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DENDEMANN // „da nich für!“

DENDEMANN „da nich für!“ VÖ: 25.01.2019

Mit Eins Zwo, „Die Pfütze des Eisbergs“ und seinen Auftritten im „Neo Magazin Royale“ hat er Rap- Geschichte geschrieben. Nun erscheint das dritte Dendemann-Soloalbum: Auf „da nich für!“ führt der Rapper alle Stränge seiner Karriere konsequent zusammen. Dendemann ist so politisch, wach und auf den Punkt wie noch nie.

Einmal Drama-Trommelwirbel mit Tusch bitte, es ist vollbracht: Es erscheint tatsächlich ein neues Dende- mann-Album. Aber bedanken sollen wir uns dafür offenbar nicht, das Album heißt: „da nich für!“ Können wir so nicht stehen lassen, denn dass das überhaupt noch mal passieren würde – EIN NEUES STUDIOALBUM DES VIELLEICHT BESTEN DEUTSCHEN RAPPERS DENDEMANN–, darf als ein kleines Wunder bezeichnet werden. Ein wunderschönes Wunder.

Acht Jahre sind seit der bislang letzten Dendemann-Platte, „Vom Vintage Verweht“, ins Land gezogen. Wäh- rend der Zeit, die der Rapper als musikalischer Sidekick in Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ auftrat, waren die Frotzeleien um einen möglichen Nachfolger ein zuverlässiger Running Gag der Sendung. Als der Talkmaster Dendemann im Dezember 2016 verabschiedete, lautete seine letzte Frage: „Wann kommt dein Album raus?“ Sagen wir so: Die Frage kann beantwortet werden.

Gleich mit den ersten Tönen von „da nich für!“ spielt es plötzlich überhaupt keine Rolle mehr, wie viel Zeit für die Produktion dieser Songs draufgegangen ist. „da nich für!“ ist das eine Dendemann-Album geworden, von dem man immer gedacht und gehofft hat, dass er es irgendwann machen würde. Und nun ist diese Musik da.

Es ist Musik, die Eins Zwo ebenso in sich trägt wie „Die Pfütze des Eisbergs“. Die traditionsbewusst ist, aber zu keinem Zeitpunkt altbacken. Modern, aber nicht anbiedernd. Kurzum: „da nich für!“ verbindet alte und neue Schule und ist im besten Sinne zeitlos und auf den Punkt. Dendemann klingt auf diesem Album wie ein Mann, in dem sich vieles aufgestaut hat, das dringend rausmusste. Er rappt über Selbstoptimierung in neoli- beralen Zeiten, Rechtspopulismus, den alten und den neuen HipHop, seine eigene Geschichte, über den Hedonismus und die Politikblindheit des Berliner Party-Betriebs.

An den ersten Vorläufern von „da nich für!“ begann Dendemann ungefähr 2014 zu arbeiten, zusammen mit dem alten Freund und Sample-Spezi I.L.L. Will, der bereits bei diversen Eins-Zwo-Songs ausgeholfen hatte. Bald darauf nahm er dann Kontakt zu dem Berliner Produzententeam The Krauts (Peter Fox, Marteria u.a.) auf. „Mit denen hatte ich schon vor ‚Die Pfütze des Eisbergs‘ Kontakt“, sagt er, „Moabeat und spätere Krauts Produktionen waren für mich immer State of the Art.“ Damals hat es nicht geklappt, aber nun waren Sie genau die richtigen.

Es ging dann gleich gut los: Die Krauts erwiesen sich als alte Eins-Zwo-Fans, die ziemlich genau verstanden, worum es Dendemann ging. Gemeinsam nahm man sich dessen Ideen vor, nach kurzer Zeit standen zehn Tracks, überwiegend grobe Skizzen, aber die Richtung des Albums stand fest – und dann kam Jan Böhmer- mann und Dendemann hatte als musikalischer Sidekick einen festen Platz in dessen neuer TV-Show „Neo Magazin Royale“. In dieser Zeit prägte der Rapper das Magazin auf besondere Weise, indem er das Konzept der klassischen Fernsehband gemeinsam mit seiner Band Die Freie Radikale substanziell umdeutete.

Dendemann ließ die deutsche Rap-Geschichte Revue passieren, begleitete zahlreiche musikalische Gäste der Sendung und kommentierte mit pointierten Freestyles deren Schwerpunkte. Es ist nicht übertrieben zu sa- gen, dass Dendemann mit diesen anarchischen TV-Einsätzen selbst ein weiteres Kapitel deutscher Rap- Geschichte geschrieben hat – ganz ohne ein eigenes neues Album. Die Produktion von „da nich für!“ wurde durch sein TV-Engagement zwar leicht ausgebremst, hat letztlich aber auch von ihm profitiert: „Wöchendlich abliefern zu müssen, der Kontakt mit den Comedy-Autoren dort und auch das Zusammentreffen mit anderen Rappern waren für das Album wichtig.“

DENDEMANN // „da nich für!“

„da nich für!“ hat also all die Überlegungen, Inspirationen und Tüfteleien gebraucht, die in seinen Produkti- onsprozess geflossen sind. Und so kommt Dendemann nun zurück in eine Zeit, die wie für ihn gemacht ist. Für einen Freigeist wie Dende, der zwar immer dazu gehörte, aber nie so richtig irgendwo dazuzugehören schien, ist die Entwicklung des deutschen HipHop in den vergangenen Jahren ein Geschenk. "Rap war noch nie so vielfältig, dabei geholfen haben die Technik, das Internet und der anhaltende wirt- schaftliche Erfolg der die Marke Hip Hop und seine Helden konstant aufwertet. Früher unumstößliche Gren- zen und Gesetze sind heute nur noch Makulatur." Diesen Liberalisierungseffekt hat er sich zu eigen gemacht und trefflich für „da nich für!“ genutzt.

Ab Januar 2017 nahmen sich Dendemann und seine Produzenten das bis dahin entstandene Material aus- führlich vor, mit maximaler Akribie und einer gewissen Detailversessenheit. Eitelkeit war während der Pro- duktion fehl am Platze: Nach dem Motto „Wenn das Ding fett ist, ist es fett“, wurden zusätzliche Produzen- ten wie KitschKrieg, I.L.L. Will, Torky Tork, Reaf oder Dexter dazu geholt. So wurde die für Dendemann bestmögliche musikalische Bühne geschaffen. Kein anderes seiner Alben ist so durchkomponiert, durchdacht, präzise gerappt und produziert.

„Ich dende also bin ich“ ist eine Einführung in das System Dende aus der Sicht und mit den Worten von Dendemann, dessen charakterliche Eigenheiten der Song in gut drei Minuten auf den Punkt bringt. Hier blitzt zum ersten Mal Dendemanns legendäre Fähigkeit zur pointierten Selbstironie auf. „Spätzünder ja, aber Blindgänger nein, doch all die abertausend’ Gründe waren und sind streng geheim“, rappt er – und erzählt so natürlich auch die Geschichte dieses Albums.

Der Song eröffnet ein Werk, für das Haltungslosigkeit keine Option ist. So beschreibt „Alle Jubilare wieder“ den Hedonismus der Berliner Party-Republik – Weimar lässt hier grüßen –, der ja gleichzeitig auch ein Tanz auf dem Rand des Vulkans ist. Feature-Gast Casper – wer würde besser mit Dendemanns Eisennägel-zum- Frühstück-Organ harmonieren? – nutzt seine Strophe um seinen ganzen Abscheu über dieses Lebensmodell in die Welt hinauszukotzen.

Mit einer Hook auf Basis eines bekannten Slime-Refrains und einem grandios Dub-infizierten B-Teil be- schreibt etwa „Keine Parolen“ die Haltungslosigkeit und Selbstbezogenheit übersättigter Wohlstandsbürger.

Bis hierhin ist alles erstaunlich reduziert und getragen. Es ist gelungen, ein völlig eigenes Klangbild für diese Musik zu entwerfen, das sich stilistisch am samplebasierten Dendemann-Sound alter Prägung orientiert, aber viel fetter und ereignisreicher ist. Eine Basis, auf der der Rapper ideal seine Tugenden ausspielen kann. „Zeitumstellung“ etwa lebt in der Hook von einem Wortspiel, das bei anderen platt wirken könnte, hier aber in kluger Zeitgeistdiagnostik und einem Aufruf zum Widerstand gipfelt.: „Endlich wieder Zeit um Stellung zu beziehen“, singt Arnim Teutoburg-Weiß von den , es geht natürlich um die neue Rechte.

Das resignative „Zauberland“ basiert auf einem Sample des gleichnamigen Rio-Reiser-Songs. Doch wo Rei- sers „Zauberland“ einer vergangenen Liebe hinterhertrauerte, beschreibt Dendemanns Version das tägliche Drama geflüchteter Menschen. In dem an Kraftwerk erinnernden Industrial-Rap „Menschine“ geht es dann um jene perfektionierte Form von Selbstausbeutung in neoliberalen Zeiten, die unter dem Euphemismus Individualität bereitwillig bis ins selbstoptimierte Privatleben ausgedehnt wird.

„Die Politik kam ganz von selbst rein“, sagt Dendemann. Durch eine gesellschaftliche und politische Entwick- lung, die den Rapper bisweilen „Müde“ macht, wie es im gleichnamigen Song heißt. Einem natürlich alles andere als müde gerappten – hier spielt Dendemann seine Skills vielleicht am konsequentesten aus, was für ein Hammer-Flow! – Ein Song, für den es durch irgendeine Knöpfchendreherei from hell gelungen ist, einen der wenigen wirklichen Stars, die dieses Land jemals hatte, den Namen Dendemann singen zu lassen: Hilde- gard Knef. Dendemann ist müde von „Populismus“, „Sexismus“, von „den harten Typen mit den abgebrüh- ten Plattitüden“. Hilde spendet Trost.

Dendemann rappt diese Songs mit seiner ganz besonderen Sprache, die er hier zur Perfektion verdichtet hat und die außer ihm niemand beherrscht. Es ist eine nicht nur für dieses Genre besondere Sprache, die frei ist von Rap-Klischees. Es gibt keine Sexismen, keine Herabwürdigungen, keine Gossensprache, nicht einmal die bei vielen immer noch übliche Dicke Hose. Dendemann ist nicht nur einer der begabtesten Rapper der Re- DENDEMANN // „da nich für!“ publik, er ist auch ein präziser Beobachter, ein kluger Zeitgeistanalytiker und die besten seiner Texte leben von einem einmaligen Wortwitz.

In „Drauf und Dran“, das vor allem aus einem perkussiven Rhythmus, einem Chor und verwehten Klangfet- zen eines MIA.-Samples besteht, ist alles nur Stimme und Aussage. Es gibt auf „da nich für!“ eine ganze Reihe prominenter Gäste, doch man erkennt sie nicht immer gleich: Tatsächliche Features und Vocal-Samples fließen auf diesem Album bis zu einem Punkt organisch ineinander, an dem man nicht mehr sagen kann, was das eine und was das andere ist.

Gefeiert wird natürlich auch: Straight 4-to-the-floor und ein echter Bouncer ist das mit Trettmann dargebo- tene „Littbarski“, ein Song, in dem es nicht etwa um den ehemaligen Fußballspieler des 1. FC Köln geht, sondern um die ausgehbegeistertere Hälfte, beziehungsweise Lebensgefährtin.

Das melodramatische „Wo ich wech bin“ wiederum rekapituliert die frühen Dende-Jahre. „Es geht um alle möglichen Dinge, die in meiner Heimatgegend passiert sind“, sagt er. „Komplett verständlich ist das vermut- lich nur für zwei, drei Leute, die ich kenne.“

Gegen Ende des Albums kommt es zu einer Wiedervereinigung der besonderen Art: „BGSTRNG“ mit beinah klassischen Scratchings und einem straighten Beat, ist zu gleichen Teilen im des Jahres 1998 an- gesiedelt wie im Hier und Jetzt. Man hört Samples von Schwesta Ewa, Tone, MoTrip – und ein paar alte Bekannte aus jenen frühen Hamburger Tagen. „Die Beginner sind dabei, weil sie dabei sein mussten“, sagt Dendemann.

Ein kurzer Trip in eine Zeit, in der deutscher HipHop seine ersten großen Erfolge feierte und Dendemann mit anarchischer Energie, einem satten Flow und einer gehörigen Spur Selbstironie mittendrin war. Bei allen Erfolgen und unterschiedlichen Projekten blieb bei ihm aber auch der Eindruck eines ewig Unvollendeten hängen. Damit ist es nun vorbei: Das große Versprechen, das in dieser Karriere immer lag, hat Dendemann mit „da nich für!“ endgültig eingelöst. Mit ein bisschen Hilfe von Rio Reiser, Hilde Knef, Trettmann, Casper, den Krauts, Arnim-Teutoburg-Weiß, den Beginnern und einigen anderen.

"Dankeschön" - "da nich für!"

Pressekontakt: BeckToMusic – Susanne Beck – [email protected] - www.becktomusic.de - 030 – 55 65 30 16