zeigt Anzeige dieser Bildband in faszinierenden Bildern von Wölfen in freier Natur. Der Biologe, renommierte Naturfotograf und Filmemacher Axel Gomille räumt auf mit den Märchen über dieses faszinierende Tier, das bald wieder seinen Platz in Deutschlands Wäldern einnehmen wird.

Deutschlands wilde Wölfe ist 2017 bei Frederking & Thaler erschienen und hat 168 Seiten. Als gebundenes Buch kostet es € 29,99, für den Kindle ist es günstiger.

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Im 100-jährigen Krieg

Der 100jährige Krieg prägte Frankreich und im Spätmittelalter. Dieser Abnutzungskrieg begann als 1377 als Aneinanderreihung von Auseinandersetzungen. Er zog sich mit Unterbrechungen bis 1453 hin. Einer der Hintergründe war die Rolle des englischen Königs, der in Personalunion auch Herzog von Aquitanien und somit auch für den französischen Thron erbberechtigt war. Hinzu kamen innerfranzösische Konflikte in Südwestfrankreich, hauptsächlich zwischen Armagnac und Bourguignon. Hinzu kam zu Beginn des Krieges die erste große mittelalterliche Pest-Epidemie, die 1348 und 1349 ganz Frankreich überzog.

Chroniques von Jean Froissart – zeitgenössische Miniatur der Schlacht von Auray 1364

Schon bald war Frankreich durch den ständigen Bedarf an Soldaten, Zerstörungen und Plünderungen durch die Heere und die Kriegswirtschaft ausgelaugt. Städte und Dörfer waren zerstört. Deserteure und Männer, die vor der Rekrutierung geflüchtet waren, lebten in Form von Räuberbanden in den Wäldern. Auf dem Land und in den Städten fehlten überall Arbeitskräfte, Langzeitkulturen wie Obst und Wein mussten mühsam wieder aufgebaut werden. Oft fehlte mit den Männern auch das Knowhow für Spezialkulturen.

Fehlende Genauigkeit der Aufzeichnungen

In dieser Zeit waren es häufig nur die Kirchen, die überhaupt noch Chroniken schrieben. Die Pastoren waren zwar der Schrift und ihrer heiligen Schrift mächtig, sonst aber nicht unbedingt gebildeter, als ein durchschnittlicher Dorfbewohner. Daher enthalten ihre Berichte über Wolfsangriffe laut Moriceau wahrscheinlich Vereinfachungen und Verzerrungen, insbesondere wenn der Autor kein Augenzeuge der Ereignisse war.

Die Schlacht von Azincourt in einer zeitgenössischen Darstellung

Dennoch argumentiert Moriceau, dass die Genauigkeit und die Anzahl dieser Zeugnisse ausreichen, um die Zweifel zu zerstreuen. Ab 1421 sind Wolfsangriffe auf der Île-de-France belegt. Bis 1439 sollen dort Dutzende Menschen getötet worden sein, einige innerhalb der Stadtmauern von Paris. „Zu dieser Zeit, besonders als der König in Paris war, waren die Wölfe so eifrig, das Fleisch von Männern, Frauen oder Kindern zu essen, dass sie in der letzten Septemberwoche (1439) 14 kleine und große Personen töteten (…) und wenn sie eine Viehherde fanden, sie griffen den Hirten an und ließen die Tiere in Ruhe.“ Im November 1439 wurde ein „schrecklicher und schrecklicher Wolf“ getötet, der angeblich für „mehr Schmerz als alle anderen [Wölfe]“ verantwortlich war.“ Die Chroniken beschreiben diesen Wolf als schwanzlos und nannten ihn Courtaut.

Am Ende des Hundertjährigen Krieges wurden die Leichen von Gefallenen, nur oberflächlich „in Dörfern und Feldern“ begraben. So konnten die Wölfe sie ausgraben.

Wolfsbegegnungen: Von Wölfen in freier Wildbahn Wölfe faszinieren Jürgen Borris seit mehr als 50 Jahren. Schon als Kind zog es ihn hinaus in die Natur, später las er begeistert Jack Londons Wolfsblut. Als junger Mann reiste er ins finnische Karelien und fotografierte dort seine Anzeige ersten frei lebenden Wölfe. Die Tiere ließen ihn nicht mehr los – und zu Beginn des neuen Jahrhunderts bekam Jürgen Borris als erster Fotograf das aus der Lausitz eingewanderte Rudel in der Lüneburger Heide vor die Kamera. In »Wolfsbegegnungen« nimmt der mehrfach ausgezeichnete Naturfotograf aus dem niedersächsischen Solling die Leserinnen und Leser mit zu seinen Begegnungen mit den Wölfen.

Wolfsbegegnungen ist neu, am 31. März 2021 bei Müller Rüschikon erschienen und hat 160 großformatige Seiten. Es ist als gebundenes Buch für € 29,90 erhältlich.

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Tollwut oder Konditionierung?

Karl-Hans Taake hat diese Berichte der Wolfsangriffe analysiert und kommt zu mehreren Schlussfolgerungen. So wird das Wort „enragé“, „Wut“ verwendet. Dies und die Tatsache, dass nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch erwachsene Männer angegriffen wurden, interpretiert er als Anzeichen für tollwütige Tiere.

Andere Berichte, nach denen die Angreifer das Vieh ignoriert haben, deutet er in anderer Weise. So zweifelt er an der Bestimmung der Angreifer als Wolf, insbesondere wenn ungewöhnliche morphologische Merkmale beschrieben werden. Das Wort „court“ bedeutet „kurz“. „Courtaut“ würde also „Kurzschwanz“ bedeuten. Kurzschwänzige Raubtiere fielen auch 1751 in Frankreich und in den 1670ern in Deutschland Menschen an.

Die Hugenottenkriege (1562 – 1598)

Kaum hatte sich die Bevölkerung wirtschaftlich und sozial vom Aderlass des 100jährigen Krieges erholt, begann mit der einsickernden Reformation der nächste Konflikt. Sieben kurze und ein mehr als achtjähriger Konflikt endeten schließlich in einem Toleranzedikt Heinrich IV. und – erneut – in einem ausgelaugten Land, das politisch nun auf ein zentralistisches Königtum ausgerichtet war.

Le massacre de la Saint-Barthélemy, die blutige Bartholomäusnacht des Jahres 1572, gemalt von François Dubois (1529–1584)

„Am Ende der Religionskriege, die städtische und ländliche Gebiete mit Feuer und Blut bedeckten, finden sich in den Erzählquellen zahlreiche Hinweise auf [Wolfs]-Angriffe.“, zitiert Taake Moriceau. Doch er ist mit diesem Schluss nicht einverstanden. Zahlreiche Quellen aus der Provinz Velay und der Bretagne belegen scheinbar Wolfsangriffe in den Häusern. Offenbar waren die angreifenden Wölfe Menschenfleisch gewohnt, da sie sich an unbestatteten Leichen bedienten. Zweifel hat Taake ebenfalls an der Aussage, dass den Wölfen das Vieh auf den Weiden egal war und die Wachhunde in einen Hinterhalt lockten und töteten. Der zeitgenössische Chronist Moreau interpretierte Wölfe, die so klug handelten als Werwölfe.

Werwölfe oder nur Gerede?

Moriceau betrachtet es als Zeichen von Moreaus Glaubwürdigkeit, dass Moreau sich von jenen Zeitgenossen distanziert, die glaubten, dass die Wölfe, die so klug handelten, Werwölfe waren. Schöller, der Wolfsangriffe im historischen Deutschland analysierte, betont dagegen, dass diese „verallgemeinerte, vage und ungenaue Aussagen in den Quellen über Wölfe, (…) die ein bloßes atmosphärisches Bild liefern, ohne genau anzugeben, wo und wann genau welche Tiere und Menschen unter welchen Umständen Opfer von Wölfen wurden“. Sie sollten mit Vorsicht interpretiert werden. Dies ist umso relevanter, als die chronikführenden Gemeindepfarrer zur Zeit der französischen Religionskriege zwischen „Opfern von Wölfen“ und „anderen Wildtieren“ unterschieden.

Moriceau, so Taakes Kritik folgt dieser Differenzierung nicht. Er bezeichnet praktisch alle menschenfressenden „Bêtes“ („Bestien“, die in Frankreich in historischer Zeit aufgetaucht sind, als Wölfe. Darüber hinaus kann die mündliche Weitergabe von Berichten über einen Angriff ohne Übermittlung des Namens des Opfers oder des Datums und des Ortes des Angriffs zur Folge haben, dass ein einzelner Angriff in Quellen als mehrere Angriffe erscheint.

Rezenter Grauwolf

Aus zoologischer Sicht wäre es sehr ungewöhnlich – so argumentiert Taake weiter – wenn Wölfe das Vieh auf den Feldern ignorieren und stattdessen Menschen angreifen würden. Selbst ein einzelner, unbewaffneter Mensch ist verglichen mit einer Ziege oder einem Schaf eine wehrhafte Beute. Ein einfacher Ast als Knüppel erhöht die Durchsetzungsfähigkeit gegen einen Wolfsangriff noch einmal deutlich.

Umkehrung der Kausalität?

Wenn Wolfsangriffe zur Zeit der Hugenottenkriege tatsächlich in größerem Umfang stattgefunden hätten (was Taake nicht für belegt hält), hätte es einen ganz anderen Kausalzusammenhang zwischen unbestatteten Körpern und Wolfsangriffen auf geben können. Moreau (wieder dieselbe Quellenerzählung) berichtete laut Moriceau, dass in der unteren Bretagne „am Ende der Religionskriege die Leichen über die Stadtmauern geworfen wurden, damit sie von Wölfen oder Hunden gefressen zu werden“.

Wölfe sind fakultative Aasfresser. Durch eine übermäßige und leicht verfügbare Versorgung mit „Nahrung“ in unmittelbarer Nähe menschlicher Gemeinschaften oder sogar innerhalb von Siedlungen könnten zu einer positiven Konditionierung der Wölfe geführt haben. Dies wiederum wird dann zu gefährlichen Auseinandersetzungen zwischen Wolf und Mensch führen.

Wölfe sind auch Aasfresser, wenn sich die Gelegenheit bietet. Und die bot sich im zusammengebrochenen Frankreich der frühen Neuzeit oft.

Oder sind Wolfsangriffe nur eine einfache Erklärung?

Zur Zeit der französischen Religionskriege ereignete sich die dramatischste Serie von Wolfsangriffen, die jemals irgendwo gemeldet wurde: „In der Diözese Cornouaille [in der Bretagne] sollen mehr als 6000 Einwohner verschwunden sein. Sie wurden von Wölfen in den Wäldern und Wäldern verschlungen, wohin sie sich vor dem Krieg zurückgezogen haben.“

Also kamen laut dieser Quelle, mehr als 6000 Menschen, die hatte versucht hatten, vor den Kriegsgräueln in die Wälder zu entkommen, nicht zurück. Taake hält den Schluss zu kommen, dass diese Menschen von Wölfen getötet wurden, zu Recht für eine sehr gewagte Interpretation: Kriegsflüchtlinge versuchten, in Wäldern zu überleben, sahen sich ganz anderen Gefahren gegenüber, als Wolfsangriffen. Hierzu gehörten Unterernährung, Unterkühlung, Infektionskrankheiten und körperliche Gewalt. Dazu bestand mit Sicherheit die Gefahr, dass Truppen diese Menschen fanden und töteten oder gefangen nahmen.

Die Regentschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV (1643 – 1715)

Der Sonnenkönig, Ludwig XIV. ist einer der bekanntesten Herrscher der französischen Geschichte. Sein zentralistisch geführter Hof mit all dem Prunk eines Sonnenkönigs könnte indirekt eine wichtige Rolle bei den zahlreichen „Wolfsangriffen“ auf Hirten zu jener Zeit gespielt haben. Taake kann dies mit Zahlen und einer eindrucksvollen Statistik belegen.

Deutschlands Wölfe Die vierteilige Reihe, gedreht von 2002 bis 2012 zeigt beeindruckende Bilder, die das Familienleben der Urväter unserer Hunde dokumentiert und beweist, wie ähnlich sich die Sozialstrukturen von Anzeige Menschen und Wölfen sind. Als Highlight gelangen einzigartige Aufnahmen von Wolfswelpen, die von einer in Freiheit lebenden Wölfin geboren wurden. Von und mit den international ausgezeichneten Tierfilmern Uwe Anders, Sebastian Koerner und Holger Vogt, die die Arbeit von Deutschlands renommiertesten Wolfsforscherinnen Gesa Kluth und Ilka Reinhardt begleiten.

Deutschlands Wölfe ist 2012 erschienen und läuft 3 h mit deutschem Kommentar.

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„Unter Ludwig XIV. … erreichten die Aggressionen [der Wölfe] gegen junge Hirten ihren Höhepunkt …“. Dies wirft die Frage auf, warum dieses Risiko unter seiner Herrschaft besonders hoch war. Das Land erlebte eine goldene Periode von Kunst, Wissenschaft und Architektur. Moriceau vermutet einen kombinierten Effekt einer sorgfältigeren Registrierung von Wolfsangriffen zu dieser Zeit und einer zunehmenden Aggression von Wölfen. Diese könnte auf die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen zurückzuführen sein: Ludwig XIV. hielt als erster französischer König ein stehendes Heer auch in Friedenszeiten. Diese 280.000 Soldaten, ihre Pferde und Zugtiere mussten versorgt werden: Trotz Ausdehnung des Landes ins heutige Belgien musste der Ertrag der Landwirtschaft gesteigert werden. Dies ging nur über Urbarmachung – und vertrieb die Wölfe und ihre Beutetiere.

Das Schloss Versailles zeigte eine Prachtausprägung, die es so nur an wenigen Höfen gab.

Zahlreiche Cluster von Wolfsangriffen

Moriceau präsentiert 26 Angriffscluster zwischen 1631 bis 1817. Die Tabelle enthält sieben Cluster von Wolfsangriffen mit einer geschätzten Gesamtzahl von mehr als 1800 menschlichen Opfern während der Regierungszeit Ludwigs XIV. Die Tabelle enthält nicht alle Angriffe während dieser Zeit. Moriceau schätzt, dass Wölfe während der Regierungszeit Ludwigs XIV. zwischen 95 und 175 Menschen pro Jahr verletzt oder getötet haben.

Taake fand eine spannende geographische Verteilung der Angriffsorte. Hirten sahen sich zur Zeit Ludwigs XIV. nicht nur einem besonderen Risiko von Wolfsangriffen ausgesetzt. Ihr Risiko stieg dramatisch an, wenn sie in einem Umkreis von etwa 150 Kilometern um den König bzw. das politische Zentrum aus Versailles und Paris lebten. Sowohl ein zeitlicher als auch ein räumlicher Aspekt weisen also auf Ludwig XIV. hin.

Die Menagerien des Königs

Hier kommt nun das Sonnenkönigtum, also die für damalige wie heutige Zeit ungeheure Prachtentfaltung Ludwig XIV. zum Tragen. Taake fand heraus, dass in Vincienne (Paris) und Versailles Menagerien gebaut wurden, in denen Großkatzen und andere Tiere gehalten wurden. Damals war es noch üblich, Zuschauer mit Tierkämpfen und Tierhatzen zu unterhalten. Ludwig XIV. übernahm hier bereits lange gepflegte Traditionen, exotische Tiere als Symbol der Macht zu zeigen. Aufgrund seiner finanziellen und technischen Möglichkeiten konnte er dabei eine seit der Antike nicht mehr gesehene Zahl und Vielfalt von Tieren präsentieren. In den ab 1662 gebauten Menagerien von Versailles sollen Braunbären, Löwen, Tiger, Jaguare und Hyänen gelebt haben.

Moriceau stellt in seinem Buch die genauen Orte tödlicher Angriffe in den Jahren 1673 bis 1683 dar. Diese Angriffe fanden in einem Gebiet ca. 30 bis 45 km südwestlich von Versailles statt. Moriceau bezeichnet sie jedoch als „Wolfsangriffe“.

Taake schließt im Gegensatz zu Moriceau, dass es sich bei den Angreifern in diesem Gebiet um Tiere handelt, die aus den Menagerien in Versailles oder Paris entkommen sind. Er vermutet, dass das oder die Tiere nach Südwesten geflohen sind und erst einige Dutzend Kilometer von ihren Ausbruchsorten regelmäßig gejagt haben. Als Beleg hierfür führt er sechs oder sieben Angriffe auf dem direkten Weg zwischen dem späteren Jagdgebiet und Versailles an.

Exkurs: Können Wölfe durch Leichenfressen auf den Geschmack kommen?

Eine beliebte Geschichte ist, dass Wölfe durch das Fressen von Leichen auf den Geschmack für menschliches Fleisch kommen. Taake hat dies natürlich untersucht. Er schreibt hierzu, dass sich bei Wölfen „die Wahrnehmung einer lebenden Beute sich stark von der eines Kadavers unterscheidet“. Er fand keine Beweise dafür, dass Wölfe ihre Angriffe auf eine bestimmte Beutespezies konzentrieren, nachdem sie einen Kadaver eines Tieres dieser Art gefunden und davon gefressen haben. Behauptungen, dass Wolfsjungen zu Menschenfressern erzogen wurden, indem sie mit menschlichem Fleisch gefüttert wurden, das ihre Eltern wieder erbrochen hatten, oder indem sie mit menschlichen Köpfen spielten (François de Beaufort, zitiert von Moriceau) stellt er korrekt in den Bereich fiktiver Geschichten. Wolfsangriffe haben sich dadurch nicht ergeben.

Der zweite Teil über Wolfsangriffe, die Bestie von Gévaudan, die Bestie von Limousin und eine Angriffsserie im 17. Jahrhundert in Deutschland kommt nächsten Dienstag an gleicher Stelle.