Wirtschaft

UNTERNEHMER Eine Lehrstunde für die Erben Die Quandts zählen zu den reichsten Familien der Welt, ihr Vermögen mehrte sich, dank ihrer Beteiligung an BMW, fast von selbst. Doch mit der Übernahme von Rover geriet der Autokonzern in die Krise, und plötzlich standen die Eigentümer vor der Frage: Verkaufen – oder eingreifen?

s gibt wohl kaum einen spruchsvoll sind, sich aber auf Raum, den der BMW-Kon- große Zeiträume beziehen“, lie- Ezern sorgfältiger vor unbe- ßen Stefan Quandt und seine fugtem Eintritt schützt. In dem Schwester jetzt ihren Sprecher Ausstellungssaal im ersten Stock Thomas Gauly gegenüber dem des Forschungs- und Ingenieur- SPIEGEL erklären. Ihr Engage- zentrums (FIZ) ist ein Blick in die ment bei BMW sei „nicht auf die Zukunft von BMW möglich. Dort kurzfristigen Unternehmensziele stehen die größten Geheimnisse und Renditeerwartungen fixiert, des Konzerns, jedes auf einer klei- sondern auf eine langfristige Wert- nen Drehbühne, meist noch mit steigerung hin ausgerichtet“. einem Tuch verdeckt: die künfti- Nicht Shareholder-value ist das gen Modelle. Leitmotiv der Quandts. Die Mit- Den beiden Besuchern aber, glieder der Familie haben „eher S. BRAUER PHOTOS die an einem Donnerstag vorbei- ECO PIXX Vorstellungen, die dem Stakehol- kamen, wurden bereitwillig alle BMW-Miteigentümer Klatten, Quandt: Positives Signal der-Konzept nahekommen“, nach Autos gezeigt, auch das neue Spit- dem „der Wert eines Unterneh- zenmodell, der 7er, der erst im Jahr 2001 mens nicht allein an Kennzahlen, sondern auf den Markt kommt.Vor Stefan Quandt, beispielsweise auch an der Frage bemessen 33, und seiner Schwester , wird, wie ein Unternehmen mit seinen Mit- 37, kann es keine Geheimnisse geben: Den arbeitern umgeht oder welche gesellschaft- beiden gehören gemeinsam mit ihrer Mut- liche Verantwortung es übernimmt“. ter Johanna insgesamt 46 Prozent der Die Familie Quandt versteht sich selbst BMW AG. als „unternehmerischen Aktionär“, sie ist Seitdem BMW durch den chaotischen nicht nur mitverantwortlich für den BMW- Wechsel an der Konzernspitze und die Mil- Konzern, sondern will durch ihre beiden liardenverluste bei der Tochter Rover erst- Sitze im Aufsichtsrat auch mitgestalten. mals nach Jahrzehnten in einer ernsten Diese Aufgabe nehmen die beiden Krise steckt, wunderte es die BMW-Ent- Quandt-Erben im Aufsichtsrat nach Ein- wickler nicht, daß sich die Haupteigen- schätzung anderer Kontrolleure auch zu- tümer vor Ort informieren. Im Gegenteil: nehmend wahr. Gemeinsam mit dem Auf- Die von allerlei Übernahmegerüchten ver- sichtsratsvorsitzenden Eberhard von Kuen- unsicherten Manager sehen es als positives heim betrieben sie die Ablösung des Vor- Signal dafür, daß die vierte Generation der standschefs Bernd Pischetsrieder, den die Industriellendynastie Quandt derzeit of- beiden Quandts zwar persönlich sehr fenbar nicht an einen Verkauf ihrer Antei- schätzen, der aber die Verantwortung für le an VW, Ford oder einen anderen Inter- die Rover-Verluste übernehmen mußte. essenten denkt. Für den Konzern war dies eine Zäsur. Stefan Quandt und Susanne Klatten Jahrzehntelang wurde bei BMW alles dis- ließen Verkaufspläne bislang zwar stets von kret hinter gepolsterten Türen geregelt. ihrem Sprecher dementieren. Doch was Krach um die Führung, wie zwischen Jür- sagt das schon? Selbst wenn sie bereits mit gen Schrempp und Helmut Werner bei einem anderen Konzern über den Verkauf Daimler-Benz, oder Massenentlassungen ihrer BMW-Aktien verhandelten, müßten von Vorständen, wie durch Ferdinand sie dementieren, bis der Deal perfekt ist. Piëch bei VW,waren bei BMW undenkbar. Mitarbeiter und Aktionäre warten des- Doch in der Krise wird BMW zuneh-

halb um so begieriger auf Auskünfte der BILDERDIENST ULLSTEIN mend zu einem gewöhnlichen Konzern. Es Haupteigentümer darüber, welche Ziele sie BMW-Zentrale in München wird um die richtige Sanierungsstrategie mit der BMW-Beteiligung verfolgen: Soll Von Übernahmegerüchten verunsichert gestritten und auch um die Führung, und sie im Sinne des Shareholder-value mög- selbst Kuenheim, der die Firma zu einem lichst schnell eine hohe Rendite erwirt- und kaum Fotos von den beiden Erben des beachteten Mitspieler auf dem Weltmarkt schaften, soll das Unternehmen langfristig Quandt-Clans, der zu den wohlhabendsten gemacht hatte und als einer der erfolg- selbständig bleiben, soll es kooperieren Familien der Welt zählt. reichsten Manager des Landes gilt, versagt oder fusionieren? Die Familie Quandt habe zwar wie alle plötzlich als Aufsichtsratschef. Antworten blieben die beiden Quandts anderen Aktionäre „gewisse Renditeer- Für die Familie Quandt war die turbu- bislang schuldig. Es gibt keine Interviews wartungen gegenüber BMW, die sehr an- lente Aufsichtsratssitzung, auf der der

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Wechsel von Pischetsrieder zu Joachim griffen nicht spürbar ein, warum auch, es Milberg beschlossen wurde, denn auch eine lief hervorragend. Seit 1962 erwirtschaftet Lehrstunde. Sie müssen die Kontrolle ihrer BMW Jahr für Jahr Gewinne, was in der ge- wichtigsten Industriebeteiligung stärker samten Automobilindustrie sonst nur noch selbst in die Hand nehmen. Die Vorausset- Toyota schaffte. Die Familie verdankte zungen dafür haben sie. Längst sind Stefan Kuenheim eine Vervielfachung ihres Ver- Quandt und seine Schwester unternehme- mögens, und der sah sich in einer nahezu risch bei den übrigen Beteiligungen der unangreifbaren Position. Familie aktiv (siehe Grafik). Als Kuenheim vor mehr als einem Jahr Stefan Quandt, Diplom-Wirtschaftsin- mit angeblichen Verkaufsplänen der Fami- genieur, kümmert sich als Anteilseigner lie Quandt konfrontiert wurde, sagte er: und Mitglied im „Executive Committee“ „Solange ich der Familie sage: ,Bleiben Sie um die Geschicke der Firma Datacard, die engagiert‘, bleibt sie engagiert.“ Daran Kreditkarten und Identifikationssysteme habe sich, so Kuenheim, auch nichts geän- herstellt, und als stellvertretender Auf- dert, seit die beiden Kinder von Johanna sichtsratschef um die Holding Delton, zu Quandt, Stefan und Susanne, die Familie der unter anderem der Hemdenhersteller im Aufsichtsrat vertreten. van Laack gehört. Das mag einmal gegolten haben. Doch Susanne Klatten, die Betriebswirtschaft seit der Rover-Krise kümmern sich die jun- an der britischen University of Bucking- gen Quandts persönlich um ihr Investment

ham studierte, ist vor allem bei Altana BILDERDIENST ULLSTEIN und entscheiden selbständig. unternehmerisch aktiv und leitete dort Unternehmer (1975) Kuenheim sagte zwar vor nicht allzu lan- beispielsweise den Verkauf des Baby- „Eine schwere und schöne Aufgabe“ ger Zeit auch, Stefan Quandt sei „ein von nahrungsherstellers Milupa ein. Mit BMW mir sehr geschätzter junger Herr, aber eben hat sie zudem noch eine besondere Be- bot 180 Millionen Mark. Doch Quandt setz- noch ein junger Herr“. Und signalisierte ziehung: Bei einem Praktikum, das sie te auf Selbständigkeit und riskierte einen damit, daß er ihn noch nicht für reif hält, unter dem Tarnnamen Susanne Kant ab- guten Teil seines geerbten Vermögens für höhere Aufgaben zu übernehmen. solvierte, lernte sie Jan Klatten kennen, die Beteiligung an BMW. Mehrere BMW-Aufsichtsräte sehen das mit dem sie seit 1990 verheiratet ist und Herbert Quandt war kein stiller Ak- anders. Sie sind dafür, daß Stefan Quandt drei Kinder hat. tionär, der die Sanierungsarbeit der BMW- nach der nächsten Hauptversammlung am Die Beteiligung der Familie Quandt an Führung allein überließ.Als von Kuenheim 18. Mai zum Vorsitzenden des Kontroll- BMW, derzeit rund 14 Milliarden Mark mit 41 Jahren an die Spitze von BMW kam, gremiums gewählt wird. „Die Qualifika- wert, geht zurück auf eine mutige Ent- mußte er beinahe wöchentlich nach Bad tion dafür hat er“, sagt ein Kontrolleur, scheidung des Vaters von Stefan und Su- Homburg, zum Sitz der Quandts, fahren „und zugleich würde die Familie Quandt sanne, Herbert Quandt, im Jahre 1960. und dem Großaktionär berichten. Der damit allen Verkaufsgerüchten den Boden Herbert Quandt stieg damals bei BMW hatte ihm auch ganz direkt gesagt: „Herr entziehen.“ ein, obwohl die Firma kurz vor dem Kon- Kuenheim, Sie haben eine schwere und Nach ursprünglicher Planung sollte der kurs stand. Die Konkurrenten umkreisten schöne Aufgabe, ich beneide Sie.“ ehemalige Finanzvorstand Volker Doppel- BMW bereits wie Haifische ein neues Auch als Herbert Quandt fast erblinde- feld zum Vorsitzenden des Kontrollgre- Opfer. Daimler-Benz wollte die Mehrheit te, hielt ihn dies nicht davon ab, sich um miums gewählt werden. Doch im Auf- übernehmen, Chrysler war an einer Über- wichtige Details persönlich zu kümmern. sichtsrat und im Unternehmen mehrt sich nahme interessiert, Fiat ebenfalls, und Ford Die Entwickler mußten von geplanten die Kritik am Kandidaten. Fahrzeugen maßstabge- Doppelfeld hat als Finanzchef den Ro- Das Quandt-Imperium Beteiligungen der Familie treue Modelle bauen. Die ver-Kauf und anschließend alle Fehlent- tastete Quandt dann mit scheidungen bei der britischen Tochter Datacard International Corp. den Fingern ab und setzte – mitgetragen, beispielsweise den Aufbau UMSATZ 1998 mitunter gegen das Votum von 7000 zusätzlichen Stellen, die jetzt 0,65 Milliarden Mark der Designer – vor allem wieder mit hohen Abfindungen abgebaut z. B. Identifikationssysteme eines durch: Die typische werden müssen. Als Doppelfeld im ver- BMW-Niere auf dem Küh- gangenen Jahr dann in den Aufsichtsrat 20% lergrill mußte jedes Auto wechselte, wurde er vom Milliardenver- zieren. Obwohl es mit lust bei Rover überrascht wie ein Außen- Johanna Quandt BMW aufwärts ging, stand stehender. 16,7% die mögliche Übernahme Stefan Quandt mag sich zu diesem 40% 40% des Konzerns durch einen Thema nicht äußern. Er wird sich nicht Stefan 17,4% 12,5% Susanne Wettbewerber 1970 noch vordrängeln, soviel ist klar. Möglicher- Quandt Klatten einmal auf der Tagesord- weise kann Doppelfeld deshalb für eine 100% BMW AG 50,1% nung. VW-Chef Kurt Lotz Übergangszeit den Aufsichtsratsvorsitz UMSATZ 1998 bot Herbert Quandt 750 übernehmen. 63,1 Milliarden Mark Millionen Mark für die Die Zeiten allerdings, in denen das Automobile (Rover, BMW) weißblaue Automarke. BMW-Management von den Haupteigen- Motorräder Doch der lehnte ab. tümern weitgehend unbehelligt das Un- Flugzeugtriebwerke Nach Herbert Quandts ternehmen führen konnte, sind vorbei. Tod überließ seine Witwe Der neue Chef Milberg hat das erkannt. Johanna die Kontrolle von „Dieses Unternehmen weiß“, sagt Mil- Delton AG Altana AG BMW erst dem Testaments- berg, „daß es sich keine großen Flops er- UMSATZ 1997 UMSATZ 1998 1,3 Milliarden Mark 2,9 Milliarden Mark vollstrecker Hans Graf von lauben darf, um die Einstellung des z. B. Pharmazie, Mode z. B. Pharmazie der Goltz und dann Kuen- Großaktionärs zum Unternehmen nicht heim. Die Großaktionäre zu gefährden.“ Dietmar Hawranek

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