Historische Gesellschaft der Deutschen e. V.

Bank und Geschichte Historische Rundschau

Nr. 22 April 2010

Vor hundert Jahren: Die kommt nach Als am 15. Juni 1910 die Deutsche Bank in positenkasse zog in das Haus Alter Markt 17 Potsdam eine Depositenkasse eröffnete, hat- (Ecke Schloßstraße). Ihr erster Leiter wurde te diese von Anbeginn eine Sonderstellung. Hans Brunnert. In dem von J. Boumann d. Ä. Sie war nämlich als einzige Niederlassung 1750 im Stil der Knobelsdorffschule erbauten außerhalb Teil der Stadtzentrale, der Haus befand sich die Zweigstelle bis Ende in der Hauptstadt bereits mehr als vierzig 1929. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäu- Zweigstellen unterstanden. Die neue De- de zerstört.

Die Depositenkasse der Deutschen Bank am Alten Markt 17 um 1912

Ein Vorsteher der Depositenkasse Potsdam war jahrelang Vermögensberater und »rechte Hand« der Schatullenverwaltung des deut- schen Kaiserhauses. Sein Nachfolger, An- gehöriger eines alten preußischen Adels- geschlechts, fand ebenfalls sofort in der Potsdamer Kundschaft besondere Resonanz und vergrößerte den Kundenkreis erheblich. Auch die Disconto-Gesellschaft, die 1910 mit der Eröffnung einer eigenen Potsdamer Niederlassung der Deutschen Bank knapp zuvorgekommen war, hatte enge Verbindun- gen zum Kaiserhaus. Dies konnte Folgen ha- ben: Als 1915 der Königliche Portier des Prin- zen Oskar von Preußen »alleruntertänigst« um Einstellung seines Sohnes als Lehrling bat, sein Gesuch zudem noch von einem wohlwollenden Schreiben des Hofstaats- sekretärs begleitet war, konnte sich die Lei- tung der Potsdamer Stelle diesem Ansinnen schlecht versagen. 1929 wurden aus den Konkurrenten Fusions- partner: Die Deutsche Bank schloß sich mit der Disconto-Gesellschaft zusammen. Wie in anderen Städten wurden die beiden Pots- damer Niederlassungen zusammengelegt. Man entschied sich für das Geschäftslokal der Disconto-Gesellschaft in der Nauener Hans Brunnert (1878-1913) wurde 1910 zum Vor- Straße 34a, wo sich fortan die Deutsche steher der Depositenkasse Potsdam ernannt. Bank und Disconto-Gesellschaft Depositen-

Die Potsdamer Zweigstelle der Disconto-Gesellschaft, Nauener Straße 34a

2 kasse Potsdam befand. 1937 wurde die Fir- die Gesamtwirtschaft muss auch das Kredit- mierung wieder zur Deutschen Bank verein- gewerbe nunmehr mit kleinstem Apparat die facht. ihm obliegenden kriegswirtschaftlichen Auf- gaben erfüllen. Alle Möglichkeiten, die Orga- Kundendienst mit Zigarre nisation des Kreditgewerbes zu vereinfachen Der Behandlung der Kundschaft am Schal- und Arbeitskräfte, Raum und Material zu er- ter wurde die grösste Aufmerksamkeit ge- sparen, müssen hierzu ausgenutzt werden.« schenkt. Die Vorsteher sassen meist selbst Als Ausweichstellen fungierten die Stadtzen- am Schalter und griffen sofort ein oder be- trale der Deutschen Bank in und die grüssten wenigstens den Kunden, wenn Potsdamer Zweigstelle der Commerzbank, zu sich eine längere Unterhaltung zwischen der einige Angestellte der Deutschen Bank dem Schalterherrn und dem Kunden über dienstverpflichtet wurden. Im Jahr darauf wur- irgendeinen Gegenstand entwickelte. In den den die Räume der Depositenkasse Potsdam grösseren Kassen hatten die Vorsteher zu- hilfsweise für die ausgebombte Berliner dem noch einen eigenen Raum. Ausserdem Depositenkasse R (Joachimsthaler Straße 4) hatte jede Kasse ein oder zwei Sprechzim- genutzt. Später diente sie auch als Ausweich- mer, in das der Kunde geleitet wurde, wenn stelle der Filiale Posen. die Unterhaltung längere Zeit in Anspruch Bei dem großen Angriff der britischen Luftwaffe nahm oder wenn sie einen vertraulichen auf Potsdam am 14. April 1945 wurde das Charakter annahm, z. B. Kreditbesprechun- Gebäude in der Nauener Straße 34a zerstört. gen, Effektentransaktionen, Vermögens- Der Tresor hielt den Bomben stand, wurde und Steuerangelegenheiten oder auch, so aber nach der Besetzung der Stadt durch eigenartig es klingt, Familienangelegenhei- sowjetische Truppen geplündert. Im Juni 1945 ten. Bei einer Zigarre wurden diese Themen wurde ein Ersatzquartier im ersten Stock des dann hier in aller Ruhe behandelt und da- Hauses Brandenburger Straße / Ecke Waisen- mit auch ein netter Kundendienst gepflegt. straße 58 (heute Dortustraße) eingerichtet, Der Kundschaft wurde immer wieder be- im September mußte in die Nauener Straße wiesen, dass ihr die Bank mit ihrem ganzen 15 umgezogen werden. Zu dieser Zeit befand Apparat zur Verfügung stünde. sich die Depositenkasse schon in der Abwick- Aus einem Bericht von Eugen Waldow, letzter Leiter der Berliner Stadtzentrale, vom 8. März 1949 lung, denn Anfang August 1945 hatte das Geschäft aller Privatbanken in Potsdam auf Am 10. Mai 1943 mußte die Depositenkasse die neu gegründete Provinzialbank Mark Potsdam geschlossen werden. Damit teilte Brandenburg übergeleitet werden müssen. sie das Schicksal vieler Niederlassungen, da Ende November 1945 wurde die Depositen- der »totale Krieg« den »umfassenden Einsatz kasse Potsdam endgültig geschlossen. Es von arbeitsfähigen Männern und Frauen für dauerte 45 Jahre, bis die Deutsche Bank mit Aufgaben der Reichsverteidigung« verlangte. dem Beginn der deutsch-deutschen Währungs- Ein Rundschreiben des Reichswirtschafts- union am 1. Juli 1990 zurückkehren konnte. ministeriums forderte im Februar 1943: »Wie

Potsdamer Villen: Bauherren, Architekten und Bewohner Die für einen großstädtischen Raum einzigarti- ge Seenlandschaft, die den Südwesten Berlins und die brandenburgische Hauptstadt Potsdam prägt, haben diese früh zu einer bevorzugten Wohnlage gemacht. Entlang der Uferzonen entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgedehnte Villengebiete, in denen das wohl- habende Berliner Bürgertum zunächst Som- mersitze, bald aber auch ganzjährig genutzte Residenzen bewohnte. Seit den 1920er Jahren wählten wegen der nahegelegenen Filmstudios in auch prominente Schauspieler diese Gegend. Daß sich auch führende Ban- kiers im Bereich der Potsdamer Seenland- schaft niederließen, verwundert nicht. Die Villa Schöningen vor 1945

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Im Zusammenhang mit der Deutschen Bank sind vor allem zwei Namen und Gebäude be- merkenswert: Die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke und die Villa Urbig in der Villenkolonie Neubabelsberg am Griebnitzsee. Die in der sogenannten Berliner Vorstadt ge- legene Villa Schöningen, nach dem Urteil des Architekturkritikers Dieter Bartetzko ein »hin- reißendes Exemplar des arkadisch-zivilen, preußischen Klassizismus«, geht auf einen Entwurf des Schinkel-Schülers Ludwig Persius zurück und wurde 1843 am Südufer des Jung- fernsees erbaut. Ihr Name erinnert an ihren ersten Bewohner, den preußischen Hofmar- Hermann Wallich und sein Sohn Paul schall Kurd Wolfgang von Schöning. Gebaut war ein ausgewiesener Kenner des interna- im Stil einer italienischen Turmvilla, war sie tionalen Geschäfts und gehörte der Leitung Teil der von Schinkel und Lenné geplanten der Deutschen Bank seit 1870 an. Die Villa Potsdamer Kulturlandschaft. Nach dem Tod Schöningen wurde von ihm allerdings eher Schönings wechselte das Haus mehrfach wenig genutzt. Für einen Hauptwohnsitz lag den Besitzer. das Haus vom Berliner Bankenviertel zu weit 1878 ging es als Erbmasse an Anna Wallich entfernt, der ungewöhnliche Gebäudegrundriß über, die drei Jahre zuvor das Vorstandsmit- mit der begrenzten Anzahl an Zimmern mach- glied der Deutschen Bank Hermann Wallich te es für die Wallichs aber auch als Sommer- (1833-1928) geheiratet hatte. Wallich, der aus residenz eher unattraktiv. Daran änderten einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammte, auch mehrere Umbauten nichts. Ab 1890

Die Glienicker Brücke mit dem weißen Bau der Villa Schöningen

4 stand es mehr oder weniger leer. Anna und ger, und der Bankier Leonhard Fischer das Hermann Wallich erwogen den Verkauf, Haus. Nach umfassender Renovierung wur- doch ihr Sohn Paul (1882-1938), Mitinhaber de die Villa Schöningen im November 2009 der Berliner Handels-Gesellschaft und später als Museum eröffnet, das eine Dauerstellung des Bankhauses J. Dreyfus & Co., konnte zur Geschichte der deutschen Teilung zeigt sich im Gegensatz zu seinen Eltern für die und Wechselausstellungen mit zeitgenössi- Villa Schöningen erwärmen. scher Kunst präsentiert. Seit den 1920er Jahren diente sie Paul Wallich Während auf der gegenüberliegenden Seite und seiner Familie als Hauptwohnsitz. Inzwi- der Glienicker Brücke der Berliner Stadtbe- schen waren durch schnellere Verkehrsmittel zirk Zehlendorf beginnt, erstreckt sich süd- die Verbindungen in das Zentrum Berlins er- östlich, jenseits der Glienicker Lake, hinter heblich verkürzt. Nach weiteren Umbauten Schloß und Park Babelsberg, die Villen- und Maßnahmen zur Modernisierung wurde kolonie Neubabelsberg, die seit 1939 ein die Villa in ihrer exponierten Lage an der Stadtteil von Potsdam ist. Der 1862 eröff- Glienicker Brücke – das erste Haus auf der nete und 1890 an den heutigen Ort verlegte Potsdamer Seite – schließlich doch noch ein Bahnhof Neubabelsberg (S-Bahnhof Grieb- behagliches Heim, das auch Paul Wallichs nitzsee) ermöglichte die verkehrstechnische Bibliothek mit ihren fast 30 000 Bänden be- Erschließung des landschaftlich reizvollen herbergte. Gebiets am Ufer des Griebnitzsees. Die Nach 1933 wurde es für Paul Wallich und sei- Konzeption der Villenkolonie lag bei dem ne nichtjüdische Ehefrau Hildegard einsam in florierenden Architektenbüro Ende & Böck- ihrem Haus an der Brücke. Gesellschaftlich mann (das auch viele Bankgebäude aus- zunehmend isoliert, mußte er zudem den führte; so stammt von ihm etwa der Entwurf durch NS-Repressalien verursachten Nieder- für den Altbau der heutigen Deutschen gang seines Bankhauses hinnehmen. Zur Bank Unter den Linden). Emigration konnte sich Wallich, trotz einiger Nachdem 1873 ein Bebauungsplan, der unter Sondierungen im Ausland, nicht entschließen. anderem den Gebäudeabstand, aber auch Als die Bedrohung existentiell wurde, die Villa die gärtnerische Gestaltung vorschrieb, für Schöningen wurde nach der sogenannten das 176 Parzellen umfassende Terrain er- Reichskristallnacht von der Gestapo durch- lassen worden war, konnten bereits im Jahr sucht, nahm sich Paul Wallich am 11. Novem- darauf die ersten Häuser von Neubabelsberg ber 1938 das Leben, seine Frau flüchtete ins fertigstellt werden. Allerdings entstanden an- Ausland. fangs fast ausschließlich Sommerresidenzen Seit dem Ende des Krieges war die Glie- in der lange Zeit noch sehr locker besiedelten nicker Brücke ein strengbewachter Grenz- Kolonie. Seit den 1890er Jahren setzte ein übergang, und nach dem Mauerbau 1961 Bebauungsschub ein. Fabrikbesitzer und lag die Villa Schöningen im hochgesicherten Bankiers gehörten zu den Auftraggebern, »Todesstreifen«, an der Nahtstelle zwischen aber auch viele Architekten errichteten dort Ost und West, wo im Kalten Krieg vor den für sich selbst stattliche Domizile. Als mon- Augen der Weltöffentlichkeit amerikanische däner Wohnort zog die Villenkolonie zahl- und sowjetische Agenten ausgetauscht wur- reiche Filmschauspieler an, die in den nahe- den. Zu dieser Zeit hatte der Freie Deutsche gelegenen Filmstudios der Ufa drehten. Gewerkschaftsbund dort eine Geschäfts- Doch zu echten »Kolonisten« wurden die stelle und ein Kinderwochenheim eingerichtet, Stars eher selten, meist mieteten sie sich das einen denkwürdigen Kontrast zu den ein. einschüchternden Grenzanlagen bildete. Erst Bemerkenswert ist, daß nach der Jahrhundert- 1983 wurde die Villa offiziell in das Volks- wende zahlreiche Architekten des sogenann- eigentum der DDR überführt. ten Neuen Bauens in Babelsberg tätig wurden. Nach der Wiedervereinigung erhielten die Unter ihnen Hermann Muthesius, der große Wallich-Erben die Villa Schöningen 1992 Reformer des Landhausbaus, der Schwede zurückerstattet und verkauften das herunter- Alfred Grenander, der das Erscheinungsbild gekommene Gebäude einige Jahre später an der Berliner Hoch- und Untergrundbahn präg- einen Berliner Bauunternehmer. Mehrere Sa- te, und , dessen nierungskonzepte und auch der in Erwägung frühe Bauten vor allem hier entstanden. Da- gezogene Abriß kamen nicht zum Tragen. zu zählen sein 1907 erbautes Erstlingswerk, 2007 erwarben Mathias Döpfner, Vorstands- das Haus Riehl, sowie die Villen Mosler und vorsitzender des Verlagshauses Axel Sprin- Urbig.

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Virchowstraße 23) errichten lassen. »Die Be- ziehung zu Mies kam vom Riehlschen Haus, das meinen Eltern sehr gefiel«, erinnerte sich Urbigs Tochter Elisabeth. Für den Neubau mußte eine 1881 von Ende & Böckmann er- richtete Villa weichen. Bei der Gestaltung der Villa Urbig, die auch »Haus Seefried« genannt wurde, griff Mies auf Elemente von Schinkels klassizistischer Architektur zurück und ver- band sie – in sehr reduzierter Formensprache – mit barocken Gestaltungsmitteln. Die stren- ge Gliederung seines Entwurfs lief in einigen Punkten den Wohnbedürfnissen zuwider und mußte diesen angepaßt werden. Auf diesen Umstand ist etwa ein für Mies untypischer Erker im Damensalon zurückzuführen. »Mies van der Rohe war ja damals noch kein be- rühmter Mann, dem man nicht zu widerspre- chen wagte«, so Elisabeth Urbig. Den nahen- den Zusammenbruch Deutschlands vor Augen, starb Franz Urbig am 28. September 1944 in seiner Villa. Nach Kriegsende mußten die verbliebenen Fa- milienmitglieder das Haus räumen. Während Franz Urbig der Potsdamer Konferenz im Juli und August

Franz Urbig (1864-1944) gehörte sechs Jahr- 1945, in der über das weitere Vorgehen gegen- zehnte der Disconto-Gesellschaft und der über dem besiegten Deutschland und die Deutschen Bank an. Aus einfachen Ver- Neuordnung Europas entschieden wurde, war hältnissen stammend, hatte er sich bei der die gesamte Villenkolonie Neubabelsberg ein Disconto-Gesellschaft im Ostasiengeschäft Sperrbezirk der Siegermächte. Für die »Gro- große Verdienste erworben (eine Parallele ßen Drei«, Stalin, Truman und Churchill, aber zu Hermann Wallich bei der Deutschen Bank) natürlich auch die übrigen Delegationsmitglie- und war 1902 zum Geschäftsinhaber auf- der mußten während der Konferenz geeignete gestiegen. Ein Angebot, in den Vorstand Quartiere zur Verfügung stehen. In Urbigs Villa der Deutschen Bank zu wechseln, lehnte er zog der britische Premierminister Winston damals ab. Nach der Fusion von Deutscher Churchill ein. Doch noch vor dem Ende der Bank und Disconto-Gesellschaft 1929 amtier- Konferenz kehrte er nach zurück; er te er bis 1942 als Aufsichtsratsvorsitzender hatte die Unterhauswahlen verloren und sein des vereinigten Instituts. Labour-Konkurrent nahm nun seinen Platz ein. Ebenso wie die Villa Schöningen gehörte auch die Villenkolonie Neubabelsberg zum unmittelbaren Grenzgebiet der DDR. In die großbürgerlichen Villen zogen vielfach staat- liche Bildungseinrichtungen ein. Nach der Wiedervereinigung gelangten die meisten Villen wieder in Privatbesitz. Die Villa Urbig wurde zu DDR-Zeiten als Gästehaus der im Park von Babelsberg angesiedelten Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft genutzt. Nach ihrer umfassenden Renovierung erwarb sie 2009 der Softwareunternehmer Hasso 1915 ließ sich Urbig von Ludwig Mies van der Plattner. Rohe eine Villa am Griebnitzsee bauen. Literaturhinweis: VS / Villa Schöningen an der Glienicker Brücke. Ein deutsch-deutsches Bereits 1915 hatte er von Mies van der Rohe Museum. Hrsg. von Mathias Döpfner und ein Sommerhaus, das später sein Haupt- Lena Maculan. Berlin: Nicolai 2009, 129 S. wohnsitz wurde, in der Luisenstraße 9 (heute ISBN: 978-3-89479-601-3. 14,95 €

6 »Geschäftlich packen wir ein«: Tagebuchaufzeichnungen 1945 Das Kriegsende 1945 hat bei allen, die es schnitten, erlebten sie dort das Kriegsende. erlebten, tiefe Eindrücke hinterlassen. Für Hier setzt die Berichterstattung des Tage- viele war es Anlaß, ihre Erlebnisse schriftlich buchs ein. festzuhalten. Die Historische Rundschau hat Kaum sind die Kämpfe zu Ende, wird der in- 2005 – zum 60. Jahrestag des Kriegsendes zwischen 62jährige Helms beauftragt, sich – eine Auswahl an Schilderungen und Stim- sowohl um seine bisherige Kasse in Berlin als mungen der letzten Kriegstage in der Deut- auch um die Zweigstelle in Potsdam zu küm- schen Bank veröffentlicht. Nun ist das Tage- mern – ein unmögliches Unterfangen, sind buch eines Angestellten der Bank erschienen, doch die Verkehrsverbindungen katastrophal. worin er seinen Alltag in Berlin und Potsdam Sechs bis sieben Stunden nach Berlin und im Verlauf des Jahres 1945 eindrucksvoll vier bis fünf Stunden nach Potsdam bilden beschreibt. die Norm. Mit Plünderungen und Chaos

Friedrich Helms bei seinem Eintritt in die Deutsche … und im Jahr 1935 als Vorsteher der Depositen- Bank 1904 … kasse am Potsdamer Platz

Friedrich Helms, Jahrgang 1883, kam 1903 sieht er sich an beiden Orten konfrontiert: »In nach einer Lehre bei einer Privatbank in meiner Bankstelle empfängt mich das schlimm- Hannover zur Bergisch Märkischen Bank – ste Bild menschlicher Zerstörungswut & Hab- später eine Filiale der Deutschen Bank – gier. Erbrochen der Tresor & alle Stahlfächer, nach Elberfeld. Schon im nächsten Jahr Verwahrstücke & Kasten und Koffer geraubt, wechselte er zur Deutschen Bank nach nur leere Blechkästen blieben hier zurück. Die Berlin, wo er bei mehreren Depositenkassen, wenig[en] anwesenden Angestellten wurden so die damalige Bezeichnung der Stadtzweig- zwangsweise entfernt, die festen Mauern, Git- stellen, zunächst als Korrespondent, später ter und Türen bis in die Nacht hinein durch- als Kassierer tätig war. Seit 1921 war er gestemmt & alles, alles davongetragen.« Vorsteher einer Depositenkasse, und 1939 Die Leitung der Bank hat ein Einsehen. Ende kam die wichtige Kasse am Potsdamer Platz Juni 1945 wird Helms' Tätigkeit auf die Lei- unter seine Leitung. tung der Kasse in Potsdam beschränkt. Frag- Aus ihrer Berliner Wohnung ausgebombt, zo- lich ist allerdings, wie lange noch private gen Helms und seine Frau im Februar 1944 Bankstellen in der sowjetischen Zone be- in ihr Wochenendhaus nach Wilhelmshorst stehen können. Die Angestellten der Zweig- bei Potsdam. Von der Außenwelt abge- stelle sind ohne Gehalt beurlaubt. In seinem

mit Anweisungen, die seine Tätigkeit immer weiter einengen. Erst ist ein kleineres Ge- schäftslokal zu beziehen, dann das Geschäft ganz einzustellen. Sämtliche Privatbanken gehen auf die neu errichtete Provinzialbank Mark Brandenburg über. Helms wird zum Liquidator des Potsdamer Geschäfts der Deutschen Bank – zum »Friedhofswärter«, wie er schreibt – ernannt. Ende November 1945 verrichtet er die letzten Arbeiten, ver- schnürt die Reste der Tresorinhalte und ver- zeichnet alles zur Sicherstellung. Dann ist Schluß. Friedrich Helms starb 1955 in seiner Geburts- stadt Uelzen in Niedersachen, wo er nach dem Krieg noch einige Jahr verbrachte. Das Tagebuch kam nach dem Tod seiner Tochter in den Besitz des Herausgebers der nun vor- liegenden Edition. Beeindruckt von den Auf- zeichnungen zeigte sich auch der Schriftstel- ler Walter Kempowski. Auszüge sind nicht nur in sein berühmtes Echolot eingeflossen, Das zerstörte Haus Nauener Straße 34a er hat für die Buchausgabe auch ein Vorwort beigesteuert. Tagebuch schildert Helms den täglichen Friedrich Helms: Tagebuch. Wilhelmshorst 1945. Kampf ums Überleben. Wie kommt man an Mit einem Vorwort von Walter Kempowski. etwas zu essen und an das Brennmaterial, Herausgegeben von Tobias Wimbauer. Hagen- um ein frugales Mahl zu bereiten? Die rus- Berchum: Eisenhut Verlag 2009, 201 Seiten. sische Militärverwaltung konfrontiert Helms ISBN 978-3-942090-00-1. 21,90 €.

Fundsache Street View 1932 Wagens zunächst als Angehörige der Ellen »Wie mir mein Hauspersonal, nachdem ich Richter Film G.m.b.H. bezeichneten, später von einer Reise zurückgekehrt war, heute aber, offenbar weil ihnen einfiel, dass ich der mitteilt, ist am letzten Sonnabend von einem Ufa nahestehe, erklärten, sie filmten für die Kraftwagen aus, der die Zulassungsziffer Ufa. Ich kann natürlich nicht vermeiden, dass IA 5554 trug, der Versuch gemacht worden, über die Strasse Filmaufnahmen meines Hau- meine in Berlin-Dahlem, Cecilienallee 14-16, ses vorgenommen werden, obwohl ich, wie liegende Villa für einen Film aufzunehmen gesagt, nicht gern sehe, dass meine Villa und vor dem Hause eine Spielszene zu dre- ohne meine Zustimmung in einem Film vor- hen. Da mein Hauspersonal von mir strenge kommt. Immerhin möchte ich mir erlauben, Anweisung hat, derartige Aufnahmen zu ver- Ihnen von dem Vorfall Kenntnis zu geben.« hindern, hat es eine Diskussion gegeben, (Brief von Emil Georg von Stauß an den Film- wobei sich die Insassen des oben erwähnten regisseur Willi Wolff, 11. Juli 1932)

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