DÖW DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDES

FOLGE 200 Mitteilungen MÄRZ 2011 NEUES DÖW-PROJEKT: VERTREIBUNG – EXIL – EMIGRATION Die jüdisch-österreichischen NS-Vertriebenen im Spiegel der Sammlung Ebner

Mehr als 130.000 ÖsterreicherInnen wurden nach dem „Anschluss“ 1938 aus Österreich vertrieben – die überwiegende Mehrheit Ju- den und Jüdinnen im Sinn der „Nürnberger Gesetze“. Seit seinen Anfängen stellt die Erforschung des österreichischen Exils, das als integrierender Bestandteil von Widerstand und Verfolgung betrachtet wird, für das DÖW einen wichtigen Arbeitsbereich dar. In jahre- langer Such- und Sammelarbeit konnte eine umfassende einschlägige Sammlung von Publikationen, Flugschriften und Korresponden- zen aufgebaut werden, ihrerseits Grundlage der vom DÖW ab 1981 herausgegebenen Publikationsreihe Österreicher im Exil. Mit dem 2010 angelaufenen Projekt Vertreibung – Exil – Emigration. Die österreichischen NS-Vertriebenen im Spiegel der Samm- lung der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Hugo Ebner will das DÖW der Forschung auf diesem Gebiet einen neuen Anstoß geben. Die quan- titative und qualitative Auswertung des Teilnachlasses von Dr. Hugo Ebner und PartnerInnen soll auf empirischer Grundlage und in Form einer sozialstrukturellen und kollektivbiographischen Analyse neue Erkenntnisse zur sozialen Zusammensetzung, zur Vertrei- bungsgeschichte, aber auch zum späteren Schicksal der erzwungenen EmigrantInnen erarbeiten. DÖW-Mitarbeiter Herwig Czech skizziert im Folgenden die Grundzüge des Projekts.

Im Jahr 2006 erhielt das DÖW einen Ak- Überlebens im Zufluchtsland ebenso wie herauszuarbeiten. Damit ermöglicht dieser tenbestand des verstorbenen Rechtsan- die Nachkriegsgeschichte der Vertreibung Bestand eine Pionierarbeit zu wesentli- walts Dr. Hugo Ebner zur Aufbewahrung und wissenschaftlichen Bearbeitung. Die Kanzlei, in der Ebner mit verschiedenen Heinrich Strauß, Partnern und Partnerinnen zusammenar- geboren am beitete, hatte sich unter anderem auf die 25. November 1896 Vertretung von NS-Verfolgten speziali- siert, und zwar in erster Linie von Emig- Der Kaufmann Heinrich rantInnen, d. h. aus Österreich vertriebe- Strauß aus Wien wurde am nen Jüdinnen und Juden, aber auch poli- 26. Februar 1942 wegen tisch Verfolgten. Der bemerkenswerte Be- „Nichttragens des Juden- stand umfasst ungefähr 7000 Akten, aus sterns“, gefälschter „ari- denen nicht nur die Vertreibungsgeschich- Nicht mehr anonym scher“ Papiere und „Rassen- te, sondern auch Einzelheiten der Lebens- schande“ (er hatte eine „ari- umstände und der Ausbildungs- und Be- Die Datenbank enthält derzeit über 4600 Fotos sche“ Lebensgefährtin) von rufslaufbahn der Betroffenen vor und nach aus der Erkennungsdienstlichen Kartei der der Gestapo verhaftet und in der Flucht hervorgehen. Gestapo Wien, ergänzt durch Kurzbiographien das Zuchthaus Stein/Donau Aufgrund der anwaltlichen Auflagen so- der Opfer, Auszüge aus Dokumenten etc. eingeliefert. Von Stein wurde wie datenschutzrechtlicher Bestimmungen er nach Anforderung durch werden die erfassten Daten anonymisiert die Zentralstelle für jüdische und kollektivbiographisch ausgewertet. www.doew.at Auswanderung in das Sam- Eine quantifizierende Aufarbeitung und mellager Kleine Sperlgasse Auswertung des Bestandes bietet die ein- in Wien-Leopoldstadt über- malige Chance, anhand einer relevanten Die Kartei, die aus Beständen des Wiener stellt und am 14. September Stichprobe – es handelt sich dabei um Stadt- und Landesarchivs stammt, wurde 2001 1942 nach Maly Trostinec rund fünf Prozent der aus Österreich Ver- im DÖW gescannt und in einer Datenbank deportiert. triebenen – den sozialen Hintergrund, le- erfasst. Fehlende Fotos konnten teilweise aus Dort wurde Heinrich Strauß bensgeschichtliche Brüche infolge der den Beständen des DÖW ergänzt werden. nach der Ankunft ermordet. Flucht, genderspezifische Aspekte des 2 Mitteilungen 200 chen Faktoren der vom NS-Regime er- wenigen Ausnahmen abgesehen, auf Spe- her auch Informationen zu politisch und zwungenen Emigration, die bislang vor al- zialstudien mit relativ eng begrenztem aus anderen Gründen Verfolgten zu erwar- lem anhand von Einzelschicksalen oder in Fokus. Zahlreiche Forschungserträge sind ten. Angesichts der Tatsache, dass es bis- Bezug auf einzelne Berufsgruppen oder zudem auf eine unüberblickbare Zahl von her praktisch keine umfassenden auf em- Zielländer bearbeitet wurde. Studien zur „deutschsprachigen“ Emigra- pirischer Grundlage beruhenden Arbeiten tion verstreut. Zu den Fragen um Vertrei- zur erzwungenen Emigration aus Öster- Die Massenflucht vor dem NS-Regime bung, Beraubung und späterer Entschä- reich insgesamt gibt, sind von diesem Pro- wurde zwar in Deutschland bereits wenige digung sind die Arbeiten von Brigitte jekt wesentliche neue Erkenntnisse zur so- Jahre nach Kriegsende zu einem Thema Bailer sowie die einschlägigen Studien der zialen Zusammensetzung, zur Vertrei- der Forschung, in Österreich ließen ent- österreichischen Historikerkommission zu bungsgeschichte sowie zum späteren sprechende Arbeiten jedoch wesentlich nennen, die wichtige Vorarbeiten zu dem Schicksal dieser zahlenmäßig größten länger auf sich warten. Der Fokus lag in hier vorgestellten Projekt darstellen. Gruppe von NS-Verfolgten zu erwarten. dieser frühen Phase zudem fast aus- In quantitativer Hinsicht geht es zunächst schließlich auf dem politischen Exil, wäh- Die dem Projekt zugrunde liegende um eine kollektive Charakterisierung der rend das Schicksal der großen Mehrheit Sammlung von Anwaltsakten stellt einen auf Basis der nationalsozialistischen anti- der Vertriebenen zunächst kaum Beach- einzigartigen Quellenbestand zu den ös- jüdischen Politik aus Österreich vertriebe- tung fand. Eine Erforschung auf breiterer terreichischen NS-Vertriebenen dar, da nen Menschen. Basis fand erst ab den 1970er Jahren statt. dieser im Gegensatz zu vielen anderen Diese Daten werden eine detaillierte so- Dennoch blieb auch weiterhin zu beobach- Beständen (wie z. B. die Auswandererkar- zialstrukturelle Analyse und damit eine ten, dass der Schwerpunkt in erster Linie tei der IKG) auch Aussagen über das kollektivbiographische Annäherung er- auf dem Schicksal von Prominenten aus Nachkriegsschicksal der Betroffenen teil- möglichen. In einem weiteren Schritt wer- Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie po- weise bis in unser Jahrzehnt erlaubt. den die Daten mit den Ergebnissen frühe- litischen AktivistInnen lag. Beispielhaft Was den Umfang der Akten angeht, so rer Projekte am Dokumentationsarchiv, in für eine große Fülle von Arbeiten sei an reicht dieser von wenigen Blättern bis zu erster Linie der Namentlichen Erfassung dieser Stelle nur auf Siglinde Bolbechers umfangreichen, mehrere Jahrzehnte um- der österreichischen Holocaust-Opfer ab- und Konstantin Kaisers Standardwerk fassenden Konvoluten. Von besonderem geglichen, um zu vergleichenden Aussa- Lexikon der österreichischen Exilliteratur Interesse ist, dass die Akten häufig persön- gen über die Gruppen der Überlebenden (Wien–München 2000) hingewiesen. Das lich gehaltene Briefe enthalten, da Hugo und der Getöteten zu gelangen (Alters- Dokumentationsarchiv des österreichi- Ebner und seine PartnerInnen offenbar struktur, Geschlechtsverteilung, soziale schen Widerstandes lieferte mit einem auch über ein umfangreiches persönliches Position etc.). Auch ein Abgleich mit pu- internationalen Symposium im Jahr 1975 Netzwerk unter den NS-Vertriebenen ver- blizierten Daten zur Wiener jüdischen und der Reihe Österreicher im Exil (mit fügten. Die Auswertung dieser Briefe wird Bevölkerung bzw. zur Gesamtbevölke- Bänden zu Frankreich, Belgien, Spanien, wertvolle zusätzliche Aufschlüsse über die rung ist geplant. Weiters wird zu prüfen USA, Mexiko, Sowjetunion und Großbri- Lebenswirklichkeit der EmigrantInnen ge- sein, inwieweit eine Verknüpfung mit wei- tannien) wichtige Impulse für die Erfor- ben. Geographisch waren die KlientInnen teren Quellenbeständen wie den Unterla- schung des politischen Exils. Eine Pio- weit verstreut, neben den USA und Groß- gen der Vermögensverkehrsstelle (circa nierleistung bei der Erforschung der Ver- britannien fanden sich in einer ersten 47.000 Vermögensanmeldungen) zeitöko- treibung von Wissenschaftlern und Wis- Stichprobe auch Schreiben aus Lateiname- nomisch machbar ist und weitere interes- senschaftlerinnen stellen die beiden Bände rika, Kanada, Belgien und der Schweiz. sante Ergebnisse erwarten lässt. zur Vertriebenen Vernunft (Wien 1987 und 1988) von Friedrich Stadler dar, die ein Ziel des Projekts ist es, durch eine umfas- Als Geldgeber konnten der Nationalfonds breites Spektrum an akademischen Fel- sende quantitative und qualitative Aus- der Republik Österreich für Opfer des dern abdecken. wertung zu verallgemeinerbaren Aussagen Nationalsozialismus, der Österreichische In merkwürdigem Gegensatz zur in den zu jenen rund 130.000 bis 140.000 Men- Zukunftsfonds, die Stadt Wien sowie das letzten 20 Jahren stark wachsenden Lite- schen zu gelangen, die ab dem Jahr 1938 Sozialministerium gewonnen werden. Das ratur zu den verschiedensten Aspekten der wegen ihrer jüdischen Herkunft (und zum Dokumentationsarchiv stellt über die be- NS-Herrschaft ist die Zahl derjenigen Ar- Teil auch aus politischen Gründen) aus willigten Mittel hinaus Personal- und beiten, die die Vertreibung der jüdischen Österreich vertrieben wurden bzw. flüch- Sachressourcen als Eigenleistung zur Ver- Bevölkerung Österreichs insgesamt in den teten. In einem geringeren Maße sind da- fügung. Blick nehmen, bis heute beschränkt. Am besten ist noch die Verfolgung in Öster- reich selbst erforscht, hier ist vor allem das DÖW-Projekt Namentliche Erfassung Jahresversammlung des DÖW 2011 der österreichischen Holocaust-Opfer zu nennen, das auch in Bezug auf Flucht und Vertreibung wertvolle Erkenntnisse er- Die traditionelle Jahresversammlung des Dokumentationsarchivs des österreichischen brachte, die in das vorliegende Projekt Widerstandes findet heuer am Donnerstag, den 10. März 2011 um 18.00 Uhr im einfließen werden. Außerdem sei hier auf Alten Rathaus (Wipplingerstraße 8, 1010 Wien) statt. Festredner ist BM Dr. Michael Doron Rabinovicis Studie zur Rolle der Spindelegger. Kultusgemeinde – Instanzen der Ohn- macht. Wien 1938–1945 (Frankfurt am Der Auflage für Wien, Niederösterreich und Burgenland liegen gesonderte Einladun- Main 2000) – verwiesen. Auch die Litera- gen bei. tur zur Remigration beschränkt sich, von März 2011 3

Henry O. Leichter (1924–2010) WIR GRATULIEREN

Dr. Henry O. Leichter, über Jahrzehnte Freund und Förderer des DÖW, starb am 20. Dezember 2010 in New York im 87. Lebensjahr. Das Mauthausen Komitee Steyr wurde für sein Projekt Erinnern und Gedenken, Henry O. Leichter, am 3. März 1924 als Heinz Otto Leichter in Wien geboren, konnte das für die 22-jährige Erinnerungsarbeit nach dem „Anschluss“ 1938 mit seinem Vater Otto Leichter, dem Mitbegründer des des Komitees steht, mit dem Volkskultur- Verbandes der sozialdemokratischen Studenten und Akademiker und Redakteur der Sonderpreis 2010 ausgezeichnet. Arbeiter-Zeitung, und seinem jüngeren Bruder Franz nach Frankreich flüchten. Seine Mutter Käthe Leichter, bis 1934 Leiterin des Frauenreferats der Wiener Arbeiterkammer und danach Aktivistin der Revolutionären Sozialisten, wurde 1938 festgenommen und Wohnhausbenennung nach als Häftling des KZ Ravensbrück aufgrund ihrer jüdischen Abstammung 1942 in der Hubert Pfoch Euthanasie-Anstalt Bernburg/Saale ermordet. Otto Leichter gelang es nach der Beset- zung Frankreichs, mit seinen Söhnen über Spanien und Portugal nach New York zu ent- kommen. Die städtische Wohnhausanlage in Wien- Ottakring, Thaliastraße 164–168, wird Als Soldat der US-Armee beteiligte sich Henry O. Leichter an der Befreiung Deutsch- nach dem 2008 verstorbenen verdienten lands und Österreichs. Nach Beendigung seines Militärdienstes absolvierte er das Wiener Gemeindepolitiker und ehemali- Swarthmore College in Pennsylvania und war in der Folge u. a. als Mitarbeiter im Büro gen Präsidenten und Ehrenpräsidenten des des US-Hochkommissars für Deutschland tätig. Nach seiner Rückkehr in die USA be- DÖW Hubert Pfoch in Hubert-Pfoch-Hof gann er an der Columbia University das Studium der Rechtswissenschaften, das er 1957 benannt. Das hat der Wiener Gemeinderat abschloss. 1963 wurde er in das „Peacecorps“ des US-Präsidenten John F. Kennedy be- in seiner Sitzung vom 30. August 2010 be- rufen. Schließlich gründete er in New York City seine eigene Anwaltskanzlei. Politisch schlossen. Hubert Pfoch war 1946 bis engagierte sich Henry O. Leichter für die Demokratische Partei im Bundesstaat New 1954 Obmann der Sozialistischen Jugend York, zu deren führenden Reformkräften er gehörte. 1995 veröffentlichte er seine Er- Wien, 1949 wurde er als Mandatar der innerungen Eine Kindheit. Wien – Zürich – – USA. 2009 wurde Henry O. Leichter SPÖ Ottakring in den Wiener Gemeinde- gemeinsam mit seinem Bruder Franz S. Leichter mit der Ehrenmedaille in Gold der rat gewählt, ab 1964 war er als Amtsfüh- Bundeshauptstadt Wien ausgezeichnet. render Stadtrat tätig. 1973 bis 1978 fun- gierte Hubert Pfoch als Vizebürgermeister und Landeshauptmann-Stellvertreter und 1979 bis 1984 als Erster Präsident des Käthe Anders (1924–2010) Wiener Landtages. In den fast 20 Jahren seiner Präsident- Käthe Anders, langjährige ehrenamtliche Mitarbeiterin des DÖW, verstarb am schaft entwickelte sich das DÖW zu einer 20. September 2010 im Alter von 86 Jahren. international anerkannten wissenschaft- lichen Einrichtung. Käthe Anders, am 27. Jänner 1924 in Wien als Katharina Sommer geboren, entstammte (Auszüge aus Interviews mit Hubert Pfoch ärmsten Verhältnissen. Nach Beendigung der Schule arbeitete sie zunächst als Hilfs- im Rahmen des DÖW-Projekts Erzählte arbeiterin in einer Schokoladenfabrik. 1939 trat sie eine Stelle als Hausmädchen in ei- Geschichte: www.doew.at/service/archiv/ nem christlich-jüdischen Haushalt an, musste diesen Arbeitsplatz aber auf Intervention eg/pfoch1.html.) der NSDAP verlassen: ein „deutsches Mädchen“ dürfe nicht für eine Jüdin arbeiten. Käthe Anders wurde einer SS-Familie als Kindermädchen zugeteilt. Nachdem sie von diesem Arbeitsplatz geflüchtet war, wurde sie verhaftet und als „schwererziehbar“ in ein Erziehungsheim eingewiesen. Weil sie dort mit anderen Mädchen u. a. Hitlerbilder be- Doppel-CD: Restituta schmierte und Streuzettel („Heil Moskau“) verfasste, wurde die damals 16-Jährige am 29. Juni 1940 festgenommen. Käthe Anders wurde vom Jugendgericht zu sechs Monaten schweren Kerkers verurteilt und nach Verbüßung der Strafe wieder in eine Erziehungs- Helene Kafka (Maria Restituta), Schwes- anstalt eingewiesen. Dort bezeichnete sie im Lauf einer Auseinandersetzung einen SS- ter des Ordens der Franziskanerinnen von Mann, der sie wegen einer Diphterieerkrankung des Simulantentums verdächtigte, als der christlichen Liebe (Hartmannschwes- „Nazi-Schwein“. Nach der Genesung wurde sie festgenommen und in das KZ Ravens- tern), widersetzte sich NS-Anordnungen brück und kurz darauf in das Jugendschutzlager Uckermark überstellt. Von dort wurde und ließ Abschriften eines gegen das Re- Käthe Anders 1944 entlassen. gime gerichteten pazifistischen österreich- patriotischen Spott- und Mahngedichtes Im Nachkriegsösterreich wurde ihre Haftzeit in Uckermark nicht anerkannt, da die Be- machen. Sie wurde am 29. Oktober 1942 hörden die NS-Kategorisierung Uckermarks als Lager für „Asoziale“ übernahmen. Auf- wegen „landesverräterischer Feindbegüns- grund der Haft bei der Gestapo und im Jugendgericht erhielt Käthe Anders 1952 eine tigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ Amtsbescheinigung, aber erst 1984 wurde ihr – nach Hilfe durch die Lagergemeinschaft vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt der ehemaligen Ravensbrücker Häftlinge – eine Entschädigung für die in Uckermark und am 30. März 1943 im Landesgericht verbrachte Haft im Wege des Härteausgleichs gewährt. Wien hingerichtet. 1998 wurde Sr. Maria Restituta selig gesprochen. Käthe Anders engagierte sich viele Jahre als ehrenamtliche Mitarbeiterin im DÖW, wo Eine Ende 2010 erschienene Doppel-CD sie u. a. die Ausstellungsräume beaufsichtigte. beinhaltet das Musical Restitua – Glaube 4 Mitteilungen 200 gegen NS-Gewalt, das von 2000–2003 in Wien, Mödling und Schwechat aufgeführt Dagmar Ostermann (1920–2010) wurde. Weiters enthalten ist die 2003 und 2009 im Rahmen eines Sonntagsgottes- Dagmar Ostermann, Überlebende von Auschwitz und engagierte Zeitzeugin, starb dienstes in den ORF-Regionalradios öster- am 28. Dezember 2010 im Alter von 90 Jahren. reichweit übertragene Restituta-Messe so- wie Bonus-Tracks. Dagmar Ostermann wurde am 6. Dezember 1920 in Wien geboren. Hier wurde sie nach Die Doppel-CD ist bei der Information im dem „Anschluss“ 1938 Zeugin von Übergriffen gegen Jüdinnen und Juden; noch im Hartmannspital (1050 Wien, Nikolsdorfer- April 1938 fuhr sie mit einem Onkel zu ihrer Großmutter nach Dresden, wo sie die gasse 26–36) erhältlich. Bestellung: per nächsten Jahre verbrachte. Im August 1942 wurde Dagmar Ostermann als „Mischling e-mail: [email protected]. 1. Grades“ verhaftet und über das KZ Ravensbrück nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Unkostenbeitrag: EUR 14,– (zuzüglich Nur durch Zufall wurde sie Schreiberin am Standesamt der Politischen Abteilung im Versandkosten). Stammlager Auschwitz, eine Positition, die ihr das Überleben ermöglichte und ihr Ein- blicke in die NS-Vernichtungsmaschinerie verschaffte. Am 1. November 1944 wieder nach Ravensbrück überstellt, wurde sie einen Monat später in das KZ Malchow, ein Außenkommando von Ravensbrück, transportiert. Dort begann am 30. April 1945 der Euthanasie-Opfer in Hall Abmarsch der Häftlinge, der sich im Zuge des Kriegsendes auflöste. Dagmar Ostermann erlebte die Befreiung durch die US-Truppen und kehrte dann nach Wien zurück. Dagmar Ostermann war als Generalsekretärin der Österreichischen Lagergemeinschaft Nach der Entdeckung eines Gräberfelds Auschwitz aktiv und besuchte als Zeitzeugin – solange es ihre Gesundheit erlaubte – mit etwa 220 Leichen aus der NS-Zeit – zahlreiche Schulklassen in ganz Österreich. Ihre Lebenserinnerungen veröffentlichte sie darunter vermutlich auch Opfer des NS- 2005 in der Publikation Eine Lebensreise durch Konzentrationslager (hrsg. von Martin Euthanasieprogramms – beim Psychiatri- Krist). Im Rahmen der Videoreihe Visible gestaltete die Filmemacherin Marika Schmiedt schen Krankenhaus Hall in Tirol soll eine ein Porträt von Dagmar Ostermann (Aber in Auschwitz will ich begraben sein. Die Kommission unter Leitung des Wiener Geschichte der Dagmar Ostermann). Historikers und DÖW-Vorstandsmitglieds Bertrand Perz die historischen Ereignisse untersuchen. Der Kommission gehört Anna Maria Kretschmer (1919–2010) auch der ehemalige wissenschaftliche Lei- ter des DÖW Wolfgang Neugebauer an. Die ehemalige Widerstandskämpferin, Lehrerin und Pädagogin Anna Maria Weitere Mitglieder: Brigitte Kepplinger Kretschmer starb am 27. September 2010 im Alter von 91 Jahren. (stv. Obfrau des Vereins Schloss Hart- heim), Elisabeth Dietrich-Daum (Univer- Anna Maria Kretschmer geb. Fantl, geb. am 12. Februar 1919 in Wien, besuchte die sität Innsbruck), Thomas Albrich (Univer- Bundes-Lehrerinnen-Bildungsanstalt und war im Katholisch Deutschen Studentenbund sität Innsbruck als Vertreter des Bundes- und im Katholischen Jungvolk als Gruppenführerin aktiv. Nach dem „Anschluss“ 1938 landes Vorarlberg), Christine Roilo (Di- baute sie als Pfarrjugendführerin der Pfarre Wien-Gumpendorf eine oppositionelle Mäd- rektorin des Südtiroler Landesarchivs als chengruppe auf, die u. a. Feldpostbriefe regimefeindlichen Inhalts versandte, so etwa die entsendete Vertreterin des Landes Süd- öffentliche Stellungnahme des deutschen Bischofs Galen gegen die NS-Euthanasie. tirol), Hartmann Hinterhuber (Universi- Nach Kriegsende war Anna Maria Kretschmer als Volksschullehrerin und später als tätsklinik für Allgemeine und Sozialpsy- Sonderpädagogin tätig und von 1948 bis 1978 Mitarbeiterin des Schulpsychologischen chiatrie in Innsbruck als Vertreter des Dienstes in Wien. Als Autorin verfasste sie pädagogische Bücher und Artikel. Sie war Bundeslandes Tirol), Alexander Zanesco mit Julius Kretschmer (1908–1997), Pädagoge und ehemaliger legitimistischer Wider- (wissenschaftlicher Leiter des Projekts standskämpfer, verheiratet. Auszüge aus einem Interview mit Anna Maria Kretschmer Bergung und Untersuchung des Anstalts- sind in der vom DÖW 1992 herausgegebenen Publikation Erzählte Geschichte, Bd. 2: friedhofes des Psychiatrischen Kranken- Berichte von Männern und Frauen in Widerstand wie Verfolgung. Katholiken, Kon- hauses in Hall) sowie der Historiker servative, Legitimisten veröffentlicht. Oliver Seifert.

Das nationalsozialistische Regime begann Josef Eisenbauer (1917–2010) die Vernichtung von „lebensunwertem Le- ben“ im Herbst 1939 mit geistig und kör- Der ehemalige Spanienkämpfer Josef Eisenbauer verstarb am 10. Dezember 2010 perlich behinderten Kindern. Kurze Zeit im 94. Lebensjahr. darauf setzte aufgrund einer auf den 1. September 1939 rückdatierten „Er- Josef Eisenbauer wurde am 15. April 1917 in Budapest geboren. Der gelernte Schil- mächtigung“ Hitlers die Tötung von An- dermaler gehörte der KPÖ an und reiste im Jänner 1937 aus Österreich nach Spanien, um staltspatientInnen im großen Stil ein. Nach dort auf Seiten der Republik in den Internationalen Brigaden zu kämpfen. Er wurde 1938 dem Berliner Sitz der Euthanasie-Tarn- verwundet und nach Frankreich evakuiert. Aus der Internierung in Gurs konnte er 1939 organisation in der Tiergartenstraße 4 er- als Schwerkriegsbehinderter in die Sowjetunion einreisen, wo er von Oktober 1943 bis hielt sie die Bezeichnung „Aktion T4“. Dezember 1945 als Instrukteur in Kriegsgefangenenlagern („Antifa“) tätig war. Nach dem Abbruch dieser Aktion im Im Februar 1946 kehrte Josef Eisenbauer nach Österreich zurück. Nach seiner Pensio- August 1941 wurden Euthanasiemorde in nierung bot er Malkurse an Wiener Volkshochschulen an und war als viel gefragter Zeit- verschiedenen Anstalten bis 1945 fortge- zeuge im Einsatz. Biographische Angaben zu Josef Eisenbauer sind in Hans Landauers setzt. Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936–1939 (Wien 2008) enthalten. März 2011 5

REZENSIONENN

Im Sommer 1946 hatte Presterl mit Re- neben der Tatsache, hier die Biographie ei- Presterl, Josef Martin: Im Schatten des cherchen zu einem Buch über den Wider- nes in das Räderwerk der Säuberungen ge- Hochschwab. Skizzen aus dem steiri- stand gegen den Nationalsozialismus in ratenen österreichischen Kommunisten schen Widerstand. Hrsg. und eingelei- der Steiermark begonnen. Er interviewte und Spanienkämpfers sowie die Reaktio- tet von Heimo Halbrainer und Karl Dutzende WiderstandskämpferInnen in nen seiner ehemaligen Genossen darauf Wimmler. Graz: CLIO 2010. 376 S. der Steiermark und trug so über 600 Sei- ausgebreitet zu finden, eine – wie die Her- ten Material zusammen, aus dem er ein ausgeber meinen – späte Geste der „Wie- Die Geschichte der österreichischen Spa- 345 Seiten umfassendes Manuskript ver- dergutmachung“. nienkämpferInnen ist relativ gut doku- fasste, das nach seiner Verhaftung und Das von Presterl in fünf Abschnitte unter- mentiert, nicht zuletzt aufgrund der jahr- Verurteilung als angeblicher Gestapo- gliederte Buch skizziert in einem ersten zehntelangen Sammeltätigkeit von Hans Agent und „Saboteur des jugoslawischen Teil die Machtübernahme der Nationalso- Landauer im DÖW. Ein Spanienkämpfer, Aufbaus“ jahrzehntelang in den Redak- zialisten, die ersten Verfolgungen, aber der in den Arbeiten über die österreichi- tionsräumen der Wahrheit unbeachtet lie- auch die ersten Widerstandsaktivitäten in schen Freiwilligen auf Seiten der Spani- gen blieb und erst vor Kurzem wieder auf- mehreren steirischen Gemeinden. Im schen Republik immer wieder genannt gefunden wurde. zweiten Kapitel wird die Vorgeschichte wurde und wird, ist der aus Graz stam- Heimo Halbrainer und Karl Wimmler ha- der Partisanengruppe Leoben-Donawitz mende Josef Martin Presterl (geb. 1916). ben dieses Manuskript nun redigiert, her- erzählt, die im dritten Abschnitt im Mittel- Dieser kam Ende 1936 nach Spanien, ausgegeben und um wertvolle Informatio- punkt steht. Die Gründung der Österrei- kämpfte an verschiedenen Frontabschnit- nen ergänzt. Von wenigen Ausnahmen chischen Freiheitsfront, wie sich diese ten, wurde wie viele andere auch zunächst abgesehen, haben die Herausgeber zu al- Partisanengruppe ab Herbst 1943 nannte, in französischen Lagern interniert und len in Presterls Text erwähnten AkteurIn- wird hier ebenso dargestellt wie deren kam schließlich Anfang des Jahres 1941 in nen – annähernd 100 Personen – Kurzbio- Kämpfe und die Verfolgungen durch die das KZ Dachau. Nach der Befreiung kehr- graphien verfasst (S. 301–336), aus denen Gestapo. Neben dem obersteirischen Wi- te er nach Graz zurück, wo er Leiter des nach Auffassung des Rezensenten eigent- derstand wird hier zudem auf zwei 1944 Österreichischen Volksverlags und Her- lich erst ersichtlich wird, dass Presterls entstandene Gruppen – die Koralmparti- ausgeber der kommunistischen Tageszei- Buch trotz seiner romanhaften Darstel- sanen und die Steirische Kampfgemein- tung Wahrheit wurde. Ab 1946 war der lungsform in einem begrenzten Ausmaß schaft in Graz – eingegangen. Diese bei- Journalist und Schriftsteller Presterl in und mit entsprechender Quellenkritik auch den Gruppen wie auch eine in der Hartber- Graz zudem noch Vorsitzender der Ver- als historische Quelle genutzt werden ger Gegend entstandene Partisanengruppe einigung ehemaliger Spanienkämpfer, kann. Heimo Halbrainer hat zudem eine stehen im Mittelpunkt des vierten Teils. stellvertretender Präsident des Steirischen lange biografische Skizze über Josef Das fünfte und letzte Kapitel schildert das Verbandes demokratischer Schriftsteller Martin Presterl verfasst, worin er die nach Ende der NS-Herrschaft in Graz, Leoben und Journalisten und Leiter des Kristall- Presterls Verurteilung von seinen ehemali- und auf der Koralm, wo die zuvor vorge- Verlags. gen politischen Genossen in der Wahrheit stellten Widerstandsgruppen die Macht Von jugoslawischen Spanienkämpfern publizierten Diffamierungen ausführlich übernahmen. eingeladen, bereiste der umtriebige Jour- entkräftet und die Geschichte eines seit Presterls Darstellung der Widerstandsakti- nalist 1946 das südliche Nachbarland, und Mitte der 1930er Jahre aktiven Kommu- vitäten wirkt – wohl auch aufgrund der aus diesen Reiseimpressionen entstand nisten und Spanienkämpfers bis zu seiner Entstehungszeit – mitunter etwas holz- 2000 Kilometer durch das neue Jugosla- im titoistischen Schauprozess erfolgten schnittartig und pathetisch-heroisierend. wien, das erste Buch, das im Frühjahr Verurteilung in Ljubljana nachzeichnet. Dennoch blendet er eine Reihe von „unbe- 1947 in seinem Kristall-Verlag erschien. Halbrainer wertete zu diesem Zweck an- quemen“ Aspekten nicht aus, deren The- 1947 wurde er erneut zu einer Studienreise satzweise auch die im Archiv Republike matisierung man in kommunistischen nach Jugoslawien eingeladen, die er ge- Slovenije aufbewahrten Prozessakten aus, (Selbst-)Zeugnissen späterer Jahrzehnte meinsam mit seiner Verlobten Hilde Hahn die ein gespenstisches Bild von den er- oft vergeblich sucht. Dies gilt insbesonde- im Oktober 1947 antrat. Nach mehreren zwungenen Selbstbezichtigungen eines re für den erheblichen Stellenwert, den die Treffen mit führenden Funktionären, Jour- Mannes vermitteln, der sich kurz zuvor in verhängnisvolle Tätigkeit von Gestapo- nalisten und Schriftstellern sowie ehemali- Österreich als begeisterter Propagandist Spitzeln in seinen Skizzen aus dem steiri- gen Kampfgefährten, die mittlerweile füh- des „neuen Jugoslawien“ betätigt hatte. schen Widerstand einnimmt (vgl. dazu rende Funktionen im jugoslawischen Presterl hat unmittelbar nach der Befrei- etwa S. 29 ff., 33 ff., 53 ff., 61 ff., 134 f., Staatsapparat und der Wirtschaft innehat- ung vom Nationalsozialismus in literari- 151 ff., 254 ff.). Diese bis dato weitestge- ten, wurde er am 25. Oktober 1947 vor scher Form über viele Widerstandsaktio- hend unbekannten „V-Leute“ der Gestapo seiner Ausreise aus Jugoslawien in Mari- nen berichtet, die erst 20 Jahre später von werden in etlichen Fällen namentlich an- bor (Marburg) festgenommen und in der Walter Wachs und Max Muchitsch – bei- geführt, ebenso ihr personelles Umfeld Folge im ersten sogenannten Dachauer- des ehemalige Partisanen auf der Koralm und ihre Einsatzgebiete, sodass sich hier Prozess mit seinen jugoslawischen Mit- bzw. in Leoben-Donawitz – in schmalen für die Vertiefung der Widerstandsfor- angeklagten und einem weiteren österrei- Broschüren dargestellt wurden. Die mit schung wichtige Anknüpfungspunkte er- chischen Spanienkämpfer, Paul Gasser, 60-jähriger Verspätung erfolgte Heraus- geben. am 28. April 1948 zum Tode verurteilt und gabe dieser frühen literarischen Beschäf- Auch wenn heute die Geschichte der einen hingerichtet. tigung mit dem steirischen Widerstand ist oder anderen von Presterl behandelten 6 Mitteilungen 200

Widerstandsgruppe durch verschiedene Lebensaft und Mentschl spüren den Brü- folgte nach den „Nürnberger Gesetzen“ Akten, die 1946/47 noch nicht zur Verfü- chen in den Lebensverläufen der Protago- teils auf Umwegen nach Großbritannien. gung standen, ausführlicher und differen- nisten nach, wie sie sich durch Verfol- Bevor die Flüchtlinge zum Geheimdienst zierter darstellbar ist, so gibt das Buch gung, Exil, Einsatz im Widerstand und SOE angeworben wurden, hatten sie, die doch einen sehr guten Überblick über den Neuorientierung nach Kriegsende erga- nichts lieber als ihren Beitrag zum Kampf steirischen Widerstand gegen den Natio- ben. Eingebettet in die Lebensperioden gegen den Nationalsozialismus leisten nalsozialismus. Vor allem aber erfährt man vor ihrer Flucht und nach ihrer Demobi- wollten, bereits eine Reihe von diskrimi- durch die Herausgeber viele interessante lisierung werden die Fluchtwege nach nierenden und demütigenden Erfahrungen und in Österreich bisher unbekannte As- Großbritannien, die Einbindung in den im Fluchtland hinter sich: Internierung pekte aus dem kurzen, politisch bewegten War Effort, die Rekrutierung für die SOE, bzw. Deportation als „enemy aliens“ oder Leben des Autors. die Vorbereitung auf den Einsatz, die frustrierenden Dienst im unbewaffneten Hans Schafranek Durchführung der Mission in Österreich Pioneer Corps der britischen Armee. Nach sowie die Beteiligung an der Verfolgung einem militärischen Training, das u. a. den von Kriegsverbrechern nach der Kapitu- Umgang mit Explosivstoffen, eine Ein- Lebensaft, Elisabeth, Christoph lation Deutschlands nachgezeichnet. schulung in Nachrichtentechnik und Fall- Mentschl: „Are you prepared to do a Durch den biographischen Zugang werden schirmspringen miteinschloss, folgte er- dangerous job?“ Auf den Spuren öster- die Individuen, ihre Motivation zum Wi- neut zermürbendes Warten, bis die Män- reichischer und deutscher Exilanten im derstand und ihre Leistungen im Kampf ner im Rahmen der Clowder Mission, zu- britischen Geheimdienst SOE. Wien: gegen den Nationalsozialismus und bei sammengefasst zu den Kommandos Verlag der Österreichischen Akademie der Aufklärung von Kriegsverbrechen, Hamster, Historian und Duncery, Ende der Wissenschaften 2010. 296 S. aber auch das erlittene Leid (die Männer April 1945 endlich über österreichischem hatten den Verlust zahlreicher Familien- Territorium abspringen konnten. Zielge- Ein Fund zweier Dokumente in den British mitglieder im Holocaust zu beklagen) und biet war die Region um Knittelfeld bzw. National Archives stand am Anfang der die Verhinderung von Lebenschancen Judenburg, die zwar noch unter Kontrolle Recherchen zu diesem Buch, das den Ein- sichtbar. Das Beispiel dieses kleinen Kol- der Wehrmacht war, deren Kapitulation satz österreichischer bzw. deutscher Agen- lektivs steht somit stellvertretend für die angesichts der heranrückenden alliierten ten im Dienst des britischen Geheimdiens- Erfahrungen jener Exilanten, die im Verbände aber unmittelbar bevorstand. tes SOE (Special Operations Executive) in Dienst der SOE für die Befreiung ihrer Der Auftrag der Agenten bestand jeweils den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ehemaligen Heimat kämpften. darin, Sabotageakte an kriegswichtigen in der Obersteiermark zum Thema hat. Die vorgestellten Widerstandskämpfer Verkehrsrouten durchzuführen, den Flug- Elisabeth Lebensaft und Christoph stammten durchwegs aus bürgerlichen hafen Zeltweg zu sichern, Kontakte zum Mentschl, die im Rahmen ihrer Arbeiten Verhältnissen und hatten, wie George lokalen Widerstand zu knüpfen und im für das Österreichische Biographische Le- Bryant als Rechtsanwalt, eine vielverspre- Fall des Falles mit den alliierten (sowjeti- xikon bereits eine Reihe einschlägiger chende Berufslaufbahn eingeschlagen schen) Truppen Kontakt aufzunehmen, Publikationen zum österreichischen Exil, oder besuchten noch die Schule. Die aus- selbstverständlich unter Wahrung der bri- namentlich in Großbritannien, vorgelegt führliche Beleuchtung des familiären Hin- tischen Interessen innerhalb einer europä- haben, rekonstruierten für ihr aktuelles tergrunds der SOE-Agenten bringt, wie ischen Nachkriegsordnung. Im Rahmen Werk die Lebensläufe von acht Männern etwa im Fall von Anton Walter Freud, des ihres von Pannen eingeleiteten Einsatzes (Georg Breuer / George Bryant; Anton Enkels von , interessante (zwei Männer wurde beim Absprung von- Walter Freud, Karl / Charles Kaiser; Franz familiäre Bezüge zum Vorschein. Nach einander getrennt) gelang den Agenten Joseph König / Frank Kelly; Erich Rohde / dem „Anschluss“ gelangten sie als Ver- immerhin eine Teilrealisierung dieser Zie- Eric Rhodes; Hans / Harry Schweiger; Manfred Werner / Fred Warner und Harry Wunder / Harry Williams), die als Vertrie- 11. Gedenkfahrt nach Engerau bene des NS-Regimes in diesem Bereich des Widerstands tätig waren. mit Gedenksteinenthüllung in Wolfsthal/NÖ Vom Großteil der Forschungsliteratur zu den SOE-Agenten österreichischer Her- Sonntag, 27. März 2011, 7.45–18.00 Uhr kunft abweichend, wählten die Verfasser einen biographischen Ansatz, den sie mit Organisation: Claudia Kuretsidis-Haider einer ausführlichen Darstellung des his- torischen und organisatorischen Umfelds, Ökumenischer Gottesdienst in Wolfsthal | Enthüllung des Gedenksteins für die wäh- in dem die SOE-Agenten ihren hochris- rend des „Todesmarsches“ von Petrzalka (Engerau)/Bratislava nach Bad Deutsch- kanten Auftrag durchführten, verknüpfen. Altenburg ermordeten ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter | Gedenkkundgebung Dabei greifen sie nicht nur auf einen be- beim Mahnmal für die ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter auf dem Friedhof von eindruckenden Quellen- und Literatur- Petrzalka (Engerau)/Bratislava | Fahrt zu den Gedächtnisorten des ehemaligen fundus zurück (Recherchen wurden unter Lagers Engerau in Petrzalka | Gedenkkundgebung auf dem Friedhof von Bruck an anderem in österreichischen, britischen der Leitha für die 155 ermordeten ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter. und australischen sowie privaten Archiven getätigt), sondern sie hatten auch das Um Anmeldung bis zum 20. März 2011 wird gebeten: Claudia Kuretsidis-Haider, Glück, drei der mittlerweile verstorbenen Tel. 01/22 89 469-315 oder e-mail: [email protected] | Unkostenbeitrag: Protagonisten noch persönlich befragen zu EUR 11,– | Detailliertes Programm: www.doew.at (Veranstaltungskalender) können. März 2011 7 le, die im Wesentlichen im Aufbau einer gemeinsamen Aktionsbasis mit dem loka- len Widerstand, in der Aufnahme von Ver- Willy und Helga Verkauf-Verlon Preise handlungen mit Funktionsträgern des NS- Regimes sowie der Herstellung von Kon- 2010 und 2011 takten mit den Militärs der Roten Armee bestand. Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Die Willy und Helga Verkauf-Verlon Preise für österreichische antifaschistische Reiches war die Tätigkeit der Exilanten Publizistik 2010 und 2011 gehen an die Theodor Kramer Gesellschaft (2010) zwar im Rahmen der SOE, nicht aber in und an den ORF-Wissenschaftsredakteur Andreas Novak (2011). Die Preise den Diensten der britischen Armee been- werden am Donnerstag, den 24. Februar 2011 im Veranstaltungszentrum des det. Sie fanden als Angehörige der Briti- DÖW übergeben. schen Rheinarmee bei der Verfolgung von Kriegsverbrechern bzw. der British-Aust- Die Laudatio für die Theodor Kramer Gesellschaft hält die Generalsekretärin des rian Legal Unit bei der Reinstallation des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus und des Allgemeinen Entschädi- österreichischen Rechtswesens (George gungsfonds Hannah Lessing. Laudator für Andreas Novak ist der ehemalige wissen- Bryant) Verwendung. Den britischen Mili- schaftliche Leiter des DÖW Wolfgang Neugebauer. tärbehörden war klar, dass die Exilanten Dieser Preis für österreichische antifaschistische Publizistik wurde von Helga und als persönlich von den Verbrechen der Na- Willy Verkauf-Verlon 1991 als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem DÖW gestiftet. tionalsozialisten Betroffene eine erhöhte Er wird für wissenschaftliche und publizistische Leistungen vergeben. Motivation zu deren Aufklärung mitbrach- ten. So führten sie etwa Ermittlungen zu Zur Theodor Kramer Gesellschaft: den Verbrechen in den Konzentrations- 1984 gegründet; Zielsetzung: Erforschung von Leben und Werk Theodor Kramers, lagern Ravensbrück und Neuengamme Verbreitung der Literatur des Exils und des Widerstands; seit Mai 1984 Herausgabe durch und waren an der Fahndung nach der Zeitschrift Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands nationalsozialistischen Funktionären be- (früher: Mit der Ziehharmonika), seit 1990 auch des Jahrbuchs Zwischenwelt; 1995 teiligt, die der britischen Militärgerichts- Gründung des Verlags der Theodor Kramer Gesellschaft (2008 im Rahmen des barkeit zugeführt wurden. Bruno-Kreisky-Preises für das Politische Buch mit dem Sonderpreis des Sozialde- Harry Schweiger (ehemals Jurist) war mokratischen Wirtschaftsverbandes Österreich für besondere verlegerische Leis- maßgeblich an der Aufspürung von SS- tungen ausgezeichnet); Abhaltung zahlreicher wissenschaftlicher Symposien und Obergruppenführer Oswald Pohl, Chef kultureller Veranstaltungen: Jiddische Kultur und Literatur aus Österreich (Salz- des SS-Wirtschafts-Verwaltungs-Haupt- burg, 2001), Zur Rezeption des Exils in Österreich (2001), Gespräche über die amtes, der für die todbringenden Arbeits- Rückkehr (2005 und 2006), Subjekt des Erinnerns? (2009) u. a.; seit 2001 Verlei- bedingungen in den Konzentrationslagern hung des Theodor Kramer Preises für Schreiben im Widerstand und Exil; Website: verantwortlich war und 1951 hingerichtet www.theodorkramer.at. wurde, beteiligt. Anton Walter Freud wie- derum war in die Ermittlungen gegen lei- Zu Andreas Novak: tende Mitarbeiter jener Hamburger Firma geb. 1958 in Wien; Studium der Publizistik und Theaterwissenschaften; seit 1980 involviert, die im Wissen um dessen Ver- Mitarbeiter des ORF (ORF-Parlamentsredaktion, Inlandsreport, Compass, Am wendungszweck für die Lieferung des Ga- Schauplatz, Modern Times, ZiB 1 und ZiB 2 u. a.), Wissenschaftsredakteur des ORF ses Zyklon B in die Vernichtungslager und Autor; 44 Dokumentationen zu vorwiegend zeitgeschichtlichen Themen; 1989 sorgten, wofür ebenfalls Todesurteile ver- Volksbildungspreis für die zweiteilige Dokumentation Ein Toter führt uns an hängt wurden. (Analyse des autoritären „Ständestaats“); 2000 Dr. Karl Renner Publizistikpreis für Nach ihrer Abrüstung sahen sich die ehe- sein Porträt des ehemaligen Arztes am Spiegelgrund und langjährigen psychologi- maligen SOE-Agenten vor der schwieri- schen Gerichtsgutachters Dr. Heinrich Gross Ein ganz normaler Arzt; Konzeption gen Situation, ihre weitere Lebensplanung und Gestaltung von TV-Doku-Serien: Die Alliierten in Österreich (2005, fünf Teile), vorzunehmen. Die meisten von ihnen Der „Anschluss“ (2008, drei Teile), Der Zweite Weltkrieg (2009, acht Teile; ausge- kehrten ins zivile Leben zurück und bau- zeichnet mit dem Erasmus Euro Media Award / Special Award 2010 for Education ten sich eine Existenz in Großbritannien and Ethics), Idole der Nazis (2010, drei Teile) u. a. oder anderen Ländern auf. Nach Öster- Publikation: „Salzburg hört Hitler atmen“. Die Salzburger Festspiele 1933–1944 reich bzw. Deutschland kehrten nur drei, (München 2005). teils erst nach vielen Jahren, zurück. Wenn auch Aufwand und persönliches Ri- Weitere Informationen zur Veranstaltung auf der Website des DÖW: www.doew.at. siko aus gesamthistorischer Perspektive durchaus in einem gewissen Missverhält- nis zu den hochgesteckten Zielen des Ein- Zeit nicht nur nicht gewürdigt wurde, son- tionen wirksam), und deren bald nachlas- satzes „behind the enemy lines“ standen, dern ihnen gerne ein sorgenfreies Leben sendes Interesse an einer Verfolgung von kann die Leistung der Beteiligten nicht im angeblich sicheren Ausland unterstellt Kriegsverbrechen werden in der vorlie- hoch genug eingeschätzt werden. In kras- wurde. Aber auch die Behörden des Exil- genden Publikation einer kritischen Be- sem Gegensatz dazu steht die Rezeption landes, die den Flüchtlingen eine oft un- urteilung unterzogen. dieser Leistung durch das offizielle Nach- menschliche und diskriminierende Be- Die übersichtliche Darstellung und die kriegsösterreich, wo das Engagement der handlung zuteil werden ließen (vereinzelt eingehende Erläuterung der historisch-po- ExilantInnen für den Widerstand lange wurden hier auch antisemitische Motiva- litischen Hintergründe der SOE-Mission, 8 Mitteilungen 200 aber auch der wechselnden und kompli- zierten organisatorischen Strukturen und Aufgabenstellungen der durchführenden Vortragsreihe im Veranstaltungszentrum des DÖW Institutionen ermöglicht auch LeserInnen und Lesern ohne Vorkenntnisse zum The- ma, das Buch mit Gewinn zu lesen. Mit Zur Geschichte der dieser Studie leisten Elisabeth Lebensaft Gestapoleitstelle Wien 1938–1945 und Christoph Mentschl einen wichtigen Beitrag zur Exil- und Widerstandsfor- Mythos und Realität: Die Gestapo als Teil der NS-Gesellschaft schung sowie zur Erinnerung an jene ver- gessenen Widerstandskämpfer, die unter Einsatz ihres Lebens zur Befreiung Öster- Wien, 1. Bezirk, Morzinplatz – Hotel Metropol: Nach dem sogenannten „An- reichs beitrugen, dafür aber hierzulande schluss“ im März 1938 wurde das Hotel Sitz der „Gestapoleitstelle“ für Wien und nie offiziell geehrt wurden. somit ein Hauptschauplatz für den NS-Terror. Das Gebäude wurde bei einem Bom- Christine Kanzler benangriff zerstört, heute ist an dieser Stelle ein Zweckbau, der „Leopold-Figl-Hof“. In der Salztorgasse wurde von den Opferverbänden 1968 eine Gedenkstätte errich- tet, die derzeit renoviert und nach aktuellem Forschungsstand neu gestaltet wird. Bach, Maurizio, Stefan Breuer: Faschismus als Bewegung und Regime. Donnerstag, 28. April 2011, 18.30 Uhr Donnerstag, 12. Mai 2011, 18.30 Uhr Italien und Deutschland im Vergleich. Elisabeth Klamper / Marcus Patka (an- Wolfgang Neugebauer Wiesbaden: VS Verlag für gefragt) Die Gestapo: Terror und Widerstand Sozialwissenschaften 2010. 419 S. Die Gestapo: Instanz des Terrors und literarisches Motiv Über den Faschismus als Bewegung und Donnerstag, 19. Mai 2011, 18.30 Uhr System liegt mittlerweile eine Fülle von Donnerstag, 5. Mai 2011, 18.30 Uhr Elisabeth Klamper Literatur vor, wobei sie meist beschrei- Thomas Mang Führung durch die neugestaltete bend-historisch ausgerichtet ist. Darin fin- Zur Institutionsgeschichte der Ausstellung det man die relevanten Informationen zu Gestapoleitstelle Wien (Treffpunkt: Salztorgasse 6, 1010 Wien) den verschiedenen einschlägigen Parteien in vielen europäischen Ländern sowie zu den politischen Systemen mit faschisti- Ort: Veranstaltungsraum Ausstellung DÖW, Wipplingerstraße 6–8, 1010 Wien scher Herrschaft in Deutschland und Ita- (Eingang im Hof) | Kosten: EUR 6,– | Information, Anmeldung: Jüdisches Institut lien. An mehr analytisch oder verglei- für Erwachsenenbildung, Praterstern 1, 1020 Wien, Tel.: 01/216 19 62, e-mail: chend angelegten Arbeiten mangelt es [email protected] | Veranstalter: Jüdisches Institut für Erwachsenenbil- demgegenüber. Ganz in diesem Sinne aus- dung in Kooperation mit dem DÖW gerichtet wollen die Beiträge in dem Band Faschismus als Bewegung und Regime. Italien und Deutschland im Vergleich sein. „Dritten Reich“ erfolgte, wird anschlie- plebiszitären Führerdemokratie. Sie ist Dessen beide Autoren sind denn auch kei- ßend dargestellt und erörtert. Anhand ei- schließlich zugleich eine Gesinnungspar- ne Historiker, sondern Soziologen. Der in ner Fallstudie zu den führerunmittelbaren tei der politischen Rechten und eine Patro- Passau lehrende Maurizio Bach und der in Stabsorganisationen zeigt sich die Auflö- nagepartei, die auf die Bewährung des lehrende Stefan Breuer bekun- sung institutionell geregelter Koordina- Charisma ausgerichtet ist.“ (S. 77) Ein- den gleich im ersten Satz: „Die Studien in tionsstrukturen und die Bedeutung des Zu- zelne dieser Merkmale könnte man zwar diesem Band sollen den Beitrag deutlich gangs zum Machthaber. Charisma und auch bei anderen Parteien ausmachen, in machen, den die Herrschaftssoziologie Veralltäglichung sowie die Verwaltungs- Kombination miteinander fügten sie sich Max Webers zur Deutung und Erklärung politik im italienischen Regimefaschismus aber zu einem Merkmalskomplex mit ide- des Faschismus leisten kann.“ (S. 7) Ins- bilden danach noch einen thematischen altypischer Qualität, welcher eine klare besondere entlang der Weberschen Auffas- Schwerpunkt. Und schließlich wird ein Grenzziehung zwischen faschistischen sung von charismatischer Herrschaft be- kurzer Vergleich der faschistischen Herr- und nicht-faschistischen Parteien erlaube. wegen sich die neun Beiträge: schaftsstrukturen in Deutschland und Ita- Damit sei das benannt, was aus Sicht der Zunächst geht es um einen Idealtyp von lien gezogen. Weberschen Soziologie als „faschistisches Faschismus, wobei man ein „faschisti- Das erwähnte „faschistische Minimum“ Minimum“ gelten könne. sches Minimum“ bestimmen will. Danach wird bezogen auf den Typus der faschisti- Ähnlich wie Historiker wie Ian Kershaw werden die genannten Merkmale anhand schen Partei mit einem Set folgender oder Hans-Ulrich Wehler nutzen auch der faschistischen Kleinparteien der Zeit Merkmale bestimmt: „Eine solche Partei Maurizio Bach und Stefan Breuer das zwischen 1920 und 1940 geprüft. Dem verwendet Mittel, die den Kern aller Staat- Analyseinstrumentarium des als „Vater folgt eine Analyse zur Bedeutung von Ver- lichkeit: das Monopol der legitimen physi- der deutschen Soziologie“ geltenden Max gemeinschaftung in der Phase des Bewe- schen Gewaltsamkeit, nicht respektieren. Weber für die Deutung des Faschismus gungsfaschismus. Die Rezeption des ita- Ihre Organisation beruht auf charismati- und Nationalsozialismus. Dabei begren- lienischen Vorbildes in der extremisti- scher Herrschaft, allerdings in dem für die zen sie ihre Analyse aber nicht nur auf den schen Rechten der Weimarer Republik Epoche der Massendemokratisierung cha- Gesichtspunkt der charismatischen Herr- steht danach im Zentrum des Interesses. rakteristischen Modus der antiautoritären schaftsform und die politische Situation in Wie eine Charismatisierung des Staates im Umdeutung des Charisma in Richtung der Deutschland, sondern gehen darüber hin- März 2011 9

von Beginn an Aufsätze zu Vorurteilen gegenüber anderen Minderheiten. Anläss- Buchpräsentation im Veranstaltungszentrum des DÖW lich einer Konferenz des Instituts und ei- ner Schwerpunktausgabe des Jahrbuchs zum Thema Feindbild Jude – Feindbild Dirk Rupnow / Heidemarie Uhl (Hrsg.) Muslim löste diese Perspektive Empörung und Kritik aus, wurde doch der Vorwurf Zeitgeschichte ausstellen in Österreich einer Relativierung oder Verharmlosung des Antisemitismus erhoben. Im Lichte Museen – Gedenkstätten – Ausstellungen dieser Auseinandersetzung müssen auch einige Bemerkungen in der vorliegenden Böhlau 2011, 472 S., 43 s/w-Abb., EUR 49,– | ISBN: 978-3-205-78531-6 19. Ausgabe des Jahrbuchs für Antisemi- tismusforschung gesehen werden, lässt Donnerstag, 7. April 2011, 18.00 Uhr sich darin doch ein besonderer Schwer- punkt zum Thema Antiziganismus ausma- chen. Begrüßung: Brigitte Bailer-Galanda (wissenschaftliche Leiterin des DÖW) Am Beginn steht allerdings eine Abhand- lung von Benz zur Antisemitismusfor- Podiumsdiskussion mit dem/der HerausgeberIn sowie: Lucile Dreidemy (Institut für schung als akademischem Fach und öf- Zeitgeschichte, Universität Wien), Ulrike Felber (Institut für Zeitgeschichte, fentlicher Aufgabe, welche auf seine Ab- Universität Wien), Hannes Leidinger (Institut für Geschichte, Universität Wien) schiedsvorlesung zurückgeht und eine Bilanz seiner Forschungsarbeit zieht. Die Moderation: Monika Sommer (schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis, Wien) darauf folgenden Beiträge widmen sich dann aber dem Schwerpunkt Antiziganis- Der Band bietet eine Bestandsaufnahme und Recherche zur Musealisierung österrei- mus, also der Feindschaft gegenüber chischer Zeitgeschichte, ihres Status quo und ihrer Entwicklung, ihrer Themen und Roma und Sinti. Joachim Krauß geht mit Darstellungsformen, ihrer Probleme und Blindstellen, ihrer Herausforderungen und Heinrich M. G. Grellmanns Werk Die Konfliktfelder. Mit der Analyse bisheriger und bestehender Repräsentationen wer- Zigeuner von 1783 auf einen „Klassiker“ den grundsätzlich die Möglichkeiten einer musealen Darstellung österreichischer derartiger Vorurteile ein, und Esther Zeitgeschichte diskutiert. Quicker widmet sich den Stimmen zu den Roma im gegenwärtigen Rumänien. Das Beiträge von: Brigitte Bailer, Lucile Dreidemy, Ulrike Felber, Richard Hufschmied, Bild von den Juden und Roma bei Franz Jennifer Jordan, Gerald Lamprecht, Peter Larndorfer, Hannes Leidinger, Karin Kafka und Bram Stoker steht danach bei Liebhart, Verena Moritz, Bertrand Perz, Alexander Pollak, Marie Magdalena Rest, Julia-Karin Patrut und der Antiziganismus Dirk Rupnow, Monika Sommer, Heidemarie Uhl, Regina Wonisch. im gegenwärtigen Ungarn bei Wolfgang Aschauer im Zentrum des Interesses. Und Dirk Rupnow: wissenschaftlicher Mitarbeiter und derzeit Leiter des Instituts für schließlich findet man zu diesem Schwer- Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, Privatdozent am Institut für Zeitgeschich- punkt auch noch eine Fallstudie zu Kin- te der Universität Wien. dern aus Familien kosovarischer Roma von Verena Knaus, Hil Nrecaj und Peter Heidemarie Uhl: Historikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaf- Widmann und zu der weithin unbekannten ten in Wien, Privatdozentin am Institut für Geschichte der Universität Graz. Minderheit der „Jenischen“ von Ulrich Opfermann Ort: Veranstaltungsraum Ausstellung DÖW, Wipplingerstraße 6–8, 1010 Wien Dem folgen weitere Beiträge: Johannes (Eingang im Hof) Leicht analysiert die Ordnungsutopien der „Alldeutschen“, Ulrike Heitmüller geht dem Wirken des antisemitischen Predigers aus auch auf die Folgewirkungen für die Friedrich Heitmüller nach, Julia Schwarz Gestaltung des Regierungssystems sowie Benz, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch für analysiert Stürmer-Karikaturen, Svetlana vergleichend auf den italienischen Fa- Antisemitismusforschung 19. Berlin: Burmistr widmet sich den Berichten über schismus ein. Somit bereichern die beiden Metropol-Verlag 2010. 416 S. die Judenverfolgung in der Minsker Zei- Soziologen die Analysemöglichkeiten und tung, Matthias Vetter erörtert die Rolle des den Erkenntnisgewinn in diesem For- Das vom Historiker Wolfgang Benz seit Antisemitismus in der stalinistischen schungsfeld. Dies geschieht allerdings 1992 im Auftrag des Zentrums für Anti- Minderheitenpolitik, Michael Höttemann, auch fragmentarisch, besteht doch der semitismusforschung an der TU Berlin Felix Knappertsbusch und Björn Milbradt Band aus einzelnen zuvor gesondert kon- herausgegebene Jahrbuch für Antisemitis- gehen auf transnationale Aspekte anti- zipierten Aufsätzen. Darüber hinaus zei- musforschung versteht sich seit seinem semitischer Feindbilder ein, Ruth Orli- gen sich Bach und Breuer allzu sehr „de- Bestehen als Forum für wissenschaftliche Mosser analysiert den antimuslimischen tailverliebt“, sodass die allgemeinen Li- Beiträge zur Antisemitismus-, Minderhei- Wahlkampf der FPÖ, Markus Meckl erör- nien ihres analytischen Ansatzes oft in ten- und Vorurteilsforschung. Zwar stan- tert den Missbrauch der Pressefreiheit bei Fragen zu speziellen Aspekten unterge- den Abhandlungen zur Judenfeindschaft der Vorurteilsschürung, Winfried Meyer hen. demnach immer im Zentrum des Inter- geht in einer Fallstudie dem Wirken der Armin Pfahl-Traughber esses, gleichwohl fand man ebendort auch NS-Justiz gegen „Judenhelfer“ nach, 10 Mitteilungen 200

Brigitte Mihok untersucht die Geschichts- login Claudia Globisch, die Historikerin und Autoren nähern sich diesen aus unter- deutung im „Haus des Terrors“ in Buda- Agnieszka Pufelska und der Historiker schiedlichen theoretischen Perspektiven. pest, Shlomo Shafir widmet sich dem Ver- Volker Weiß. Der Sammelband enthält 17 Hierbei wurde keine stilistische Homoge- hältnis Willy Brandts zu den Juden und Beiträge, die in fünf Kapitel eingeteilt nität angestrebt.“ (S. 15) In der Tat unter- Israel; und Mona Körte kommentiert den wurden: scheiden sich die Beiträge nicht nur the- Film Jud Süß – Film ohne Gewissen. Zunächst geht es in einer ideengeschicht- matisch, sondern auch methodisch. Wie allgemein bei Jahrbüchern und Sam- lichen Betrachtung von Zeev Sternhell um Manchmal wurde der Redetext offenbar melbänden üblich unterscheiden sich die die Entwicklung von der Gegenaufklärung nur um Literaturhinweise ergänzt, manch- Aufsätze nicht nur thematisch, sondern bis zum Nazismus und um eine Deutung mal liegt ein wissenschaftlicher Aufsatz auch methodisch und qualitativ. Benz der Rechtsextremisten als nationalistische vor. Dabei geht es aber auch thematisch stellt in seinem Beitrag gegenüber seinen Rassisten von Ulrich Bielefeld. Danach durcheinander. Viele Beiträge können Kritikern und Kritikerinnen noch einmal stehen entsprechende Entwicklungen im noch nicht einmal dem doch sehr allge- klar: „Antisemitismusforschung margina- gegenwärtigen Osteuropa im Zentrum des mein gehaltenen Konferenzthema zuge- lisiert [...] keineswegs den Holocaust, Interesses, wobei sich Magdalena ordnet werden. Insofern fällt das Urteil wenn sie Methoden der Diskriminierung Marsovszky mit der Erinnerung an den über den Sammelband auch ambivalent in den Blick nimmt, die zuerst von Juden- Holocaust in Ungarn, Tomasz Konicz mit aus: Einige Beiträge formulieren lediglich feinden gegen Juden benutzt wurden und dem Geschichtsbild der heutigen polni- allgemein das, was man an anderen Orten später von Islamhassern gegen Muslime schen Rechten vom Zweiten Weltkrieg meist besser auch schon lesen konnte. angewandt werden.“ (S. 27) Bei den Fall- und Andreas Umland mit nationalistischen Andere Beiträge wie etwa die zum Län- studien zum Antiziganismus vermisst man Kräften im postsowjetischen Russland be- dervergleich oder zu Osteuropa verdienen einen theoretischen Beitrag, der sich mit schäftigen. Dem folgend widmet man sich näheres Interesse. den Besonderheiten dieses Vorurteils auch den Ideologien und Strukturen der ge- Armin Pfahl-Traughber in vergleichender Perspektive auseinan- meinten Parteien in Westeuropa, einmal dersetzt. Der analytisch interessante Bei- allgemein bezogen auf die gegenwärtige trag zu den Stürmer-Karikaturen wäre Entwicklung durch Michael Minkenberg, Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche noch durch deren Abdruck bereichert wor- hinsichtlich einer Betrachtung der extre- Zustände. Folge 9. Berlin: Suhrkamp- den. Bei der Abhandlung zu Antisemitis- men Rechten in Deutschland und Groß- Verlag 2010. 343 S. mus und Stalin-Ära fällt eine Differen- britannien durch Andreas Klärner und zierung in der Zuordnung positiv auf. Da- orientiert an der Problematik eines Ver- Seit 2002 veröffentlicht das Institut für in- für irritiert der Text zu den transnationalen gleichs der rechtskonservativen Kräfte in terdisziplinäre Konflikt- und Gewaltfor- Aspekten antisemitischer Feindbilder Frankreich und der Schweiz durch Gilbert schung der Universität Bielefeld alljähr- durch eine inhaltlich diffuse Analyse. Casasus. lich seine Forschungsergebnisse zu Grup- Armin Pfahl-Traughber Der größte Kapitelteil geht danach auf penbezogener Menschenfeindlichkeit. Da- Antiamerikanismus, Antisemitismus und mit meinen die unter der Leitung von Antiziganismus als grenzüberschreitende Wilhelm Heitmeyer arbeitenden Sozial- Globisch, Claudia, Agnieszka Pufelska, Semantiken ein: Michael Werz erörtert das wissenschaftlerInnen ein Syndrom, das Volker Weiß (Hrsg.): Die Dynamik der Amerikabild als Zerrspiegel der Moderne, aus Einstellungen wie Antisemitismus, europäischen Rechten. Geschichte, Detlev Claussen kritisiert eine wissensso- Etabliertenvorrechten, Fremdenfeindlich- Kontinuitäten und Wandel. Wiesbaden: ziologische Analyse des Antisemitismus, keit, Heterophobie, Islamophobie und Se- VS – Verlag für Sozialwissenschaften Klaus Holz geht der antisemitischen Ver- xismus besteht. Den „Bielefeldern“ geht 2011. 317 S. brüderung der europäischen Rechtsextre- es aber nicht nur um die quantitative Er- men nach, Claudia Globisch erörtert den fassung derartiger Auffassungen und In vielen europäischen Ländern konnten in Kontext von Ethnopluralismus und Anti- Orientierungen. Sie wollen darüber hinaus den letzten Jahren „Rechtsaußenparteien“ semitismus und Volker Weiß beschäftigt auch Bedingungsfaktoren und Kontexte Wahlerfolge verbuchen. Mitunter beweg- sich mit dem Verhältnis von Islamisten erforschen. Die Ausgabe Deutsche Zu- ten sie sich noch im Rahmen der Normen und Rechtsextremisten in Vergangenheit stände. Folge 9 des Jahresberichts für und Regeln demokratischer Verfassungs- und Gegenwart. Und schließlich findet 2010 beinhaltet zum einen eine Bilanz zur staaten, mitunter überschritten sie diese man noch Beiträge zum neuen Faschis- Entwicklung im ersten Jahrzehnt des Grenze in Richtung des Rechtsextremis- musverständnis, wobei Axel Schildt einen 21. Jahrhunderts. Darüber hinaus sollen mus. Bei der Einschätzung dieser Parteien Überblick zur Debatte in der deutschen zum anderen die Auswirkungen der Fi- spielt deren Verhältnis zu den Rechts- Geschichtswissenschaft liefert, Agnieszka nanzkrise untersucht werden. Es geht da- diktaturen und dem Zweiten Weltkrieg Pufelska die Auseinandersetzung mit dem bei um die Beachtung dreier Komponen- eine wichtige Rolle. Faschismusbegriff in Osteuropa nach Dies mag das Villigster Forschungsforum 1945 behandelt und Roger Griffin den an- 2009 dazu motiviert haben, eine Tagung geblich „neuen Konsens“ bezüglich des Diese Zeitung ist eine von mit dem Thema Ressentiment und Erinne- Faschismusverständnisses in der gegen- 1.800 aus dem Leseprogramm von rung: Europas radikale Rechte und der wärtigen Forschung in Europa diskutiert. EISENBACHER GmbH Zweite Weltkrieg durchzuführen. Nun lie- Die HerausgeberInnen bemerken bereits MEDIENBEOBACHTUNG gen die ebendort gehaltenen Referate in im Vorwort: „Trotz seiner thematischen Form von Aufsätzen in dem Sammelband Binnengliederung ist der Sammelband 1060 WIEN, LAIMGRUBENGASSE 10 Die Dynamik der europäischen Rechten. letztlich pragmatisch auf die Beschreibung TEL.: 01/36060 - 5401; FAX: 01/36060 - 5699 E-MAIL: [email protected] Geschichte, Kontinuitäten und Wandel von beobachtbaren Einzelfällen und Ent- INTERNET: www.eisenbacher.net vor. Herausgegeben haben ihn die Sozio- wicklungen ausgerichtet. Die Autorinnen März 2011 11 ten: gesellschaftliche Entwicklungen, sub- es, „den Blick stärker als bisher auf die bei allen Menschen nachweisbar ist, müss- jektive Verarbeitung und Auswirkungen höheren Status- und Einkommensgruppen te noch nach anderen Faktoren gefragt auf schwache Gruppen. zu richten. Dies ist notwendig mit Hin- werden. Armin Pfahl-Traughber Die zwanzig Beiträge widmen sich unter- blick auf die politischen Konsequenzen, schiedlichen Aspekten: Zunächst geht es die diese Exklusionsmechanismen zeiti- um die Entsolidarisierungswirkungen in gen, als auch hinsichtlich des Eintretens Dierbach, Stefan: Jung – rechts – un- Krisenzeiten und das Ausmaß Gruppen- für die Rechte schwacher Gruppen.“ politisch? Die Ausblendung des bezogener Menschenfeindlichkeit im euro- (S. 26) Die unterschiedliche Betroffenheit Politischen im Diskurs über Rechte päischen Vergleich, um die Erscheinungs- durch Krisen bedinge auch unterschiedli- Gewalt. Bielefeld: transcript Verlag formen von Fremdenfeindlichkeit im loka- che Zustimmungsraten zu entsprechenden 2010. 298 S. len Kontext und die Zusammenhänge von Einstellungen: „Der zentrale Befund ist Armut und Menschenfeindlichkeit in acht [...], dass unter den eher wohlhabenden Rechtsextreme Übergriffe werden oftmals europäischen Ländern. Dem folgen Bei- Menschen zwischen 2009 und 2010 ein mit dem Verweis auf die Jugendlichkeit träge zu den Folgen der Krisenbedrohung deutlich höherer Anstieg solcher Einstel- der Täter zu erklären und damit auch in für die Entsolidarisierung und der Abwer- lungen zu verzeichnen ist [...].“ (S. 28) gewisser Weise zu relativieren versucht. tung von Menschengruppen im vorgeb- Auch mit Deutsche Zustände. Folge 9 legt Diese Reduktion rechtsextremer Gewalt lichen Namen der Gerechtigkeit, zur Öko- das Bielefelder Institut bedeutsame Daten auf das Altersproblem einer bestimmten nomisierung der Gesellschaft als Nährbo- und Erkenntnisse aus seinem Forschungs- Gruppe bestimme, so der Pädagoge Stefan den für Menschenfeindlichkeit und zur projekt vor. Von ähnlichen Studien unter- Dierbach, großteils auch die deutsche so- Gewaltbereitschaft als Folge bindungslo- scheidet sich Letzteres dadurch, dass sol- zialwissenschaftliche Rechtsextremismus- ser Flexibilität. Eher journalistische Fall- che Erkenntnisse kontinuierlich und nicht forschung. In seiner nun publizierten Dis- geschichten widmen sich den Autonomen nur sporadisch erhoben werden. Dies ge- sertation rekonstruiert und kritisiert der Nationalisten in Dortmund oder der Ber- stattet eine ansonsten nur schwer mögli- Autor anhand der Analyse zahlreicher ein- liner Straßenzeitungsverkäufer-Szene. Be- che Analyse der Entwicklung im zeitli- schlägiger wissenschaftlicher Studien die sondere Aufmerksamkeit finden außerdem chen Verlauf. Außerdem fragen die Sozial- hegemoniale und oftmals eindimensionale thematische Zusammenhänge mit der ge- wissenschaftlerInnen hier auch immer Erklärung von rechter Gewalt durch das sellschaftlichen Elite, aber auch das Schei- wieder nach den Auswirkungen gesell- Alter der TäterInnen. Gewalt werde dabei tern des „Hartz“-Kapitalismus. schaftlicher Entwicklungen wie Entsolida- „nicht als Effekt einer Ideologie, sondern Als allgemeines Ergebnis der Studien risierung und Ökonomisierung der Gesell- eines Lebensabschnittes“ (S. 47) themati- kann neben dem kontinuierlich anhaltend schaft auf die untersuchten Einstellungen. siert, wobei die dafür herangezogenen Be- hohen Niveau von Einstellungen im Sinne Gleichwohl muss auch hier Kritik bezüg- griffe Jugend und jugendlich selbst oft- von Gruppenbezogener Menschenfeind- lich der genutzten Items formuliert wer- mals vage bestimmt sind. Mit der Aus- lichkeit zum einen der Anstieg von Res- den: Nicht jedes Einstellungsstatement blendung der politischen Dimension der sentiments gegen den Islam und die Mus- misst auch die gemeinten Vorurteile. Dar- Taten geraten, so die Kritik Dierbachs, lime und zum anderen die Verbreitung der über hinaus ziehen auch die hier vorlie- auch die Opfer rechtsextremer Übergriffe angesprochenen Einstellungen auch in hö- genden Beiträge häufig eine zu einfache aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Aus- heren gesellschaftlichen Kreisen konsta- und gerade Linie von der Betroffenheit gehend von der Prämisse, rechte Gewalt tiert werden. Vor dem Hintergrund der ak- von Krisen zu menschenfeindlichen Ein- als Form politischen Handelns von ideolo- tuellen Entwicklung, so Heitmeyer, gelte stellungen. Da ein solcher Kontext nicht gisierten Subjekten zu betrachten, arbeitet er im Zuge der Kritik der untersuchten Konzepte mögliche Gegenstrategien aus. Erstens sollten der dominante Erklärungs- Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: Medieninhaber: Verein „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“, 1010 Wien, Wipp- faktor Jugend in Frage gestellt und zwei- lingerstraße 8. Vereinsvorstand: Präsident: BM a. D. Rudolf Edlinger. Vizepräsidenten: KR Dr. Gerhard tens rechtsideologische TäterInnen als po- Kastelic, Prof. Hugo Pepper, Staatssekretär a. D. Dr. Ludwig Steiner, Abg. a. D. Prof. Alfred Ströer. litische Subjekte ernst genommen werden. Kassier: Prof. Dr. Jonny Moser. Kassier-Stv.: Othmar Burian. Weitere Mitglieder: Sr. Dr. Edith Beinhauer, Drittens müsse schließlich rechte Gewalt Obersenatsrat Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt, Prof. Rudolf Gelbard, Sekt. Chef i. R. Dr. Wilhelm in Deutschland als Nachfolgeproblem des Grimburg, Präs. d. VwGH Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Clemens Jabloner, RA Dr. Heinrich Keller, Präs. d. IKG Dr. Ariel Muzicant, Abg. a. D. Ing. Ernst Nedwed, Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, Univ.-Doz. Dr. Nationalsozialismus erkannt werden, Bertrand Perz, Prof. Rudolf Sarközi, Bezirksvorsteher i. R. Dr. Richard Schmitz, OSR Dr. Kurt Scholz, „weil sich in ihr eine intergenerative Tra- Abg. z. NR Mag. Terezija Stoisits, em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl, MR Mag. Manfred Wirtitsch, dierung von ideologischen Werten der Dr. Helmut Wohnout. Wissenschaftliche Leiterin: Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Brigitte Bailer-Galanda. (Ur-)Großvätergeneration durch die Enkel Kontrolle: OSR Dr. Josefa Breuer, Friederike Krenn, Mag. Peter Soswinski. zeigt“ (S. 249). Richtung: Verbreitung von Informationen im Sinne der Grundsatzerklärung des DÖW von 1963: „Das Archiv soll vor allem durch dokumentarische Beweise der zeitgeschichtlichen Erziehung der Jugend die- Obwohl die ausführlichen Analysen der nen. Sie soll mit den schrecklichen Folgen des Verlustes der Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs sowie einzelnen Texte den Lesern und LeserIn- mit dem heldenhaften Kampf der Widerstandskämpfer bekannt gemacht werden. Das Archiv soll als blei- nen manchmal langen Atem abverlangen, bende Dokumentation verwahrt werden.“ bietet das Buch Interessierten zahlreiche wichtige Überlegungen, Erkenntnisse und An der Herstellung dieser Nummer wirkten mit: Herwig Czech, Matthias Falter, Christine Kanzler, Eva Kriss, Armin Pfahl-Traughber, Hans Schafranek. Vorschläge: nicht zuletzt aufgrund der Tat- sache, dass die untersuchten Deutungs- Impressum: Verleger, Herausgeber und Hersteller: Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider- muster auch im breiteren öffentlichen ös- standes, Wipplingerstraße 8 (Altes Rathaus), 1010 Wien; Redaktion ebenda (Christa Mehany-Mitterrutzner, terreichischen Diskurs die Auseinander- Tel. 22 89 469/322, e-mail: [email protected]; Sekretariat, Tel. 22 89 469/319, Fax: 22 89 469/391, setzung mit Rechtsextremismus prägen. e-mail: [email protected]; Homepage: http://www.doew.at). Matthias Falter Ich bestelle folgende Publikationen zum Sonderpreis für Abonnenten der Mitteilungen:

Österreicher im Exil. Mexiko 1938–1947. Eine Dokumentation, Nachklang–Widerhall. Ein Hörbuch mit Texten zur Erinnerung hrsg. v. DÖW. Deuticke 2002, 704 S., Bildteil. Leinen oder an die Opfer des Nationalsozialismus, Doppel-CD, edition Karton i 15,– Leinen ... Stück kult-ex 2007, Ladenpr. i 14,90 ... Stück Karton ... Stück DÖW, Katalog zur permanenten Ausstellung. Wien 2006, Florian Freund, Concentration Camp Ebensee. Subcamp of 207 S., 160 Abb., i 24,50 ... Stück Mauthausen, 2nd revised edition, 1998, 63 S., i 4,30 ... Stück DÖW, Catalog to the Permanent Exhibition, Wien 2006, 95 S., über 100 Abb., i 14,50 ... Stück Jonny Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung Öster- reichs 1938–1945, Wien 1999, 86 S. i 4,30 Wolfgang Stadler, „... Juristisch bin ich nicht zu fassen.“ Die ... Stück Verfahren des Volksgerichts Wien gegen Richter und Staatsanwäl- te 1945–1955, LIT Verlag 2007, 397 S., Ladenpr. i 29,90 Josef Hindels, Erinnerungen eines linken Sozialisten, Wien ... Stück 1996, 135 S. i 6,50 ... Stück Erich Fein, Die Erinnerung wach halten. Widerstand & Verfol- Kombiangebot Gedenken und Mahnen in Wien, Gedenkstätten gung 1934–1945 und der Kampf um Anerkennung und Entschä- zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumen- digung der Opfer, Wien 2008, 128 S., i 12,– ... Stück tation, hrsg. v. DÖW,Wien 1998 und Gedenken und Mahnen in Wien. Ergänzungen I, Wien 2001. i 13,– (statt i 15,–) Bewahren – Erforschen – Vermitteln. Das Dokumentations- ... Stück archiv des österreichischen Widerstandes, Wien 2008, 190 S., i 13,50 ... Stück Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus. Löcker Verl. Wien 1993. Martin Niklas, „... die schönste Stadt der Welt“. Österreichi- 309 S. Ladenpr. i 27,60 ... Stück sche Jüdinnen und Juden in Theresienstadt. Schriftenreihe des DÖW zur Geschichte der NS-Gewaltverbrechen, Bd. 7, Wien Gerhardt Plöchl, Willibald Plöchl und Otto Habsburg in den 2009, 232 S., i 19,90 ... Stück USA. Ringen um Österreichs „Exilregierung“ 1941/42, Wien 2007, 288 S., Ladenpr. i 9,90 ... Stück Rudolf Agstner / Gertrude Enderle-Burcel / Michaela Follner, Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. Wolfgang Form/Oliver Uthe (Hrsg.): NS-Justiz in Österreich. Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswär- Lage- und Reiseberichte 1938–1945. Schriftenreihe des DÖW zu tigen Dienstes 1918 bis 1959, Wien 2009, 630 S., i 29,90 Widerstand, NS-Verfolgung und Nachkriegsaspekten, Bd. 3, ... Stück LIT Verlag 2004, LVIII, 503 S., Sonderpreis i 25,– ( Ladenpr. i 49,90) ... Stück Jahrbuch 2008, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Antisemitismus, LIT Verlag 2008, 285 S., Ladenpr. i 13,50 ... Stück Hans Landauer, Erich Hackl, Lexikon der österreichischen Spa- Jahrbuch 2009, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Bewaffneter nienkämpfer 1936–1939, 2. erw. Aufl., Theodor Kramer Gesell- Widerstand – Widerstand im Militär, LIT Verlag 2009, 321 S., schaft 2008, 270 S., Ladenpr. i 29,90 Ladenpr. i 13,50 ... Stück ... Stück Jahrbuch 2010, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Vermittlungs- Institut Theresienstädter Initiative/DÖW (Hrsg.) Theresien- arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen, Wien 2010, 273 S., städter Gedenkbuch. Österreichische Jüdinnen und Juden in i 13,50 ... Stück Theresienstadt 1942–1945, Prag 2005, 702 S., i 29,– ... Stück Florian Freund, Die Toten von Ebensee. Analyse und Dokumen- tation der im KZ Ebensee umgekommenen Häftlinge 1943–1945, Herbert Exenberger/Heinz Riedel, Militärschießplatz Kagran, Braintrust, Verlag für Weiterbildung 2010, 444 S., i 29,– Wien 2003, 112 S., i 5,– ... Stück ... Stück

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