Festschrift für Wilhelm Haarmann

Bearbeitet von Matthias Schüppen, Jens Blumenberg, Georg Crezelius, Dietmar Gosch

1. Auflage 2015. Buch. XVI, 1074 S. Hardcover ISBN 978 3 8021 2015 2 Format (B x L): 16,5 x 23,8 cm Gewicht: 1840 g

Steuern > Steuerrecht allgemein, Gesamtdarstellungen

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Herausgegeben von

Jens Blumenberg Georg Crezelius Dietmar Gosch Matthias Schüppen

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 2 29.05.15 10:15 Festschrift für Wilhelm Haarmann

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Jens Blumenberg Georg Crezelius Dietmar Gosch Matthias Schüppen

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ISBN 978-3-8021-2015-2

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Festschrift Haarmann 15-24387.indb 4 29.05.15 10:15 Geleitwort V

Geleitwort

Am 24. Mai 2015 feiert Wilhelm Haarmann seinen 65. Geburtstag. Ihn zu diesem­ Anlass mit einer Festschrift zu ehren und zu würdigen, ist den Autoren­ aus dem Kreis seiner Weggefährten, Kollegen und Freunde aus Praxis und Wissenschaft und insbesondere den Herausgebern der Festschrift ein besonderes Anliegen.

Wilhelm Haarmann ist in Hagen in Westfalen geboren. Wenn man dem ­Westfalen Geradlinigkeit und Beharrlichkeit zuspricht – auf Wilhelm Haarmann trifft dies zweifelsfrei zu. Nach dem Wehrdienst bei der Luftwaffe – hier wurde sein ­Interesse für alles, was mit Fliegerei zu tun hat, geweckt – studierte er in Freiburg und Münster Rechtswissenschaften und legte in Nordrhein-Westfalen das erste und zweite juristische Staatsexamen ab. Wilhelm Haarmann hat anläss- lich seines 60. Geburtstages von der „Münsterschen Schule“ gesprochen, die sich dadurch auszeichnet, dass das Jura-Studium in Münster – begleitet vom legen- dären Josef Alpmann als Repetitor – arbeitsintensiv und von hohem dogmati- schen Anspruch war.

Arbeitsintensität und hohen dogmatischen Anspruch hat Wilhelm Haarmann dann in der Folgezeit beibehalten, und er verbindet beides mit einem ausgeprägten rechtsstaatlichen Bewusstsein. Das zeigt sich auch und gerade bei seinen steuer­ rechtlichen Aktivitäten. Vielfach findet man die Aussage, dass das Steuerrecht eher von Gleichheit als von Freiheit handle. Ganz anders das steuerrechtliche Vorverständnis des Jubilars: Er ist sich stets bewusst, dass Steuerrecht Eingriffs- recht ist und die rechtsstaatlichen Prinzipien des Art. 20 Abs. 3 GG zu wahren hat. Der Steuereingriff in die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen verlangt ein formal und inhaltlich rechtsstaatliches Gesetz.

Wilhelm Haarmann ist im Jahre 1979 bei Kollhosser in Münster mit einer zivil- rechtlichen Arbeit promoviert worden. Seine juristische Argumentationsweise ist bis heute vom zivilistischen Denken geprägt. Wilhelm Haarmann ist sich bewusst, dass juristische Probleme des Unternehmensrechts und/oder des Steuer­rechts nicht mit wolkigen und gleichsam feuilletonistischen Mustern bewältigt werden können, sondern eine genaue Analyse des Lebenssachverhalts voraussetzen,­ die dann dogmatisch umzusetzen ist. Hierfür bietet das Zivilrecht die beste Schule.

Beruflich ist Wilhelm Haarmann Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerbe- rater – ein „Dreibändermann“. Er war zunächst von 1977 bis 1979 bei ­Arthur Young in und ab 1979 bei Peat Marwick Mitchell in München, und zwar ab 1983 als Partner tätig. 1987 war er Gründungspartner der Kanzlei ­Haarmann, Hemmelrath, die in der Folgezeit stark expandierte, insbesondere auch mit zahlreichen Standorten im Ausland. 1993 ist Wilhelm Haarmann

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 5 29.05.15 10:15 VI Geleitwort

zum Frankfurter Standort gewechselt und hat ihn auf- und glänzend ausgebaut. Nach der von vielen bedauerten Auflösung der Kanzlei Haarmann, Hemmelrath war Wilhelm Haarmann dann von 2006 bis 2013 Partner der Haarmann Part- nerschaftsgesellschaft in Frankfurt. Seit 2013 ist er Partner der internationalen ­Kanzlei Linklaters LLP in Frankfurt.

Die Tätigkeitsschwerpunkte und Beratungsgebiete von Wilhelm Haarmann sind das Steuerrecht, das Gesellschaftsrecht (einschließlich des Kapitalmarktrechts) und das Schiedsverfahrensrecht. Davon zeugen auch die Themen der Fest- schriftbeiträge. Wilhelm Haarmann ist Mitglied mehrerer Aufsichtsräte von Großunternehmen.­ Er ist Mitglied und war von 1997 bis 2013 Vorsitzender des Steuer­fachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland. Zudem ist er Mitglied des Vorstands der deutschen Sektion der International Fiscal Association (IFA), er war Initiator und ist bis heute Vorstandsvorsitzender der Bayerischen IFA. Seit 2001 ist er Spiritus Rector der Haarmann Steuerkon­ ferenz, zu der sich alljährlich führende Köpfe des Steuerrechts versammeln. Dabei zeichnet sich Wilhelm Haarmann nicht nur durch fachliche Kompetenz, sondern auch durch ein weites und engmaschiges Kommunikationsnetz aus, so dass er häufig und erfolgreich steuerpolitische Initiativen entfalten kann.

Wilhelm Haarmann ist aber nicht nur in der Praxis tätig, vielmehr ist er zugleich Honorarprofessor für Steuerrecht an der Universität Bamberg. Seine zahlreichen Veröffentlichungen sind sichtbarer Ausdruck seiner Fähigkeit, die in der Praxis gewonnenen Erkenntnisse auch wissenschaftlich und publizistisch aufzuberei- ten. Das für einen Berater außerordentlich umfangreiche Schrifttumsverzeichnis spiegelt die Arbeitsschwerpunkte von Wilhelm Haarmann wider. Es geht um grundsätzliche gesellschaftsrechtliche und unternehmenssteuerrechtliche Fragen. Ein vielzitierter Kommentar zum Übernahmerecht steht mittlerweile vor der 4. Auflage. Im Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht werden seit Jahrzehn- ten jeweils aktuelle und zum großen Teil nicht geklärte Fragen aufgegriffen und ­weiterführend diskutiert.

Wilhelm Haarmann hebt den angeblichen Gegensatz von Wissenschaft und ­Praxis in schönster Weise auf. Man sollte das bekannte Traktat von Immanuel Kant „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“ nachlesen. Dort wird aufgezeigt, dass es den ominösen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Praxis nicht gibt, dass auch der sog. Prakti- ker letztlich ein theoretisches Fundament braucht. Genauso liegt es bei Wilhelm Haarmann, der ausgehend von einem theoretisch/dogmatischen Fundament den praktischen Lebenssachverhalt bewältigt. Wer das Vergnügen hat, häufiger mit dem Jubilar zu diskutieren, wird feststellen, dass er für jedes Rechtsproblem – ob bekannt oder unbekannt – eine fundierte und plausible Lösung findet. Wilhelm

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Haarmann schaut aber auch über den beruflichen Tellerrand hinaus. Er ist an Kultur und Politik ebenso wie an Fragen der Wirtschaft interessiert und stets ein Partner für gewinnbringende Gespräche.

Die Herausgeber sprechen sicherlich für alle Autoren dieser Festschrift, wenn sie Wilhelm Haarmann beruflich und persönlich – seine Ehefrau Elisabeth Strobl-Haarmann ist ebenfalls Steuerrechtlerin und Mitautorin dieser Festschrift – für die Zukunft alles nur erdenklich Gute wünschen.

Ihnen lieber Herr Haarmann, Dir lieber Wilhelm ein herzlicher Gruß

Jens Blumenberg Georg Crezelius Dietmar Gosch Matthias Schüppen

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 7 29.05.15 10:15 VIII Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Gesellschaftsrecht und Schiedsverfahren

Stephan Busch Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei . . . . . 3

Siegfried H. Elsing Das Interesse beim Schadensersatz in Post-M&A-Streitigkeiten am Beispiel der Bilanzgarantie und der culpa in contrahendo ...... 23

Heribert Hirte Rückkehr zu alten insolvenzrechtlichen Privilegien für den Fiskus in neuem Gewand ...... 55

Peter Hommelhoff und Georg Lanfermann Für eine mehrjährige Bestellperiode des Abschlussprüfers ...... 73

Hanns F. Hügel Spaltungsverlust, Kapitalherabsetzung und „Summengrundsatz“ bei der Abspaltung. Ein deutsch-österreichischer Rechtsvergleich ...... 87

Reinhard Marsch-Barner Zur grenzüberschreitenden Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften . . . 115

Rolf Nonnenmacher Neue gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für den Prüfungsausschuss . . . . 143

Andreas Pentz und Silja Maul Zur Einziehung von Geschäftsanteilen bei der GmbH ...... 161

Karsten Schmidt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG – Business Judgment Rule als Lehrstück zwischen Positivismus und Rechtsfortbildung. Ein Streifzug nach dem 70. Deutschen Juristentag ...... 191

Matthias Schüppen Unternehmensbewertungsinformationen im Übernahmerecht ...... 207

Gerhard Wegen Aspekte des Kollisionsrechts im Unternehmenskaufrecht ...... 231

Hans-Ulrich Wilsing Der Vergleich über Organhaftungsansprüche – Überlegungen zum materiellen Prüfungsmaßstab­ des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ...... 257

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 8 29.05.15 10:15 Inhaltsverzeichnis IX

Steuerrecht

Sebastian Benz und Oliver Rosenberg Die Treaty Overrides des § 50d EStG: Verfassungskonform oder Verfassungswidrig? ...... 299

Jochen Berninghaus Die Wende im Streit um die Behandlung teilentgeltlicher Übertragungen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG? ...... 335

Jens Blumenberg und Florian Lechner Die Zukunft der Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung ...... 351

Eugen Bogenschütz Die Unternehmerschaft – das ungeliebte Stiefkind des Steuergesetzgebers? ...... 383

Georg Crezelius Versicherungsteuer – terra incognita des Steuerrechts? ...... 425

Klaus-Dieter Drüen Verfahrensrecht und Systemwechsel. Zu verfahrensrechtlichen Zweifelsfragen der Umgliederung des Körperschaftssteuerguthabens . . . 441

Michael Fischer Die ertragsteuerrechtliche Behandlung von sog. qualifizierten Genussrechten an Kapitalgesellschaften ...... 469

Jutta Förster Unionsrechtswidrige Steuerbescheide: Beseitigung durch Änderung, Billigkeit oder unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch ...... 491

Dietmar Gosch Gutes tun und Steuern sparen. Steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht im „freien Markt“ ...... 513

Peter Haas Das strafrechtliche Kompensationsverbot im Umsatzsteuerrecht. Zum Fall der Vorsteuerkompensation bei Schwarzeinkäufen ...... 539

Wolfgang Haas Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“) – Eine steuerpolitische Bewertung ...... 563

Manfred Hamannt und Sonja Halverscheid Allgemeine Anforderungen an eine einheitliche körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage in Europa ...... 589

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 9 29.05.15 10:15 X Inhaltsverzeichnis

Alexander Hemmelrath und Carmen Mielke-Vinke Unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen unter Ehegatten. Werden die derzeitigen Regelungen zum steuerfreien Vermögenszuwachs unter Ehegatten zukünftig Bestand haben? ...... 619

Norbert Herzig Steuerliche Behandlung eigener Anteile nach BilMoG ...... 639

Felix Hierstetter Berücksichtigung von Verbindlichkeiten im Abwicklungs-Endvermögen iSd. § 11 Abs. 3 KStG...... 653

Christian Kaeser Steuerhinterziehung: Eventualvorsatz und Bestimmtheitsgrundsatz . . . . 675

Moris Lehner Die zwischenstaatliche Abgrenzung der Besteuerungszuständigkeit im Licht des Unionsrechts ...... 689

Luka Mucic, Ina Schlie und Sebastian Schulz Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft – BEPS ...... 713

Welf Müller Internationale Rechnungslegungsgrundsätze als Rechtsquellen besonderer Art und ihre Auslegung ...... 741

Detlev J. Piltz Mehrheitsmacht und Minderheitenschutz in der Steuergesetzgebung . . 763

Arndt Raupach und Florian Reichthalhammer Die Selbstanzeige im Spiegel der Meinungen ...... 785

Reinhart Rüsken Steuerlicher Dispositionsschutz durch verbindliche Auskunft? ...... 809

Andreas Schaflitzl und Martin Lausterer Die vermeintliche und die verkannte Geschäftsveräußerung im Ganzen ...... 823

Michael Schmitt Die steuerrechtliche Behandlung der „Goldfingergeschäfte“ ...... 849

Wolfgang Schön Zur steuerlichen Behandlung von Verwaltungsratsvergütungen in der monistisch verfassten SE ...... 875

Rainer Stadler Ausgewählte Aspekte der Besteuerung von Kapital- Investitionsgesellschaften und deren Anteilseignern ...... 891

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 10 29.05.15 10:15 Inhaltsverzeichnis XI

Elisabeth Strobl-Haarmann Zur grenzüberschreitenden Organschaft (Gruppenbesteuerung) ...... 927

Christoph Wäger Grenzüberschreitende Organschaft im Umsatzsteuerrecht ...... 949

Franz Wassermeyer Abgrenzungsfragen zwischen dem Abkommens- und dem innerstaatlichen Recht ...... 971

Götz Weitbrecht Steuerliche Gewinnaufteilung internationaler Bankbetriebstätten aus der Sicht der Kreditwirtschaft unter Berücksichtigung des Authorised OECD Approachs ...... 991

Siegfried Widmann Stille Lasten und Umwandlungsvorgänge. Auswirkungen der Neuregelung im EStG ...... 1013

Werner Widmann Die neuen Leiden der alten Mehrwertsteuer ...... 1049

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 11 29.05.15 10:15 XII Autorenverzeichnis

Verzeichnis der Autoren

Dr. Sebastian Benz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Linklaters LLP, Düsseldorf

Dr. Jochen Berninghaus Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Spieker & Jaeger, Dortmund

Professor Dr. Jens Blumenberg Steuerberater, Linklaters LLP, Frankfurt am Main

Eugen Bogenschütz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main

Dr. Stephan Busch Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, FMC SNR Denton Europe LLP,

Universitätsprofessor Dr. Georg Crezelius Of Counsel, Linklaters LLP, München

Universitätsprofessor Dr. Klaus-Dieter Drüen Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht

Professor Dr. Siegfried H. Elsing, LL.M. (Yale) Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (New York), Orrick, Herrington & Sutcliffe, Düsseldorf

Universitätsprofessor Dr. Michael Fischer Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Steuerrecht

Professor Dr. Jutta Förster Richterin am Bundesfinanzhof, München

Professor Dr. Dietmar Gosch Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, München

Dr. Peter Haas Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, haas Rechtsanwälte – Fachanwälte für Steuerrecht, Bochum

Dr. Wolfgang Haas Rechtsanwalt, BASF SE, Ludwigshafen

Dr. Sonja Halverscheid Steuerberaterin, Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., (IDW), Düsseldorf

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 12 29.05.15 10:15 Autorenverzeichnis XIII

Manfred Hamannt Rechtsanwalt, Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., (IDW), Düsseldorf

Professor Dr. Alexander Hemmelrath Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Norton Rose Fulbright LLP, München

Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Norbert Herzig Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Felix Hierstetter Steuerberater, General Electric Deutschland Holding GmbH, München und Frankfurt am Main

Universitätsprofessor Dr. Heribert Hirte, LL.M. (Berkeley) Geschäftsführender Direktor des Seminars für Handels-, Schifffahrts- und Wirtschaftsrecht der Universität , Mitglied des Deutschen Bundestages, Köln und Berlin

Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Universitätsprofessor Dr. Hanns F. Hügel Rechtsanwalt, bpv Hügel Rechtsanwälte, Mödling bei Wien

Dr. Christian Kaeser Rechtsanwalt, Siemens AG, München

Georg Lanfermann Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin

Dr. Martin Lausterer Rechtsanwalt, Linklaters LLP, München

Florian Lechner Rechtsanwalt, Linklaters LLP, Frankfurt am Main

Universitätsprofessor Dr. Moris Lehner Ludwig-Maximilian-Universität München, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Wirtschafts- und Steuerrecht

Professor Dr. Reinhard Marsch-Barner Rechtsanwalt, Linklaters LLP, Frankfurt am Main

Dr. Silja Maul Rechtsanwältin, Rechtsanwälte Dr. Maul & Janson-Czermak, Mannheim

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 13 29.05.15 10:15 XIV Autorenverzeichnis

Carmen Mielke-Vinke Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht und für Steuerrecht, Norton Rose Fulbright LLP, München

Luka Mucic Finanzvorstand und Chief Operating Officer, SAP SE, Walldorf

Dr. Welf Müller Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Linklaters LLP, Frankfurt am Main

Professor Dr. Rolf Nonnenmacher Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Berg

Dr. Andreas Pentz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Rowedder Zimmermann Hass, Mannheim

Professor Dr. Detlev J. Piltz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Professor Dr. Arndt Raupach Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP, München

Dr. Florian Reichthalhammer Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, München

Oliver Rosenberg Rechtsanwalt, Steuerberater, Linklaters LLP, Düsseldorf

Reinhart Rüsken Richter am Bundesfinanzhof a.D., München

Andreas Schaflitzl Steuerberater, Linklaters LLP, München

Ina Schlie Leiterin der Konzernsteuerabteilung, SAP SE, Walldorf

Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. mult. Karsten Schmidt Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Unternehmensrecht, Hamburg

Professor Dr. Michael Schmitt Ministerialdirigent, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg,

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 14 29.05.15 10:15 Autorenverzeichnis XV

Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, Abteilung Unternehmens- und Steuerrecht, München

Dr. Sebastian Schulz Mitarbeiter der Konzernsteuerabteilung, SAP SE, Walldorf

Professor Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Graf Kanitz, Schüppen & Partner, Stuttgart

Dr. Rainer Stadler Rechtsanwalt, Linklaters LLP, München

Dr. Elisabeth Strobl-Haarmann Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main

Dr. Christoph Wäger Richter am Bundesfinanzhof, München

Professor Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a.D., Rechtsanwalt, Steuerberater, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Professor Dr. Gerhard Wegen, LL.M. Rechtsanwalt, Gleiss Lutz, Stuttgart

Dr. Goetz Weitbrecht Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

Dr. Siegfried Widmann Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a.D., Grünwald

Werner Widmann Ministerialdirigent a.D., Lehrbeauftragter an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Dr. Hans-Ulrich Wilsing Rechtsanwalt, Linklaters LLP, Düsseldorf

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 15 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 16 29.05.15 10:15 Gesellschaftsrecht und Schiedsverfahren

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 1 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 2 29.05.15 10:15 Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei

Stephan Busch

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 3 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 4 29.05.15 10:15 Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei

1 Einleitung

2 Pflicht zur Bildung einer Rückstellung

3 Insolvenzrechtliche Folgen einer Rückstellung

4 Schadensersatzanspruch der unberechtigt verklagten Kanzlei

5 Kostenerstattungsansprüche der (mit-)verklagten Partner

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 5 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 6 29.05.15 10:15 Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei 7

1 Einleitung

Das Leben von Wilhelm Haarmann als Gründer der ehemaligen deutschen Top- 10-Kanzlei Haarmann Hemmelrath wurde durch die unbegründete Klage eines Unternehmens des Wehrhahn-Konzerns gegen diese Kanzlei und deren anschlie- ßende Liquidation stark beeinflusst. Dies soll zum Anlass genommen werden, die folgenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer unbegründeten Klage gegen eine Anwaltskanzlei näher zu untersuchen.

• Unter welchen Voraussetzungen muss der verklagte Berater in seiner Bilanz eine Schadensrückstellung bilden und welche insolvenzrechtlichen Folgen ergeben sich aus einer solchen gegebenenfalls anzusetzenden Rückstellung?

• Wann wird eine unbegründete Klage gegen eine Anwaltskanzlei zu einer unberechtigten Klage, die den Kläger zum Schadensersatz verpflichtet?

• Haben die neben der Anwaltskanzlei aufgrund ihrer Gesellschafterhaftung mitverklagten oder als Streithelfer dem Prozess beigetretenen Partner im Obsiegensfall jeweils einen Anspruch gegen den klagenden Mandanten auf Erstattung der Kosten eines eigenen Anwalts?

Dass Mandanten versuchen, ihren Anwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer mit dem Vorwurf einer vermeintlichen Falschberatung in haftungsrechtlichen Regress zu nehmen, ist ein Phänomen, welches sich in den letzten Jahren ver- stärkt entwickelt hat. Hierbei häufen sich auch die Fälle, in denen die Berater auf hohe Summen und unter Beobachtung einer breiten Medienöffentlichkeit von ihren Mandanten verklagt werden. Prominenteste Beispiele aus der jüngsten­ Vergangenheit sind sicherlich die schon angesprochene Schadensersatzfeststel- lungsklage eines Unternehmens des Werhahn-Konzerns im Jahre 2004 gegen die Kanzlei Haarmann Hemmelrath und die noch nicht entschiedene Schadens- ersatzklage des früheren Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Stefan ­Mappus gegen die Kanzlei Gleiss Lutz in Sachen EnBW. Nach Presse­ berichten hat auch die Deutsche Bank geprüft, ob sie ihren langjährigen Berater Hengeler Mueller wegen Falschberatung im Schadensersatzprozess des Filmun- ternehmers Leo Kirch in Regress nehmen kann.1

Obwohl die Kanzlei Haarmann Hemmelrath, bei der es sich um eine GbR han- delte, sowohl vom OLG Düsseldorf als auch vom BGH vom Vorwurf der steu- erlichen Falschberatung freigesprochen worden ist, da weder der von der Kläge- rin befürchtete Schaden in Höhe von ca. 430 Millionen Euro eingetreten war

1 Vgl. manager magazin 6/2014, 46, 48.

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 7 29.05.15 10:15 8 Stephan Busch

noch die von der Klägerin vorgetragene sicherere Alternativstruktur existierte2, überlebte die Kanzlei die Klage nicht. Sie musste 18 Monate nach der Klageein­ reichung aufgelöst werden, so dass sie die vorgenannten Entscheidungen, die erst Jahre später ergingen, nur noch im Liquidationsstadium erlebte.

Berufshaftungsverfahren tangieren vor allem dann eine Reihe rechtlicher ­Themen, wenn der behauptete regressbegründende Schaden eine für den Berater existenzgefährdende Dimension erreicht, weil das Haftungsrisiko zB. durch eine Berufshaftpflichtversicherung nicht ausreichend abgedeckt ist bzw. nicht abge- deckt werden konnte. So bestand im Fall Haarmann Hemmelrath laut Sachverhalt im Urteil des LG Düsseldorf nur (!) eine Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von 153 Millionen Euro. Eine höhere Versicherungssumme konnte damals am Markt nicht eingedeckt werden. Eine Schadensersatzklage kann aber auch schon allein aufgrund ihrer rufschädigenden Wirkung dem Berater einen wirtschaftli- chen Schaden zufügen und im Extremfall zu dessen Existenzvernichtung führen.

2 Pflicht zur Bildung einer Rückstellung

Wird die verklagte Kanzlei in der Rechtsform einer GmbH oder AG betrieben, unterliegt sie der Pflicht zur kaufmännischen Buchführung und hat ihren steuer- lichen Gewinn durch Bilanzierung unter Beachtung der handelsrechtlichen GoB zu ermitteln (§§ 5 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei einer Klage auf Scha- densersatz stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen der streitigen Schadensersatzforderung von der Kanzlei zu bilden ist (§§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Da für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung kein Wahlrecht besteht, führt das Maßgeblichkeitsprinzip auch zu einem entspre- chenden Ausweis der Rückstellung in der Steuerbilanz.

Dem Grunde nach ist nach Auffassung von Finanzverwaltung und Recht­ sprechung eine Verbindlichkeitsrückstellung stets (aber auch erst dann) anzu- setzen (Passivierungsgebot), sobald mit einer Inanspruchnahme aus der unge- wissen Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist, wobei mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen müssen.3 Diese Formel wird gemeinhin so interpretiert, dass nach einer (objektivierten) Prognose die Wahrscheinlich- keit einer berechtigten Zahlungsinanspruchnahme mehr als 50% betragen muss

2 BGH v. 19.3.2009, BFH/NV 2009, 1231; OLG Düsseldorf v. 30.10.2007, BeckRS 2007, 18319; das LG Düsseldorf (Urteil v. 8.9.2006, BeckRS 2006, 13228) hatte noch anders ent- schieden. 3 R 5.7 II, VI EStR; BFH v. 19.10.2005, BStBl. II 2006, 371; BFH v. 1.8.1984, BStBl. II 1985, 44.

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 8 29.05.15 10:15 Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei 9

(sog. 51%-Formel), mithin in einer abwägenden Gesamtbetrachtung die besse- ren Argumente für die Begründetheit des Schadensersatzverlangens sprechen.4 Zumindest im Rahmen von bereits klagweise geltend gemachten streitigen Ver- bindlichkeiten hat die Rechtsprechung jedoch die Klageerhebung als solche zur Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen. Demnach soll eine Rückstellung in Höhe des eingeklagten Betrags stets dann zu bilden sein, wenn die Klage nicht offensichtlich unzulässig und nicht offensichtlich will- kürlich ist.5 Inwieweit der ordentliche Kaufmann der Klage realistische Erfolgs- chancen einräumt oder diese für unbegründet hält, soll hingegen unbeachtlich sein, da zumindest der Kläger mit der Klageerhebung typischerweise seine posi- tive Erfolgsprognose dokumentiere und allein die Unsicherheit des Prozessaus- gangs den Beklagten wirtschaftlich belaste. Die 51%-Formel ist damit von der Rechtsprechung zwar nicht aufgegeben worden, jedoch unterstellt sie im Falle einer zulässigen Klageerhebung typisierend und unwiderleglich eine überwie- gende Schadenswahrscheinlichkeit.6 Soweit in unmittelbarem Zusammenhang stehende, vollwertige Rückgriffsansprüche gegen Dritte existieren (zB. gegen eine Berufshaftpflichtversicherung), ist dies bei der Bewertung der Rückstellung betragsmindernd zu berücksichtigen.7 Eine im Zeitpunkt der Klageerhebung gebildete Rückstellung kann erst dann erfolgswirksam aufgelöst werden, wenn die Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist, dh. dem Kläger keine Rechtsmittel mehr zustehen, oder die Klage aus anderen Gründen gegenstandslos wird (zB. Rücknahme, Erledigung).8 Dies soll selbst dann gelten, wenn der Beklagte bereits in einer Vorinstanz ein obsiegendes Urteil erwirkt hat.9

4 Hennrichs, in MüKo-BilanzR, 1. Aufl., 2013, § 249 Rn. 50 mwN.; Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1631, 1633; kritisch zur Praxistauglichkeit der 51%-Formel: Krumm, in Blümich, EStG, 123. Aufl., 2014, § 5 Rn. 795 f.; Hoffmann, StuB 2001, 385, 386; aA. Kleindiek, in Staub, HGB, 5. Aufl., 2014, § 249 Rn. 28. 5 BFH v. 30.1.2002, BStBl. II 2002, 688; Schleswig-Holsteinisches FG v. 25.9.2012, EFG 2013, 11 (Rev. VIII R 45/12); hingegen eine Einzelfallabwägung voraussetzend BGH v. 5.6.1989, NJW-RR 1989, 1198; Frotscher, in Frotscher, EStG, 170. Lfg, 7/2012, § 5 Rn. 458 Stichwort „Prozessrisiken und Prozesskosten“; Osterloh-­Konrad, DStR 2003, 1675, 1678. 6 Vgl. BFH v. 30.1.2002, BStBl. II 2002, 688 unter II.2.a); ähnlich Hoffmann, DStR 2002, 715, 716; Strahl, KÖSDI 2002, 13240, 13247 f. 7 BFH v. 8.11.2000, BStBl. II 2001, 349; H 6.11 „Rückgriffsansprüche“ EStR; Kulosa, in Schmidt, EStG, 33. Aufl., 2014, § 6 Rn. 472; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 33. Aufl., 2014, § 5 Rn. 550 Stichwort „Haftpflichtverbindlichkeiten“;Krumm , in Blümich, EStG, 123. Aufl., 2014, § 5 Rn. 807a; Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1675, 1678. 8 BFH v. 27.11.1997, BStBl. II 1998, 375; Frotscher, in Frotscher, EStG, 170. Lfg, 7/2012, § 5 Rn. 367. 9 BFH v. 30.1.2002, BStBl. II 2002, 688; BFH v. 27.11.1997, BStBl. II 1998, 375; Frotscher, in Frotscher, EStG, 170. Lfg, 7/2012, § 5 Rn. 435; Schubert, in BeckBilKo, 9. Aufl., 2014, § 249 Rn. 21.

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 9 29.05.15 10:15 10 Stephan Busch

So hat beispielsweise das LG Hamburg im Jahr 2013 die Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft BDO AG zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von mehr als 42 Millionen Euro verurteilt, da BDO ihre Prüfungspflichten bei der Erstellung eines Jahresabschlusses verletzt haben soll.10 Die Berufung von BDO ist derzeit beim Hanseatischen OLG anhängig.11 In dem letzten veröffentlichten Jahresab- schluss zum 30.6.2012 der BDO werden „Sonstige Rückstellungen“ in Höhe von 24,4 Millionen Euro und ein Eigenkapital von ca. 12 Millionen Euro ausge­ wiesen. Aus dem Jahresabschluss geht nicht hervor, ob und wenn ja in welcher Höhe darin Rückstellungen für den Schadensersatzprozess enthalten sind. Sollte der geltend gemachte Schaden die bei der BDO vorhandene Versicherungsde- ckung für Berufshaftungsrisiken übersteigen, müsste danach eine Rückstellung für die Differenz zwischen dem geltend gemachten Schaden und der Deckungs- zusage durch den Versicherer in der gebildeten Rückstellung enthalten sein.

Diese „Fallbeil“-Rechtsprechung ist schon steuerrechtlich problematisch, da die Rückstellung bei Auflösung in Folge einer rechtskräftigen Klageabweisung zu einer Steuerbelastung führen kann, die steuerlich unter Umständen nicht vollständig durch die bisher eingetretene Steuerminderung kompensiert wird. Übersteigt die eingeklagte Schadensersatzforderung den Gewinn des Beratungsunternehmens (was bei einem großen Mandat nicht ungewöhnlich ist), führt die Rückstellungs- bildung zum Entstehen eines bilanziellen Verlusts. Ertragsteuerlich kann der Ver- lust zwar grundsätzlich mit Gewinnen der Folgejahre, insbesondere bei Auflösung der Rückstellung im Zeitpunkt der endgültigen Klageabweisung verrechnet wer- den (Verlustabzug, §§ 10d EStG, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, 10a GewStG). Allerdings wird die Verrechenbarkeit durch verschiedene Regelungen beschränkt, so dass der Ertrag aus der Rückstellungsauflösung nicht sofort, im schlechtesten Fall sogar überhaupt nicht steuermindernd mit dem Aufwand aus der Rückstellungsbildung verrechnet werden kann, wie die folgenden Beispiele zeigen:

• Führt die Bildung der Rückstellung dazu, dass ein Verlustvortrag von mehr als 1 Million Euro entsteht oder sich dieser darüber hinaus erhöht, kann die Verrechenbarkeit des Verlustvortrags aufgrund der Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG) zeitlich gestreckt sein, da jährlich neben einem Betrag von 1 Million Euro nur weitere 60% des Verlustvortrags mit Gewin- nen verrechnet werden können. Dadurch können sich für die Kanzlei Liqui- ditäts- und Zinsnachteile ergeben.

• Begründet oder erhöht der Ansatz der Rückstellung einen Verlustvortrag und werden Anteile an der Kanzlei in der Folgezeit übertragen oder muss die

10 LG Hamburg v. 12.6.2013, GWR 2013, 341. 11 AZ: 13 U 60/13.

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 10 29.05.15 10:15 Die unberechtigte Schadensersatzklage gegen eine Anwaltskanzlei 11

Kanzlei, wie im Fall Haarmann Hemmelrath, liquidiert werden, können die ertragsteuerlichen Verlustvorträge anteilig oder vollständig untergehen (§ 8c KStG, § 10a GewStG), wenn die Kanzlei die Rechtsform einer GmbH oder AG hat. Eine Verrechnung des Gewinns aus der Auflösung der Rückstellung mit dem Verlust aus dem Ansatz der Rückstellung wird dann häufig nicht mehr oder zumindest nicht in voller Höhe möglich sein.

Diese negativen steuerlichen Konsequenzen, die teilweise Gegenstand eines Ver- fahrens vor dem Bundesverfassungsgericht sind12, geben Anlass, die Rechtspre- chung zur Rückstellungsbildung klagweise geltend gemachter Schadensersatzfor- derungen zu hinterfragen. Zwar ist es Ausdruck des in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verankerten Vorsichtsprinzips, Risiken bereits dann, wenn sie sich abzeichnen, bilanziell abzubilden. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass unbegründete Klagen über das Maßgeblichkeitsprinzip zu gravierenden steuerlichen oder nicht mehr reversiblen Nachteilen führen. Nicht jede zulässige Klage sollte ein Bera- tungsunternehmen daher zum Ansatz einer Rückstellung verpflichten. Eine Kla- geerhebung als solche lässt keine Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der streitgegenständlichen Verbindlichkeit zu. Denn eine Klage kann nicht nur dadurch motiviert sein, dass der Kläger ein Obsiegen für wahrschein- licher als eine Klageabweisung hält, sondern auch durch andere Motive, wie zB. Druck auf seinen Vertragspartner ausüben zu wollen. Durch den auf 30 Millio- nen Euro gedeckelten Streitwert (§§ 22 Abs. 2 RVG, 39 Abs. 2 GKG) hält das Kostenrisiko bei hohen Streitwerten Kläger häufig auch nicht von einer wenig aussichtsreichen Klage ab. Um eine bilanzielle Überschuldung in Fällen unsiche- rer Klagen zu vermeiden, sollte eine Pflicht zum Ansatz einer Verbindlichkeits- rückstellung nur bestehen, wenn der Klage keine guten Gründe entgegengehalten werden können, die zur Unbegründetheit der Klage führen. Dem kann nicht ent- gegengehalten werden, dass damit der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten aufgebürdet würde, vorgreiflich streitige Zivilrechtsfragen zu klären und Beweis- würdigungen vornehmen zu müssen.13 Die Bewertung tatsächlicher und recht- licher Faktoren ist schlicht jeder Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten immanent, mag sie auch bei gerichtlichen Streitigkeiten regelmäßig ausgeprägter sein. Es ist folglich davon auszugehen, dass ein verklagtes Beratungsunternehmen keine Pflicht zum Ansatz einer Schadensersatzrückstellung trifft, wenn objektiv Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der klagweise geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Dies sollte auch dann gelten, wenn und soweit der Mandant ein seiner Klage stattgebendes Urteil erwirkt hat, sofern dieses noch nicht rechtskräf- tig ist. Vor dem Hintergrund, dass nach dem Geschäftsbericht des BGH fast 50%

12 Az. beim BVerfG: 2 BvL 19/14; Vorlage durch BFH v. 26.2.2014, BFH/NV 2014, 1674. 13 So aber Krumm, in Blümich, EStG, 123. Aufl., 2014, § 5 Rn. 797, der daher nur eine Schlüs- sigkeitsprüfung ohne Beweisaufnahme oder vertiefte Rechtsprüfungen befürwortet.

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aller Revisionen im Jahr 2013 ganz oder teilweise stattgegeben wurde14 und dieser Prozentsatz bei Berufungen wohl ähnlich liegt15, kann bis zur Rechtskraft keine valide Aussage über die Begründetheit des Anspruchs getroffen werden.

Statt durch den Ansatz einer Rückstellung sollte das Risiko eines Prozessver- lusts und einer daraus resultierenden Schadensersatzverpflichtung unterhalb der Bilanz analog § 251 HGB kenntlich gemacht werden, sofern objektiv Aussicht darauf besteht, dass der Schadensersatzanspruch zumindest in der letzten Ins- tanz abgewiesen werden wird. Nur eine solche eingeschränkte Pflicht zur Bildung einer Rückstellung für Schadensersatzrisiken aus Berufsversehen wird es Anwalts- kanzleien und anderen Beratungsunternehmen in der Rechtsform einer Kapital­ gesellschaft erlauben, bei geltend gemachten exorbitant hohen Schadensersatz­ ansprüchen so lange am Markt bleiben zu können, bis abschließend über die Begründetheit des Schadensersatzanspruchs entschieden worden ist. Die ansons- ten bei der Klageerhebung mit sehr hohen Streitwerten in der Regel entstehende bilanzielle Überschuldung hätte neben insolvenzrechtlichen Folgen auch eine Ausschüttungssperre zur Folge, so dass die Partner des Beratungsunternehmens bis zur rechtskräftigen Entscheidung faktisch nicht am Ergebnis der Gesellschaft beteiligt und damit neue Partner nur schwer gewonnen werden könnten.

Dass Haarmann Hemmelrath als nicht bilanzierungspflichtige GbR auch ohne die Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung nicht überlebt hat, spricht nicht gegen diese These. Denn bei einer verklagten GbR führt die persönliche Haftung auch der eintretenden Gesellschafter für Altverbindlichkeiten (§ 130 HGB ana- log) zu einer faktischen Aufnahmesperre für Neugesellschafter bis zur Rechtskraft der Entscheidung, die über Jahre anhalten kann. Ohne die Aufnahme neuer Part- ner ist in der Regel keine größere Anwaltskanzlei in der Lage zu überleben, da eine solche Anwaltskanzlei ihre Attraktivität bei dem potentiellen Partnernach- wuchs verliert und damit in der Regel Umsatz einbüßt. Bei Beratungsunterneh- men in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft spielt dieses Thema freilich keine bzw. nur eine sehr viel geringere Rolle.

14 Übersicht über den Geschäftsgang bei den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs im Jahr 2013, 26; Verhältnis der durch Urteil als unbegründet oder durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückgewiesenen Revisionen und nach Hinweis zurückgenommenen Revisionen (202) zu durch Urteil mit eigener Sachentscheidung stattgegebenen Revisionen und durch Urteil auf- gehobene und zurückverwiesene Entscheidungen (180). 15 Vgl. zB. die Geschäftsstatistik der ordentlichen Gerichtsbarkeit 2011 des OLG Dresden, zu- letzt abgerufen am 7.11.2014 unter http://www.justiz.sachsen.de/olg/content/1559.php.

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3 Insolvenzrechtliche Folgen einer Rückstellung

Muss die verklagte Kanzlei eine Schadensrückstellung bilden und übersteigt diese den Wert des Eigenkapitals, ist zu prüfen, ob sich hieraus eine Überschuldungs- situation und daraus folgend eine Insolvenzantragspflicht ergibt. Insoweit ist zu beachten, dass die Antragspflicht des Schuldners wegen Überschuldung gemäß §§ 15a Abs. 1, 19 Abs. 1, 3 InsO voraussetzt, dass es sich bei der Kanzlei um eine GmbH oder AG handelt. Ob auch in Deutschland tätige Auslandsgesellschaften wie zB. die bei Anwaltskanzleien beliebte englische LLP der deutschen Insolvenz­ antragspflicht unterliegen, ist streitig.16

Nach dem seit Ende 2008 geltenden zweistufigen insolvenzrechtlichen Überschul- dungsbegriff liegt Überschuldung dann vor, wenn das Vermögen die bestehenden­ Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Abweichend vom alten Recht kommt es im Falle einer positiven Fortführungsprognose nicht mehr darauf an, ob nach Maßgabe einer insolvenzrechtlichen Überschuldungs- bilanz ein Passivüberhang besteht. Ob die verklagte Kanzlei in der Handelsbilanz eine Schadensrückstellung anzusetzen hat, ist insolvenzrechtlich somit unbedeu- tend, wenn in der Gesamtschau trotz der anhängigen Klage die Fortführung des Unternehmens wahrscheinlicher als dessen Abwicklung ist. Die Handelsbilanz hat bei positiver Fortführungsprognose nach neuem Recht damit keine unmittel- baren Auswirkungen mehr auf den Überschuldungsstatus.17 Dabei soll von einer Fortführung auszugehen sein, wenn das Unternehmen innerhalb eines Prognose- zeitraums, der sich in der Regel auf das laufende und das folgende Geschäftsjahr erstreckt, voraussichtlich seine Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten kann.18 Geht die verklagte Kanzlei berechtigterweise davon aus, dass sie die Klage abwehren können wird, dh. beträgt die (freilich mit Unsicherheiten behaftete und einem gewissen Beurteilungsspielraum zugängliche) objektive Wahrscheinlichkeit einer Klageabweisung nach herrschender Meinung in wertender Gesamtbetrachtung mehr als 50%, oder ist mit einem stattgebenden Urteil jedenfalls noch nicht innerhalb des Prognosezeitraums zu rechnen, ändert sich an der Bewertung

16 Vgl. Klöhn, in MüKo-InsO, 3. Aufl., 2013, § 15a Rn. 50 ff.; Schnittker/Leicht, BB 2010, 2971, 2975; Bank, BB Special 3 (zu BB 2010), 4, 8 f. 17 Jedoch war auch nach altem Recht anerkannt, dass die insolvenzrechtliche Überschuldungsbilanz aufgrund ihrer eigenen Bewertungs- und Ausweisregeln nicht deckungsgleich mit der vom Vor- sichtsprinzip geprägten Handelsbilanz ist, insbesondere in Handels- und Steuerbilanz zu bildende Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nicht zwangsläufig auch in der Überschuldungs- bilanz angesetzt werden mussten, wenn davon auszugehen war, dass sich das Schadensrisiko nicht materialisieren würde (vgl. Uhlenbruck, in Uhlenbruck/Hirte/Vallender InsO, 13. Aufl., 2010, § 19 Rn. 90; Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1675, 1675; Stengel, BB 1993, 1403, 1406). 18 Bußhardt, in Braun, InsO, 6. Aufl., 2014, § 19 Rn. 14, 32 mwN.; Leithaus, in Andres/Leit- haus, InsO, 3. Aufl., 2014, § 19 Rn. 6; IDW ES 11, Tz. 59, 61, 65, 67.

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der Fortführungsaussichten durch die Klage einstweilen nichts.19 Eine voraus- sichtlich mindestens zu 51% unbegründete Schadensersatzklage bewirkt mit- hin nicht, dass das verklagte Beratungsunternehmen in eine insolvenzrechtliche Überschuldungssituation gerät und insolvenzantragspflichtig oder -gefährdet wird. Auch ohne externe Zuführung von Liquidität oder Haftungsmasse oder die Begebung von Drittsicherheiten kann das Beratungsunternehmen daher weiter tätig ­werden.20 Dies gilt aber nur, solange nicht mit der Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils innerhalb des Prognosezeitraums gerechnet werden muss. Hat beispielsweise das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und wird die Revisionsentscheidung innerhalb des Prognosezeitraums erwartet, kann das Bera- tungsunternehmen ein Insolvenzverfahren daher nur vermeiden, wenn es (wie dargestellt) schon bilanziell nicht zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet ist.

4 Schadensersatzanspruch der unberechtigt verklagten Kanzlei

Stellt sich die gegen die Kanzlei erhobene Klage als unbegründet heraus und hat die Kanzlei über die vom klagenden Mandanten prozessual zu tragenden Ver- fahrenskosten hinaus weitere Vermögenseinbußen als Folge der Klage erlitten, stellt sich die Frage, ob die Klageerhebung unberechtigt war und den Kläger zum Schadens­ersatz verpflichtet. Nach der bisherigen, sehr restriktiven Rechtsprechung scheiden Schadensersatzansprüche gegen den Mandanten wegen Erhebung einer unbegründeten Klage regelmäßig aus. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH soll derjenige, der sich eines staatlichen, gesetzlich geregelten Verfah- rens bedient, grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben verstoßen oder rechts- widrig im Sinne der §§ 823 ff. BGB in die Rechte des Betroffenen (einschließlich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs) eingreifen, selbst wenn sich sein Begehren später als unbegründet erweist.21 Diese Regel soll ihre Grenze erst dort erfahren, wo der das Verfahren Betreibende sich des fehlenden Rechtsgrunds und der drohenden Schäden für den Verfahrensgegner klar bewusst ist oder sich dieser Erkenntnis verschließt und besondere Umstände hinzutreten, so dass sich

19 Vgl. Drukarczyk/Schüler, in MüKo-InsO, 3. Aufl., 2013, § 19 Rn. 77; IDW ES 11, Tz. 62. 20 Zur Möglichkeit der Abwendung einer negativen Fortführungsprognose durch Zuführung von Liquidität vgl. Drukarczyk/Schüler, in MüKo-InsO, 3. Aufl., 2013, § 19 Rn. 59; ­Leithaus, in Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., 2014, § 19 Rn. 8. 21 BGH v. 3.10.1961, NJW 1961, 2254, 2255; BGH v. 7.3.1956, NJW 1956, 787; BGH v. 13.3.1979, NJW 1979, 1351, 1352; BGH v. 11.11.2003, NJW 2004, 446, 447; BGH v. 16.1.2009, NJW 2009, 1262; BGH v. 25.3.2003, NJW 2003, 1934, 1935; BGH v. 23.1.2008, NJW 2008, 1147, 1147; BGH v. 12.5.1992, NJW 1992, 2014, 2015; BGH v. 30.1.1989, BeckRS 1989, 31066301; BVerfG v. 25.2.1987, BVerfGE 74, 257.

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 14 29.05.15 10:15 Steuerrecht

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 297 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 298 29.05.15 10:15 Die Treaty Overrides des § 50d EStG: Verfassungskonform oder Verfassungswidrig?

Sebastian Benz und Oliver Rosenberg

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 299 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 300 29.05.15 10:15 Die Treaty Overrides des § 50d EStG: Verfassungskonform oder Verfassungswidrig?

1 Einleitung

2 Treaty Overrides in § 50d EStG 2.1 Begriff des Treaty Override 2.2 Kategorisierung der Treaty Overrides in § 50d EStG

3 Zulässigkeit und Reichweite von Treaty Overrides 3.1 Völkerrechtliche Beurteilung von Treaty Overrides 3.2 Verfassungsrechtliche Einstufung von Treaty Overrides 3.3 Exkurs: Europarechtliche Zulässigkeit von Treaty Overrides

4 Fazit und Ausblick

Festschrift Haarmann 15-24387.indb 301 29.05.15 10:15 Festschrift Haarmann 15-24387.indb 302 29.05.15 10:15 Die Treaty Overrides des § 50d EStG 303

1 Einleitung

Ob Treaty Overrides rechtlich unzulässig sind oder nicht, wird bereits seit Jahr- zehnten kontrovers diskutiert1. Bisher gingen die hM2. und der BFH3 im Ergeb- nis davon aus, dass Treaty Overrides zwar rechtspolitisch problematisch und unerwünscht, aber grundsätzlich rechtlich zulässig und wirksam seien. Durch die Görgülü-Entscheidung des BVerfG vom 14.10.20044 und die ihr nachfolgenden Entscheidungen vom 26.4.2004 (Alteigentümer/Rückübertragungsanspruch)5 und vom 4.5.2011 (Sicherungsverwahrung)6 wurde die Diskussion über die ver- fassungsrechtliche Zulässigkeit von völkerrechtsbrechenden Gesetzesakten – wie beispielsweise Treaty Overrides – erneut aufgenommen7 und mündete schließlich in den Vorlagebeschlüssen des BFH vom 10.1.2012 (zu § 50d Abs. 8 EStG)8, vom 11.12.2013 (zu § 50d Abs. 10 EStG)9 und vom 20.8.2014 (zu § 50d Abs. 9 EStG)10. In diesen Vorlagebeschlüssen gab der BFH seine bisherige Auffassung zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Treaty Overrides auf und ersucht das BVerfG im Rahmen von konkreten Normenkontrollverfahren (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG iVm. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) um die Bestätigung seiner Rechts- auffassung zur Verfassungswidrigkeit von Treaty Overrides.

Wilhelm Haarmann ist in besonderer Weise mit Treaty Overrrides verbunden, war er es doch, der durch zwei Verfahren vor dem BFH, die sog. Hilversum-Ent

1 Kritisch bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von Treaty Overrides bereits Vogel, JZ 1997, 161 ff.; Vogel, in FS Häberle, 2004, 481 ff.; BFH v. 10.12.2012, BFHE 236, 304, 308 mwN. 2 Musil, RIW 2006, 287 ff.; Stein, IStR 2006, 505 ff.; Bron, IStR 2007, 431 ff.; Brombach- Krüger, Ubg 2008, 324 ff.; Jansen/Weidemann, IStR 2010, 596, 599; Lehner, IStR 2011, 733 ff.; Hahn, IStR 2011, 863 ff.,; Mitschke, IStR 2011, 2221, 2224; Schwenke, in Dop- pelbesteuerungsabkommen – nationale und internationale Entwicklung, 2012, 23, 40; Ismer/Baur, IStR 2014, 421 ff. mwN.; BFH v. 10.12.2012, BFHE 236, 304, 308 mwN.; aA. (nach der Görgülü-Entscheidung des BVerfG) Vogel, IStR 2005, 39 ff.; Becker, NVwZ 2005, 289 ff.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845 ff.; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377 ff.; Gosch, IStR 2008, 413, 414 mit Differenzierung nach dem verfolgten Zweck des Treaty Override; Frotscher, in FS Schaumburg, 2009, 687 ff. 3 BFH v. 13.7.1994, BStBl. II 1995, 129 ff.; BFH v. 17.5.1995, BStBl. II 1995, 781 ff. 4 BVerfG v. 14.10.2004, BVerfGE 111, 307 ff. 5 BVerfG v. 26.10.2004, BVerfGE 112, 1 ff. 6 BVerfG v. 4.5.2011, BVerfGE 128, 326 ff. 7 Gosch, IStR 2008, 413 ff.; Vogel, IStR 2005, 39 ff.; Becker, NVwZ 2005, 289 ff.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845 ff.; Stein, IStR 2006, 505 ff.; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377 ff. 8 BFH v. 10.1.2012, BFHE 236, 304 ff. (anhängig beim BVerfG unter 2 BvL 1/12). 9 BFH v. 11.12.2013, BStBl. II 2014, 791 ff. (anhängig beim BVerfG unter 2 BvL 15/14). 10 BFH v. 20.8.2014, BFHE 246, 486 (anhängig beim BVerfG unter 2 BvL 21/14).

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scheidungen, deren heutigen Inhalt (mit)geprägt hat. Dies ist Anlass für die Ver- fasser, nach einer ausführlicheren Darstellung der Hilversum-Entscheidungen im Vorgriff der Entscheidungen durch das BVerfG eine eigenständige Bewertung der Vorlagebeschlüsse des BFH vorzunehmen. Vor dem Hintergrund dieser Vorlage- beschlüsse und auf Basis der umfangreichen Diskussion dieser Beschlüsse in der Literatur soll die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Treaty Overrides in § 50d EStG nachfolgend analysiert und auf ihre völkerrechtliche und – in einem kurzen Exkurs – europarechtliche Zulässigkeit eingegangen werden11.

2 Treaty Overrides in § 50d EStG

2.1 Begriff des Treaty Override

Treaty Overrides haben ihren Grund in der – jedenfalls nach Ansicht des natio­ nalen Gesetzgebers – unzureichenden Ausgestaltung von Doppelbesteuerungs- abkommen, oder präziser, der nicht genauen Abstimmung der Regelungen der Abkommen mit dem jeweils nationalen Steuerrecht. Daher muss das nationale Steuerrecht, ergänzend zu den Doppelbesteuerungsabkommen, die gewünschte Besteuerungsfolge wieder herstellen. Sofern diese Normen sich damit in Wider- spruch zu dem von einem Abkommen gewünschten Rechtszustand setzen, wird von einem Treaty Override gesprochen. Treaty Overrides sind folglich Normen des nationalen Steuerrechts, die die Regelungen eines Doppelbesteuerungsab- kommens dergestalt überlagern, dass die ursprüngliche Regelung des DBA nicht mehr zur Geltung kommt.12 Beispiel hierfür ist die bedingungslose Freistellung bestimmter Einkünfte nach dem DBA; das nationale Recht stellt hingegen wei- tergehendere Anforderungen für die Steuerfreistellung.

Im Gegensatz hierzu liegt kein Treaty Override vor, wenn eine Vorschrift des nationalen Rechts lediglich eine Norm eines DBA ausfüllt oder – im Sinne der Vertragsparteien des DBA – ergänzt.13 Dementsprechend können Bestimmungen

11 Das EStG, das AStG und andere Steuergesetze enthalten weitere Treaty Overrides, für die die nachstehenden Ausführungen grundsätzlich entsprechend gelten. Da sich die Vorlagebe- schlüsse des BFH auf § 50d EStG beziehen und der Jubilar sich mit den speziellen Ausprä- gungen in § 50d Abs. 3 EStG auseinander zu setzen hatte, beschränkt sich die Untersuchung auf die Treaty Overrides dieser Norm. 12 Vgl. Pohl, ISR 2014, 158, 159: Dies schließt auch „Korrekturgesetze“ ein, die eine für den Fis- kus unliebsame Rechtsprechung des BFH zum Verständnis von DBA-Regelungen korrigiert. 13 Vgl. Pohl, ISR 2014, 158, 160: Eine Konsultationsvereinbarung iSd. § 2 Abs. 2 AO stellt rich- tigerweise kein Treaty Override dar, auch wenn hierdurch gegen Bestimmungen des zugrunde liegenden DBA verstoßen wird; denn solche Vereinbarungen haben als Rechtsverordnungen keine einem DBA gleichstehende Gesetzeskraft und können ein DBA daher nicht überlagern (so auch Pohl, ISR 2014, 158, 159; Musil, IStR 2014, 192, 193).

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zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen, wie zB. § 50d Abs. 3 EStG, kein Treaty Override darstellen, wenn das betreffende DBA ausdrücklich die Geltung solcher Missbrauchsvermeidungsregelungen in Form der sog. Missbrauchsklausel zulässt.14

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung15 enthalten die DBA nicht grund- sätzlich eine (ungeschriebene) Missbrauchsklausel, so dass auch Missbrauchsver- meidungsregelungen einen Treaty Override darstellen können. UE. ist jeweils auf die speziellen Regelungen des einzelnen DBA abzustellen.16 Enthalten diese keine ausdrückliche Missbrauchsklausel, so ist davon auszugehen, dass zumin- dest eine der Vertragsparteien eine unbeschränkte Anwendung der nationalen Missbrauchsvorschriften des anderen Vertragspartners, sei es zum Schutze seines Besteuerungsaufkommens, sei es zum Schutze „seiner“ Steuerpflichtigen gerade nicht akzeptieren wollte. Wird die nationale Missbrauchsklausel dennoch auch auf solche Abkommen angewandt, liegt ein Treaty Override vor.

Fraglich ist, ob ein Treaty Override nur dann vorliegen kann, wenn es die Ein- schränkung eines DBA in ihrem Wortlaut zum Ausdruck bringt (sog. offenes Treaty Override: „ungeachtet des Abkommens“) oder ob es auch verdeckte Treaty Override ohne eine Bezugnahme zu einem DBA geben kann. UE. ist auf den materiellen Gehalt der Norm abzustellen. Wird durch die gesetzliche Regelung des nationalen Steuerrechts eine Norm eines DBA eingeschränkt, liegt ein Treaty Override vor, unabhängig davon, ob es diese Einschränkung des DBA ausdrück- lich als eine solche bezeichnet.17

2.2 Kategorisierung der Treaty Overrides in § 50d EStG

Nach Gosch18 lassen sich die Treaty Overrides in drei Fallgruppen einteilen: Vorschriften zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen, Vorschriften zur Vermeidung einer Keinmalbesteuerung und Vorschriften zur Sicherstellung des Besteuerungssubstrats. Während sich unter die erste Fallgruppe die Absätze 3 und 11 des § 50d EStG subsumieren lassen, unterfallen die Absätze 7, 8 und 9 der zweiten Fallgruppe; durch Absatz 10 sollen bei einer Mitunternehmerschaft

14 Vgl. zB. Art. 23 DBA-Schweiz. Siehe nunmehr auch Art. 28 der Verhandlungsgrundlage für Dopelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Stand 22.8.2013. 15 ZB. Wichmann, FR 2011, 1082, 1083. 16 Ebenso Pohl, ISR 2014, 158, 161. 17 AA. Musil, IStR 2014, 192, 193, nach dem es ein verdecktes Treaty Override nicht geben kann, da dann die jeweilige Norm im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung so an- zuwenden ist, dass sich ein Verstoß gegen eine DBA-Norm nicht ergibt. UE. ist jedoch eine solche Auslegung nicht in allen Fällen möglich. 18 Gosch, IStR 2008, 413, 414.

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Sonderbetriebsausgaben der deutschen Besteuerung unterfallen, sichern also das Besteuerungssubstrat iSd. dritten Fallgruppe.

2.2.1 Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung 2.1.1.1 Anti Treaty Shopping-Regelung (§ 50d Abs. 3 EStG) § 50d EStG beinhaltete in der Fassung bis zum 1.1.1994 im Kern lediglich Verfahrensvorschriften zur Entlastung von Kapitalertragsteuer. Erstmals 1994 wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21.12.199319 in § 50d Abs. 1a EStG eine Missbrauchsvor- schrift aufgenommen, die die Steuerentlastung unter bestimmen Voraussetzun- gen versagte.

Ursprünglicher Hintergrund der Vorschrift war es, eine Rechtsgrundlage zu schaf­ fen, um steuergestalterischem Missbrauch durch den Einsatz von Basisgesellschaf- ten, deren Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterlagen, entgegenzuwir- ken. In der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Missbrauchsregelung eine konkrete Reaktion des Gesetzgebers auf das sog. „Monaco-Urteil“ des BFH vom 29.10.198120 war, wonach die nationale allgemeine Missbrauchsregelung des § 42 AO im Falle einer missbräuchlichen Steuergestaltung durch Zwischen- schaltung von beschränkt steuerpflichtigen, substanz- bzw. funktionslosen Basis- gesellschaften keine Anwendung finden sollte21. Vordergründig sollte verhindert werden, dass Personen in den Genuss von Steuererleichterungen aus einem DBA (Treaty Shopping) bzw. aus einer EU Richtlinie (Directive Shopping) kommen, die ihnen nicht zustünden, wenn sie diese Einkünfte direkt erzielen würden. Der BFH22 stellte seine Aussage aus dem „Monaco-Urteil“ zwar später dahingehend klar, dass § 42 AO auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Geltung beanspruche. Dadurch wurde § 50d Abs. 1a EStG weitestgehend der Anwen- dungsbereich entzogen, jedoch verblieb die Missbrauchsregelung im Gesetz und wurde in der Folgezeit zu Absatz 3.

Erhebliche Verschärfungen hat die Missbrauchsvorschrift des Absatzes 3 durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.200623 erfahren. Das Gesetz ist ein Nichtan- wendungsgesetz zu der sog. „Hilversum II“-Entscheidung des BFH24. Dieser Ent- scheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei niederländischen Kapitalge- sellschaften (B.V.), die eine deutsche GmbH-Beteiligung sowie Beteiligungen an

19 BGBl. I 1993, 2310. 20 BFH vom 29.10.1981, BStBl. II 1982, 150. 21 BT-Drs. 12/5630, 65. 22 BFH v. 27.8.1997, BStBl. II 1998, 163; v. 29.10.1997, BStBl. II 1998, 235. 23 BGBl. I 2006, 2878. 24 BFH v. 31.5.2005, BStBl. II 2006, 118.

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weiteren EU-Tochtergesellschaften hielten, wurde auf Grundlage des § 50d Abs. 3 EStG (in der damaligen Fassung) die ihnen grundsätzlich zustehende Kapital­ ertragsteuererstattung nach der EU Mutter-Tochter-Richtlinie versagt. Die bei- den niederländischen B.V.s gehörten zu einer auf den Niederländischen Antillen beheimateten Gesellschaft, die wiederum einem Fernseh-Unterhaltungskonzern auf Bermuda gehörte. An dieser Gesellschaft waren drei Gesellschafter unter- schiedlicher Nationen (Bermuda, Australien, USA) beteiligt. Die B.V.s wurden im Rahmen von konzerninternen Umstrukturierungsmaßnahmen ausgegliedert, so dass sie innerhalb des Konzerns als Holdinggesellschaften Beteiligungen an den anderen Tochtergesellschaften hielten. Über eigenes Personal, eigene Telefon- und Faxanschlüsse verfügten die Holdinggesellschaften nicht. Sie waren zudem in den Geschäftsräumen der Tochter- bzw. Schwestergesellschaft angesiedelt. Sitz der Gesellschaft war das niederländische Hilversum.

Der BFH hatte erst im sog. „Stiftungsfall I“ 25 und dann in der Entscheidung „Hil- versum I“26 erhöhte Anforderungen an die Geeignetheit einer Zwischenholding zur Begünstigung nach der EU Mutter-Tochter-Richtlinie gestellt. Fehlendes Personal und fehlende Geschäftsräume begründeten danach die Vermutung einer lediglich formalen Zwischenschaltung der Gesellschaft. Zudem sei die Begren- zung des Haftungsrisikos kein ausreichendes Argument, um die Missbrauchsver- mutung wegen Funktionslosigkeit der Zwischengesellschaft zu widerlegen. Das Halten lediglich einer Tochtergesellschaft genüge nicht den Anforderungen an eine wirtschaftliche Tätigkeit. Im Gegensatz hierzu erkannte der BFH dann im sog. „Stiftungsfall II“27, bei sehr ähnlichem Sachverhalt wie im „Stiftungsfall I“, an, dass die Zwischenschaltung aus organisatorischen und haftungsrechtlichen Gründen im konkreten Fall sinnvoll sein könne. Die Gestaltung erfülle wegen der Konzernstruktur und der Dauerhaftigkeit daher nicht den Missbrauchstatbe- stand des § 50d Abs. 3 EStG.

Diese Rechtsprechung setzte der BFH in der „Hilversum II“- Entscheidung fort: Unter Würdigung der Gesamtstruktur werde deutlich, dass die Gestaltung nicht allein steuerrechtlich getrieben sei, sondern auch beachtliche wirtschaftliche Hin- tergründe habe. Ausschlaggebend für diese Einschätzung waren die Dauerhaftig- keit des Haltens der Beteiligung, die funktionale Eigenständigkeit in eben dieser „Halte“-Funktion, sowie die konzernstrategischen, wirtschaftlichen Gründe der konzerninternen Ausgliederung. Weiteres Indiz, um die Missbrauchsvermutung zu widerlegen, sei die aktive Tätigkeit in dem Staat, in dem die Konzerngesell- schaften des Mutterunternehmens ihr aktives europäisches Kerngeschäft betrei-

25 BFH v. 27.8.1997, BStBl. II 1998, 163. 26 BFH v. 20.3.2002, BStBl. II 2002, 819. 27 BFH v. 17.11.2004, BFH/NV 2005, 1016.

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ben. Auf das BFH-Urteil erging seitens der Finanzverwaltung ein Nichtanwen- dungserlass28, um eine Übertragung der Entscheidungsgrundsätze über den konkreten Einzelfall hinaus zu verhindern. Der Gesetzgeber reagierte entspre- chend mit einer deutlichen Verschärfung des § 50d Abs. 3 EStG.29

Weitreichende Änderungen erfuhr Absatz 3 aber durch das Gesetz zur Umset- zung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 7.12.201130. Die Neufassung wurde wegen einer förmlichen Aufforderung der Europäischen Kommission31 im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland erforderlich. Die Europäische Kommission rügte nicht das Ziel der Vorschrift, dem steuerlichen Gestaltungsmissbrauch vorzubeugen, son- dern monierte die gesetzlichen Anforderungen an ausländische Unternehmen zur Erbringung eines Nachweises hinsichtlich der eigenen Wirtschaftstätigkeit. Im Kern hielt die Kommission die Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG wegen ihrer unverhältnismäßigen Anforderungen, insbesondere die Relevanz- grenze in Bezug auf die „aktiven“ Bruttoerträge, für mit dem Unionsrecht unver- einbar. Die „zielgenauere“ Ausgestaltung, die zu § 50d Abs. 3 EStG in seiner heutigen Fassung führte, bestand im Wesentlichen in einer Abmilderung der Anforderungen dahingehend, dass die vorherige starre Prozentgrenze in Bezug auf die aktiven Bruttoerträge durch eine Aufteilungsklausel ersetzt wurde.32

2.1.1.2 Versagung der Freistellungsmethode bei hybriden Dividendenempfängern (§ 50d Abs. 11 EStG) Durch das Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 8.5.201233 wurde § 50d EStG um einen neuen Absatz erweitert. Inhaltlich versagt Absatz 11 die abkommensrechtliche Freistel- lung von Dividenden bei einer Kapitalgesellschaft als Zahlungsempfänger, wenn die Dividenden nach nationalem Steuerrecht einer anderen (nicht privilegierten) Person zuzurechnen sind. Es soll verhindert werden, dass natürliche Personen als Gesellschafter einer hybriden Gesellschaftsstruktur mit ihrem Gewinnanteil aus dieser Gesellschaft in den Genuss des Schachtelprivilegs kommen und die Divi- denden steuerfrei vereinnahmen können, obwohl ihnen als natürliche Personen dieses Privileg gerade nicht zustehen soll.34 Auch dieser Absatz ist eine Reaktion

28 BMF Schrb. v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 166. 29 BT-Drs. 16/2712, 60. 30 BGBl. I 2011, 2592. 31 Europäische Kommission v. 18.3.2010 - IP/10/298, A. 2007/4435. 32 BT-Drs. 17/7524, 13 f. 33 BGBl. I 2012, 1030. 34 BT-Drs. 17/8867, 12 f. Als Hybridformen kommen eine KGaA oder eine GmbH & atypisch Still in Betracht.

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des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BFH. Mit Urteil vom 19.5.201035 hatte der BFH entschieden, dass Dividenden, die eine ausländische Tochterka- pitalgesellschaft an eine (qualifiziert beteiligte) inländische KGaA gezahlt hatte, nach dem Schachtelprivileg des DBA von der deutschen Besteuerung auch soweit freizustellen seien, wie diese nach § 15 Abs. 1. Satz 1 Nr. 3 EStG auf den Kom- plementär entfielen, der eine natürliche Person war. Diese selbst hätte sich nicht auf die Steuerfreistellung nach dem Methodenartikel des DBA berufen können.

2.2.2 Vorschriften zur Vermeidung der Keinmalbesteuerung 2.2.2.1 Ergänzung der Kassenstaatsklausel für bestimmte Einkünfte aus öffentlichen Kassen (§ 50d Abs. 7 EStG) Nach den sog. Kassenstaatsklauseln der deutschen DBA wird das Besteuerungsrecht für Gehälter im Ausland befindlicher Angehörige des öffentlichen Dienstes stets Deutschland zugewiesen, sofern die Gehälter aus deutschen Kassen bezahlt werden. Die Kassenstaatsklausel der DBA erfordern regelmäßig aber zusätzlich, dass unter diese nur Vergütungen zu erfassen sind, die „für die diesem Staat geleisteten Dienste“ gezahlt werden.36 Dementsprechend war fraglich, ob die Kassenstaatsklausel auch für Gehälter gilt, die zwar aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, deren Empfänger allerdings privatrechtlich beschäftigt sind (zB. Mitarbeiter eines Goethe-Instituts). § 50d Abs. 7 iVm. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellt nunmehr sicher, dass auch diese Vergütungen in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen37.

2.2.2.2 Switch Over-Klausel für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 50d Abs. 8 EStG) Durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.3.200338 wurde § 50d EStG um Absatz 8 erweitert, wonach Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur und erst dann tatsächlich freigestellt werden, wenn ein Nachweis der tatsächlichen Besteuerung im Tätigkeitsstaat oder des Besteuerungsverzichtes des Tätigkeits- staates erbracht wird. Hierdurch soll verhindert werden, dass Einkünfte aus nicht­selbständiger Arbeit, die im Ausland erzielt werden und dort nicht der Besteuerung unterliegen, zumindest in Deutschland besteuert werden können.39

35 BFH v. 19.5.2010, BFH/NV 2010, 1919. 36 Vgl. Art. 19 OECD-MA. Anders bereits Art. 18 der Verhandlungsgrundlage der Bundesrepu- blik Deutschland für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern und Vermögen, Stand 22.8.2013, dort Abs. 3. 37 Zur Rechtsnatur des § 50d Abs. 7 EStG als Treaty Override und zur diesbezüglichen Rechtspre- chung des BFH , vgl. Klein/Hagena, in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 50d Rn. 100. 38 BGBl. I 2003, 2645. 39 Vgl. zB. den Sachverhalt in dem Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2012, zu § 50d Abs. 8 EStG: Die Einkünfte des Klägers, die auf dessen Tätigkeit in der Türkei entfielen, wären dort wohl steuerfrei gewesen.

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Hierdurch „beschafft“ sich Deutschland das Besteuerungsrecht für ausländische Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit, und zwar auch dann, wenn der (aus- ländische) Tätigkeitsstaat bewusst auf eine Besteuerung der Einkünfte verzichtet.

2.2.2.3 Switch Over-Klausel für sog. weiße Einkünfte (§ 50d Abs. 9 EStG) Das JStG 2007 brachte auch die Einführung des § 50d Abs. 9 mit sich. Dieser ist als unilaterale Rückfall- oder Switch Over-Klausel ausgestaltet, die eine dem Sinn und Zweck der Freistellungsmethode widersprechende (doppelte) Nichtbesteue- rung aufgrund von Qualifikationskonflikten in Vertragsstaaten eines DBA (sog. weiße Einkünfte) vermeiden soll. Die Fälle der möglichen Nichtbesteu­erung bzw. Besteuerung mit begrenztem Steuersatz sind in Absatz 9 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG geregelt. Wie in Abs. 8 maßt sich Deutschland auch durch Abs. 9 trotz abweichender Bestimmung eines DBA ein Besteuerungsrecht an.40

2.2.3 Sicherung des deutschen Besteuerungssubstrats (§ 50d Abs. 10 EStG) Durch das JStG 2009 vom 19.12.200841 wurde § 50d Absatz 10 angefügt. Hintergrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung42 war es, ein Nichtanwen- dungsgesetz in Bezug auf das Urteil des BFH vom 17.10.200743 zu schaffen. In diesem Urteil hatte der BFH entschieden, dass Zinsen, die ein in den USA ansässiger Gesellschafter einer inländischen Mitunternehmerschaft von dieser gezahlt bekommen hatte, nicht zu den nach Art. 7 DBA-USA von Deutschland zu besteuernden Unternehmensgewinnen gehörten, sondern Zinsen nach Art. 11 DBA-USA darstellten; diese Zinsen unterlägen dem Besteuerungsrecht der USA, so dass Deutschland an einer Besteuerung gehindert sei. § 50d Abs. 10 EStG soll demnach bewirken, dass bestimmte Sondervergütungen „für Zwecke der DBA- Anwendung den Unternehmensgewinnen zugeordnet werden“, damit sie, „wenn sie der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind“, in Deutschland besteuert werden können.44

40 In dem Sachverhalt des Vorlagebeschlusses des BFH v. 20.8.2014, zu § 50d Abs. 9 EStG hatte Irland auf die Besteuerung von Piloten irischer Fluggesellschaften verzichtet, die in Irland nicht unbeschränkt steuerpflichtig waren. Nach Einführung des § 50d Abs. 9 EStG wurde diese Steuerfreiheit aufgehoben, was auf eine ursprünglich bewusste Steuerbefreiung Irlands deutet. 41 BGBl. I 2008, 2794; geändert durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809, als Reaktion auf weitere BFH-Entscheidungen zu § 50d Abs. 10 a.F., vgl. hierzu Klein/Hagena, in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 50d Rn. 2. 42 BT-Drs. 16/11055, 23. 43 BFH v. 17.10.2007, BStBl. II, 2009, 356. 44 BT-Drs. 16/11108, 23.

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