Kultur

leben ins Licht der Medien zu zerren, und es wäre lächerlich, wenn wir versuchen POP würden, ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, indem wir uns irgendwel- che Beleidigungen und Gemeinheiten aus- „Gott hat uns so gemacht“ denken. SPIEGEL: Gehört so was nicht heutzutage Sängerin Andrea und Violinistin über den zum Pop-Glamour, wie ihn die Medien sich wünschen? Welterfolg der irischen Familien-Band „“, höhnische : Na und? Wir sind nun mal Kritiker und den Glamour des Braven im Musikgeschäft normale Menschen, die unter Glamour eher verstehen, dass man schöne Kleider SPIEGEL: Die Songs Ihres neuen Al- anzieht und sich nett präsentiert. bums „“ klingen so, als SPIEGEL: Und es ist Ihnen egal, wenn man- wendeten Sie sich bewusst von der che Kritiker dann lästern, dass Sie zwar Tradition der irischen Folkmusik wunderschön und sehr erfolgreich sind, ab, um einfach nur netten Hitpara- aber leider langweilig? denpop abzuliefern. Sharon Corr: Darauf können wir nur ant- Andrea Corr: Wenn’s nach uns geht, worten: Sorry, wir sind langweilig! Wir sind dann haben wir nie etwas anderes nicht die Typen, die von der Konzertbüh- gemacht als Popmusik. Gut, als wir ne spucken, Drogen in sich hineinwerfen vor fünf Jahren unsere erste CD oder Stewardessen verprügeln. Kein Stoff, herausbrachten, hatten wir die der die Zeitungsartikel über The Corrs lus- Idee, auch ein paar Instrumental- tig und sensationeller machen würde. Aber nummern mit typisch irischer Mu- in Wahrheit wollen wir uns nicht dafür ent- sik einzustreuen, weil das die Mu- schuldigen, wie wir sind. Es sind unsere sik ist, die schon unsere Eltern Songs, in denen wir uns ausdrücken und machten und mit der wir aufge- die den Leuten gefallen. wachsen sind. Aber das, worum es SPIEGEL: Verstehen Sie, dass viele Kritiker uns wirklich ging, war von Anfang rätseln, was das Geheimnis Ihres Erfolgs an: gute Songs zu schreiben. ausmacht? SPIEGEL: Der Legende nach gibt es Andrea Corr: Wenn’s nur darum geht: Ich The Corrs schon seit zehn Jah- kann Ihnen das Geheimnis verraten. ren. Damals bewarben Sie sich alle SPIEGEL: Bitte. vier für kleinere Rollen im irischen Andrea Corr: Sehr harte Arbeit, große Hin- Erfolgsfilm „The Commitments“, gabe, gutes Musikerhandwerk – und dann und Sie, Andrea, durften dann so- gar die kleine Schwester eines der Helden spielen. Die erste Corrs- Platte aber kam 1995 heraus, auf dem Höhepunkt des Britpop-Fie- bers. Fühlten Sie sich damals im Vergleich zu den wilden, großmäu- ligen Jungs von Oasis oder Blur nicht wie Musiker von einem an- deren Planeten? Andrea Corr: Nein, ich glaube, un-

T. PODLECKI / FOTEX PODLECKI T. sere Musik hat perfekt in die Zeit Sängerin Andrea Corr: „Erfolg ist Arbeit“ gepasst, das hat unser Erfolg ja auch bewiesen. Ich mag die Musik SPIEGEL: Andrea, Sharon, die Songs, die Sie von Bands wie Blur, Oasis und Supergrass, zusammen mit Ihrer Schwester Caroline auch wenn sie wenig mit unserer Musik zu und Ihrem Bruder Jim fabrizieren, laufen tun hat. Aber die Leute warteten damals fast stündlich im Radio und im Musikfern- auf etwas Neues, und vielleicht hatten sie sehen, The Corrs gelten neben den Cran- auch die Nase voll von all den lauten Strei- berries als erfolgreichster irischer Pop-Ex- tereien und Skandalen, die ihnen zum Bei- port seit und Sinéad O’Connor – nur die spiel die Oasis-Jungs lieferten. Jedenfalls Familien-Band The Corrs: „Sorry, wir sind Kritiker schwärmen weniger von Ihrer Mu- waren wir offenbar für viele das Neue, auf sik als von Ihrem Aussehen. Stört Sie das? das sie gewartet hatten. die Fähigkeit, traditionelle irische Musik Sharon Corr: Wissen Sie, Gott hat uns nun SPIEGEL: Statt Krawall und Streiterei bieten mit Pop zu verbinden. Der Rest ist das Ta- mal so gemacht. Es ist ja nichts Negatives, Sie dem Publikum ein Prachtbild familiä- lent, mit den Menschen gut zurecht zu wenn die Leute finden, dass wir gut ausse- rer Harmonie. Hat Sie nicht irgendwann kommen. Aber in erster Linie ist es harte hen. Andererseits stimmt es natürlich, dass ein Imageberater Ihrer Plattenfirma dazu Arbeit. Erfolg ist Arbeit. es Menschen gibt, die einen als Musiker animiert, wenigstens ein bisschen Radau SPIEGEL: Sie haben inzwischen Millionen erst mal weniger ernst nehmen, nur weil zu inszenieren? von Platten verkauft und engagieren sich unser Äußeres zufällig vielen gefällt. Das Sharon Corr: Das ist nie passiert. Denen al- bei Benefizkonzerten etwa für die Opfer hat dazu geführt, dass wir härter an unse- len war klar, dass es uns darum geht, all un- des Bombenanschlags im nordirischen rer Musik gearbeitet haben als viele ande- sere Energie für unsere Musik zu verwen- Omagh. Ihre Heimatstadt liegt an re und immer noch besser werden wollten. den. Wir haben keine Lust, unser Privat- der Grenze zu Nordirland. Haben Sie dort

194 der spiegel 27/2000 viel mitbekommen vom Terror jenseits der Grenze? Sharon Corr: Es gab Flüchtlinge aus dort, auch ein paar IRA-Mitglieder, und irgendwann sind ein oder zwei Bomben explodiert. Aber vom wirklichen Terror haben wir nur aus dem Fernsehen erfah- ren. Das ändert nichts daran, dass wir dar- unter gelitten haben. Es ist so ein wunder- schönes Land, und so viele unschuldige Menschen mussten sterben – natürlich macht einen das fertig, auch wenn man sel- ber nie einen Anschlag miterleben musste. SPIEGEL: Gab es Ärger oder Drohungen, als Sie sich für die Opfer des Bombenan- schlags einsetzten? Sharon Corr: Dazu gab es keinen Grund. Wir fanden nur, dass man den Leuten hel- fen muss. Wie immer, wenn Bilder von ei- ner Katastrophe im Fernsehen zu sehen sind, kam zunächst eine Welle von Hilfsbe- reitschaft in Gang. Nach einem halben Jahr war die Sache vergessen. Aber viele der Opfer werden für den Rest ihres Lebens lei- den und ständige Pflege brauchen. Da hiel- ten wir es für unsere Pflicht, etwas zu tun. Und wir waren stolz, dass es funktionierte. SPIEGEL: Verstehen Sie, dass Popstars wie und U2-Sänger für ihr humanitäres Engagement von vielen Jour- nalisten verspottet werden, weil sie sich zu Heilsbringern stilisieren? Sharon Corr: Das ist absoluter Unsinn. Was Geldof, Bono oder auch Lady Di gemacht haben, war phantastisch. Sie haben ihren Ruhm benutzt, um auf schreckliche Dinge wie Hunger, Aids und Landminen aufmerksam zu machen und ande- ren Menschen zu helfen, und das war wunderbar. Ich kann einfach nicht verstehen, was es daran zu kritisieren gibt. SPIEGEL: Klingt so, als wollten Sie selber sich in Zukunft noch mehr für gute Zwecke engagieren. Andrea Corr: Wir wollen etwas weitergeben von dem Erfolg, den wir ha- ben. Nur weil wir viele Platten verkaufen, wol- len wir nicht die Augen verschließen vor all dem

FAIRLIGHT sinnlosen Leiden in der langweilig“ Welt. Es geht auch dar- um, ein Ziel zu haben. Wir sind jetzt seit zehn Jahren im Musik- geschäft, wir haben viel erreicht, aber es war ein anstrengendes Leben. Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren immer noch Musik machen, aber vielleicht ein ruhigeres Leben führen. Ich hoffe, dass wir dann Kinder ha- ben und verheiratet sein werden und wie- der ein richtiges Zuhause haben. Die meis- ten Menschen auf der Welt sehnen sich nach so was. Und ich glaube, es gibt ein paar sehr gute Gründe dafür. ™

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