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X. Jahrgang. Nr, 26 3. Juli 1957

INHALTSVERZEICHNIS

DIE FREIHEIT IST DAS HÖCHSTE GUT Einige Bemerkungen zu den jüngsten Entscheidungen des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten (84 Zeilen) Seite

ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK SHIPPINGPORT VOR DER VOLLENDUNG (.40 Zeilen) Seite 4 FORSCHUNGSREAKTOR Ft)R FARBWERKE HOECHST (6 Zeilen) Seite 5 HINTER DEN KULISSEN MODERNER TECHNIK (17 Zeilen, 5 Bilder) Seite 6

JOHN STELNBECK UND SEINE KRITIKER Zwei Steinbeckbücher: Ein neuer Roman und eine Kritikensammlung Von Norman Smith (90 Zeilen) Seite 8

ANHANG JOHN FQSTER DULLES: DIE CHINAPOLITIK DER USA Wortlaut einer Rede des US-Außenministers vom 28. Juni 1957 vor der "Lions, International" in San Francisco

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X. Jahrgang. Nr. 27 10. Juli 1957

INHALTSVERZEICHNIS

ERZIEHUNG IM UMBRUCH Neue Methoden und Erkenntnisse für den Unterricht an amerikanischen Schulen und Universitäten Von John Kerigan (70 Zeilen, 2 Bilder) ' Seite

DIE WISSENSCHAFT KOTIERT HERZDIAGNOSEN MIT KONTRASTMITTEL Operationen zur Behebung angeborener Herzfehler erleichtert (80 Zeilen) Seite

EXPERIMENT MIT DEM JAZZ Sommerfestspiele der Brandeis-Universität Von Norman Smith (68 Zeilen) Seite

KULTURELLE KURZNACHRICHTEN Abschlußbericht 1956/57 der Metropolitan-Qper (6 Zeilen) Seite 9 Gründung der "Schule für Jazz" (4 Zeilen) Seite 9 Sena Jurinac singt Titelrolle in "Vanessa" (3 Zeilen) Seite 9

ANHANG AMERIKAS ZIEL; DIE ERHALTUNG DES WELTFRIEDENS Wortlaut der Rede von Francis 0. Wilcox, Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, vom 27. Juni 1957 vor dem Amerikanischen Akademikerinnenverband in Boston.

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X. Jahrgang:. Nr. 28 17 . Juli 1957

INHALTSVERZEICHNIS

GEMÜSE UND OBST AUS DER TIEFKÜHLTRUHE Der Einfluß der Tiefkühlindustrie auf den amerikanischen Gemüseanbau (70 Zeilen) Seite 1

AUS DEM UNIVERSITÄTSLEBEN l) Die Johns-Hopkins-Universität als Heimstätte der Forschung (44 Zeilen, 1 Bild) Seite 4

2) 25 Mio Dollar für die Hochschullehrerbildung (15 Zeilen) Seite 6

BEWÄHRTES ALTES. WENIG EINDRUCKSVOLLES NEUES Die Broadway-Saison 1956/57 Von John Beaufort (95 Zeilen, 3 Bilder) Seite T

KURZ BERICHTET Walt Disney filmt in der Antarktis (16 Zeilen) Seite 3

ANHANG DIE HERRSCHAFT DES RECHTS MUSS AN DIE STELLE DER HERRSCHAFT DES KRIEGES TRETEN Wortlaut einer Rede, die der stellvertretende US -Außi snminister, Staatssekretär Christian A. Herter, am 15. Juli 1957 vor der Anwaltskammer in New York hielt.

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X. Jahrgang. Nr. 29 24. Juli 1957

INHALTSVERZEICHNIS

VIERZIG JAHRE SOWJETHERRSC HAFT - VIERZIG JAHRE VERTRAGSBRÜCHE (200 Zeilen) Seite

PRIVATE UND STAATLICHE AUFFORSTUNG ERREICHTE 1956 REKORDHÖHE Jungforsten als Bestandteil des Eisenhowerschen Bodenbank-Programms der US-Landwirtschaft (85 Zeilen, 2 Bilder) Seite

FORSCHUNG - WISSENSCHAFT - TECHNIK Neues Schilddrüsenhormon gegen Stoff­ wechsel- und Wachstumsstörungen (20 Zeilen) Seite 11

VOLKSMUSIK BEIM SOMMERLICHEN MUSICAL FESTIVAL IN USA Interessante Darbietungen in Glenville und Bethlehem Von Norman Smith (100 Zeilen) Seite 12

ANHANG DULLES ERLÄUTERT US-ABRÜSTUNGSVORSCHLÄGE Wortlaut einer Rede des US-Außenministers John Foster Dulles vom 22. Juli 1957» die von allen amerikanischen Rundfunk- und Fernsehstationen übertragen wurde.

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X. Jahrprang, Nr. 50 31. Juli 1957 INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL DER STAND DER VIRUSFORSCHUNG IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Von Leonard Engel (200 Zeilen) Seite 1

ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Strontium-Ausscheidung durch den menschlichen Körper (23 Zeilen) Seite 8 Strenge staatliche Strahlenschutzüberwachung für amerikanische Privatbetriebe (27 Zeilen) Seite 9 Neuer Atomzertrümmerer wandelt Elemente um (16 Zeilen) Seite 10 Textilien aus Zuckerrohr (7 Zeilen) Seite 10

DOKUMENTATION DER NACHKRIEGSZEIT Die Harry-S.-Truman-Bibliothek fertiggestellt (60 Zeilen, 1 Bild) Seite 11

LISTE DER GEDENKTAGE AUGUST 1957 Seite 13

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X. Jahrgang. Nr. 51 7. August 1957

INHALTSVERZEICHNIS

EIN "COLLEGE" FÜR KÖRPERBEHINDERTE Das Woodrow Wilson Rehabilitation Center in Fishersville (Virginia) (80 Zeilen) Seite

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT Vielseitiger Ultraschall (50 Zeilen) Seite 4 Neues Färbeverfahren für Glasfasergespinste (10 Zeilen) Seite

Auflassung eines künstlichen Erdsatelliten (12 Zeilen) Seite 6

Radioisotope für die UdSSR (6 Zeilen) Seite 6

VIERMAL EUGENE O'NEILL Eine erfolgreich Theaterspielzeit geht zu Ende (84 Zeilen, 2 Bilder) Sei te

ANHANG AUSSENMINISTER DULLES LEGT WESTLICHEN INSPEKTIONSPLAN VOR Wortlaut de Inspektionsplanes der vier V'estmächte.

EISENHOWER: US-NAHOSTDOKTRIN HAT ZUR VERRINGERUNG DER SPANNUNGEN BEIGETRAGEN Wortlaut eines Berichts des US-Präsidenten vom 5» August 1957 an den Kongreß.

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X. Jahrgang. Nr. 32 14. August 1957

INHALTSVERZEICHNIS

HALLO AMERIKA - HIER SPRICHT EUROPA Das erste Unterwassertelefonkabel quer durch den Atlantik (50 Zeilen, 3 Bilder) Seite 1

ZWANZIG JAHRE SOZIALVERSICHERUNG IN DEN USA 73 Millionen Versicherte - Über eine halbe Milliarde monatliche Rentenzahlungen (60 Zeilen, 1 Bild) Seite 4

DER SONNTAGSMALER. EINE BEKANNTE GESTALT IN DEN USA Mit zu den sechs beliebtesten Steckenpferden gehört das Malen (76 Zeilen, 2 Bilder) Seite

KURZNACHRICHTEN Elektronengehirn im Dienste des Internationalen Geophysikalischen Jahres (13 Zeilen) Seite 3 US-Repräsentantenhaus bestätigt US-Mitarbeit an Weltatomenergiebehörde (10 Zeilen) Seite 6 26 Mio Dollar für die medizinische Forschung (7 Zeilen) Seite 6

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X. Jahrgang. Nr. 55 21. August 1957 INHALTSVERZEICHNIS

75 JAHRE LABOR DAY Am ersten Montag im September begehen Amerikas schaffende Männer und Frauen den "Tag der Arbeit" (62 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

AMERIKAS WISSENSCHAFTLER IM KAMPF GEGEN DIE BILHARZIOSE Süßwasserschnecken als Keimträger einer der scheußlichsten Tropenkrankheiten (80 Zeilen, 2 Bilder) Seite

TEPPICHE AUS ZWEIEINHALB JAHRTAUSENDEN Die kostbaren Schätze des Washingtoner Textil-Museums (80 Zeilen, J> Bilder) Seite 7

KURZNACHRICHT BJRGERSINN UND GEBEFREUDIGKEIT TRAGEN NE / YORKS GROSSE ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK (15 Zeilen) Seite 10

GEDENKTAGE IM SEPTEMBER 1957 Seite 11!

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X. Jahrgang. Nr. 34 28. August 1957 INHALTSVERZEICHNIS

DIE SCHALLPLATTE HATTE 80. GEBURTSTAG Im August 1877 wurde der erste Phonograph gebaut (98 Zeilen, 1 Bild) Seite ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Amerikanisch-belgische Gesellschaft für Kerntechnik gegründet (9 Zeilen) Seite 5 Malariamittel gegen Arthritis (13 Zeilen) Seite 5 Maschinelle Fertigung von Diamantnadeln (8 Zeilen) Seite C Trockenzellen-Miniaturbatterie (5 Zeilen) Seite 6 Additiv für Flugbenzin (10 Zeilen) Seite 6 Qualitätspapier aus Bambus (9 Zeilen) Seite 7 Hitzbeständige Glasfasern im Flugzeugbau (6 Zeilen) Seite 1

DER ARZT UND BILDHAUER DR. EMIL SELETZ Von Norman Kent (52 Zeilen, 3 Bilder) Seite UNGARISCHE TÄNZER FINDEN IN AMERIKA EINEN NEUEN START (10 Zeilen) Seite 10

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X. Jahrgang, Nr. 55 4. September 1957

INHALTSVERZEICHNIS

DIE UNGARISCHEN GEFÄNGNISSE SIND MIT POLITISCHEN HÄFTLINGEN ÜBERFÜLLT (78 Zeilen, 1 Schaubild) Seite

FERNSEHEN UND FILM ANSTELLE FEHLENDER LEHRKRÄFTE Versuchsweise vollsemestriges Universitäts­ studium vor dem Fernsehschirm (98 Zeilen, 2 Bilder) Seite

DAS WAHLRECHT DER NEGER SOLL UNANTASTBAR WERDEN Der amerikanische Kongreß verabschiedet die "Civil Rights Bill" Von John Kerigan (90 Zeilen) Seite

ANHANG WESTLICHE ABRÜSTUNGSVORSCHLÄGE IN LONDON UNTERBREITET Wortlaut der am 29. August 1957 vom Außenministerium der Vereinigten Staaten bekanntgegebenen und von den vier Westmächten der Londoner Konferenz unterbreiteten Abrüstungsvorschläge.

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X. Jahrgang. Nr. 56 11 . September 1957

INHALTSVERZEICHNIS

POLIO-SCHUTZIMPFUNG, DAS ERGEBNIS ECHTER WISSENSCHAFTLICHER ZUSAMMENARBEIT (35 Zeilen, 4 Bilder) Seite

DIE MERGENTHALER BERUFSSCHULE IN BALTIMORE (72 Zeilen, 1 Bild) Seite

DAS WETTER DER ERDE WIRD IN GENF REGISTRIERT Ein einmaliges Experiment, als Beitrag zum Internationalen Geophysikalischen Jahr (52 Zeilen) Seite

ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Radiophosphor, Hilfsmittel der Hautchirurgie (16 Zeilen) Seite Beschleunigte Wettermeldungen in den USA (8 Zeilen) Seite 8 Kamera für 500 m fortlaufendes Bild 05 Zeilen) Seite 9 Erdölförderung durch Hitzeeinwirkung (10 Zeilen) Seite 9 Panorama-Filmtheater für die Weltausstellung (10 Zeilen) Seite 10

ANHANG ROBERT MURPHY; PROBLEME DER US^-USSJELB?QJLLTIK Wortlaut einer Rede, die der stellvertretende Staatssekretär im US-Außenministerium, Robert Murphy, am 9 »9•1957 in New York gehalten hat.

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X. Jahrgang. Nr. 37 18. September 1957

INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL NEW YORKS LA-GUARDIA-FLUGHAFEN Die Hafenbehörde New Yorks genehmigt 32,1 Mio Dollar für den weiteren Ausbau (65 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

BÜGHER SPRECHEN ZU DEN BLINDEN Vorbildliche geistige Fürsorge für Blinde in den USA (94 Zeilen) Seite

ALS "LEHRLING" AN EINER VOLKSSCHULE Die praktische Ausbildung der Junglehrer in den USA (60 Zeilen, 1 Bild) Seite 8

KURZNACHRICHT VERFILMUNG DER SCHRIFTFUNDE AM TOTEN MEER (7 Zeilen) Seite

ANHANG DIE STAATSRECHTLICHEN ASPEKTE DER SPANNUNGEN IN LITTLE ROCK Einzelstaat kontra Bundesregierung

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X. Jahrgang. Nr.38 25. September 1957 INHAL TS VERZEICHNIS

ARTIKEL UM DEN GOLDENEN PFLUG Internationaler Wettbewerb der Landwirte in den USA - 1958er Meisterpflügen wird bei Stuttgart ausgetragen werden (74 Zeilen) Seite DIE WISSENSCHAFT NOTIERT Studium von Gefäßkrankheiten mit Hilfe des Geigerzählers (18 Zeilen, 1 Bild) Seite 4 Schlaftherapie bei Neurosen (23 Zeilen) Seite 5 PROGRESSIV ODER RETROGRESSIV? Welche Wege geht der Jazz - Nachgedanken um ein Jazzfestival Von Norman Smith (90 Zeilen, 3 Bilder) Seite 6 LISTE DER GEDENKTAGE FÜR OKTOBER 1957 Seite 10 ANHANG JOHN FOSTER DULLES FORDERT "ATMOSPHÄRE DES VERTRAUENS" ALS GRUNDLAGE FÜR ABRÜSTUNGSABKOMMEN Wortlaut der Rede vom 19. September 1957 vor der 12. UN- Vollversammlung

DWIGHT D. EISENHOWER: 10 JAHRE GESETZ ÜBER DIE NATIONALE SICHERHEIT DER USA Erklärung des amerikanischen Präsidenten vom 23. September 1957

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X. Jahrgang. Nr. 59 2. Oktober 1957

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AMATEURFUNKER IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Mit der ganzen Welt in Verbindung - Helfer in Krisen- und Notzeiten (95 Zeilen, 1 Bild) Sei te INTEGRIERUNG DES WISSENS Hoffnung für die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse (98 Zeilen) Seite PROBLEME DES MASSENUNTERRICHTS UND WEGE ZU IHRER LÖSUNG Erfahrungen in der "Tonband-Schule" in Louisiana (82 Zeilen, 2 Bilder) Seite "SOUTHERN EDUCATION REPORTING SERVICE" berichtet über den Stand der Aufhebung der Rassentrennung in Schulen des ameri­ kanischen Südens (26 Zeilen) Seite 12

ANHANG EISENHOWER: FRIEDLICHES ATOM SOLL GETEILTE WELT WIEDER ZUSAMMENFÜHREN Botschaft Präsident Eisenhowers an die 1. Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. STRAUSS; WENDEPUNKT IN DER GESCHICHTE DER MENSCHHEIT Rede von Lewis L. Strauss vor der 1. Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde.

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X. Jahrgang. Hr. 40 9. Oktober 1957

INHALT SVERZEICHNIS

ARTIKEL IM INTERESSE ALLER Ein Jahresrückblick zum Tag der Vereinten Nationen (78 Zeilen, 3 Bilder) Seite

GLEICHES RECHT FÜR ALLE BURGER Das Jahr 1957 brachte umfangreiche gesetzgeberische Maßnahmen der amerika­ nischen Einzelstaaten (43 Zeilen) Seite

NEUE SITZUNGSPERIODE DES OBERSTEN BUNDESGERICHTS Das höchste Gericht der Vereinigten Staaten steht vor neuen wichtigen Entscheidungen (56 Zeilen) Seite £

DEUTSCHE FILMWOCHE IN DEN USA Das New Yorker Museum of Modern Art wird neue und alte deutsche Filme zeigen (54 Zeilen) Seite

KURZNACHRICHT DAS KONZERTPROGRAMM DES EHEMALIGEN TOSCANINIORCHESTERS FÜR 1957/58 (8 Zeilen) Seite

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X. Jahrgang, Hr. 41 16. Oktober 1957

INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL SCHON 1944 WURDE DER KEIM ZUR UNGARISCHEN REVOLUTION DES JAHRES 1956 GELEGT Eine Betrachtung von Mark Piro» (160 Zeilen) Seite

DIE GEODÄTISCHE KUPPEL Revolutionierende Montagebauweise eines amerikanischen Konstrukteurs Von Ken Olson und AI Miller (96 Zeilen, 5 Bilder) Seite

SIE FINDEN IM WASSER HEILUNG UND FREUDE US-Gemeinden richten kostenlose Schwimmkurse für körperbehinderte Kinder ein (40 Zeilen, 2 Bilder) Seite 11

KURZ BERICHTET MILOVAN DJILAS "DIE NEUE KLASSE" - EIN GROSSER BUCHERFOLG IN DEN USA (15 Zeilen) Seite

ANHANG LODGE: USA ZUR MITARBEIT AN STUDIE ÜBER WELTRAUMKONTROLLE BEREIT Wortlaut einer Rede des US-Chefdelegierten, Botschafter Henry Cabot Lodge jr., vom 10. Oktober 1957. gehalten vor dem Ersten Politischen Ausschuß der UN-Vollversammlung in New York.

VIZEPRÄSIDENT NIXON ZU WELTWIRTSCHAFTSPROBLEMEN Wortlaut einer Rede, die der amerikanische Vizepräsident am 15. Oktober 1957 in San Francisco gehalten hat.

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X. Jahrgang:. Nr. 42 23. Oktober 1957

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ARTIKEL FORSCHUNGSPOLITIK UND BEGABTENFÖRDERUNG DURCH DIE AEG Unterstützung von Universitäten und Fachschulen oberstes Ziel (110 Zeilen) Seite 1

KOMMUNISMUS UND INTELLIGENZ IN DÄNEMARK Von Henning Fonsmark (Aus "Berlingske Aftenavis") (150 Zeilen) Seite 5

RICHARD RODGERS, AVANTGARDIST DES AMERIKANISCHEN MUSICAL Eine Biographie und ein Bühnenjubiläum Von Norman Smith (95 Zeilen, 2 Bilder) Seite 10

KURZ BERICHTET AMERIKANISCHER KIRCHENRAT VERÖFFENTLICHT JAHRBUCH 1958 (11 Zeilen Seite 9

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.1 Codeiberi 1 • Postfach 300 • Telefon Bad Codesberg 713257 Allgemeines X« Jahrgang, Nr« 45 30. Oktober 1957

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ARTIKEL

GEFÄNGNIS UNGARN Die Geheimpolizei herrscht wieder mit Schrecken und Terror (150 Zeilen) Seite 1

ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Größter Materialprüfungsreaktor der USA in Betrieb (22 Zeilen) Seite 6 Neuartige Klimaanlage für Überschallflugzeuge (15 Zeilen) Seite 7 Telephonbrücke USA-Kuba "über den Horizont" (12 Zeilen) Seite 7 Benzin aus Gilsonite (12 Zeilen) "Seite 8 Entgiftung von Autoabgasen (6 Zeilen) Seite e

EINE ERFREULICHE STATISTIK Der Erfolg des Salk-ImpfStoffes Von John Kerigan (48 Zeilen) Seite 9 LISTE DER GEDENKTAGE IM NOVEMBER 1957 Seite 11 ANHANG DIE ZIVILISATION STEHT AUF DEM SPIEL Wortlaut einer Rede des amerikanischen Physikers und Nobelpreis­ trägers Dr. Arthur H. Compton anlässlich der Überreichung des ersten Atomfriedenspreises an Professor Niels Bohr am 24. Okto­ ber 1957 in Washington.

ABSCHLUSSKOMMUNIQUE DER BRITISCH-AMERIKANISCHEN BESPRECHUNGEN Wortlaut des Abschlußkommuniques der Besprechungen zwischen dem britischen Premierminister Macmillan und Präsident Eisenhower vom 25. Oktober 1957.

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X. Jahrgang, Nr. 44 6. November 1957

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ARTIKEL DIE FREIHEIT WÄHRTE NUR WENIGE TAGE Die Presse der ungarischen Revolution (150 Zeilen) Seite

PIONIERARBEIT IN DEN GRENZGEBIETEN PHYSIKALISCHER FORSCHUNG Gemeinschaftsunternehmen amerikanischer Universitäten (98 Zeilen, 1 Bild) Seite

HUNDERT JAHRE "ATLANTIC MQNTHLY" Eine Zeitschrift und ihre Bedeutung im kulturellen und politischen Leben der Vereinigten Staaten Von Norman Smith (85 Zeilen) Seite 11

KURZ BERICHTET SATELLITENHUMOR (10 Zeilen) Seite

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X, Jahrgang. Nr. 45 1J. November 1957 INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL ZUVIEL DER KRITIK AM PEKINGER REGIME Von James W. Berner (90 Zeilen) Seite 1 DER STAND DER FORSCHUNG IN DEN USA Zum jetzt erschienenen Bericht der National Science Foundation Von John Kerigan (60 Zeilen) Seite 5, RELIGIÖSES THEATER IN AMERIKA I. Das protestantische Theater Von Marvin P. Halverson, geschäftsführender Direktor der Abteilung für Kultur und Kunst des Nationalrates der Kirchen Christi in den USA (120 Zeilen, 2 Bilder) Seite 7 KURZ BERICHTET ROTCHINA UND DIE RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN Divide et impera, ein brauchbarer Grundsatz (18 Zeilen) Seite 4

ANHANG DIE AUSWIRKUNGEN ATOMARER STRAHLUNG Wortlaut einer Erklärung, die Botschafter James Wadsworth am 7. November 1957 vor dem Politischen Ausschuß der UN abgegeben hat. EISENHOWER UMREISST VERTEIDIGUNGSAUFGABEN DER FREIEN WELT Wortlaut der Rede, die Präsidsnt Eisenhower am 13. November 1957 in Oklahoma City gehalten hat.

EISENHOWER UNTERBREITET FÜNFPUNKTE-AKTIONSPROGRAMM FÜR FORSCHUNG UND VERTEIDIGUNG Wortlaut der Rede Präsident Eisenhowers vom 7« November 1957 (Versand erfolgte gesondert am 8.11.1957)

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X« Jahrgang. Nr. 46 20. November 1957 INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL IM POLITISCHEN LEBEN AMERIKAS GIBT ES KEINE STAGNATION Die Bedeutung der Wahlen in den sogenannten "freien Jahren" Von John Kerigan (63 Zeilen) Seite INTEGRATION Amerika hat nichts zu verbergen Eine Stimme aus Asien zum Negerproblem in den Vereinigten Staaten (23 Zeilen) Seite 4 Schulintegration ohne Schwierigkeiten (13 Zeilen) Seite 5 Keine Rassenschranken für Ingenieure (15 Zeilen) Seite 5 Atlantas "integrierte" Golfspieler (10 Zeilen) Seite 6 RELIGIÖSES THEATER IN DEN USA II. Das katholische Theater Von Gilbert V. Hartke,0.P. (104 Zeilen, 1 Bild) Seite KURZ BERICHTET Ein Jahrzehnt höchster Fluggeschwindigkeiten (12 Zeilen) Seite

ANHANG SOZIALE SICHERHEIT IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Umfassende Abhandlung des Themas in vier Kapiteln mit sechs Schaubildern. (Nachdruck ist vollständig oder auch auszugsweise gestattet)

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X. Jahrgang. Hr. 47 27. November 1957 INHALTSVERZEICHNIS

ARTIKEL DIE LOHNENDSTE SACHE DER WELT Amerika und das Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen (90 Zeilen, 2 Bilder) Seite 1

EIN WEITERER SCHRITT AUF DEM WEGE ZU VÖLLIGER INTEGRATION US-Regierung bildet Kommission für die Bürgerrechte Von John Kerigan (74 Zeilen) Seite 5

MADRIGALSINGEN BEGEISTERT AMERIKA Die Leistungen der Randolph Singers Von Norman Smith (87 Zeilen, 1 Bild) Seite 8

GEDENKTAGE IM DEZEMBER 1957 Seite 11

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X. Jahrgang, Nr. 4-8 4. Dezember 1957

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ARTIKEL GLETSCHERFORSCHUNG IM INTERNATIONALEN GEOPHYSIKALISCHEN JAHR Auf Vorposten in Alaska (85 Zeilen, 3 Bilder) Seite SCHULUNTERRICHT IM MUSEUM Das "American Museum of Natural History" in New York (65 Zeilen, 3 Bilder) Seite "ICH HABE DIE FREIHEIT GEFUNDEN" Howard Fast und sein neues Buch "The naked God" (50 Zeilen) Seite a ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK AEC-Konferenz mit Vertretern der Atomindustrie (8 Zeilen) Seite 10 Kritischer Versuch am Shippingport-Reaktor (10 Zeilen) Seite 10 Prüfstand für Raketen mit Nuklearantrieb (7 Zeilen) Seite 11

ACHTUNG REDAKTIONEN! Sollten Sie an Text- und Bildmaterial zum Thema "Weihnachten in den USA" interessiert sein, bitten wir Sie, sich mit dem für Ihr Verbreitungsgebiet zuständigen Amerika-Dienst-Außenbüro in Verbin­ dung zu setzen. Die Anschriften sind;

Frankfurt a.M. München Hof Siolistraße 2-4, Annex A Ludwigstraße 28 Am Witteisbacher Park Berlin-Dahlem Bremen Regensburg Clay-Allee 170 Contrescarpe 38-43 Haidpiatz 8 Düsseldorf Hamburg Cecilien-Allee 5 Alsterufer 27 Stuttgart Nürnberg Urbanstraße 7 Gleissbühlstraße 13

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X, Jahrgang. Nr. 49 11. Dezember 1957

INHALTSVERZEICHNIS

RELIGION HINTER DEM EISERNEN VORHANG Die Situation der Russisch-Orthodoxen Kirche Von Helene Iswolsky, Lektorin am Fordham University Institute of Contemporary Russian Studies (280 Zeilen) Seite

DER STAND DER KREBSFORSCHUNG IN DEN USA Zum soeben veröffentlichten ZweiJahresbericht des Sloan-Kettering Institute for Cancer Research (60 Zeilen) Seite 11;

KURZ BERICHTET: Neues Herzmittel aus der "Färberdistel" entwickelt (11 Zeilen) Seite 13

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X. Jahrgang, Nr. 50 18. Dezember 1957

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ARTIKEL REFORM DES PHYSIKUNTERRICHTS Nicht die Vermittlung von Fakten, sondern von lebendigem Wissen ist das Ziel Aus "The Christian Science Monitor" (90 Zeilen, 1 Bild) Seite 1

DIE "ARBEITERPARTEI" OHNE ARBEITER Wer Rußlands Industrialisierung bezahlte Von George Benson (120 Zeilen) Seite 5

DEUTSCHES THEATER IN TEXAS Die deutschen Theateraufführungen der Universität von Texas 1947 bis 1957 Von George Schulz-Behrend (135 Zeilen, 3 Bilder) Seite 9

ANHANG EISENHOWER FORDERT GEMEINSAME MASSNAHMEN ZUR STÄRKUNG DES FRIEDENS Wortlaut der Rede des US-Präsidenten vom 16. Dezember 1957 an die Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten in Paris

* * * * * "AMERIKA DIENST" 5. Juli 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE FREIHEIT IST DAS HÖCHSTE GUT Einige Bemerkungen zu den .jüngsten Entscheidungen des Obersten Bundesgerichtes der Vereinigten Staaten Von John Kerigan

( 84 Zeilen)

WASHINGTON - (AD) - Die Folgerungen einiger Leute, die kürzlich gefällten Entscheidungen des Obersten Bundesgerichtes über die indivi­ duellen Freiheiten hätten eine Gesetzeskrise heraufbeschworen und im Ergebnis bestätigt, daß die bürgerlichen Freiheiten in den vergangenen Jahren gering geachtet wurden, sind ebenso unrichtig und übertrieben, wie es falsch ist, die Bedeutung dieser Entscheidungen zu unterschätzen. Wie alle Urteile des Obersten Bundesgerichts, so betreffen auch die jüngst ergangenen vier großen Entscheidungen bestimmte Fälle. Es ging dabei um verschiedene Rechts- und Interpretationsfragen, von denen einige so diffizil sind, daß es, wie Richter Harlan selbst feststellte, schwie­ rig ist, sie zu erfassen. Es ist jedoch keinesfalls schwierig, die allgemeine Bedeutung die­ ser Entscheidungen zu begreifen. In einer Zeit, die durch die Frage beunruhigt wird, ob die indi­ viduellen Freiheiten oder die nationale Sicherheit schutzbedürftiger sind, und in der die Freiheit der Meinung gegen die Gefahren des Verrats steht, enthalten die Entscheidungen des Gerichtes zahlreiche Ausführun­ gen zur Verteidigung der Persönlichkeitsrechte. Sie sprechen ferner von meist wohlgemeinten Maßnahmen, die nichtsdestoweniger und oft nur un­ merkbar geeignet sind, die persönlichen Freiheiten anzugreifen. Indem der Gerichtshof dem Schutz dieser Freiheiten höchsten Vorrang zubilligt, warnt er vor allen dahingehenden Tendenzen, Menschen allein wegen ihrer Ansichten oder ihrer Verbindungen zu bestrafen - gleich ob in einem gesetzmäßigen Verfahren oder durch Bloßstellung. Er warnt vor

- 1 - "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957 vor dem unzulänglichen Schutz der verfassungsmäßigen Rechte der Re­ gierungsangestellten und vor dem Mißbrauch des Untersuchungsrechtes des Kongresses. Gewisse gesetzgeberische Maßnahmen könnten daher jetzt durchaus notwendig werden. Diese Entscheidungen erleichtern keineswegs die Aufgabe der Rich­ ter, der Geschworenen, der öffentlichen Ankläger und der Untersuchungs­ behörden. Sie erschweren die Durchführung der verfassungsmäßigen Ver­ fahren, die dazu dienen, den Staat vor einem gewaltsamen Umsturz oder vor noch schlimmeren Dingen zu bewahren; aber sie tun es allein zu dem Zweck, um den individuellen Rechten den größtmöglichen Schutz zu ge­ währen. Nach der erst kürzlich getroffenen Entscheidung, daß den Ange­ schuldigten Einsicht in die Akten des Federal Bureau of Investigation (Bundeskriminalamtes) zu gewähren sei, engte das Gericht eine Woche später auch den Bereich für die Untersuchungen des Kongresses und für die Auslegung des "Smith Anti-Conspiracy Act" ein. Das Oberste Bundesgericht hob das wegen Nichtachtung des Kongres­ ses gegen einen Gewerkschaftsführer aus dem Mittelwesten ergangene Ur­ teil auf, der zugestandenermaßen mit den Kommunisten sympathisiert hatte, sich aber weigerte, vor dem Ausschuß des Repräsentantenhauses zur Be­ kämpfung anti-amerikanischer Umtriebe die Namen von Personen zu nennen, von denen er wußte, daß sie früher Kommunisten waren. Der Gerichtshof bestätigte das Recht des Kongresses, Untersuchun­ gen zu führen, und er betonte erneut die Verpflichtung des Bürgers zur Mitarbeit; er sprach dem Kongreß jedoch die Befugnis ab, jemanden "allein zum Zwecke der Bloßstellung vor die Öffentlichkeit zu zerren". Das Oberste Bundesgericht forderte eine genauere Definition des Untersuchungszweckes und seine eindeutige Beziehung zu den Aufgaben der Gesetzgebung, die es als den einzigen legitimen Grund für die Untersuchungen (hearings) ansieht. Dieses Urteil, wahrscheinlich das durchgreifendste in der gegenwär­ tigen Reihe, sagt klar, was das Gericht gemeint hat: "Der Mißbrauch der Untersuchungsverfahren kann unmerkbar - und dieses Wort muß betont wer­ den - zu einer Beeinträchtigung der geschützten Freiheiten führen." Als

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Als Folge dieser Entscheidung dürften verschiedene kommunistische Führer der Westküste, dteiseinerzeit vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, aus der Haft entlassen oder die Wiederaufnahme ihrer Verfahren eingeleitet werden. Die Mehrheit des Gerichts betonte, daß die Verteidigung von abstrak­ ten Lehren ("der Glaube an etwas") allein - ohne daß jemand zu einem bestimmten Tun genötigt wird - nicht den "Smith Act" verletzt, welcher die Propaganda für einen gewaltsamen Umsturz sowie das Eintreten dafür als Verschwörung verbietet. Diese Interpretation des Gesetzes und einige weniger wichtige Verfahrensfehler genügten, um das sich lange Zeit hin­ ziehende Verfahren einzustellen. Bei dem Fall eines früheren Angehörigen des Auswärtigen Dienstes handelte es sich lediglich um eine Verletzung von bestehenden Anordnun­ gen des Außenministeriums, was den Gerichtshof dazu bewog, den entlasse­ nen Angestellten wieder in sein Amt einzusetzen. In allen diesen Fällen hat das Oberste Bundesgericht wieder seine hervorragende Rolle als Beschützer der individuellen Freiheiten demon­ striert und zwar gegen - und das ist der springende Punkt - selbst rein verfahrensmäßige Rechtsverletzungen innerhalb und außerhalb der Gerichte. Es hat sich gezeigt, daß die Mehrheit der Richter nach einigen kürz­ lich erfolgten Neuernennungen äußerst empfindlich ist, wenn es sich um die Verteidigung der Bürgerrechte handelt. In dem großen Kampf der Ideologien unseres Jahrhunderts hat sich der Gerichtshof dafür entschieden, die Freiheit selbst dann zu schützen, wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zu den geringfügigen Verletzungen steht - sie zu schützen gegen das, was der verstorbene Richter Cardozca; einst die "Angriffe des Opportunismus, die Zweckmäßigkeit der Stunde und die Aushöhlung durch kleinste Eingriffe" genannt hat.

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK

SHIPPINGPORT VOR DER VOLLENDUNG

( 40 Zeilen)

(AD) - Die Anlagen für das erste amerikanische Atomgroßkraftwerk in Shippingport, 64 km von der Industriestadt Pittsburgh (Pennsylvanien) entfernt, gehen ihrer Vollendung entgegen. Man hofft, daß im Herbst dieses Jahres der Probebetrieb aufgenommen werden kann. Das Werk, das mit einem Druckwasserreaktor arbeitet und eine Ka­ pazität von 65 000 Kilowatt haben wird, ist Teil eines Sonderprogramms der amerikanischen Atomenergie-Kommission (AEC) zur Erprobung von acht verschiedenen Leistungsreaktortypen. Es wurde auf einem 6 Hektar gro­ ßen Gelände errichtet. In die auf etwa 80 Millionen Dollar geschätzten Kosten teilen sich die AEC und die Duquesne Light Company in Pittsburgh, die über ihre Elektrizitätswerke den Raum Pittsburgh mit 1,25 Millionen Kilowatt Strom versorgt. Fachleute der AEC, die den Kernbrennstoff zur Verfügung stellt, sind gegenwärtig dabei, die Brennstoffelemente vorzubereiten, die nach den Berechnungen der Physiker einen ununterbrochenen Reaktor-Betrieb von 3000 Stunden (125 Tagen) ermöglichen dürften. Diese Vorbereitung ist ein sehr komplizierter Prozeß, bei dem natürliches Uran, das in der Hauptsache aus dem Isotop Uran-238 besteht, mit sogenannten Spalt­ keimen, dem in einer Isotopentrennanlage gewonnenen Uran-235» durch­ setzt wird. Dabei muß der Physiker besonders darauf achten, daß die Verteilung des "Saatgutes" in der richtigen Weise und ausreichenden Menge erfolgt. Das ganze Verfahren verlangt die Durchführung äußerst schwieriger und zeitraubender Berechnungen. Um zu verhindern, daß sich dabei Fehler einschleichen, werden Einzelberechnungen ab und an nach New York geschickt, wo sie in einer Großrechenanlage gelöst beziehungs­ weise nachgeprüft werden. « "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957 Das in Hülsen aus einer Zirkonlegierung "verpackte" spaltbare Mate­ rial wird bei der Montage des sogenannten Reaktorkerns, dem Zentrum der Spaltvorgänge, in einen großen kesseiförmigen Stahlbehälter eingesetzt, der eine Wandstärke von über 20 cm hat. Eine solche Wandstärke ist aus Sicherheitsgründen notwendig, damit der Kessel dem Druck von etwa 150 at, mit dem 60 600' Liter Wasser bei Temperaturen um 300 Grad Celsius durch den Reaktor gepumpt werden und die Zirkonhülsen umspülen, standhalten kann. Im Gegensatz zu dem üblichen Verfahren in Dampfkraftwerken, bei dem die durch die Kesselröhren geleitete Hitze unmittelbar Wasser in Dampf umwandelt, fließt in Shippingport das heiße Druckwasser zunächst durch ein ganzes System vieler kleiner Röhren zu einem zweiten Kessel; erst hier wandelt es Wasser in Dampf um, der auf dem üblichen Wege über Turbine und Generator das Stromnetz speist.

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FORSCHUNGSREAKTOR FÜR FARBWERKE HÖCHST

( 6 Zeilen) (AD) - Die amerikanische Atomenergie-Kommission hat die Ausfuhrge­ nehmigung für einen Forschungsreaktor erteilt, der für die Farbwerke Höchst, Frankfurt/Main, bestimmt ist. Der Reaktor, der von Atomics International, einer Abteilung der North American Aviation, Inc., ge­ baut wird und auf etwa 245 000 Dollar veranschlagt ist, hat eine Lei­ stung von 50 Kilowatt; als Brennstoff wird eine Uranlösung verwendet.

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HINTER DEN KULISSEN MODERNER TECHNIK

( 17 Zeilen)

(AD) - Die Vorstellung von dem Mann im weißen Kittel, der im blit­ zenden Laboratorium mit seltsamen Glasapparaturen und Chromgeräten han­ tiert und für den Laien beinahe etwas von einem Zauberer an sich hat, wird gründlich zerstört für den, der einmal einen Blick in jene "Werk­ stätten" werfen kann, in denen die technischen Grundlagen für die Pro­ duktion unserer Industrie geschaffen werden. Denn in den Industrielabo­ ratorien - von den nur mit dem Notwendigsten ausgestatteten Versuchs­ räumen in irgendeinem verlassenen Winkel der Fabrik bis zu den modernen Forschungsanstalten - wird schwere Arbeit geleistet. Trotz der scheinbaren Abgeschiedenheit von der "Welt" ist man gerade dort bemüht.durch die Entwicklung ständig verbesserter, arbeits- und zeitsparender Erzeugnisse die Allgemeinheit an den letzten Errungen­ schaften der Technik teilhaben zu lassen. Die amerikanische Industrie beschäftigt Tausende von Wissenschaftlern und Ingenieuren auf den ver­ schiedensten Sektoren der angewandten Forschung, um Programme durchfüh­ ren zu können, von denen in erster Linie die große Masse der Verbrau­ cher profitiert.

ACHTUNG L Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Wie ein Zwerg wirkt der Techniker in dieser gewaltigen echo­ freien Kammer, in der die Geräuschentwicklung eines Trans­ formators geprüft wird. Die Wände der Kammer sind fast 1,50 Meter dick; sie bestehen aus 30 cm Beton, einer Schicht galvanisierten Stahlblechs, einer fünf Zentimeter dicken Matte aus gepreßter Glaswolle in einem 22,5 cm breiten Hohlraum und schließlich einer Schicht von 90 cm tiefen Schallziegeln aus Fiberglas.

2) An diesem "Reaktorkessel", der dem Stahl-Druckkessel eines Kernreaktors in natürlicher Größe aus einem Spezialkunststoff nachgebildet ist, kann der Werkstoffingenieur die gleichen Druck- und Belastungsverhältnisse herstellen, wie sie auch im Reaktor während des Betriebes herrschen. Ob und wieweit diese Belastungen sich auf das Gefüge des Materials auswirken, läßt sich dann an Hand dünner Schliffproben, die von .jeder

- 6 - "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957

jeder beliebigen Stelle entnommen werden können, bei Betrach­ tung im polarisierten Licht sehr einfach und schnell feststel­ len. Durch die rasche und gleichzeitig gründliche Analyse der mechanischen Materialbeanspruchung wird die Konstruktionsarbeit an wichtigen Eeaktorteilen außerordentlich vereinfacht.

3) In einer Windkanalanlage, in der fünffache Schallgeschwindigkeit erzielt werden kann, werden von zwei Ingenieuren die letzten Vorbereitungen für Versuche mit einem neuen Modell für ein Überschallflugzeug getroffen. Die Leitschaufeln (Hintergrund und rechts) haben die Aufgabe, die Turbulenz der Luft nach Austritt aus der eigentlichen Versuchskammer zu reduzieren.

4) Die eigene Nase ist für den Ingenieur noch immer das sicherste "Meßgerät" bei der Untersuchung der Abgase von Dieselmotoren. Unter der "Riechglocke" aus Kunststoff versucht hier ein Wis­ senschaftler, die Zusammenhänge zwischen Geruchsintensität und chemischen Veränderungen im Dieselmotor-Abgas, die bei den ver­ schiedenen Geschwindigkeits- und Leistungsstufen auftreten, aus­ findig zu machen.

5) Auf der Suche nach hitzebeständigen Legierungen, die Widerstands fähiger gegen die hohen Temperaturen und Beanspruchungen in den modernen Düsenflugzeugen sind, "konsultiert" hier ein Ingenieur die elektrischen Laboratoriums-Öfen, die von Raumtemperatur bis auf etwa 900 Grad Celsius aufgeheizt werden können. Ofen bis etwa 1100 Grad werden bald zur Verfügung stehen.

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- 7 - "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

JOHN STEINBECK UND SEINE KRITIKER Ein neuer Roman und eine Kritikensammlung Von Norman Smith (90 Zeilen) NEW YORK - (AD) - John Steinbecks Bedeutung als Literat, die seit dem Erscheinen seines ersten Romans im Jahre 1929 ständig ge­ wachsen ist, hat in diesen Wochen erneut an Gewicht gewonnen. Anlaß dazu war die Veröffentlichung von zwei neuen Buchbänden: "The Short Reign of Pippin IV" (Die kurze Regierungszeit Pippins IV.), der neueste Roman des Schriftstellers , und eine Essaysammlung von 17 Kritiken, die den Titel "Steinbeck and his Critics" trägt. Eine "Fabrikation" nennt John Steinbeck die funkelnde kleine Satire und weist damit - völlig überflüssigerweise - auf ihre Be- ziehungslosigkeit zur Wirklichkeit hin. Offensichtlich fand Stein­ beck großes Vergnügen an seiner Geschichte Pippins IV., eines Fran­ zosen mittleren Alters und späten Nachkömmlings Karls des Großen, der sich plötzlich auf den Thron Frankreichs erhoben sieht, und die keinen Zweck hat, als vielleicht den, aufzuzeigen, daß der Blick nach rückwärts, daß das Beispiel der Vergangenheit die Lösung der Probleme unserer Tage nicht erleichtert. Er streicht diesen Gedanken nicht sonderlich heraus und seine Erzählung stellt keine "Botschaft" an den Leser dar. Sie ist eine reine Komödie, köstlich, gekonnt, mittelmäßig oder auch billig, je nach Geschmack. # Anders der Essayband "Steinbeck and his Critics". Wer je danach gefragt hat, wer dieser Schriftsteller Steinbeck ist, findet in die­ sem Buche 17fache Antwort. Es ist ein gescheites und informatives Buch, mit einer Einführung, verfaßt von den Herausgebern, E.W. Tedlock jr. und C.V. Wicker von der Staatsuniversität von Neu-Mexiko, und sechs in sich abgeschlossenen Erläuterungen zur Thematik der Essays. John Steinbeck, dessen Romane und Erzählungen meist das Salinas-Tal in Kalifornien zum Schauplatz haben, ist dort am 27>Februar

- 8 - "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957 am 27«Februar 1902 geboren. Kindheit und Jugendzeit verstrichen ohne besondere Ereignisse. Nachdem es feststand, daß er Schriftsteller werden wollte, der Entschluß reifte bereits in den Jahren, die er an der Stanford-Universität studierte, lebte er eine Zeitlang in arger Not und Armut. Bis dann 1929 sein erster Roman "A Cup of Gold" (deutscher Titel: Eine Handvoll Gold) veröffentlicht wurde. Es muß jedoch bemerkt v/erden, daß dieser Roman nicht sein erstes Buch «ar. Ihm gingen drei vollständige Romane voraus, die Steinbeck wieder vernichtete, ohne sie jemand gezeigt zu haben. Erfolg und Anerkennung zu erringen, fielen Steinbeck nicht leicht. Zwar erschienen auf den Büchermärkten Steinbeckbücher in den Jahren 1932 und 1933» aber es waren weitaus weniger als er geschrieben hatte. Den ersten größeren Erfolg brachte 1935 "Tortilla Fiat" (deutscher Titel: Die Schelme von Tortilla Fiat). Mit ihm kam auch das Ende der Not. Jetzt konnte er schreiben und brauchte nicht mehr alle möglichen Arbeiten anzunehmen, nur um leben zu können. Die rund zwei Dutzend Bücher, die Steinbeck seither veröffent­ licht hat, haben starkes Interesse bei Publikum und Kritikern ge­ funden. Seine Romane wurden von vielen Kritikern mit gutem Namen rezensiert, gedeutet und kommentiert. Nur ein Bruchteil des Geschrie­ benen konnte in den Essayband "Steinbeck und seine Kritiker" aufge­ nommen werden. Die Beurteilungen sind stark voneinander abweichend, einig sind sie aber in dem einen Punkt, den Stil betreffend, dessen einzige Konstante, wie sie feststellen, die Unbeständigkeit ist.

Steinbeck selbst sagt dazu: "Ich kenne kein festes Schemafnach dem ich arbeite. Immer suche ich nach neuen Möglichkeiten. Und ist ein Buch fertig, dann ist es auch abgetan und irgendwie überlebt ... Ich habe nie zwei gleiche Bücher geschrieben ... ein Schriftsteller, der das Schreiben liebt, findet nur im Experiment mit seinem Medium im Wechsel der Techniken, des Arrangements der Szenenfolgen, in der wechselnden Rhythmik von Gedanken und Worten die echte Befriedigung." Es ist verständlich, daß ein solcher Schreiber Schwierigkeiten mit seinen Kritikern haben muß, und die weitgesteckte Skala der Mei­ nungen und Deutungen, die aus dem Kritikerband sprechen, enthält man­ chen schweren Angriff auf Steinbeck. Trotzdem ist die Grundtendenz

9 "AMERIKA DIENST" 3. Juli 1957

Grundtendenz "fineundlich wohlwollend und einverstanden". Die Heraus­ geber lassen durchblicken, daß sie auf seiner Seite sind, indem sie jene ihrer Kritikerkollegen dafür tadeln, daß sie nicht einmal den Versuch machten, Steinbecks Absichten zu verstehen und Erfolg und Mißerfolg richtig zu beurteilen. Steinbeck, der recht gut zu parieren versteht, wenn er in seltenen Fällen sich dieser Mühe unterzieht, gibt gerne die Richtig­ keit gewisser kritischer Beanstandungen und Beobachtungen zu. So schreibt er beispielsweise in einem Briefe, den er nach Durchlesen der Bürstenabzüge zu dem neuen Buch an die Universität von Neu- Mexiko geschickt hat, folgendes: "... ein eigenartiges Gefühl überkommt mich beim Lesen der Kritiken über meine eigenen Arbeiten.. Es kam nicht plötzlich, son­ dern entwickelte sich, bewegend und widerstrebend, ganz allmählich und Welle um Welle. Und dann nachher als Resümee die Feststellung, ... daß ein Schema doch erkennbar ... selbst noch in den schwäche­ ren Stücken. ... Es bereitet mir ein Vergnügliches, wenn auch selt­ sam belastendes Gefühl, den eigenen Nachruf zu lesen. ... Viele der vorgebrachten Argumente in diesem Buche scheinen mir die Wahrheit zu treffen. Ich wundere mich nur, daß ich nicht von selbst darauf gekommen bin. Wahrscheinlich war ich so in die Arbeit vertieft, daß ich die große Linie nicht sehen konnte ..." "Steinbeck und seine Kritiker" ist eine interessante Informa­ tionsquelle über einen bedeutenden Schriftsteller der Gegenwart. Die Zusammen- und Gegenüberstellungen ergeben ein kritisches Mosaik, an dem eine ganze Reihe von Könnern und Berufenen gearbeitet hat,, das sich fügt zu einem neuen Porträt des Schriftstellers und Menschen John Steinbeck - eine Ehre, die selten einem Schriftsteller zu Leb­ zeiten zuteil geworden ist.

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- 10 - AMERIKA DIENST" 10. Juli 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden,

ERZIEHUNG IM UMBRUCH Neue Methoden und Erkenntnisse für den Unterricht an amerikanischen Schulen und Universitäten

Von John Kerigan

( 70 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Noch hat der Kongreß keine Entscheidung über eine Erziehungshilfe getroffen, welche die finanzielle Bürde erleich­ tern soll, die infolge des Anwachsens der Bevölkerung auf den amerika­ nischen Schulen liegt. Doch kann man keineswegs behaupten, daß Er­ zieher und andere interessierte Personen ihre Hände in den Schoß gelegt haben, um zunächst einmal die Aktion der gesetzgebenden Körperschaften abzuwarten. In der Tat scheint sich auch ohne die Hilfe von Gesetzen, die vor­ bereitet werden, einiges im Hinblick auf eine grundlegende Umgestaltung des amerikanischen Erziehungssystems anzubahnen. Das anerkannte kürzlich auch der "Ford Fonds", eine Institution zur Förderung der Erziehung innerhalb der Fordstiftung, die auf diesem Gebiet sehr aktiv ist. Der Präsident dieses Fonds stellte in einem Bericht, der die Zeit von Mitte 1954 bis Ende 1956 umfaßt, fest, daß sich bei der Heranziehung und Ausbildung neuer Lehrer wertvolle neue Entwicklungen anbahnen, daß der Widerstand gegen Veränderungen geringer geworden ist, daß die vor­ handenen Lehrkräfte sich wirkungsvoller entfalten und daß e'n Bedürfnis für ein Umdenken in den "gegenwärtigen Unterrichtsmethoden" erkennbar wird. Diese wenigen allgemeinen Beobachtungen zeigen, daß sich in der Praxis neue Vorstellungen über die Erziehung anbahnen, die weit über erste Anfänge hinausgehen. Der Ansatzpunkt liegt im Sachlichen und weniger im Geistigen. Davon abgesehen, daß die Lehrkräfte immer mehr von allen berufsfremden Aufgaben

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"AMBRIKA DIENST" 10. Juli 1957

Aufgaben meist administrativen Charakters befreit werden, gehen die Universitäten, Colleges und Schulen dazu über, das Fernsehen als neues Hauptunterrichtsmittel einzusetzen. Die Stadt Hagerstown in Maryland fand mit ihrem erfolgreichen Ex­ periment des Fernsehunterrichts im geschlossenen Ubertragungssystem in ganz Amerika Beachtung. Die Klassen sind hier mit besonderen Empfangs­ geräten ausgerüstet, und der Unterricht erfolgt in zahlreichen Fächern über dieses Fernsehsystem. Der logische nächste Schritt sind Unterrichtsprogramme der öffent­ lichen Sender, die mit allen gewöhnlichen Fernsehgeräten empfangen werden können. Von solchen Versuchen sind zunächst die Kurse des San Francisco State College und des Chicago City Junior College zu nennen, für Studen­ ten gedacht, die in den überfüllten Klassenräumen keinen Platz mehr fin­ den, sowie der Unterricht für die Schüler an höheren Schulen. Im September wird die New Yorker Universität über einen kommer­ ziellen Sender einen Kurs in vergleichender Literaturwissenschaft senden, der bei allen Hörern, die sich am Ende der Vorlesungen einer Prüfung unterziehen, auch als reguläres Studium anerkannt werden soll. Bisher gibt es 24 öffentliche und schuleigene Fernsehsender mit Unterrichtsprogrammen, die eine Vielfalt von Fächern umfassen und häufig mehr als nur eine wertvolle Bereicherung für den Unterricht sind. So hat die Fordstiftung, um ein Beispiel zu nennen, es ermöglicht, daß an den höheren Schulen von Pittsburgh der Physikunterricht von her­ vorragenden Lehrern dieses Faches in.175 Lektionen über das Fernsehen erteilt wurde. Dieser Kurs war augenscheinlich weit mehr als lediglich eine Ergänzung oder ein Ersatz für den normalen Physikunterricht. Die Staatsuniversität von Pennsylvanien hat ihren regulären Unter­ richt in sieben Hauptgebieten mit dem Fernsehen im geschlossenen Über­ tragungssystem kombiniert; das Erziehungsministerium des Staates Texas ist dazu übergegangen, die Lehrerausbildung über das Fernsehen durchzu­ führen, und die Fisk-Universität in Nashville (Tennessee) hat das Fern­ sehen mit einer anderen Idee, der Institution der Lehrergehilfen, ge­ koppelt. Diese Maßnahme ermöglicht einem Lehrer die Ausbildung einer weit größeren Zahl von Studenten als es sonst der Fall ist. Diese "AMERIKA DIENST" 10. Juli 1957

Diese Lehrergehilfen sind, auch ohne die Unterstützung des Fern­ sehens, eine Einrichtung, die sich über das ganze Land zu verbreiten scheint. Absolventen von Colleges und höheren Schulen, Lehrer in der Aus­ bildung und sonstige Mitglieder der Gemeinden bieten den Schulen und Colleges ihre Dienste für die Erziehungs- und Verwaltungsarbeit an. Gewöhnlich übernimmt ein Mitglied des Lehrkörpers zusammen mit einigen dieser Gehilfen den Unterricht bei einer Gruppe von mehreren Hundert Kindern. Seltsamerweise scheint dieser Mannschaftsunterricht die Individuali­ tät und die Initiative der Schüler und Studenten eher zu fördern als zu hemmen. Sie wollen nicht in der großen Menge untertauchen, sondern zei­ gen viel Selbstbewußtsein und bieten damit eine Garantie gegen die Nivel­ lierung, die so oft als der Hauptnachteil der Massenerziehung angesehen wird.

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1) Auch an verschiedenen Volks- und Oberschulen der Vereinigten Staaten ist der Fernsehschirm heute bereits mehr als nur eine willkommene Ergänzung des Unterrichts. Er ist vielfach schon Unterrichtsträger. Die Lehrerin hat ihren Platz - ganz rechts im Bilde - eingenommen, während ihre Schüler gespannt den Vorgängen auf dem Schirm folgen.

2) Das Experiment mit und auf dem Fernsehschirm. Physikunter­ richt in der Staatsuniversität von Pennsylvanien, einer mo­ dernen amerikanischen Hochschule, eine der Institutionen in den USA, die die Verwendung des Fernsehens als pädagogi­ sches Medium seit geraumer Zeit und mit guten Erfolgen testen.

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

HERZDIAGNOSEN MIT KONTRASTMITTEL Operationen zur Behebung angeborener Herzfehler erleichtert

(80Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Unter Herzfehlern werden gemeinhin angeborene oder auch erworbene Abweichungen vom normalen Bau des Herzens oder ein­ zelner Herzpartien, insbesondere der Klappen, verstanden. Diese Anomalien sind in der Regel mit zum Teil erheblichen Störungen des Blutkreislaufs und infolgedessen mit den verschiedensten Beschwerden verbunden, ohne deshalb aber unbedingt lebensgefährdend zu sein. Menschen mit derarti­ gen Herzfehlern (und entsprechenden subjektiven Beschwerden) können uralt werden. Die häufigsten Herzanomalien dieser Art sind in einer mehr oder weniger unvollständigen Ausbildung der Herzkammerscheidewand odef der Herzklappen zu suchen. Sie sind oder werden nur in ihren schweren For­ men direkt lebensgefährlich; in allen Fällen nämlich, in denen es durch sie möglich wird, daß ein Teil des Arterienblutes a..s der linken Herz­ kammer direkt in die rechte strömt, die normalerweise das sauerstoff­ arme Blut aus dem Körper zur Sauerstoffaufladung wieder in die Lunge zu pumpen hat, aber durch die Fehlleitung von Arterienblut stark über­ lastet wird. Dieser Herzfehler kann operativ beseitigt werden. Es ist dazu jedoch erforderlich, daß vorher der Fehler als solcher nach Art und Lage genau diagnostiziert wird. über eine neue und sehr exakte Methode hierzu berichteten jetzt vier Ärzte des Amerikanischen Instituts für Herzkrankheiten in Bethesda. (Marylan-l) auf einer Tagung von Herzspezialisten in Washington. Bei dem "Kontrastverfahren", da8 die Forscher beschrieben, wird in die linke Herzkammer eine Injektion mit einer Farblösung gegeben, die samt dem mit Sauerstoff angereicherten Blut bei jed^m gesunden Menschen durch

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"AMERIKA DIENST" tO. Juli 1957

durch die große Aorta in den Körper gepumpt wird und auf diesem Wege nach einer bestimmten Frist auch die feinen Arterien in den Ohrläppchen passiert. Die Stärke eines auf das Läppchen gerichteten Lichtstrahls, für den das Gewebe ja bis zu einem gewissen Grade durchlässig ist, kann von einer auf der anderen Seite des Ohrläppchens angebrachten photo­ elektrischen Zelle genau gemessen werden^ In dem Augenblick nun, in dem der Kontraststoff diese Gewebepartien erreicht, erfährt das durchdrin­ gende Licht eine deutliche Abschwächung, deren einzelne Phasen von der empfindlichen Photozelle auf den Schirm eines Kathodenstrahl-Oszillo­ graphen projiziert werden. Das Ganze ergibt eine Kurve von einer gleich­ mäßig aufsteigenden und wieder abfallenden Linie. Bei einem abnorm gebauten Herzen aber, in dem zwischen der linken und rechten Herzkammer eine Leckstelle vorhanden ist und somit der eine Teil des gefärbten Arterienblutes unmittelbar in die Aorta, der andere davon aber erst auf dem Umweg über die Lunge beziehungsweise den soge­ nannten kleinen Kreislauf in die Arterien gelangt, ergibt der Test mit der Photozelle ebenfalls eine Kurve - aber nicht mit einem, sondern mit zwei Scheitelpunkten. Das Vorhandensein einer Durchlassöffnung in der Herzscheidewand ist damit erwiesen. Und die Stelle kann der geübte Diagnostiker aus der Form der Kurve, die in einem bestimmten Verhält­ nis zur Injektionsstelle in der linken Herzseite steht, ersehen, be­ ziehungsweise genau errechnen. Eine möglichst exakte Feststellung aber ist bei allen herzoperativ notwendigen Eingriffen, bei denen es nicht selten auf den Millimeter ankommt, von entscheidender Bedeutung. Das Verfahren, das die Berichterstatter bereits in zahlreichen Fällen mit größtem Erfolg angewendet haben, erweist sich auch für die Diagnose von Klappendefekten, bei denen sich ähnliche Reaktionen zeigen, als außerordentlich wertvoll. Bei fast allen angeborenen Fehlern dieser Art verläuft die Strö­ mungsrichtung des Blutes von links nach rechts, da der Druck in der linken Kammer normalerweise ja viel höher ist als in der rechten. Denn während jene das sauerstoffreiche Blut bis in die kleinsten Ar­ terien der entferntesten Körpergewebe zu pumpen hat, braucht die rechte Kammer das Blut nur in die Lunge zu drücken. Fließt aber ein Teil des Arterienblutes infolge irgendwelcher Defekte von der linken direkt _iri

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in die rechte Kammer, so wird das Herz leicht derart überfordert, daß - wenn der Schaden nicht rechtzeitig behoben wird - seine Leistung überhaupt zum Erliegen kommt. An den Polgen solcher Defekte sterben allein in den Vereinigten Staaten jährlich über 1000 Personen, meist Kinder. Das neue Verfahren aber hat die Aussichten, angeborene Herzfehler dieser Art operativ zu beseitigen und damit das Leben der mit solchen Schäden Behafteten zu verlängern, außerordentlich verbessert. Vor allem, nachdem es den Ärzten am Institut zur Erforschung von Herzkrankheiten gelungen ist, die ursprünglich aus England stammende Methode der trans­ bronchialen Herzpunktion zu vervollkommnen* Es wurde einfach das Grund- verfahren, das man vordem hauptsäc lieh zur Ermittlung des Blutdrucks in der linken Herzkammer gebrauchte, weiterentwickelt, indem man das Herz nun nicht mehr transbronchlal punktierte, also ihm kein Blut ent­ nahm, sondern ihm durch eine ebenfalls transbronchial eingeführte Hohl­ nadel eine Farblösung injizierte. Diese Art der Injektion in die äußerst schwer zugängliche linke Herzhälfte hat jeder anderen voraus, daß da­ bei nicht der Thorax durchstoßen werden muß. Hinzu kommt, daß trans­ bronchiale Punktionen in der jüngeren Medizin immer selbstverständlicher geworden sind. Ihre Anwendung, insbesondere zur Diagnose von angeborenen oder auch erworbenen Herzklappenschäden, hat keine besonders gefähr­ lichen Nebenwirkungen. Die Kontrast-Injektion ist aber keineswegs auf das transbronchiale Verfahren beschränkt; sie kann auch von anderen Stellen aus, von denen es immer möglich ist, eine Hohlnadel in die linke Herzkammer einzuführen, angewendet werden.

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EXPERIMENT MIT DEM JAZZ Sommerfestspiele der Brandeis-Universität Von Norman Smith

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NEW YORK - (AD) - Der Gedanke, Musik für einen besonderen Anlaß in Auftrag zu geben, ist heute alles andere als ein Novum. Dennoch tra­ gen die sechs Stücke, die die Brandeis-Universität für ihre IV. Sommer­ festspiele vorgesehen hat und die Anfang Juni in Waltham (Massachusetts) aufgeführt worden sind, alle Zeichen einer Neuerung. Einmal waren die sechs Kompositionen Jazz. Der Jazz hat ein un­ bestrittenes Recht darauf, bei Musikfestspielen zu Gehör zu kommen; aber es geschieht nicht häufig, daß er durch direkte Bestellung zuge­ zogen wird. Zum anderen sollte innerhalb dieser Werke ein Gegensatz spürbar werden: drei der beauftragten Komponisten sind berufsmäßige Jazz-Musi­ ker, während die anderen drei "akademische" Musiker sind, die neben ihrer Haupttätigkeit, nämlich sogenannte ernste Musik zu lehren, zu komponieren und auszuüben, ein lebhaftes Interesse am Jazz haben. (Übrigens sollte jeder, der in diesem Sinne von "ernster Musik" spricht, sich für einenAusdruck entschuldigen, der nicht nur ungenau ist, son­ dern sogar etwas snobistisch unterstellt, daß keine andere Art der Musik wirklich "ernst" sei - was Unsinn ist. Aber ungenau oder nicht, wir wissen alle, was gemeint ist.) Wie sich herausstellte, nahmen die Jazz-Musiker ihren Auftrag durchaus ernst - manchmal so ernst, daß das dem Geist des Jazz zu­ gehörige Improvisieren in Gefahr stand, verloren zu gehen. Dies trifft insbesondere auf die "Revelations" von Charles Mingus zu. Ein her­ vorragender Bassist, ist Mingus als Avantgardist des Jazz wohl be­ kannt. In seinen "Revelations" schien er zu versuchen, die Grenzen des

. 7 _ AMERIKA DIENST" 10. Juli 1957 des Jazz so weit wie möglich in Richtung auf die Konzertmusik zu ver­ schieben, ein verdienstvolles Bemühen, das jedoch schwerlich zu über­ zeugen vermochte. Jimmy Giuffre, ein virtuoser Jazztrompeter, kam mit einer Studie, die er "Suspensions" nannte. Als Komponist hat Giuffre einen völlig eigenen Stil gefunden. Manche setzen daran aus, seine Tempi seien zu langsam und seine Melodien zu "sweet", aber es besteht kein Zweifel, daß er in seiner Art sicher und erfolgreich schreibt. Der dritte Jazz-Mann, George Russell, war der einzige Komponist, der in seinem Werk der Improvisation zu ihrem Recht verhalf. Sein "All About Rosie" war voll von Überraschungen, und die schnellen Passa­ gen waren erregend. Alle drei leben und arbeiten im Osten der Vereinigten Staaten, in dem Raum New York-New England. Von den drei "akademischen" Musikern war der erfolgreichste Günther Schuller, erster Hornist der Metropolitan , der auch Jazz spielt. In seiner "Transformation" demonstrierte Schuller, daß er mit Jazz und Konzertmusik gleichermaßen vertraut ist und weiß, wie er sie in einer Weise vereinen kann, die jede Disziplin für sich zur Geltung bringt. Milton Babbitt, Musikprofessor an der Princeton-Universität, komponierte ein Stück in Zwölf-Ton-Technik, das er "All Set" nannte. Es erwies sich allerdings sowohl für die Musiker wie für die Zuhörer als überaus schwierig; immerhin schienen die Musiker - vielleicht, weil sie sich in den Proben genügend damit beschäftigen konnten - mehr da­ mit anfangen zu können als das Publikum. Was von den sechs Stücken letztlich den meisten Anklang bei der Zuhörerschaft fand, die sich weder aus leidenschaftlichen Jazz-Fans noch aus passionierten Konzertbesuchern zusammensetzte, war "No Green Mountain" von Harold Shapero. Der Musikprofessor an der Brandeis-Uni­ versität hat sich durch Werke wie die "Symphony for Classical Orchestra" über die Grenzen des Landes hinaus einen Namen gemacht. Der Titel "Kein grüner Berg" klärt sich als Wortspiel mit dem Namen Monteverdi auf. Das Stück ist ein Arrangement einer des italienischen Barock-

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Barockmeisters. Die barocke Musik des Originals klang deutlich durch den Jazz durch. Die Instrumentierung tat ihr nicht einfach Gewalt an. Was mehr ist, sie machte daraus ein ergötzliches Stück. Bei einer Bewertung der Ergebnisse von Brandeis ist es wichtig, den rein experimentellen Charakter des Projekts in Rechnung zu stellen. Es kamen keine Meisterwerke zutage, aber dies war auch nicht das pri­ märe Ziel. Wie ein Sprecher der Universität es formulierte, ist man dort der Ansicht, daß eine Universität "Katalysator für schöpferische Kräfte" sein sollte, das heißt, sie sollte eine Atmosphäre bereiten, in der das Schöpferische sich entwickeln kann. Von diesem Gesichtspunkt aus war das Experiment mit dem Jazz nicht nur interessant, sondern ein echter Erfolg.

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Die Metropolitan-Oper gab ihren Abschlußbericht über die Saison 1956/57 bekannt. Insgesamt wurden 27 Opern 171mal gespielt. 16 Werke wurden in italienischer, 6 in deutscher, 3 in englischer und 2 in französischer Sprache aufgeführt. Für die kommende Saison wurden sechs neue Sänger engagiert, darunter Sena Jurinac von der Wiener Staatsoper. #

Die jieugegründete amerikanische "Schule für Jazz" wird von 12. bis 30.August in Lenox (Massachusetts) Sommerkurse halten. Als Lehrer wurde unter anderem der Jazz-Trompeter Dizzy Gillespie gewonnen. *

Sena Jurinac singt die Titelrolle in Samuel Barbers Oper "Vanessa", die im kommenden Januar an der Metropolitan-Oper ihre Welturaufführung erlebt.

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GEMÜSE UND OBST AUS DER TIEFKÜHLTRUHE Amerikas Hausfrauen ziehen Tiefkühlgemüse der Frischware vor

( 70 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die Eßgewohnheiten der Amerikaner haben im Laufe der letzten Jahre eine einschneidende Änderung erfahren. Diese Feststellung machte kürzlich das amerikanische Landwirtschaftsministerium auf Grund der Marktbilanzen. Den Anstoß zu dieser Wandlung dürfte wohl die immer größere Dimen­ sionen annehmende Industrie der Tiefkühlnahrungsmittel gegeben haben, die praktisch jegliches Nahrungsmittel soweit vorbearbeitet, daß es vor dem Essen nur noch kurz erhitzt zu werden braucht. Die Tiefkühlverfahren sind heute so vervollkommnet, daß der na­ türliche Wohlgeschmack der Lebensmittel nicht nur nicht leidet, sondern vielfach noch verbessert wird. Die Hausfrau findet in der Tiefkühltruhe zu allen Jahreszeiten Gemüse und Obst, die den frischen Produkten in keiner Weise nachstehen. Aussehen, Geschmack und Nährwert bleiben auch bei längerer Lagerung erhalten. Eine der neuesten Konservierungsmethoden ist ein gemischtes Ver­ fahren von Schnelltiefkühlung und Dehydrierung, ein Verfahren, das es erlaubt, Lebensmittel viele Monate bei Zimmertemperatur aufzubewahren, ohne daß diese verderben. Durch Zusetzen von Wasser werden sie wieder wie frisch. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des US-Landwirtschaftsmini­ steriums sind der Ansicht, daß die neuen Konservierurgsverfahren eine gesteigerte Nachfrage nach Obst und Gemüsen nach sich ziehen werden. Zum Teil haben die Gemüse- und Obstbauern sich bereits auf den in den nächsten fünf Jahren zu erwartenden Mehrverbrauch eingestellt. Sie haben durch die Verwendung neuer Düngemittel, verbesserte Bewässerungs­ anlagen, sorgfältige Sortenwahl, rationelle Spezialisierung des Anbaues,

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Anbaues, Anschaffung moderner Gerätschaften und anderer Einrichtungen, sowie eine nach modernsten Erkenntnissen durchgeführte Schädlingsbe­ kämpfung, ihre Erträge Jahr für Jahr erhöhen können. Die Mehrprodukti n an Obst und Gemüse wird, wie das Landwirtschafts­ ministerium erklärt, nicht alle Gemüsearten gleichmäßig betreffen. Der Prischgemüsemarkt wird eine wahrscheinlich nur geringe Anhebung in der Zukinft erfahren, da anzunehmen ist, daß eher weniger als mehr Frisch­ sorten gekauft werden. Stark allerdings wird die Nachfrage nach Salat­ gemüsen sein, die immer beliebter werden. Zurückgehen wird auf alle Fälle der Verkauf von Gemüsesorten, die gekocht werden müssen, wogegen jene, die so zubereitet auf den Markt kommen, daß sie nur schnell erhitzt zu werden brauchen, mehr und mehr den Vorzug haben werden. Der ausschließlich für die Konservierung vorgenommene Gemüse- und Obstanbau wird an Umfang weiter zunehmen. Manche der jetzt populären Sorten werden anderen, die sich für die neuen Verfahren der Tiefkühlung und Kältetrocknung besser eigenen, weichen müssen. Immer weniger gefragte Frischgemüse sind Erbsen, grüne Bohnen, Spinat, Spargel und in letzter Zeit auch Möhren. Die Hausfrauen ziehen die wohl­ schmeckenden Gemüse aus der Tiefkühltruhe den frischen Sorten vor. Sie sind einfacher zu handhaben in der Küche - das leidige und zeitraubende Gemüseputzen und somit auch der Abfall fallen weg - und sie sind wirt­ schaftlicher, weil die Ware zu einer Zeit konserviert wurde, da sie im Überfluß vorhanden war und weil sie die oft erheblichen saisonbedingten Preisschwankungen der Frischware nicht mitzumachen braucht. Die V/est- und Südstaaten, die die Hauptgemüse- und Obstanbaugebiete der USA sind, werden darüber hinaus durch verstärkten Einsatz von hoch­ modernen Kühlwagen auf den Eisenbahnen, Kühllastwagen auf den Überland- straßen und in letzter Zeit auch Kühl-Lufttransporten die durch lange Transportwege entstandenen Verluste, Risiken und Kosten bedeutend herabsetzen können. Eine bewußt betriebene Marktforschung, zentralgelenkte kooperativ durchgeführte private Vertriebsorganisationen und die häufigere Anstel­ lung von geschulten Vertriebsleitern, selbst in Betrieben bescheidenen Umfangs, ermöglichen und garantieren zu jeder Jahreszeit eine immer ra­ tioneller betriebene, von der Saison unabhängige Versorgung der USA mit

- 2 - "AMERIKA DIENST" 17. Juli 1957 mit erstklassigem, sorgfältig kultiviertem und preiswertem 0"bst und Gemüse. Kopfsalat beispielsweise wird in gut bewässerten Gegenden das ganze Jahr über angebaut und wird - gut verpackt natürlich - in gleicher Güte auch überall in den USA erhältlich sein. Dasselbe gilt für Tomaten, deren Anbau im Winter, Herbst und Frühjahr, zu Zeiten also, da die sommerliche häusliche Gemüsegartenernte wegfällt, eine Intenvisierung erfahren. Mit einer geographischen Verschiebung der jetzigen Haupt­ anbaugebiete rechnet man allerdings nicht. Die Nachfrage nach Kohl wird sich auf den Frischgemüsemärkten ziemlich stabil halten, obgleich auch hier gedostes Kraut mehr und mehr gefragt ist. Dasselbe gilt für süßen Speisemais.

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WALT DISNEY FILMT IN DER ANTARKTIS Filmische Logbücher des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58

"Antarctica-Operation Deepfreeze" (Antarktis-Operation Kühlschrank) ist ein von den Kameramännern Walt Disneys gedrehter Dokumentarfilm über den Südpol. Er zeigt die Erlebnisse einer amerikanischen Expedition, die im Rahmen der Vorbereitungen zum Internationalen Geophysikalischen Jahr (IGJ), das am 1. Juli 1957 begann. Er zeigt die übermenschlichen An­ strengungen, die an die Männer der Trupps gestellt werden, die notwen­ dige Stützpunkte bauten und Landebahnen im ewigen Eis der McMurdo- Bai errichteten. Ein grimmer Humor gibt dem eindrucksvollen Streifen die Glanzlichter. Große Heiterkeit bereiten Szenen mit den Königspingui­ nen - geheimnisvollen Kreaturen, deren plattfüßiges Gewatschel urkomisch wirkt. "Antarctica-Operation Deepfreeze" ist der zweite Dokumentarstrei- fen der Walt-Disney-rroduktion über Expeditionen in die Antarktis. "Antarktis - Vergangenheit und Gegenwart" war der Titel des ersten fil­ mischen Dokumentarberichts.

- 3 . "AMERIKA DIENST" 17- Juli 1957

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AUS DEM ÜNIVERSITÄTSLEBEN (i)

DIE JOHNS-HOPKINS-UNIVERSITÄT ALS HEIMSTÄTTE DER FORSCHUNG

( 44 Zeilen) BALTIMORE (Maryland) - (AD) - In der wissenschaftlichen Welt ist es üblich, daß Gelehrte und Forscher aus allen Teilen der Erde von Zeit zu Zeit zusammentreffen, um die Ergebnisse ihrer Arbeit auf dem Gebiet der reinen und angewandten Wissenschaften zu vergleichen, auszutauschen und so einem größeren Fachgremium zur Anregung und Auswertung zugänglich zu machen. So lädt auch die volkswirtschaftliche Abteilung an der Johns-Hop­ kins-Universität in Baltimore (Maryland) in jedem Jahr acht bis zehn promovierte Akademiker von anderen Universitäten - meist aus dem Aus­ land - ein, um ihre Forschungen auf einem Gebiet eigener Wahl in Bal­ timore weiterzuführen. Diese Wissenschaftler arbeiten meist mit der Hilfe von Stipendien, sei es von Seiten einer der großen privaten Stif­ tungen wie Ford, Rockefeller und Guggenheim oder von der Regierung und den Universitäten JJie Stipendiaten halten keine Vorlesungen, sie können an den Fakultätssitzungen teilnehmen und genießen ein Maximum von Frei­ heit. Einmal in der Woche trifft sich die Forschergruppe unter dem Vor­ sitz von Dr. Fritz Machlup, dem Inhaber des Abram G. Hutzler-Lehrstuhls für Nationalökonomie an der Johns-Hopkins-Universität. Dabei berichtet ein Mitglied über seine Arbeit. Bei diesen Seminaren steht es jedermann frei, zu dem Vorgetragenen kritisch Stellung zu nehmen. Die Johns-Hopkins-Universität hebt sich aus der Vielzahl der Uni­ versitäten Amerikas dadurch hervor, daß sie als einzige vor mehr als einem Jahrhundert ihre Existenz mit einer sogenannten "Graduate School" begann - einer Stätte für fortgeschrittene Studien der Philosophie. Auch heute ist sie in der Hauptsache geistige Forschungsstätte, obwohl ihr

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ihr College of Arts and Sciences, die School of Engineering und die School of Business auch viele junge Studenten anziehen. Die Universität wurde von einem Baltimorer Kaufmann gegründet, der in Erinnerung an seine eigene mangelhafte Schulausbildung und im Hinblick auf die medizinischen Bedürfnisse der Stadt noch vor seinem Tode die Masse seines Vermögens zum "Wohle der Menschheit" stiftete. Er wünschte die Gründung einer Universität und die Errichtung eines Krankenhauses mit einer medizinischen Fakultät sowie einer Ausbildungsstätte für Krankenschwestern. Ihm verdanken die Universität und die berühmte "School of Medicine, Hygiene and Health" ihr Bestehen. Es war die erklärte Absicht der ersten Treuhänder der Universität, daß diese sich mehr durch akademische Freiheiten und eine reife Gelehr­ samkeit charakterisiere als durch starre Lehrpläne, die lediglich dazu bestimmt sind, Studenten für einen Beruf heranzubilden. Gemäß ihrer traditionellen Verpflichtung, das Erbe der Vergangenheit zu wahren, pflegt die Universität ihre Aufgabe, die Grenzen des Wissens durch großzügige Pflege der Forschung zu erweitern. Dabei liegt der Nachdruck besonders auf einer engen Zusammenarbeit und auf dem Erfahrungsaustausch mit anderen Universitäten in den Vereinigten Staaten und überall in der Welt.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild;

Die Gruppe der eingeladenen Forscher an der Johns-Hopkins- Universität in Baltimore (USA) umfaßt in diesem Jahr zehn Gelehrte aus fünf Ländern. Unser Bild zeigt drei der Wissen­ schaftler während einer der wöchentlichen Seminarsitzungen.

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- 5 - "AMERIKA DIENST 17. Juli 1957

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AUS DEM UNIVERSITÄTSLEBEN (il)

25 MIO DOLLAR FÜR DIE HOCKSCHUL-LEHRERBILDUNG

( 15 Zeilen) (AD) - - Zum Ausbau des 1945 geschaffenen Woodrow-Wilson-Studien- förderungsprogramms hat die Ford-Stiftung einen Betrag von 25 Millionen Dollar gespendet. Aus diesem Fonds sollen in den nächsten fünf Jahren alljährlich 1000 Stipendien an Collegeabsolventen vergeben werden, die sich für die Laufbahn eines Collegelehrers entschließen und sich ver­ pflichten, das Doktorexamen abzulegen. Die Stipendiaten können sich für das Studium der Geisteswissenschaften, der Sozialwissenschaften und eine der exakten Wissenschaften entscheiden. Die Bennenung der in Frage kommenden begabten Collegeabsolventen erfolgt durch die jeweiligen Lehrkräfte, die endgültige Auswahl liegt bei regionalen Ausschüssen und einem Nationalen Ausschuß.

Der Verband amerikanischer Universitäten und der ihm angeschlosse­ ne, Verband der Graduate Schools werden ebenfalls Mittel erhalten, um in diesem Herbst die Wilson-Stipendien um weitere einhundert zu erhöhen, das sind 50 Prozent mehr als im Frühjahr dieses Jahres vergeben wurden.

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- 6 - •AMERIKA DIENST 17. Juli 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

BEWÄHRTES ALTES, WENIG EINDRUCKSVOLLES NEUES Broadway-Saison 1956/57

Von John Beaufort

( 95 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Wenngleich die New Yorker einige der nachhaltig­ sten Eindrücke der Spielzeit 1956/57 "altbewährten" Autoren, von Äschylos und Sophokles über Shakespeare und Moliere bis Bernard Shaw, James Joyce, Eugene O'Neill und anderen verdanken, hatte man sich am Broadway lobens­ werterweise bemüht, dem Publikum auch "frische Kost" zu bieten. Dieses Unternehmen hat sich zum Teil offensichtlich bezahlt gemacht. Da ist die Komödie "Auntie Marne", die ihre Durchschlagskraft viel­ leicht nicht zuletzt der herrlichen Rosalind Russell verdankt. In sech­ zehn verschiedenen Kostümen, bei 25maligem Szenenwechsel lieferte die Russell in der Rolle einer nicht totzukriegenden Vertreterin der New Yorker Boheme der späten zwanziger Jahre ein sprühendes Gaukelspiel mit dem ganzen Drum und Dran des echten Schwanks. Was Schwung und Leben anbelangt, war "Auntie Marne" unschlagbar. Gore Vidals Komödie "A Visit to a Small Planet" (Besuch auf einem kleinen Planeten) variiert die erprobte Fabel vom Bewohner eines anderen Planeten, der unserer Erde einen Besuch abstattet. In diesem Fall geht es um das Kriegführen, eine Sache, "von der die Erdbewohner am meisten verstehen". Da der Mann vom anderen Stern sich um ein Jahrhundert ver­ spätet hat - er hätte gern den amerikanischen Bürgerkrieg erlebt - setzt er seine ganze Kraft daran, nun wenigstens einen Atomkrieg aus­ zulösen. Glücklicherweise ist die Heldin stärker und gewitzter als er und weiß das Unheil zu verhindern. Mit einigen prasselnden Salven und wohlgezielten Treffern gegen Bürokratie, Rundfunk- und Fernsehkommen­ tatoren und andere beliebte Opfer der amerikanischen Satire wird dieses recht witzige und geistreiche Spiel dem Publikum schmackhaft dargeboten. Ähnlich "AMERIKA DIENST" 17. Juli 1957

Ähnlich geht es in "Li'l Abner" zu, einem Musical, das AI Capps weltbekannte Gestalten seiner Comic Strips auf die Bühne bringt und das seinen Reiz und seine Wirkung in erster Linie durch Michael Kidds choreo­ graphisch hervorragende und bezaubernde Tänze gewinnt. AI Capps geruh­ sames Völkchen, hier als Vertreter des fernen und entschieden etwas hinterwäldlerischen ländlichen Südens, nimmt den Kampf mit Washington auf, das ausgerechnet ihr "Dogpatch", ihre "home town" als Ziel für Atombombenversuche auserkoren hat - und die "Dogpatcher" siegen. Die monegassische Hochzeit war Vorbild für das Musical "Happy Hunting", einer breit ausgemalten Satire auf die sattsam bekannte reiche amerikanische Witwe, die ihrer heiratsfähigen Tochter um jeden Preis einen europäischen Prinzen kaufen will. Hier feiert Ethel Merman ein rauschendes come-back, und so ist man nicht überrascht, daß am Ende die Witwe selbst die "Heiratsfähige" ist. Im ganzen war unter den neuen Musicals nichts Außergewöhnliches, und keines reichte an die Schlager der vorigen Saison heran, die sich noch bis in diese Spielzeit herübergerettet haben: das witzige und äußerst melodienreiche "My Fair Lady" nach Shaws Pygmalion und "The Most Happy Fella" nach einem Stück des verstorbenen Sidney Howard. Ebenfalls aus der vorigen Saison erhalten haben sich "Das Tage­ buch der Anne Frank" und "Inherit the Wind". Diesem Stück liegt ein berüchtigter amerikanischer Prozeß aus den zwanziger Jahren zugrunde und es gibt dem auch bei uns bekannten Filmschauspieler Paul Muni Ge­ legenheit, ein eindrucksvolles Porträt eines großen Anwalts zu zeichnen. Die Auslese an ernsten und bedeutsamen Stücken amerikanischer Autoren war gering. Den stärksten Eindruck machte wohl neuestes Stück " Descending". Ein wohlgestalter, Gitarre spielender Vagant, den der Zufall eines Winterabends in ein Lädchen in einem kleinen Ort des amerikanischen Südens weht, löst Verwirrung und Unheil im Leben der vereinsamten Frau des Ladenbe­ sitzers und eines jungen, bereits straffällig gewordenen Mädchens aus einer angesehenen Familie des Ortes aus. In Zwielicht und Schat­ ten steigt dieser moderne Orpheus herab, und die düstere Idylle findet ihr Ende, als Torrance, der kranke Besitzer des Ladens, die Sache ent­ deckt und seine Frau erschießt, während Val Xavier, der junge Vagant,

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Vagant, auf die Straße flieht und dort von den Hunden des Sheriffs zer­ rissen wird. Sanfte Wärme, Zärtlichkeit, ja selbst heiteres Lachen sind in diese bittere und tragische Geschichte verwoben. Das Stück, das auch im Auf­ bau Schwächen aufweist, hat sehr unterschiedliche Partien. Aber dank seiner starken Bühnenwirksamkeit und seiner geradezu surrealistischen Atmosphäre fand es bei verschiedenen Kritikern begeisterte Aufnahme; die Mehrzahl allerdings reagierte zurückhaltender. Die drei interessantesten Neuaufführungen stammten aus Europa. Terence Rattigans "Separate Tables" wurde von Eric Portman und Marga­ ret Leighton mit Anmut und Grazie als ein technisch sehr gekonntes piece de theatre gebracht. Im ersten der beiden langen Einakter verkörpert Portman einen etwas schwerfälligen und linkischen Journalisten, den seine geschie­ dene Frau, ein schönes, aber schwer neurotisches Wesen, zurückgewinnen will. Im zweiten sehen wir Portman als einen durch einen schmutzigen kleinen Rechtsstreit bloßgestellten Mann, der die zaghafte Zuneigung einer jungen Frau gewinnt, die von ihrer weitaus stärkeren Mutter be­ herrscht wird. Das beide Stücke verbindende Thema ist die furchtbare Einsamkeit der Entmutigten und Schiffbrüchigen des Lebens. Zweiter wichtiger Import: Anouilh's heiteres erotisches Lustspiel "The Waltz of the Toreadors". Die Geschichte von dem alternden Roufe, der mit einer ständig nörgelnden Frau verheiratet ist und sich nicht von seinen rosigen Pubertätsträumen, der Erinnerung an eine Jugendliebe, zu trennen vermag, wird bei aller eisigen Weisheit doch mit viel mensch­ licher Wärme und Sympathie für den Träumer erzählt. Der Engländer Sir Ralph Richardson in der Rolle des nicht erwachsen v/erdenden alten Ge­ nerals und die doppelsichtige Psychologie des Franzosen sichern dem Stück den Beifall des Publikums. Graham Greenes "Potting Shed" schließlich behandelt den ewigen Konflikt zwischen Glaube und Zweifel. Es berichtet von der Suche des Helden James Callifer nach einem Glauben, den er nicht eigentlich ver­ loren hat, der ihm vielmehr von seinen atheistischen Eltern gestohlen wurde. Obgleich etwas dunkel in mancherlei Hinsicht, ist diese Kom­ bination aus Detektivroman und Mirakelspiel vorzüglich und fesselnd

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fesselnd dargestellt und gewinnt Farbe und Leuchtkraft durch eine hervorragende Aufführung, in der sich vor allem Dame Sybil Thorndike aus England auszeichnet. Rückblickend stellt man fest, daß die Spielzeit 1956/1957 getra­ gen wurde von den erprobten und verlässlichen Klassikern, einer 0'Neill-Renaissance, mit "A long Day's Journey into Night" und "A Moon for the Misbegotten", und den Gastspielen ausländischer Truppen. Der Besuch des Londoner Old Vic und der Pariser Truppe Madeleine Renaud-Jean Louis Barrault bewiesen erneut, daß ein internationaler Geist am Broadway herrscht - wie es sich für die Metropole New York gebührt.

ACHTUNGI. Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

Rosalind Russell in dem Broadway-Schwank der letzten Spiel­ zeit "Auntie Marne", den sie durch ihre temperamentvolle und bezaubernde Darstellung der etwas leichtsinnigen Tante, die ihrem Neffen eine freie und unkonventionelle Erziehung geben will, zu einem vollen Erfolg machte. Hier sehen wir sie in einer Szene als Telephonistin, in der sie mit Schwung und Verve die Verbindungen herstellt.

2) Die englische Schauspielerin Sybil Thorndike und ihr Mann Lewis Casson in einer Szene von Graham Greenes neuestem Stück "The Potting Shed". Lewis Casson ist seit 54 Jahren als Schauspieler und Regisseur in London tätig. Bei ihrem gemeinsamen Auftreten während der letzten Spielzeit am Broadway errangen die beiden bedeutenden englischen Schau­ spieler große Erfolge.

Einer der besten und wirksamsten Songs aus dem Musical "Li'l Abner", das die Gestalten AI Capps aus "Dogpatch" auf die Bühne bringt, ist der Schlager "If I Had My Druthers" .

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- 10 - " U'ERIKA DIENST" ' 24. Juli 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden

VIELZIG JAHRE SOWJETHERRSCHAFT - VIERZIG JAHRE VERTRAGSBRÜCHE

( 200 Zeilen) In den vierzig Jahren seit der Oktoberrevolution des Jahres 1917 haben die Htrrscher im Kreml unbestreitbar einen Rekord der Vertrags­ brüche aufgehellt. "Die Haltung der Sowjets gegenüber den aus einem Vertrage erwach­ senden Verpflichtungen wird ausschließlich durch die Erfordernisse des Landes, niemals aber durch völkerrechtlich-ethische Erwägungen oder das Interesse am Wohle der Menschen bestimmt", lautet die Schlußfolgerung, zu der zwei führende amerikanische Gelehrte der Hoover Library in Kali­ fornien auf Grund einer eingehenden Untersuchung der Beziehungen der UdSSR zu anderen Ländern kommen. Diese Nichtachtung gegebener Versprechen beschränkt sich nicht nur auf die Abmachungen mit anderen Nationen, sondern ist ebenso gültig für das Verhältnis der sowjetischen Herrscher zu ihrem eigenen Volk und den verschiedenen nationalen Minderheiten innerhalb der Union. So hatte man dem russischen Volk bereits im November 1917» als die Pressefreiheit im Zuge der Revolution abgeschafft worden war, verspro­ chen, daß dieser Erlaß rückgängig gemacht werden würde, "sobald das neue Regime Fuß gefaßt haben werde" - und bis heute ist dieses Verspre­ chen nicht eingelöst worden. Und im April 1957 brach das Regime sein Versprechen über die Rück­ zahlung der 260 Milliarden-Anleihe, die es im Laufe von 30 Jahren prak­ tisch zwangsweise von Millionen russischer Arbeiter aufgenommen hatte, indem es die Einfrierung dieser Anleihe auf 30 bis 40 Jahre anordnete. Und die Millionen Arbeiter, die sich auf das Wort ihrer Regierung ver­ lassen und mit diesen "Spareinlagen" gerechnet hatten, haben nun das Nachsehen. "Versprechen

- 1 - AMERIKA DIENST'' 24. Juli 1957 "Versprechen sind wie die Pastetenkruste dazu da, gebrochen zu werden", sagte Lenin, und: 'Es wäre verrückt und verbrecherisch, sich die Hände zu binden, indem man mit irgend jemandem eine Abmachung von irgendwelcher Dauer e nginge". Und Stalin meinte: "Worte haben mit Taten nichts zu tun - was wäre Diplomatie sonst? Worte sind eins, Taten etwas anderes. Schöne Worte sind lediglich eine Maske, hinter der sich die bösen Taten verbergen. Ehrliche, aufr-chtige Diplomatie gibt es ebensowenig wie trockenes Wasser oder hölzernes Eisen" . Die folgende Liste der von den Sowjets mit anderen Ländern abge­ schlossenen Verträge und ihre "Einhaltung" spricht für sich selbst:

Vertrag Ergebnis 7. Mai 1920 - Das Sowjetregime 11/12. Februar 1921 - Sowje­ unterzeichnet ein Abkommen mit tische Truppen marschieren in dem unabhängigen Georgien, in Georgien ein, erster Schritt dem es sich verpflichtet, sich zur Einverleibung der Republik nicht in die Innenpolitik Geor­ in die UdSSR. giens einzumischen.

* * * 16. März 1921 - In einem 26. Mai 1927 - Großbritannien Handelsabkommen mit Groß­ hebt das Abkommen auf, weil britannien verpflichtet die Sowjets dagegen versto­ sich die UdSSR, keinerlei ßen und, entgegen ihrem Ver­ Propaganda in diesem Lande sprechen, die Propaganda nicht zu betreiben. eingestellt haben.

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5. Juni 1922 - Die UdSSR 25. Februar 1948 - Im Zuge schließt einen Freundschafts­ der sowjetischen Bestrebungen, vertrag mit der Tschechoslowakei. die Tschechoslowakei zwangs­ 12. Dezember 1943 - die UdSSR weise in den Satellitenbereich und die tschechoslowakische einzubeziehen, wird die tsche­ Exilregierung unterzeichnen choslowakische Regierung zur einen Vertrag über Freundschaft Annahme eines kommunistischen und gegenseitigen Beistand. Ultimatums gezwungen. Das Ulti­ matum erzwingt die Ernennung eines Kabinetts aus Anhängern Moskaus und bildet den Höhepunkt der sowjetischen Nachkriegs­ kampagne, die ehemals unabhän­ gige Tschechoslowakei zu schlucken. * * * "AMERIKA DIENST 24. Juli 1957 Vertrag Ergebnis

17. Dezember 1925 - Die UJSSR 20.März 1945 - Die UdSSR kündigt zeichnet einen Nichtangriffs- diesen Pakt, beginn4 einen Feld­ und Neutralitätspakt mit der zug, um sich die Kontro.le über Türkei. die Dardanellen zu sichern.

* * *

31. August i926 - Die Sowjet­ 14. Juni 1946 - Die UdSSR zwingt union schließt Nichtangriffspakt Afghanistan zur Abtretung des mit Afghanistan. Randgebiets von Kuschka.

* * *

28. September 1926 - Die Sowjet­ 15. Juni 1940 - Sowjetische Trup­ union schließt Nichtangriffspakt pen marschieren in Litauen ein. mit Litauen, der später bis zum 3. August 1940 - L.-.tauen wird Jahr 1945 verlängert wird. von der UdSSR annektiert.

* * *

27. September 1928 - Die Die Sowjetunion verletzt diese Sow*etunion schließt sich dem Verpflichtung mit der Invasion Ke logg-Briand-Pakt über Ver­ in Polen, Litauen, Lettland, werfung des Krieges an. Estl nd und Rumänien im Jahre 1939/40.

* * *

21. Januar 1932 - Die UdSSR stimmt 30. November 1939 - Sowjetische Nichtangriffspakt mit Finnland zu. Truppen marschieren in Finnland ein.

* * *

5. Februar 1952 - Die Sowjet­ 16. Juni 1940 - Sowjettruppen mar­ union unterzeichnet Nichtan­ schieren in Lettland ein. griffspakt mit Lettland. 5. August 1940 - Lettland wird zwangsweise der UdSSR einverleibt.

* * *

4. Mai 1932 - Die Sowjet­ 16. Juni 1940 - Sowjetische Trup­ union und Estland verpflich­ pen marschieren in Estland ein ten sich gegenseitig zum Nicht­ und besetzen das Land. angriff. 6. August 194O - Estland von der UdSSR annektiert.

* * * - 3 - AMERIKA DIENST" 24. Juli 1957

Vertrag Ergebnis 25. Juli 1952 - Die Sowjet­ 17. September 1939 - Sowjet­ union unterzeichnet Nicht­ truppen marschieren in Polen angriffspakt mit Polen. ein. 5. Mai 1934 - Der Pakt wird 29. September 1939 - Die um 10 Jahre verlängert. UdSSR unterzeichnet Abkom­ men mit Nazi-Deutschland über die Teilung Polens.

* * *

9. Juni 1934 - Die UdSSR aner­ 27. Juni 1940 - Sowjetische kennt Rumänien und garantiert Armee marschiert in Besaara- seine Souveränität. bien und der nördlichen Bu­ kowina ein. Innerhalb von vier Tagen sind diese Ge­ biete vollständig besetzt. 2. April 1944 - Sowjetische Truppen marschieren in Ru­ mänien ein, das Land wird soäter zu einem sowjeti­ schen Satelliten.

* * *

15. September 1934 - Die 23. August 1939 - Die UdSSR UdSSR tritt dem Völkerbund schließt Vertrag mit Nazi- bei und verpflichtet sich Deutschland, eine "gemein­ damit zur "Wahrung der Ge­ same Verschwörung" mit dem rechtigkeit und zu äußerstem Ziel, Polen, Estland, Lett­ Respekt gegenüber sämtlichen land, Litauen, Finnland und vertraglichen Verpflichtungen Rumänien ihre nationale in den Beziehungen der im Völ­ Unabhängigkeit zu nehmen und kerbund zusammengeschlossenen die Unverletzbark-it die­ Nationen untereinander." ser Gebiete aufzuheben.

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21. August 1957 - Die Sowjet­ 2. Oktober 1949 - Die UdSSR union unterzeichnet Nichtan­ bricht nach Anerkennung des griffspakt mit der Republik kommunistischen Regimes in China. China, dem sie zur Macht verholfen hat, die Bezie­ hungen zur Republik China ab.

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- 4 - "AMERIKA DIENST' 24. Juli 1957

Vertrag Ergebnis

30c Juli 1941 - Die UdSSR 25. April 1943 - Die UdSSR schließt mit der polnischen bricht Beziehungen zur polni­ Exilregierung ein Abkommen, schen Exilregierung ab, da in dem sich beide zu gegen­ diese eine Untersuchung des seitigem Beistand und zur Falles Katyn durch das Rote Zusammenarbeit verpflichten» Kreuz gefordert hat»

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24o September 1941 - die Sowjet­ Im Gegensatz zu die sen Ver­ union verpflichtet sich zur Ein­ pflichtungen steht die Beset­ haltung der Atlantic Charta, der- zung und Beherrschung Rumäniens, zufolge die Unterzeichner-Länder Estlands, Lettlands, Litauens, keine territoriale Vergrößerung der Tschechoslowakei, Tanna ihres Gebiets anstreben, keinerlei Tuvas, Afghanischer Gebiets­ territoriale Veränderungen wünschen, teile, Ostdeutschlands, Alba­ die nicht den frei zum Ausdruck ge­ niens, Sui-gariens, Polens, brachten Wünschen der betreffenden Nordkoreas, der Mongolei, Völker entsprechen und das Recht Chinas, Manschukuos, Tibets und aller Völker respektieren, sich ihre Nordvietnams durch die UdSSR. Regierungsform selbst zu wählen»

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29.Januar 1942 - Die UdSSR unter­ Bei Ende des zweiten Welt­ zeichnet mit dem Iran und Groß­ krieges weigerte sich die britannien einen Bündnispakt, dem­ Sowjetunion, ihre Truppen zufolge iranisches Gebiet nur bis zur aus dem Iran zurückzuzie­ Beendigung der militärischen Opera­ hen» tionen gegen Deutschland beiden Mächten zur Verfügung steht0

4» bis 11 . Februar 1945- Auf der Diese Abmachung wurde durch Konferenz von Jalta stimmt die die Politik der UdSSR gegen­ UdSSR verschiedenen nach dem über Bulgarien, Rumänien, Kriege zu ergreifenden Maßnahmen Polen, Ostdeutschland und an­ zu - einschließlich einer Resolu­ deren Ländern verletzt, die tion, derzufolge die befreiten nach dem Kriege in die Rolle Völker Europas die Möglichkeit von Satelliten der Sowjet­ haben sollten, ihre wirtschaft­ union gezwungen wurden» lichen Probleme auf demokratischem Wege zu lösen»

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Vertrag Ergebnis

11. Februar 1945 - Auf der 5. Januar 1947 - Die Sowjet­ Konferenz von Jalta stimmt die union lehnt die Beteiligung UdSSR der Erklärung zu, daß die an einem Treffen mit Groß­ provisorische Regierung Polens britannien und den Vereinig­ "zur Abhaltung freier und unbe­ ten Staaten ab, auf dem die hinderter Wahlen verpflichtet Erfüllung der Abmachung von sein soll, die sobald wie mög- 1945 über die Durchführung lich auf der Grundlage des freier Wahlen in Polen ge­ allgemeinen Wahlrechts und währleistet werden soll. der geheimen Abstimmung durch­ zuführen sind".

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11. April 1945 - Die UdSSR unter­ 29. September 1949 - Die zeichnet einen Freundschaftsver­ Sowjetunion kündigt diesen trag mit Jugoslawien über gegen­ Vertrag. seitigen Beistand und Zusammen­ arbeit auf die Dauer von 20 Jah­ ren .

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17. Juli bis 2. August 1945 - Noch immer ist Ostdeutsch­ Auf der Potsdamer Konferenz land ein unter eiserner stimmt die UdSSR dem Grundsatz Kontrolle stehender Sowjet­ zu, daß das deutsche Volk im satellit. Die Bewohner der Gesamtgebiet Deutschlands Zone kennen keine freien einheitlich zu behandeln ist. Wahlen, sie sind von der Bevölkerung Westdeutsch­ lands abgeschlossen, und Opfer der gleichen Regle­ mentierung, Polizeiherr­ schaft und wirtschaftlichen Beschränkungen, wie sie allen Völkern der Satelli­ tenstaaten auferlegt sind.

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Vertrag Ergebnis

14« August 1945 - Die Sowjet­ 14» Februar 1950 - Diese union schließt einen Vertrag Verpflichtungen wurden ge­ mit der Republik China, der brochen, als die UdSSR mit unter anderem folgende Verpflich­ dem kommunistischen Regime tungen vorsieht: "Jede der ver­ in China, dem sie zur Macht tragschließenden Parteien ver­ verholfen hatte, ein neues pflichtet sich, keinerlei Bünd­ Abkommen schloß. Die Sowjets nis einzugehen und an keiner nahmen sich nicht einmal Koalition teilzunehmen, die sich die Mühe, den Wortlaut des gegen die andere Vertragspartei Vertrags zu ändern. In dem richtet ... Der Vertrag tritt neuen Vertrag heißt es sofort in Kraft ... und soll ebenfalls: "Beide Vertrags­ für die Dauer von 30 Jahren in parteien verpflichten sich, Kraft bleiben". kein Bündnis gegen die an­ dere Vertagspartei einzu­ gehen und sich an keiner Koalition, Maßnahme oder Handlung zu beteiligen, die gegen die andere Ver­ tragspartei gerichtet ist ... Der vorliegende Vertrag wird auf die Dauer von 30 Jahren gelten"*

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10. März 1947 - Der Rat der 3. August 1955 - Das Sowjet­ Außenminister beschließt auf regime liefert dem west­ der Moskauer Konferenz, daß deutschen Roten Kreuz Un­ alle deutschen Kriegsgefange­ terlagen über Gesundheit nen bis zum 31. Dezember 1948 und Aufenthaltsort von in die Heimat entlassen werden nur 20 der annähernd sollen. 14 000 Deutschen, die wie bekannt noch in der UdSSR zurückgehalten werden.

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27. Juli 1953 - Waffenstillstand 11 . Juli 1955 - Das UN- zwischen dem UN-Oberkommando und Oberkommando stellt eine den gegnerischen kommunistischen lange Liste der Verlet­ Kräften China und Nordkorea, die zungen des Waffenstill­ von der UdSSR unterstützt werden. standsabkommens durch die Das Waffenstillstandsabkommen kommunistischen Vertrags­ verpflichtet die Unterzeichner­ partner auf. staaten "zur Beendigung der Ein­ 6. Mai 1957 - In einer wei­ schleusung militärischer Nachschub­ teren Aufzählung offiziel­ einheiten nach Korea." ler Klagen, beschuldigt das UN-Oberkommando die Kommunisten, innerhalb eines Zeitraums von knapp vier Monaten sechs Mal Truppen * * * in die entmilitarisierte Zone von Korea entsandt - 7 - zu haben. "AMERIKA DIENST" 24. Juli 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundf nk und '"'ern.ehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen un Z itschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden

PRIVATE UND STAATLICHE AUFFORSTUNG ERRLICLTE 1956 REKORDHÖHE Jungforsten als Bestandteil des Eisenhowerscheh Bodenbank-Programms der US-Landwirtschaft

( 85 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die Aufforstung hat in den Vereinigten Staa­ ten im vergangenen Jahre eine außergewöhnliche Intensivierung erfahren. Anlaß dazu sind die s Län-iig steigende Nachfrage nach Nutzholz und Zel­ lulose, die gute Gewinne ver1. pricht, und auch die im Rahmen der soge­ nannten "Bodenbankprogramms" für die Farmer besonders günstige Konjunk­ tur. Die "Bodenbank-Programme" wuden 1956 von Präsident Eisenhower proklamiert, um der Überproduktion gewisser landwirtschaftlicher Er­ zeugnisse , die weder auf dem inländische-, noch auf dem Exportmarkt unterzubringen war, sinnvoll entgegenzuwirken. Dar'ber hinaus dient die Anpflanzung von Jungwäldern auf brach­ liegen- em Ackerland einerseits der Erhaltung, oft sogar Verbesserung der Bedenfruchtbarkeit, und sie dient zum anderen der für ein Land mit wachsender Bevölk rung und einer ebensolchen Industrie und Agrar- wirtsch- ft beson ers wichtigen systematischen Wasserkonservierung. Die Neuanpflanzung von Jungwald erreichte 1956 mit 370 474 Hek­ tar - trotzdem Jungbäume nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stan­ den - eine Rekorhöhe; sie überstieg die des Jahres 1955 um 41 684 Hektar. Gleichzeitig haben praktisch alle 48 US-Staaten ihre staatlichen Baumschulen vergrößert, und sie haben privaten Baumschulenbetrieben bei der Durchführung entsprechender Projekte unterstützt. Diese Be­ mühungen werden sich bereits in diesem Jahre mit einer Bepflan'ung von weiteren 400 000 Hektar Land vollauf bezahlt machen.

Die

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Die amerikanische Bundesregierung selbst bepflanzte im vergange­ nen Jahre 33 850 Hektar Land mit Jungbäumen, und sie gewährte Farmern bei der Anüe gung und Haltung von 940 Hektar Windbarrieren weitgehende Unterstützung. Dies allein bedeutet gegenüber 1955 eine Zunahme um sieben Prozent. Die Einzelstaaten und andere nichtbundesstaatliche Behörden leg­ ten über 25 000 Hektar Jungforsten an, 4400 Hektar mehr als 1955« Pri­ vate Landeigentümer bepflanzten 300 841 Hektar und 10 233 Hektar Ero­ sionsschutzgürtel. Sie liegen damit weit an der Spitze des gesamten Anbauprogramms. Vierundachtzig Prozent der Neuanpflanzungen wurden auf privatem Boden, der früher andere Agrarernten trug, vorgenommen. Georgia, das sich seines Mangels an Holz für die Papierverarbeitung und anders- Holz­ produkte lange bewußt war, war 1956 mit 47 710 Hektar neuem Jungbaum­ bestand führend. Es folgen die Staaten Mississippi mit 33 122 Hektar und Florida mit 31 505 Hektar. Industrieverbände zeichnen für 41 Prozent der privaten Jungbaum­ anlagen. Sie bepflanzten 1956 nahezu 104 000 Hektar Land, fast 18 000 Hektar mehr als im Vorjahre. Auch hierin stand Georgia an erster Stelle Florida an zweiter, Louisiana an dritter, voran also erneut der Süd­ osten Amerikas. Die Industrieverbände, die im Südosten Amerikas so rührig tätig waren, würden auch in anderen Staaten der USA größere Neuanpflanzungen vorgenommen haben, wenn ihnen Setzlinge in ausreichendem Maße zur Ver­ fügung gestanden hätten. Dabei muß bemerkt werden, daß die Forstindu­ strien im letzten Jahrzehnt ihre eigenen Baumschulenbetriebe zahlen- und umfangmäßig Jahr um Jahr vergrößert haben. Ganz besondere Bedeutung im Jungforstenprogramm kommt, wie die Forstfachleute immer wieder erwähnen, der Anlage von Windbarrieren zu. Von allen Staaten und Territorien der USA haben nur Süd-Dakota und das Commonwealth von Puerto Rico diesem Ruf voll Rechnung getragen. Die rechtzeitige Errichtung von Erosionsschutzgürteln hätte in vielen Landstrecken,vor allem aber in den ausgesprochenen Lürregebieten im Mittel- und Südwesten, die weder über ausreichend Wasser noch über

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über großen. Baumbestand verfügen, manchen Schaden mit verhindern helfen können. Es fehlen Jungbäume für 1,2 Mio Hektar dringend benötigter Windbarrieren, die, wie man hofft, die inzwischen vergrößerten und neu angelegten Baumschulenbetriebe noch in diesem Jahre werden liefern können. Die staatlichen und privaten Baumschulenbetriebe erzeugten im letzten Jahre 885 9&8 000 Jungbäume, 144 Mio mehr als 1955« Einzel­ staatliche Baumschulen deckten mit fast 581 Mio pflanzfähigen Setz­ lingen den Hauptanteil der Produktion. Die zwölf Baumschulen des US-« Landwirtschaftsdienstes und die eine der Tennessee-Tal-Verwaltung sind mit 141 Mio Stück an der Produktion beteiligt. Zehn Staaten lieferten zusammen 72 Prozent der Jungbäume für das Aufforstungsprogramm; der Staat Georgia mit 112 Mio Bäumen war auch hierbei wieder führend. Die Produktion der einzelstaatlichen Baumschulen wurde voll und ganz von der privaten Farmwirtschaft aufgebraucht. Die Baumschulen der privaten Forstindustrien brauchten ihre Erzeugung vor allem für die Aufforstung ihres eigenen Bodenbesitzes, obgleich sie im Rahmen verschiedener auf kooperativer Basis durchgeführter Anbauprogramme auch interessierten privaten Grundeigentümern ihre Unterstützung ge­ währten. Dann gibt es noch kooperativ betriebene Baumschulen, die in Bodenkonservierungsgebieten überall in den USA verstreut liegen, und die in ihren besonderen Distrikten Pflanzungen hauptsächlich nach boden­ konservierenden Gesichtspunkten vornehmen. Wie Regierungs- und private Forstfachleute bestätigen, denen ja die Durchführung des Aufforstungsprogrammes besonders am Herzen liegt, wird das Interesse für das "Bodenbank-Programm" wegen seiner großen Bedeutung für die Boden- und Wasserkonservierung und der nach wie vor anhaltend starken Nachfrage nach Nutzholz in kommenden Jahren eher noch größer sein als im Vorjahr. Die Rekordhöhe von 1956 wird weiterhin gehalten werden, vor allem dann, wenn die Baumschulenbetriebe den an sie gestellten Anforderungen hinsichtlich der Jungbaumbelieferung voll werden genügen können.

ACHTUNG!

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ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Private und staatliche Aufforstung erreichte im Jahre 1956 in den USA Rekordhöhe, Im Rahmen des Eisenhowerschen Boden­ bank-Programms und wegen der günstigen Anbau- und Absatzver­ hältnisse interessieren sich immer mehr Farmer für diesen Zweig der Landwirtschaft. Wenn die Zeit gekommen ist, wird dieses einst andere Ernten tragende Ackerland seinem Besitzer bei sorgfältiger Bewirtschaftung einen ganz erheblichen Ge­ winn einbringen.

2) Eine neue Kiefernschonung wird in nicht allzu ferner Zeit einen guten Nutzholzertrag abwerfen. Sachverständige Forst­ pflege des Jungbaumbestandes ist natürlich Voraussetzung.

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FORSCHUNG WISSENSCHAFT TECHNIK Neues Schilddrüsenhormon gegen Stoffwechsel- und Wachstumsstörungen

(AD) — Nach einer Mitteilung des "Journal of The American Medical As ociation", der Zeitschrift des amerikanischen Ärzteverbandes, hat sich bei umfassenden Versuchen mit dem kürzlich entdeckten Schilddrüsenhormon Natriumliothyronin gezeigt, daß dieses wirksamer als die anderen Schild- drüseniormone ist, und daß der Körper rascher darauf anspricht. Mit dem Hormon wurden Versuche zur Behandlung von Schilddrüsen- und Stoffwechselunterfunktion gemacht. Die letztgenannte Anomalität, die ver­ mutlich auf eine ungenügende Nutzung der in der Schilddrüse gebildeten Wirkstoffe durch die Körperzellen zurückzuführen ist, macht sich bei Kindern in Wachstumsstörungen bemerkbar. Bei den 100 über einen Zeitraum von drei Monaten mit Natriumliothy- ronin behandelten Kindern blieben die unangenehmen Nebenwirkungen, die durch Gaben anderer Schilddrüsenwirkstoffe verursacht werden, völlig aus, und das neue Hormon sprach auch bei Erkrankungen an, bei denen an­ dere Präparate nur bis zu einem gewissen Grade wirksam sind. Fast alle Kinder ließen nach Ablauf der drei Monate eine auffallende Veränderung im günstigen Sinne in bezug auf ihr ganzes Verhalten, Kreislauf und Appetit erkennen. Gieichzeitig trat in dieser Zeit bei manchen Kin .ern ein mehr als doppelt so starkes Knochenwachstum als bei gesunden Kindern der gleichen Altersgruppe auf.

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VOLKSMUSIK BEIM SOMMERLICHEN MUSIC FESTIVAL IN USA Interessante Darbietungen in Glenville und Bethlehem

Von Norman Smith ( 100 Zeilen) NEW YORK - (AD) - In den Vereinigten Staaten ist der Sommer die Zeit der Musikfeste. Es gibt deren eine stattliche Reihe, darunter solch bedeutende Veranstaltungen wie die Berkshire-Konzerte im Staate Massachusetts, als deren Träger die Bostoner Symphoniker im Vorder­ grund stehen, das Empire State Festival in Ellenville im Staate New York mit dem Symphonieorchester der Air Force sowie, neben anderen Mitwirkenden, der Tanztruppe von Jose Lim6n, ferner das alljährliche Jazz Festival in Newport auf Rhode Island, dem in diesem Jahre das Orchester Louis Armstrongs sowie Eartha Kitt und deren Tänzerinnen das Gepräge geben; und darüber hinaus noch viele andere, die zu zahl­ reich sind, um alle hier aufgezählt zu werden. Aber diese Zeit der "Festivals" schließt auch eine Unmenge kleiner Veranstaltungen ein, die sich meist auf eine Dauer von nur wenigen Ta­ gen beschränken; auch von ihnen wartet ein Teil auf ihren Programmen mit Künstlernamen auf, die im ganzen Lande einen guten Klang haben, während andere allerdings sich solche Attraktion versagen müssen. Häufig sind diese Feste der Pflege der Volksmusik gewidmet oder auch der kulturellen Überlieferung eines bestimmten Gebietes oder einer be­ sonderen Volksgruppe. Eines der interessantesten Festivals dieser Ast findet in Glen­ ville im Staate Westvirginia statt und bringt "Mountain Music" (Ge- birgsmusik), worunter die Volksmusik der Bergbewohner der Alleghenies zu verstehen ist. Zum großen Teil hat diese Musik, ebenso wie die Ge- birgsbevölkerung selbst, ihren Ursprung vor Hunderten von Jahren in England, Schottland und Irland gehabt. Doch heute natürlich, nach zwei­ hundertjährigem Verwachsensein mit Westvirginie und den benachbarten Berggebieten, sind sowohl die Musik als auch die Bevölkerung hier in

- 12 - "AMERIKA DIENST" 24» Juli 1957 in diesem Landstrich durchaus bodenständig. Wie sich denken läßt, gibt es bei dem Glenville Festival keine Berufsmusiker im eigentlichen Sinne - das heißt, falls man nicht die Geigenspieler, die Melodien und Instrumente erklin­ gen lassen, die alle beide ihnen schon von ihren Vätern und Groß­ vätern überliefert worden sind, als Berufsmusiker betrachtet. Im vergangenen Jahre spielte ein Geiger namens French Carpenter ein Stück mit dem Titel "Camp Chase", das sein Großvater für einen Geigenspieler-Wettstreit während des Bürgerkrieges komponiert hatte. Und eine seltsame und altertümliche Geigenspieltechnik wurde von Andrew Burnside und Gilbert Massey demonstriert, wobei beide auf einem und demselben Instrument spielten. Während Burnside mit dem Geigenbogen eine Melodie herunterstrich, schlug Massey mit zwei Stöcken auf die Saiten und brachte so eine merkwürdige Art von Begleitung zustande. Viele der Sänger in Glenville sind alte Leute, die in ihrem Gedächtnis noch treulich Lieder und Gesänge bewahren, die niemals niedergeschrieben worden sind. Patrick Gainer, der Leiter des Festi­ val, ist bestrebt, dies so rasch wie möglich nachzuholen, denn sein Arbeitsprogramm, das darauf abzielt, das Volkstumserbe dieses Ge­ bietes der Nachwelt zu erhalten, legt besonderen Wert auf die Auf­ zeichnung dieser Musik. Unermüdlich durchstreift er das gesamte dor­ tige Bergland, im Jahr meist einige 15 000 Kilometer zurücklegend, um alte Lieder und Gesänge aufzuspüren und sie mit Hilfe seines Ton­ bandgerätes festzuhalten. Außer diesen Liedern nimmt er auch die Stimmen der Bergbewohner auf, wie sie Volkssagen und -geschienten erzählen sowie anderes überliefertes Volksgut, wie Rätsel und Reim­ sprüche, die das Wetter für den nächsten Tag voraussagen. Möglicher­ weise wird das gesamte auf diese Weise aufgezeichnete Material in ge­ druckter Form veröffentlicht werden. Nicht weit von Glenville, im Nachbarstaate Pennsylvania, fand vor kurzem ein völlig andersartiges Festival in der Stadt Bethlehem statt: das althergebrachte Musikfest der Mährischen Brüder in Amerika. Mitglieder der Kirche der Mährischen Brüder, die im 18.Jahrhundert nach den Vereinigten Staaten auswanderten, hatten in die neue Heimat eine stark entwickelte Liebe zur Musik mitgebracht, die im Ritual ihrer

- 13 - "AMERIKA DIENST" 24» Juli 1957 ihrer Kirche auch wirklich eine wichtige Rolle spielt. Schon zu einem so frühen Zeitpunkt wie dem Jahr 1745 gingen aus dem Kreise der Mährischen Brüder in Bethlehem Kantaten und andere Stücke geist­ licher Musik hervor; und in Winston-Salem im Staate Nord-Karolina, das damals das zweite wichtige Zentrum der Kirche der Mährischen Brüder in Amerika war und es noch heute ist, waren weitere Kirchen­ musikkomponisten ebenso eifrig am Werke. Die Absicht, diese alten, längst außer Gebrauch gekommenen Kom­ positionen wieder zum Leben zu erwecken, war es, die zu der Abhaltung des Festival, das zum ersten Mal im Jahre 1950 stattfand, Veranlassung gegeben hat. Und es ist in nicht geringem Maße den in seinem Rahmen veranstalteten festlichen Konzerten sowie den Bemühungen ihres Leiters Thor Johnson zu danken, daß die musikalischen Schätze, die in den Archiven der Mährischen Brüder schlummerten, allmählich wieder allge­ meiner bekannt werden. Johnson, der gleichzeitig der Dirigent des Symphonieorchesters von Cincinnati ist, wartete in diesem Jahre auch mit einem neuen Werke auf. Es war der "Gesang der Märtyrer" des in Philadelphia geborenen Komponisten Vittorio Giannini, der auch Bevollmächtigter für die dies­ jährige 500-Jahrfeier der Kirche der Mährischen Brüder ist, die im Jahre 1457 ihre Gründung erlebte. Die Komposition erwies sich als ein eindrucksvolles Werk, das der Würde des Anlasses, des halbtausendjähri­ gen Bestehens dieser religiösen Richtung, entsprach, und es brachte das Festival zu einem wirklich festlichen Abschluß. Das aus alter Zeit stammende Musikfest der Mährischen Brüder, die Darbietungen der "Musik aus den Bergen" in Glenville sowie die Unzahl weiterer "kleiner" sommerlicher Festveranstaltungen dieser Art sind jeweils, ihrem individuellen Charakter entsprechend, in ihrem Umfang beschränkt - das liegt in ihrem Wesen begründet. Aber da sie sich auf die Wiedergabe von Musik spezialisieren, die nur selten, wenn überhaupt, im Rahmen der regulären Konzertsaison zur Darbietung gelangt, so ist der kulturelle Beitrag, den sie leisten, von ungleich größerer Bedeutung, als ihr äußerer Umfang vermuten lassen möchte.

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i BERICH T I GÜNG

In der Ausgabe AMERIKA DIENST, ALLGEMEINES Nr. x/29 vom 24. Juli 1957» Seite 4» muß es oben links heißen:

25. Juli 1932 anstelle von 25. Juli 1952 und unten links 21. August 1937 anstelle von 21. August 1957

Wir bitten um Berichtigung.

Redaktion AMERIKA DIENST * Bad Godesberg, Postfach 300 "AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957

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DER STAND DER VIRUSFORSCHUNG IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Von Leonard Engel

(200 Zeilen)

Nachstehenden Artikel entnehmen wir dem "New York Times Magazine". Bei Nachdruck ist Quellenangabe unbedingt erforderlich.

Kür lieh fieberte der sechsjährige Sohn meines Nachbarn, hatte entzündete Augen und klagte über Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen. Vor zwe Jahren noch würde der Arzt "Grippe" festgestellt haben, heute sagt er, "Pharyngoconjunctivalfieber, verursacht durch ein Adenovirus". Die Möglichkeit einer derartig genauen Diagnose dürfte wohl zu den be eutendsten Erfolgen der medizinischen Forschung seit der Ent­ wicklung der Sulfonamide und des Penicillins zu rechnen sein. So wert­ voll die bakteriostatisch wirkenden Arzneimittel sich auch erwiesen haben, so versagten sie doch bei der Bekämpfung infektiöser Virus­ krankheiten praktisch vollkommen. Inzwischen hat die Virusforschung große Fortschritte gemacht. Man weiß heute, welche Virusarten eine bestimmte Reihe von Erkrankungen verursachen. Die Forschung arbeitet intensiv an der Entwicklung von Sc. utzvakzinen gegen "Grippe"-Erkrankungen, wie Pharyngoconjunctival­ fieber, gegen Masern und die infektiöse Hepatitis, und man weiß von zahlreichen Laboratoriumsversuchen, die die Aufdeckung der Beziehungen zwischen Viren und Krebserkrankungen zum Ziele haben. Was ist ein Virus? Die Bezeichnung "Virus" ist schwer definierbar. V r zwanzig Jahren noch hielt man die Viren allgemein für überaus kleine Infektionskeime, auf der verschwimmenden Grenze zwischen Belebtem und Unbelebtem stehend. Dieselbe Vorstellung haben die meisten Leute au.ch heute noch. Tatsäch­ lich zählen zu den Viren eine Vielfalt verschiedener Arten von winzig-

- 1 - "AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957 winzigkleinen Keimen mit ganz spezifischen Eigenschaften - in ihrer Mannigfaltigkeit etwa mit dem Formenreichtum der Klasse der Fische zu vergleichen. Alle Viren aber weisen bestimmte gemeinsame Merkmale auf. Sie können nur in der lebenden Zelle des tierischen oder pflanzlic en Organismus wachsen und sich vermehren. Sie variieren sehr stark in der Größe. Manches Virus ist so klein, daß es erst unter dem Elektronen­ mikroskop (Vergrößerungen 1 : 100 000, 100 mal größer als im Licht­ mikroskop) sichtbar wird und nur in Spezialfiltern zurückgehalten werden kann. Man schloß auf ihr Vorhandensein an Hand der zahlreichen eindeutig durch Ansteckung verursachten Erkrankungen, für die man kei­ nen Erreger finden konnte. Die bekannten Viruserkrankungen machen heute bereits eine ganz stattliche Liste aus. An erster Stelle stehen die Erkältungskrankheiten, "Grippe" und Influenza. Die Kinderkrankheiten, Masern, Röteln, Wind­ pocken, Mumps sind ebenso Viruserkrankungen wie die gefährliche Polio­ myelitis (Kinderlähmung), Encephalitis (eine Hirnentzündung), die infek­ tiöse Hepatitis(eine Erkrankung der Leber)»Pocken, Gelbfieber, Tollwut und die Papageienkrankheit.

Die Bedeutung der Vakzine Bekämpft werden alle diese Krankheiten hauptsächlich mit vorbeu­ genden immunisierenden Impfstoffen, die aus abgetöteten oder abge­ schwächten Krankheitserregern hergestellt wercen. Sie haben sich als äußerst wirksam erwiesen. So konnte durch die Pocken-Schutzimpfung die einst so gefürchtete Krankheit fast völlig zum Verschwinden ge­ bracht werden. Die im letzten Weltkrieg gegen Gelbfieber vorgenommene Impfung der Truppen hat es ermöglicht, daß Millionen alliierter Solda­ ten durch verseuchte Gebiete transportiert werden konnten, ohne daß sich auch nur ein Krankheitsfall ereignet hätte. Gäbe es genug Vakzine, wäre der Kampf um die Volksgesundheit wahr­ scheinlich leichter zu führen. Die größte Schwierigkeit für den Forscher ist, daß Viren in ihrer Lebenstätigkeit und ihrem Wachstum an die lebende Wirtszelle gebunden sind und daher nicht - wie Bakterien - im Reagensglas gezüchtet werden können. Das machte die für die Vakzinentwicklung notwendige Isolierung eines bestimmten Virus besonders schwierig. T , ° Lebende "AMERIKA DIENST 31 . Juli 1957

Lebende Tiere (wie Affen im Falle der Entwicklung des Poliovakzins) sind für die Laborarbeit hinderlich und beschwerlich und oftmals auch unbrauchbar als Virenlieferant für die Vakzinbereitung. Einige Virus­ arten (leider nicht die Erreger von Polio und infektiöser Hepatitis) lassen sich im Hühnerembryo züchten. Die erste wirkliche Bresche in dieses schier undurchdringliche Dickicht wurde geschlagen, als es gelang, lebende Tierzellen im Reagenzglas zu züchten und diese sogenannten Gewebskulturen als Nährboden für Virusstämme zu benutzen. Durch die Polio-Virus-Forschung wurde die Entwicklung von Gewebs­ kulturen zu einem wissenschaftlichen Handwerkszeug eines jeden modern eingerichteten medizinischen Labors. Eine ganze Reihe von amerikanischen Virusforschern, unterstützt von der Amerikanischen Stiftung zur Be­ kämpfung der Kinderlähmung (National Foundation for Infantile Paralysis) haben sich dabei Verdienste erworben. Einer von ihnen war Dr. Raymond B. Parker von den Connaught-Laboratorien an der Universität Toronto, der "Parker 199" entwickelt hat, eine Lösung, die 60 verschiedene In­ gredienzen enthält und die die Eigenschaft hat, Zellen lebendig zu erhalten. Einem zweiten, Dr. John F. Enders von der Harvard-Universität, ist es zusammen mit seinen Mitarbeitern im Jahre 1949 gelungen, in "Parker 199" kultivierten Affenzellen den Erreger der Kinder­ lähmung zu züchten; eine Tat, für die sie den Nobelpreis erhielten. Ähnliche Methoden zur Züchtung von Gewebskulturen mit anderen menschlichen und tierischen Zellarten öffneten der Virusforschung neue Gebiete. Sie führten zu wesentlichen Entdeckungen auf verschiedenen Gebieten der Virenforschung, noch ehe das Salkvakzin das Laborstadium überwunden hatte. Die Adenoviren Vor etwa fünf Jahren begann, beispielsweise, Dr. Robert J. Hueb- ner von den National Institutes of Health seine Versuche, um mit Hilfe von Gewebskulturen das Virus, das man für den Erreger der Erkältungs­ krankheiten hielt, zu isolieren. Aus den Gewebskulturen, die von Wuche­ rungen im Nasenraum von in.Washington operierten Kindern stammten, isolierte er vier verschiedene, bisher unbekannte Virusstämme. Von diesen Viren kennt man heute 14 Stämme, die unter dem Sammelbegriff "Adenoviren" bekannt sind. Sie sind, laut Dr. Huebner, Erreger von wenigstens der

- 3 - "AMERIKA DIENST" 31 • Juli 1957 der Hälfte der Erkrankungen, die bisher als "Erkältung" diagnostiziert wurden. Nicht lange nach der Entdeckung der Adenovirengruppe konnte man feststellen, daß eine einzige Adenovirus-Erkrankung gegen weitere Attacken des gleichen Virus immun machte. Diese Tatsache war günstig für die Vakzinbehandlung. So haben sich denn auch zwei Sera besonders wirksam gegen zwei Virusinfektionen erwiesen, von denen - aus unbekannten Gründen - die Soldaten der US-Armee und der Seestreitkr"fte befallen werden. Verschiedene amerikanische Laboratorien sind mit der Entwick­ lung von vorbeugenden Impfstoffen gegen andere Adenoviruserkrankungen beschäftigt, für die vor allem Kinder anfällig sind. Sie sollen dem­ nächst getestet werden. Die Entdeckung des Coxsackie-Virus Kurz nach dem zweiten Weltkrieg entdeckte Dr. Gilbert Dalldorf vom New York State Health Department ein neues Virus bei der Behandlung von zwei Schuljungen, die offenbar an einer akuten Polioerkrankung litten, aber keine Lähmungserscheinungen zeigten. Dr. Dalldorf nannte den Erreger Coxsackie-Virus (nach dem Heimatort der beiden Kinder). Es war der Vorläufer einer sehr großen Gruppe sogenannter enteriti- scher Viren, die fast alle mit Hilfe von Gewebskulturen entdeckt werden konnten und Erreger einer erstaunlich langen Liste von Erkrankungen sind. Das ursprüngliche Coxsackie-Virus ist der Erreger der meisten sogenannten nichtparalytischen Polioerkrankungen. Ein weiteres enteri- tisches Virus ist Urheber von vier bis fünf Tage dauernden stechenden Schmerzen im Brustraum, eine Krankheit, die unter der Bezeichnung Bornholm-Disease oder "Teufelsgrippe" in Kalifornien grassierte. Meh­ rere Virusstämme dieser umfangreichen Gruppe sind mit infektiöser Meningitis in Zusammenhang gebracht worden. Die Entwicklung neuer Impfstoffe Zweck aller Virusforschung ist die Entwicklung immunisierender Vakzine. Zur Zeit sind es drei, an denen die Virusforscher emsig ar­ beiten; der bereits erwähnte Anti-Adenovirus-Impfstoff sowie Vakzine gegen Masern und infektiöse Hepatitis. Die "AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957

Die meisten Leute halten Masern für eine recht unbedeutende Er­ krankung. Heute sind Ärzte und Hygieniker anderer Ansicht. Sie wissen, daß Masern den Weg für andere und oft ernsthafte Erkrankungen der Lun­ gen, Ohren und der Stirnhöhle bereiten und auch eine Hirnhautentzündung zur Folge haben können. Eine ganze Reihe von Spezialisten glaubt, daß Masern die Ursache geistiger Entwicklungsstörungen und zurückbleibende Schädigungen des Nervensystems sein können. Bis vor wenigen Jahren kam man in der Masernforschung nur wenig voran. Das einzige für die Krankheit anfällige Tier, der Affe, ist für die Forschung ein schwieriges Studienobjekt; die Züchtung des Virus in Hühnerembryonen ist nicht gelungen. Erst im Jahre 1954 konnte Dr. Enders, derselbe Enders, der auch Polioviren in Gewebekulturen züchtete, den Masernerreger in Kulturen von menschlichem Gewebe isolieren. Aus verschiedenen Gründen sind in menschlichen Gewebskulturen gezüchtete Viren für die Impfstoffbereitung nicht brauchbar. Aber sie können beobachtet und experimentell im Labor verwertet werden. Dr. Enders gab seine Forschungsergebnisse im Jahre 1956 bekannt. Masern­ viren lassen sich in Affen- und Hühnerembryonen-Gewebskulturen züch­ ten -, beide für die Vakzinherstellung gut geeignete Nährböden. Ver­ suchstests mit Anti-Masernimpfstoff sind zu erwarten. Ein noch dringlicherer Fall ist die Entwicklung eines Serums ge­ gen die infektiöse Hepatitis, eine Viruserkrankung der Leber, die bei Kindern meist in leichter Form und nicht gefährlicher als eine gewöhnliche Erkältung verläuft. Erwachsene aber kann sie bis zu einem Jahr arbeitsunfähig machen und sie kann zu dauernden Leberschädigungen führen. Besonders gefährlich ist die Erkrankung für Schwangere. Die Fälle von Virushepatitis mehrten sich nach dem 2. Weltkrieg in ver­ schiedenen Ländern auffallend. In den USA werden heute jährlich 50 000 Krankheitsfälle registriert. Daß man sich der Verbreitung der Krankheit erst seit kurzer Zeit bewußt ist, liegt mit daran, daß diese erst seit kurzem zu den melde­ pflichtigen Infektionskrankheiten gehört. Zum anderen mag die große Reisetätigkeit der Amerikaner mit zu ihrer Verbreitung beitragen haben und zum dritten mag die Befürchtung der Hygieniker sich bewahr­ heiten, die behaupten, daß die modernen sanitären Einrichtungen die

- 5 - "AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957 die früher meist im Kindesalter eintretende erste und harmloser ver­ laufende Berührung mit einem Virus hinausschieben bis zu einem Alter, in dem eine Infektion ernste Formen annehmen und starke gesundheits­ schädigende Folgen haben kann. Ein Anti-Hepatitis-Serum wird dringend gebraucht. Aber die Erforschung dieses Vires scheint noch schwieriger als die der Masern- und Polio-Viren. Der Mensch ist die einzige Kreatur im animalischen Bereich, die auf den Virus anspricht, und die Forschung erlitt einen schweren Schlag, als vor wenigen Jahren zwei Personen, die sich freiwillig zu Versuchen zur Verfügung gestellt hatten, starben. Man griff zu Gewebskulturen. Im Frühjahr 1956 war es Virologen der Parke, Davis and Company-Laboratorien gelungen, Viren von an infektiöser Hepatitis leidenden Patienten in menschliche Gewebskul­ turen einzupflanzen. Die Frage ist nur, ob diese Viren auch die Erre­ ger der Krankheit sind. Man glaubt annehmen zu dürfen, daß dies der Fall ist. Bestätigt sich die Annahme, dann wird man bald mit der Ent­ wicklung eines Anti-Hepatitisvakzins rechnen dürfen, vielleicht auch damit, daß man die Viren in anderen als menschlichen Gewebskulturen zuechten kann. Zahlreiche Virusforscher sind hoffnungsvoll nicht nur in bezug auf die Entwicklung von immunisierenden, vorbeugenden Vakzinen, sondern sie glauben, daß einmal auch Drogen für die Heilung dieser Virus­ krankheit gefunden werden können. Die Gewebskulturen-Methode ist auch in diesem Falle eine große Hilfe, da sie das Testen von Heilmitteln im Reagenzglas gestattet. Viren und Krebserkrankungen Das vielleicht aufsehenerregendste Ergebnis aus der Arbeit mit Gewebskulturen ist die neuerwachte, vor zwanzig Jahren bereits ge­ hegte Hoffnung, daß man verschiedene Mikroben, darunter auch Viren, zur Zerstörung von Tumoren "Abrichten" kann. Die ersten vor 20 Jahren angestellten Versuche zeigten jedoch, daß diese Eigenschaft der Mikroorganismen für die Behandlung von krankhaften Zellwucherungen im menschlichen Gewebe nicht nutzbar gemacht werden konnte. Ihre krebszerstörende Kraft war nur gering und manche waren in sich selbst gefährliche Krankheiteträger. Auf

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Auf der Suche nach dem Antipoliovakzin aber entdeckten die Forscher, daß das Poliovirus besonders gut in Gewebskulturen, die aus einer krebs­ entarteten menschlichen Gebärmutter stammten, gedieh und gleichzeitig eine zerstörende Wirkung auf die Krebszellen ausübte. Man hat nie daran gedacht, Krebserkrankungen mit Polioviren zu behandeln. Die Beobachtung führte jedoch zu Studien über das Verhalten anderer Virusarten in Krebs­ zellenkulturen. Im Laufe des Jahres 1956 konnte Dr. Huebner, der Entdecker der Adenovirengruppe, ein erstes Ergebnis berichten. Durch ein kompliziertes Verfahren war es ihm gelungen, den verhältnismäßig harmlosen Coxsackie­ virus zu einem wirksamen "Krebszerstörer" umzuwandeln. Er transplantierte menschliches Haut- und Gebärmutterkrebsgewebe in Ratten und heilte sie mit seinen "trainierten" Viren in drei bis sechs Tagen. Das ist ein ganz kleiner Schritt vorwärts. Grund zu frohlocken, ist noch lange nicht. Die Tests am Menschen dürften allein zwei Jahre in Anspruch nehmen und manche Schwierigkeit wird dabei noch zu überwinden sein. Was geschieht zum Beispiel, wenn der Patient gegen die Viren immun ist oder wird, so daß diese den Krebs nicht zerstören können? Dennoch sind die Versuche Dr. Huebners, Viren abzurichten, eine wirkliche Errungenschaft und ein Zeichen dafür, daß der Mensch wenig­ stens dabei ist, etwas über Viren zu lernen. Der Sieg über zahlreiche Krankheiten, die durch den winzigsten Feind des Menschen hervorgerufen werden, kann nicht mehr weit sein.

(Aus "The New York Times Magazine") - Quellenangabe ist erforderlich -

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Strontium-Ausscheidung durch den menschlichen Körper

( 23 Zeilen) Unter der Leitung von Dr. Daniel Laszlo, des Chefarztes der Krebs­ abteilung am Montefiore-Hospital im New Yorker Stadtteil Bronx, hat eine Gruppe von acht amerikanischen Wissenschaftlern eingehende Unter­ suchungen über den Verbleib von Strontium-90 im menschlichen Körper vor­ genommen. Dieses in der Natur selbst nicht vorkommende radioaktive Iso­ top des Elementes Strontium, das bei Kernwaffenexplosionen entsteht, dann mit anderen radioaktiven Spaltprodukten nach und nach auf der Erd­ oberfläche niedergeschlagen wird und auch in den biologischen Kreislauf gelangt, ist infolge seiner langen Lebensdauer eines der unangenehmsten künstlichen Radioisotope in der Atmosphäre.

Einer Mitteilung der "New York Times" zufolge haben die Ärzte des Montefiore-Krankenhauses im Verlauf ihrer Studien festgestellt, daß 80 Prozent des peroral beispielsweise mit der Nahrung aufgenommenen radioaktiven Strontiums von Blut, Gewebe oder Knochen nicht absorbiert werden. Da weitere 10 Prozent nach vorübergehender Absorbierung wieder ausgeschieden werden, sind nach vier bis fünf Tagen nur noch etwa 10 Prozent der ursprünglich aufgenommenen Menge als Quelle einer Strahlen­ belastung des Körpers von innen her vorhanden.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchungen dieser Ärzte­ gruppe ist, daß die Menge des vom Körper schon nach kurzer Zeit wieder ausgeschiedenen Strontiums durch Gaben von Calciumgluconat und Ammonium­ chlorid entweder einzeln oder, was noch wirksamer ist, in Form einer Kombination dieser Verbindungen erheblich gesteigert werden kann.

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STRENGE STAATLICHE STRAHLENSCHUTZÜBERWACHUNG FÜR AMERIKANISCHE PRIVATBETRIEBE

( 27 Zeilen) (AD) - Vor einigen Wochen hat die US-Atomenergie-Kommission neun ihrer Bezirksdirektionen, deren Arbeitsbereich sich über die gesamten Vereinigten Staaten erstreckt', sogenannte Inspektionsgruppen angegliedert. Während die Kontrolle über den Arbeitsschutz in den in AEC-Lizenz betriebenen Produktions- und Verwertungsanlagen von spaltbarem Material, beispielsweise von Reaktorstationen, auch weiterhin direkt der Inspektions­ abteilung der AEC in Washington obliegt, haben die Inspektionsgruppen darüber zu wachen, daß die Lizenzträger der AEC für die Verwendung von radioaktiven Stoffen sowie alle Firmen und Personen, denen geheime Unter­ lagen der AEC zugänglich sind, die Vorschriften der Kommission und die mit der jeweiligen Genehmigung verbundenen Sonderbestimmungen einhalten. Neben den Bundesvorschriften sind jetzt für alle Inhaber von AEC- Lizenzen, die zum Besitz und zur Verwendung von radioaktiven Präparaten berechtigen, die von der AEC erlassenen "Verordnungen zum Schutze gegen Strahlung" bindend geworden. Die Überwachung der neuen Inspektionsgrup­ pen ist sehr streng. Nachdem beispielsweise anläßlich einer Routinekon­ trolle Anfang Juni in einem Stahlwerk, in dem radioaktives Iridium-192 und Kobalt-60 zur Prüf mg von Schweißnähten und Metallgußstücken verwen­ det werden, festgestellt wurde, daß vier Arbeiter im Vierteljahr Strah­ lungsmengen von knapp 5000 millirem (entspricht 5 Röntgen) erhalten ha-, ben, obgleich 3000 millirem (3 Röntgen) als höchstzulässige Dosis für einen Zeitraum von 13 Wochen festgesetzt sind, wurde dieser Verstoß ge­ gen die AEC-Bestimmungen öffentlich bekannt gemacht. Das Werk selbst wurde aufgefordert, innerhalb von 15 Tagen Stellung zu nehmen, eine Er­ klärung des Vorfalls zu geben und Mitteilung darüber zu machen, welche Maßnahmen zur künftigen Verhinderung derartiger Vorkommnisse getroffen wurden beziehungsweise getroffen werden.

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NEUER ATOMZERTRÜMMERER WANDELT ELEMENTE UM

( 16 Zeilen) BERKELEY - (AD) - Die Universität von Kalifornien hat einen spe­ ziell für sie konstruierten neuen Atomzertrürnmerer in Betrieb genommen, der sich in verschiedenen wichtigen Punkten von bisherigen Apparaten dieser Art unterscheidet'. Er trägt den Namen Hilac, eine Abkürzung des englischen Ausdrucks für "schwerer Ion-Linear-Beschleuniger". Der Apparat wird hauptsächlich für die Umwandlung von Elementen verwendet werden, insbesondere für den Versuch, neue Elemente, die schwerer sind als Mendelevium (Element 101) zu erzeugen. Ferner wird daran die wahrscheinliche Wirkung schwerer kosmischer Strahlenpartikel auf die Weltraumreisenden der Zukunft studiert werden. Wenn Weltraum­ schiffe aus der die Erde schützenden Atmosphäre heraustreten, werden ihre Passagiere diesen Strahlen ausgesetzt sein. Statt Protonen, Deuteronen und anderer leichter Atompartikel wird der Hilac als Projektile verhältnismäßig schwere Elemente wie Stick­ stoff (Atomgewicht 14) und Neon (Atomgewicht 20) verwenden, die eine andere Wirkung als die kleineren Projektile ausüben.

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TEXTILIEN AUS ZUCKERROHR

(7 Zeilen)

(AD) - Nahrung und Kunstfasern können nach einem von der Nylonge Corporation in Cleveland (Ohio) entwickelten sehr wirtschaftlichen Verfahren aus Bagasse, dem Rückstand bei der Zuckerproduktion aus Zuckerrohr, gewonnen werden. Die Bagasse wird in das Mark und die Zellulose geschieden; aus letzterer entsteht durch Sulfataufschluß eine dem Holzzellstoff ähnliche Masse, die nach den herkömmlichen Methoden gebleicht und zu Synthesefasern weiterverarbeitet werden kann.

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DOKUMENTATION DER NACHKRIEGSZEIT Die Harry-S.-Truman-Bibliothek fertiggestellt

( 60 Zeilen) INDEPENDENCE - (AD) - Im Heimatort Harry S. Trumans in Missouri ist kürzlich eine nach ihm benannte Bibliothek eingeweiht worden, in der Papiere, Dokumente und Denkschriften des früheren Präsidenten zu­ sammengetragen sind. In einer Botschaft anlässlich der Feierlichkeit bezeichnete Präsident Eisenhower die Truman-Bibliothek als eine Quelle des Wissens, die die Archive in den USA wesentlich bereichern werde. Der flache Kalksteinbau, der mitten in einem fünf Hektar großen Park im Nordwesten der Stadt, nicht weit von Trumans Haus, ein Areal von 65OO Quadratmetern einnimmt, ist mit einem Kostenaufwand von 1,75 Millionen Dollar entstanden. Die Mittel wurden durch private Spenden aufgebracht. Der Mitteltrakt der Bibliothek wird persönliche Briefe und Auf­ zeichnungen, von denen die meisten in die Zeit seiner Präsidentschaft (1945 bis 1952) fallen und die bisher in 400 Aktenschränken unterge­ bracht waren, beherbergen. Hinzu kommen Papiere aus den zehn Jahren seiner Senatorentätigkeit (1934 bis 1944) und dem Jahr, in dem er als Vizepräsident amtierte (1944)• Wie Truman es ausdrückt, repräsentieren diese Dokumente "das Ende einer Ära und den Beginn einer Ära - das Ende einer Ära großer Neuerun­ gen, die wir heute als selbstverständlich hinnehmen, und den Beginn des Atomzeitalters, das - richtig gehandhabt - das größte Zeitalter der Geschichte werden wird". Es ist ferner geplant, Mikrofilmreproduktionen und anderes Ma­ terial über die auswärtigen Beziehungen während der Amtszeit Trumans sowie Hintergrundmaterial von 1900 an zu erwerben. In einem der Flügel wird Truman ein Büro einrichten. In einem anderen Teil des Gebäudes befinden sich die Ausstellungs-

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Ausstellungsräume, in denen zahlreiche Denkschriften zur Schau stehen. Einer der Räume wird eine Nachbildung des ovalen Arbeitszimmers des Prä­ sidenten im Weißen Haus sein, wie es während Trumans Amtszeit geschaffen worden war. Die Bibliothek verfügt außerdem über ein Auditorium, in dem Dokumentarfilme gezeigt und Vorlesungen gehalten werden. Die Truman-Bibliothek entsprang einer wachsenden Besorgnis der Öffentlichkeit um das Schicksal der Präsidentialpapiere. George Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, begründete eine Tradition, als er bei Beendigung seiner Amtszeit fast alle Korres­ pondenz und Dokumente, die an ihn als Präsident gerichtet waren, mit sich nahm. Das Gefühl, daß derartiges Material das persönliche Eigentum eines Präsidenten sei, hatte eine weitgehende Zerstreuung dieser Papiere zur Folge. In den letzten Jahren ist der größte Teil der Papiere gesammelt und in der Kongreßbibliothek untergebracht worden. Einige wurden von historischen Gesellschaften und ähnlichen Institutionen sichergestellt. Die Tatsache jedoch, daß die Dokumente von sechs Präsidenten fast ganz verloren gegangen sind und die Sammlungen zweier Präsidenten durch Feuer vernichtet wurden, bewog den Kongreß im Jahre 1955» ein Gesetz zu verabschieden, das derartige Verluste in der Zukunft verhindern sollte, Diese Gesetzgebung ermächtigt das Bundesamt für Allgemeine Ver­ waltungsdienste, Land, Gebäude und Einrichtungen zu akzeptieren, die ihm mit den Dokumenten aus dem Besitz des Präsidenten zum Geschenk gemacht werden. Die Sammlungen werden dann als Teil der Nationalarchive unterhalten, verwaltet und geschützt. Diese Bibliotheken tragen, wie Edmund F. Mansure, der frühere Leiter des Amtes für Allgemeine Verwaltungsdienste, es ausdrückte, "zu einem nachhaltigen Verständnis des Lebens und der Geschichte Amerikas bei". Die Franklin-D.-Roosevelt-Bibliothek, beruhend auf einem Sondergesetz aus dem Jahre 1939» im New Yorker Hyde Park ist bereits Teil der Nationalarchive. Auch bestehen Pläne für eine Dwight- D.-Eisenhower-Bibliothek, die neben dem Eisenhower-Museum in Abilene im Staate Kansas zur Bewahrung der Papiere der gegenwärtigen Ver­ waltung errichtet werden soll. ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Modell der Harry-S.-Truman-Bibliothek in Independence im Staate Missouri, dem Heimatort des ehemaligen amerikanischen Präsidenten. ***** "AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957

GEDENKTAGE IM AUGUST 1957

1. August 1819 Herraan Melville, amerikanischer Schriftsteller, geboren

2. " 1909 Aufstellung der amerikanischen Heeres-Luft- streitkräfte

2. " 1945 Ende der Potsdamer Konferenz der Großen Drei

4. " 1735 John Peter Zenger, Zeitungsredakteur und Verleger in New York, von der Anklage der Verleumdung frei­ gesprochen (eines der wichtigsten Daten in der Ge­ schichte aer Pressefreiheit in Amerika)

5. " 1850 Fertigstellung der ers en transatlantischen Kabel­ verbindung

5. " 1925 Ratifikation in Washirgton der Neun-Mächte-Ab­ kommen über ciie Begrer.'u .g der Rüstungen

5. " 1945 Erster Atombomberabwurf (Hiroshima)

7« " 1845 Gründung der amerikanischen Flottenakademie in Annapolis

10. " 1874 Herbert Hoover, 31. Präsident der USA, geboren

12. " 1877 Thomas A. Edison gib', die Erfindung des Phono­ graphen bekannt

12. " 1898 Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Spani-.n; Hawaii wird auf eigenen Wunsch Terri orium de. Vereinigten Staaten

12. " 1948 Anerkennung der Republik Korea durch lie USA

12. " 1949 57 Staaten unterzeichnen die Konventionen des Roten Kreuzes der "Diplomatischen Konferenz in Genf" 13. "' 1818 Lucy Stone, Vorkämpferin für die Aufhebung der Sklaverei, geboren

14. " 1935 Präsident Franklin D. Roosevelt unterzeichnet das

Sozialversicherungsgasetz

14, " 1941 Verkündung der Atlantik-Charta

14. " 1945 Bedingungslose Kapitulation Japans 15. August 1914

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"AMERIKA DIENST" 31. Juli 1957

15« August 1914 Eröffnung des Panama-Kanals

17. " 1807 Erste größere Fahrt eines Dampfschiffs, der "Clermont" Robert Fultons; 32 Stunden von New York nach Albany

17» " 188? S Tiuel Goldwyn, amerikanischer Filmproduzent, geboren

20. " 1870 Bernard M. Baruch, ehemaliger Finanzberater der ameri­ kanischen Regierung, geboren

8.-20. " 1955 Genfer Atom-Konferenz

22. " 1787 Vorführung des ersten Schaufelraddampfers auf dem

Delaware durch John Fitch

24. " 1949 Der Nordatlartikpakt tritt in Kraft

25. " 1921 Die Vereinigten Staaten unterzeichnen den F. iedens-

vertrag mit Deutschland und Österreich in Berlin

26. " 1920 Di= an er'karischen Frauen erhalten das Wahlrecht

27. " 1928 Unterzeichnung des Kellogg-Paktes in Paris

28. " 1859 Die erste Ölquelle in Nordamerika erschlossen (Titusville, Pennsylvanien) * * * * *

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I "AMERIKA DIENST" 7. August 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

EIN "COLLEGE" FÜR KÖRPERBEHINDERTE Das Woodrow Wilson Rehabilitation Center in Fishersville (Virginia) Von Dr. Howard A. Rusk

C 80 Zeilen)

Nachstehenden Artikel entnehmen wir "New York Times". Der Verfasser ist eine international anerkannte Ka­ pazität auf dem Gebiete der Orthopädie und hat sich besonders um die Wiedereingliederung Körpergeschä­ digter in den normalen Lebens- und Arbeitsprozeß verdient gemacht. - Bei Nachdruck ist Quellenangabe unbedingt erforderlich •

In dem stillen und landschaftlich überaus reizvollen Shenandoahtal in Virginia liegt ein "College" für körperbehinderte Studenten. Es ist das Woodrow Wilson Rehabilitation Center in Fishersville, benannt nach dem im nahegelegenen historischen Staunton geborenen Staatsmann und ehe­ maligen Präsidenten der USA. Hier erfahren alljährlich rund 400 Menschen, daß selbst aus Leiden und Chaos neue Hoffnungen und Möglichkeiten erwach­ sen können. Das Rehabilitation Center gehört dem Staat Virginia und wird aus Mitteln der öffentlichen Hand erhalten. Es nimmt ein Drittel des im Kriege errichteten Woodrow Wilson General Hospital ein, das auf rund 70 Hektar Fläche über 52 Gebäude verfügt. Die Einrichtungen des "College" sind ausgezeichnet, ja, fast ideal. Wenn der Körperbehinderte in seiner physischen Wiederherstellung weit genug fortgeschritten ist, kann er in eine der Berufsschulen übertreten, die Ausbildungsmöglichkeiten für eine recht beachtliche Reihe von Berufen haben, wie Schneidern, Polstern, Büro- und Verwaltungsarbeit, Kosmetik, Haarpflege, Automechanik, Elektrotechnik und technisches Zeichnen. Die Kurse dauern 3 bis 12 Monate; die Gebühren sind sehr niedrig

- 1 - "AMERIKA DIENST" 7» August 1957 niedrig gehalten; sie belaufen sich für Lehr- und Lernutensilien ein­ schließlich Arbeitsbekleidung auf zwei Dollar pro Monat. Die Stellenaussichten nach abgeschlossenem Kursus sind recht gut, da die gründliche Ausbildung, die die Collegeabsolventen im Wilson Center genießen, sich in den zehn Jahren seines Bestehens bereits weit herumge­ sprochen hat. Meist sind die Wilsonleute schon vor Abschluß ihrer Prü­ fungen in festen Händen. Die "Studenten" von Fishersville leben in Studentenheimen, den so­ genannten Dormitories, zusammen. Nur die schwereren Fälle,wie Gelähmte oder mehrfach Amputierte, verbringen die ersten Wochen in der Klinik des Center, wo sich geschultes Pflegepersonal um sie kümmert. Nachdem sie gelernt haben, sich selbst zurechtzufinden, können sie ins Dormi- tory übersiedeln. Die ganze Atmosphäre gleicht der eines kleinen College mit dem Unterschied allerdings, daß sich zahlreiche Studenten in Roll­ stühlen und mit Hilfe von Stöcken und Krücken vorwärtsbewegen. Und weiter fällt auf, daß die Schüler weitaus fleißiger und intensiver bei der Sache sind als man es gewöhnlich bei Gleichaltrigen an anderen Colleges beobach­ ten kann. Da ist beispielsweise ein junges Mädchen aus den Bergen Tennessees. Es mag Anfang awan'zig sein. Ohne Arme wurde es geboren. Aber es ist großartig. Geschickt benutzt das junge Ding die Füße, die ihm Arme und Hände völlig ersetzen. Es kann sich allein anziehen, essen und wird überhaupt auf ganz bewundernswerte Weise mit dem Alltag fertig. Diese Studentin sitzt mit den anderen Studenten im großen Speisesaal, lacht und scherzt mit ihren Kommilitonen, die sie akzeptieren und ihre Füße übersehen wie sie deren Rollstühle, und hat als angehende Schullehrerin zum ersten Male in ihrem Leben Gelegenheit und Zeit, mit künstlichen Gliedern umzugehen und zu lernen, sich ihrer zu bedienen. Sie will diese Chance auf keinen Fall vorbeigehen lassen. Mit Recht ist das Center stolz auf seine ausgezeichnete Bibliothek, der Stiftung eines Abgeordneten im Repräsentantenhaus von Virginia. Sein Beispiel fand zahlreiche hilfsbereite Nachfolger. Die Bibliothek besitzt heute handsignierte Bände von Präsident Eisenhower, dem ehe­ maligen US-Präsidenten Harry S. Truman, von Sir Winston Churchill, Mrs. Franklin D. Roosevelt, Mrs. Woodrow Wilson und anderen. ,

- 2 - i "AMERIKA DIENST" 7. August 1957

Als das Center im Jahre 1947 eingerichtet wurde, sollte ec au-- schließlich den Körperbehinderten von Virginia dienen. Sie haben nach wie vor den Vorrang, Aber auch aus anderen - heute bereits 34 anderen Staaten wurden "Studenten" aufgenommen. Sie bezahlen ihre Beiträge selbst, das heißt, wenn sie dazu in der Lage sind, oder aber die staat­ lichen Berufsschulungs- und Rehabilitationsämter oder auch andere Orga­ nisationen übernehmen die Unkosten. Die Beiträge sind im Verhältnis z der außerordentlich hohen Qualität und den weitangelegten Mögli 'hkei en der Ausbildung sehr niedrig. Verschiedene Universitäten benutzen das Center, um dort ihr kli­ nisches Personal für die Körperbehinderten-Stationen zu schulen, so ZL Beispiel die zur Universität von Virginia gehörende School of Medicme, die im Center ihren Nachwuchs in orthopädischer Chirurgie ausbildet. Ein besonders interessanter und auch wichtiger Aspekt ist, daß das Center neben den Körperbehinderten auch aus Nervenkliniken entlassene Patienten aufnimmt. Viele ähnliche Institutionen haben das bisher nur ungern getan mit der Begründung, daß solche Patienten unter Umständen doch störend sein könnten. Das Woodrow Wilson Center hat bisher über 200 solcher Schüler "ausgebildet". In nur einigen Fällen war eine Wieder- einlieferung in eine Nervenklinik notwendig. Die anderen absolvierten ihre Ausbildung zufriedenstellend, und es ist ihnen gelungen, gute Arbeits­ plätze zu finden. Für diese letzte Kategorie von Hilfsbedürftigen ist die Wieder­ eingliederung in den normalen Prozeß besonders wichtig)und wichtig ist auch das Vorhandensein solcher Einrichtungen wie das Wilson Center, das die Lücke schließen hilft, die zwischen einem auf unbestimmte Zeit in psychi­ atrischer Pflege stehenden Patienten und einem unabhängigen Leben klafft. Hier finden diese Menschen das Vertrauen, erlernen die Fertigkeiten .nd schöpfen den Mut zum Zusammenleben mit den Mitmenschen.

(Aus "The New York Times"') - Quellenangabe ist bei Nachdruck erforderlich -

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- 3 "AMERIKA DIENST" 7. August 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE WISSENSCHAFT NOTIERT

VIELSEITIGER ULTRASCHALL

( 50 Zeilen) (AD) - Jede bereits gebräuchliche Verwendung der Ultraschalltech­ nik, das heißt der Verwendung von Schallwellen mit mehr als 16 000 Schwingungen in der Sekunde, die für das menschliche Ohr nicht mehr wahrnehmbar sind, scheint auf den verschiedensten Gebieten von Wissen­ schaft, Industrie und Technik den Keim zu einem Dutzend neuer Nutzungs­ möglichkeiten zu legen. Den wohl größten Anteil hieran haben die Reinigungsverfahren mit Ultraschall, die in den Vereinigten Staaten bereits zu einer Art Stan­ dardmethode in vielen Industriezweigen geworden sind. Mit Hilfe von Schallfrequenzen zwischen 300 000 und 1 Million Schwingungen pro Sekunde, die an Flüssigkeitsbäder angelegt werden,lassen sich Gegenstände, von ölverschmierten Metallteilen, komplizierten Formstücken, Präzisions­ instrumenten und Kameralinsen bis zu Wäschestücken und Injektionsna­ deln schneller und gründlicher reinigen, als dies auf jedem anderen Wege möglich wäre. In einem amerikanischen Kamerawerk beispielsweise erledigt eine Ultraschallanlage die Reinigung von 1000 Kameralinsen in einer Stunde, eine Arbeit, zu der vorher 24 Arbeiterinnen mehrere Stunden benötigten. Eine ähnliche, wenn auch ganz anders geartete Zeit- und Arbeits­ ersparnis verzeichnet ein Bleistiftfabrikant, der die Graphitminen jetzt mittels Ultraschall in einem Sechstel der früher erforderlichen Zeit mit Wachs imprägniert. Aber auch für technische Prozesse, die bisher infolge bestimmter Eigenschaften der verwendeten Materialien nur unter Schwierig­ keiten oder überhaupt nicht auszuführen waren, kann das Ultraschall- Verfahren eine Lösung der bestehenden Probleme bedeuten, wie sich beim Löten von Aluminium gezeigt hat. Durch Verwendung eines mit 20 000 bis

- 4 - I "AMERIKA DIENST" 7- August 1957 bis 25 000 Schwingungen pro Sekunde ; vibrierenden Lötkolbens lassen sich jetzt sogar Lötverbindungen zwischen Aluminium und rostfreiem Stahl erzielen; die störende Oxydschicht auf der Oberfläche des Aluminiums wird durch die Schallwellen aufgerissen und gelöst, so daß das geschmolzene Lot eine einwandfreie Verbindung der beiden verschiedenen Materialien ermöglicht« Inzwischen sind auch Ultraschall-Schweißgeräte auf den Markt gekommen, mit denen sich dünnste Folien ebensogut schweißen lassen wie schwere Stücke oder völlig ungleichartige Werkstoffe. In der Medizin ist die heilende oder auflockernde Wirkung des Ultra­ schalls bei Arthritis in den Gelenken, verhärtetem Narbengewebe oder bei Schleimbeutelentzündung seit langem bekannt und geschätzt. An der Mayo Clinic in Rochester (Minnesota) sind zur Zeit Versuche im Gang, Krebs­ zellen (Knochenkrebs) durch Ultraschallwellen zu zerstören. Bei den bis­ her angestellten Tierexperimenten ergab sich, daß etwa 90 Prozent der Krebszellen durch die Wärmeentwicklung im Knochengewebe abgetötet wurden» Ein großer Vorteil einer solchen Art Krebsbehandlung wäre die Möglichkeit, genau abgegrenzte Partien zu "beschallen" und umliegendes gesundes Gewebe zu schonen. Wissenschaftler der Universität Chicago verwenden gegenwärtig hoch­ frequenten Schall zur Gewinnung von Vakzinen. Man läßt auf einzellige Mikroben Schallwellen einwirken, die die dünne, aber zähe Zellwahd auf­ brechen und das Protoplasma freilegen. Dabei wird diese Substanz abgetö­ tet, bleibt chemisch aber unverändert und kann als Ausgangsstoff für die Impf Stoffherstellung dienen. Möglichkeiten zur Zerstörung vor. Nieren­ oder Gallensteinen durch Ultraschall werden zur Zeit noch untersucht.

# NEUES FÄRBEVERFAHREN FÜR GLASFASERGESPINSTE

( 10 Zeilen) (AD) - Für Gespinste aus Glas, die in den Vereinigten Staaten vor allem zur Herstellung von Dekorationsstoffen sehr beliebt sind, wurde von der Union Carbide & Carbon Corporation ein Färbeverfahren ausgear­ beitet, das erstmals eine Indanthreneinfärbung solcher Fasern ermöglicht.

Die

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Die aus Verbindungen von Silizium mit Erdölchemikalien gewonnenen Sili- konfarbstoffe ergebe:, eine weite Skala leuchtender Farben, die sich auch für andere Gewebe erwerden lassen. Bisher konnten Glasfasergespinste .ur indirekt, das heißt durch Spezialb .'handlung einer färbbaren Über- zi;g.masse - und dann nur in wenig haltbaren Pastellfar^er. -( eingefärbt werden.

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AUFLASSUNG EINES KÜNSTLICHEN ERDSATELLITEN IM HERBST GEPLANT

( 12 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die USA wollen im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres (IGJ) i . Herbst einen künstlichen Erdsatelli­ ten kleinen Ausmaßes in die obere Erdatmosphäre auflassen. Wie in Was Ington bekanntgeg be wvrde, soll mit dem Abschuß des ersten Minia­ tur, atelliten die Möglichkeit eines Einsatzes cjiößerer Weltraumraketen praktisch erprobt wer'en. Das kleine Geschoß wird ungefähr zwei Kilo­ gramm wiegen und einen Durchmesser von 15 Ze 1 im 'ern aufweisen. De Rakete ist mit empfindlichen Meßinstrumenten ausgerüstet, um die in der Atmosphäre herrschenden Bedingungen zu registrieren. Die hiefbel gewon­ nenen Daten werden mittels eines eingebauten Miniatursenders a f die Erde ausgestrahlt. Der Satellit wird wegen seiner geringen Größe nicht sichtbar sein und sich voraussichtlich nur zwei Wochen in seiner Bahn halten können.

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SOWJETUNION ERHIELT RADIOISOTOPE AUS DEN USA

( 6 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Wie aus dem jetzt veröffentlichten 22. Halb­ jahresbericht der amerikanisch,en Atomenergiekommission (AEC) hervor­ geht, hat die Sowjetunion im Frühjahr 1957 eine Lieferung von in den USA produzierten Radioisotopen erhalte.'. Das von der Nev; Yorker Firma Chemesco Corporation hergestellte Material ist für Forschungszweck-> auf dem Gebiet der Bekämpfung von Krebskrankheiten verwendet worden.

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VIERMAL EUGENE O'NEILL Eine erfolgreiche Theaterspielzeit geht zu Ende

( 84 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die Theaterspielzeit 1956/1957 gebt ihrem Ende entgegen. Sie dürfte als eine der erfolgreichsten seit vielen Jahren zu werten sein. Dies gilt für den Broadway wie für alle abseits von diesem Zentrum operierenden Bühnen. Kartenverkäufe und Einspielgewinne weisen Rekordzahlen auf. Die 158 Aufführungen der Spielzeit 1956/1957 brachten eine ganze Anzahl erstklassiger Unterhaltungsstücke, von denen einige geradezu überwäl­ tigende Erfolge erzielen konnten, und selbst unter den "flops", den schwächeren Darbietungen, gab es solche, die in ihrer Art ebenfalls brillant waren. Die Off-Broadway-Theater hatten übrigens mit 72 Auf­ führungen, gegenüber nur 48 im Vorjahre, die beste Saison aller Zeiten. Eugene O'Neills posthum herausgebrachtes Drama "Eines langen Tages Reise in die Nacht" überstieg alle Erwartungen. Es wurde mit jedem nur denkbaren und verfügbaren Preise ausgezeichnet. Prankreich und England lieferten die beiden besten "Importen": Jean Anouilhs "Waltz of the Toreadors" und Terrence Rattigans "Separate Tables". Die Theater beglückten im letzten Spieljahr mit mehr als einem "Mittelmaß" an virtuoser Schauspielkunst. Es sind zu nennen: Helen Hayes in "Die Glasmenagerie", Estelle Winwaod in "Speaking of Murder", Cyril Ritchard in "Visit to a Small Planet", Rosalind Russell in "Auntie Marne" und Gwen Verdon in "New Girl in Town", um nur einige Namen herauszugreifen. Unbrennbar mit der vergangenen Spielzeit wird auf lange Zeiten der Name O'Neill verbunden sein. Allein der gewaltige Eindruck den "Eines langen Tages Reise in die Nacht" bei einem großen Publikum und bei den Kritikern hinterlassen hat, würde dafür ausreichen. Dieses Stück war wie keines dazu angetan, die bereits vor einem Jahr eingeleitet#0 Eugene-0'Neill-Renaissance zu neuer Höhe zu führen und "AMERIKA DIENST" 7« August 1957 und ihr ein neues, dauerhaftes Glanzlicht aufzusetzen. Damals war es das bereits 1939 erschienene Stück "Der Eismann kommt", das Jose Quintero für die "Off-Broadway"-Theater einstudiert hat und das ein großer Erfolg war. Die dritte 0'Neil1-Aufführung der Saison war "Ein Mond für die Beladenen", ein Stück das 1943 geschrieben wurde, als Portsetzung der Tyrone-Biographie (Eines langen Tages Reise in die Nacht) gedacht war und den vollkommenen Zusammenbruch des ältesten der Tyrone-Brüder zum Inhalt hat. Aber wie das oft mit Portsetzungen ist, dieses Stück war schwächer als das erste. Nichtsdestoweniger ist es ein echter O'Neill, und bei guter Regie eines mit recht beachtlichem drive und Höhepunkt. Es schien jedoch, daß drei 0'Neill-Stücke in einer Spielzeit für dieses Mal noch nicht genug waren. Gegen Ende der Theaterzeit 1956/57 brachte New York das 1922 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Schau­ spiel "Anna Christie" erneut heraus. Diesmal als "Musical" in neuer Passung und mit dem neuen Titel:"New Girl in Town". Auf den ersten Blick schien der Stoff dieser makabren Story dreier einfacher Menschen und deren Schwierigkeiten mit dem Leben, sich selbst und untereinander, kaum für ein Musical geeignet. George Abbott aber, der das Libretto schrieb und die Produktion leitete, argumentierte geschickt dahingehend, daß ein "Musical" keineswegs frivol sein müsse und nannte als Beispiel die überaus geglückte musikalische Version von Molnars "Liliom". - Er führte weiter aus, daß das amerikanische Musical seiner Meinung nach die Begrenzungen der reinen Komödie längst hinter sich gelassen habe. Auch das moderne Musical präsentiert echte Charaktere, die im Rahmen einer guten Story - wenn auch zwischendurch singend und tanzend - über die Bühne gehen. • "New Girl in Town" ist so ein Stück, in dem das musikalische Element aus der Story sich entwickelt, eine Story über die Courage, mit der ein Mädchen sich mit seiner Umgebung auseinan­ dersetzt, gegen die Umstände ankämpft und schließlich triumphiert. "Ein mutiger Mensch ist immer interessant", sagt Abbott, "ganz gleich, ob er uns im Leben, auf der Bühne, im Drama oder im Musical gegenüber­ tritt." Es "AMERIKA DIENST" 7- August 1957 Es muß gesagt werden, daß Abbott sich selbstverständlich bemüht hat, den originalen O'Neill in der "Anna Christie" weitestgehend zu bewahren. Wieweit es ihm gelungen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Keine Meinungsverschiedenheiten freilich gibt es darüber, welch großer Verdienst am Erfolg der neuen Version der Schauspielerin Gwen Verdon zuzuschreiben ist, die hier nicht nur glänzendste Schauspielkunst zeigt, sondern auch ausgezeichnet tanzt und singt. Wirft man einen Blick in die Statistiken, dann wird man feststellen, daß wöchentlich rund 30 000 Theaterbesucher diese vier 0'Neill-Stücke gesehen haben. Und viele - vor allem die Kritiker - stellen sich die Frage: Wie läßt sich dieser O'Neill-Boom erklären? Es existiert manche kluge Antwort, aber die beste Erklärung scheint mir ein Ausspruch von George Jean Nathan, einem Freunde des Dichters. Sie ist schon einige Jahre alt, aber wahrscheinlich noch immer gültig. Es heißt darin: "... O'Neill ist der größte Dramatiker des amerikanischen Theaters. Niemand außer ihm besitzt die Fähigkeit, sich in das Wesen l eines Menschen so zu versenken, es zu ergründen und ihm gerecht zu werden. Niemand besitzt wie er eine so gründliche Kenntnis seiner Mit­ menschen, ein so treffsicheres Urteil und weiß wie er Bescheid über das Theater..." Das gilt dem Dramatiker O'Neill. Aber erklärt es Beinen neuerlichen Erfolg? Vielleicht, denn es war bisher nicht üblich beim Theater, sich in so vorzüglicher Weise mit einem Meister zu befassen, den es ein Jahrzehnt lang vernachlässigt hat.

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Eugene O'Neill, dessen Stücke die Theaterspielpläne der Spielzeit 1956/57 beherrschten. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1946. Eugene O'Neill starb im Jahre 1953«

2) Anna (Gwen Verdon) in der musikalischen Version von Eugene O'Neills "Anna Christie", 1922 mit dem Pulitzerpreis ausge­ zeichnet. Schauspielerisch und musikalisch ein beachtlicher Pub1i kums erfolg.

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9 - AMERIKA DIENST" 14. August 1957

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HALLO AMERIKA - HIER SPRICHT EUROPA

Das erste Unterwassertelefonkabel quer durch den Atlantik

- Das Verdienst internationaler Zusammenarbeit -

(50 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Vor fast einem Jahr, genau am 25. September 1956, übergaben die Vertreter von drei Staaten die erste direkte Telefonver­ bindung zwischen Nordamerika und Europa - ein transatlantisches Kabel - dem öffentlichen Sprechverkehr.

Diese Anlage, die innerhalb zwei Jahren gebaut wurde, ist nicht nur die einzige ihrer Art quer durch den Atlantik, sondern auch die erste Unterwassertelefonleitung, die einen Ozean überbrückt. Zwar kann man schon seit dem Jahre 1927 von Europa nach Amerika telefonieren. Das war bisher jedoch nur auf dem Wege des Funksprechverkehrs möglich, der Störungen und Unterbrechungen durch atmosphärische Einflüsse ausge­ setzt ist.

über zwanzig Jahre lang haben Forscher und Ingenieure Untersuchun­ gen darüber angestellt, welche Techniken angewandt und welches Material verwendet werden muß, um das Legen eines Tiefseetelefonkabels zu ver­ einfachen und die Instandhaltungsprobleme auf ein Mindestmaß zu be­ schränken. Nachdem ein neuentwickeltes Unterwassertelefonkabel zwischen Kuba und Florida sich bewährt hatte, ging man endgültig an die Durch­ führung dieses 42-Millionen-Dollar-Projekts•

Ein besonderes Problem war der Bau eines verwendbaren Verstärkers. Während diese bei einem Überlandkabel verhältnismäßig leicht zu in­ stallieren und gegebenenfalls zu reparieren sind, mußten sie hier in den Kabelmantel mit eingebaut werden, sie mußten glatt durch die Verlegevor richtung gleiten, Drücke von mindestens 420 kg/cm aushalten und wenig­ stens zwanzig Jahre lang ohne Reparaturen arbeiten. Der

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Der US-Bell-Telefongesellschaft gelang die Entwicklung eines brauch­ baren Verstärkers von etwa 2,50 Meter Länge, der in Abständen von 60 Kilo­ metern in das Kabel eingebaut wurde. Da Kabel der Art, wie sie im Nordat­ lantiktelefonsystem verwendet werden, nur nach einer Richtung übermitteln, war ein Ewillingskabel notwendig, um Gespräche zu ermöglichen. Beide Kabel liegen im Abstand von zwanzig Meilen auf dem Meeresboden. Die Route für das Kabel wurde so gewählt, daß bereits vorhandene Telegrafenkabel und bekannte Fisch­ fanggründe vermieden wurden.

An dem Unternehmen sind Gesellschaften und Behörden aus drei Ländern beteiligt, die American Telephone and Telegraph Company, das britische Post­ ministerium, die Canadian Overseas Telecommunication Corporation und die Eastern Telephone and Telegraph Company of Canada. Ihre Vertreter weihten am 25» September 1956 die neue Telefonverbindung mit Gesprächen zwischen London, New York und Ottawa ein.

Das Tiefseekabel führt über eine Entfernung von 4I8O Kilometern von Clarenville in Neufundland nach Oban in Schottland. Fernleitungen verbinden Oban mit London, von wo Gespräche zwischen Orten auf dem europäischen Kontinent und Amerika vermittelt werden.

In Nordamerika wurde die Transatlantikverbindung nach Portland im amerikanischen Staat Maine und nach Montreal in der kanadischen Provinz Quebec durch neue Fernleitungen weitergeführt. Dort ist sie an die be­ stehenden amerikanischen und kanadischen Telefonnetze angeschlossen.

Das größte Kabelverlegeschiff der Welt, die über 8000 Bruttoregister­ tonnen große britische "Monarch", brauchte für das Legen des Tiefseekabels sieben Monate. Das Schiff arbeitete nur im Sommer, wenn der Atlantik am ruhigsten ist. Das erste der Zwillingskabel wurde in der Zeit von Juni bis September 1955 von Clarenville nach Oban gelegt, während das zweite Kabel im Juli und August 1956 in umgekehrter Richtung - also von Schottland nach Neufundland - verlegt wurde.

Im Dezember 1956 wurden im Durchschnitt täglich 870 Gespräche über diese direkte Telefonverbindung zwischen den beiden Kontinenten geführt, deren Anlage ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von verschiedenen Nationen zum gemeinsamen Nutzen geworden ist. ACHTUNG !

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ACHTUNG ! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilden

1) Die Karte zeigt die Strecke zwischen Neufundland und Schottland, auf der das Doppelkabel verlegt wurde. Die Entfernung beträgt knapp 4200 Kilometer.

2) Auf dieser Skizze kann man die Tiefe ablesen, in der das Tele­ fonkabel auf dem Meeresboden liegt. Der Atlantik ist hier weite Strecken über viertausend Meter tief.

3) Darstellung des Atlantik-Telefonkabels. Der Durchmesser des Kabels beträgt 4,67 cm. Die Kupferseele, über die 36 Gespräche geführt werden können, hat einen Durchmesser von etwa 25 mm. Sie wird von drei Kupferbändern eingehüllt,die ihrerseits mit einer Kunststoffisolierung umgeben sind, die das Eindringen der Feuchtigkeit verhindert. Der Stromkreis wird durch sechs Kupfer-Rückleiterbänder geschlossen, die durch ein dünneres Kupferband gegen Unterwasser-Bohrwürmer geschützt sind. Eine Lage imprägniertes Stoffband, zwei Schichten Jute-Umspinnung, die Armierung aus galvanisiertem Stahldraht und ein doppelter Jute-Mantel vervollständigen das Kabel.

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WASHINGTON - (AD) - Der "Welt größtes mechanisches Gehirn" soll ein­ gesetzt werden, um minütlich die Position der im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 zur Auflassung geplanten künstlichen Erd­ satelliten festzustellen, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit in ihrer Bahn die Erde umkreisen. Es handelt sich bei diesem gewaltigen Elektronengehirn um eine Kon­ struktion der International Business Machines Corporation. Es kann in der Sekunde bis zu 40 000 einfachere Einzelrechnungen durchführen, rund 8000 Ziffern gleichzeitig speichern und auf jede einzelne "zurückgreifen", wenn sie zur Kalkulation benötigt wird. Die "Gehirnzellen" des Rechenapparates sind Hunderttausende winziger Magneten, die sich nach "seinem Willen" automatisch entmagnetisieren lassen.

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ZWANZIG JAHRE SOZIALVERSICHERUNG IN DEN USA 75 Millionen Versicherte - Über eine halbe Milliarde monatliche Rentenzahlungen

( 60 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Die 36jährige Mrs. Jane Gavin aus New York, Witwe und Mutter zweier Kinder, ist der zehnmillionste Empfänger der bundesstaatlichen Sozialversicherung der USA. Die Überreichung des ersten Schecks wurde von Marion B. Folsom, Minister für Gesundheit^ Erziehungs- und Sozialfragen persönlich vorgenommen und war Anlaß zu einer Feierstunde im Sozialamt Manhattan. Mr. Gavin ist seit 1937 versichert gewesen und bei einem Eisen­ bahnunglück im April 1957 ums Leben gekommen. Seine Witwe erhält mit 2 Kindern den Höchstsatz, nämlich 200 Dollar Rente pro Monat, die sich verringert, wenn die heute siebenjährige Tochter und der nun zehn­ jährige Sohn das 18. Lebensjahr erreicht haben. Die Witwe selbst wird, wenn sie sich nicht wiederverheiratet, mit erreichtem 62. Lebens­ jahr eine Rente von monatlich 80,50 Dollar beziehen. Legt man die durchschnittliche Lebenserwartung zugrunde, wird die Gavinfamilie nach amtlichen Schätzungen mehr als 37 000 Dollar aus dem US-Sozial­ versicherungsfonds zukünftig zur Verfügung haben. Die bunldesstaatliche Sozialversicherung in den USA ist erst zwanzig Jahre alt und, mit europäischen Maßstäben gemessen, noch recht jung. Sie wurde 1935 laut Kongreßbeschluß Gesetz und 1937» also zwei Jahre später, voll wirksam. Der erste Sozialrentenempfänger der Vereinigten Staaten war Miss Ida Füller aus Ludlow (Vermont). Ihr überreichte man am J1. Januar 1940 den Scheck Nr. 00-000-001; er lautete über 22,54 Dollar. Miss Füller ist jetzt 82 Jahre alt und bezieht eine Rente von monatlich 51»50 Dollar, ein nettes Sümmchen für eine alte Dame, die zusätzlich noch über Einkünfte aus Ersparnissen und Wertpapieren verfügt. D;ii-, "AMERIKA DIENST" 14. August 1957 Das Gesetz hat seit seinem Erlaß durch Zusatzartikel verschiedene Ausweitungen erfahren, die auch eine freiere Auslegung der Bestimmungen gestatten. Fast alle amerikanischen Familien genießen seinen Schutz. Neunzig Prozent aller entlohnten Arbeit fällt darunter. 73 Millionen Amerikaner sind sozialversichert. Von den heute zehn Millionen Rentenbeziehern sind 7 420 000 im Ruhestand lebende Arbeiter und deren Angehörige; 2 580 000 Personen beziehen eine Hinterbliebenenrente. Die Auszahlungen belaufen sich monatlich auf 540 Millionen Dollar; sie werden im Jahre 1957 schätzungs­ weise rund sieben Milliarden Dollar ausmachen. Die Versicherungsbeiträge werden von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen getragen. Sie betragen 2,25 Prozent für jeden Arbeit­ nehmer bis zu einem jährlichen Einkommen von 4200 Dollar. Im Jahre 1956 waren es insgesamt 6,2 Mrd. Dollar, die als sogenannte Social Security Tax dem Sozialfonds zugeflossen sind, der sich jetzt auf 22,5 Milliarden Dollar beläuft. Parallel mit der Entwicklung des Sozialversicherungswesens in den USA ging auch die Schaffung privater Pensionskassen der Industrie. Diese betreuen heute rund 14 Millionen Industriearbeiter. Die privaten Pensionspläne sind gewöhnlich mit dem bundesstaatlichen Versicherungs­ programm gekoppelt und gewähren Ausgleichszahlungen bis zur Erreichung des amtlich zulässigen Rentenhöchstsatzes. Die Aufwendungen der verschiedenen Industrien für ihre Arbeiter sind unterschiedlich hoch und errechnen sich nach den jeweilig gültigen Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. So wird bei­ spielsweise ein Stahlarbeiter, der mit 65 Jahren pensioniert wird, eine monatliche Höchstrente von 234»80 Dollar,ein verheirateter Automobilfach­ arbeiter eine solche von 252,80 Dollar und ein verheirateter Bergarbei­ ter sogar 262,80 Dollar monatlich erhalten. Minister Folsom begrüßt die Tätigkeit der privaten Pensionskassen, da die Leistungen der staatlichen Sozialversicherung lediglich den dringendsten Schutz der Bevölkerung darstellen und sich auf keinen Fall hemmend auf die persönlichen Anstrengungen und die Sparsamkeit jder Ver­ sicherten, zusätzlich für Alter: und Notfall vorzusorgen, auswirken sollten. ACHTUNG!

- 5 - AMERIKA DIENST" 14. August 1957

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST kn Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Der zehnmillionste Sozialrentenempfänger der Vereinigten Staaten, die 36jährige Witwe Mrs. Jane Gavin aus New York, mit ihren beiden Kindern. Im Rahmen einer Feier überreichte ihr Marion B. Folsom, Minister für Gesundheit, Erziehungs­ und Sozialfragen persönlich den ersten Rentenscheck über 200 Dollar.

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US-REPRÄSENTANTENHAUS STIMMT AMERIKANISCHER MITARBEIT BEI DER WELTATOMENERGIEBEHÖRDE ZU I

WASHINGTON - (AD) - Das amerikanische Repräsentantenhaus hat jetzt die Beteiligung der USA an der rieuerrichteten internationalen Atomener­ giebehörde (IAEA) zugestimmt. Die vom Haus gebilligte Gesetzesvorlage ermächtigt den Präsidenten, einen Vertreter und Stellvertreter für die Hauptkonferenz und andere Gremien der Behörde zu ernennen. Weiter werden in der Vorlage die von den USA zu bestreitenden Beitragszahlungen für den Jahreshaushalt der Behörde geregelt. Bei dem rund sechs bis sieben Millionen Dollar betragenden Etat, der im ersten Tätigkeitsjähr der Behörde voraussichtlich benötigt wird, wird der amerikanische Anteil ungefähr ein Drittel betragen.

* * * 26 MILLIONEN DOLLAR FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNGSZWECKE IN DEN USA

WASHINGTON - (AD) - Der öffentliche Gesundheitsdienst in den USA hat im Rahmen des vom Kongreß 1956 bewilligten Erweiterungsprogramms über 26 Millionen Dollar für die medizinische Forschung zur Verfügung gestellt. Im Zuge des Gesamtprogramms sollen an Universitäten, Krankenhäu­ ser, Forschungsanstalten und Gesundheitsämter, bis 195® alljährlich 30 Millionen Dollar verteilt werden.

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DER SONNTAGSMALER, EINE BEKANNTE GESTALT IN DEN USA Mit zu den sechs beliebtesten Steckenpferden gehört das Malen

(76 Zeilen) Amerikas "Grandma" Moses, jene berühmte alte Dame, die mit 78 Jah­ ren "nur zum Vergnügen" zu malen begann und mit ihren naiven, ausdrucks­ starken Bildern so große Erfolge errang, hat sicherlich auch ein wenig dazu beigetragen, die Malerei zu einem der beliebtesten Steckenpferde in den Vereinigten Staaten zu machen. Vier bis fünf Millionen Amerikaner aus allen Bevölkerungsschichten, allen Berufen und Altersgruppen sind unter die Sonntagsmaler gegangen, und der Verkauf von Malutensilien hat seit dem Jahre 1941 um das Vierzigfache 8tt.genommen. Auch Winston Churchill- md Präsident Eisenhower, beide passionierte Dilettantenmaler, wollen manche für diese Entwicklung mitverantwortlich machen. Ja, sogar die abstrakte Malerei muß als Erklärung herhalten, da sie doch selbst denjenigen, die keine gerade Linie zustande bräch­ ten, die Möglichkeit gebe, Pinsel und Stift zuhandhaben. Tatsächlich aber ist die Sonntagsmalerei nur ein Gebiet, auf dem sich das wachsende künstlerische Interesse der Amerikaner manifestiert. Denn in der Musik sehen wir eine ähnliche Entwicklung, wofür die er­ staunlich große Zahl von Symphonie-Orchestern und Opernensembles sowie der enorme Anstieg des Verkaufs von Schallplatten mit klassischer Musik beredtes Zeugnis ablegen. Und auch auf dem Büchermarkt ist in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine starke Aufwärtsbewegung zu beobachten. Unzweifelhaft spielen hier die modernen Massenmedia, Film, Rund­ funk und Fernsehen, eine entscheidende Rolle. Sie bieten den breitesten Bevölkerungsachichten die Möglichkeit, ernste Musik, gutes Theater und die Werke der bildenden Kunst kennenzulernen und dadurch ihren Ge­ schmack zu entwickeln. Und dank der Einführung der billigen broschier­ ten Bücher und der Taschenbuchausgaben Ende der dreißiger Jahre hat

- 7 - "AMERIKA DIENST" 14« August 1957 hat heute jedermann Gelegenheit, die Werke der großen Dichter und Schrift­ steller zu lesen. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst aber haben gerade Museen und Kunstgalerien in den letzten Jahrzehnten außerordentlich viel getan. Das Museum als ein etwas verstaubtes Lagerhaus toter Schätze ist für uns Heutige ein veralteter Begriff. In den neueren, von untenaehmungs- freudigen Direktoren geleiteten Galerien herrscht ein anderer Geist. Das moderne Museum ist weit mehr Gemeinschaftshaus, Kulturzentrum, das keine strenge Trennung der verschiedenen Kunstformen mehr kennt. Fast jedes der in den letzten 25 Jahren, oft in kleineren und nicht allzu reichen Städten eröffneten Museen verfügt über einen großen Hör­ saal, in dem man ebenso oft Opern- oder Theateraufführungen, Filmver­ anstaltungen und Ballettabende erleben kann wie einen Vortrag etwa über die Geschichte der spanischen Malerei. Die Räume dieser modernen Kunstgalerien hallen wider von den Schrit­ ten unzähliger Besucher, darunter sehr viele Kinder und Jugendliche; denn diese Museen bieten Unterricht in allerhand kunstgewerblichen und künstlerischen Fächern: In einem Raum ist eine Gruppe mit keramischen Arbeiten und an der Drehscheibe, mit Goldschmiedearbeiten oder am Web­ stuhl beschäftigt. In einem anderen sitzen Kunstschüler und Amateurmaler vor ihren Staffeleien. Und an den Samstagen oder nach Schulschluß wimmelt es von Kindern, die die Gelegenheit zu kostenlosem Malunterricht eifrig wahrnehmen. Viele Museen sind schon seit Jahren dazu übergegangen, Bilder aus ihrer Sammlung für bestimmte Zeiten an Einzelpersonen, Geschäfte oder Organisationen auszuleihen. In San Francisco haben die Schüler der Volksschulen aus ihrer Mitte eine Jury gewählt, die in den Museen der Stadt Bilder aussuchen soll, mit denen die Schüler die Wände ihrer Klassenzimmer schmücken wollen. Der Leiter einer Galerie in einer kleinen Universitätsstadt im Staate New Jersey hatte die recht originelle Idee, Bilder zeitgenössi­ scher Maler, die er sich von großen New Yorker Museen ausgeliehen hatte, in den verschiedensten Geschäften der Stadt auszuhängen. Ein Museum im Staate New York hat eine Wanderausstellung organisiert, die nach aus- "AMERIKA DIENST" 14. August 1957 ausdrücklicher Anweisung "in jedem Schulhof des Staates" gezeigt wer­ den soll. Das Allerneueste aber ist das "Automuseum", das das Museum of Fine Arts im Staate Virginia in einem 7 m langen Lastwagen einge­ richtet hat. Dieser fahrbare Ausstellungsraum, in dem 16 Gemälde gezeigt werden können, besucht alle Ortschaften des Staates, wo er stets mit großer Neugierde empfangen wird, die sich bald in echtes und starkes Interesse umwandelt. Fast alle moderneren Museen und Galerien öffnen ihre Räume auch gern den Malern aus Liebhaberei, das heißt sie vermieten einen Aus­ stellungsraum auf die Dauer eines Jahres, in dem die Amateurmaler ihre von einer Jury ausgewählten Bilder der Öffentlichkeit zeigen können. Diesem Beispiel sind inzwischen auch große Warenhäuser, Bürohäuser, Banken, Klubs und viele andere Institutionen gefolgt. Das Ergebnis dieser mannigfaltigen, einander oft überschneidenden intensiven Bemühungen ist eine starke Belebung des gesamten künst­ lerischen Lebens in den Vereinigten Staaten, sei es nun in Form eines wachen und aufmerksamen Interesses des Publikums, sei es in Form eigener Betätigung auf den verschiedensten Gebieten der Kunst.

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l) An die 4 bis 5 Millionen Amerikaner - jung und alt - sind begeisterte Amateurmaler. In der Ferienzeit besuchen die Malklassen, die vor allem von den Museen und Kunstan­ stalten freudig unterstützt werden.

2) Die Kindermalstunde im Kunstmuseum ist in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren nun eine feste Einrichtung ge­ worden. An die 5 Millionen Amerikaner widmen ihre Freizeit der in den USA fcu den sechs beliebtesten Hobbies zählenden Laienmalerei.

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- 9 - "AMERIKA DIENST" 21. August 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt,'die sich direkt an den Leser venden.

75 JAHRE LABOR DAY Am ersten Montag im September begehen Amerikas schaffende Männer und Frauen de:: "Tag der Arbeit"

( 62 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Am 2. September 1957 wird in allen Teilen der Vereinigten Staaten der "Labor Day" als nationaler Feiertag begangen. Zwischen diesem amerikanischen Tag der Arbeit und den Feiern zum 1. Mai in der restlichen Welt bestehen zv:eifellos Parallelen, doch be­ dingt die andersartige Stellung, die der amerikanische Arbeitnehmer in der Gesellschaft einnimmt, auch eine anders geartete äußere Form des Gedenkens. Während daher in Europa der 1. Mai noch vielfach unter klas­ senkämpferischen Parolen der Arbeiterschaft steht, ist der amerikanische "Labor Day", der im Jahre 1894 zum gesetzlichen Feiertag erhoben wurde, ein Tag, der von der gesamten Bevölkerung begangen wird. Alle Geschäfte, Fabriken und Büros sind geschlossen, Aufmärsche, Versammlungen und be­ sonders auch Gottesdienste finden statt, und die bedeutendsten Persön­ lichkeiten des Landes sprechen zu der arbeitenden Bevölkerung der Ver­ einigten Staaten und der Veit. Die meisten Amerikaner aber begrüßen diesen Tag als Gelegenheit zu größeren familiären Unternehmungen, für die das um den Montag noch verlängerte Weekend besonders günstig ist. Neben all diesen Dingen ist der Labor Day auch ein Tag des Geden­ kens an die geschichtliche Entwicklung der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten und der Anerkennung der sozialen und wirtschaft­ lichen Erfolge, die die freien demokratischen Gewerkschaften im Ver­ laufe ihres Bestehens errungen haben. Die amerikanische Gewerkschafts­ bewegung ist gemeinsam mit der amerikanischen Nation und ihrem Volke gewachsen. Als die amerikanischen Kolonien in der zweiten Hälfto des 18. Jahrhunderts die "amerikanische Revolution" eingeleitet und durch Loslösung vom englischen Mutterlande 1776 die Vereinigten Staaten von "AMERIKA DIENST" 21. August 1957 von Amerika gegründet haben, war die volkswirtschaftliche Entwicklung vor allem durch die Landwirtschaft bestimmt. Es gab nur einige wenige Fabriken, und die darin beschäftigten Arbeiter waren durchweg hochqua­ lifizierte Handwerker. Diese schlössen sich bereits 1790 zu den ersten Gewerkschaften zusammen, die jedoch während der folgenden 50 Jahre ziemlich bedeutungslos- blieben, bis die dann einsetzende "industrielle Revolution" die Zahl der Arbeiter und damit auch die Bedeutung ihres organisatorischen Zusammenschlusses stark vergrößerte. Die 1880er Jahre brachten schließlich - wie in Europa - die ent­ scheidende Entwicklung des Gewerkschaftswesens. Samuel Gompers und der irische Einwanderer Peter McGuire waren die beiden Männer, die gemein­ sam das Steuer in die Hand nahmen und die zahlreichen kleineren Gewerk­ schaften zu jenem Verband zusammenschlössen, der innerhalb weniger Jahr­ zehnte zu einer der größten und mächtigsten Arbeiterorganisationen werden sollte: die AFL, die American Federation of Labor. Gompers distanzierte sich von Anfang an von allen marxistischen und klassenkämpferischen Parolen. Wissend, daß der amerikanische Arbei­ ter keine hochtrabenden und utopischen Verspreohen hören will, sondern höchst praktische und realisierbare Ziele verfolgt - Sicherung des Ar­ beitsplatzes, Steigerung des Lebensstandards, Erhöhung der sozialen Sicherheit bei höchstem Lohn und verkürzter Arbeitszeit -, gab er sei­ ner Gewerkschaft eine überparteiliche und überkonfessionelle Struktur. Freilich hat auch die AFL Kämpfe mit gewerkschaftsfeindlichen Unterneh­ merverbänden zu bestehen gehabt; sie erlitt manche Rückschläge durch verlorene Streiks und wirtschaftliche Depressionen - aber bereits 1900 hatte sie sich so weit gefestigt, daß sie bereits eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der USA zu spielen begann. Erst 1936 erfolgte die Abspaltung des "Cpngress of Industrial Organizations" (CIO), nachdem die AFL sich geweigert hatte, ungelernte Arbeiter in ihre Reihen auf­ zunehmen. Inzwischen ist jedoch die lange angestrebte Wiedervereinigung der beiden großen Gewerkschaftsverbände wieder vollzogen worden. Seit dem 5. Dezember 1955 vereinigten sich im Gewerkschaftsbund AFL-CIO 18 Millionen Arbeiter in USA und Kanada unter dem Vorsitz von George Meany. Die

- 2 - "AMERIKA DIENST" 21. August 1957 Die amerikanischen Gewerkschaftsverbände - es bestehen noch etwa ein Dutzend unabhängige Gewerkschaften, die nicht dem AFL-CIO angeschlos­ sen sind - stellen heute einen ungeheuren Machtfaktor im öffentlichen Leben dar, ohne daß sie diese Tatsache für demagogische politische Ziele ausnutzen. Allerdings erleichtert die wirtschaftliche und soziale Situa­ tion in den USA den Arbeitnehmern diese freiwillige Beschränkung auf rein wirtschaftliche Fragen weitgehend :eine Gesellschaft, die keine Klassenunterschiede kennt, braucht keine Klassenkämpfe zu führen. Mit der Bedeutung, die die Gewerkschaftsbewegung in den USA im Laufe der Jahre gewonnen hat, stieg auch die Bedeutung des Labor Day. Seit jenem ersten Montag im September des Jahres 1882, da zum ersten Male mehr als zehntausend Gewerkschaftsmitglieder sich in New York versammelten, um ihren gemeinsamen Zielen Ausdruck zu verleihen, hat sich die symbolische Bedeutung dieses Tages immer mehr vertieft.

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild»

Der amerikanische Arbeiter will keine utopischen Verspre­ chungen - er verfolgt höchst praktische Ziele: Sicherung des Arbeitsplatzes, Steigerung des Lebensstandards, Er­ höhung der sozialen Sicherheit bei höchstem Lohn und ver­ kürzter Arbeitszeit - alles Dinge, die eine überpartei­ liche und überkonfessionelle Gewerkschaftsbewegung in Verhandlungen mit dem Sozialpartner für ihn durchsetzen konnte.

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5 - "AMERIKA DIENST" 21 . August 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

AMERIKANISCHE WISSENSCHAFTLER IM KAMPF GEGEN DIE BILHARZIOSE Süßwasserschnecken als Keimträger einer der scheußlichsten Tropenkr»nkheiten .

( 80 Zeilen)

(AD) - üt>er seine erfolgreichen Großversuche in der Bekämpfung der Bilharziose, eine der gefährlichsten und weitverbreitesten Tropen­ krankheiten, berichtete Dr. Willard H. Wright, der Leiter des Labora­ toriums für Tropenkrankheiten am amerikanischen Institut für allergi­ sche und Infektionskrankheiten in New York, auf der All-Afrikanischen Konferenz zur Bekämpfung der Bilharziose, die im Spätherbst vorigen Jahres in Brazzaville in Französisch-Äquatorialafrika zusammentrat. Die Bilharziose oder Blasenwurmkrankheit wird durch einen Para­ siten - den Bilharzia oder Schistosomum - hervorgerufen, der in den Bauch- und Unterleibsvenen, besonders in den Harnwegen, im Darm und in der Leber schmarotzt. Es ist eine schleichende Krankheit, die nach langen Jahren des Leidens durch Zerstörung lebenwichtiger Organe häu­ fig zum Tode führt. Sie äußerst sich in Fieber, Hautausschlägen, Er­ brechen, Leibschmerzen, Nackensteifheit, Durchfällen und Anämie. Die Krankheit ist vor allem in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, im Gebiet der Karibischen See und in Teilen Süd-Amerikas ende­ misch. Nach amtlichen Schätzungen leiden in diesen Gebieten etwa 115 Millionen Menschen an Bilharziose. Allein in Ägypten sind etwa 80 bis 85$ der Bevölkerung verseucht, so daß die Produktionskapazität des Landes infolge Ausfalls von Arbeitskräften um ein Drittel reduziert wird. Der dadurch verursachte finanzielle Verlust wird auf 100 Millionen Dollar jährlich geschätzt. Die Übertragung erfolgt nicht unmittelbar von Mensch zu Mensch, sondern auf dem Umwege über ein sogenanntes Wirtstier, nämlich die verschiedensten Arten von Süßwaaserschnecken, in denen die Eier de3 Blasenwurms sich einnisten und verlarven. Diese Larven dringen dann

- 4 - i "AMERIKA DIENST" 21. August 1957 dann durch die Haut oder die Mundschleimhaut in den tierischen oder menschlichen Organismus ein. Als während des zweiten Weltkrieges auf den Philippinen über 1700 amerikanische Soldaten an Bilharziose erkrankten, erhielt Dr. Wright den Auftrag, Mittel und Wege zur Bekämpfung dieser verheeren­ den Seuche ausfindig zu machen. Da es für die Erkrankung selbst bisher noch kein Heilmittel gibt, war es Dr. Wright klar, daß er den Wirts­ tieren, eben jenen Süßwasserschnecken, den Krieg ansagen mußte. Es war ihm bekannt, daß die ägyptischen Gesundheitsbehörden mit Kupfer­ sulfat gegen die Schnecken vorgegangen waren. Aber dieses Mittel war nicht nur teuer, sondern auch gefährlich in der Anwendung und unzu­ verlässig in der Wirksamkeit. Daher beauftragte er seine Assistentin, Mrs. Maybelle 0. Nolan, mit der Entwicklung eines hochwirksamen Schneckentötungspräparats. Dieses Präparat war nach Versuchen mit über 2000 chemischen Verbindungen im Natriumpentachlorphenat gefunden. Bei einem Versuch in Puerto Rico wurde ein Fluß von 3»3 km Länge durch eine einmalige Anwendung dieses hochwirksamen Mittels bei einem Kostenaufwand'von nur 7 Dollar auf einige Monate schneckenfrei. Im Norden von Nigeria konnte ein 4 Kilometer langer Fluß zum Preis von knapp einem halben Penny je Kopf der Bevölkerung für 16 Monate von Schnecken frei gehalten werden. Und in einem Gebiet in Japan, wo 73$ der Bevölkerung mit Bilharziose verseucht waren, zeigten die Versuche mit Natriumpentachlorphenat, daß mit einem Kostenaufwand von 16 000 Dollar jährlich nicht nur zahlreiche Menschenleben zu retten, sondern auch rund 3 Millionen Dollar im Jahr einzusparen wären, die bisher infolge Ausfalls von Arbeitskräften verloren gehen. Auch bei den in Brasilien im Jahre 1951 eingeleiteten Versuchen erwies sich das von Mrs. Nolan entwickelte Schneckenvernichtungsmit­ tel als ebenso wirksam wie wirtschaftlich. Allerdings müßte man in diesen Landesteilen alle 3 bis 4 Monate die Wasserläufe mit Natriumpen­ tachlorphenat säubern, da die hier heimischen Schneckenarten in den Trockenheitsperioden aus den Flußgebieten abwandern und erst mit der Regenzeit wieder in die Flußbetten zurückgeschwemmt werden. . In Ägypten, wo die Bilharziose seit den Tagen der Pharaonen be­ kannt ist, ist sie mit dem Ausbau der umfassenden Bewässerungssysteme i_n

- 5 - "AMERIKA DIENST" 21. August 1957 in erschreckendem Maße angestiegen - de Zahl der Bilharziosekranken erhöhte sich sprunghaft von 5% auf 85^. Nach den Schätzungen des ägyp­ tischen Gesundheitsministeriums waren im Jahre 1955 von einer Gesamt­ bevölkerung von 19»5 Millionen Menschen 18 Millionen infiziert. Wie Versuche in Ägypten in einem Gebiet von 20 Quadratkilometern Flächeninhalt mit sieben Dörfern und rund 60 000 Einwohnern zeigten, war der Prozentsatz der an Bilharziose erkrankten Schulkinder inner­ halb eines Jahres, in dem die Irrigationskanäle systematisch mit Na- triumpentachlorphenat "behandelt" worden waren, von 45»2$ auf 55»16$ abgesunken. Und in dem weit größeren Gebiet des mit dem Wasser des Zumr-Kanals gespeisten Irrigationssystems genügte eine einmalige An­ wendung des Mittels - wobei auf 18 000 Kanalkilometer etwa 40 000 Kilogramm Natriumpentachlorphenat verbraucht wurden -, um die zuvor vollkommen schneckenverseuchten Irrigationskanäle zu 799» schneckenfrei zu halten. Bei jährlich zweimaliger Anwendung des Mittels könnten weite Gebiete Ägyptens, so meinen die Fachleute, von diesen Wirtstieren des so gefährlichen Blasenwurms nahezu vollkommen frei gehalten werden. Im ganzen berechtigt der Bericht Dr. Wrights durdhaus zu einer optimistischen Einschätzung der Lage. Seine erfolgreichen, großange­ legten Versuche in den verschiedensten Teilen der Erde, in denen die Bilharziose alljährlich große Opfer an Menschenleben und Geldmitteln fordert, beweisen, daß auch dieser gefährliche Feind des Menschen in nicht allzu ferner Zukunft seine Schrecken verloren haben dürfte.

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1) Dr. Eimer G. Berry, einer der führenden amerikanis hen Wissenschaft­ ler im Kampf gegen die Bilharziose, untersucht eine Wasserp obe aus einem der mit den Wirtsschnecken des Blasenwurms verseuchten Bewäs­ serungskanäle in Ägypten. Dr. Berry ist als Mitarbeiter Dr. Willard H. Wrights vom Laboratorium für Tropenkrankheiten am amerikanischen Institut für allerg sehe und Infektionskrankheiten in New York in dem Gemeinschaftsprogramm der ägyptischen Gesundheitsbehörden und des Ägyptisch-amerikanischen Ausschusses für öffentliche Gesundheit zur Bekämpfung der Bilharziose in Ägypten tätig.

2) In einem großangelegten Feldzug zur Vernichtung der Süßwasserschnek- ken, die den Eiern des Blasenwurras (Erreger der Bilharziose) als Wirtstiere dienen, werden die Bewässerungskanäle in Ägypten mittels Natriumpentachlorphenat, dem bisher wirksamsten und dabei wirtschaft­ lichsten Schneckenvernichtungsmittel, von diesen gefährlichen Para­ sitenträgern gesäubert. In Abständen von jeweils 6 Kilometern werden Schachteln mit dem erprobten Mittel in das Wasser versenkt. # * * * * "AMERIKA DIENST" 21. August 1957

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TEPPICHE AUS ZWEIEINHALB JAHRTAUSENDEN Die kostbaren Schätze des Washingtoner Textil-Museums

( 80 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - In einer schattigen Villenstraße V/ashingtons steht ein geräumiges Haus, das ein für die Vereinigten Staaten einmali­ ges Museum beherbergt: ein Museum für Teppiche und Textilien. Ein großer Teil seiner Besucher sind Künstler, Anthropologen, Ethnologen und Historiker aus ganz Amerika und vielen Ländern der Erde. Die kostbare Sammlung enthält Webearbeiten aus der Römerzeit in einer Zahl und Güte, wie sonst nirgendwo auf der Welt, mehr Kairoer Teppiche aus dem späten 15« und dem 16. Jahrhundert als man heute in Kairo findet, seltene spanische Teppiche, Textilien aus der vorkolonialen Epoche Perus, und repräsentative Kollektionen aus den Herstellungsgebieten der islami­ tischen Welt zwischen Spanien und China gehören zu den rund 300 Teppiche und 5000 sonstige Stücke umfassenden Schätzen des "Textil-Museums". Das Museum ist eine Stiftung von George Hewitt Myers, der sich kurz vor der Jahrhundertwende als Collegestudent einige angeblich echte und alte Orientteppiche gekauft hat, um sein Zimmer ein wenig gemütlicher auszustatten. Einige Zeit später sah er einen alten und völlig verschlis­ senen gordischen Teppich, und dabei fiel ihm auf, daß dieser ganz anders geknüpft war als seine eigenen Stücke, die offensichtlich mit viel Mus­ kelkraft und Bimsstein auf alt und echt zurecht gemacht worden waren. Das weckte seine Neugierde für alte Teppiche und Textilien. Er machte die für ihn überraschende Entdeckung, daß Teppiche schon seit Jahrtau­ senden nicht nur in der Türkei und den türkischen Provinzen, sondern auch im Kaukasus, in Persien, Indien, China und vielen anderen Ländern hergestellt wurden. Ganz allmählich legte er sich eine bescheidene Samm­ lung alter Orientteppiche zu. Heute - mehr als ein halbes Jahrhundert später - füllt diese eigenwillige und sehr persönliche Sammlung Lagerräume und Wände des

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des Museums. Mr. Myers wählte nach Schönheit, weniger nach den Grund­ sätzen der Seltenheit und des geschichtlichen Interesses sowie ohne das Bemühen, sich auf die Erzeugnisse eines bestimmten Gebietes zu speziali­ sieren. Nichtsdestoweniger beherbergt das Museum, das seit 1925 besteht, heute eine Kollektion von hoher Geschlossenheit. Jedes Jahr werden besondere Stücke gezeigt; in diesem Jahr findet der Besucher zum Beispiel im ersten Raum einen sehr großen bestickten mexikanischen Teppich aus dem 18. Jahrhundert und spätere mexikanische Arbeiten, einen portugiesischen Teppich, gleichfalls aus dem 18. Jahr­ hundert sowie spanische Teppiche und Gewebe aus der Zeit des 12. bis 16. Jahrhunderts. Glasvitrinen enthalten seltene Teppichfragmente. In den zwei anderen Räumen dieses Stockwerks ist ein Teil der umfangreichen peruanischen Sammlung zu sehen, in der sich Stücke aus der Zeit vom dritten vorchristlichen Jahrhundert bis zum 18. Jahrhun­ dert n. Chr. befinden. Hier sieht man auch zahlreiche Teppiche und Textilien aus den großen indianischen Kulturen Mittelamerikas und der späteren spanischen Kolonialzeit. Die Galerie des Hauses wartet mit einer Kollektion griechisch- römischer, koptischer und arabischer Stoffe auf. Letztere stammen aus ägyptischen Gräbern des ersten bis 8. Jahrhunderts n. Chr., die auf kleinen Hügeln lagen und so trocken waren, daß die Gewebe erhal­ ten blieben. In langen Schränken befinden sich außerdem zahlreiche Textilien, deren Herkunft und Alter noch nicht endgültig bestimmt werden konnte. Während gewöhnliche Besucher kaum über die Ausstellungs­ räume hinausgelangen, werden fachkundigen Gästen und Wissenschaftlern alle Schätze des Museums zugänglich gemacht. Ihnen steht auch die Bibliothek mit den zahlreichen und oft seltenen Büchern zur Verfügung. Die sieben Mitarbeiter des Hauses beschäftigen sich in der Haupt­ sache damit, Teppiche und Stoffe mikroskopisch zu untersuchen. Diese sorgfältigen technischen Untersuchungen führten zu Ergebnissen, die mehr als einmal die Herkunfts- und Altersbestimmungen der Kunsthi­ storiker über den Haufen warfen. Obwohl in Skandinavien bedeutende gewebekundliche Untersuchungen und in Paris solche über die Farb­ methoden durchgeführt werden, ist die technische Analyse der Fasern, Gespinste, der Knüpf- und Webarten und der Stickereien, die im

- 8 - AMERIKA DIENST" 21 . August 1957 im Washingtoner Textil-Museum gemacht wird, verhältnismäßig neu. Muster reisen schneller als Techniken und Gewebe, und so sind die vom- Museum erarbeiteten Daten wertvolle Hilfen für die Herkunftsbe­ stimmung. So schrieb die Kuratorin Louisa Bellinger über ein bestimmtes Stück: "Die Fakten, die uns die Bestimmung dieses Teppichs erlaubten, gaben uns eine Idee von dem Kommen und Gehen von Gütern und Menschen auf den Karawanenwegen, die Marw, Bagdad, Bishapur und die ägyptischen Städte im Nildelta miteinander verbanden." Ein anderes Gebiet, auf dem das Musum Pionierarbeit geleistet hat, ist das Reinigen und Einfassen der alten Teppiche und Gewebe. Diese "archäo ogische Wäsche ' entfernt den manchmal jahrhundertealten Schmutz und stellt die Farben in ihrer ursprünglichen Frische und Leuchtkraft wieder her. Neuerdings ist das Museum damit befaßt, mit der Unterstützung von Ar häologen und Historikern einen Katalog seiner Schätze anzufertigen. Drei Bände sind bereits erschienen, insgesamt 21 sind geplant. Im Herbst "957 wird ein vierter Band über die "Kairoer Teppiche" fertiggestellt sein, andere über Teppiche und Textilien aus dem Kaukasus, dem Balkan, dem Vorderen Orient, Indien, China, Japan und Nordamerika sollen in kurzen Abständen folgen.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Das im oberen Bild gezeigte dreieckige Stück ist eine persische Arbeit aus dem 16. Jahrhundert und stammt von dem Zelt eines Fürsten. Es wurde im Jahre 1683 während der Belagerung Wiens erbeutet. Das Material ist metallblauer Seidensamt, auf dem ein palmblattartiges Muster rosarot leuchtet. (Unten) 1800 Jahre älter ist diese peruanis he Mantelverzierung. Mit Alpakawolle gestickte Schlangen winden sich auf rosenfarbigem baum­ wollenen Untergrund um Eidechsen und Mäuse. Die hervorragende peruani­ sche Sammlung des Museums enthält Stücke aus der Zeit des dritten vor­ christlichen Jahrhunderts bis hinein in das 18. Jahrhundert nach Chr.

2) Dieses zeremonielle Indonesische Gewand stammt von der Insel Bali und wurde in diesem Jahrhundert angefertigt. Die Wayang-Gestalten und der Baum des Lebens sind wasch- und lichtecht gefärbt.

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3) Unser Bild zeigt die peinlich genaue wissenschaftliche Sorgfalt, mit der die kostbaren Besitztümer des Textil-Museums behandelt werden. Das Museum erhielt dieses "bisher beste Beispiel eines Vorhangs aus der spät-romischen Zeit" in 29 verschmutzten und verschlissenen Bruchstücken, die auf Papier geheftet waren. Sie wurden gereinigt, geglättet und später auf einen Rahmen geheftet. Die beiden Personen auf unserem Bild benötigten für diese Arbeiten und für das Zusammensetzen fast 800 /Vrbeitsstunden.

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BÜRGERTUM UND GEBEFREUDIGKEIT TRAGEN NEW YORKS GROSSE ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK

NEW YORK - (AD) - Die New Yorker öffentliche Bibliothek an der Ecke Fifth Avenue-42. Straße ist die wahrscheinlich am meisten benutzte Bibliothek in der Welt. Sie wird fast völlig aus privaten Mitteln unter­ halten. Hier werden täglich mündlich, brieflich oder telefonisch über 10 000 Anfragen beantwortet. Rund 400 neue Bücher und 65O Zeitungen und Zeitschriften aus allen Teilen der Welt kommen jeden Tag neu herein. Auf den Regalen der Bibliothek stehen 3,6 Millionen Bücher. Unter den vielen Abteilungen der Bibliothek sollen hier nur die große Sammlung theaterwissenschaftlicher Literatur, die wissenschaft­ liche und technische Abteilung - eine der größten der Welt - und die Schallplattenabteilung genannt werden, in der Schallplatten ausgeliehen werden können. Erwähnenswert ist auch die Büchersammlung über das Leben und die Geschichte der Neger. In der Zeitschriftenabteilurtg liegen Zei­ tungen und Zeitschriften aus der ganzen Welt aus. Die Benutzung der Bibliothek ist kostenlos.

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GEDENKTAGE IM SEPTEMBER 1957

1 . September 1959 Beginn des zweiten Weltkrieges 1. • 1921 Erstes Schiff der ÄRA (American Relief Administration) landet mit 700 t Lebensmitteln an Bord in Petersburg 2. 1945 Ende des zweiten Weltkrieges: Japan unterzeichnet Waffenstillstandsvertrag auf dem amerikanischen Schlachtschiff 'Missouri" 2. 1957 Labor Day (Tag der Arbeit) in den USA 3. 1894 Labor Day wird Staatsfeiertag 5. 1774 Zusa mentritt des 1. Kontinentalkongresses in Philadelphia 6. 1860 Jane Addams, Vorkämpferin für die amerikanische Sozialreform, geboren (+1935) 7. 1860 "Grandma Moses" (Mary Robertson Moses) geboren 8. 1950 Das Technische Hilfsprogramm der Vereinten Nationen tritt in Kraft 8. 1951 Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen den Alliierten und Japan in San Francisco 10. 1892 Arthur H. Compton, amerikanischer Nobelpreisträger für Physik, geboren 12. 1880 Henry Louis Mencken, Journalist und Schriftsteller, geboren 13- 1851 Dr. Walter Reed, Entdecker des Gelbfiebererregers, geboren 13.-14- 1814 Francis Scott Key schreibt den Text der amerika­ nischen Nationalhymne während eines Bombardements von Fort McHenry 14. 1851 James Fenimore Cooper, amerikanischer Schrift­ steller, gestorben 15. 1857 William Howard Taft, 27. Präsident der USA, geboren 15. 1858 Erste Überlandpostverbindung St. Louis - San Francisco in Betrieb genommen 16. 1730 Friedrich Wilhelm von Steuben, amerikanischer General deutscher Herkunft, geboren 16. 1890 Ottmar Mergenthaler erhält das Patent für die erste Linotype-Setzmaschine 17. Seit 1952 Staatsbürgertag - zur Erinnerung an die Unterzeichnung der Verfassung in Philadelphia am 17. September 1787 17. September

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17« September 1852 Karl Schurz trifft in New York ein 17. " 1949 Erste Sitzung des Nordatiantikrates in Washington 18. " 1795 George Washington legt den Grundstein zum Kapito] 18. " 1851 "New York Times" erscheint zum ersten Male 19 • " 1865 Erster Pullman-Schlafwagen im Patentschutzr-.gister der USA eingetragen 19. " 1950 Vertrater der 18 OEEC-Staattn unterzeichnen in Paris das Abkommen über die Europäische ZahlungSuni on (EZU) 21. " 1784 "The Pennsylvania Packet and Dfliily Advertiser" erscheint in Philadelphia als erste Tageszeitung der USA 24. 1789 Der Oberste amerikanische Bundesgerichtshof tritt zur ersten Sitzung zusammen 25. " 1789 Amerikanischer Kongreß billigt "Bill of Rights" 26. " 1898 George Gershwin, amerikanischer Komponist, geboren (+1937) 28. M 1949 Der amerikanische Kongreß verabschiedet das Waffenhi"feprogramm für Europa 29. " 1789 Gründung des stehenden Heeres der Vereinigten Staaten 50. " .1949 Berliner Luftbrücke mit dem 277 264. Flug beendet

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE SCHALLPLATTE HATTE 80. GEBURTSTAG Im August 1877 wurde der erste Phonograph gebaut Ein Silberpapier sagt "Guten Morgen"

( 98 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Der Sommer 1877 war sehr heiß. Wochenlang lagerte drückende Hitze über Nordamerika und nur in Thomas Alva Edisons Werk­ statt war nichts von der allgemeinen Müdigkeit zu spüren. Vom frühen Morgen bis in die tiefe Nacht hinein saß der junge Erfinder angestrengt über einem Gerät, von dem er wußte, daß es ungeheures Aufsehen erregen würde. Es war eine Maschine, die sprechen konnte. Edison hatte bemerkt, daß sein Telegraph zu brummen begann, sobald er schnell lief. Wenn die Einprägungen im Papierstreifen Schallwellen hervorbringen konnten, so dachte er, warum sollte man dann nicht auch die viel heftigeren Schwingungen einer Membrane irgendwie festhalten können? Edison nahm eine kleine Membran und befestigte daran eine Nadel. Dann überzog er ein Stück Papier mit einer dünnen Paraffinschicht und bewegte es schnell an der Nadel vorbei, während er gegen die Membran laut "Hallo" rief. Dann zog er das Papier schnell noch einmal über die Nadel und die Membran wiederholte "Hallo". Edison hatte das wohl erwar­ tet, aber trotzdem war er nun von seinem Erfolg überwältigt. Gewiß, das Geräusch, das die Membran» machte, ähnelte nur ganz entfernt einem gesprochenen Wort, aber Edison war glücklich. An demselben Abend - es war der 18. Juli - schrieb Edison in sein Arbeitstagebuch: "... es ist gar kein Zweifel, daß es mir gelingen wird, die mensch- liche"Stimme festzuhalten und sie jederzeit wieder automatisch klar zu reproduzieren." "Mary hatte ein kleines Lamm..." Am 12. August ließ Edison seinen Werkmeister John Kruesi kommen und gab ihm eine Skizze. Der Werkmeister war sehr erstaunt. Der Plan

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Plan enthielt weder chemische noch elektrische Details. Es war kein Stückchen Draht und kein einziger Magnet darin vorgesehen. Kruesi machte sich an die Arbeit. Am nächsten Tag trug er das seltsam aussehende Ding zu Edison hinaus und stellte es auf seinen Tisch. Als Edison den Apparat schweigend betrachtete, konnte sich Kruesi schließlich nicht mehr zurück halten und fragte: "Wofür ist das?" Der Erfinder blickte auf, zwinkerte mit den Augen und sagte geheimnisvoll! "Es spricht". Kruesi starrte wortlos den Buchhalter Edisons, Will Carman, an, der gerade den Raum betreten hatte. Edison lächelte nachsichtig. Carman war sichtlich ungeduldig. Er wettete kühn um eine Kiste Zigarren, daß die Maschine nicht reden würde. Edison schmunzelte und sagte, daß er zwar im Augenblick kein Geld bei sich habe, daß er aber gern ein Faß Äpfel dagegen wetten wollte. Mit diesen Worten spannte er ein Stück Silberpapier über den Zylinder des kleinen Apparates und setzte die Nadel auf. Sodann drehte er eine kleine Kurbel und sprach langsam ge­ gen die Membran gewendet:

"Mary hatte ein kleines Lamm, Sein Fell war weiß wie Schnee, Und überall wo Mary war Blieb das Lamm in ihrer Näh* ."

Seine Kritiker blickten ihn mißbilligend an. Edison drehte den Zylinder wieder zurück, schloß seine Lippen fest und schaute die beiden an. Dann drehte er nochmals die Kurbel, und plötzlich hörte man aus der Maschine wieder die unverkennbare, hohe Stimme Thomas Alva Edisons: "Mary had a little lamb..." (Mary hatte ein kleines Lamm). Nicht nur die Besucher waren sprachlos, sondern auch Edison. Ein solch erstaun­ liches Ergebnis hatte selbst er nicht erwartet. Er war stets und mit gutem Grund sehr argwöhnisch gegenüber allem gewesen, was schon beim ersten Mal gut ging. "Wenn es so etwas wie ein Glück gibt", sagte er einmal, "dann bin ich der unglücklichste Mensch der Welt. Ich habe im Leben niemals einen wirklich glücklichen Griff getan. Wenn ich irgend etwas suche, dann finde ich zuerst immer alles das, was ich nicht brau­ chen kann und erst zum Schluß das, was ich gesucht habe". Der Phonograph aber, der mit den Worten "Mary hatte ein kleines Lamm..." in die Welt getreten war, war die Ausnahme! Schon "AMERIKA DIENST" 28. August 1957

Schon am nächsten Morgen waren alle Zweifel verflogen. Edison fuhr nach New York und begab sich in die Redaktion des*Scientific American", mit dessen Chefredakteur er befreundet war, und überraschte ihn damit, daß er ihm seine Maschine wortlos auf den Tisch stellte und sie statt seiner sagen ließ: "Guten Morgen. Was halten Sie vom Phono­ graphen?" Mit Windeseile verbreitete sich in der ganzen Redaktion die Nachricht, daß Edison eine Maschine mitgebracht habe, die sprechen könne. Im Nu standen die Leute dichtgedrängt um den Schreibtisch und hörten mit Staunen den Kinderreim "Mary hatte ein kleines Lamm, sein Fell war weiß wie Schnee..." rezitiert von einem kleinen Stück Silber­ papier. Wenige Erfindungen sind so schnell in den Mittelpunkt des allge­ meinen Interesses gerückt wie der Phonograph. Nach Menlo Park, dem Wohnsitz Edisons, mußten Sonderzüge geführt werden. Aus aller Welt kamen Wissenschaftler, um das neue Wunder zu betrachten, und sie kehr­ ten voll Lob zurück. Offiziell begann das Zeitalter der Tonkonserve am 15« Dezember 1877» als das Patentansuchen eingereicht wurde. Es wurde sofort und ohne Nachforschungen angenommen, da man noch niemals von etwas Ähnlichem gehört hatte. Mehr Oberflächengeräusche als Musik Achtzig Jahre sind in der Kulturgeschichte keine lange Zeitspanne. Dennoch hat die Schallplattenindustrie während dieser Zeit einen unge­ heuren Beitrag zum Musikleben geleistet und eine erstaunliche Entwick­ lung durchgemacht. Freilich, Edisons Apparat war noch recht kümmerlich und primitiv. Aber schon 1887 drehte sich zum erstenmal eine wirkliche Schallplatte und versetzte Nadel und Klangmembran in Schwingungen. Der Schöpfer dieser Neuerung war Emile Berliner, einer der bedeutendsten Pioniere des Schallplattenwesens. Er stellte zuerst Metallplatten mit einem Überzug her, auf der die Aufnahme eingeritzt wurde, worauf die Platte in einem Säurebad ihre endgültige Form erhielt. Von dieser Platte wurden dann Kopien aus einem Hartgummimaterial gemacht, die man auf dem Grammophon abspielen konnte. Trotzdem waren die von der Säure tief­ geätzten Klangrillen noch so uneben, daß der Zuhörer mehr Oberflächen­ geräusche vernahm als aufgenommene Töne, und so wurde das Grammophon von den meisten Beobachtern bestenfalls als ein interessantes Spielzeug

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Spielzeug betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt begann sich der Fahrradme­ chaniker Eldridge R. Johnson aus New Jersey mit dem Schallplattenwesen zu beschäftigen, und er schuf das Grammophon, wie wir es heute kennen. Caruso gab der Schallplatte Starthilfe Es ist nun mehr als 50 Jahre her, daß das Grammophon salonfähig wurde und auch bedeutende Musiker begannen, es wirklich ernstzunehmen. Die Schallplattenfirma "Victor", die der ehemalige Fahrradmechaniker aus New Jersey gegründet hatte, errichtete 1905 in New Yorks berühmtem Konzertsaal Carnegie Hall ein Schallplattenstudio und machte Aufnahmen von Qpe rnsängern. Bald kam kein geringerer als Enrico Caruso in das Aufnahmestudio, und bereits im Februar 1904 wurden zehn Platten des großen Sängers - der damals übrigens noch nicht lange an der New Yorker Metropolitan-Oper war - aufgenommen, darunter Arien aus Rigoletto und Aida. Die Firma "Victor" hatte die letzte Seite der Zeitschrift "Saturday Evening Post" gekauft, um ihre Carusoplatten anzukündigen. Von jenem Zeitpunkt an konnte man über die Zukunft der Schallplatten nicht mehr länger im Zweifel sein. Öffentliche Diskotheken in den USA In den letzten Jahren haben die Aufnahmegeräte eine große technische Vollkommenheit erreicht und das Schallplattengeschäft hat einen enormen Aufstieg erlebt, der auch durch den Siegeszug des Fernsehens kaum beein­ trächtigt wurde. Seit der Erfindung der Langspielplatte werden in zuneh­ mendem Maße auch literarische Werke auf Schallplatten aufgenommen,und in den meisten öffentlichen Bibliotheken der USA können heute Schall­ platten ebenso kostenlos entliehen werden wie Bücher. In jedem Katalog der amerikanischen Schallplattenindustrie finden sich neben der typischen Unterhaltungsmusik alle klassischen Werke in vielen verschiedenen Wieder­ gaben und die meisten modernen Komponisten. Fast 200 Opern wurden bisher ohne jede Kürzung auf Schallplatten aufgenommen. Wenn so die Begeisterung und das Interesse für ernste Musik in Europa und Amerika heute weiter verbreitet ist als je zuvor, so ist das nicht zuletzt das Verdienst Thomas Alva Edisons und seines sprechenden Silberpapiers. ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bilds Der junge Thomas Alva Edison mit dem ersten von ihm entwickelten Phono­ graphen, der heute in der "National Academy of Science" in Washington aufbewahrt wird. - _ _ „. -

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Amerikanisch-belgische Gesellschaft für Kerntechnik gegründet

( 9 Zeilen) Die Nuclear Development Corporation of America (NDA) hat zusammen mit zwei großen belgischen Konzernen eine neue Gesellschaft unter dem Namen "NDA Europe" mit Sitz in Brüssel gegründet, deren Ziel es ist, die Entwicklung der nuklearen Energie und nuklearen Technik in den europäischen Ländern weitgehend und rasch zu fördern. Europäische Un­ ternehmen und Organisationen können durch sie Ausrüstungen beziehen oder sich von ihr in bezug auf Bau und Betrieb entsprechender Anlagen beraten beziehungsweise Fachleute vermitteln lassen. Ferner wird sie Kontrakte über die Herstellung von Ausrüstungen an europäische Firmen vergeben.

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Malariamittel gegen Arthritis

( 13 Zeilen) Versuche einer internationalen Forschergruppe von Ärzten aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Rumänien haben ergeben, daß Chloroquin, das eigentlich ein Malaria-Bekämpfungsmittel ist, in 70 Prozent der Fälle von rheumatoider Arthritis außerordentlich gut anschlägt. Im Gegensatz zu Cortison, das zwar in kürzester Zeit die Entzün­ dungsprozesse in den Gelenken unterbindet und dem Patienten eine objek­ tive Besserung bringt, bei Aussetzen der Behandlung jedoch keine nach­ haltige Wirkung zeigt, scheint Chloroquin den Krankheitsprozeß im Körper alsCGanzes zu attackieren. Es kommt nicht wie bei Cortison.zu einem auffallenden Rückgang der Gelenkschwellungen und Schmerzen schon in der ersten Phase der Behandlung, jedoch vermag dieses Mittel, über einen Zeitraum von mehreren Monaten gebraucht, die periodischen Verschlimme­ rungen im Zustand des Patienten zu unterbinden. *

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Maschinelle Fertigung von Diamantnadeln

( 8 Zeilen) Ein neues Verfahren zur maschinellen Herstellung von Diamantnadeln für Plattenspieler ist von Walco Products, Inc., in East Orange (New Jersey) entwickelt worden. Es ermöglicht im Gegensatz zu der bisher üblichen zeitraubenden Fertigung von Hand, wobei die Nadeln mit Hilfe kleiner Diamanträdchen auf ihre endgültige Form geschliffen wurden, eine billige Massenproduktion bei großer Zeitersparnis. Die Anwendung des in zweijähriger Versuchsarbeit vervollkommneten Verfahrens dürfte einen wesentlichen Preisrückgang bei Diamantnadeln zur Folge haben.

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Trockenzellen-Miniaturbatterie

( 5 Zeilen) Eine winzige Trockenzellenbatterie von der Größe einer Damenarm­ banduhr, die immer wieder aufgeladen werden kann und eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren hat, wurde von einer wissenschaftlichen Ab­ teilung der US-Seestreitkräfte entwickelt. Sie kann als Kraftquelle für Kofferradios, Hörgeräte und andere kleinste elektronische Geräte ver­ wendet werden.

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Additiv für Flugbenzin

( 10 Zeilen) Ein neuer Zusatzstoff zu Flugbenzin, der die Leistung von Turbo- Prop-Motoren bis um 20 Prozent zu erhöhen vermag, wurde von der ameri­ kanischen Ethyl Corporation entwickelt. Das Additiv "AK-33X", eine organische Manganverbindung, erhöht den Wirkungsgrad der Verbrennungskammern von Flugzeugen etwa des Typs "Lockheed Super Constellation" oder "Douglas DC-7" und steigert deren Reisegeschwindigkeit bei geringfügigen Veränderungen am Motoraggregat um

- 6 - "AMERIKA DIENST" 28. August 1957 um etwa 40 Stundenkilometer. Die Curtiss-Wright-Motoren dieser Ma­ schinen haben 18 Zylinder und drei eingebaute Turbinen, die die Abgase verbrennen. *

Qualitätspapier aus Bambus

( 9 Zeilen) Versuche der forstlichen Forschungsanstalt Madison im amerikani­ schen Staat Wisconsin, Bambus als Ausgangsstoff für die Papiergewinnung zu verwenden, sind erfolgreich abgeschlossen worden. Nach den Erfahrungen des Instituts ist die Reissfestigkeit von Bambuspapier verhältnismäßig hoch und es läßt sich ebenso gut bleichen wie das beste Papier, das aus nordamerikanischem Hartholz hergestellt wird. Die Forstverwaltung legt den amerikanischen Farmern nahe, Bambus in größerem Umfang anzubauen, da Bambusrohr schnell wächst und eine hohe Faserausbeute ergibt.

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Hitzbeständige Glasfasern im Flugzeugbau

( 6 Zeilen) Glasfasern mit einer Hitzbeständigkeit von 276O Grad Celsius und mehr, die als Werkstoff in Düsenflugzeugen Verwendung finden sollen, werden jetzt in den USA hergestellt. Man gewinnt sie direkt aus schwer zu erschmelzenden Oxyden, Mineralen und Gemischen aus beiden unter Umgehung des Glasschmelzofens, der den hierbei erforderlichen Tem­ peraturen nicht standzuhalten vermag.

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- 7 - "AMERIKA DIENST" 28. August 1957 folgenden Äußerungen wieder! "Ich brauche die Bildhauerei, sie ist ein Teil meines Lebens gewor­ den. Die Menschen haben oft keine Vorstellung davon, wie ein Arzt wäh­ rend einer Operation buchstäblich aufgerieben werden kann. Eine Gehirn­ operation kann erschöpfen. Man kommt dann nach Hause und kann nichts Wissenschaftliches mehr arbeiten. Der Kopf ist wie leergefegt. Man ist zu erschöpft,um schlafen zu können. Dann gehe ich in mein Atelier. Ich nehme ein Stück Ton und beginne daran zu arbeiten. Dabei löst sich alles in mir. Der Körper erholt sich, die Nerven beruhigen sich, und ich bin wieder ich selbst. Eine Porträtbüste ist die für die Nachwelt festgehaltene biographisch Skizze von einer Persönlichkeit. Konsequenterweise muß sie daher mehr als nur äußerliche Ähnlichkeit haben. Sie muß den ganzen Menschen zeigen, den wahren Charakter, sein Leben, seine Ziele, seinen Geist, den Umfang seines Denkens, seine Stärke und seine Schwäche. Sein ganzes Leben soll in dem Gesicht stehen. Ich kann meine Gesichter langsam entstehen lassen. Auf Bestellung zu arbeiten, wie es viele Künstler tun müssen, muß ein schreckliches Le­ ben sein. Der Gehirnchirurg studiert ein ganzes Leben lang die Gesichter sei­ ner Patienten. Für die Diagnose mancher Krankheiten des Gehirns und des Nervensystems gibt es zahlreiche Methoden, es gibt aber geistige Ver­ wirrungen und Gehirnschädigungen, für die es keine diagnostischen Hilfs­ mittel gibt und bei denen es allein auf die sorgfältige Beobachtung des Arztes ankommt. Das Antlitz des Kranken lehrt viel, denn es ist ein Ge­ sicht bar jeder Ausflucht und Heuchelei, auf dem die Eitelkeit ausge­ löscht ist. Es ist ein Gesicht, das gezeichnet ist von Schmerz, Angst und der verzweifelten Hoffnung auf Hilfe. Diese Gesichter haben mich viel mehr den Charakter und die Triebkräfte meiner Modelle lesen gelehrt als das Studium vieler Lehrbücher der Kunst. So wie die Gesichter meiner Patienten mit den Jahren mein medizinisches Lehrbuch geworden sind, so wurde das Antlitz meiner Modelle mein Lehrer in der Kunst."

Aus: American Artist - Quellenangabe erforderlich -

ACHTUNG! "AMERIKA DIENST" 28. August 1957

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Dr. Emil Seletz mit dem von ihm geschaffenen Lincoln-Kopf

2) In diesen Lincoln-Kopf hat Dr. Seletz seine Auffassung von dem Charakter des großen Staatsmanns hineingearbeitet.

3) Ein Blick in das Atelier von Dr. Seletz.

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UNGARISCHE TÄNZER FÄNDEN IN AMERIKA EINEN NEUEN START

( 10 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die früheren Solotänzer an der ungarischen Staats­ oper in Budapest, Vera Pasztor und Ernö Vashegyi, die aus ihrer Heimat fliehen mußten, gaben jetzt in Ellenville (New York) ihren ersten Tanz­ abend, der von über 2500 Menschen besucht war. Anläßlich des Empire State Music Festival bestritten sie mit drei Schöpfungen eigener Choreographie ein Abendprogramm, das mit dem Tanz "Ein Sommertag" nach der Musik von Prokofieff eröffnet wurde. Es folgten "Der Nachmittag eines Faun" von Debussy und "Der wunderbare Mandarin" von Bela Bartok. Es spielte das "Symphony of the Air"-Orchester, das frühere Orchester Arturo Toscaninis bei NBC, unter der Leitung von Tibor Serly.

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- 10 - "AMERIKA DIENST" 4. September 1957

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DIE UNGARISCHEN GEFÄNGNISSE SIND MIT POLITISCHEN HÄFTLINGEN ÜBERFÜLLT

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NEW YORK - Tausende von politischen Häftlingen in den ungarischen Zwangsarbeitslagern, Gefängnissen und anderen Haftanstalten sind eine stete Erinnerung an die Brutalitätr mit der die Kommunisten den Frei­ heitskampf der Ungarn im vergangenen Jahr niedergeworfen haben. Augenzeugenberichte von Flüchtlingen, die in jüngster Zeit erst aus Ungarn gekommen sind, geben ein lebendiges Bild von der Bestrafung aller jener durch das von den Sowjets kontrollierte Regime Kadar, die am Freiheitskampf teilgenommen hatten oder der Beteiligung verdächtig sind. Dieser Sachverhalt wird auch in dem mehr als 50"0 Seiten umfassen­ den Bericht des US-Sonderausschusses für die Ungarnfrage klar dokumen­ tiert, dem Vertreter Australiens, Ceylons, Dänemarks, Tunesiens und Uruguays angehörten. Während der UN-Ausschuß sich entschloß, keine detaillierten An­ gaben über die von den Zeugen mitgeteilten Grausamkeiten zu machen, läßt eine Analyse von zuverlässigen Berichten erkennen, was die Opfer der Brutalität der AVH, der ungarischen Geheimpolizei, mitgemacht haben. Diese Berichte sind der unwiderlegbare Beweis dafür, daß die Arbeitslager, Gefängnisse und anderen Haftanstalten mit Tausenden von politischen Gefangenen überfüllt sind. Hieraus ergibt sich auch, daß zusätzlich zu jenen Lagern, die während der kurzen Zeit politi­ scher Amnestien vorübergehend geschlossen worden waren, neue einge­ richtet wurden, um die Scharen der nach dem Aufstand verhafteten Frei­ heitskämpfer aufzunehmen. Die Internationale Juristen-Kommission in Den Haag, die beraten­ den Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen inne­ hat, veröffentlichte kürzlich eine Untersuchung über die Verhältnisse in Ungarn nach dem Aufstand vom vergangenen Jahr. Die Untersuchungs-

1 "AMERIKA DIENST" 4. September 1957

Untersuchungsergebnisse bestätigen die Feststellungen des UN-Sonder­ ausschusses für die Ungarnfrage und enthalten noch vieles neue und auf­ schlußreiche Material. Nach den sehr vorsichtigen Schätzungen der Internationalen Juri­ sten-Kommission werden in ungarischen Gefängnissen und Konzentrations­ lagern gegenwärtig neben etwa 12 700 Freiheitskämpfern, die im Zuge des Aufstandes befreit worden waren und inzwischen wieder verhaftet worden sind, mehr als 20 000 politische Häftlinge festgehalten. Nach anderen Schätzungen beläuft sich die Gesamtzahl der politischen Häftlinge auf 40 000 bis 60 000, wobei in dieser Zahl allerdings voraussichtlich ein Teil der zwangsweise nach der Sowjetunion deportierten politischen Gefangenen eingeschlossen sein dürfte. Die Juristen-Kommission schätzt die Zahl der Deportierten auf fast 35 000 und die Zahl der Hingerich­ teten auf 5000. Nach Informationen aus ungarischen Quellen, die der Juristen-Kommis­ sion vorliegen, hat die Terrorjustiz in Ungarn noch immer nicht nachge­ lassen, sondern sich sogar noch verschärft. Besondere Standgerichte, sogenannte Volkstribunale, deren Mitglieder meist keinerlei juristische Ausbildung aufweisen, üben in Ungarn "Justiz" im kommunistischen Stil. In einigen Fällen haben sie Personen, die vorher von den gegen sie er­ hobenen Anklagen freigesprochen worden waren, zu schweren Strafen ver­ urteilt und verschiedentlich das Strafmaß bereits abgeurteilter Personen willkürlich heraufgesetzt. Da die meisten ungarischen Juristen die Mitwirkung an diesen Pseu- do-Gerichtsverfahren ablehnen, wurde für die Volkstribunale die Regelung getroffen, daß jeweils nur eines der fünf Mitglieder des Gerichtshofes VollJurist zu sein braucht. Die AVH unterhält fast 100 politische Gefängnisse, die über das ganze Land verteilt sind. Es bestehen fei'ner 27 Zwangsarbeitslager und mindestens acht große Internierungslager. Darüber hina s wurden noch weitere vier Untersuchungsgefängnisse ermittelt, in de.en die Po­ lizei Folterungen vornimmt. In einem der berüchtigtsten Internierungslager, das bei Kistarcsa, östlich von Budapest, gelegen ist, werden gegenwärtig etwa 8000 bis 10 000 Gefangene festgehalten. Das Lager ist ein Sammelpunkt für

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für ehemalige Mitglieder der Revolutionskomitees und Arbeiterräte, die von der Regierung Kadar nach der militärischen Intervention der Sowjet­ union in Ungarn verboten worden sind. Vorliegende Berichte bestätigen, daß das Lager Kistarcsa gegen­ wärtig noch erweitert und daß ein weiteres derartiges Lager für 10.000 bis 15 000 Insassen unweit Szeged, 200 km südöstlich von Budapest, neu angelegt wird. Ein weiteres Internierungslager besteht in Jaszbereny. In der näheren Umgebung Budapests wurden vier Folterkammern der AVH ausfindig gemacht, von denen anzunehmen ist, daß sie gegenwärtig wieder benutzt werden. Zwei der übelsten politischen Gefängnisse sind in Marianosztra, 70 km nördlich Budapests, und in Kalocsa, etwa 120 km südlich der un­ garischen Hauptstadt, gelegen. Die Haftdauer der politischen Gefangenen in den Gefängnissen und Internierungslagern schwankt je nach den gegen sie erhobenen Beschul­ digungen; zum Teil wurden die Haftstrafen von Gerichten ausgesprochen, zum Teil werden die Häftlinge einfach auf Grund irgendwelcher Verdäch­ tigungen auf unbestimmte Zeit festgehalten. Bei einer kleineren Anzahl von Häftlingen handelt es sich um Personen, die vorübergehend zur Vernehmung durch die AVH inhaftiert wurden. Nach Berichten aus zuverlässiger Quelle dient das Budapester Fo Utca-Gefängnis der Unterbringung von politischen Gefangenen, die von der AVH verhört werden sollen oder deren Fälle noch in der Schwebe sind. Im Gyujtofoghaz-Gefängnis in Budapest wurden im Frühjahr 1957 bis zu 15 000 Personen unter dem Verdacht der Planung eines neuen Auf­ standes festgehalten. Ein Vergleich der Angaben über die Zahl der Verhaftungen in Städten und in ländlichen Gebieten läßt erkennen, daß der weitaus größere Teil der Häftlinge vom Lande stammt. In nahezu jedem Dorf wurden zwischen drei und fünfzehn Einwohner durch die AVH verhaftet. Die Gesamtzahl der aus den Dörfern weggehol­ ten Personen wird mit 55 000 angegeben. In den Kleinstädten, in denen die Aufständischen besonders aktiv waren, hat die Polizei durchschnitt­ lich 60 bis 80 Verhaftungen einflußreicher Persönlichkeiten vorgenommen. Es

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Es entspricht den derzeitigen Gepflogenheiten, daß alle Inhaftier­ ten durch Mitglieder der AVH verhört werden, die nichts unversucht las­ sen, um belastendes Material gegen alle jene in die Hände zu bekommen, die aktiv am ungarischen Aufstand teilgenommen haben. Die Berichte ehemaliger Häftlinge gehen sämtlich darin einig, daß die Haftanstalten ganz allgemein in geradezu skandalöser Weise überbe­ legt sind. Säle, die für die Aufnahme von 80 Gefangenen berechnet sind, werden häufig mit mehr als 200 Häftlingen belegt. Nur wenige Häftlinge verfügen über eine zweite Garnitur Sträflingskleidung, es herrscht ein ständiger Wassermangel, und die sanitären Verhältnisse sind menschen­ unwürdig. Die Verpflegung ist nach Aussagen entlassener Häftlinge schlecht zubereitet und ohne jegliche Abwechslung. Sie besteht im we­ sentlichen aus Bohnen, Kohl und schwerem, nassen Schwarzbrot. Zahlreiche ehemalige Häftlinge der Internierungslager weisen noch die Male der Folterungen durch die AVH auf. Das traurigste Kapitel aber der derzeitigen Lage in Ungarn ist das Fehlen jeglicher Nachrich­ ten von Tausenden von Freiheitskämpfern, die nach dem Aufstand in die Gefängnisse geworfen worden sind. Über ihr Schicksal ist bisher nichts bekannt geworden. (Hierzu 1 Schaubild)

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FERNSEHEN UND FILME ANSTELLE FEHLENDER LEHRKRÄFTE Amerikanisches Unterrichtswesen geht neue Wege - Vollsemestripes Universitätsstudium vor dem Fernsehschirm - Andrang zu den Hochschulen und Mangel an Lehrkräften verantwortlich Von Norman Smith

( 98 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Das amerikanische Erziehungs- und Unterrichts­ wesen wird in Kürze um einen neuen und interessanten Aspekt bereichert werden. Zwei Giganten auf dem Sektor der Massenunterhaltung, die Film- und Fernsehindustrie, bereiten gegenwärtig umfangreiche Pläne vor, um sich in Zukunft noch stärker als bisher in den Schulunterricht einzu­ schalten. Die Initiative zu diesem Schritt ging allerdings nicht von diesen beiden Wirtschaftszweigen aus, sondern von den Erziehern selbst. Der Grund: die Verantwortlichen für das amerikanische Erziehungs- und Un­ terrichtswesen sehen sich gegenwärtig dem schwierigen Problem gegenüber, von Jahr zu Jahr mehr Schüler unterrichten zu müssen, weil einerseits die Neuzugänge erheblich größer sind als in den vergangenen Jahrzehnten, und weil zum anderen die amerikanischen Jungen und Mädel heute länger zur Schule gehen müssen als früher. Es ist allgemein anerkannt, daß die besten Unterrichtserfolge in solchen Klassen erzielt werden, die nicht übermäßig groß sind und in denen ein enges Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern besteht. Lei­ der ist es jedoch heute im Zeichen einer starken Bevölkerungszunahme und Bevölkerungskonzentration, besonders in den Städten, nicht immer möglich, dieses wünschenswerte enge Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern aufrechtzuerhalten. Um aber in Anbetracht dieser Entwicklung, die in den kommenden Jahren noch akzentuierter in Erscheinung treten dürfte, allein das derzeitige Verhältnis zwischen Lehrer und Klassenstärke aufrechterhalte^' -^

f - 5 - "AMERIKA DIENST" 4. September 1957 aufrechterhalten zu können, wäre ein Doppelzweckprogramm erforderlich, das einerseits den Bau neuer Schulen und andererseits die Gewinnung und Ausbildung neuer Lehrkräfte zum Gegenstand hat. Aber selbst wenn die finanziellen Mittel zum Bau neuer Schulen und Unterrichtsstätten vorhanden wären, so dürfte nach Ansicht vieler Erzieher doch der zweite Teil des Programms kaum realisierbar sein. Aus diesem Grunde hat man inzwischen eine Alternativlösung aufgegrif­ fen, um auf verschiedene Weise die modernen "Unterrichtswerkzeuge" Film und Fernsehen voll für den Schulunterricht und die Universitäts­ ausbildung auszuschöpfen. Einige bemerkenswerte Fortschritte konnten auf diesem Wege schon erzielt werden. So an der Staatsuniversität von Pennsylvanien und an der Oberschule in Hagerstown (Maryland), wo man den Fernsehdrahtfunk für Unterrichtszwecke heranzog, sowie an verschiedenen Colleges in San Francisco und Chicago, die ihren Studenten Fernsehkurse in ver­ schiedenen Fächern vermitteln, für die sogar Testate erteilt werden. Auch die Universität von New York will im September ähnliche Kurse beginnen. Insgesamt strahlen heute bereits 24 Fernsehstationen in den USA Unterrichtsprogramme aus. Ein ganz neuartiges und von den bisherigen Formen abweichendes Unterrichtsverfahren will die Universität von Detroit ebenfalls im nächsten Monat versuchsweise beginnen. Sie beabsichtigt, einen kom­ pletten Semesterkursus in fünf verschiedenen Fächern über Fernsehen auszustrahlen, der von den Studierenden zu Hause vor dem Fernsehschirm mitgesehen werden kann. Auch hier ist beabsichtigt, den Kursusteilneh­ mern nach erfolgreicher Absolvierung das Semestertestat zu erteilen. Die Detroiter Universität weist als Begründung für diesen ungewöhnlichen Schritt auf die Tatsache hin, daß in den nächsten zehn Jahren die Zahl der zum Universitätsstudium Zugang.suchenden Studenten in den Vereinigten Staaten rund doppelt so hoch sein dürfte wie heute und daß es dann un­ möglich sein wird, so viele qualifizierte Lehrkräfte zu bekommen, damit der erweiterte Lehrbetrieb ohne Gefährdung des Unterrichtsniveaus durch­ geführt werden kann. Die Universität steht weiter auf dem Standpunkt, daß dieses Problem nur durch den Einsatz anderer Lehrmittel, wie etwa das Fernsehen, gelöst werden kann. ,

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Die angekündigten Studienkurse werden täglich von Montag bis Frei­ tag für jeweils drei Stunden lang ausgestrahlt werden. Die Fernsehstu­ denten selbst werden die Universität nur ein oder zweimal in der Woche aufsuchen, und sich dort mit den Professoren persönlich zu unterhalten oder zusammen mit den anderen Studenten an Diskussionen, Seminaren oder Prüfungen teilzunehmen. Bei diesem Projekt handelt es sich auf alle Fälle erst einmal um einen Versuch. Denn, wie auch die Universität Detroit betont, ist ein vierjähriges Universitätsstudium am Fernsehschirm immer noch Zukunfts­ musik. Dennoch aber kann dieses Experiment im nächsten akademischen Jahr wertvolle Aufschlüsse und Hinweise für die künftige Arbeit in die­ ser Richtung gebend Die Detroiter Vorlesungen werden wahrscheinlich nur in Life-Sen­ dungen ausgestrahlt werden, obwohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß man sie auch gleichzeitig auf Film für spätere Verwendungs­ zwecke aufnimmt. Gerade die Fernsehsender besitzen in dieser Hinsicht schon eine gute Erfahrung, wie man derartige Streifen wieder gut für Unterrichtszwecke einsetzen kann,obwohl sie bislang lediglich mit Strei­ fen zu tun hatten, die für den Schulunterricht bestimmt waren. Die Verwendung von Filmen für Unterrichtszw#cke ist natürlich kein neuer Aspekt; der größte Hersteller von Unterrichtsfilmen in den USA ar­ beitet bereits seit 28 Jahren auf diesem Gebiet. Allerdings war der In­ halt dieser Filme bisher nur auf solche Stoffe und auf solches Anschau­ ungsmaterial beschränkt, das den Klassen anderweitig nicht zur Verfügung stand, wie etwa physikalische Versuche, die komplizierte Geräte erfor­ dern und schwierig in der Durchführung sind. Oder wie es ein Hersteller von Unterrichtsfilmen formulierte: "Ein Lehrer ist zwar durch nichts zu ersetzen, aber es gibt einige Dinge, die ein Film so vermittelt, wie es der Lehrer nicht kann." Nun, eine neue Är.a, im Filmunterricht wurde inzwischen mit der Ver­ filmung des gesamten Physikunterrichtsstoffes für ein ganzes Oberschul- Schuljahr eingeleitet. Dieser aus insgesamt 162 Unterrichtsstunden be­ stehende Film ist in erster Linie für solche Gebiete gedacht, in denen es an qualifizierten Physiklehrern mangelt. Hergestellt wurde er unter

- 7 - "AMERIKA DIENST" 4. September 1957 unter der Anleitung von Professor Harvey White, einem bekannten Physi­ ker der Universität von Kalifornien. Ähnliche Filme in anderen Unterrichtsfächern befinden sich gegen­ wärtig in Vorbereitung, und die Zeit dürfte nicht mehr fern sein, daß Schüler selbst in den Landschulen der abgelegensten Teile der Vereinig­ ten Staaten von hochqualifizierten Lehrkräften - durch den Film - unter­ richtet werden. Aber auch schon in absehbarer Zukunft dürften Film- oder Fernseh­ unterricht eine bedeutende Rolle im amerikanischen Unterrichtswesen spielen. Ob jemals der Nachschub an Lehrern mit dem ständig steigenden Bedarf wird Schritt halten können, läßt sich im Moment nur schwer voraussagen. Aber auf alle Fälle werden für die Gegenwart diese neuen Lehrmittel einen wertvollen Ersatz für die Lehrer darstellen, an denen es so mangelt.

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1) Insgesamt 28 Fernsehstationen in den USA strahlen heute bereits Unterrichtsprogramme aus. Hier verfolgen die Jungen und Mädchen einer Volksschulklasse einen physikalischen Ver­ such auf dem Bildschirm.

2) Die Raumnot, bedingt durch die ständig ansteigende Zahl der Studierenden, hat verschiedene Universitäten der USA schon seit langem veranlaßt, sich nach neuen Lehrmöglichkeiten um­ zusehen. In diesem Hörsaal wurden zum Beispiel sechs Fernseh­ geräte an verschiedenen Stellen des Saales aufgestellt, um den Studenten die Möglichkeit zu geben, die Versuche einge­ hend verfolgen zu können. Die Detroiter Universität wird ab Herbst dieses Jahres sogar einen vollkommen neuen Weg beschreiten und versuchsweise den gesamten Lehrstoff eines Semesters in fünf verschiedenen Fächern über den örtlichen Fernsehsender ausstrahlen.

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DAS WAHLRECHT DER NEGER SOLL UNANTASTBAR WERDEN Der amerikanische Kongreß verabschiedete die "Civil Rights Bill" Von John Kerigan

( 90 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Nachdem Senat und Repräsentantenhaus wochen­ lang eine abwartende Haltung eingenommen haben, traf der Kongreß jetzt eine Entscheidung von wirklich geschichtlicher Bedeutung. Senat und Repräsentantenhaus stimmten in den letzten Tagen endgültig dem Gesetz über die Bürgerrechte (Civil Rights Bill) zu; und obwohl der lange andauernde Kampf um diese bedeutende politische und soziale Frage mit einem Kompromiß endete, verspricht das Gesetz eine gute Arbeits­ grundlage zu werden. Es ist ein Kompromiß in dem Sinne, daß seine Befürworter im Kon­ greß der südlichen Obstruktion den Wind aus den Segeln nahmen (sie gewannen sogar die Unterstützung einiger Kongreßmitglieder aus dem Süden) und dadurch die nördlichen Liberalen zu einigen Konzessionen veranlaßten, die diese zuerst verweigert hatten. Als es aber zu der grundsätzlichen Entscheidung darüber kam, ob ein Gesetz über die Bürgerrechte geschaffen werden sollte oder nicht, da war die überwältigende Stimmung für, und nicht gegen ein solches Gesetz. Hierin liegt ein Maßstab für die gegenwärtige Stimmung im Lande za iie r Frage. Der schwierige Kompromiß zeigt ferner, wie entschlos­ sen di Verfechter dieses Gesetzes gearbeitet haben, um die Opposition zu ü i :rwinden. Dieses Gesetz ist das erste in 82 Jahren, das gewisse Rechte, die schon lange vorher in der Verfassung verankert waren, durch einen Modus operandi bekräftigt und ihre strikte Beachtung sichert. Mit dem Gesetz ist in erster Linie beabsichtigt, die Bundesre­ gierung und die Bundesgerichtsbarkeit in größtenteils regionale Probleme

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Probleme'einzuschalten: die Verteidigung des Wahlrechts der Neger im Süden der USA. Es stellt der Bundesregierung zwei neue Aufgaben. Die eine ist die Bildung einer Kommission für die Bürgerrechte mit Ver­ tretern beider Parteien, die zwei Jahre lang die Situation der Neger studieren und dazu Empfehlungen machen soll; möglicherweise Empfeh­ lungen für den Erlaß neuer Gesetze. Die andere Aufgabe ist die Schaffung einer neuen Abteilung für Bürgerrechte im Justizministerium, der ein neu zu ernennender Unter­ staatssekretär vorstehen wird. Sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat haben diesen beiden neuen Institutionen ihre Zustimmung gegeben. Was sie abgelehnt haben, war die Ausweitung des Gesetzes. Diese Frage ist nun dahingehend erledigt, daß es auf das bedeutungsvollste der Bürgerrechte, nämlich das Wahlrecht, beschränkt wurde. Uneinigkeit herrschte außerdem über die Art des Gerichtes, das Ungehorsam gegen gerichtliche Anordnungen zum Schutz des Wahlrechts bestrafen soll. An dieser Frage drohte das Gesetz eine Zeitlang zu scheitern.als die Vertreter des Südens auf einem Geschworenengericht bestanden, ihre Opponenten aber betonten, daß mit weißen Bürgern des Südens besetzte Geschworenengerichte das Gesetz gegenstandslos machen würden. Der erarbeitete Kompromiß sieht nun nur bei schweren Verstößen Geschworenengerichte vor und gibt den Richtern des Bundesgerichts bedeutende Vollmachten. Das Gesetz bestimmt, daß in den Fällen einer sogenannten zivil­ rechtlichen Mißachtung des Gerichts (Countanpt of Court), wenn also das Gericht versucht, den Gehorsam gegenüber dem Gesetz zu erzwingen, keine Geschworenenbank erforderlich ist. In den Fällen eines strafrechtlichen Contempt of Court, wenn der Richter also Verstöße gegen seine Anordnungen strafrechtlich ahnden will, entscheidet er selbst, ob der Fall vor ein Geschworenen­ gericht kommen soll. Er braucht die Sache nicht vor ein Geschworenen­ gericht zu bringen, wenn die zu erwartende Strafe nicht höher ist als 45 Tage Haft oder 300 Dollar Geldstrafe. Handelt

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Handelt es sich um einen schweren Fall, dann muß er die Geschwo­ renenhank einberufen. Verhängt er ohne eine Geschworenenbank höhere Geldstrafen, dann kann der Verurteilte einen neuen Prozeß verlangen, dieses Mal vor einem Geschworenengericht. Dabei riskiert der Angeklagte allerdings eine Verschärfung der Strafe bis zu sechs Monaten Gefängnis und eine Geldstrafe bis zu 1000 Dollar, den jetzt im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen. Da das Gesetz die Anklagebehörden des Bundes ermächtigt, einst­ weilige Verfügungen zu erlangen, können Personen, die die Ausübung des Wahlrechts stören oder verweigern, durch einen Bundesrichter in­ haftiert oder mit einer Geldbuße belegt werden, bis sie sich dem Ge­ setz fügen. Geben sie ihren Widerstand nicht auf, dann kann der Richter sie zur Verantwortung ziehen, in weniger schweren Fällen allein, bei schwe­ ren Verstößen vor einem Geschworenengericht. Man ist sehr gespannt darauf, wie das Gesetz sich in der Praxis auswirken wird. Der springende Punkt dabei ist, daß die Antwort auf diese Frage aus der praktischen Erfahrung kommen wird, und nicht länger aus Vermutungen und Warnungen besteht. Die neue Kommission für die Bürgerrechte dürfte sehr bald in der Lage sein, zu prüfen, ob das Gesetz genügt oder verbesserungsbedürftig ist. Auch wird die Praxis zeigen, ob dieses Gesetz geeignet ist, sich auf die psychologische Haltung des Südens zur Negerfrage mildernd auszuwirken. Dieses Gesetz, das klar unter dem Druck der Öffentlichkeit gegen das moralische Unrecht der Diskriminierung der Neger zustandegekommen ist, enthält als eine Art sich selbstverbessernder Maschinerie die beiden neuen Bundesstellen und ist ein bedeutsamer Fortschritt zur Gleichberechtigung des amerikanischen Negers.

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- 11 - "AMERIKA DIENST" 11 . September 1957

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POLIO-SCHUTZIMPFUNG, DAS ERGEBNIS ECHTER WISSENSCHAFTLICHER ZUSAMMENARBEIT

( 35 Zeilen) Im Kampf gegen die spinale Kinderlähmung hat das amerikanische Salk-Serum und ihm verwandte Präparate bereits in der ganzen Welt gro­ ße Bedeutung erlangt. Daß diese Irapfmethode, die nach den bisherigen Erfahrungen im Durchschnitt 70 Prozent der Geimpften gegen die Polio­ myelitis mit Sicherheit zu immunisieren vermag, in relativ kurzer Zeit so vervollkommnet werden konnte, ist nicht allein das Verdienst Dr. Salks und seiner Mitarbeiter, sondern auch zahlreicher anderer Wissen­ schaftler und Institute, die wichtige technische Voraussetzungen da­ für lieferten. Dr. Jerome T. Syverton, ein Bakteriologe von der Universität Minnesota, hatte zufällig herausgefunden, daß ein bestimmter Typ von Krebszellen, den Dr. George Gey von der Poliklinik der Johns-Hopkins- Universität erstmalig isoliert und "HeLa" benannt hatte, sich ebenso­ gut als Nährboden für Poliovirus-Kulturen eignet wie das bis dahin verwendete Gewebe der Nieren von Rhesusaffen. Man kam auf den Gedanken, diese Tatsache für eine beschleunigte Auswertung der ersten Großver­ suche mit dem Salkschen Impfstoff, die im Jahr 1954 in den Vereinigten Staaten durchgeführt worden waren, nutzbar zu machen. So gab Dr. Russell W. Brown, der Direktor der Carver-Stiftung, ein paar Reagenzgläser mit HeLa-Kulturen, die er von Dr. Syverton erhalten hatte, an eine Abtei­ lung seines Instituts in Tuskegee (Alabama) weiter, die sich - mit finanzieller Unterstützung der Amerikanischen Stiftung zur Bekämpfung der Kinderlähmung - nunmehr mit der Weiterzüchtung befaßte und daraus über eine halbe Million Tochterkulturen gewann. Sie bildeten das lebende Gewebe, das von den diagnostischen La­ boratorien bei der Untersuchung von Blut- und Stuhlproben von mehr als 1,8 Millionen Kindern zur Identifizierung der Polioviren und

1 - "AMERIKA DIENST" 11 . September 1957 und Bestimmung der Menge von Antikörpern, die sich als Reaktion auf die Impfung gebildet hatten, verwendet wurde. Mit der Impfstoffher- stellung selbst haben die HeLa-Kulturen, die im Tuskegee-Institut gewissermaßen am Fließband unter strengster Beachtung der Sterili- sierungsverfahren gewonnen werden, nicht das Geringste zu tun. Ihre Verwendung war jedoch eine wertvolle Hilfe, um die Rolle von Pakto­ ren, die die Wirksamkeit des Polio-Impfstoffes wesentlich mit bestim­ men, rasch zu klären, und so zu einer ständigen Verbesserung des Ver­ fahrens selbst beizutragen.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Die beiden Laboranten im Hintergrund sind dabei, Zellsuspen­ sionen von Krebszellen des HeLa-Stammes aus den Mutterkul­ turen herzustellen; am Tisch vorne rechts werden zur Ge­ winnung neuer Kulturen Nährlösungen mit Zellen der Stamm­ kultur "geimpft" und luftdicht abgeschlossen.

2) Die mit einer Aluminiumfolie abgedeckten Reagenzgläser wer­ den zur Sterilisation in einen Autoklaven eingesetzt.

3) Dr. Russell W. Brown, der Direktor der Carver-Stiftung, bespricht mit Mitarbeitern des Instituts Tuskegee (Alabama) Vorbereitungen für die Massenkultur eines bestimmten Stam­ mes von Krebszellen zu Laboratoriumsuntersuchungen.

4) Laufende mikroskopische Kontrollen gewährleisten die richtige Konzentration der HeLa-Kulturen, die für die Untersuchung n von Blut- und Stuhlproben von Personen, die Schutzimpfung n gegen Kinderlähmung erhalten haben, verwendet werden.

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DIE MERGENTHALER BERUFSSCHULE IN BALTIMORE Von Anna Haag (Stuttgart)

C 72 Zeilen)

Baltimore im Staate Maryland verfügt über eine der modernsten Berufsschulen der Vereinigten Staaten. Sie ist eine fast noch neue Schule und trägt den Namen des genialen Schwaben Ottmar Mergenthaler, dem die Buchdrucker die Erfindung der Linotype-Setzmaschine verdan­ ken. Ottmar Mergenthaler hat lange Zeit als Bürger in Baltimore ge­ lebt und ist dort 1899 gestorben. Die "Mergenthaler Vocational Technical High School" spiegelt in der Fülle der hier erlernbaren Berufe die rasante Entwicklung der Technik in den vergangenen Jahrzehnten wider. Die zu einem harmonischen Ganzen sich zusammenfügenden Teile des gewaltigen Bauwerks mit ihren hellen, lichtdurchlässigen Glaswänden beherbergen 42 Klassenräume, 60 Handwerkshallen, Konferenzräume, Bibliotheken, ein Auditorium, Verwaltungsräume, ein Schwimmbad und anderes mehr. Es kann mindestens 2000 Schüler aufnehmen. Wer das Glück hat, durch die weiträumigen Hallen, Maschinen­ räume, Klassenzimmer, Speisesäle und Turnhallen zu wandern und dem lustigen Treiben der Studenten auf den Sportplätzen und ihrem ernst­ haften Arbeiten an den Maschinen zuzusehen, möchte vielfach selbst noch einmal so jung sein und von den mannigfachen Möglichkeiten einer solchen Schule Gebrauch machen dürfen, Schüler, deren Eltern in Baltimore leben, haben kein Schulgeld zu bezahlen. Lediglich für ihre Hefte, für ihre Arbeitskleidung und für ihre Mahlzeit in der Cafeteria müssen sie selbst aufkommen. Da die Schüler infolge der großen Entfernungen in der Mittagspause nicht nach Hause gehen, können sie ein Mittagsmahl in der Cafeteria der Schule einnehmen« Für ein paar Cent erhalten sie ein nahrhaftes Essen.

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Essen, bestehend aus einem Fleischgericht, zwei verschiedenen Gemüse­ beilagen, einem Brötchen mit Butter, Nachtisch und selbstverständlich Milch. Dreißig Berufe können in dieser Schule erlernt werden. Der Stun­ denplan umfaßt wöchentlich 40 Unterrichtsstunden. Davon entfällt min­ destens die Hälfte auf das eigentliche Handwerk, also auf praktische Arbeit. In den restlichen Stunden werden theoretische Fächer behan­ delt, die in engem Zusammenhang mit dem zu erlernenden Beruf stehen, aber auch der Förderung des Allgemeinwissens dienen. Die Schule wird von jungen Menschen beiderlei Geschlechts besucht. Es ist einleuchtend, daß die jungen Männer sich mehr denjenigen Berufen zuwenden, die mit Maschinen aller Art zu tun haben, die Mäd­ chen sich dafür in Fächern wie Kosmetik, Kochen, Schneidern, Buchhal­ tung, Maschinenschreiben oder als technische Assistentin ausbilden lassen. Aber auch Jungen werden Bäcker, Köche, Friseure, Dekorateure, wie man in der Mergenthaler Berufsschule andererseits zuweilen auch junge Mädchen finden kann, die die Feinheiten der Präzisions- oder Elektrotechnik erlernen. Die Werkstätten, in welchen Autos (richtige Autos) ... ja sogar Flugzeuge, auseinandergenommen und repariert werden, auch diejenigen, in welchen Fernseh- und Radioapparate konstruiert werden, die Werk­ stätten für Installateure, für Kühl- und Klimaanlagen, für automatische öl- oder Erdgas-Heizanlagen, diejenigen für Maurer, Zimmerleute und Schreiner sind im wesentlichen von jungen Männern bevölkert. Wenn­ gleich man einschränkend sagen muß: auch in diese Handwerke scheinen sich weibliche Wesen einzuschlängeln. Der Eintritt in die Mergenthaler Schule kann nicht vor Beendi­ gung des 14. Lebensjahres und nach Absolvierung der acht Elementar­ schulklassen erfolgen. Für manchen Beruf ist Vollendung des fünfzehn­ ten Lebensjahres Vorschrift. Nach drei-bis vierjähriger Schulzeit hat der "Lehrling" der Mergenthaler Schule ausgelernt und er bekommt sein Zeugnis.

Außer "AMERIKA DIENST" 11. September 1957

Außer den regulären Schulklassen gibt es in dieser vorbildlichen Schule noch Abendkurse. Sie sind für diejenigen gedacht, die tagsüber einem Broterwerb nachgehen. Die Abendschulfreudigkeit ist in Amerika sehr groß. Wenn harte Lebensumstände einem strebsamen Menschen den nor­ malen Bildungsgang versagen, holt er in der "Abendschule" (wir nennen es "Volkshochschule") nach, was er versäumt hat. Und häufig kommt es vor, daß Eltern und Kinder gemeinsam die Abendschule besuchen. Der Mergenthaler Berufsschule angegliedert ist eine Stellenvermitt­ lung. Absolventen dieser Schule haben die besten Aussichten, in gute Stellen in Industrie und Handel ein- und aufzurücken. Die Gründlichkeit der Ausbildung in der Schule ist ein ausgezeichneter Empfehlungsbrief. Außer der beruflichen Ausbildung gibt es noch allerlei Fächer, an denen die Schüler freiwillig teilnehmen können. Dieser Unterricht trägt zum Teil geselligen Charakter. Abgesehen von Tanz wäre hier insbesondere der große und der kleine Chor, das Orchester, die Theatergruppe, die Schulzeitung, der Potoklub und anderes zu nennen. Da aber in Amerika das "to belong to" sozusagen zur "Bürgerpflicht" gehört, das heißt, irgendwo teilzunehmen, sich nicht abzusondern, kein Einzelgänger zu werden, ist die Teilnahme an diesen, die "human relations", die mensch­ lichen Bindungen,pflegenden Gelegenheiten erfreulich rege. Dem genialen Erfinder der Linotype aber hätte in seiner amerika­ nischen Wahlheimat keine größere Ehrung zuteil werden können, als daß Baltimore dieser Stätte ernster und präziser Schulung den Namen "Ottmar-Mergenthaler-Schule" gegeben hat.

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Der eindrucksvolle Komplex der Ottmar Mergenthaler Vocational Technical School in Baltimore. Sie wurde 1f53 eröffnet und gilt als eine der modernsten Berufsschulen Amerikas.

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- 5 - AMERIKA DIENST" 1t. September 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DAS WETTER AUF DER GANZEN ERDE WIRD IN GENF REGISTRIERT Ein einmaliges Experiment im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres

( 52 Zeilen) GENF - (AD) - Während des Internationalen Geophysikalischen Jahres, das am 1. Juli 1957 begann und bis zum 31. Dezember 1958 dauert, werden aus 96 verschiedenen Ländern und Territorien täglich Berichte über die örtlichen Wetterverhältnisse an den Weltwetterdienst der Vereinten Na­ tionen (eine Sonderorganisation des Wirtschafts- und Sozialrats mit Sitz in Lausanne) übermittelt.

Rund 2000 Wetterstationen auf dem Lande und 2000 Schiffe, auf allen Weltmeeren melden viermal täglich ihre Beobachtungen an eine Zentrale in Genf, wo die Berichte nach Gebieten zusammengefaßt, geprüft und für die Übertragung auf Mikrokarten vorbereitet werden. Diese bisher beispiellose Sammlung von Informationen über das Wetter auf der ganzen Erde, an der sich über 10 000 Wissenschaftler und Techniker aus 60 Ländern beteiligen, werden ein hervorragendes Bild von den Wetterbedingungen vermitteln, die gleichzeitig auf der Welt herrschen. Vor allem dürfte die Meteorologie daraus viele neue Erkenntnisse gewinnen, die ihr in Zukunft bei den kurz- und langfri­ stigen Wettervorhersagen von großem Nutzen sein werden. Dr. Detlev W. Bronk, der Präsident der amerikanischen Akademie der Wissenschaften, äußerte sich zu der Arbeit im Rahmen des Inter­ nationalen Geophysikalischen Jahres: "Es ist die größte geplante For­ schungsarbeit über die Erde und ihre Atmosphäre, die je unternommen wurde. Noch nie zuvor haben sich so viele Wissenschaftler aus so zahl­ reichen Ländern zusammengefunden, um gemeinsam die Umwelt des Menschen zu studieren." Unter "AMERIKA DIENST" 1t. September 1957

Unter den täglich in Genf eingehenden Berichten befinden sich auch die Beobachtungen von rund 700 Wetterstationen, die die Bedingungen in den oberen Luftschichten untersuchen. Wetterballons mit Radiosonden, das sind Wettermeßinstrumente mit funkentelegraphischer Fernübertragung, steigen bis zu 30 000 Meter hoch und messen den Luftdruck, die Tempera­ tur, den Feuchtigkeitsgehalt, die Windrichtung und die Windstärke. Der mit den Instrumenten verbundene Sender meldet die Ergebnisse sofort an die Bodenstation. Um die täglich eingehenden vielen Tausend Berichte auszuwerten und in einer Form zusammenzustellen, die ihr Studium und ihre Vertei­ lung an die Forschungsinstitute so einfach wie möglich machen, hat der Weltwetterdienst die bereits genannte Zentrale in Genf geschaffen. Die Beobachtungen werden hier auf 7,6 x 12,7 cm große Spezialmikrokar- ten übertragen. Auf jeder Karte stehen entweder 96 Berichte über die Wetterverhältnisse am Boden oder 48 Berichte über die Verhältnisse in den oberen Luftschichten. Wie bei Mikrofilmen wird man zum Lesen dieser Karten besondere optische Vorrichtungen benutzen müssen. Wenn alle Berichte verarbeitet sind, die während der 18 Monate eingehen, dann sollen die auf etwa 15 000 Mikrokarten festgehaltenen Beobachtungen über die Wetterverhältnisse auf der Erde und in der Atmo­ sphäre den interessierten Instituten zugänglich gemacht werden. Die Eintragungen auf den Karten erfolgen nach einem Nummerncode - in ara­ bischen Ziffern -, so daß sie von den Wissenschaftlern in allen Teilen der Erde ohne Schwierigkeiten gelesen werden können. Bisher liegen die Informationen über das Wetter auf der Erde in zahllosen nationalen Archiven "begraben". Der Weltwetterdienst ver­ spricht sich von seinem großen Experiment dagegen eine Fülle von In­ formationen für die Wissenschaftler in aller Welt»

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Radiophosphor Hilfsmittel der Hautchirurgie

( 16 Zeilen)

(AD) - Mit Hilfe von Radiophosphor ist es möglich, rasch und si­ cher die Tiefe schwerer Hautverbrennungen zu bestimmen; dies geht aus einem Bericht Dr. Reed 0. Dingmans von der Medizinischen Akademie der Universität Michigan an die American Association of Plastic Surgeons (Amerikanische Vereinigung für Hautchirurgie) hervor. Um Brandwunden richtig behandeln zu können, ist es außerordentlich wichtig, zu wissen, bis in welche Tiefe sie reichen; so erfordert bei­ spielsweise eine Verbrennung dritten Grades, bei der das Hautgewebe in seiner ganzen Schichtdicke zerstört ist, eine baldige Entfernung die­ ser Gewebepartien und Vornahme einer Hautplastik. Durch eine Injektion mit Radiophosphor, das der Körper sehr schnell absorbiert, und Messung der Strahlung im Bereich der zerstörten Partie läßt sich diese einmal genau abgrenzen und überdies der Verbrennungsgrad sofort ermitteln, da sich gezeigt hat, daß bei einer Verbrennung dritten Grades die gemes­ sene Strahlungsmenge sich wesentlich von derjenigen bei einer Verbren­ nung ersten oder zweiten Grades unterscheidet.

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BESCHLEUNIGTE WETTERMELDUNGEN IN DEN USA

( 8 Zeilen)

(AD) - Durch den Einsatz neuartiger Fernschreibgeräte, die statt 75 Wörtern in der Minute 100 Wörter übermitteln, soll in den Vereinig­ ten Staaten die Durchgabe meteorologischer Meldungen von den Hunderten von Wetterwarten an die zentralen Auswertungsstellen und damit auch die Ausarbeitung von Berichten und Wetterkarten wesentlich beschleunigt

- 8 - "AMERIKA DIENST" 11. September 1957

Man erhofft sich von dieser Maßnahme in erster Linie eine Erhö­ hung der Flugsicherheit, da die jeweils vorliegenden Berichte viel rascher ergänzt werden können.

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KAMERA FÜR 300 METER FORTLAUFENDES BILD

( 15 Zeilen) (AD) - Ein Aufnahmegerät, das mit einer Arbeitsgeschwindigkeit von 1,8 Metern pro Minute Bilder von 300 Metern Länge und 45»7 cm Höhe herzustellen vermag, wurde von dem amerikanischen Ingenieur C.H. Topping entwickelt. ölgesellschaften zeigen sich an dieser Erfindung besonders in­ teressiert, da man das Gerät zum Kopieren von Bohrberichten - auf elektronischem Wege durchgeführte Vermessungsaufnahmen unterirdi­ scher Formationen, die auf langen Rollen von Spezialpapier festge­ halten werden - zu verwenden gedenkt. Bisher mußte ein photographi­ sches Kopieren der Bohrberichte abschnittweise vorgenommen werden; durch das Zusammenkleben der einzelnen Sektoren ergaben sich jedoch stets Ungenauigkeiten. Die Verzerrungen, die bei der Übertragung des Berichts in eine kontinuierliche Bildkopie unvermeidlich waren, werden nun nach Aussage Toppings durch die Verwendung eines Pris­ mensystems völlig ausgeschaltet.

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ERDÖLFÖRDERUNG DURCH HITZEEINWIRKUNG

( 10 Zeilen) (AD) - Durch ein von der amerikanischen Gulf Oil Corporation entwickeltes Verfahren dürfte bei Ölvorkommen, deren Reserven nach einer gewissen Zeit bei Anwendung der bisher üblichen Förderverfah­ ren als erschöpft gelten, die Ausbeute wesentlich gesteigert werden können. Man unternimmt gegenwärtig Versuche, durch Erhitzung der alten Ölquelle Öl in der sie umgebenden Felsschicht zur Entzündung zu brin­ gen, wodurch öl und Wasser im Gestein teilweise verdampfen und das

- 9 - "AMERIKA DIENST" 11. September 1957 das öl aus dem Gestein herauspressen würden. Es wird durchaus für mög­ lich gehalten, auf diese Weise den Ertrag von ölfeldern auf das Doppelte zu steigern. * * *

PANORAMA-FILMTHEATER FÜR DIE WELTAUSSTELLUNG

( 10 Zeilen) (AD) - Ein neues Filmprojektionssystem, CIRCLORAMA, bei dem die Leinwand ein riesiger geschlossener Kreis ist, wird im Rahmen des amerikanischen Beitrages zur Weltausstellung in Brüssel im kommenden Jahr einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden. Der Zuschauer steht innerhalb dieses Kreises, auf den 11 Projektionsapparate gleichzeitig Bilder werfen, wobei er sich frei bewegen und die Handlung in jeder Richtung verfolgen kann. Das einzige CIRCLORAMA-Filmtheater, das es bisher gibt, befin­ det sich in Disneyland Park in Kalifornien; das Verfahren wurde von der Walt-Disney-Produktion entwickelt.

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- 10 - "AMERIKA DIENST" 18. September 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

NEW YORKS LA-GUARDIA-FLUGHAPEN New Yorker Hafenbehörde genehmigt 52.1 Millionen Dollar für den weiteren Ausbau - Fertigstellung bis 1962 - Kapazität sieben Millionen Fluggäste .jährlich

( 6,5 Zeilen) (AD) - Als vor 18 Jahren mit einem Aufwand von 39 Mio Dollar der La-Guardia-Flughafen in New York ausgebaut wurde, nannte man das Pro­ jekt "einen Traum, zu groß, um verwirklicht zu werden". Heute weiß man, daß der Traum keineswegs zu verstiegen war, denn die New Yorker Hafenbehörde (Port Authority) ist drauf und dran, 32,1 Millionen Dollar für den weiteren Ausbau dieses mit zu den betriebsam­ sten Flugfeldern der Welt gehörenden Platzes auszugeben, der im Jahre 1965 schätzungsweise sieben Millionen Fluggäste abzufertigen haben wird. Die neuen Pläne sollen im Laufe von fünf Jahren ausgeführt wer­ den und schließen ein:

den Bau eines neuen Flughafengebäudes, dessen vier, wie die Finger einer gespreizten Hand anmutenden, doppelstöckigen Arka­ dengänge weit ins Flugfeld vorragen; die Verbesserung der Pisten (Start- und Landebahnen), der Roll­ bahnen, der Flugperrons und Hangar-Plätze, den Bau von doppelstöckigen Zu- und Abfahrtsstraßen, die Errich­ tung eines Kontrollturms, den Erwerb eines 6,2 Hektar großen Lagunengeländes zur Anlage von Parkplätzen für 3200 Autos, (heutiger Parkraum faßt 1600 Fahrzeuge) . Vorgesehen ist ferner ein Hubschrauberplatz, für den bisher je­ doch weder ein Kostenvoranschlag vorliegt, noch feststeht, wo auf dem 220 ha großen Gelände er sich befinden wird. Die einzelnen Bauabschnitte, die bis 1960 in der Hauptsache fertiggestellt sein sollen, werden sukzessive vorgenommen, so daß der normale Flugverkehr dadurch nicht unterbrochen wird. Begonnen

- 1 - "AMERIKA DIENST" 18. September 1957

Begonnen wird mit dem Anbau von zwei Nebenflügeln zu beiden Sei­ ten des jetzigen Hauptgebäudes, das bis 19^2, als letzter Abschnitt des Projekts, durch ein großes modernes Gebäude an derselben Stelle ersetzt werden soll. Ein Blick in die Flugverkehrsstatistiken von 1956 ergibt, daß nach dem Chicagoer Midway-Flughafen (mit 8 Millionen Fluggästen) der La Guardia Airport den stärksten Fluggästeverkehr zu verzeichnen hatte. Dort wurden in der genannten Zeit 229 714 Flugzeuge, 5 403 239 Flug­ passagiere, 43 598 000 kg Luftfracht und 18 34O 000 kg Luftpost abge­ fertigt. Vor zwei Jahren setzten bereits die Untersuchungen ein, deren Er­ gebnisse davon überzeugten, daß die derzeitigen Einrichtungen vom La-Guardia-Flughafen den steigenden Anforderungen an ein modernes Flug­ zentrum nicht mehr genügen. Die sechs Fluggesellschaften, die La Guardia als Flughafen benutzen, haben deshalb kürzlich beschlossen, der New Yorker Hafenbehörde freiwillig die vierfachen Gebühren für die Benutzung von Flugfeld, Hangar und Verwaltungsgebäude zu bezahlen. Mit den so einkommenden zusätzlichen 2,5 Millionen Dollar jährlich ist die Port Authority in der Lage, mit dem Bauprojekt sofort zu be­ ginnen. Die Fluggesellschaften ihrerseits planen die Mehraufwendungen durch eine sechsprozentige Erhöhung der Flugpreise zu decken. Das neue Verwaltungsgebäude mit seiner vollkommen in Glas auf­ gelösten Stirnseite wird eine Ausdehnung von 330 m Länge, 30 Meter Breite und zwei Stockwerk Höhe haben. Es wird über vier, wie die ausgestreckten Finger einer Hand ins Flugfeld vorragende, zweige­ schossige Arkadengänge verfügen. Die Bedachung des in leichter Kurve verlaufenden Haupttrakts dient als ein das Feld überragendes Beobach­ tungsdeck. Eine doppelstöckige Zufahrtstraße wird an der Frontseite des Hauptgebäudes entlangführen, über die tiefer gelegene: Fahrbahn wird der Strom der ankommenden Passagiere geleitet, über die obere Fahr­ bahn der der abfahrenden Fluggäste geregelt. Letztere gelangen von der oberen Straße her in das obere Stockwerk der Arkadengänge und von dort über eine Treppe hinab zu den 36 Sperren und Zugängen zu den auf den Flugperrons wartenden Maschinen.

- 2 - "AMERIKA DIENST" 18. September 1957

In den neuen Bauplänen ist auch die Einrichtung von Start- und Landemöglichkeiten für kleinere . Düsenmaschinen vorgesehen. Sie sollen aber nur ausgeführt werden, wenn es möglich ist, die Lärmentwicklung auf ein "dezentes" Maß zu reduzieren. Bisher dürfen Düsenflugzeuge in La Guardia nicht landen. Die Einrichtungen des neugestalteten La Guardia Airport werden ausreichend sein für die größeren und schwereren Turbopropmaschinen, die die Pluggesellschaften jetzt in Auftrag gegeben haben; sie sind es jedoch nicht für die Superliner der transkontinentalen und inter­ nationalen Fluglinien. Dieser Verkehr wird nach wie vor auf dem inter­ nationalen Flugplatz Idlewild abgewickelt. Die Verbesserungen am La Guardia-Projekt sind für Flugverbindungen über mittlere und kürzere Strecken gedacht. Im Laufe der Jahre sind zu den ursprünglich 39 Mio Dollar Bauko­ sten noch 10 Mio Dollar Instandhaltungskosten hinzugekommen. Es sind dies Aufwendungen, die hauptsächlich daz\x dienten, den Grundwasser­ spiegel des auf Marschland erbauten Flughafens konstant zu halten. Mit den Neuausgaben von 32,1 Millionen Dollar für die Umbauten wird die Hafenbehörde New York für La Guardia Airport über 81 Mio Dollar aufgewendet haben.

ACHTUNGl Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bilds

So wird der neue Terminal, das Hauptgebäude des Flughafens von La Guardia,nach seiner Vollendung im Jahre 1962 aussehen. Es ist mit 15»3 Mio Dollar veranschlagt und beansprucht fast die Hälfte der mit 32,1 Mio Dollar berechneten Gesamtbaukosten für den Ausbau eines der betriebsamsten Plugplätze der Welt. Das neue Gebäude wird die dreifache Anzahl der zur Zeit betreuten Passagiere ab­ fertigen können; die vier zweigeschossigen, wie die gespreizten Finger einer Hand ins Flugfeld vorragenden Arkaden verfügen über 36 Sperren, die zu den Flugperrons führen, wo die viermotorigen Maschinen der Fluggesellschaften bereitstehen. Der heutige Flug­ platz hat 24 Perrons für die Abwicklung seines von zwei und vier­ motorigen Maschinen getätigten Plugverkehrs.

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

BÜCHER SPRECHEN ZU DEN BLINDEN Vorbildliche geistige Fürsorge für Blinde in USA

( 94 Zeilen)

Die folgenden Ausführungen, die ein wich­ tiges Gebiet der geistigen Fürsorge für Blinde in USA behandeln, sind einem Ar­ tikel des seit 7 Jahren erblindeten, heu­ te 95jährigen Schriftstellers M.A. DeWolfe Howe in "The Atlantic Monthly" entnommen. DeWolfe Howe berichtet darin unter anderem daß er in diesen 7 Jahren den Inhalt von mehr als 150 "Talking Books" aus allen Gebieten des Wissens und der Literatur mit Hilfe des Phonographen kennengelernt habe. Die Nachdrucksrechte erlöschen am 20. März 1962. - Quellenangabe ist erforderlich -

Als Thomas Edison im Jahre 1877 den Phonographen erfunden hatte, wies er in einem Artikel, der in der "North American Review" erschien, darauf hin, daß nunmehr auch den Blinden der Inhalt von Büchern jeder Art ohne große Schwierigkeit jederzeit zugänglich gemacht werden könne. Er brauche nur - sei es unter der Mitwirkung berufsmäßiger Sprecher, die von warme» Mitgefühl für ihre blinden Brüder und Schwestern erfüllt seien, oder eigens für diesen Zweck verpflichteter Vorleser - phono­ graphisch aufgenommen zu werden und stehe dann für die Wiedergabe in Blindenheimen oder auch für die private Benutzung seitens des einzel­ nen Blinden ständig zur Verfügung. Es dauerte immerhin bis in das dritte Jahrzehnt unseres Jahrhun­ derts, bis diese Prophezeiung Thomas Alva Edisons ihre Erfüllung fand. Es waren hauptsächlich die öffentlichen Bibliotheken Amerikas, insbe­ sondere die berühmte Kongreßbibliothek in Washington, die den Anstoß

- 4 - "AMERIKA DIENST" 18. September 1957 Anstoß dazu gaben. Etwa vom Jahre 1830 an hatten die Blinden sowohl in Europa als auch in Amerika allmählich gelernt, Bücher in der von Louis Braille, einem seit seiner frühen Jugend selbst des Augenlichts beraubten fran­ zösischen Blindenlehrer, erfundenen und nach ihm benannten Blindenschri mit ihren erhabenen, abtastbaren Buchstaben zu lesen. In Amerika rich­ tete im Jahre 1868 die öffentliche Bibliothek in Boston, nachdem sie eine kleine Sammlung von Büchern in Braille-Schrift erworben hatte, im Zusammenwirken mit der Howe-Presse der Perkins School for the Blind eine besondere Abteilung für die Blinden ein. Zahlreiche Bibliotheken in anderen amerikanischen Städten folgten diesem Beispiel, zusammen mit einigen von privater Seite finanziell unterhaltenen Organisationen, die sich der Fürsorge für die Blinden widmeten, insbesondere der Ameri­ kanischen Blindenstiftung in New York sowie dem American Printing House for the Blind in Louisville im Staate Kentucky. Kurz vor 1900 hatte dann auch die berühmte Kongreßbibliothek in Washington ihre Aufmerksamkeit den besonderen Vorrichtungen für die Blinden zugewendet, die diesen das Buch zugänglich machen sollten. Schon bald nahm sie zusammen mit zahlreichen öffentlichen Büchereien im ganzen Land und den bereits genannten privaten Organisationen so­ wie ferner mit der Vereinigung der amerikanischen Bibliotheken und dem Roten Kreuz praktisch an dieser Arbeit teil. Je weiter diese voran­ schritt, und zwar zunächst unter alleiniger Verwendung der Braille- Schrift und später - auf Betreiben der Amerikanischen Blindenstiftung - auch unter Heranziehung der sogenannten "Talking Books", der "Spre­ chenden Bücher", um so mehr gewann man die Erkenntnis, daß weit mehr Blinde von den phonographisch aufgenommenen Büchern wirklichen Gewinn hatten als von den Büchern in Braille-Schrift, zumal deren Beherrschung auch noch besondere Übung voraussetzt. Deshalb kam man zu dem Ent­ schluß, "Sprechende Bücher" alsbald in erhöhter Zahl herstellen zu lassen. Dafür aber waren vor allem größere Geldmittel und die Aufstel­ lung eines genauen Organisationsplanes für das ganze Land erfor­ derlich, wo überall Bibliotheken eingerichtet wurden, die mit der Kongreßbibliothek auf diesem Gebiete zusammenarbeiten sollten. Die "AMERIKA DIENST 18. September 1957

Die ersten öffentlichen Mittel für diesen Zweck in Höhe von 100 000 Dollar wurden im März 1931 auf Grund der Rooseveltschen Notstandsge­ setze zur Beschäftigung Arbeitsloser bereitgestellt. Im Jahre 1935 er­ folgte eine weitere Bewilligung, auf Grund deren rund 210 000 Dollar der Kongreßbibliothek für die "Konstruktion von Maschinen zur Herstel­ lung von Sprechenden Büchern" zur Verfügung gestellt wurden. Die jähr­ lichen Zuwendungen von seiten des Kongresses sind seitdem ständig höher geworden und haben innerhalb der letzten zehn Jahre einen Gesamtbetrag von jährlich einer Million Dollar erreicht. Gegenwärtig nimmt die Produktion der "Talking Books" - ihre Aus­ wahl und maschinelle Herstellung - in einem Spezialausschuß der Kon­ greßbibliothek in Washington ihren Anfang, An Hand der Verlegerlisten und der Anzeigen und Besprechungen in den Zeitschriften hält dieser Spezialausschuß Ausschau nach Büchern - neu erschienenen und alten -, die sich zur Aufnahme unter die "Talking Books" eignen. Auch von in­ teressierten Lesern - blinden und sehenden - gehen dem Ausschuß gele­ gentlich Anregungen und Wünsche zu. Die von ihm auf Grund seiner Vor­ arbeiten zusammengestellten Vorschläge werden dann dem Kongreßbibliothe­ kar zur Genehmigung vorgelegt. Ist diese erteilt, dann werden die Titel der ausgewählten Bücher der mit der maschinellen Herstellung betrauten Stelle, sagen wir: dem American Printing House for the Blind, übermit­ telt, zusammen mit genauen Anweisungen für die Tonaufnahme. Die Erlaub­ nis der Autoren und Verleger für die Einreihung des betreffenden Buches unter die "Talking Books" muß eingeholt werden. Die Vorleser sind aus­ zuwählen. Man hat dabei die Erfahrung gemacht, daß freiwillige Kräfte auf diesem anspruchsvollen Gebiete doch vielfach die absolute Gleich­ mäßigkeit der Leistung vermissen lassen, wie man sie bei bezahlten Fach­ kräften, besonders bei solchen mit Rundfunk- oder Bühnenerfahrung, an­ trifft. Die Aussprache der Vorleser wird an Hand der besten amerikani­ schen und englischen Wörterbücher, wie des Webster und des kleinen Ox­ ford, nachgeprüft. Für manche Bücher ist es von Bedeutung, daß der Vor­ leser auch fremde Sprachen, vor allem Französisch, so beherrscht, wie sie im Lande gesprochen werden.

Wenn

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Wenn man sich vor Augen hält, daß heute in Amerika mehr als 43 OOO Apparate für die tönende Wiedergabe der "Sprechenden Bücher" in Gebrauch sind, ohne daß die Benutzer auch nur einen Penny an Kosten dafür zu bezahlen haben, dann kann man sich vorstellen, wieviel Dank­ barkeit der Washingtoner Kongreßbibliothek und damit auch der amerika­ nischen Regierung von den Blinden im ganzen Lande entgegengebracht wird. Bezeichnend dafür ist ein Brief, den ein im Ruhestand lebender General an die Kongreßbibliothek gerichtet hat. Er schrieb darin: "Indem ich Ihnen hiermit eine Liste der von mir gewünschten Talking Books über­ mittle, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß allnächtlich in den trü­ ben Stunden des Wachens, wenn mein hohes Alter mich vom Schlafen ab­ hält und mein getrübtes Augenlicht mir das Lesen unmöglich macht, ich Sie und Ihren Mitarbeiterstab sowie die Hersteller der Sprechenden Bücher für die Hilfe segne, die Sie mir angedeihen lassen. Es vergeht keine Nacht, in der ich nicht mit warmem Dank Ihrer aller gedenke."

Aus: The Atlantic Monthly - Quellenangabe ist erforderlich -

(Die Nachdrucksrecht^ erlöschen am 20. März 1

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VERFILMUNG DER SCHRIFTFUNDE AM TOTEN MEER

(AD) - Der Hollywooder Filmproduzent John Sutherland wird die Geschichte der aufsehenerregenden Schriftfunde am Toten Meer nach dem Buch "The Dead Sea Scrolls" von Miliar Burrows verfilmen. Die Dreharbeiten sollen in Jordanien und Hollywood gemacht werden. Omar Garrison schrieb das Drehbuch für diesen biblischen Film, der in Tech- nirama, einer neuen Breitleinwandtechnik der Technicolor Company, auf­ genommen werden wird.

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7 - "AMERIKA DIENST" 18. September 1957

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ALS "LEHRLING" AN EINER VOLKSSCHULE Die praktische Ausbildung der Junglehrer in den USA

(60 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Stolz nimmt Evelyn Banchewsky, eine frischge­ backene Junglehrerin, das Dokument entgegen, mit dem ihr bescheinigt wird, daß sie zum Unterricht im Kindergarten und in den ersten drei Volksschulklassen berechtigt ist. Sie hat die achtzehn Wochen Prak­ tikum als Lehramtskandidatin an der Cutter Mill School in Great Neck im Staate New York mit Glanz absolviert und sich als eine einfühl­ same, kluge und geschickte Lehrerin erwiesen, die neben der Liebe zum Kind auch die nötige Energie und Autorität besitzt, um eine Schar noch ungebändigter Vorschulkinder und ABC-Schützen zu leiten. Das Praktikum in einer Schule gehört neben dem theoretischen Studium an einem Lehrerseminar oder College zur gewöhnlichen Lehrer­ ausbildung in den Vereinigten Staaten und ist vielleicht ihr wich­ tigster Teil. Im allgemeinen fällt dieser Teil der Ausbildung in das achte Semester, wie bei Evelyn Banchewsky, die vom Queens College in New York an die Cutter Mill School in Great Neck überwiesen wurde. Viele Schulen in allen Staaten der USA bieten den künftigen Lehrern diese Möglichkeit zur Vervollständigung ihrer Ausbildung. Das Klassenzimmer ist für die Lehramtskandidaten eine Art La­ boratorium, in dem sie ihre theoretischen Kenntnisse an der prakti­ schen Wirklichkeit des Tages erproben. Zunächst wohnen die Kandi­ datinnen dem Unterricht nur als Beobachter bei, ehe sie selbst eine Schulklasse oder eine Gruppe im Kindergarten übernehmen. Ihnen zur Seite steht eine erfahrene Lehrerin. Diese "Tutorin" nimmt die Neu­ ankömmlinge in Empfang, berät mit ihnen ihre zukünftige Arbeit und ihre Fortschritte. Sie hilft ihren Schützlingen bei der Vorbereitung ihrer Arbeit im Klassenzimmer und entscheidet über den weiteren Fort­ gang und das Tempo der praktischen Ausbildung. Sie gibt den Prakti­ kantinnen Anleitung hinsichtlich der

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der Gestaltung des Unterrichts, weist sie auf die Besonderheiten der einzelnen Kinder hin und macht sie mit dem Aufbau des Lehrplans bekannt. Kurz, sie wirkt als eine Art "Meister" des Lehrerberufs und hat in die­ ser Eigenschaft die "Lehrlinge" anzulernen. Außerdem kommt wöchentlich einmal ein Lehrer vom College oder Leh­ rerseminar, um die Arbeit und die Fortschritte der Kandidatinnen zu begut­ achten, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er arbeitet eng mit der "Tutorin" zusammen, um eine ständige lebendige Verbindung zwischen Theorie und Praxis zu gewährleisten. Unter dieser fachgemäßen Anleitung lernen die Kandidatinnen, jede Schulstunde eingehend vorzubereiten, den Unterricht fesselnd zu gestal­ ten, das heißt, die geistige Neugier der Kinder anzuregen, ihre Ausdrucks­ möglichkeiten zu entwickeln und ihnen jene ethischen Grundregeln für das Zusammenleben der Menschen auf ihren Lebensweg mitzugeben, die ein we­ sentliches Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft bilden. Sie erwerben sich Erfahrung in der Planung und Leitung von Besichtigungen, sie helfen bei der Aufsicht über die Kinder in den Pausen und beim Essen und sind mitverantwortlich für die Führung des Klassenbuches. Auch die Teilnahme an den Lehrerkonferenzen und den Sitzungen des Elternbeirats sowie an Einzelbesprechungen mit den Eltern "ihrer" Kinder gehören zur Aufgabe der jungen Lehramtskandidatinnen. Evelyn Banchewsky hat mit Eifer und Aufmerksamkeit ihre "Lehrzeit" in der Cutter Mill School absolviert und darf nun selbst als Lehrkraft für die unteren Klassen in einer anderen Schule von Great Neck ihre Lauf­ bahn beginnen.

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Unter Aufsicht einer erfahrenen Lehrerin, ihres "Tutors", hält die junge Lehramtskandidatin Evelyn Banchewsky ihre erste Unterrichtsstunde in einer Kindergartenklasse. Dieses 18 Wochen dauernde Praktikum an einer gewöhnlichen Schule ist ein wesentlicher Bestandteil der Lehrerausbildung in den Vereinigten Staaten.

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- 9 - "AMERIKA DIENST" 25. September 1957

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UM DEN GOLDENEN PFLUG Internationaler Wettbewerb der Landwirte in den USA Meisterpflügen 1958 in Hohenheim bei Stuttgart

( 74 Zeilen) PEEBLES (Ohio) - (AD) - In dreijähriger Arbeit, an der neben amerikanischen Agrarfachleuten und Farmern auch zahlreiche behördliche Stellen beteiligt waren, ist im südlichen Teil des Staates Ohio ein über 1000 Hektar großes Gelände mit 16 Farmen für eine einzigartige Ausstellung vorbereitet worden. Unter den weit über 100 000 Besuchern, befanden sich auch viele Ausländer, die in der vergangenen "Woche nach Peebles gekommen waren, um die Wirksamkeit amerikanischer Methoden in der Bodenkonservierung und Kultivierung von Brachland aus eigener An­ schauung kennenzulernen - und gleichzeitig Zuschauer eines Wettbewerbs zu sein, bei dem es um nicht weniger als den "Goldenen Pflug" ging, der den Weltbesten im Leistungspflügen erwartet. Um es gleich vorwegzunehmen - der Gewinner war ein junger Hol­ länder namens Willem de Lint, der bereits zum vierten Mal sein Land bei diesem Wettbewerb um eine ungewöhnliche Weltmeisterschaft vertrat. Sechzigtausend sahen ihm zu, als er am zweiten Kampftag eine 2000 Quadratmeter große, grasbewachsene Fläche in normale Beetfur­ chen umpflügen mußte. Er benutzte einen 40-PS-Fordson-Traktor mit einem englischen Ransome-Doppelscharpflug, der die Erde nicht wendet, sondern zur Seite wirft. Mit dem Boden war er nicht ganz zufrieden - und nicht nur er, sondern auch manche seiner Kollegen aus den anderen europäischen Staaten, die gewöhnt sind, bei verhältnismäßig nasser Erde die Pflugschar anzusetzen; in dem hügeligen Gelände von Ohio war der Boden dagegen trocken und verhältnismäßig hart. De Lint hatte ebenso wie die anderen 26 Wettbewerbsteilnehmer die eigene Ausrüstung mitgebracht. Mit Ausnahme Neuseelands, das nur einen Teilnehmer entsandt hatte, waren je zwei aus Dänemark, Finnland.

- 1 "AMERIKA DIENST" 25. September 1957

Finnland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland, Schweden, Nor­ wegen, Italien, Nordirland, Kanada und der Bundesrepublik Deutschland gekommen, die alle zu Hause bereits Meisterschaften auf Regional­ oder Landesebene gewonnen hatten. Die beiden Deutschen sind der 24jäh- rige Max Hahn aus Katschenreuth bei Kulmbach, der 1956 die bayerische und deutsche Meisterschaft im Wettpflügen gewann, und der erst ^jäh­ rige Gert Schmidt aus Woersdorf in Hessen, der bei den Wettbewerben im vergangenen Jahr ebenfalls zu den Besten zählte. Sie sind von Diplom­ landwirt Otto Peteranderl begleitet, dem Referenten für Fragen der Landjugend am Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirt­ schaft und Forste^ sowie von Walter Feuerlein aus Braunschweig, dem Vorsitzenden im Vorstand der internationalen Organisation, die diese Wettbewerbe vorbereitet. In den ersten beiden Tagen der landwirtschaftlichen Leistungs­ schau in Peebles, die mit Ansprachen des US-Landwirtschaftsministers Ezra Taft Benson und des Gouverneurs von Ohio eröffnet worden war, wur­ den die amerikanischen Meisterschaften im Konturenpflügen und im üb­ lichen Beetpflügen zwischen 27 Teilnehmern aus 12 Einzelstaaten der USA ausgetragen. Sieger wurden Duane Mootz und Lawrence Goettenmoeller aus Ohio; sie qualifizierten sich damit für die sechste Internationale Meisterschaft, die 1958 in Hohenheim bei Stuttgart stattfinden wird. Die nächsten beiden Tage, der 19. und 20. September, waren dem internationalen Wettpflügen vorbehalten. Durch das Los waren die Stoppelfeld- und Graslandflächen von jeweils 2000 qp. Größe aus einem 60 Hektar großen, zum Teil stark hügeligen Gelände für die Teilnehmer bestimmt worden, die am ersten Tag in längstens 2 1/2 Stunden das Stoppelfeld, am zweiten Tag in 5 Stunden das Grasland umgepflügt haben mußten. Bei der Punktwertung durch die Jury, der aus jedem der 14 Teil­ nehmerstaaten ein Preisrichter angehörte, wurde vor allem berücksichtigt, ob die Furchen sauber, gerade und einheitlich waren, ob die Stoppeln beziehungsweise die Grasnarbe gut untergepflügt und die vorgeschrie­ benen Furchentiefen eingehalten worden waren. Für das Stoppelpflügen waren Pflugkörper von 25 cm Höhe und Furchentiefen von 15 cm, für das Gräslandpflügen Pflugkörper von 35 cm und Furchentiefen von 22,5 cm vorgeschrieben. Erst

- 2 - "AMERIKA DIENST" 25. September 1957

Erst am Abend des zweiten Tages wurden die Namen der Sieger be­ kanntgegeben; an zweiter Steile hatte sich ein Engländer, an dritter ein Finne placiert, während Gert Schmidt auf den 16. und Max Hahn auf den 2J. Platz kamen. Auf dem sich anschließenden "Siegerbankett" konnte Wille™ de Lint den Goldenen Pflug entgegennehmen. Mit der Einladung der Bundesrepublik Deutschland an die Vertreter der ein­ zelnen Nationen, die an den Weltmeisterschaften 1958 teilnehmen wol­ len, durch Walter Feuerlein war dann der offizielle Teil dieser mit einer Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen verbundenen Lei­ stungsschau beendet. Unter den "Schlachtenbummlern" befand sich auch der Norweger Ragnvald Skjaerpe, der vor Jahren das Wrack des während des Krieges vor der norwegischen Küste gesunkenen deutschen Kreuzers "Tirpitz" hatte heben lassen; er verwendete die Stahlplatten zum Bau eines neuartigen 2 Tonnen schweren Mammutpfluges, mit dessen 2,40 Meter hoher Pflugschar Furchen bis zu 1,50 Meter Tiefe gezogen werden können. Dieser Monsterpflug, der sich vor allem für Marsch- und Sumpfland eignet, war 1953 zum ersten Mal anläßlich des internationalen Wett- pflügens in Ontario gezeigt worden. Die Teilnehmer am Leistungspflügen in Peebles besuchen in dieser Woche zusammen mit ihren Mannschaftbetreuern und Vertretern verschie­ dener Behörden eine Reihe von Farmen, Fabriken, behördlichen Ein­ richtungen sowie Rundfunk- und Fernsehstationen in Ohio, bevor sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

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- 3 - "AMERIKA DIENST" 25. September 1957

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DIE WISSENSCHAFT NOTIERT Studium von Gefäßerkrankungen mit Hilfe des Geigerzählers

(18 Zeilen) LOS ANGELES - (AD) - Zur genauen Untersuchung der Wirkung ver­ schiedener gefäßerweiternder Mittel wurde von einer Forschergruppe der Universität Südkalifornien in Los Angeles ein winziger Geigerzäh­ ler entwickelt, der im Tierversuch direkt an der Außenwand des zu beobachtenden Blutgefäßes placiert wird, wo er die Strahlung einer mit Radiophosphor behandelten Folie an der gegenüberliegenden Gefäßwand­ partie aufnimmt. Da die mit Hilfe des Geigerzählers registrierte Strahlung ent­ sprechend dem Gefäßdurchmesser schwankt, ermöglicht diese Versuchs­ anordnung dem Arzt die Beobachtung von Dilatations- oder Kontraktions­ bewegungen der Coronararterie als deren Reaktion auf bestimmte Mittel, die dem Tier verabreicht wurden. Man hofft, auf diese Weise endlich Aufschluß über die Einzelheiten der Wirkung jener Gruppe von Präpara­ ten zu bekommen, die bei Coronargefäßleiden dem Patienten zwar Erleich­ terung verschaffen, über deren Wirkungsgrad in bezug auf Dauer und Er­ weiterung der Gefäße jedoch noch kaum etwas bekannt ist. Das Prinzip des Verfahrens ist das gleiche wie bei den Dickenmes­ sungen mittels radioaktiver Strahlung in Technik und Industrie.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Die Aufnahme zeigt das von Dr. Jaffe und seinen Mitarbeitern verwendete winzige Zählrohr (rechts), mit dem die Bewegun­ gen von Blutgefäßen beobachtet werden; im Vergleich dazu ein Geigerzählrohr, wie es in der Industrie zur Vornahme von Dickenmessungen üblich ist.

- 4 - "ALIERIKA DIENST" 25. September 1957

SCHLAFTHERAPIE BEI NEUROSEN

( Aus:"Medical News") - Quellenangabe erforderlich -

(23 Zeilen) ATLANTIC CITY - (AD) - Über die erfolgreiche Behandlung von Neurosen und Psychosen durch Schlaftherapie berichtete ein Wissen­ schaftler der McGill-Universität vor der amerikanischen Gesellschaft für biologische Psychiatrie in Atlantic City. Es lag die Krankengeschichte von 114 Patienten vor, die auf die üblichen psychotherapeutischen Behandlungsmethoden nicht reagiert hat­ ten. Man machte nun bei den einzelnen einen Versuch mit barbitursäure- haltigen Mitteln von kurzer, mittlerer und langer Wirksamkeit, die zusammen mit Chlorpromazin oder Promazin verabreicht wurden. Die Kranken verfielen für 25 bis JO Tage in Schlaf, der sich von natür­ lichem Schlaf nicht unterschied. Nach Meinung des vortragenden Arztes schien sich bei den Kranken während dieser Zeit eine Wandlung in eini­ gen psychologischen Situationen zu vollziehen. Das Ego schien sich zu spalten und zu zerfallen, um anschließend unter der Leitung des Psychiaters reorganisiert zu werden. Von 66 Patienten, bei denen nur Schlafmittel angewandt wurden, zeigte sich bei 58?« eine deutliche Besserung des Zustandes, während von den restlichen 48 Patienten, die neben der Schlaftherapie auch eine Elektroschockbehandlung erhalten hatten, 52n/o offenbar gut auf die kombinierte Kur ansprachen. Bei Kranken, die vor Einleitung der Schlafkur keine hinreichende psychotherapeutische Vorbereitung oder danach keine entsprechende psychotherapeutische Behandlung er­ fahren hatten, war das Ergebnis negativ.

(Aus: "Medical News") - Quellenangabe erforderlich -

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PROGRESSIV ODER RETROGRESSIV? Welche Wege geht der Jazz? Nachgedanken um ein Jazzfestival Von Norman Smith

(90 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - In jedem Herbst, wenn die Jazzfestivals des Sommers vorbei sind, machen die Kritiker Bilanz. Sie suchen nach den Trends, nach einem Hinweis auf mögliche zukünftige Entwicklungen dieser in ewigem Wandel begriffenen Musik. Die Anhänger des "Dixieland" sind besorgt darüber, daß den alternden Priestern des "New Orleans Style" - sie alle sind heute zwischen 55 und 60 Jahre alt - der junge Nachwuchs versagt bleiben würde. Andere, die mehr dem modernen, dem "progressi­ ve: jazz" zugetan sind, fragen: Welche Wege wird der Jazz überhaupt gehen? Manche glauben, daß es eine Entwicklung zum Formalismus hin und weg von der Improvisation sein werde, andere sehen in einem retrogres- siven Movement eine Wiederholung der "Blues"- und "SwingM-Periode der dreißiger Jahre. Haben sie wirklich Grund zur Sorge? Es ist zwar nicht möglich, daß ein Jazz-Sommer oder gar ein Festival die ganze Antwort darauf geben kann; Teilentwicklungen lassen sich jedoch aus dem Verlauf des Newport-Jazzfestival 1957 auf Rhode Island ablesen. Dort wird seit vier Jahren gespielt. In diesem Sommer 1957 über­ raschte Newport ein 42 OOOköpfiges Publikum in sechs großen Konzerten mit den Spitzenkräften sowohl des traditionellen wie des modernen Jazz. Die Anhänger der traditionellen Schule hatten Gelegenheit, Louis Armstrong - der gleichzeitig seinen 57« Geburtstag feierte -, die Posaunisten Jack Teagarten und "Kid" Ory und die Beiträge von George Lewis zu hören. Künstler und Publikum waren zufrieden. Begeisternd und mitreißend dargeboten, in liebgewordener Manier die Lieblings­ themen und Songs einer glanzvollen Epoche. 1

"AMERIKA DIENST" 25. September 1957

Die Modernisten aber waren bestürzt. Ihnen präsentierte sich eine Fülle junger Talente mit neuen Ideen, leider oft mit einer Spur zu viel Selbstbewußtsein. Unter diesen Modernen gibt es viele, die an einer regulären Mu­ sikschule ausgebildet worden sind, und die nun versuchen, die Tech­ niken eines Bach, Debussy, Strawinski und Copland mit den Idiomen des Jazz zu vereinen. Folglich spielt in den neuen Jazzdarbietungen der Kontrapunkt eine beachtliche Rolle und selbst ganze Jazzfugen sind darunter. Der Beitrag , den diese Musiken zum Jazz geleistet haben, wird nicht ge­ leugnet. Aber zu Recht besteht auch die Furcht, daß die stärksten Faktoren des Jazz, nämlich individueller Einfallsreichtum und Impro­ visationskunst, unter Umständen allmählich ausgeschaltet, zumindest aber an Leuchtkraft einbüßen würden - wenn dieser Trend anhält. Wir wissen, daß diese ewig fließende Musik keine Fixierung ver­ tragen kann, und mancher Kritiker glaubt, der Jazz werde eines Tages eine rein formale, komponierte Musik sein, der jegliches Virtuoso des Jazz fehle. Trotzdem war die in Newport gespielte Musik gute Musik, die von den 42 000 Besuchern des Festivals dankbar und mit Freude aufgenommen worden ist. Einer der glücklichsten Augenblicke für Veranstalter und Publikum war das Wiederauftreten des blinden Pianisten George Shearing. Dieser hatte sich bereits Ende der vierziger Jahre als "Progressiver" mit seinen imaginativen und sehr schwierigen Jazzvariationen eine große Gefolgschaft erspielt. Nach langer Zeit gab ihm dieses Jazzfestival nun die Chance, wieder einmal vor einem großen und anspruchsvollen Publikum zu spielen. Dave Brubeck schlug seine faszinie renden Akkorde auf dem Piano und produzierte sich im tönenden Duell mit dem Saxophonisten Paul Desmond, brillant und höchst musikantisch. Mulligan, ein führender Vertreter der sogenannten "West Coast School of Jafcz" spielte mit Feuer und großer Delikatesse kühne Varia­ tionen zu einem einfachen Thema. Er und seine Jünger zeigen von jeher eine bemerkenswerte Verachtung für den "B=at" und sind unermüdlich

- 7 - "AMERIKA DIENST" 25. September 1957 unermüdlich im Aufspüren neuer Tonvarianten und Kombinationen, ohne dabei dem Jazzidiom untreu zu werden. Sehr gemäßigt klingen heute die Darbietungen des Orchesters Stan Kenton im Vergleich zu den Instrumentationen Ende der 1940er Jahre. Es liegt nicht daran, daß die Trompeter weniger virtuos oder die Saxophone weniger erregend waren. Es liegt an der Musik, die einst­ mals radikal genannt, von den Heutigen nicht mehr als revolutionär empfunden wird. Dizzy Gillespie war, obgleich mit wenig Neuem aufwartend, einer der gefeiertsten Trompeter des Festivals. Seine große Affektion für den "Bop", einem Vorläufer des progressiven Jazz, wurde auch hier wieder offenbar» Der Mangel an guten männlichen Jazzsängern brachte es mit sich, daß das weibliche Element dieser Kaste in Newport so große Triumphe feiern konnte. Die "Königin des Blues", Billie Holiday, für die beim Vortrag der Stil mindestens ebenso wichtig ist wie der Gesang, riß mit ihren Lamentationen das Publikum zu enthusiastischem Beifall hin. Die junge Chris Connor, die ihre Songs mit großer Sicherheit und Musikalität vortrug, fand ebenfalls recht freundliche Aufnahme. Die große Ella Fitzgerald, die im "progressive styling" vielleicht nur von Sarah Vaughan übertroffen wird, brachte Gershwinmelodien in großartiger neuer Phrasierung. Ein ungewöhnlicher Genuß war die musikalische Darbietung der kleinen, aus der Mandschurei stammenden Toshiko Akiyoshi, die in ihrem Kimono auftrat und Jazz, verwoben mit fernöstlichen Motiven, zum Vortrag brachte. Die Sensation des Festivals aber brachten nicht die großen Na­ men, sondern die Schülerband der Farmingdale-Highschool aus dem Staate New York. Und sie allein könnte alle Kritikerfurcht um die Zukunft des Jazz zerstreuen. Diese jungen Musikanten rissen in leidenschaft­ lichem Expressivo, mit scharfwürzigem "drive" und "pepp" und der -Präzision ihrer musikalischen Darbietung das Publikum zu einem Begeisterungssturm hin, der einmalig ist in der Geschichte des Festivals von Newport. Ihr Beitrag dürfte einen langen Nachhall finden.

ACHTUNG!

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ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Dae Newport Jazz-Festival, das seit vier Jahren alljährlich in dieser Rhode-Island-Stadt stattfindet, brachte 1957 die Spitzen­ kräfte des traditionellen und modernen Jazz zusammen. Unser Bild zeigt Dizzy Gillespie mit seinem Orchester. Er ist ein großer Vertreter des "Bop", einem Vorläufer des "progressive jazz". Die eigenartig geformte Trompete erlaubt dem Künstler, sein eigenes Spiel besser zu hören.

2) Ella Fitzgerald, im sogenannten "progressive styling" vielleicht nur noch von Sarah Vaughan übertroffen, brachte.in Newport George-Gershwin-Melodien in neuer, faszinierender Phrasierung zum Vortrag.

3) Die Sensation von Newport brachten nicht die großen Namen, son­ dern die kleine Dance-Band der Farmingdale Highschool aus dem Staate New York. Der scharfwürzige "drive" und "pepp" und die Präzision der musikalischen Darbietung dieser jungen Jazzmusi­ kanten riefen das Publikum zu Beifallsstürmen hin, wie sie ein­ malig in der vierjährigen Geschichte von Newport sind. Die Frage "Was wird aus dem Jazz"? ist keine bange Frage mehr, wenn man die junge Band gehört hat.

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GEDENKTAGE IM OKTOBER 1957

2. Oktober 1871 Cordeil Hüll, ehemaliger US-Außenminister, geboren ( + 23. Juli 1955) 11 3. 1900 Thomas Wolfe, amerikanischer Dichter, geboren n 5. 1830 Chester A. Arthur, 21. Präsident der USA, geboren 6. 11 1927 Premiere des ersten Tonfilms ("Der Jazzsänger" mit AI Jolson) in New York 6. " 1683 Gründung von Germantown (Pennsylvanien), der ersten deutschen Siedlung in der Neuen Welt 7. " 1849 Edgar Allan Poe, amerikanischer Dichter, gestorben 12. " Kolumbus-Tag. Jahrestag zu Ehren des Mannes, der 1492 Amerika entdeckte 14. " 1890 Dwight D. Eisenhower, 34. Präsident der USA, geboren 14« " 1947 Als erster Mensch fliegt Major Jaeger schneller als der Schall 16. " 1758 Noah Webster, amerikanischer Lexikograph und Histo­ riker, geboren 16. " 1888 Eugene Q'Neill, amerikanischer Dramatiker, 1936 Nobelpreisträger für Literatur geboren 18. " 1867 Alaska wird Territorium der USA 19- " 1781 Kapitulation von Lord Cornwallis in Yorktown beendet den Unabhängigkeitskrieg der USA 19« " 1951 Die Vereinigten Staaten beenden den Kriegszustand mit der Bundesrepublik Deutschland 20. " 1859 John Dewey, der Begründer des philosophischen Pragma­ tismus in den Vereinigten Staaten, geboren 22. " 1883 Eröffnung der "Metropolitan Opera" in New York 23. " 1956 Beginn des Ungarischen Freiheitskampfes 24. " Tag der Vereinten Nationen (1949 Tag der Grundstein­ legung zum UN-Gebäude in New York) 27. " 1858 Theodore Roosevelt, 26. Präsident der USA, geboren 2fl. " 1886 Enthüllung der Freiheitsstatue auf Bedloe's Island * durch Präsident Cleveland 28. " 1793 Eli Whitney stellt die erste Baumwoll-Entkernungs- maschine her 29. " 1949 Aufnahme Westdeutschlands in die OEEC 30. " 1735 John Adams, 2. Präsident der USA, geboren 31• " Halloween, Nacht der Hexen und Geister in Amerika

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Die Artikel des AMERIKA DlENSTJSsind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

AMATEURFUNKER IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Mit der ganzen Welt in Verbindung - Helfer in Kriegs- und Notzeiten Von Carl Dreher

(gekürzt aus "Think") - Quellenangabe erforderlich -

( 95 Zeilen) (AD) - Der moderne Rundfunk ist eine große Organisation mit Tech­ nikern, Künstlern und einer ungeheuren technischen Ausrüstung, die ih­ ren Zweck darin sieht, ihre Hörer 24 Stunden am Tag zu unterhalten und zu belehren. Doch das ist nicht alles, denn zum Funk gehören auch jene lose zusammengeschlossenen Vereinigungen, deren Mitglieder - die "Hams" - ihre Einrichtung dazu benutzen, mit anderen Menschen in an­ deren Städten und Ländern Äthergespräche zu führen. Das ist ihr "Hobby" und ihr Vergnügen. Wer sind nun diese "Hams"? Der Ausdruck reicht in die Anfangszeit der drahtlosen Telegraphie zurück, als die Telephonie noch nicht er­ funden war. Ein "Harn" war damals ganz einfach ein schlechter Tele­ graphist. Kein Berufs- oder Schiffsfunker aber hat jemals zugegeben, ein "Harn" zu sein, während die Amateurfunker in humorvoller Selbst- bescheidüng diese Bezeichnung auf ihr Firmenschild geschrieben haben. Freilich war dies von Anfang an eine Fehlbezeichnung. Denn es befin­ den sich noch heute "Hams" im Ä'ther, die bereits 1912, als die Lizenz­ pflicht für Funker in den Vereinigten Staaten eingeführt wurde, ihren Funk-Erlaubnisschein erwarben, und die es, was das Funken angeht, mit jedem Hochqualifizierten Funker aufnehmen können. Die "Hams" stellen eine traditionsbewußte Gemeinschaft dar; selbst die ganz jungen unter ihnen, die von der ganzen Tradition nichts wis­ sen, halten sich an die alten Spielregeln. Jargon und Abkürzungen, wie zum Beispiel '"OM" für "Old Man" (selbst wenn der "alte Mann" erst

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erst 14 Jahre alt ist), das ritterliche "YL" für "Young Lady", "73" für "Grüße", stammen aus der Zeit des Telegraphen, zum Teil sogar noch von jenen alten Überlandleitungen des 19. Jahrhunderts. In der Telegraphie muß alles ausgeschrieben werden - Buchstabe um Buchstabe. Ein guter Telegraphist kann 20 Worte in der Minute senden und empfangen. Schafft er das Doppelte, so gilt er als ein Phänomen. Jedermann aber kann 150 Worte in der Minute in ein Mikrophon sprechen. Die einst notwendigen Abkürzungen, sind heute nur noch eine liebgewordene Belustigung - ein Stück Tradition. Die Amateurfunker bilden so etwas wie eine Bruderschaft, deren Ritual die gemeinsame Sprache und Abkürzungen sind. Diese "Bruderschaft" ist nach rangordnungsmäßigen Gesichtspunkten, also wie eine Hierarchie, aufgebaut. Sie umfaßt alle Amateurfunker - angefangen von den Anfängern, die sich gerade im Äther bewegen lernen, bis zu den großen "Kanonen", deren Können weit über Zerstreuung und "Hobby" hinausgeht. Amateurfunken ist darüber hinaus ein "aktives" Hobby, bei dem die meisten Amateurfunker nicht nur ihre Apparate bedienen, sondern auch einen Großteil davon selbst zusammenbauen. Außerdem experimen­ tieren sie unaufhörlich, um ihre Ausstattung ständig zu verbessern. "Ham"-Funken ist seiner ganzen Natur nach demokratisch. Jeder verkehrt mit jedem, ohne Rücksicht auf Herkommen, Stand und künftige Aussichten. Viele "Harns" haben Freundschaft miteinander geschlossen und besuchen sich gegenseitig, andere haben sich nie von Angesicht zu Angesicht gesehen und unterhalten ein Leben lang "Funk"-Freund­ schaften. Zu den Mitgliedern der Bruderschaft gehören unter anderem Vizepräsidenten von Unternehmen, Tennismeister, Dirigenten und Piani­ sten, Ärzte, ein Großherzog und einige Prinzen sowie eine große An­ zahl einfacher Bürger. Amateurfunken ist ein internationales Hobby, und im Gegensatz zu dem allgemeinen Eindruck gibt es so etwas wie einen "Eisernen Vorhang" nur in einigen asiatischen Ländern. Die amerikanischen Amateurfunker werden allerdings weniger als ihre Kollegen in ande­ ren Ländern an der Ausübung ihrer Tätigkeit von einschränkenden Regierungsbestimmungen behindert. Gegenüber 140 000 amerikanischen Amateurfunkern zählt man in der ganzen übrigen Welt ungefähr 60 000 Amateurfunker. Viele amerikanische und ausländische Amateurfunker

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Amateurfunker wurden bereits von der American Radio Relay League ausgezeichnet, weil sie Funkverbindungen mit allen Kontinenten nach­ weisen konnten. Einige "Harns" brachten es auf nahezu sämtliche Länder. Die amerikanischen "Harns" zahlen für ihr Vergnügen und ihre Pri­ vilegien mit öffentlichen Dienstleistungen in Kriegszeiten und in Katastrophenfällen, wenn die normalen Nachrichtenmittel zerstört sind oder nicht mehr ausreichen. Im zweiten Weltkrieg dienten 25 000 Ama­ teurfunker in Uniform und bewerkstelligten einen wesentlichen Teil der Nachrichtenarbeit. In Friedenszeiten kann man die Amateurfunker mit den Männern der freiwilligen Feuerwehr vergleichen, die beide eine lebenswichtige Aufgabe zu erfüllen haben. Sie müssen bereit sein, auf ein paar Nächte Schlaf zu verzichten und notfalls auch ihr Leben ein­ zusetzen, wenn es darum geht, den Nachrichtenverkehr aufrecht zu er­ halten. In den meisten Gebieten sind die "Harns" dementsprechend in Funkbereichen zusammengefaßt, um Rote Kreuz- und andere offizielle Nachrichten besser übermitteln zu können. Die einfachste Lizenz, die man in den Vereinigten Staaten erwer­ ben kann, ist die Anfänger- oder Lehrlingslizenz, die nur ein Jahr gültig ist. Danach muß man die allgemeine Lizenz mit den höheren An­ forderungen erwerben. Daneben gibt es noch eine Sonderlizenz, deren Erwerb selbst einigen Berufsfunkern Schwierigkeiten bereitete. Li­ zenzen wurden Jungen und Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren verliehen, während der älteste auf die 90 zugeht. 1923 betrug das Durchschnittsalter der Amateurfunker 22 Jahre, während es gegenwärtig bei 36 liegt. Wer sich mit dem Gedanken des Amateurfunkens trägt, muß auch die dabei entstehenden Kosten berücksichtigen. Sie reichten in frühe­ ren Zeiten von 10 bis 1910 Dollar, für eine komplette Anlage, während man heute etwa 800 Dollar im Durchschnitt ausgeben muß. Freilich kann man auch mit einem kleineren Gerät mit einem Kostenaufwand von 50 Dollar beginnen. In der goldenen Zeit der Amateur-Funkerei, deren die ersten "Harns" mit Zärtlichkeit gedenken, begann man mit einer Zünd­ spule von einem Ford-Modell "T" oder wickelte die Spule selbst. Mit einer Funkenbrücke und einem Kondensator aus einer Zinnfolie, die in einem Glasgefäß befestigt wurden, war der Sender fertig. Der

- 5 - "AMERIKA DIENST" 2. Oktober 1957 Der Empfänger war ine Art Abstimmgerät, das man ebenfalls selbst konstruierte: ein Kristalldetektor und ein paar Kopfhörer. In einigen Fällen benützte man auch den Empfänger eines Tischapparates. Wie dem auch sei: wer mit einem Nachrichtenempfänger beginnt und das ganze Rundfunkband von 1,5 Megahertz bis }0 Megahertz absucht, kann nichts falsch machen;, er wird nicht nur Amateurfunker, sondern auch Schiffe, Zeitzeichen, Militärfunk, Kurzwellensendungen der Rundfunk­ stationen und eine ganze Menge anderer Laute hören, die uns außerhalb einer Menagerie ungewöhnlich anmuten. Das meiste, was man hört, ist interessant - nicht weniges ist wundervoll.

Nach "Think" - Quellenangabe erforderlich -

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Wenn infolge Katastrophen die normale Nachrichtenübermitt­ lung unterbrochen ist, haben Amateurfunker eine besondere Aufgabe. Paul M. Crawn jr., Student und Amateurfunker, blieb 1956 über drei Tage im Äther, um den Verlauf des Hurrikan "Diane" festzuhalten, den Einsatz von Notstandsarbeitern zu leiten und die Opfer der Katastrophe mit ihren Verwandten in Verbindung zu bringen.

* * # * * "AMERIKA DIENST" 2. Oktober 1957

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INTEGRIERUNG DES WISSENS Hoffnungen für die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse Von J. H. Shera Dekan der Schule für Bibliothekwissenschaft an der Western Reserve University in Cleveland (Ohio)

(Aus "The Saturday Review") - Quellenangabe erforderlich -

( 98 Zeilen) (AD) - Die Welt des Geistes und die Welt der Tat waren immer voneinander abhängig. Mit der wachsenden Komplexität der gesellschaft­ lichen Struktur offenbarte sich diese gegenseitige Abhängigkeit von Gelehrsamkeit und Leben noch deutlicher. Die willkürliche und artifi- zielle Natur der theoretischen Trennung beider ist der klassischen Tradition in unserem Schulwesen zuzuschreiben. Die humanistischen Disziplinen, wie sie an amerikanischen Universitäten und Colleges gelehrt werden, gehen auf Griechenland und Rom zurück, wo das kontem­ plative Leben von der praktischen Welt scharf getrennt war. In einer derartigen Kultur, in der die manuelle Arbeit den Sklaven oblag, wur­ den Hand und Verstand nicht zusammen ausgebildet. So geschah es, daß die Naturwissenschaften, weil sie auf das La­ boratorium angewiesen sind, in dem Hand und Geist zusammenarbeiten müssen, allmählich die humanistischen Fächer weit überflügeln konnten. Die Naturwissenschaften halten die Waage zwischen dem rein Praktischen und dem Philosophischen oder Spekulativen. Sie ruhen nicht, solange Grundsätze und Begriffe quasi noch in der Luft hängen, wie dies im Bereich des humanistischen Denkens oft der Fall ist. Die Geschichte des Geistes lehrt, daß das menschliche Wissen in seiner zunehmenden Vielschichtigkeit und Interdependenz zur 'Fragmen- tation und zur "Flucht aus der Mitte" neigt. Diese fortschreitende Entwicklung erfordert eine Koordination, die in einem Wissensvermitt­ lungssystem begründet liegt, das Spezialisten der verschiedensten

- 5 - "AMERIKA DIENST" 2. Oktober 1957 verschiedensten Wissensgebiete zusammenbringt und sie und ihre Fähig­ keiten nun zur Lösung bestimmter gesellschaftlicher Aufgaben heran­ zieht. Kurz, der Fortbestand unserer Gesellschaft kann von der Fähig­ keit des Menschen abhängig sein, auf die konkreteste und spezifizierteste Art und Weise die Einheit allen menschlichen Wissens theoretisch und praktisch zu bekräftigen. Diese Koordinierung kann auf zwei Arten erreicht werden: 1. durch diktatorischen Zwang und 2. durch eine demokratische gesellschaftliche Ordnung. Punkt 1 ist für freie Menschen unannehmbar. Wir lehnen ihn aus der tiefwurzelnden Überzeugung heraus ab, daß Entscheidungsfreiheit und Handlungsfreiheit notwendige Attribute einer gesunden und fort­ schrittlichen Gesellschaft sind. Allerdings ist bisher noch nicht er­ wiesen, ob die Demokratie dieses grundlegende Problem erfolgreich lösen kann. Auf akademischer Ebene hat das Problem gebührende Anerkennung gefunden, die sich in der Zunahme des Studium generale und der För­ derung der Gepflogenheit ausdrückt, zeitweilige personelle Verset­ zungen von der Universität zur Regierung oder in die Wirtschaft vor­ zunehmen. Dieses Zusammenschweißen der Welt des Wissens mit der Welt der Praxis, das über den Einzelmenschen erfolgt, ist von höchster Bedeutung. Dennoch birgt dieser mündliche Austausch, so ideal er auf den ersten Blick erscheinen mag, einen großen Nachteil. Dieser "persön­ liche Bote der Wissenschaft", dieser Fachmann, muß selbst Gelegen­ heit und Möglichkeiten haben, sich über die neuen Erkenntnisse auf seinem eigenen Spezialgebiet auf dem laufenden zu halten. Dabei ist er vielfach auf schriftlich niedergelegte wissenschaftliche Berichte angewiesen. So ergibt sich die Notwendigkeit einer neuen Disziplin der Wis­ senschaft für die Wissensvermittlung. Es wird keinesfalls eine Neu­ auflage der alten Massenverbreitungsmethoden werden, mit der wir bis zum Überdruß vertraut gemacht worden sind. Wir beschäftigen uns hier mit einem Wissensgebiet über das Wissen selbst. Wie sich Wissen entwickelt und vermehrt hat, ist seit langem Studienfach, wie aber

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aber das Wissen koordiniert, integriert und arbeitsfähig wird, ist bisher ein fast unbekanntes Forschungsgebiet. Generationen hindurch haben die Philosophen Spekulationen über die Natur des Wissens, seine Quellen, Methoden und die Grenzen seiner Gültigkeit angestellt. Aber das Studium des Wissens als solchem hat sich immer um die intellektuel­ len Fortschritte des einzelnen gedreht. Psychologen trugen die Vermu­ tungen der Philosophen ins Laboratorium und kamen in der Untersuchung der geistigen Fähigkeiten und des geistigen Verhaltens des einzelnen - wiederum des einzelnen - voran. Aber weder die Wissenschaftsforscher noch die Psychologen haben eine ordentliche und verständliche Wissens­ disziplin für die intellektuelle Differenzierung und Integrierung des Wissens innerhalb einer komplexen Gesellschaftsstruktur entwickelt.

Im Brennpunkt der neuen Disziplin, die uns vorschwebt, werden alle Faktoren der in unserer Gesellschaft bekannten Übermittlungsfor­ men stehen. Aber obwohl die "gesellschaftliche Epistemologie", die Wissenschaft von der Wissenschaft, ihr eigenes theoretisches Wissen haben wird, so wird sie auch eine praktische Disziplin sein. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen. Bis vor wenigen Jahren haben wir im Zusammenhang mit Maschinen fast ausschließlich an eine Erwei­ terung der körperlichen Kräfte des Menschen gedacht. Bis man schließ­ lich Ende der vierziger Jahre darauf kam, daß es möglich sei, eine Art Gegenstück zum menschlichen Gehirn in Form eines Elektronenhirns zu konstruieren. Wir können hier nicht alle dadurch eröffneten Möglich­ keiten aufzeigen. Die bekannteste ist die Erfindung von Maschinen für die Berechnung abstrakter mathematischer Aufgaben, Rechenmaschinen mit gewaltiger Kapazität, die eine Geschoßbahn berechnen, über den ganzen Komplex finanzieller Transaktionen Buch führen, von einer Sprache in die andere übersetzen, Quellenmaterial speichern und auswerten. Damit stehen wir an der Schwelle einer neuen Epoche: eines Zeit­ alters, das ungeahnte Möglichkeiten für eine wirkungsvollere Wissens­ vermittlung herbeiführen kann. So faszinierend diese Einzelheiten sind, so werden die grundlegenden Probleme der Wissensvermittlung doch nicht durch eine kluge Erfindung für die Speicherung von Informationen oder ihre Verbreitung gelöst. Das Problem ist weit subtiler. Wir

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Wir müssen die geistigen Vorgänge nicht nur begreifen, wir müssen sie auch zusammenfügen, so daß die Maschinen mit ihnen arbeiten können. So erregend und dramatisch diese Entwicklungen sind und so scheinbar unbegrenzt die Aussichten, die sie eröffnen, zu sein schei­ nen, können wir nur einen geringen Portschritt hinsichtlich ihrer Anwendung auf die Probleme der Wissensvermittlung erzielen, solange wir nicht wirklich ergründet haben, auf welche Weise der Mensch Wissen erwirbt und wie sich die Gesellschaft als Ganzes die vielen Fachgebiete des Wissens aneignet und sie zusammenfügt. Neue Erkenntnisse sind überhaupt nicht mehr das Produkt des in der Einsamkeit brütenden menschlichen Geistes. Die großen Fort­ schritte der Zukunft, die das Verständnis des Menschen für seine Um­ welt erweitern werden, können wahrscheinlich nur durch gemeinsame Bemühungen erzielt werden. So bewegen wir uns von den Grenzen des Geistes des einzelnen zu der Tätigkeit des kollektiven Geistes, nicht in dem alten Sinn des "allgemeinen Willens" der Mehrheit gleicher Einheiten, sondern im modernen Sinn einer Vielheit verschiedenarti­ ger und unterschiedlicher Geister, die in Harmonie mit dem Ganzen arbeiten. Die neue Disziplin, die wir hier, wenn auch nur kurz, umrissen haben, dringt in jede Faser und jeden Nerv der intellektuellen Ge­ meinschaft ein. Die gegenseitige Abhängigkeit der reinen Wissenschaf­ ten voneinander wird allmählich erkannt. Auch die Gesellschaftswis­ senschaften haben Studien über Theorie, Struktur und Dynamik der ge­ sellschaftlichen Ordnung eingeleitet; und die Volkswirtschaft hat neue Versuche unternommen, unser Wissen über entscheidende Vorgänge in ein System zu bringen. Eines Tages muß jede der vielen Diszipli­ nen, die heute das intellektuelle Leben unserer Gesellschaft ausmache ihre eigene Weisheit und Findigkeit auf dieses zentrale Problem rich­ ten.

(Aus "The Saturday Review") - Quellenangabe erforderlich - * * * * -x- "AMERIKA DIENST" 2. Oktober 1957

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PROBLEME DES MASSENUNTERRICHTS UND WEGE ZU IHRER LÖSUNG Erfahrungen in der "Tonband"-SchuIe in Louisiana

(82 Zeilen) NEW ORLEANS - (AD) - Der Besucher der freundlichen neuen Schule auf dem parkartigen Gelände der St. Scholastica Academy bei New Orleans im südlichen Louisiana fühlt sich in ein Rundfunkstudio versetzt, so­ bald er einen der drei Hauptklassenräume betritt. Die Schüler lauschen gespannt auf das, was aus dem Kopfhörer ertönt, und die Lehrerin steht am Schaltpult, bedient eine Reihe von Knöpfen und Hebeln und spricht ab und zu in ein Mikrophon. Er ist in eine Schule geraten, die eine völlig neue Art des Unterrichts versucht - einen Unterricht, bei dem zumindest den ver­ schiedenen weit fortgeschrittenen Gruppen unter den Schülern einer Altersklasse, wie sie sich auf Grund der geistigen Anlagen oder auch der körperlichen Entwicklung der jungen Menschen, ja immer ergeben, nach Möglichkeit aber sogar dem einzelnen eine individuelle Behand­ lung und Förderung zuteil werden soll« Man möchte gerne eine befrie­ digende Lösung für das Problem finden, daß ein Teil der Schüler dem Unterricht mit knapger Not zu folgen vermag, während andere sich bereits langweilen, weil der Lehrer eben wegen der ersten Gruppe nur verhältnismäßig langsam vorwärtsgehen kann. Unterricht mit elektronischen Hilfsmitteln ist nichts Neues. Mikrophon, Tonband und Kopfhörer jedoch als ein Grundelement des Lehrplanes zu betrachten, ist sehr wohl ein völlig neuer Gedanke, der aber gerade in den Vereinigten Staaten große Aussicht hat, auf breiter Ebene aufgegriffen zu werden. Denn schon in den kommenden Jahren muß mit einem starken Anstieg der Schülerzahl bei gleichzei­ tig wachsenden Anforderungen an das Bildungsniveau gerechnet werden. Schwester Maria Theresa vom Orden der Benediktinerinnen in Covington (Louisiana) sah sich schon vor neun Jahren vor dieses Pro­ blem gestellt, als sie die Leitung der Schule übernahm. Die Eltern

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Eltern kamen zu ihr und baten darum, ihren Kindern einen individuelle* ren Unterricht in weniger stark besetzten Klassen angedeihen zu las­ sen. Diese Bitte aber angesichts der vorhandenen Möglichkeiten erfüllen zu wollen, war ziemlich aussichtslos. Auch die Zahl der Lehrerinnen konnte nicht vergrößert werden, und so mußte man nach anderen Wegen suchen. Vor etwa fünf Jahren begann Schwester Maria Theresa dann zum er­ sten Mal mit einer Lehrmethode unter Zuhilfenahme des Tonbandes zu experimentieren. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, daß sich auch die "Fordstiftung für die Förderung des Bildungswesens" dafür in­ teressierte und einen wesentlichen Teil der Mittel zur Verfügung stellte, die für den Bau eines neuen Schulhauses mit Schaltpulten, Tonbandgerä­ ten und Kopfhöreranschluß für jeden Platz in den Klassenzimmern benö­ tigt wurden. Der eigentliche Lehrstoff für die Unterrichtsstunde von 45 Minuten Dauer ist auf Tonband aufgenommen, und zwar in vierfacher verschiede­ ner Ausführung: er ist einmal auf das langsam lernende Kind, dann auf das durchschnittlich begabte und zum dritten auf das besonders begabte Kind abgestellt, während er auf dem vierten Tonband in der "neutralen" herkömmlichen Darstellung vermittelt wird. Dem Lehrer am Mischpult, der ja jede Einzelphase des Lehrstoffs in den vier Schwierigkeitsstu­ fen genau kennt, eröffnen sich damit außerordentliche Möglichkeiten zur Intensivierung des Unterrichts. Denn während die Tonbänder ab­ laufen, kann er beispielsweise an der Tafel den einen oder anderen Punkt noch besonders verständlich machen, und dem einzelnen oder auch einer Gruppe von Schülern manches zusätzlich über den Sprechapparat erläutern, sobald er bemerkt, daß irgendwelche Unklarheiten bestehen. Der große Vorteil dieser Methode ist ja, daß der Lehrer die Heaktion seiner Schüler auf das Gehörte viel leichter beobachten und beurteilen kann als im üblichen Unterricht. Für die Schülergruppe aber, die ohne Schwierigkeit zu folgen vermag, entsteht durch solche Erklärungen keinerlei Unterbrechung der Unterrichtsstunde. An den Lehrer selbst werden außerordentlich hohe Anforderungen gestellt. Wer den Stoff nur soweit beherrscht, daß er in seiner Vor­ bereitung den Schülern immer "gerade nur einen Schritt" voraus ist, wird

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wird bald scheitern, wenn von ihm erwartet wird, den Lehrstoff einer ganzen Unterrichtsstunde unter Berücksichtigung der möglichen Reak­ tionen der einzelnen Schüler auf Band zu sprechen. Für denjenigen aber, der souverän den Unterricht nach der neuen Methode leitet, ergibt sich, was bei stark besetzten Klassen sehr wichtig ist, die Möglichkeit, bei­ spielsweise einer Gruppe regulären Unterricht zu erteilen, bei einer zweiten gleichzeitig die Aufsicht bei der Ausarbeitung der Schulauf­ gaben zu führen und überdies solche Schüler, die bereits völlig selbständig arbeiten können, in besondere Einzelkabinen zu schicken und ihr Studium durch die Auswahl des Tonbandes in einer Weise zu för­ dern, die dem Privatunterricht sehr nahe kommt. Die Nonnen in der Schule von Louisiana wissen noch nicht genau, wohin der Weg, den sie als Lehrer eingeschlagen haben, führen wird. Wer jedoch als Außenstehender Gelegenheit hatte, diese in ihrer Art einmalige Unterrichtsmethode kennenzulernen und ihre Wirkung auf die Schüler zu beobachten, ist überzeugt, daß hier bahnbrechende Arbeit für die Lösung des Problems geleistet wird, einem großen Kreis von Menschen einen gründlichen und gleichzeitig vielseitigen Unterricht zu bieten.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Unt errichtsstunde in der "Tonband"-Schule. Am Mischpult mit seinen vielen Schaltknöpfen und Steuerhebeln sind die vier Tonbandrollen zu sehen, die den Lehrstoff - bis zu einem gewissen Grade den Lern­ fähigkeiten des einzelnen entsprechend - über Kopfhörer an die Schü­ ler heranbringen. Die Lehrerin kann sich über ein Mikrophon an ein­ zelne Schüler wenden, ohne daß der Unterricht für die anderen un­ terbrochen wird.

2) Wie vielfältig und elastisch das Tonband-Unterrichtssystem ist, läßt diese Aufnahme erkennen: Während eine Nonne das Band für eine der nächsten Mathematikstunden bespricht, hören Studenten, die dieses System in seiner praktischen Durchführung kennenlernen wollen, unmittelbar hinter ihr in offenen Einzelkabinen das Ton­ band einer früheren Mathematikstunde ab.

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AUFHEBUNG DER RASSENTRENNUNG IN SCHULEN DES AMERIKANISCHEN SÜDENS IN 24 PROZENT DER BETROFFENEN SCHULBEZIRKE DURCHGEFÜHRT

( 26 Zeilen) NASHVILLE (Tennessee) - (AD) - In 24 Prozent aller Schulbezirke des Südens mit weißen und farbigen Kindern ist nach einer Meldung des "Southern Education Reporting Service" die Aufhebung der Rassentren­ nung in den öffentlichen Schulen bereits im Gange. Von den 3003 Schul­ bezirken mit gemischter Bevölkerung haben 740 die Rassentrennung auf­ gehoben. Zwar bestehen im Süden der Vereinigten Staaten insgesamt 9OO4 Schulbezirke, doch gibt es in 6001 davon nur Kinder einer Rasse, so daß sich diese Frage dort nicht stellt. In den 740 Bezirken, in denen mit der Aufhebung der Rassentren­ nung begonnen wurde, sitzen zur Zeit mindestens 104 200 Negerkinder gemeinsam mit weißen Kindern in den Schulklassen. Die Gesamtzahl der Negerkinder in diesen Bezirken beträgt etwa 350 000. Es gibt noch zahlreiche reine Negerschulen, einmal, weil die Aufhebung der Rassen­ trennung noch nicht abgeschlossen ist, zum anderen, und das in der Hauptsache, weil die Wohngebiete der weißen und der farbigen Bevöl­ kerung getrennt liegen und die Kinder Schulen besuchen, die ihren Wohnungen am nächsten sind. Die Zahl 104 2 00 wurde am Ende des letzten Schuljahres festge­ stellt. Eine neuere Statistik gibt es nicht, der "Reporting Service" schätzt aber, daß diese Zahl allein im letzten Monat um 25 000 ge­ stiegen ist. Vor vier Jahren gab es in den Schulen der Südstaaten Amerikas noch keine gemischten Klassen. Die Zahl der Neger in den Schulen der Weißen war gleich null. ***** "AMERIKA DIENST" 9. Oktober 1957

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IM INTERESSE ALLER Ein Jahresrückblick zum'Tag der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1957

( 78 Zeilen) VEREINTE NATIONEN (New York)- (AD) - Am 24. Oktober sind es zwölf Jahre her, daß die Vereinten Nationen Wirklichkeit geworden sind - 'im Interesse aller." Die Männer, die in San Francisco die Charta der UN unterzeichne­ ten, handelten als Vertreter ihrer Regierungen. Damals waren ,es 51« Heute sind es 82. Viele Staaten haben, unterstützt von der Weltorgani­ sation, vor der sie sich zu gemeinsamem Einsatz für Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, Gesetz und Freiheit verpflichteten, erst vor kurzem ihre Unabhängigkeit gewonnen. Seit einem Jahr, seit man das letzte Mal den Tag der Vereinten Nationen beging, sind sechs Staaten in die UN aufgenommen worden: der Sudan, Marokko, Tunesien, Japan, Ghana und Malaya.

Jene Männer von 1945, die als Repräsentanten ihrer Regierungen die Charta unterzeichneten, sprachen gleichzeitig für die Millionen Men­ schen in aUer We't, wie auch die Charta es tut, die mit den Worten beginnt:

"Wir, die Vö ker der Vereinten Nationen, sind entschlossen, kommen­ de Ges-chle hte^ vor der Geißel des Krieges, die in unserer Generati n zweimal unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, zu bewahren..."

Sie verpf i

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Manchmal, und besonders in diesem letzten Jahr, erschien die Geißel des Krieges wieder in nächster Nähe. Toleranz ist heute die große Notwendigkeit. Noch sind die Ängste, das Mißtrauen und die Feindschcft der Vergangenheit nicht vergessen. Aber das gemeinsame Bemühen, die Wunden zu heilen, darf "im Interesse aller" nicht auf­ hören. Die Vereinten Nationen können den Frieden oder Übereinkommen nicht erzwingen. Aber sie können die moralische Kraft der Meinung von Millionen und aber Millionen von Menschen, für die sie stehen, einsetzen. Sie können auf die in der Charta vorgesehenen Methoden des Vermitteins, Versöhnens und der rechtlichen Bereinigung zurück­ greifen.

Notfalls können sie noch mehr tun - einen Präzedenzfall schaffen, wie es eine wachsende, lebende Organisation häufig tun muß, aller­ dings in Anlehnung an die Charta und "im Interesse aller."

Die Feindseligkeiten, die im vergangenen Jahr in Ägypten aus­ brachen, bargen in sich die Gefahr eines umfassenderen Konflikts und sogar eines V/eltbrandes. Die Vereinten Nationen forderten eine Feuereinstellung - und erreichten sie. Die Vereinten Nationen ver­ langten die Zurückziehung ausländischer Streitkräfte aus ägyptischem Gebiet - und drangen damit durch. Die Truppen der Vereinten Nationen wurden mit unglaublicher Schnelligkeit organisiert.

Es war eine internationale Streitmacht - nahezu 6000 Mann aus zehn Nationen vierer Kontinente - mit einem eigenen Oberbefehlshaber. Sie setzte sich aus Freiwilligen zusammen, die unter der blau-wei­ ßen Flagge der Vereinten Nationen dienten. Nicht Krieg zu führen, war ihre Mission, sondern im Namen der Vereinten Nationen "Frieden und Gerechtigkeit und Ordnung zu dienen". Sie waren Soldaten des Friedens und "die vorderste Linie einer moralischen Kraft, die sich über die ganze Welt zieht", wie UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld es ausdrückte.

Auch als die Sowjets die Volkserhebung in Ungarn im Blut er­ stickten, verlangten die Vereinten Nationen den Rückzug der bewaff­ neten ausländischen Streitkräfte. Sie beauftragten ferner einen Aus-

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Ausschuß mit der Untersuchung der Lage in Ungarn. Nachdem jedoch die Sowjetunion die Resolution ignoriert und UN-Beobachtern die Einreise nach Ungarn verweigert hatte, blieb den Vereinten Nationen das mora­ lische Mittel - die UdSSR für ihr Verhalten zu verurteilen und die Meinung der Weltöffentlichkeit gegen sie zu mobilisieren. Und es blieb ihnen mit vorbehalten, den Tausenden von Flüchtlingen, die aus ihrer besetzten Heimat flohen, zu helfen.

Für das kommende Jahr ist eine zweite wissenschaftliche Konferenz über die friedliche Nutzung der Atomenergie in Vorbereitung. Die erste derartige Konferenz, von den Vereinten Nationen 1955 in Genf organi­ siert, wurde allgemein als ein wichtiger Meilenstein auf dem Wege, die Kernenergie zu einem Werkzeug des Friedens zu machen, angesehen. Ein Sonderausschuß befaßt sich mit den Auswirkungen der radioaktiven Strahlung auf den Menschen und seine Umgebung.All dies wirft neue Probleme auf, die nur in gemeinsamem Bemühen zu lösen sind - "im Interesse aller."

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) 24. Oktober 1945 - 51 Nationen verpflichten sich in San Francisco durch die Unterzeichnung der Charta der Ver­ einten Nationen zu gemeinsamem Bemühen um Frieden, Sicherheit und Menschenrechte. Für die USA unterzeichnet Senator Tom Connally (Bild).

2} Unmittelbar nach Ausbruch der Feindseligkeiten in Ägypten im Herbst 1956 trat die UN-Vollversammlung zu einer Sonder­ sitzung zusammen, in der sie in einer Resolution die Feuer­ einstellung in Nahost forderte. Kurz darauf schuf sie die Voraussetzungen zur Aufstellung einer UN-Truppe, die den Rückzug der fremden Truppen aus Ägypten überwachen sollte. Dänische Soldaten beispielsweise (Bild) übernahmen Stel­ lungen im Suezkanalgebiet, die von britischen Einheiten geräumt wurden. Mit erhobenen Daumen wünschen die Tommies den ablösenden Dänen Hals- und Beinbruch.

5) 48 Stunden nach seiner Staatwerdung wurde Ghana - ehemals Britisch-Togoland und die Kolonie Goldküste - in die Ver­ einten Nationen aufgenommen. Unterricht für Kinder und Er­ wachsene soll das Analphabetentum beseitigen und die Ent­ wicklung des jungen Staates fördern.

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GLEICHES RECHT FÜR ALLE BÜRGER Das Jahr 1957 brachte umfangreiche gesetzgeberische Maßnahmen der amerikanischen Einzelstaaten

(43 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Der amerikanische Jüdische Kongreß hat in einem vor kurzem herausgegebenen Untersuchungsbericht festgestellt, daß rund ein Dutzend der 48 amerikanischen Staaten in den letzten Monaten wesent­ liche Fortschritte in der Durchsetzung der allgemeinen Bürgerrechte ge­ macht haben. Der von der Kommission für Sozial- und Rechtsfragen zusammengestell­ te Bericht mit dem Titel "Zusammenfassung der im Jahre 1957 von den ver­ schiedenen Staaten erlassenen Gesetzgebung gegen die Diskriminierung" zeigt deutlich, daß die gesetzgebenden Versammlungen einer Reihe von Staaten Gesetze verabschiedet haben, die sich gegen die Diskriminierung im Arbeits- und Berufsleben, im Erziehungswesen, in Wohnungsfragen und im Gebrauch der öffentlichen Einrichtungen wenden. Die Staaten Colorado und Wisconsin ergänzten ihre Gesetze gegen die Diskriminierung im Arbeits- und Berufsleben, um so wirkungsvollere Durchführungsmöglichkeiten zu schaffen. Der Staat New York erweiterte sein bereits umfassendes Gesetz auf dem gleichen Gebiet, um jegliche Diskriminierung bei Lehrlingsausbildungsprogrammen zu unterbinden. Missouri hat seine Gesetze über die Rassentrennung auf verschie­ denen Gebieten aufgehoben, während Washington, Kalifornien und Illinois neue Gesetze gegen die Diskriminierung erließen. Die im Staat Washing­ ton verabschiedeten Gesetze machen diesen Staat zum vierten in der Reihe, die umfassende Gesetze gegen die Diskriminierung im Erziehungs­ wesen erlassen haben. Die anderen Staaten sind New Jersey, New York und Massachusetts. Gegen die Diskriminierung in Fragen der Unterbringung und Wohnung haben die Staaten Massachusetts, Minnesota, New Jersey, Oregon und Washington gesetzliche Maßnahmen erlassen. _ Oregon. "AMERIKA DIENST" 9. Oktober 1957

Oregon, Colorado, Illinois, Vermont und Washington erhielten neue Gesetze, die eine Diskriminierung im Gebrauch öffentlicher Einrichtun­ gen ausschließen sollen. Colorado, Oregon und Washington erweiterten darüber hinaus Ausführungsbestimmungen bereits bestehender einschlä­ giger Gesetze. Der Bericht des Amerikanischen Jüdischen Kongresses schließt mit den Worten: "Die neuen, im Jahre 1957 verabschiedeten Gesetze gegen die rassische und religiöse Diskriminierung erweitern bedeutend den Bereich, in dem dieses Übel nachdrücklich durch die Gesetzgebung be­ kämpft wird. Dreizehn Staaten haben jetzt wirkungsvolle Gesetze ge­ gen die Diskriminierung im Arbeits- und Berufsleben. In vier Staa­ ten existieren Gesetze, die eine Diskriminierung im Erziehungswesen weitgehend unterbinden. Andere Staaten haben auf diesem Gebiet eine begrenzte Gesetzgebung. Fünfundzwanzig Staaten ... verbieten die Diskriminierung bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen ... Sechs Staaten haben Gesetze zur Verhinderung der Diskriminierung auf dem Gebiet von Unterbringung und Wohnung."

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DAS KONZERTPROGRAMM DES EHEMALIGEN TOSCANINIORCHESTERS FÜR 1957/58

WASHINGTON - (AD) - Das amerikanische Orchester "Symphony of the Air", das ehemalige Toscaniniorchester, wird in der 57/58er-Saison acht Konzerte in New York geben. Die Stabführung obliegt den Diri­ genten Max Rudolf, Josef Krips, Igor Markewitsch, Leopold Stokowski, Carlos Chavez und Jonel Perlea. Die Programme werden jeweils ein neues amerikanisches Werk einschließen. Solisten der Saison sind Renata Tebaldi, Sopran; Benno Moiseiwitsch, Piano; Harry Shub, Violinej Benar Heifetz, Cello.

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NEUE SITZUNGSPERIODE DES OBERSTEN BUNDESGERICHTS Das höchste Gericht der Vereinigten Staaten steht vor neuen wichtigen Entscheidungen

( 56 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Am 7. Oktober 1957 hat die neue Sitzungsperiode des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten begonnen, in der Fälle mit großer nationaler und internationaler Bedeutung zur Verhand­ lung anstehen. In vielen Fällen werden die zu erwartenden Entscheidun­ gen in den Fragen der Bürgerrechte weitreichende Auswirkungen haben - besonders dort, wo es sich um kommunistische Subversion und um die Schulintegration der Farbigen handelt.

Die Probleme, vor die die neun Bundesrichter gestellt werden, sind nicht neu. Sie betreffen die Anwendung von Gesetzen und Präjudizen, die die letzte Sitzungsperiode des Obersten Bundesgerichts zu einer der umstrittensten in seiner Geschichte gemacht haben.

Das öffentliche Interesse wird sich natürlich am stärksten solchen Fällen zuwenden, in denen es um die nationale Sicherheit und die Rassen­ diskriminierung geht. Zahlreiche Fälle gehören in diese Kategorie.

Der vielleicht erste Fall, über den verhandelt werden wird, ist die Berufung von zwei Kommunisten gegen die Entscheidungen von zwei unteren Gerichten, von denen sie wegen Verletzung des Smith Act ver­ urteilt worden sind. Sie bestreiten die Verfassungsmäßigkeit dieses Ge­ setzes, in dem die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei als ein Beweis dafür angesehen wird, daß die Angeklagten den Plan für einen gewaltsamen Umsturz der Regierung unterstützt haben.

In einem anderen Fall klagen 2J Schauspieler, Schauspielerinnen und Drehbuchautoren aus Hollywood auf Schadensersatz, weil sie in der Filmindustrie ihre Stellungen verloren haben, nachdem sie vor einem

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einem Kongreßausschuß zur Bekämpfung anti-amerikanischer Umtriebe die Beantwortung von Fragen verweigert hatten.

Die bereits geschichtliche Gerichtsentscheidung über die Auf­ hebung der Rassentrennung in den öffentlichen Schulen aus dem Jahre 1954 bringt immer neue Fälle vor das Oberste Bundesgericht. Typisch dafür ist eine Klage gegen ein Gesetz des Staates Virginia über die Einschulung der Kinder, ein Gesetz, von dem seine Gegner behau ten, es sei lediglich erlassen worden, um die Entscheidung von 1954 zu umgehen. Das in Frage gestellte Gesetz gibt dem Staat Virginia die Berechtigung, Kinder in bestimmte Schulen einzuweisen.

Untere Gerichte haben das Gesetz als verfassungswidrig bezeich­ net, weitere Maßnahmen aber bis zur Entscheidung des Obersten Bun­ desgerichts ausgesetzt.

In einer ganzen Reihe anderer Fälle geht es um Streitigkeiten, die sich aus dem Taft-Hartley-Gesetz ergeben haben. Dieses Gesetz regelt die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen. Der hervorstechend­ ste Fall in dieser Gruppe betrifft die sogenannte "hot cargo"-Klau- sel in vielen Kollektivverträgen. Diese Klausel bestimmt, daß die Mitglieder einer Gewerkschaft nicht dazu aufgefordert werden dürfen, Güter von Firmen zu bearbeiten oder zu behandeln, die sich"unfair" gegenüber einer Gewerkschaft verhalten.Ein Berufungsgericht hat ent­ schieden, daß diese Klausel illegal ist.

Aus dem vergangenen Jahr ist noch eine Klage der Regierung der Vereinigten Staaten gegen den Staat Louisiana um die Grenzen die­ ses Staates im Golf von Mexiko anhängig. Der Gerichtshof soll dar­ über entscheiden, ob der Anspruch des Staates Louisiana - in dem es um große Ölvorkommen eht - sich lediglich auf die traditionelle Drei-Meilen-Zone zu beschränken hat, oder ob das Staatsgebiet sich 27 Meilen weit hinein in das Meer erstreckt, wie es einige alte Dokumente aus der Kolonialzeit ausweisen. Von internationalem Interesse dürfte der Fall eines kanadischen Traktorenfabrikanten werden, der in Tennessee wegen der behaupteten Verletzung dei Anti-Monopolgesetzgebung verklagt worden war. Ein unteres Gericht hatte sich für zuständig erklärt. Dagegen hat die Firma Berufung eingelegt. ***** "AMERIKA DIENST" 9. Oktober 1957

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DEUTSCHE FILMWOCHE IN DEN USA Das New Yorker Museum of Modern Art wird neue und alte deutsche Filme zeigen

( 54 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Das Mu seum of Modern Art in New York wird in der Zeit vom 24« bis zum 30. Oktober eine Woche des neuen deutschen Films veranstalten, in der Filme gezeigt werden sollen, die bisher noch nicht in den Lichtspieltheatern Amerikas angelaufen sind.

Der deutsche Botschafter in Washington, Dr. Heinz Krekeler, wird die Filmwoche am Abend des 23. Oktober 1957 mit einer Festansprache eröffnen. Bisher wurden nur zwei Filme genannt, die zur Aufführung kommen. Es sind dieses "Der Griff nach den Sternen" (Karl-Heinz Schroth) und der Käutner-Film" "Himmel ohne Sterne."

Mit dieser Woche des neuen deutschen Films wird gleichzeitig ein Programm des Museums über den deutschen Film überhaupt eingeleitet. Es dient als Ergänzung der Hauptausstellung des Museums, die im Herbst dieses Jahres unter dem Thema: "Die deutsche Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts" steht.

Die Filme umfassen einen Zeitraum von 1885 bis 1957» Verschiedene Richtungen in der Malerei und der Bildhauerei - der Expressionismus, die neue Sachlichkeit und der Surrealismus - haben ihre Parallelen im Film gefunden.

In dreizehn Wochen sollen über vierzig Filme aufgeführt werden, unter ihnen auch klassische Werke, die die Filmarbeit revolutionierten. Nach dem ersten Weltkrieg waren die deutschen Filmstudios, sowohl ge­ schäftlich wie künstlerisch, die einzige ernsthafte Konkurrenz für den amerikanischen Film. Hollywood erkannte bald das große Können deutscher Regisseure und Schauspieler, und die Namen Lubitsch, Murnau, Pommer.

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Pommer, Jannings, Lederer, Pola Negri und andere wurden durch ihre amerikanischen Filme bald genauso bekannt, wie durch ihre deutschen.

John Adams, ein Mitarbeiter des Kurators der Film Library am Museum of Modern Art, der das Programm für die Aufführung dieser deutschen Filme aus Vergangenheit und Gegenwart zusammenstellte, äußerte dazu: "Wir haben das Material so ausgewählt, damit unsere Besucher einen guten Überblick über die deutsche Filmarbeit bekommen. Unter den klassischen Filmen, den Kennern in unserem Lande wohlbe­ kannt, haben wir drei ausgewählt: 'Das Kabinett des Dr. Caligari', 'Der letzte Mann' und den Film über die Olympiade von 1936. Um diese berühmten Werke wurde eine Reihe anderer bemerkenswerter Filme grup­ piert ."

Nach den Streifen aus der "Flimmerkiste" Skladanowskys, den Vor­ läufern des Films, wird sich der Expressionismus im deutschen Film mit den Filmen "Das Kabinett des Dr. Caligari" (1919) und "Hinter­ treppen" (1929) vorstellen. "Hintertreppen" ist der einzige Film von Leopold Jessner, einem der Großen des deutschen Theaters. Auf dem Programm stehen ferner zwei Streifen von Erich Pommer, die dieser nach seiner Rückkehr aus Hollywood gedreht hat: "Asphalt" (1928) und die "Liebesgeschichte aus dem Rokoko" (1929)«

Die neue Sachlichkeit findet ihren Ausdruck in dem "Tagebuch einer Verlorenen" (1929)» einem Film von G. W. Pabst, in dem der amerikanische Star Louise Brooks die Hauptrolle spielte.

Aus der Zeit des "Dritten Reiches" kommen der zweiteilige Film über die Olympiade 193& und der historische Film "Der alte und der junge König" zur Aufführung. Beide Filme zeigen deutlich die Ideale des neuen Regimes.

Aus der Nachkriegszeit sind als wohl interessanteste Experimente hier noch der von Münchener Studenten gedrehte Film "In jedem Land zu einer Zeit" (1952) und der Film "Nicht mehr fliehen" (1954) zu nennen, der letztere mit einem erzählenden Begleittext von Albert Camus mit fortschrittlichsten Klangeffekten, einer Kombination von Sprache, "Cool Jazz" und Zwölftonmusik Die Filme werden von der Export-Union der deutschen Filmindustrie zur Verfügung gestellt. ^ # ^ # w " 3 ~ "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957

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SCHON 1944 WURDE DER KEIM ZUR UNGARISCHEN REVOLUTION GELEGT Von Mark Piros

( 160 Zeilen) In dem vergangenen Jahre sind zahlreiche Ursachen genannt worden, die zu den welterschütternden Ereignissen des 2J. Oktober 1956 in Un­ garn geführt haben mochten. Aus der friedlichen Demonstration ungari­ scher Studenten und Arbeiter entstand eine das ganze Land erfassende Revolte. Das Volk Ungarns versuchte ein Joch abzuwerfen, seine nationa­ le Unabhängigkeit wiederzuerlangen und sich aus dem Elend, in das es durch das kommunistische Regime gestürzt worden war, zu befreien. Der wirtschaftliche und moralische Bankrott, verursacht durch die koloniale Ausbeutung und das totalitäre Regime war dergestalt, daß das Volk mit einer Einmütigkeit, für die es kein Beispiel in der Geschichte gibt, sich erhob. Da eröffneten sowjetische Truppen und die kommunistische ungarische Geheimpolizei auf die friedlich Demonstrierenden das Feuer. Auf der Suche nach den eigentlichen Ursachen dieses Aufstandes nannte man unter anderem die 1955 einsetzende Revolte der Intellektuel­ len, die etwas größere Freiheit, die Moskau im Jahre 195& seinen Sa­ telliten zugestand, und das Beispiel, das Polen mit seinen Bemühungen um eine größere Unabhängigkeit von Moskau zu erlangen, im Oktober 195& gab. Der erste Anstoß zur Oktoberrevolution des Jahres 195& in Ungarn aber liegt viel weiter zurück. Diese Revolution begann, als im Herbst 1944 sowjetische Truppen die ungarische Grenze überschritten und das ganze Land unter dem sowjetischen Terror zu zittern begann. Plünderungen, Vergewaltigung und Massendeportationen erstreckten sich nicht nur auf die oberen und mittleren Volksschichten, auch die Arbeiter blieben nicht verschont. In den letzten Kriegsmonaten stand ganz Ungarn unter sowjetischer Militärverwaltung. Ungeheure Mengen ungarischen Eigentums, darunter

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darunter ganze Fabrikanlagen»wurden nach Osten abtransportiert. Aber auch die spätere Ausbeutung ungarischer Rohstoffquellen durch die so­ genannten "gemischten Gesellschaften", die theoretisch unter gemein­ samer ungarisch-sowjetischer Leitung standen, war nicht weniger hart und rücksichtslos. Trotz der Anwesenheit der Sowjettruppen und der Spitzeltätigkeit der politischen Polizei konnte in Ungarn, eine Zeitlang wenigstens, die Illusion der Unabhängigkeit gewahrt werden. Im November 1945 wur­ den freie Parlamentswahlen abgehalten, die für die Kommunisten nur 17 Prozent der Stimmen erbrachten. Im Februar 1947» nur zwei Wochen nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages, wurde es klar, was die Sowjets in Ungarn beabsich­ tigten. In diesem Monat wurde der Sekretär der Partei der kleinen Landwirte (mit 58 Prozent die stärkste Partei im Parlament), Bela Kovacs, verhaftet. Führende Sozialdemokraten, maßgebende Leute der zweitstärksten Partei Ungarns, verschwanden allmählich von der Bild­ fläche. Im Juni 1947 wurde der durch die Moskauer Schule gegangene-KP- Parteichef Matyas Rakosi mit der Führung des vom Kriege zerstörten, wehrlosen Ungarn betraut. Alle demokratischen Elemente der Opposition wurden nun Zug um Zug ausgemerzt. Durch ein neues Wahlgesetz vom 17« Juli 1947 verloren 10 bis 20 Prozent der Wähler das Stimmrecht. Bei den allgemeinen Wahlen, die die Kommunisten auf den 51. August 1947 festsetzten, wurde ein massierter Druck durch Partei und politische Polizei auf die Wäh­ lerschaft ausgeübt und so der Sieg der Linken sichergestellt. Ob­ wohl die Kommunisten nur 22 Prozent der Stimmen erringen konnten, waren sie doch die stärkste einzelne Partei. Auch ohne die Mehrheit der Wahlstimmen hielt die kommunistische Partei die Zügel der Staatsmaschinerie, des Polizeiapparats und der Armee fest in der Hand, kräftigst unterstützt dabei von der Roten Armee. Im Herbst desselben Jahres gelang Rakosi die vollkommene Auflö­ sung der Opposition. Anfang 1948 waren es zuerst die Unabhängige Par­ tei und die Nationale Bauernpartei, die auf Anordnung Rakosis aufge­ löst wurden. Die Partei der kleinen Landwirte wurde auf eine unbedeu­ tende Minderheit reduziert. Im Juni 1948 zwang die KP die Sozialdemo-

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Sozialdemokraten>mit ihr zu "fusionieren". Die Christlich-Demokra­ tische Volkspartei gab ihre Auflösung Anfang 1949 bekannt, bald nach­ dem Kardinal Mindszenty, Primas der Roemisch-Katholischen Kirche in Ungarn, verhaftet worden war. Am 1. Februar 1949 wurde in Ungarn die "Volksrepublik" ausgeru­ fen; das totalitäre Regime herrschte uneingeschränkt. Unter Rakosi war Ungarn mehr und mehr zum Staatswesen sowjeti­ scher Prägung geworden. Freie Meinungsäußerung und persönliche Frei­ heit gab es von nun an nicht mehr. Das Regierungswerkzeug des Partei­ chefs, die verhaßte Geheimpolizei, die AVH, setzte die Ungarn voll­ kommen willkürlich in Haft, Tausende wurden zum Tode oder vieljährigen Gefängnisstrafen verurteilt. In den nun folgenden siebeneinhalb Jahren verarmte das ungarische Volk vollkommen. Man hatte seine Rohstoffquellen ausgebeutet, seine Fabriken geplündert, und die Kolchosenzwangswirtschaft auf dem Lande hatte Ungarn, das einst zu den Lebensmittelexportländern Europas ge­ hörte, gezwungen, nun selbst Getreide einzuführen. Die Zeit der schweren Prüfung verlief jedoch nicht ohne Schwan­ kungen. Nach Stalins Tod im Jahre 1955 gab es unter Iinre Nagy eine Periode, in der es den Bauern erlaubt war, aus dem Kolchossystem aus­ zuscheren, und in der man versuchte, mehr Verbrauchsgüter für das Volk zu produzieren. Diese geringen Erleichterungen fanden jedoch mit der Denunzierung Nagys durch Rakosi und sein stalinistisches Zentralkomitee ein frühes Ende. Nagy wurde damals aus der KP ausge­ schlossen . Trotz Rakosi begannen im Sommer und Herbst 1955 einige Schrift­ steller Ungarns sich gegen die "intellektuelle Zwangsjacke", das heißt gegen die Parteikontrolle in der Kulturarbeit, aufzulehnen. Sie forderten Meinungs- und Pressefreiheit und rügten gewisse Privilegien, deren sich die "hohe Parteiaristokratie" erfreute. Die meisten dieser Schriftsteller waren Mitglied der KP, waren vorwiegend junge Männer, die das 1947 von den Sowjets zwangsweise eingeführte kommunistische Regime vielfach gut- oder sogar will­ kommen geheißen haben. Diese Schriftsteller gehörten zu den Lieblin­ gen des kommunistischen Ungarns, und.es ging ihnen wirtschaftlich

- 3 - "AMERIKA DIENST' 16. Oktober 1957 wirtschaftlich besser als den meisten anderen Volksschichten. Und doch waren sie es, die in ihrem eigenen Organ, "Irodalmi Ujsag", den Ver­ such machten, ihrem Verlangen nach freiheitlichem Schaffen Gehör zu verschaffen, ein Verlangen, das an Intensität zunahm je größer der Kreis derer wurde, die davon erfuhren. Sie waren es auch, in deren Zusammenkünften der Schrei nach Frei­ heit immer lauter und ihre Auflehnung gegen das Regime und den "Würgegriff" des kommunistischen Dogmas immer gewagter wurde. Im November 1955 kam es im Schriftstellerverband zu einem erreg­ ten Ausbruch, ein erstaunliches Ereignis in einem sowjetisch beherrsch­ ten Staat. Eine überwältigende Mehrheit der Schriftsteller verfaßte und unterzeichnete ein an das Zentralkomitee der Partei gerichtetes Memorandum, das "einen vollständigen Bruch mit den vorherrschenden undemokratischen Kontrollverfahren, die das kulturelle Leben des Lan­ des paralysierten'^ forderten. Rakosi stellte die Schriftsteller unter Anklage, einige von ih­ nen erhielten empfindliche Freiheitsstrafen. Nach dem 20. Parteikon­ greß der KPdSU im Februar 195&, als Chruschtschow Persönlichkeitskult und Stalinismus scharf verurteilte, wurden ihre Forderungen nur noch lauter. Bis zum Sommer 195& war die Auflage der Literaturzeitung "Irodalmi Ujsag" auf 40 000 (1953 J 15 000) angestiegen, und doppelt so viele hätten abgesetzt werden können, wenn die Regierung das Pa­ pierkontingent nicht so knapp gehalten hätte. Bis zum 50fachen des Originalpreises wurde für ein Exemplar bezahlt von Leuten, die wissen wollten, was bei den Schriftstellern vorging. Im Spätsommer,als die Partei den Schriftstellern gebot, mit dem Freiheitsgeschrei aufzuhören und Bücher zu schreiben, erklärte der Sekretär des Schriftstellerverbandes, Geza Kepes, daß das Debattieren und die Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten in einer sozialisti­ schen Demokratie nicht nur das Recht, sondern die Pflicht aller Bürger sei, Schriftsteller inbegriffen. Andere Gruppen von Intellektuellen schlössen sich den Forderungen des Schriftstellerverbandes an. Die ungarischen Universitätsstudenten - in der Hauptsache Söhne und Töchter von Proletariern und Bauern, die

- 4 - "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957 die vermeintlich die größten Nutznießer des Regimes waren - ließen wissen, daß sie in freiheitlichen Begriffen dachten. Junge Intellektuelle hielten stürmische Debatten im Petöfi-Klub von Budapest. Gegen Ende Juni 1956, besonders aber nach dem Posener Aufstand in Polen, verlor die Partei völlig die Kontrolle über den Petöfi-Kreis. Und nach einer der wohl stürmischsten Zusammenkünfte sah die Partei ein, daß Rakosi abgesetzt werden mußte. Dies geschah am 17. Juli 1956. Sein Nachfolger war der Stalinist Ernö Gero. Als Mitte Oktober Imre Nagy erneut in die Partei aufgenommen wur­ de, schöpfte das ungarische Volk neue Hoffnung. Kurz danach trafen Nachrichten aus Polen ein, die von dessen Erfolg, in den Bemühungen größere Unabhängigkeit von Rußland zu erlangen, berichteten. Auf Grund dieser Nachrichten traten Tausende von ungarischen Studenten aus dem kommunistischen Jugendverband aus und gründeten einen eigenen unab­ hängigen Verband. Auf dem schicksalhaften Treffen in Budapest am Nachmittag und Abend des 22. Oktober 1956, dem mehrere Tausend Studenten beiwohnten, formulierten sie ihre Forderungen nach einem freien, souveränen, demo- kratischen und sozialistischen Ungarn. Man forderte die Umbildung des Zentralkomitees der kommunisti­ schen Partei, Imre Nagy als Ministerpräsidenten, neue Wahlen, eine neue Wirtschaftspolitik und den unverzüglichen Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn. Als der kommunistische Rundfunk sich weigerte, diese Forderungen über den Funk zu verbreiten, wurden sie wenig später durch Flugblätter in den Fabriken in und um Budapest bekanntgemacht und an die Bäume der Stadt angeschlagen. Studenten der Technischen Hochschule in Budapest faßten den Be­ schluß, tags darauf im Rahmen einer Demonstration vor dem Petöfi- Denkmal ihre Forderungen öffentlich bekanntzugeben. Der Schriftstel­ lerverband hatte dieselbe Absicht geäußert und sich für seine Demon­ stration den Platz vor dem Bern-Denkmal ausgesucht. General Bern war ein polnischer General, der 1848 die Ungarn als Solidaritätsbeweis der Polen unterstützt hat. Mit

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Mit Beginn der Demonstrationen am Morgen des 23. Oktobern 1956» es war ein milder, sonniger Oktobertag, schien der große Traum von der Freiheit, die ganze Budapester Bevölkerung erfaßt zu haben. Zu hunderttausenden füllten sie die Straßen und Plätze Budapests. Da­ mals konnten wenige von ihnen ahnen, daß diese spontane Erhebung der Budapester - seiner Studenten, Intellektuellen und später auch der Arbeiter - die Revolution einer ganzen Nation nach sich zog, als Antwort eines freiheitliebenden Volkes auf sowjetisches Gewehr­ feuer und kommunistischen Terror.

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DIE NEUE KLASSE - EIN GROSSER BUCHERFOLG

Das Buch "Die neue Klasse" von Milovan Djilas, dem ehemaligen Vizepräsidenten von Jugoslawien und früheren Mitglied des Politbüros, das dieser während seiner Haft schrieb und das von Mittelsmännern aus dem Gefängnis geschmuggelt und nach den Vereinigten Staaten gebracht wurde, hat in New York und London, wo es gleichzeitig veröffentlicht wurde, großen Erfolg. Seit dem Erscheinen dieses Buches am 12. August ist bereits die fünfte Auflage in Druck gegangen.

Das Buch ist eine Analyse des kommunistischen Systems und stellt die These auf, daß innerhalb dieses Systems eine neue Klasse entstan­ den sei, die sich auf das kollektive Eigentum der Produktionsmittel stützt. Diese Klasse kontrolliert nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern auch die Nachrichtenmittel und das gesamte kulturelle Leben. Sie ist damit mächtiger als je eine Klasse zuvor.

Bekanntlich wurde Djilas wegen dieses Buifches erneut unter Anklage gestellt und vor einigen Wochen zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.

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DIE GEODÄTISCHE KUPPEL Revolutionierende Montagebauweise eines amerikanischen Konstrukteurs Von Ken Olson und AI Miller

Aus: Better Homes and Gardens - Quellenangabe ist unbedingt erforderlich; Nachdruckrecht erlischt am 26. Juli 1962.

(96 Zeilen) (AD) — Ein amerikanisches Flugzeug schwebt nach einer 12 000 km langen Reise in den Flughafen von Kabul (Afghanistan) ein. Es kommt aus Durham in Nord-Karolina und hat neben einem amerikanischen Ingenieur die Einzelteile für ein 12 Meter hohes Gerüst, eine Ladung 7>5 Zenti­ meter langer Aluminiumröhre, dazu radkappenähnliche Scheiben und eine wie eine Fallschirmhülle zusammengefaltete, plastiküberzogene Nylon­ haut an Bord - die Ausrüstung für den Aufbau des amerikanischen Pavil­ lons für die internationale Ausstellung in Kabul im Sommer 1956.

Es war das erste Mal, daß sich die Vereinigten Staaten an einer internationalen Handelsmesse in Afghanistan beteiligten. Während an den Pavillons der anderen Länder bereits seit fünf Monaten gebaut wurde, stand der Pavillon der USA nach 48 Stunden fix und fertig da; unter der Anleitung eines amerikanischen Ingenieurs hatte ihn eine Handvoll ungelernter afghanischer Arbeiter in dieser phantastischen Zeit errichtet. Von den diplomatischen Missionen in Kabul liefen Glückwunschtelegramme in Washington ein, in denen das Bauwerk als die "zweifellos aufsehenerregendste Konstruktion" bezeichnet wurde, die die Vereinigten Staaten auf Ausstellungen in Südostasien je ge­ zeigt hätten. Die Begeisterung der Ausländer und der 200 000 afghanischen Be­ sucher galt dem geodätischen Kuppelbau, in dem die amerikanische Schau untergebracht war. Er war nicht der erste seiner Art. Schon im Jahr 1953 hatte der riesige Rundbau der Ford Motor Company eine geodätische

- 7 - "AMERIKA DIENST" 16. Oktober ; \,f geodätische Dachkuppel erhalten, weil das leichte Bauwerk ein anderes Dach gar nicht hätte tragen können. Dann entstanden in rascher Folge Ausrüstungen für das Marinekorps und Einheiten der US-Armee, die in der Arktis stationiert sind, für Handelsmessen und für Ausstellungen des amerikanischen Informationsdienstes im Ausland und schließlich für die amerikanische Antarktisexpedition. Bis zum Juni 1957 waren geodäti­ sche Kuppelbauten im Stil des Pavillons von Kabul bereits in Casablanca, Barcelona, Posen, Madras, Rangun und Surabaja zu sehen und wurden von zahllosen Besuchern bewundert. Der Begründer dieser Bauweise, der amerikanische Ingenieur, Wis­ senschaftler und Erfinder Richard Buckminster Füller, hat dies nicht anders erwartet. JO Jahre intensiver Arbeit, in deren Verlauf er immer wieder probiert, die Anwendung physikalischer Gesetze um und umgekrem­ pelt und in unendlicher Geduld ein völlig neues System ausgetüftelt hat, waren die Voraussetzung für diese revolutionäre und, nachdem sie jetzt da ist, so einfache Bauweise. Sie hat eine ganze Reihe bedeutsamer Vorteile: 1. Die geodätische Kuppelstruktur erlaubt bei gewissen Modellen mit 30 000 bis 40 000 Kuppeln pro Tag eine bisher nie erreichte Mas­ senproduktion. 2. Die Konstruktion - wenngleich das Ergebnis höchst komplizier­ ter mathematischer Berechnungen - ist so einfach, daß jeder, der sich ein paar Stunden mit den Plänen befaßt, den Aufbau vornehmen kann. J. Die Hauptkomponenten - ob Holz, Metall oder Kunststoff - sind federleicht und daher einfach zu handhaben. Die Teile sind genormt und können per Postpaket verschickt werden. 4. Das Bauwerk besitzt eine hohe Festigkeit. So trotzt beispiels­ weise eines auf dem Gipfel des fast 2000 Meter hohen Mount Washington im Nordosten der Vereinigten Staaten bereits seit zwei Jahren eisigen Stürmen mit Böen, die 300 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit ent­ sprechen. Ein anderes, das in Woods Hole (Massachusetts) als Restau­ rant dient, trug von dem berüchtigten Hurrikan "Carol" keine anderen Schäden davon als ein paar zerbrochene "Fensterscheiben". 5. Weder in bezug auf Größe noch Verwendung gibt es irgendwelche Beschränkungen. Ob der Durchmesser 30 Meter, 120 Meter oder gar 800 Meter

8 _ "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957

Meter betragen soll - Füller berechnet das Bauwerk in jeder Größe. Durch solche Art Abschirmungen gegen die Witterung ist zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, von ihren Unbilden völlig unabhängig zu werden. 6. Schließlich - und dies ist wohl das wichtigste - dürfte sich die geodätische Bauweise als die wirtschaftlichste von allen heraus­ stellen. Füller nennt sein System ein Ergebnis der perfekten "allumfassen­ den Konstruktion" - ein Begriff, den er genauso auf die Medizin und andere Gebiete anwendet. Er führt dafür als Beispiele die Entwicklung des Salkschen Impfstoffes gegen die Kinderlähmung, des Sikorsky- Hubschraubers, des Ford-Wagens und des Beil-Telephons an. Jedes hat auf seine Art einen "umfassenden" Beitrag zur Verbesserung der Lebens­ bedingungen geleistet. Vor allen Dingen komme es darauf an, mit künf­ tigen Bedürfnissen rechtzeitig zu kalkulieren und durch wissenschaft­ liches Denken und Vorausplanen bereits Lösungen für sie zu finden, ehe sie wirklich zum akuten Problem werden. Füllers Methode zur Überwin­ dung des "allgemeinen Hauptproblems unserer Tage" - die Sicherung des Daches über dem Kopf - findet in der Entwicklung der geodätischen Kup­ pel ihren prägnanten Ausdruck: Vorhandene technische und industrielle Möglichkeiten werden so eingesetzt, daß billige, für die Massenfabri­ kation geeignete Montageteile für den Bau von Unterkünften hergestellt und auf Anforderung sofort an jedem beliebigen Ort der Erde ausgelie­ fert werden können.

Nach Füllers Ansicht muß der beherrschende Grundsatz jeder Pro­ duktion sein: Immer mehr produzieren - für jedermann - bei stetig ge­ ringerem Aufwand an Hilfsquellen. "Das Pfund ist der Maßstab, an dem sich Erfolg und Mißerfolg ablesen lassen", erklärt er. Er überträgt bei seiner Konstruktion die Form des Gummiballs in die der Kuppel, weil sie ein Maximum an Festigkeit für jedes Pfund verwendetem Materials bei geringstem Gewicht und geringster Materialvergeudung erlaubt. Seine Ideen haben inzwischen Schule gemacht. Füller fand die Un­ terstützung nicht nur von Architekten und Konstrukteuren, sondern auch von Fabrikanten, die ihm Vorschläge über die Verwendung neuer, billigerer

- 3 " "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957 billigerer und ausreichend vorhandener Werkstoffe machten. Das Ergeb­ nis all dieser Anregungen ist ein vielfältiges Angebot an geodätischen Kuppeln. Das Marinekorps der US-Armee benutzt sie als Hangars, Mann­ schaftsunterkünfte, Reparaturwerkstätten und so weiter für den "flie­ genden Einsatz", und die Erfahrungen zeigen, daß sie wohl die erste wirkliche Verbesserung transportabler militärischer Unterkünfte seit über 2000 Jahren darstellen. Die amerikanische Antarktisexpedition, die sie als Dauerunterkünfte für Mannschaften und hochempfindliche elektronische Geräte verwendet, berichtet begeistert davon als von einer echten Errungenschaft; und das jüngste Großbauwerk dieser Art - ein ganz aus Aluminium erstellter geodätischer Kuppelbau von 43 Me­ tern Durchmesser - soll Mittelpunkt eines Zentrums für kulturelle Ein­ richtungen in Hawaii werden.

- Quellenangabe unbedingt erforderlich -

Aus: "Better Ho nies and Gardens"; Nachdruckrecht erlischt am 26. Juli 1962.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Mit Modellen dieser Art experimentiert Richard Buckminster Füller in dem Bestreben, zur perfekten Konstruktion zu ge­ langen. Links das Modell seiner geodätischen Kuppel.

2) In zwei Tagen wurde in Honolulu dieser tragende Kuppelbau aus vorgefertigten Aluminiumelementen errichtet, der einen Raum von 43 Metern Durchmesser überspannt und über 2000 Sitzplätze faßt.

3) Der Pavillon der Vereinigten Staaten zur Internationalen Handelsmesse in Kabul im Sommer 1956 fand die uneingeschränkte Bewunderung aller Besucher. Die in 48 Stunden errichtete Kuppel besteht aus einer Nylonhülle mit Aluminiumrohren als tragenden Elementen.

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- 10_ "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

SIE FINDEN IM WASSER HEILUNG UND FREUDE US-Gemeinden richten kostenlose Schwimmkurse für körperbehinderte Kinder ein

(40 Zeilen) (AD) -- In den Vereinigten Staaten wurden nach dem zweiten Welt­ krieg unter der Schirmherrschaft des Amerikanischen Roten Kreuzes Schwimmkurse für verwundete Kriegsteilnehmer durchgeführt, die sich als so wertvoll und zuträglich für deren Gesundheit erwiesen haben, daß diese Kurse auch auf andere körperbehinderte Personen, vor allem auf Kinder, ausgedehnt wurden. Heute gibt es überall in Amerika Schwimmbäder, in denen unter der Aufsicht eines erfahrenen Arztes und unter der Anleitung freiwilliger Schwimmlehrer körperbehinderte Kin­ der schwimmen und im Wasser spielen. Dabei sind die Körperbehinderten gewöhnlich in zwei verschiedene Gruppen aufgeteilt, je nachdem, ob ihre Schäden von Dauer und Folgen von Amputationen, Lähmungen, angeborener Mißbildung oder Blindheit sind, oder ob die Möglichkeit besteht, die Behinderung zu bessern beziehungsweise ganz zu beseitigen. Das Programm wird von den Gemeinden getragen. Freiwillige Orga­ nisationen zahlen die Mieten für die Schwimmbäder, freiwillige, vom Roten Kreuz ausgebildete Helfer übernehmen den Schwimmunterricht. Die Fahrbereitschaft des Roten Kreuzes hat in den meisten Fällen auch den Transport der Kinder zum und vom Schwimmbad übernommen. Ist ein Arzt der Meinung, daß das Schwimmen seinem Patienten dienlich sein könnte, dann berät er dies mit einem Heilgymnasten und dem Schwimmlehrer. Sie diskutieren die Diagnose und legen genau die Übungen fest, die der Patient machen soll. "Für mich ist es immer ein Augenblick höchster Spannung, wenn ich die Kinder mit ihren Bandagen und Krücken ankommen sehe, die sie abstreifen, bevor sie ins Wasser gehen", meinte eine Schwimmlehrerin in

- 11 - "AMERIKA DIENST" 16. Oktober 1957 in dem wunderschönen Schwimmbad in Norwood Park, nordwestlich von Chicago. In jedem Jahr werden hier über zwanzig verkrüppelte oder behinderte Kinder betreut, mit dem Erfolg, daß sie bald ihre Hemmungen verlieren und sich gern in die Gruppe einordnen. Natürlich macht es auch den Helfern viel Freude, den Erfolg ihrer Arbeit zu sehen. Der Leiter des Schwimmprogramms in Sacramento in Kalifornien sagte stolz: "Die erste Gruppe, die mit soviel Hangen und Bangen mit ihren Übungen begann, hat sich zu einer fröhlichen Bande entwickelt, die sich ausgelassen im Wasser tummelt. Es ist wunderbar, das wiederhergestellte Selbstvertrauen auf den Gesichtern der einst so Zaghaften zu lesen." In vielen Fällen hatten diese Kinder früher überhaupt keine Ge­ legenheit, andere Kinder kennenzulernen und mit ihnen zu spielen. Ge­ rade dadurch ist der Wert dieses Programms nahezu unbegrenzt.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Der kleine zehnjährige Ralph Davis hat seit seiner Geburt einen verkrüppelten linken Arm. Im Schwimmbad der Universität in Akron (Ohio) wird er von dem Sportprofessor Andrew Maluke betreut. Er lehrt Ralph die richtigen Schwimmbewegungen, und bald kann der Junge allein durch das ganze Becken schwimmen. Die Ärzte empfehlen diese Schwimmkurse nur für solche Kinder, die physisch und psychisch davon profitieren können.

2) Am Rande des Beckens stehen und liegen die künstlichen Glieder und Krücken, ihre jugendlichen Träger aber vergnügen sich im Wasser, und man sieht es ihren fröhlichen Gesichtern an, daß die Sache Spaß macht.

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- 12 - "AMERIKA DIENST" 23. Oktober I957

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FORSCHÜNGSPOLITIK UND BEGABTENFÖRDERUNG DURCH DIE AEC

Unterstützung von Universitäten und Fachschulen oberstes Ziel

Die beiden Verwaltungsabkommen zur Förderung der Wissenschaft, die im September zwischen Bund und Ländern in Bonn unterzeichnet wurden, sollen die Grundlage für die Unterstützung der Forschung und Ausbildung des wissenschaft­ lichen Nachwuchses in der Bundesrepublik bil­ den. Zu diesem Zweck wird für die Gesamtplanung ein Wissenschaftsrat geschaffen, und zum Ausbau des deutschen Ingenieurschulwesens sowie zur Erweiterung der Studienpläne werden beträcht­ liche Mittel außerplanmäßig zur Verfügung gestellt. Der Rückstand von über 10 Jahren, der sich in Deutschland besonders auf allen technischen Gebieten nachteilig auswirkt, soll aufgeholt und der Anschluß an die tech­ nisch am meisten entwickelten Länder wieder hergestellt werden.

(110 Zeilen) WASHINGTON -- (AD) -- In einem Land, das auf den zahlreichen Gebieten von Wissenschaft und Technik führend ist und das diese Rolle behalten will, ergeben sich heute Probleme, die ohne staatliche Hilfe nicht mehr zu mei­ stern sind. Dies ist das Fazit eines Vortrages, den Dr. Willard F. Libby, Mitglied der amerikanischen Atomenergie-Kommission, vor der Akademie der Wissenschaften in Virginia hielt. Selbst die Vereinigten Staaten, das Land mit dem höchsten Stand allgemeinen technischen Fortschritts, müssen sich eifrigst darum bemühen, diesen Fortschritt angesichts der schon fast lawinenähnlichen Weiterentwicklung, die auch für alle Bereiche der theoretischen und angewandten Kernphysik gilt, zu halten. Als Maßstab führt Libby an, daß es beispielsweise 100 Jahre bedurfte, bis die Er­ findung von James Watt technisch für die Erzeugung mechanischer Energie aus Dampf nutzbar gemacht wurde, daß dagegen nur sechs Jahre erforder­ lich waren, um - auf den Arbeiten von Hahn, Strassmann und Meitner • "AMERIKA DIENST" 23. Oktober 1957

Meitner aufbauend - eine der mächtigsten Naturkräfte dem Willen des Menschen Untertan zu machen.

Dr. Libby sieht eine echte Gefahr darin, daß das Ausmaß grundlegen­ der Entdeckungen mit dem Ausmaß ihrer Nutzbarmachung nicht Schritt hält; er erachtet es daher als eine der Hauptaufgaben des vorausschauenden Y/issenschaf tlers und Verwaltungsmannes, talentierte und passionierte Nachwuchskräfte nach bestem Vermögen zu fördern. Aus dem Bewußtsein ihrer besonderen Verantwortung auf den Gebieten der physikalischen und biologischen Wissenschaften hat die amerikanische Atomenergie-Kommis­ sion einen Arbeitsmodus entwickelt, der den schöpferischen Kräften in diesen Wissenschaften eine größere Entfaltungsmöglichkeit gibt, (im ab­ gelaufenen Haushaltsjahr wurden für die reine physikalische Grundlagen­ forschung 51?4.für die reine biologische Grundlagenforschung 2,6 Millio­ nen Dollar zur Verfügung gestellt - das sind 30i7 beziehungsweise 1,5 T> der gesamten von der Regierung aufgebrachten Mittel.)

Die Erfüllung der Aufgaben der Kernforschung verlangt gleichzei­ tig die Lösung des Problems, mit tatkräftiger Unterstützung von Hoch­ schulen und wissenschaftlichen Gesellschaften nicht nur genügend tech­ nisch geschultes Personal, sondern auch eine allen Anforderungen ge­ wachsene junge Führerschicht mit neuen, diese Wissenschaft befruchtenden eigenen Ideen heranzubilden. Aber dazu sind nicht zuletzt Mißverständ­ nisse aus dem Wege zu räumen, die sich einfach daraus ergeben, daß die Kernforschung in den USA sowie ihre praktische Nutzung bis zu einem ge­ wissen Grade von der Regierung nicht nur gefördert, sondern auch gesteuert wird - eine Tatsache, die in der Vorstellung des freiwirtschaftlich denken­ den Amerikaners sehr leicht das Bild einer durch die AEG bewirkten '/.entra- listischen Atompolitik entstehen läßt und die für ihn voller Unbehagen ist.

Das daraus resultierende Mißtrauen ist jedoch unschwer durch einige Angaben Dr. Libbys zu zerstreuen. Denn es ist ein Hauptprinzip der AEC, die vom Kongreß für die wissenschaftlichen und technischen Vorhaben bewilligten Gelder vom wissenschaftlichen wie vom verwaltungsmäßigen Standpunkt aus auf die bestmögliche Weise einzusetzen und Privatindu­ strie, Hochschulen und Institute für die Durchführung der Aufgaben so weit wie nur irgend möglich heranzuziehen. Infolge der Notwendigkeit zur An­ wendung modernster wissenschaftlicher und technischer Verfahren ist aber "ALIERIKA DIENST" 23. Oktober 1957

aber gelegentlich die Investition riesiger Summen, die die Industrie in diesem Fall als Risikokapital bezeichnen würde, für die Errichtung hoch­ spezialisierter Anlagen unumgänglich, weshalb auch heute noch manchmal nur der Staat in der Lage ist, Pionieraufgaben zu übernehmen.

Den mehr als 120 000 in der amerikanischen Atomwirtschaft Beschäf­ tigten stehen nur 6000 AEC-Angestellte aller Kategorien gegenüber. Privatfirmen betreiben auf Grund von langjährigen Kontrakten große Atomenergie-Anlagen - beispielsweise die Werke Hanford, Paducah, Savannah River sowie Institute in Cak Ridge - und sind auf dem Wege über Aus­ schreibungen und Verträge in die weitgespannte Entwicklungsarbeit einge­ schaltet. Für die AEC gibt es gegenwärtig pro Jahr über 500 000 "Vorgänge" zu Vertragsvereinbarungen zu bearbeiten.

In den nach 1946 geschaffenen nationalen Kernforschungszentren Brookhaven, Oak Ridge und Argonne, in den Instituten am Iowa State College, in Los Alamos, an der Universität Kalifornien und der Reaktoren­ versuchsstation Idaho widmen sich die dort beschäftigten Wissenschaftler - bei einem Höchstmaß an wissenschaftlicher Freiheit - Aufgaben der Grund­ lagenforschung in Kernwissenschaft und Kerntechnik, wobei ihnen die modernsten technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen. In Erfüllung des Gesetzes von 1954* das die AEC verpflichtet, die Fortführung der Forschung auf gewissen Gebieten zu sichern, werden Hochschulen, Colleges und gemeinnützige Institutionen laufend mit Forschungsaufträgen bedacht, die jeweils für ein Jahr gelten, jedoch verlängert werden können. Dar­ über hinaus wurden allein im ersten Halbjahr 1957 34 verschiedenen Bil­ dungsstätten neben zahlreichen Ausrüstungen fast 3,5 Millionen Dollar zum Ausbau ihrer Lehrpläne und für die Anschaffung von Lehrreaktoren zur Verfügung gestellt} ferner wurden Stipendien für 117 Studenten einge­ richtet .

Dr. Libby hält es weder für notwendig noch für klug, jedes College und jede Universität mit einem kostspieligen Forschungsreaktor auszu­ statten, da dieser nur dort angebracht ist, wo ein ausgedehntes For­ schungsprojekt verfolgt und die Erzeugung von Neutronenquellen oder anderen radioaktiven Materialien angestrebt wird. Für reine Lehrzwecke dagegen sind seiner Ansicht nach einfache Lehrreaktoren oder auch Vorrichtungen wie unterkritische Aggregate weitaus vorteilhafter, denn "AMERIKA DIENST" 23. Oktober 1957 denn erstens sind sie auf jeden Fall sicher, außerdem verhältnismäßig billig und erfüllen - besser als der "perfekte" Forschungsreaktor - den Zweck, dem Studierenden praktisch alle Reaktorvorgänge, die Grund­ lagen und Erfordernisse des Reaktorbetriebs zu demonstrieren»

Die AEC weiß aus Erfahrung, daß die Arbeitsgebiete der nuklearen Technik und Energie den Einsatz bestqualifizierter Kräfte verlangen - in absehbarer Zeit werden etwa 2000 pro Jahr gebraucht werden -, die in erster Linie durch eine weitgehende Verbesserung der Lehrpläne an Schulen, Fachschulen und Universitäten, durch einen größeren Anreiz für junge Menschen, sich der wissenschaftlich-technischen Laufbahn zuzuwen­ den, und nicht zuletzt durch eine systematische Talentsuche und Talent­ förderung gewonnen werden müssen. Am Beispiel einer im Jahr 1922 von der Stanford-Universität begonnenen Untersuchung hebt Libby die Be­ deutung des letzten Punktes besonders hervor: Damals wurden von dem Psychologen Professor Terman 1000 der begabtesten Kinder aus allen

Oberschulen Kaliforniens ausgewähltt um in ihrer weiteren Entwicklung und ihrer beruflichen Karriere beobachtet zu werden. In der Zwischen­ zeit wurden ihre Familien, ja sogar ihre Enkel in die Untersuchungen einbezogen. Das Ergebnis nach 35*Jahren zeigt, daß ein intelligenter Schüler im allgemeinen "seine geistige Überlegenheit auch als Erwachse­ ner behält, und daß seine Kinder die gleichen Merkmale aufweisen.

Die Nation hat nach Ansicht Dr. Libbys die Verpflichtung, begabten jungen Menschen das Fortkommen und die Entfaltung ihrer Talente zu erleichtern - zum Besten der Allgemeinheit. Mit dem noch frei schwei­ fenden, unbekümmerten Geist der Jugend ist ihr ein unschätzbar wert­ volles Erbe an die Hand gegeben, das auf dem Wege über die Bildungs­ stätten zu pflegen und Frucht tragen zu lassen der Mühe wert sein sollte.

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4 - "AMERIKA DIENST" 25. Oktober 1957

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KOMMUNISMUS UND INTELLIGENZ IN DÄNEMARK Von Henning Fonsmark

Dieser Artikel erschien am 24» November 1956 in der Kopenhagener Zeitung "Berlingske Aftenavis", der größten Zeitung Dänemarks. Der Autor ist ein bekannter Journalist und Redakteur der Kopenha­ gener Zeitschrift "Perspectiv", des Organs einer sehr aktiven Gruppe anti-kommunistischer Intellek­ tueller in Dänemark, der "Gesellschaft für Frei­ heit und Kultur."

- Quellenangabe erforderlich -

( 150 Zeilen;

Warum eigentlich fühlten sich so viele Intellektuelle in der freien Welt einst zum Kommunismus hingezogen? Und warum hängen einige von ihnen noch immer der kommunistischen Partei an, sogar jetzt noch, nach Ungarn? "Jetzt werden auch sie sich vom Kommunismus abwenden", hörte man täglich in Erörterungen der Haltung der dänischen Kommunisten (und ins­ besondere der kommunistischen Intelligenz) nach den Ereignissen in Ungarn. Natürlich haben die dänischen Kommunisten ebenso wie die anderen westeuropäischen kommunistischen Parteien in jenen Tagen schwere Rück­ schläge erlitten; aber das darf uns nicht zu übertriebenem Optimismus verführen. Der überzeugte Kommunist ist nicht nur ein Mensch mit einem absonderlichen Charakter, er ist auch dazu erzogen, Weiß für Schwarz und Schwarz für Weiß anzusehen. Dieser Selbstbetrug ist augenscheinlich zum Teil gewollte Blindheit. Der blinde Glaube ist so mit Unwahrheiten verquickt, daß es unmöglich ist, das eine vom anderen zu trennen. Um die seltsame Psychologie der kommunistischen Partei verstehen zu können, muß man die Bedeutung aller dieser Elemente kennen. So ist ein Abtrünni­ ger nicht nur ein "Gläubiger", der erkannt hat, daß er völlig in der Lüge lebte, er ist auch ein Spießgeselle, der vom Ort des Verbrechens geflohen ist. Kommunisten, die abtrünnig werden, verraten ihre Kameraden. Man

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Man sollte außerdem nicht vergessen, daß kein Mensch lange Jahre der geistigen Isolierung ohne seelischen Schaden überstehen kann. Die freiwillige Absonderung der Parteimitglieder vom Leben der Menschen außerhalb der Partei stößt sie in ein Vakuum, sobald sie der Partei den Rücken kehren. Der Ex-Kommunist muß sein Leben neu beginnen, eine neue Grundlage finden,neue Freunde. Seiner alten Umgebung wird er immer verdächtig bleiben. Der Renegat ist nicht nur verachtens­ werter, er ist auch gefährlicher als der erklärte Gegner. Dieser psychologische Sachverhalt ist für den Kommunismus außerhalb des sowje­ tischen Einflußgebietes das letzte und einzige Mittel, seine "Kern­ truppe" auch nach den Oktoberaufständen des Jahres 1956 noch zusammen­ zuhalten.

Warum aber haben sich beträchtliche Teile der westeuropäischen Intelligenz in der Vergangenheit der kommunistischen Ideologie zuge­ wandt und so ihr Recht frei zu denken, frei zu wählen und nach ihrem Gewissen zu handeln, unterminiert? Natürlich gibt es für dieses Phäno­ men eine Reihe von Erklärungen. Bei einer näheren Untersuchung schälen sich zwei Hauptursachen heraus, eine psychologische und eine historische. Nach Auffassung von Experten, diesich mit der Psychologie der kommunistischen Intelligenz beschäftigt haben, spricht die kommuni­ stische Ideologie das Bedürfnis nach einem festen Glauben an. Der Intellektuelle sieht als Individualist seinen Wunsch nach Solidari­ tät erfüllt, und als "Aristokrat des Geistes" findet er darin Befrei­ ung von seinen Schuldgefühlen gegenüber den schlechter gestellten Gesellschaftsklassen. Hinzu kommt die Zugkraft des Kommunismus als einer Bewegung für Neurotiker, wie Arthur Koestler es ausdrückt. Man sollte diese Wertung nicht unterschätzen, obwohl sie über­ trieben scheint. Für jemand mit einem schwachen Charakter, für den persönliche Verantwortung eine drückende Last bedeutet, mag sehr wchl die Verlockung bestehen, sich in eine Ideologie zu flüchten, die dem einzelnen jede Verantwortung nimmt - in die kommunistische Partei mit ihrem kollektiven Gewissen.

Abseits

- 6 "AMERIKA DIENST" 23. Oktober 1957

Abseits von diesen mehr oder weniger im Geistigen liegenden Mo­ tiven ist es eine geschichtliche Tradition, die den Kommunismus - mindestens am Anfang - der radikal denkenden Intelligenz anziehend er­ scheinen ließ. Bereits in den Jahren um 1840 (durch die Marxisten-Klubs und den Bund der Kommunisten von 1847) galt der Kommunismus als avant­ gardistische Bewegung, die nicht nur eine Zukunft hat, sondern auch den sozialen Fortschritt repräsentiert.

Viele zum Sozialismus hinneigende Theoretiker entdeckten bald die geistige Tyrannei, die in dieser Ideologie verborgen liegt. Aber in großen Teilen von Europa, zuerst und vor allem in Deutschland und na­ türlich in Rußland, wurden die kommunistischen Gruppen zu Sammelpunkten für jene Kräfte, die sich leidenschaftlich für die Abschaffung der Ari­ stokratie und die Errichtung der Herrschaft des Volkes einsetzten. Ob­ wohl liberale Kreise mit ihrer unbeschränkten Unterstützung oft sehr zurückhielten, erfreute sich der Kommunismus doch ihrer Sympathien und ihres Wohlwollens.

Diese Sympathien wurden durch die russische Revolution vom Jahre 1917 nicht verringert. Für viele war sie vielmehr eine Bestätigung ihrer Auffassung, Kommunismus und Fortschritt seien identisch. Die Kulturpolitik der Sowjetunion zeigte bis in die zwanziger Jahre hinein Ansätze, die diese Illusion förderten. Die Sowjetunion verwirklichte eine ganze Reihe von Plänen, die in den Köpfen der westlichen Kultur- radikalisten herumspulten. Während in Westeuropa über solche Dinge nur geredet wurde, schien in Osteuropa die Erfüllung nahe.

Die kommunistischen Revolutionäre begannen mit ihren Angriffen gegen die Kirche, den traditionellen Feind des Kulturradikalismus. Sie propagierten eine neue Sexualmoral, führten neue Ehegesetze ein, be­ kämpften den Militarismus und Nationalismus und schafften Titel und andere "Privilegien" ab.

Aus England und den Vereinigten Staaten wurden ultramoderne Er­ ziehungsideen importiert und in das Schulsystem eingebaut; es wurde der Versuch unternommen, die Elementarschulen nach dem Modell der fort­ schrittlichen amerikanischen Dalton-Schule zu organisieren. Moderne

- 1 - "AMERIKA DIENST" 23. Oktober 1957

Moderne Architekten aus Westeuropa wurden berufen, um Häuser für die Mitglieder der neuen Gesellschaft zu bauen.

Doch schon nach wenigen Jahren änderte die Sowjetunion ihren Kurs. Auf kulturellem Gebiet setzte eine stark autokratische Politik ein, und in kurzer Zeit hatten die Sowjets das "Vaterland der Werktätigen" in eine furchtbare Diktatur verwandelt.

In Westeuropa wurden, alle Hinweise auf die in Rußland geschaffene Situation zunächst als "reaktionäre Propaganda" abgetan. Die desillu- sionierte Generation der 1920er Jahre weigerte sich schon fast verbis­ sen, die romantische Vorstellung vom "erregenden revolutionären Ex­ periment" aufzugeben. Die Vorgänge in der Sowjetunion, so argumentierte man in diesen Kreisen, seien im Interesse des Portschritts notwendig. Wurde die Last der nachteiligen Fakten allzu drückend, dann kam man mit der Entschuldigung, der wahre Kommunismus sei bisher noch nicht erreicht und während der kurzen Übergangsperiode lassen sich eben manche an sich abzulehnende Methoden nicht völlig vermeiden.

Einige Akademiker, die mit der Kopenhagener Studentischen Gesell­ schaft zur Zeit ihrer stärksten Beeinflussung durch die Kommunisten verbunden waren, wandten sich schweigend ab und gingen zur Sozialde­ mokratie über; andere wiederum - Schriftsteller, Maler, Ärzte und Ar­ chitekten - versuchten, die Stellung zu halten. Die Folge dieser Ent­ wicklung war, daß der dänische Kommunismus offensichtlich in der Atmosphäre der 30er Jahre erstarrte. Was die dänische Kommunistische Partei während der deutschen Besetzung im Kriege auf Grund der Rolle an Boden gewann, die sie in den akademischen und kulturellen Kreisen spielte, ging nach dem Staatsstreich in der Tschechoslowakei wieder völlig verloren.

Die kleine Gruppe halsstarrer Intellektueller, die heute noch zum Kader der Kommunistischen Partei in Dänemark gehört, setzt sich in der Hauptsache aus Personen zusammen, die all die Jahre hindurch hartnäckig an der Parteilinie festgehalten haben, trotz der zahlreichen Krisen, die hinreichend Anlaß boten, der Partei den Rücken zu kehren. Diese Leute haben reichlich Zeit gehabt, die moralischen Konsequenzen ihrer ]

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ihrer Mitgliedschaft zu überprüfen. Das sowjetische Vorgehen in Un­ garn ist vermutlich auch von ihnen als verheerend empfunden worden; sie können aber nicht sagen, daß sie davon überrascht worden seien.

Diese Tatsachen muß man sich vor Augen halten, um begreifen zu können, daß sich eine Reihe von Intellektuellen noch nicht einmal nach den Ereignissen in Ungarn vom Kommunismus distanzierte.

- Quellenangabe erforderlich - (Aus: Berlingske Aftenavis, Kopenhagen)

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AMERIKANISCHER KIRCHENRAT VERÖFFENTLICHT JAHRBUCH 1958

( 11 Zeilen)

(AD) -- Die Zahl der Mitglieder der bed eutendsten Religionsge­ meinschaften in den Vereinigten Staaten hat sich auf 103 224 954 er­ höht, über 3 Millionen mehr als im Vorjahr, wie aus dem soeben vom Amerikanischen Kirchenrat veröffentlichten Jahrbuch der Amerikanischen Kirchen für 1958 hervorgeht. Demnach gehören von je 100 Einwohnern der USA 62 einer christlichen oder jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Interessant ist, daß die Zahl der einer Kirche zugehörigen Gläubigen sich im Laufe der letzten 30 Jahre verdoppelt, während der Bevölkerungs­ zuwachs in der gleichen Zeit nur 40 Prozent betragen hat. Die Zahlen schließen ein: 60 149 000 Protestanten, 34 564 000 Katholiken, 2 598 000 Mitglieder der Ostkirche und 5 500 000 Juden.

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RICHARD RODGERS, AVANTGARDIST DES AMERIKANISCHEN MUSICAL Eine Biographie und ein Bühnenjubiläum Von Norman Smith

( 95 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Es gibt nur wenige nettere Leute am Broadway - und auch sonstwo, wenn dies eine Rolle spielt - als Richard Rodgers. Es ist eine Freude, über diesen Mann zu schreiben, und es ist auch leicht, denn es gibt eine ganze Reihe von Ansatzpunkten zu diesem Thema.

Da ist zunächst der Schlagermacher Rodgers, dessen über eintausend Songs und Melodien in vier Jahrzehnten überall gesungen, gepfiffen, ge­ summt, gespielt und getanzt worden sind und noch werden.

Dann ist da Rodgers, der Komponist. Mit seinen 34 Musicals, Sing­ spielen und Revuen hat er soviel wie nur irgendein anderer dazu bei­ getragen, das amerikanische Musical zu jener einzigartigen Kunstform zu machen, die es heute verkörpert.

' Da ist weiter Rodgers der Mann, der alle Attribute eines Genies in sich vereinigt, außer jenen, die es anderen Leuten so schwer machen, mit einem Genie zu verkehren.

Diese Vielseitigkeit in einer Person ließ schon Rodgers der Wun­ derknabe vorausahnen, der im Alter von 15 Jahren, ohne eine solide Musikerziehung genossen zu haben, die Songs für eine Amateurauffüh­ rung geschrieben hat. "One Minute, Please" wurde am 29. Dezember 1917 uraufgeführt - ein Datum, das sich kommenden Dezember zum 40« Male jährt und gleichzeitig Richard Rodgers vierzigjähriges Jubiläum als Bühnenkomponist sein wird.

So hat es sich wenigstens David Ewen ausgerechnet, der gerade eine Richard-Rodgers-Biographie unter dem Titel "Richard Rodgers, the Life of an American Musical Genius" veröffentlicht hat. Ewen verfügt über

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über ein hohes Maß an authentischen Informationen, trotzdem dürfte er den Tag des 40. Jubiläums ein wenig vorschnell angesetzt haben, denn tatsächlich begann Rodgers erfolgreiche Komponistenkarriere nicht vor dem Jahre 1925»

Damals, im Jahre 1917, war Dick Rodgers noch ein Schuljunge und sollte es noch eine geraume Weile bleiben. Auf die zwei Jahre an der Columbia-Universität folgten drei weitere im Institute of Musical Art (heute Teil der bekannten Juilliard School of Music in New York). Dick war erst sechzehn, als er Lorenz Hart kennenlernte, dessen brillante Begabung zum Texter ihn zum idealen Partner für Rodgers machte.

Hart war überaus klug, aber leider auch überaus labil. Er brauchte einen ruhigen, besonnenen Menschen, der ihn lenkte. Rodgers konnte und tat dies auch. Die beiden arbeiten als Team, bis 1942 Harts wach­ sende Unbeständigkeit, die durch seinen schlechten Gesundheitszustand noch verstärkt wurde, ihm jedes Arbeiten unmöglich machte. Er starb 1943 an den Folgen einer Lungenentzündung.

Rodgers und Hart konnten ihren ersten, wenn auch noch bescheidenen Erfolg im Jahre 1920 mit "Poor Little Ritz Girl" verbuchen, das sieben Rogers und Hart-Songs enthielt. Acht weitere Lieder hatte der Kompo­ nistenveteran Sigmund Romberg beigesteuert, so daß die jungen Künst­ ler billigerweise nicht mehr als 75 Prozent des Erfolges für sich in Anspruch nehmen konnten. Aber die Hart-Rodgers-Songs wurden gehört, sie fanden den Beifall des Broadwaypublikums, die Show war ein Erfolg, und die beiden Partner fanden die Ermutigung, die sie brauchten, um auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen zu können.

Dann jedoch kam eine lange tote Zeit ohne Erfolge. Die 1924 herausgebrachte Show war ein Versager. Im Jahre 1925 war Rodgers schon so weit entmutigt und gewillt, das ganze Showbusiness an den Nagel zu hängen - er hatte tatsächlich einen Job als Vertreter in Kinder­ wäsche angenommen. Freilich hat er diese Stellung nie angetreten, denn er erhielt buchstäblich in letzter Minute - und unter Umständen, die viel zu glatt verliefen, um als Bühnengag brauchbar zu sein - den Auftrag, die Musik für die Revue "The Garrick Gaieties" zu schreiben. Die "AMERIKA DIENST 23. Oktober 1957

Die Rodgers und Hart-Songs "machten" die Revue,und die Revue machte umgekehrt das Team Rodgers-Hart zu einem festen Begriff. Der große Erfolg war endlich da.

Wollte man die Musical shows der nachfolgenden 17 Jahre einzeln aufzählen, die Hunderttausende am Broadway begeistert haben, ließe sich damit ein ganzes Buch füllen. Genannt werden muß allerdings "On Your Toes" aus dem Jahre 1936. In diesem Stück bezog Rodgers erstmals das Ballett als tragenden Part in die Handlung mit ein, und erstmals schrieb Rodgers für eben dieses Stück eine Orchestermusik die Ballett­ suite "Slaughter on Tenth Avenue".

Rodgers und Hart waren stets darum bemüht, neue 7/ege zu gehen, Originales zu bieten und die alten ausgetretenen Pfade zu meiden. Sie waren echte Avantgardisten des amerikanischen "Musical", das eben in dieser Zeit eine erstaunliche Entwicklung zur Eigenständigkeit durchmachte.

Hätte Rodgers sich nach dem Tode Harts vom Bühnenschaffen zurück­ gezogen, wäre sein Name heute in der Theater- und Musikwelt nicht weniger klangvoll. Was dann jedoch folgte, nennen die Theaterleute ein Wunder. Rodgers ging eine neue Partnerschaft ein; diesmal mit Oscar Hammerstein II, um zunächst das Theaterstück "Green Grow the Lilacs" zu einem Musical umzuarbeiten. Als "Oklahoma" eroberte es die ganze Welt.

Das Wunder war aber weniger "Oklahoma" als das neue Arbeitsteam. Hammerstein II hatte als Librettist in Hollywood und am Broadway bereits einen guten Namen. Aber für ihn wie für Rodgers bedeutete die Zusammenarbeit den Beginn einer neuen Schaffensära. Auf "Oklahoma" folgten "Carousel", "Allegro","South Pacific", "The King and I", "Me and Juliet", "Pipe Dream", wahrscheinlich die imponierendste Liste, die je ein Komponisten-Schriftstellerteam vorlegen konnte. Den Stati­ stiker wird es interessieren, daß diese sieben Musicals am Broadway 7228mal aufgeführt wurden, jedes im Durchschnitt also l032mal.

Am

- 12 - "AMERIKA DIENST" 25. Oktober 1957

Am Anfang seiner Karriere, als Rodgers noch mit Lorenz Hart zu­ sammenarbeitete, gab er dem volkstümlichen Song eine Frische und gleich zeitig eine Gemütstiefe, die beim Publikum "ankamen" und geradezu kenn­ zeichnend für seine Handschrift waren. In seinen späteren Arbeiten, die in der Zeit mit Hammerstein entstanden sind, beschränkte er sich - der besseren Phrasierung willen - nicht mehr auf die 32-Takte-Melo- dieführung und stieß damit in die Bereiche des Kunstlieds'vor, das in der Rodgers-Form jedoch nichts an seiner Eigenart als Theatersong eingebüßt hat.

Richard Rodgers ist nach 40 Jahren, wie er selbst sagt, "noch immer ein Knabe, der in das Theater verliebt ist". Ziehen wir in Be­ tracht, wie sehr diese Liebe uns bereichert hat, können wir ihm da­ für nur dankbar sein. Und Dank gebührt auch dem Biographen David Ewen für seine interessante, informative und recht lesbare Biographie, die um so willkommener ist, als sie die erste über Richard Rodgers und sein musikalisches Werk ist.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Porträtaufnahme des am 28. Juni 1902 in New York City ge­ borenen amerikanischen Komponisten und Theaterproduzenten Richard Rodgers, dessen über eintausend Songs seit 40 Jahren überall in der Welt gesummt, gesungen, gepfiffen, gespielt und getanzt werden.

2) Szene aus "Oklahoma", einer musikalischen Komödie von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II, die im März 1943 am Broad­ way ihre Premiere erlebt hat und mit 2248 Aufführungen unter den langen Spielzeiten der Broadwaystücke den Rekord hält. Die Choreographie stammte von Agnes de Mille, Lemuel Ayers schuf das Bühnenbild.

* * * * * "ALIERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

GEFÄNGNIS UNGARN Die Geheimpolizei herrscht wieder mit Schrecken und Terror

( 150 Zeilen) Die verhaßte, ungarische Geheimpolizei, gegen die sich die Wut des Volkes während des Freiheitskampfes besonders richtete, ist heute wieder an der Macht.

Wie vor den Tagen des Aufstandes kontrolliert sie alle Lebensbe­ reiche. Das Kadar-Regime hat zwar ihren Namen geändert (die Abkürzung lautet jetzt nicht mehr AVH sondern BACs), für das Volk aber sind die Wärter im riesigen Gefängnis Ungarns immer noch dieselben.

Bereits im Jahre 1952 hat der alte Stalinist Rakosi die Schlüssel­ position der Geheimpolizei mit folgenden Worten gekennzeichnet: "Nur über eine Organisation hat unsere Partei von Anfang an die Kontrolle ausgeübt und sie wurde niemals von einer politischen Koalition be­ einflußt: das ist die AVH. ... Seit dem Augenblick ihres Entstehens haben wir sie fest in der Hand, und wir machten sie zu einer sicheren Waffe in unserem Kampf. ..."

In dem Sonderbericht der Vereinten Nationen über die Situation in Ungarn wird festgestellt, daß die AVH, die dem Namen nach Verstöße gegen die Sicherheit des Staates zu untersuchen hatte, sich statt des­ sen der Verteidigung des kommunistischen Regimes widmete und besonders derjenigen Personen, die an der Macht waren.

Das Regime gewährte dieser Polizei, die die Zahl ihrer Mitglieder und Informanten ständig erhöhte, unbegrenzte Handlungsfreiheit. "Die uniformierte Sicherheitspolizei bewachte die öffentlichen Gebäude, die Beamten in Zivil mischten sich überall unter die Menge. Die Mit­ glieder der Geheimpolizei 'stellten eine privilegierte Gruppe dar und genossen bedeutende materielle Vorteile. Von dem Rest des Volkes durch eine hohe Mauer des Hasses geschieden, bildete sie einen Staat im Staate,

dazu

- 1 - ALIERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

dazu bestimmt, das Volk durch Terror und Unterdrückung unter Kontrolle zu halten. In den Tagen des Aufstandes entdeckten die Revolutionäre in den Büros der AVH 'schwarze Listen* mit Informationen und Berichten über fast jeden Einwohner des Landes, zahllose Aufzeichnungen über Telefongespräche und private Unterhaltungen und außerdem 'perfekte' Folterkammern." Die AVH hatte vor dem Aufstand 30 000 reguläre Angehörige, daneben noch eine unbekannte Zahl von Spionen und Spitzeln. Da nur wenige Hundert von ihnen aus dem Lande flohen oder während des Frei­ heitskampfes getötet wurden, fand das Kadar-Regime einen in der Haupt­ sache intakten Terror-Apparat vor.

Heute, wie in den vergangenen zehn Jahren, herrscht die Geheim­ polizei durch offenen und versteckten Terror. Der Bericht der Unter­ suchungskommission der UN stellt ..fest,daß die AVH »abgesehen von bei­ spielloser Grausamkeit und erniedrigender Behandlung, zahlreiche ."psychologische" Methoden angewandt hat, wie Scheinhinrichtungen, Dro­ hungen gegen die Familie und unendliches Wartenlassen der Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen. Dies alles sollte den Geist der Opfer brechen und ein Geständnis herauspressen.

Im Jahre 1947 haben die Kommunisten in Ungarn die Maöht übernom­ men, und seither hat die AVH Zehntausende von unschuldigen Menschen er­ mordet, zahllose andere in Zwangsarbeitslagen verschleppt und Tau­ sende in Internierungslagern eingesperrt.

Der Bericht des Untersuchungsausschusses der UN enthält eine ganze Reihe von Aussagen, die ein Bild von den Methoden der ungari­ schen Geheimpolizei geben und von denen wir nachstehend einige Auszüge wiedergeben.

Der geflohene Vorsitzende eines Arbeiterrates machte folgende Aussage: "Im Gefängnis banden sie meine rechte Hand an meinen linken Fuß und ließen mich in einer winzigen dunklen Zelle allein. Es war im Winter 1950» die Zelle war nicht geheizt. Ich hatte nur ein Hemd, ein Unterhemd, ein Paar kurze Hosen und Schuhe an und fror jämmerlich, zumal ich mich nicht bewegen konnte. Erst nach vierundzwanzig Stunden bekam ich ein kleines Stück Brot, etwa 200 Gramm. Es war völlig dunkel; sobald

- 2 - "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

sobald ich mich zu bewegen versuchte, bluteten meine Hand- und Fußge­ lenke. Dann brachte man mich in eine Einzelzelle auf den oberen Flur. Es war hell dort, ich bekam normale Gefängnisverpflegung, und ich konnte mich frei bewegen. Nach 24 Stunden ging es wieder hinunter in den Keller und das ganze wiederholte sich ..."

Ein Mechaniker berichtete: "Bei dem Verhör im Gefängnis der AVH folterte man mich auf zweierlei Weise. Man schlug mir alle Zähne aus und gab mir nichts zu essen. Sechseinhalb Monate lang saß ich in einer Zelle, wo ich mich nicht waschen und sauberhalten konnte. Ich hatte nur eine dünne Decke. Die ganze Zeit, in der die Anklage gegen mich vorbereitet wurde, saß ich dort. Dann drohten sie fortgesetzt mit Repressalien gegen meine Familie. Sie versuchten mich zu hypnotisieren, und sie spielten mir eine Scheinhinrichtung vor, um meinen Widerstand zu brechen und mich zur Unterschrift eines falschen Geständnisses zu zwingen. Bei dieser Behandlung magerte ich stark ab und wog Mitte De­ zember nur noch 46 Kilogramm."

Ein früherer Universitätsprofessor, Funktionär und Mitglied der kommunistischen Partei, erklärte: "... Während der ersten drei Tage ließ man mich völlig allein. Man hatte mir alles abgenommen und mich in den Keller gesperrt. Drei Tage lang trommelte ich gegen die Tür und rief immer wieder: 'Was soll das? Was wollt ihr von mir?'1 Dann rief mich ein Oberst, den ich kannte, heraus. (Er war 1946 aus Moskau ge­ kommen.) Er sagte mir, ich solle gestehen, daß ich ein Verräter sei. Er nannte mir aber keine Einzelheiten der Anschuldigung gegen mich. ... Von ... 1949 bis zum Oktober des nächsten Jahres, fast 18 Monate lang, saß ich völlig allein in meiner Zelle, die ungefähr 1,5 x 2 m groß war,ein oder zwei Stockwerke unter der Erde. Manchmal stand das Wasser in der Zelle knöcheltief. Als ich krank wurde, kam ich in eine etwas bessere Zelle, und sie gaben mir auch mehr zu essen, jedoch war ich, mit einer Ausnahme, dauernd in Einzelhaft. Einmal legten sie für einige Tage jemand in meine Zelle, ich denke, um mich auszuhorchen. Inzwischen gingen die Verhöre weiter, besonders während der ersten Monate meiner Haft. In der Zelle brannte Tag und Nacht das Licht.

Ich

- 3 - "AMERIKA DIENST" 50. Oktober 1957

Ich möchte sagen - und andere Kameraden, die mit mir zusammen in­ haftiert waren, werden mir beipflichten -, daß nicht die physische Marter diese Zeit so schrecklich machte, sondern das Alleinsein. Es klingt irgendwie paradox, ich will zwar nicht sagen, daß ich froh dar­ über war, aber es schien mir besser zu sein, herausgehet und herumge­ stoßen zu werden. Dabei sah ich Menschen und konnte mich irgendwie wehren. Oben konnte ich leben, unten war ich lebendig begraben. Jahre später traf ich einige andere Leidensgenossen, die dasselbe sagten...

Als ein wahrer Kommunist, so sagten sie, müßte ich dieses Opfer für die Zukunft bringen. Sie sagten mir, ich wäre der Partei beigetre­ ten, als sie noch illegal war, eine Widerstandsbewegung zur Zeit der deutschen Besetzung. Ich sei damals sogar bereit gewesen, mein Leben zu opfern, um die Freiheit für mein Land zu erlangen. Diese Freiheit, so sagten sie, könne nur durch die kommunistische Partei gesichert werden, die gerade gegenwärtig einige Schwierigkeiten habe, da sich Verräter in ihren Reihen befänden. Obgleich ich nicht einer dieser Verräter zu sein brauchte, so sei hier trotzdem für mich eine Gelegen­ heit, der Partei zu helfen. Zur gleichen Zeit sagten sie, es ginge selbstverständlich nicht darum, mein Leben zu opfern; sie sagten, wir würden darüber reden und gemeinsam beschließen, was der Richter sagen würde, und nach dem Urteil würden sie mich in eine Villa abseits von der Öffentlichkeit stecken»und dort könnte ich mit meiner Familie ver­ kehren, lesen, arbeiten und praktisch alles haben, abgesehen von der Bewegungsfreiheit.

Wäre ich aber nicht gewillt, dieses Geständnis zu unterschreiben, dann würde ich damit zeigen, daß ich den Befehlen meiner Partei nicht gehorchen wolle, was meine allererste Pflicht sei. Damit würde ich zeigen, daß ich ein Feind der Partei sei, und gegen einen Feind müsse die Partei strenge Maßnahmen ergreifen. Wenn ich jedoch unterschriebe, dann würde mir nichts passieren. Schließlich kam es dazu: nach 18 Monaten unterschrieb ich die Ge­ ständnisse, ohne weiter darüber nachzudenken, ob sie wahr seien oder nicht. Ich glaubte, es nicht länger ertragen zu können. Ich glaubte nicht daran, daß sie ihre Versprechen halten würden, aber vielleicht

- 4 - "AMERIKA DIENST" 50. Oktober 1957 vielleicht würden sie mich hin und wieder einen Brief schreiben las­ sen - nach all dem, was sie mir versprochen hatten. Es bedeutete für mich keinen Unterschied mehr, es war sehr gut möglich, daß sie mich verurteilen und hängen würden - aber vielleicht würde es doch besser werden. Ich würde wenigstens Menschen sehen, wenn nicht anderswo, dann bei den Verhören und während der Verhandlung."

Her bekannte ungarische Schriftsteller George Palpczi-Horvath schreibt über seine Haft bei der Geheimpolizei: "In den ersten drei Wochen die übliche Methode des Weichmachens - fortgesetzte Verhöre, Mißhandlungen und kein Schlaf. Eine der besten Möglichkeiten der Gehirnwäsche ist der Mangel an Schlaf.

Die Offiziere der Geheimpolizei haben fast jeden Tag neue see­ lische und körperliche Torturen versucht. Für die Mißhandlungen gab es besondere Kommandos. Ich will diese Martern nicht beschreiben - man kann dem menschlichen Körper auf viele Hundert Arten unerträg­ lichen Schmerz zufügen ... Neben Hunger, Schlaflosigkeit, Mißhand­ lungen und äußerster Erniedrigung drohte man uns außerdem mit Arrest für unsere Frauen und Kinder und sagte, man würde sie vor unseren Augen foltern. Oft hörten wir in benachbarten Räumen Frauen und Kin­ der schreien. ...

Als dies alles mich dem kritischen Punkt nahe gebracht hatte, sperrte man mich zurück in mein 'Loch', um mich dort weiter 'schmoren1 zu lassen. Jetzt quälten mich das stechende Licht, die große Kälte und die Winzigkeit der Zelle. Ich mußte täglich mindestens 18 Stunden wach bleiben, ohne Bücher, Zigaretten - mit nichts als vielen Tausend leeren Minuten. Damals begann ich den V/ahn sinn zu fürchten."

* * * * * "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK Größter Materialprüfungsreaktor der USA in Betrieb

( 22 Zeilen) (AD) — Mit dem "Engineering Test Reactor" (ETR) in der AEC-Reak- torenversuchsstation Idaho Falls, der Ende September "kritisch" wurde, konnte der größte und modernste Materialprüfreaktor in den Vereinigten Staaten in Betrieb genommen werden.

Der Reaktor hat einen Neutronenfluß von 1,9 x 10 Neutronen pro Quadratzentimeter und Sekunde und erlaubt in Einsatzkammern von 22,5 x 22,5 x 90 cm innerhalb des Reaktorkerns eine intensive Bom­ bardierung auch verhältnismäßig großer Reaktorteile und Versuchsob­ jekte mit Neutronen- und Gammastrahlen. Das "Herz" der mit einem Auf­ wand von 14 Millionen Dollar in 23 Monaten erstellten Anlage ist ein mit leichtem Wasser gekühlter und moderierter Reaktorkern von 75 x 90 cm Querschnitt, der mit angereichertem Uran beschickt ist und eine Wärmeleistung von 175 000 Kilowatt ergibt. Die Versuchs­ kammern sind so arrangiert, daß sie sowohl vertikal als auch parallel zu den Brennstoffelementen laufen.

Der ETR-Reaktor, der ein wichtiges Forschungsinstrument in der Entwicklung wirtschaftlicher Anlagen zur Erzeugung nuklearer Energie darstellt, wird im Rahmen der AEC-Programme von der Phillips Petro­ leum Company betrieben; Entwurf und Aufbau waren von einem Werk der Henry J. Kaiser Company, die Konstruktion von Reaktortank, Reaktor­ kern und Steuerungseinrichtungen von der General Electric Company ausgeführt worden.

- 6 - "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

Neuartige Klimaanlage für überschallflugzeuge

( 15 Zeilen) (AD) - Eine Flugzeug-Klimaanlage mit mehr als 120 Betriebskom­ ponenten, die in knapp einer Sekunde die Lufttemperatur um fast 540 Grad Celsius zu senken vermag, ist jetzt in den Vereinigten Staaten bei der Hamilton Standard Division (United Aircraft Corporation) in Serienproduktion gegangen.

Die Anlage, durch deren Verwendung zahlreiche Probleme der riitze- entwicklung bei Überschallflugzeugen gelöst werden dürften, nimmt große Mengen heißer komprimierter Luft von den Motoren auf und kühlt sie auf dem Wege über Wärmeaustauscher und Luftumwälzeinheiten; die Luft wird daraufhin zur Kühlung für die Besatzungsmitglieder, die elektronische Ausrüstung und die Reifen verwendet. Gleichzeitig dient die Anlage dazu, die Fenster zu entfrosten, bei Regen mit Hilfe von Luftdüsen klare Sicht zu gewährleisten und den Luftdruck innerhalb der Kabine unabhängig von der Flughöhe zu hallen. Ihre Leistung entspricht der einer Kühlanlage, die 160 Tonnen Eis pro Tag produziert.

X- * -Ä v. *

Telephonbrücke USA-Kuba "über den Horizont"

( 12 Zeilen) (AD) - Zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba ist die erste internationale Radio-Telephonverbindung eingerichtet worden, die fast 300 Kilometer offenen Wassers überbrückt und die Erdkrümmung, die eine direkte Verbindung über derartige Entfernungen nicht erlaubt, mittels des Streustrahlverfahrens überwindet.

Große Sendeantennen von 18 Metern Durchmesser senden gerichtete Funkstrahlen zur Empfangsstation, das heißt sie strahlen starke Im­ pulse in einem bestimmten Winkel zur Erdoberfläche nach oben, die dann von der Atmosphäre zum Teil reflektiert und von den Empfangssta­ tionen aufgenommen werden können. Während die bisher bestehende Telephon­ verbindung über ein Unterwasserkabel gleichzeitig 36 Gespräche ermöglichte, können nunmehr 120 Gespräche zur gleichen Zeit geführt werden.

- 7 - "AMERIKA DIENST" 50. Oktober 1957

Benzin aus Gilsonite (12 Zeilen) (AD) - Die American Gilsonite Company, die in Bergwerken von Utah Gilsonite-Erz, eine harte Abart des Asphalts, fördert und in ihrer Raffinerie Benzin daraus gewinnt, verzichtet als erstes ameri­ kanisches Unternehmen auf Rohöl als Ausgangsstoff für die Benzinher­ stellung.

Die natürliche KohlenwasserstoffVerbindung Gilsonite, die wie Kohle aussieht, jedoch nicht brennt, wird gewöhnlich für Farben und Lacke, Fußbodenplatten und zur Herstellung von Batteriekästen ver­ wendet. Nach dem neuen Verfahren der Gilsonite Company wird das ge­ förderte Erz, nachdem es gemahlen und durch ein 115 km langes Rohr­ leitungssystem zur Raffinerie gepumpt wurde, geschmolzen und zu Ben­ zin sowie Industriekoks verarbeitet.

x x- * x *

Entgiftung von Autoabgasen

( 6 Zeilen) (AD) - Der erfolgreiche Versuch, Autoabgase mit Hilfe einer chemi­ schen Verbindung - Vanadiumpentoxyd - zu reinigen und unverbrauchte Kohlenwasserstoffe zu mehr ils 80 Prozent zu eliminieren, wird von der Ford Motor Company berichtet. Bei dem über 100 Stunden laufenden Experiment, das einer ^Fahrstrecke" von etwa 64OO km entspricht, wurde ein Ein-Zylinder-Motor verwendet.

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- 8 "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

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EINE ERFREULICHE STATISTIK Der Erfolg des Salk-ImpfStoffes Von John Kerigan

( 48 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die jüngste Verlautbarung des US-Ministeriums für Gesundheitswesen, Erziehungs- und Sozialfragen über die erfolgreiche Bekämpfung der Kinderlähmung mit Hilfe des Salk-ImpfStoffes hat in weiten Kreisen leider nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die sie ver­ dient .

Der Impfstoff steht jetzt zwei Jahre lang zur Verfügung; der beste Beweis für seine Wirksamkeit ist die Tatsache, daß die Anzahl der Erkrankungen in diesem Jahr auf zwanzig Prozent der Zahl vom Jahr 1955 gesunken ist. Die Kinderlähmung ging allmählich, aber stetig zurück, und deshalb scheint die Verlautbarung nur das zu bestätigen, was man erwartet hatte.

Was dabei offensichtlich häufig übersehen wird, ist der Umstand, daß dieser Erfolg unter Bedingungen zustande kam, die alles andere als ideal waren. Es spricht aber tatsächlich alles dafür, daß ein noch größerer Gebrauch des Impfstoffes der Krankheit vollends den Garaus machen würde. Denn der Rückgang der Krankheitsfälle ist nicht das Er­ gebnis einer Impfung der gesamten Bevölkerung. Das sollte man beden­ ken.

Von den 109 Millionen Amerikanern unter vierzig Jahren - den an­ fälligsten Altersgruppen - sind 72 Millionen geimpft worden, aber nur 28 Millionen haben bisher alle drei notwendigen Injektionen erhalten. Unter diesen Bedingungen ist der Rückgang der Erkrankungen an Kinder­ lähmung von nahezu 8000 im Jahre 1955 und 5200 im Jahre 1956 auf 1576 in diesem Jahr geradezu eine Sensation. Der Bericht sagt aber noch mehr. An "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

An Orten, in denen die Angst vor der epidemisch auftretenden Kinderlähmung fast jeden zur Impfung in das Sprechzimmer eines Arztes führte, grenzt der Erfolg ans Wunderbare. In Massachusetts, wo eine auf den ganzen Staat übergreifende Epidemie vor zwei Jahren 1400 Fälle mit Lähmungserscheinungen verursachte, waren es 1957 nuJ sechs. In Illinois gab es im vergangenen Jahr 874» in diesem Jahr aber nur 64 Fälle. In Louisiana verringerte sich die Zahl dieser Art Erkrankungen von 354 im Jahre 1956 auf 58 in diesem Jahr, und in Kalifornien waren es diesmal 197» während es 1956 noch 1000 Neuerkrankungen gab.

Zu beachten ist auch folgendes: Unter den 28 Millionen Amerika­ nern, die die drei eigentlich erforderlichen Injektionen erhalten ha­ ben, wurden nur 63 Fälle von paralytischer Kinderlähmung gemeldet, und selbst diese sind nicht alle bestätigt worden.

Obwohl der Salk-Impfstoff vor jener Form der Erkrankung schützen soll, bei der es zu Lähmungserscheinungen kommt (es gibt auch eine Krankheitsform ohne Lähmungen), wurde die Gesamtzahl der Erkrankungen (also beide Erscheinungsformen) gleichfalls auf ein Fünftel herab­ gedrückt - von einem Jahresdurchschnitt mit 25 000 Fällen während der letzten fünf Jahre auf 4851 Erkrankungen in diesem Jahr.

Ohne Zweifel hat diese heimtückische Krankheit ihren nicht voraus­ sagbaren Zyklus. Aber selbst wenn dieses Jahr kein sogenanntes "Kinder­ lähmungsjahr" sein sollte, kann es keinen Zweifel über die Rolle geben, die der Salk-Impfstoff im Kampf gegen diese Krankheit gespielt hat.

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- 10 - "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

GEDENKTAGE IM NOVEMBER 19 57

2. November 1734 Daniel Boone, Pionier der Besiedlung des amerika­ nischen Mittelwestens und Vorbild zu J. F. Coopers "Lederstrumpf", geboren.

2. " 1920 Erste Rundfunksendung in den USA von der Pittsburgh Radio Station KDKA übertragen

4. " 1952 Dwight D. Eisenhower zum 34« Präsidenten der USA gewählt

4. " 1956 Einmarsch sowjetischer Panzer in Budapest und Nie­ derschlagung der ungarischen Freiheitsrevolution

5. " 1940 Franklin D. Roosevelt als erster amerikanischer Präsident zum dritten Mal gewählt

7« " 1837 Elijah P. Lovejoy in Alton (ill.) erschossen. Er starb als einer der Vorkämpfer der Redefreiheit, der in der Presse für die Abschaffung der Sklaverei eingetreten war

8. " 1837 Mount Holyoke, das erste Frauencollege der USA, in South Hadley (Mass.) eröffnet

9. " 1924 Texas und Wyoming wählen als erste amerikanische Bundesstaaten Frauen als Gouverneure

9. " 1935 Der amerikanische Gewerkschaftsverband CIO gegründet

10. " 1880 Sir Jacob Epstein, britischer Bildhauer amerika­ nischer Abstammung, geboren

11. " "Veteran's Day", Tag des Kriegsteilnehmers

11. " 1620 "Mayflower Compact" unterzeichnet. Aus England wegen ihres Glaubens geflohene Puritaner unter­ zeichnen auf der "Mayflower" einen Vertrag, der die ideelle Grundlage für die spätere demokratische Verfassung der USA bildet

14« " 1765 Robert Fulton, amerikanischer Ingenieur und Er­ finder des Dampfschiffs, geboren

15. " 1337 Amerikanische Schriftstellerin Craig Lloore, geboren (70. Geburtstag)

17« " 1300 Der amerikanische Kongreß tritt zu seiner ersten Sitzung in Washington! D.C., zusammen« (Vorher tagte er in Philadelphia) 19.

- 11 - "AMERIKA DIENST" 30. Oktober 1957

19« November 1863 Abraham Lincoln, 16. President der USA, hält .eine berühmte Rede von Gettysburg

20. • 1942 Der "Alcan Highway", der die USA mit Alaoke ver­ bindet, für den Verkehr freigegeben

26. " 1607 John Harvard, amerikanischer Geistlicher, nach dem Amerikas älteste Universität benannt wurde, geboren

28. " "Thanksgiving Day" (Erntedankfest) in den USA, von Präsident Abraham Lincoln 1863 zum Nationalfeier­ tag proklamiert.

28. " 1953 Eugene O'Neill, amerikanischer Dramatiker und Nobelpreisträger für Literatur, gestorben (1888 geboren)

29. " 1929 Commander Richard E. Byrd überfliegt den Südpol

30. " 1782 Unterzeichnung der "Vorläufigen Friedensartikel" zwischen den USA und Großbritannien. Ende des amerikanischen Freiheitskrieges (175« Jahrestag)

30. " 1835 Mark Twain (Samuel Langhorne Clemens), amerikanischer Schriftsteller, geboren

30. " 1947 Deutsch-amerikanischer Filmregisseur Ernst Lubitsch in Hollywood verstorben (10. Todestag)

*****

- 12 - BERICHTIGUNG

In unserer Ausgabe "ALLGEMEINES" vom 30. Oktober 1957 muß es auf Seite 6, 2. Absatz, 1. Zeile anstelle vor 1 ,9 x 101 4

1 1;9 x 10 5 heißen.

AMERIKA DIENST Redaktion "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdrudk in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DIE FREIHEIT WÄHRTE NUR WENIGE TAGE Die Fresse der ungarischen Revolution

Nach IFFJ News - Quellenangabe erforderlich -

( 1 50' Zeilen)

Als die Studenten der Budapester Universität im Oktober 1956 vor dem Gebäude des Rundfunks demonstrierten und die Verlesung ihres Mani­ festes verlangten, da wurde allen Beobachtern klar, daß die Revolution nicht mehr aufzuhalten war.

Noch während Ernö Gero über den Rundfunk sprach, konnte man in Wien aus dem Lautsprecher deutlich das Rufen der Menge vor dem Rund­ funkgebäude hören. Als Gero wenige Minuten später seine Rede beendete, hörte man auch Gewehrschüsse, die ersten Schüsse der Revolution.

Mit dem Kampf um die Freiheit begann auch ein Kampf für die Frei­ heit der Presse. In jenen Tagen haben die ungarischen Journalisten be­ wiesen, daß sie trotz des zehn Jahre dauernden totalitären Regimes noch an die Wahrheit und an die Presse- • und Informationsfreiheit glauben. Der Kampf um die Pressefreiheit wurde vom ungarischen Journalistenver­ band gesteuert. Auch als der Aufstand bereits durch die russischen Panzer niedergewalzt worden war, wurden Budapest und die Provinz noch wochenlang mit Flugblättern und Plakaten überflutet, trotz schwerster Überwachung und trotz des Ausgangsverbots von der Dämmerung bis zum Morgengrauen.

Die freie Presse während des Aufstandes bestand nicht nur aus Ta­ geszeitungen und Zeitschriften. Dazu kamen viele Zehntausend Flugblät­ ter, meist nur mit Vervielfältigungsmaschinen oder mit der Schreib-

- 1 - "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Schreibmaschine hergestellt. Vom ersten Augenblick an bemühten sich 'diese Publikationen, den großen Hunger nach korrekter Information zu stillen.

Autos, die nach den ersten zwei Kampftagen aus Budapest in der Provinz eintrafen, wurden von vielen Menschen umringt. Budapest galt immer als das politische Zentrum Ungarns, und die Nachrichten von dort wurden als authentisch angesehen.

Schließlich, am 30. Oktober, kam die erste wirklich freie Zeitung aus Budapest. Jetzt sah das Land den Sieg der freiheitlichen Kräfte gesichert. Diese erste Zeitung hieß "Nepszawa". Einst eine sozialistische Tageszeitung, war sie später von den Kommunisten übernommen worden und erschien unter dem gleichen Titel als Organ des kommunistischen Ge­ werkschaftsbundes. Niemand akzeptierte den gestohlenen Titel, doch die Kommunisten benutzten ihn bis zu dem Augenblick, da die ungarischen Sozialisten ihre Tageszeitung wieder übernahmen und stolz erklärten: "'Nepszawa'' ist wieder sozialistisch".

Zahlreiche ungarische Zeitungsleute standen im Glauben an das Recht der freien Meinungsäußerung auf der Seite der wiedererstehenden politischen Parteien, die sich während der kurzen Tage der Freiheit alle publizistisch betätigten.

Die Gewerkschaften, deren Leitung die Budapester Arbeiterräte übernommen hatten, erschienen mit ihrer Zeitung "Nepakarat" auf dem Plan. Zur gleichen Zeit begann die wiedererstandene Partei der klei­ nen Landwirte mit der Herausgabe ihrer eigenen Zeitung "Kis Ujsag". Außerdem gaben die Revolutionäre völlig neue Zeitungen heraus, die liberale "Magyar Szabadsag" und die Zeitung "Igazsag". Letztere war das Organ des zentralen Soldatenrates. In ihrer ersten Ausgabe ver­ öffentlichte sie eine Deklaration, die von den Generalen Bela Kalayi und Pal Maleter sowie anderen hohen Offizieren der Revolutionsbewe­ gung unterzeichnet war.

Eine "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Eine andere Zeitung der revolutionären Truppen hieß "Magyar Függetlenseg", für die die Gruppe um Dudas verantwortlich zeichnete. Das Organ des Revolutionskomitees war die von dem bekannten Journalisten Sandar Pethö geleitete "Magyar Nemzet"; der Nationalrat der freien revolutionären Jugend publizierte die Zeitung "Magyar Ifjusag".

In der Provinz wuchs die Zahl der Zeitungen täglich. Da Post und Eisenbahn ausfielen, mußte irgendwie Abhilfe geschaffen werden. Sogar an kleinen Orten erschienen kleine Zeitungen und Nachrichten­ blätter, die die Rundfunkmeldungen wiederholten. Unter diesen Publika­ tionen ist besonders die in Györ von Atilla Szigethy, dem Vorsitzen­ den des Nationalrates, geleitete Zeitung zu nennen. Diese Zeitung wurde nach wenigen Ausgaben das Hauptorgan der Revolutionsbewegung in den westlichen Gebieten. In den Städten Pecs„ Szepal und Szeged erschienen gleichfalls eigene Zeitungen.

• In den ersten Tagendes Durcheinanders waren diese Zeitungen und der Rundfunk das einzige 'Nachrichtenmittel. Zusammen mit den Namen derjenigen, die aus den Reihen der Kommunisten zu den Freiheitskämpfern übergingen,tauchten jetzt die nahezu vergessenen Namen von Zeitungs- jleuten wieder auf, die während der langen sowjetischen Besatzung n schweigen mußten.

Innerhalb der kommunistischen Presse herrschte das Chaos. Das Zentralorgan der Partei "Szabad Nep" wurden von den Freiheitskämpfern übernommen und repräsentierte den Standpunkt der Regierung Nagy. Diese gab der Zeitung bald den Namen "Nep Szabadsag" und versah sie mit dem Kossuthwappen. Im nahegelegenen Szolnok, östlich von Buda­ pest, das niemals von den sowjetischen Truppen geräumt wurde, gab der ehemalige kommunistische Ministerpräsident Hegedüs gemeinsam mit Ernö Gero und einer Gruppe kommunistischer Minister gleichfalls eine Zei­ tung mit dem Namen "Szabad Nep" heraus. Sie wurde von zwei wohlbe­ kannten fanatischen Kommunisten geleitet, dem Journalisten Andar Berei und seiner Frau Erzsebet Andics. Als Kadar und sein späterer Minister für öffentliche Sicherheit Ference Münnich die Regierung Nagy verließen und Anfang November in Szolnok eintrafen, gaben auch sie

- 3 - "AMERIKA DIENST" 6. November 1957 sie eine eigene Zeitung heraus, die wiederum den Titel "Szabad Nep" erhielt. Als Kadar nach Budapest zurückkehrte und die Regierung über­ nahm, ergriff er gleichzeitig Besitz von Nagys Zeitung "Nep Szabadsag" die er bis heute in den Händen hält.

Die Gruppe in Szolnok, die auf Befehle vom sowjetischen Haupt­ quartier wartete, hatte noch ein anderes Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zur Verfügung, eine Rundfunkstation. Es konnte niemals zur Zufriedenheit geklärt werden, welche Rundfunkstation es war, die dieser Gruppe half, ihre provokativen und falschen Nachrich­ ten in den Äther zu senden. Die Rundfunkstation Kossuth war im Besitz der Freiheitskämpfer. Es gelang den Revolutionären aber nicht, sich in den Besitz des großen Rundfunksenders der Armee zu setzen, der für den Fall eines Krieges im Zentrum der Stadt in einem unterirdischen Gang installiert worden war. Eine ähnliche Reservestation in der Nähe von Miskolc wurde gleichfalls nicht von den Revolutionären besetzt. Einer dieser sehr starken Sender muß der Szolnok-Gruppe zur Verfügung gestanden haben.

Abgesehen von den soeben genannten Sendern kontrollierten die Freiheitskämpfer nahezu alle Rundfunkstationen Ungarns. Vor dem Zu­ sammenbruch der Revolution waren 15 Rundfunksender in ihrem Besitz. Einige von ihnen, meist im Osten des Landes, fielen bald in die Hände der sowjetischen Truppen. Andere, wie zum Beispiel die Sender in Duanpentele und Miskolczv , blieben auch nach der Niederschlagung des Aufstandes in der Hauptstadt noch mehrere Tage in den Händen der Revolutionäre.

Von den Sowjets an die Macht gebracht, wiederholte Kadar alle die bekannten kommunistischen Lügen. "Nep Szabadsag" wurde, wie früher "Szabad Nep", das offizielle Organ der Partei. Die Leitung übernahm Istvam Friss, einer der führenden Intellektuellen der Partei. Nach­ dem der Parteiideologe Jozsef Revai aus Piszczan in der Tschechoslowak zurückgekehrt war, erschien wenige Wochen später die Zeitschrift "Parsadalami Szemle". Zur "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Zur selben Zeit setzten die Verhaftungen unter den freien ungari­ schen Journalisten ein. Der Journalistenverband bestand noch bis Februar. Bis dahin hatte man Zeitungsleute wie Zoltan Zelk und Gyula Hay, zwei Träger des Kossuth-Preises für Literatur, sowie Domobas Varga, Tibor Kardos, Belaza Lengyel, Sandor Novovaczky, Pal Löcsei, Gabort Folly und viele andere verhaftet. Danach folgte die Verhaftung der Mitglieder des Revolutionskomitees der ungarischen Intellektuellen, das von Kadaly geführt wurde. Diesem Rat gehörten führende Schrift­ steller, Journalisten, Professoren und Künstler an. In den ersten Prozessen wurden Obersov/szky und Gabort Folly verurteilt, der erste erhielt lebenslänglich, während Folly im zweiten Verfahren zum Tode verurteilt und am 15« Mai hingerichtet wurde. Später folgte Prozeß auf Prozeß.

Die kläglichen Überreste des ungarischen Journalistenverbandes wurden unter die Kontrolle des Ministers für öffentliche Sicherheit, Münnich, gestellt. Zur gleichen Zeit erließ Kadar neue Direktiven für die wenigen noch erlaubten Zeitungen. Sein inoffizieller Pressebera­ ter wurde Gyula Kallai, ein persönlicher Freund und der einzige, der ihn nicht verlassen hatte. Die Presseangelegenheiten der Regierung werden von Istvan Szirmai wahrgenommen; Pressechef des Außenmini­ steriums ist nach wir vor Rubin, der diese Funktion schon viele Jahre innehat.

Die freie ungarische Presse ist zerstört, zahlreiche Journalisten sind eingesperrt. Es gibt keine Freiheit der Information mehr, Ungarn trägt wieder die kommunistische Fessel.

Von der Organisation der Journalisten im kommunistischen Block, der Internationalen Journalistenorganisation mit Sitz in Prag, hörte man nicht ein Wort des Protestes. In der Zeitschrift des Verbandes, "Democratic Journalist", erschien im Februar 1957 ein Artikel, der die freien ungarischen Journalisten und Rundfunkleute verleumdete. In diesem Artikel wurde folgendes Fazit gezogen, das .jedermann lesen

- 5 - "AMERIKA DIENST' 6. November 1957

lesen solltei der sich noch irgendwelche Illusionen über die Freiheit der Presse hinter dem Eisernen Vorhang macht:

"... Unter anderen Dingen haben die Journalisten auch gelernt, daß von der Freiheit der Presse im Interesse des Volkes und des So­ zialismus besser Gebrauch gemacht werden muß; daß diese Freiheit aber nicht denjenigen zugebilligt werden kann, die sie gegen das Volk und gegen die Freiheit des ganzen Landes gebrauchen wollen."

Nach: "IFFJ News", einer von der "Inter­ national Federation of Free Journalists" in Amerika herausgegebenen Zeitschrift. Dieser Vereinigung gehören Journalisten aus kommunistisch beherrschten Ländern in Europa an, die in Amerika im Exil leben.

- Bei Nachdruck ist Quellenangabe erforderlich -

* * * * *

SATELLITENHUMOR

( 10 Zeilen) Ein kommunistischer Parteifunktionär in Albanien erläuterte umständlich die Art und Weise,wie unter dem Kommunismus die Lebens­ haltungskosten gesenkt würden. Er sprach von den Märkten, die voll von Waren seien und stellte verärgert fest, daß ein Zuhörer seinen Ausführungen nur unwillig folgte.

Er fragte den Mann, der ihm antwortete: "Ich weiß wohl, daß das, was du sagst, nicht wahr ist. Wenn ich auf den Markt gehe, finde ich nur hohe Preise und ein knappes Warenangebot."

Darauf der Funktionär: "Genosse, hör' meinen Rat: Geh' weniger auf den Markt und lies dafür mehr Zeitungen!"

***** - 6 - "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

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PIONIERARBEIT IN DEN GRENZGEBIETEN PHYSIKALISCHER FORSCHUNG Gemeinschaftsunternehmen amerikanischer Universitäten Von James K. Sparkman

(Aus: "The Christian Science Monitor") - Quellenangabe erforderlich -

( 98 Zeilen) Wenig beachtet von der amerikanischen Öffentlichkeit wird gegen­ wärtig in Madison im Staat Wisconsin ein Institut aufgebaut, das in bezug auf personelle Besetzung, Ausstattung und Arbeitsziele zu einer der bedeutsamsten Stätten der physikalischen Forschung zu werden ver­ spricht. Dieses Forschungszentrum ist ein Gemeinschaftswerk von 15 Universitäten und Colleges des amerikanischen Mittelwestens, ins Le­ ben gerufen aus der Erkenntnis heraus, daß einerseits keine der be­ teiligten Institutionen allein in der Lage wäre, kernphysikalische Grundlagenforschung und Entwicklung in dem hier geplanten Umfang überhaupt zu finanzieren, und daß andererseits dem begabten Wissen­ schaftler und Ingenieur weder an einer Arbeitsstätte in der Industrie noch bei der amerikanischen Atomenergie-Kommission (AEC) die akade­ mische Freiheit des Schaffens geboten werden kann, die die Universi­ tät zu geben vermag.

Diese Forschungsgemeinschaft der Universitäten des Mittelwestens (Midwest Universities Research Association - abgekürzt MURA) soll eine Art Gegengewicht gegen die unter der Ägide der AEC errichteten Zentren der Strahlen- und Kernphysik in Kalifornien, Chicago und Brookhaven bilden und Wissenschaftlern aus dem Raum des Mittelwestens, die zur Arbeit bei der AEC nicht beurlaubt werden können, Gelegenheit geben, ihre Theorien in einer modernen universitätseigenen Forschungsstätte experimentell zu untermauern. Es

- 7 - I l ' "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Es gab und gibt hier nicht "den berühmten Mann", der wie ein Mag­ net talentierte Kräfte in seinen Bannkreis zieht. Das Ganze ist ein­ fach eine Organisation, zu der sich Universitäten und Colleges im Räume zwischen Kansas und Ohio zusammengeschlossen haben, nachdem seit etwa 1952 die Frage immer dringlicher geworden war, wie sie mit den modernen Entwicklungen gerade auf dem Gebiet der physikalischen Forschung überhaupt Schritt halten könnten. Im Jahr 1953 hatten ihre Physiker bereits zahlreiche Arbeitsgemeinschaften gebildet und kamen , regelmäßig zu Konferenzen zusammen. Die Idee machte Schule. Schon im September 1954 wurde die Forschungsgemeinschaft als offizielle Insti­ tution akademischer Bildungsanstalten ins Leben gerufen, der unter anderem als Mitglieder angehören: Iowa State College, Purdue Univer- sity, Michigan State College, Northwestern University, die Universi­ täten von Chicago, Illinois, Indiana, Kansas, Minnesota, Michigan und Wisconsin und verschiedene Staatsuniversitäten.

MURA nahm sofort die Arbeit auf, die zunächst ausschließlich von den beteiligten Universitäten finanziert wurde. Später gaben die National Science Foundation und das Marineforschungsamt für 16 Monate einen Zuschuß von 324 000 Dollar, bis die AEC Anfang 1956 die Fort­ führung der geplanten Projekte mit der Bereitstellung von 1,5 Millionen Dollar sicherte. Die Gemeinschaft mußte völlig von unten beginnen und sogar erst einmal einen Grundstock von "Handwerkszeug" schaffen, ohne das ein physikalisches Institut nicht funktionsfähig ist. Ein Angebot an schweren Werkzeugmaschinen im Wert von 175 000 Dollar zu einem Preis von nur 17 000 Dollar war in dieser Situation wie ein Geschenk. Die als "überschüssig" deklarierten riesigen Drehbänke, Fraes- und Schleifmaschinen sowie Hebevorrichtungen kamen dem Häuflein von Phy­ sikern, Ingenieuren, Technikern und Zeichnern gerade recht, um die Vorarbeiten für das Kernstück des Instituts, den Partikelbeschleuniger, in Angriff zu nehmen.

Dem Zweck der Forschungsgemeinschaft entspricht es wohl am besten, daß die Leitung der Organisation unter den namhaften Wissenschaftlern der beteiligten Universitäten in gewissen Zeitabständen wechselt. Der ständige Stab besteht nur aus neun Personen, während die übrigen "AMERIKA DIENST 6. November 1957

übrigen 45 wissenschaftlichen Mitarbeiter von ihren Universitäten beur­ laubt werden. Dem gegenwärtigen Spitzengremium gehört neben Dr. Kruger von der Universität Illinois und Dr. R. Haxby von der Universität Purdue auch Dr. Keith Symon an, der ein neuartiges Prinzip der Arbeitsweise von Anlagen zur Partikelbeschleunigung und Atomzertrümmerung entwickelt hat, wonach eine solche Maschine erheblich höhere Leistungsstufen bei geringerem Energieverbrauch erreicht. Im Gegensatz zum Zyklotron, bei dem das Magnetfeld zeitlich konstant ist und in seinem Winkel zur Ma­ schinenachse -nicht variiert, ist bei der sogenannten FFAG-Maschine .(Fixed Field Alternating Gradient) das Magnetfeld in einer Beschleu­ nigungsperiode zeitlich konstant, während das mittlere Magnetfeld periodisch mit dem Teldwinkel zur Maschinenachse schwankt.

Diese Maschine sieht aus wie eine liegende riesige Acht. In einer ringförmigen Vakuumkammer mit einem Ringdurchmesser von 150 Metern werden durch einen 15-Arapere-Strom Atomteilchen, beispielsweise Pro­ tonen, mit einer Geschwindigkeit von 15 Milliarden Elektronenvolt (15 GeV) herumgewirbelt. An sie schließt sich eine gleiche Kammer so an, daß die Partikel, die sich darin in der entgegengesetzten Richtung bewegen, an der Berührungsstelle in voller Wucht auf beschleunigte Teilchen aus dem ersten Vakuumring prallen. Der Effekt ist ähnlich wie bei einem Frontalzusammenstoß von zwei Automobilen - die Energien, durch die Atombausteine zertrümmert und neue geschaffen werden, summieren sich. Die FFAG-Maschine erreicht dadurch eine Leistung von 50 GeV, die bei "herkömmlicher" Bauweise einen unvorstellbar großen Magneten erfordern würde. Sie macht den massiven Elektromagneten über­ flüssig, der an einen Generator angeschlossen ist, aus dem beständig Pulse in die Beschleunigungsmagneten gelangen, wie dies noch bei der zur Zeit in Bau befindlichen neuen Anlage der AEC in Brookhaven der Fall ist. Solche Magneten verschlingen selbst bei viel kleineren Par­ tikelbeschleunigern riesige Summen und sind eine schwere Belastung für das Kraftwerk. Die für die 300 Meter lange und 150 Meter breite FFAG-Maschine vorgesehenen spiralähnlich gewundenen Magneten können durch einen viel kleineren nichtpulsierenden Generator betrieben werden. Vorläufig

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Vorläufig sind die Wissenschaftler in Madison aber noch dabei, mit Hilfe von elektronischen Großrechenanlagen und Versuchsanordnungen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der geplante FFAG-Beschleu- niger die in ihn gesetzten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt. Sie sind bereits auf manche neuen Wege zur Beschleunigung *on Atomparti­ keln gestoßen und haben beispielsweise auch herausgefunden, daß die erwarteten dichten Partikelströme im Gegensatz zu dem Verhalten von Einzelpartikeln oder kleinen Partikeltrauben einen "Flüssigkeits"- oder "Flasma"-Effekt haben. Dennoch sind für sie diese und andere Entdeckungen, wenn sie auch in der internationalen Fachwelt großen Widerhall finden, nur von sekundärer Bedeutung. Das eigentliche Ziel bleibt das Studium atomarer Bruchstücke, wenn "Bausteine" von Atomen durch Kollisionen zertrümmert werden. Über JO solcher Bruchstücke hat man bisher gefunden und untersucht, darunter Mesonen, Antiprotonen, Antineutronen, Neu­ trinos und Hyperonen. Dr. Enrico Fermi sprach in einer seiner letzten Vorlesungen die Vermutung aus, daß diese Fragmente selbst vielleicht gar keine Atombausteine seien, sondern auf ähnliche Weise entstünden wie die Bruchstücke einer Vase, die man zu Boden fallen läßt - sie sehen jedesmal anders aus. Für dieses Problem und viele andere Fragen in bezug auf den Aufbau der Materie eine Lösung zu finden, ist der große Ansporn der Arbeitsgruppen der MURA-Gemeinschaft, für Professo­ ren und Studenten gleichermaßen.

(Aus: The Christian Science Monitor") - Quellenangabe erforderlich -

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Physiker Dr. Charles Pruett vom Institut der amerikanischen Universitäts-Forschungsgemeinschaft MURA experimentiert bei den Vorarbeiten zur Konstruktion des FFAG-Beschleunigers, mit dem Leistungen von 50 Milliarden Elektronenvolt erreicht werden sollen, an einem der Hilfsgeräte.

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HUNDERT JAHRE "ATLANTIC MONTHLY" Eine Zeitschrift und ihre Bedeutung im kulturellen und politischen Leben der Vereinigten Staaten Von Norman Smith

( 85 Zeilen)

NEW YORK - (AD) - Hundert Jahre sind eine lange Zeit; drei Ge­ nerationen, eine Ära, die Verwirklichung des Wunschtraumes eines Sterblichen, so Zeit und Umstände ihm gut gesinnt.

Dasselbe gilt für die hundert Jahre des Bestehens einer Insti­ tution oder wie in diesem Falle der Zeitschrift "Atlantic Monthly". Und doch wiegt die Seltenheit des Ereignisses gering im Vergleich zu dem in diesem Jahrhundert an großen Dingen Erreichten, als dessen Chronist eine Zeitschrift ja mehr oder weniger zu werten ist.

Es war im Boston des Jahres 1857» als eine Reihe führender Schriftsteller Neuenglands, unter ihnen James Russell Lowell, Henry Wadsworth Longfellow, der Philosoph Ralph Waldo Emerson, der Histo­ riker John L. Motley und der Arzt und Essayist Oliver Wendeil Holmes zusammenkamen, um den Plan der Gründung einer Zeitschrift zu bespre­ chen. Lowell wurde ihr erster federführender Redakteur; der Name "Atlantic Monthly" war ein Vorschlag von Oliver Wendell Holmes. Die erste Nummer erschien im Herbst 1857» seither ist keine ausge­ fallen.

Dieser Monat nun bringt die eigentliche Jubiläumsausgabe der Zeitschrift mit Beiträgen von Robert Frost, Thornton Wilder, James Thurber, Ernest hemingway und Isak Dinesen, um nur einige der Namen zu nennen, die im Kulturleben Amerikas und darüber hinaus einen ersten Platz einnehmen. Edward Weeks, der derzeitige und neunte Chefredakteur "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

Chefredakteur von "Atlantic Monthly", kommentierte dieses Heft folgen­ dermaßen: "Wir wollen eine Zeitschrift zusammenstellen, die, falls man sie in hundert Jahren irgendwo fände, den Menschen einen guten Einblick in das gäbe, was die Leute heute lesen, was sie beschäftigt und worü­ ber sie lachen."

Dieses Novemberheft beträgt jedoch nur ein Viertel der anlässlich des Jubiläums herausgegebenen Publikationen. Im Oktober hatte "Atlantic Monthly" eine 64seitige Beilage,betitelt: "A Forward Look at Science and Industry" (frei übersetzt: Forschung und Industrie von Morgen). Sie enthält Aufsätze von 17 Wissenschaftlern und Gelehrten, wie etwa "Wissenschaft und die menschliche Freiheit" aus der Feder des Physi­ kers und Nobelpreisträgers Arthur H. Compton und eine Diskussion über Einsteins Relativitätstheorie im Zusammenhang mit der Weltraumfahrt.

Das Dezemberheft wird sich eingehend mit den Problemen und Aufga­ ben der Massenkomnunikationsmittel befassen, die nach der Ansicht Weeks "Marksteine des technischen Fortschritts unserer Zeit sind'.'. "Atlantic Monthly" unternimmt den Versuch festzustellen, ob durch sie die Wahrheit heute besser und weitere Verbreitung findet als früher."

Die Krönung der Jubiläumsschriften ist das 746 Seiten starke Buch "Jubilee", zusammengestellt von Edward Weeks und Emily Flint, dem derzeitigen Chef vom Dienst. Es enthält eine sorgfältig getrof­ fene Auswahl aus den bisher erschienenen 1200 Ausgaben von "Atlantic Monthly" .

Dieses Buch demonstriert in anschaulicher Weise, wie der Wunsch und die Mahnung, eines Freundes von James Russell Lowell erfüllt wurde, der seinen Glückwunsch im Jahre 1857 mit dem Hinweis begleitete, daß Zeitschriften für Kunst, Literatur und Politik selten eine lange Le­ bensdauer haben. "... Sie brennen hell für eine Weile und glimmen dann weiter, bis eine andere, lichtere, ihren Platz einnimmt. Es wäre eine große Sache für uns, eine Zeitschrift zu schaffen, die lange genug existiert, daß Affektionen und Assoziationen sich mit ihr verbinden, und "AMERIKA DIENST" 6. November 1957 und deren steter innerer Glanz den blendenden Schein der Novität mehr als ersetzt ..."

Die 128 Romanciers, Dichter, Kritiker, Philosophen und Wissen­ schaftler, die in diesem Jubiläumsband zu Worte kommen, sind Vertre­ ter einer illustren Gruppe. Es befinden sich unter ihnen, neben denen der "Gründerväter" der Zeitschrift, alle großen Namen des kulturellen und politischen Lebens im Neuengland des 19« Jahrhunderts - Whittier, Hawthorne, Thoreau, Sarah Orne Jewett und andere.

Der Abschnitt "Dichtung" bringt Werke von "Atlantik-Mitarbei­ tern aus Ländern von diesseits und jenseits dieses Ozeans: Robert Browning, Edwin Arlington Robinson, Robert Prost, W.B. Yeats, John Masefield, W. H. Auden und Archibald MacLeish, um nur einige zu nennen.

Die "Roman"-Sektion beschränkt sich auf Abdrucke von Short Stories amerikanischer Autoren, obgleich die Zeitschrift zahlreiche Romane und einen großen Teil der englischen Romanliteratur in Fortsetzungs­ serien abgedruckt hat. Die Redaktion war der Auffassung, daß ein auszugsweiser Nachdruck von bereits in Buchform erschienenen Romanen wenig Zweck hätte, wenngleich dieser Entschluß gleichbedeutend war mit dem Verzicht auf Namen wie Henry James, William Dean Howells, Anne Douglas Sedgwick und Thomas Bailey Aldrich. Die ausgewählten Short Stories sind in der Hauptsache "Erst-linge", das heißt, Werke junger Autoren, denen "Atlantic Monthly" mit seinem überregionalen Verbrei­ tungsgebiet eine gute Chance und ein großes Publikum gab. Die be­ merkenswerteste dürfte Ernest Hemingways "Pifty Grand" aus dem Jahre 1927 sein. Andere Erzählungen sind Erstabdrucke von Eudora Welty, William Saroyan, William Faulkner, Jessamyn West und Nathaniel LaMar.

Um von der reinen Form der Chronik abzukommen, beschlossen die Herausgeber, das Material nach Themenkreisen aufzuteilen, die der Zeitschrift seit eh und je am Herzen gelegen haben: Neu-England, der amerikanische Westen, Abraham Lincoln, das kulturelle und geistige Leben, die menschliche Würde und der schöpferische Prozeß. In "AMERIKA DIENST" 6. November 1957

In der Tat, eine eindrucksvolle Sammlung, zumal sie aus dem Archiv einer einzigen Zeitschrift stammt. "Jubilee" ist auch inso­ fern als Gedenkschrift bemerkenswert, weil sie veranschaulicht, welch großes Maß an literarischem Gut Amerikas in Zeitschriften veröffent­ licht wurde und noch wird. "Atlantic Monthly" ist eine der bedeutendsten dieser Zeitschriften, aber - und das mag interessieren - sie ist nicht die einzige und nicht die älteste. Als "Atlantic" gegründet wurde, war "Harper's" bereits sieben Jahre alt.

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- 14 - "AMERIKA DIENST" 13. November 1957

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ZUVIEL DER KRITIK AM PEKINGER REGIME Von James W. Berner

Der Verfasser nachstehenden Artikels ist ein bekannter Publizist und Kenner der Verhältnisse in Rotchina.

( 90 Zeilen)

Im vergangenen Februar hatte Mao Tse-tung als Vorsitzender des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas nach dem Eingeständ­ nis, daß der Kommunismus in China bei weitem nicht fehlerlos sei, zu konstruktiver Kritik aufgefordert. Eine solche Kritik werde, wie Mao Tse-tung damals sagte, die zwischen der kommunistischen Führung und dem Volke bestehenden "Widersprüche" beseitigen.

Anfänglich beteiligten sich die so angesprochenen Chinesen nur sehr zögernd an dieser "Bewegung zur Verbesserung des Arbeitsstils", denn im kommunistischen China war eine Kritik an der Regierung oder den führenden Männern - ein Recht also, das in einem demokratischen Lande jeder Bürger besitzt - niemals zugelassen worden. Nun aber setzte die Kommunistische Partei Chinas ihren Apparat in Bewegung. Die von den Kommunisten geduldeten kleineren Parteien beriefen Versammlungen

ein(und auch an Universitäten, in Fabriken sowie in den Kreisen der Intellektuellen und Geschäftsleute wurden Aussprachen herbeigeführt. Mit der ausdrücklichen Zusicherung der Straffreiheit ermunterte man die Bevölkerung zur Kritik. Die Partei selbst gab sich den Anschein, als brauche sie keine Kritik zu fürchten, von welcher Seite sie auch kommen möge.

So wurde im Mai und Juni in Rotchina eine Welle der Kritik aus­ gelöst, die bald einen bedeutenden Umfang annahm und sich nicht nur auf oberflächliche Erscheinungen richtete, sondern auch auf das

- 1 - "AMERIKA DIENST" 13. November 1957

das kommunistische System als solches. In diesen zwei kurzen Monaten wuchs diese Welle der Kritik,an der sich Lehrer, Studenten, Geschäfts­ leute, Schriftsteller, Funktionäre kleinerer Parteien (es gibt in China noch acht kleinere Parteien neben der KP) und auch viele Mit­ glieder der Kommunistischen Partei beteiligten, zu einer kleinen Flut an.

Das war für die chinesische Kommunistische Partei eine Überra­ schung. Einige Monate nach dieser vielleicht etwas zügellosen Flut der Kritik gab ein Sprecher der Partei zu, daß man so etwas nicht er­ wartet habe. Das selbstbewußt zuversichtliche Gefühl der Parteiführung war mit einem Male erloschen, und der Kritik wurde plötzlich ein schrof­ fes Halt geboten. Unmittelbar darauf begann man mit einem Feldzug der "Gegenkritik" gegen die Kritiker, die man jetzt als "Rechtsabweichler" und "Konterrevolutionäre" beschimpfte.

Wie wichtig und ernst für die Kommunisten der nun schon fünf Mo­ nate andauernde Versuch ist, die von ihnen selbst ausgelöste Flut der Kritik aufzuhalten, offenbarte kürzlich das offizielle Blatt der Kommu­ nistischen Partei Chinas, die Pekinger "Volkszeitung". Sie schrieb in ihrer Ausgabe vom 18. September 1957» die gegenwärtige Kampagne gegen die "Rechtsabweichler" und "Konterrevolutionäre" habe sich zu einem "nationalen Kampf von lebenswichtiger und entscheidender Be­ deutung" entwickelt.

Wer sind diese Kritiker, die das rote Regime aufs Korn nimmt? Welche ihrer Äußerungen haben die Besorgnis Pekings erregt und die Gegenkampagne ausgelöst? Einige Beispiele seien im folgenden wieder­ gegeben»

Shen Chi-yuan, ein Mitglied des Kulturausschusses einer kleineren Partei, habe,wie die kommunistische Presse berichtet, die Überlegen­ heit des kommunistischen Systems geleugnet, das kommunistische Er­ ziehungswesen als "depressiv" bezeichnet und behauptet, in den kommu­ nistischen Ländern gebe es keine Freiheit und Demokratie; neben wei­ teren Beschuldigungen habe er die Kommunistische Partei eine sektie­ rerische Clique genannt, die für private Interessen arbeite, und "AMERIKA DIENST" 13- November 1957 und schließlich habe er gesagt, eine hohe Mauer trenne die zwölf Millio­ nen Parteimitglieder von den übrigen 658 Millionen, die der Partei nicht angehören.

Pi Ming-chi, ein chinesischer Industrieller in Tientsin, wurde der "Rechtsabweichung" beschuldigt, denn er habe die Vereinheitlichung des An- und Verkaufs von Getreide kritisiert und gesagt, diese Maßnahme habe zur Folge, daß die Bauern Hungers stürben. Die Kollektivierung der Landwirtschaft sei in der Theorie zwar gut, nicht aber in der Praxis, und die hungernden Bauern würden sich der Regierung widersetzen.

Lei Hai-tsung, ein Geschichtsprofessor an der Nankai-Universität in Tientsin, wurde der Ablehnung des Marxismus bezichtigt, da er geäußert habe, der Marxismus habe sich nicht weiterentwickelt, sondern sei heute noch der gleiche wie 1895» als Engels starb.

Zur Rechenschaft gezogen wurde auch ein Berater des Obersten Volksgerichtshofs, Yu Chung-lo. Ihm wurden die Äußerungen zur Last gelegt, daß das Pekinger Regime der Diktatur zuviel Platz eingeräumt und die Bereinigung der innerhalb der Bevölkerung bestehenden Wider­ sprüche vernachlässigt habe, außerdem schütze die gegenwärtige Regie­ rung nicht die Rechte der Bürger, und im Rechtswesen gebe es keine klare Trennungslinie zwischen Verbrechen und Nicht-Verbrechen.

Öffentlich gerügt wurde Professor Chen Chen-han zusammen mit einigen seiner Kollegen von der Pekinger Universität. Sie sollen dem Regirte auf wirtschaftlichem Gebiet ernste Fehler vorgeworfen haben, die auf das mangelnde wirtschaftliche Verständnis der Genossen zurück­ zuführen s ei en,und sie sollen femer behauptet haben, daß sich die wirtschaft­ liche Struktur Rotchinas gegenwärtig in einer gefährlichen Krise be­ finde. Außerdem wirft man ihnen Äußerungen vor, nach denen sie das volks­ wirtschaftliche System des Marxismus-Leninismus für überholt halten und der Meinung seien, daß die wirtschaftswissenschaftliche Forschung gegenwärtig in einem wenig fortgeschrittenen Stadium stagniere.

Unter "AMERIKA DIENST" 15. November 1957

Unter den vielen Journalisten, die wegen antikommunistischer Äußerungen angegriffen wurden, befindet sich auch Chen Chung, der Chef redakteur der literarischen Zeitschrift "Yüan Ti". Chen wurde vorge­ worfen, er habe gesagt, im Kommunismus gebe es keine Demokratie, son­ dern nur Zentralisierung. Außerdem soll er seinen Redakteuren nahege­ legt haben, keine marxistisch-leninistischen Studien zu betreiben, denn selbst nach dem bei der Kaderausbildung geforderten Studium von zwölf Bänden würden sie immer noch nichts wissen. Die von Parteimit­ gliedern veröffentlichten Artikel habe er als "doktrinäres, trockenes Zeug" bezeichnet, das an die frischen und lebendigen Arbeiten von nicht zur Partei gehörenden Autoren bei weitem nicht heranreiche»

*****

Der alte Grundsatz "Divide et impera" wird von den Rotchinesen nunmehr auch auf die Religionsgemeinschaften der Moslems, Buddhisten und Christen angewendet, wie einem Bericht aus Hongkong zu entnehmen ist.

Das Regime ermutigt seine Anhänger, "rechtsabweichlerische" Glaubensgenossen "in die Zange zu nehmen und fertig zu machen". Sie könnten so beweisen, daß sie nichts mit diesen Staatsfeinden zu tun hätten.

Mit typischer Inkonsequenz bringt das Pekinger Regime es fertig, die Moslems im Vorderen Orient zu hofieren und mit den Moslems im eigenen Lande, die an der marxistischen Ideologie zweifeln und ihre Unvereinbarkeit mit den Lehren des Islam darlegen, scharf ins Gericht zu gehen.

Dem Bericht ist ferner zu entnehmen, daß auch Würdenträger der katholischen Kirche zahlreiche Denunziationen und Angriffe zu erdulden haben, vor allem deshalb, weil sie sich weigern, ihre Kongregationen geschlossen in kommunistisch beherrschte "Vaterländische Verbände" zu überführen.

* * * * * "AMERIKA DIENST" 1J. November 1957 Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

DER STAND DER FORSCHUNG IN DEN USA Zum .jetzt erschienenen Bericht der National Science Foundation Von John Kerig n

( 60 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die amerikanische Bundesstiftung für die Wis­ senschaften hat in diesen Tagen einen Bericht über den Stand der For­ schung in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Durch das zeitliche Zusammentreffen des Erscheinens dieses Berichts mit dem Start der sowjetischen Erdsatelliten ist es fast unvermeidbar, daß er im Lichte der künstlichen Monde betrachtet werden wird.

Der Bericht der National Science Foundation ist jedoch viele Monate lang vorbereitet worden. Er enthält eine umfassende und tief­ gehende Darstellung des wissenschaftlichen Potentials der Vereinig­ ten Staaten. Es wäre ungerecht der Bundesstiftung gegenüber, ihre Berichtsergebnisse lediglich unter dem Eindruck der jüngsten wissen­ schaftlichen Errungenschaften zu sehen.

Ohne Zweifel besteht die Notwendigkeit für eine Erweiterung der Grundlagenforschung (zum Unterschied von der Forschung auf dem Ge­ biet der angewandten Wissenschaften). Es wäre jedoch falsch, daraus Schlüsse auf den bisherigen, keineswegs unbedeutenden Umfang der Grundlagenforschung in den USA zu ziehen. Im Gegenteil.

Der Bericht führt dazu aus: "Wir haben Grund anzunehmen, daß die Vereinigten Staaten der Grundlagenforschung größere Unterstützung zuteil werden lassen als jedes andere Land, einschließlich der Sowjet­ union". Zahlenmäßig sieht es so aus, daß die finanziellen Aufwendun­ gen für dieses Gebiet der Forschung im Laufe der letzten Jahre von etwa 110 Millionen Dollar heute auf das Vier- bis Fünffache angestie­ gen sind. Aber

- 5 - "AMERIKA DIENST" 13. November 1957

Aber das Potential an wissenschaftlichen Begabungen ist in den USA weitaus größer als die ihm gewährte Unterstützung. Ein Vergleich der amerikanischen und sowjetischen Grundlagenforschung ergibt, daß die UdSSR etwa 20 bis 30 Prozent mehr ihres wissenschaftlich geschul­ ten Menschenmaterials in der Grundlagenforschung einsetzt.

Diese Tatsache ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Foundation eine größere Unterstützung der Grundlagenforschung sowohl auf pädagogischer als auf finanzieller Ebene empfiehlt.

Der zweite nicht weniger lebenswichtige und zwingende Punkt für eine Erweiterung der Grundlagenforschung ist die für eine ständig wachsende Wirtschaft unentbehrliche fortlaufende Entwicklung neuer Produkte.

Welches sind denn nun die Hilfsquellen, die, abgesehen von dem reichlich vorhandenen wissenschaftlichen Nachwuchs, mobilisiert werden können?

Der Bericht hebt zwar hervor, daß die Bundesregierung die Bemühun­ gen zur Verstärkung der Grundlagenforschung lenken müßte, doch sollte sie niemals versuchen, die einzige finanzielle Hilfsquelle zu sein - und sie ist es tatsächlich auch nicht. Die finanzielle Unterstützung, so wird vorgeschlagen, sollte größtenteils aus den zahlreichen, nicht bundesstaatlichen Quellen kommen: von der Industrie, den privaten Stiftungen, aus der Öffentlichkeit und seitens der verschiedenen Re­ gierungen der Einzelstaaten, die bereits mit Projekten auf diesem Gebiet befaßt sind.

Die Bundesregierung kann und sollte den Weg für eine erweiterte Grundlagenforschung durch Steuererleichterungen ebnen - ein völlig neuer Gesichtspunkt -, oder aber sich an den Ausgaben der Einzelstaa­ ten für die Erziehung mit gleichhohen Beträgen beteiligen, in ähnlicher Weise, wie jetzt der Bau von Autostraßen gefördert wird. Sollte die Finanzierung aus anderen Quellen nicht ausreichen, käme auch eine direkte Unterstützung durch die Bundesregierung in Betracht. Die National Science Foundation ist die oberste Instanz der Regierung für die Förderung der Wissenschaften, sie hat - und das muß betont werden - jedoch keine politische Aufgabe. Es mag aber vielleicht bedeutsam «*>in, daß Präsident Eisenhower unter Hinweis auf den Bericht eine erhebliche Erweiterung und Verstärkung und eine größere Unterstützung der Grund­ lagenforschung von seiten der Bundesregierung angekündigt hat. - 6 - "AMERIKA DIENST" 15- November 1957

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RELIGIÖSES THEATER IN AMERIKA

I. Das protestantische Theater Von Marvin P. Halverson

( 120 Zeilen) Marvin P. Halverson ist Geschäftsführender Direktor der Abteilung für Kultus und Kunst des Nationalra­ tes der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten. Vor der Übernahme dieses Amtes war er Studenten­ pfarrer an Theologischen Seminar der Universität von Chicago.

Als an einem Abend im Oktober 1951 Christopher Frys "A Sleep of Prisoners" (Ein Schlaf der Gefangenen) zum erstenmal in der St. James Episcopal Church in New York aufgeführt wurde, da hatte damit das Re­ ligiöse Theater in den Vereinigten Staaten eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Interesse an den religiösen Aspekten des Theaters hatte be­ reits seit langer Zeit bestanden, und einige Jahrzehnte lang hatten protestantische Kirchen historische Festspiele und sonstige Stücke in­ nerhalb der Kirchengebäude zur Aufführung gebracht. Nun aber kam zum ersten Male ein erstrangiger Bühnenschriftsteller, dessen Werke am Broadway zur Darstellung gelangten, unmittelbar in einer Kirche zu Wort. Und das Stück selbst stellte in eindrucksvoller Weise eine Ver­ bindung von Religion und Drama dar, eine Anerkennung des dramatischen Charakters der biblischen Erzählung und der jüdisch-christlichen Über­ lieferung von der Seite des Theaters her.

Das Einzigartige dieses Ereignisses kann nur im Zusammenhang mit dem theatralischen und religiösen Leben Amerikas verstanden werden. In zahlreichen Ländern hat es Spannungen zwischen Kirche und Theater ge­ geben, doch das europäische Theater vermochte stets darauf hinzuweisen, daß die Ursprünge seines einheimischen Dramas in den mittelalterlichen

" 7 " "AMERIKA DIENST" 15. November 1957 mittelalterlichen Kirchen zu suchen seien. Anders lagen die Dinge in den Vereinigten Staaten, die am Anfang von Angelsachsen mit puritani­ schem Einschlag besiedelt wurden.

Um den Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch erwachte auch hier das Interesse der Kirche an dem dramatischen Wirkungsgebiet, und zwar einmal ganz allgemein im Zusammenhang mit den kirchlichen Festen und dann im besonderen im Hinblick auf die Verbreitung der Lehre. Die Rolle des Schauspiels als eines Mittels der religiösen Erziehung wurde deutlich, jedoch ohne Bezugnahme auf die Hilfsquellen und Erfahrungen des berufsmäßigen Theaters. Neue Kirchen, die gebaut wurden, sahen oft außer dem eigentlichen Gotteshaus noch ein Auditorium mit einer Bühne vor.

Um diesen neuen Bedürfnissen zu entsprechen, wurde innerhalb des Pederal Council of Churches, des gemeinsamen Organs der meisten der führenden protestantischen Kirchengemeinschaften Amerikas, ein beson­ derer Ausschuß für das religiöse Schauspiel eingesetzt. Dieser Aus­ schuß gab einen Band Theaterstücke, betitelt "Religiöse Dramen", heraus. Fred Eastman, der als Vorsitzender des Ausschusses wirkte, wurde im Jahre 1926 auf einen neugeschaffenen Lehrstuhl für Literatur und Dra­ matik am Chicagoer Theologischen Seminar berufen. Die Tätigkeit des Ausschusses wurde später von der Liga für Kirche und Schauspielkunst aufgenommen und weitergeführt, so daß das Interesse an dem religiösen Drama niemals verloren ging.

Zwei andere kirchliche Körperschaften in den USA haben seit langem ein lebhaftes Interesse an der Schauspielkunst bekundet. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen) wirkt durch ihre Young Men's and Young Women?s Mutual Improvement Society, die "Ver­ gnügungshallen" in 2000 größeren Orten der Vereinigten Staaten'unter- hält. Die Brigham Young University in Provo im Staate Utah dient als eine Art Austauschstelle für Informationen, Ausbildung von führenden künstlerischen Kräften und Auswahl der Stücke.

Im Jahre 1924 wurde an der Universität von Illinois in Urbana die National Society of Wesley Players, eine methodistische Studentenorga­ nisation, gegründet. Die Wesley Players entfalten ihre Tätigkeit heute

8 "AMERIKA DIENST" 15. November 1957 heute in zahlreichen methodistischen Studentenzirkeln an Colleges und Universitäten. Ein monatlicher Rundbrief mit dem Titel "Rampenlicht" bildet ein wichtiges Mittel zur Aufrechterhaltung des Interesses und zum Austausch von Informationen. Die methodistische Studentenzeitschrift "Motive", die mehr Artikel über Kunst und Literatur veröffentlicht als irgendein anderes protestantisches Magazin, leiht diesen Interessen ihre Unterstützung und hat sich bemüht, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken.

Die Aufführung von Christopher Frys "A Sleep of Prisoners" in New York ist als bedeutungsvolles Datum in der Geschichte des Religiösen Theatörs bezeichnet worden. Zum erstenmal hatte damit in den Vereinigten Staaten eine berufsmäßige Theatergesellschaft ein Stück in einer Kirche aufgeführt, und zwar nicht lediglich für die Kirchengemeinde, sondern für das große Publikum. Das Stück hatte sehr viel Erfolg und wurde an­ schließend im Rahmen einer Tournee durch die Vereinigten Staaten überall in Kirchen und Hochschulkapellen gespielt.

Die wichtigste Seite der neuen Entwicklung liegt in dem höheren Niveau der in den Kirchen aufgeführten Stücke. Man ist dazu übergegangen, beispielsweise die Stücke von T. S. Eliot und Christopher Fry in einem Umfang zu verwenden, der noch vor ein paar Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Und zahlreiche örtliche Kirchengemeinden, kirchliche Gruppen sowie christliche Studentengruppen an Colleges, Universitäten und Theologischen Seminaren haben im Laufe der allerletzten Jahre Schauspielvorführungen eingerichtet.

Im Jahre 1952 wurde auch im Kirchenverband von Los Angeles das In­ teresse an Schauspielaufführungen durch Phyllis Beardsley neu belebt. Diese Gruppe, die sich teils aus beruflichen, teils aus halbberuflichen Schauspielern zusammensetzt und sich den Namen "The Bishop's Company" beilegte-, begann mit Christopher Frys "The Boy with a Cart", das sie in den Kiröhen des ge'samten Gebietes spielte. Ihr Repertoire hat sich in­ zwischen erweitert, manchmal sogar etwas über die Grenzen hinaus, die der kleinen Gruppe von acht bis zehn Spielern nun einmal gesteckt sind.

Einer "AMERIKA DIENST" 13. November 1957

Einer der an der Gründung beteiligten Spieler der Los Angeles- Gruppe, Bill Penn, kam als Berufsschauspieler nach New York an den Broadway und zog dort die Organisation der "Broadway Chapel Players" auf. Die Congregational Church des Broadway wurde die Heimatgemeinde der Gruppe dieser Berufsschauspieler und gab ihr den Namen. Wiederum mußte Christopher Pry mit seinem "The Boy with a Cart" dazu dienen, die Kluft zwischen Kirche und Theater zu überbrücken. Die Broadway Chapel Players begannen im April 1954 *it ihren Vorführungen und haben seitdem ihre Stücke im Durchschnitt jeweils zwei Monate lang in der Kapelle der genannten Kirche an Sonntagnachmittagen aur Aufführung gebracht.

In Anerkennung der Notwendigkeit, einen dramaturgi chen Führungs­ stab in den Theologischen Seminaren heranzubilden, finanziert die Rockefeller-Stif tung ein Drei Jahresprogramm auf dem G«»bi pt des reli­ giösen Dramas an dem Union Theological Seminary in New York. Dieses Seminar hatte schon früher, sich auf Amateurschauspielc:' aus den Reihen der Studenten stützend, sehr verdienstvolle Auffi irungen herausgebracht. Eine der wirkungsvollsten war die von Guenter Ruten­ borns "Das Zeichen des Jonas", eines Stückes, das im Na.chkriegsdeu$sch- land geschrieben worden war und biblischen Symbolismus, die Geschichte der jüngsten Zeit sowie das existentielle Verbundensein der Schauspie­ ler miteinander verknüpfte. Dieses Stück wurde von der Lutherischen Studentenvereinigung in den Vereinigten Staaten herausgegeben und findet noch jetzt bei Aufführungen von College- und Universitätsstu­ denten weitgehend Verwendung.

Im April 195^ brachte das Union Theological Seminary die drama­ tische Version von Melvilles "Billy Budd" von Louis 0. Coxe und Robert H. Chapman heraus, die 1951 am Broadway zu sehen war. Sie ist seitdem in die Repertoire der Spielgruppen der Colleges und Universitäten und nunmehr auch der theologischen Seminare und Kirchen übergegangen. Es besteht Übereinstimmung darüber, daß "Billy Budd" nicht nur eine - jetzt auch für die Bühne bearbeitete- hervorragende amerikanische Erzählung ist, sondern darüber hinaus ein Werk von ungewöhnlicher christlicher Aussagekraft.

- 10 - "AMERIKA DIENST" 13. November 1957 Das ist kennzeichnend für die bedeutungsvolle Entwicklung des Ver­ ständnisses zwischen den Kirchen. Zahlreiche der Vergessenheit anheim­ gefallene Werke sind dabei für die dramatische Verwendung wiedererobert worden. Darüber hinaus machen kirchliche Persönlichkeiten die Entdeckung, daß viel von dem großen Drama unserer Zeit erfüllt ist von religiösen Gedanken. Daher trifft man in steigender Zahl Geistliche, die ihren Gemeindemitgliedern nahelegen, sich solche Stücke wie Tennessee Williams* "Endstation Sehnsucht", Millers "Der Tod des Handlungsreisenden" oder Inge's "Komm zurück, kleine Sheba" anzusehen. Für Kirchenmänner dieser Art beschränkt sich das religiöse Drama nicht nur auf das tatsächlich in der Kirche aufgeführte, sondern umfaßt jedes Drama, das die Situation des Menschen ernsthaft beleuchtet. Eine solche Weite des Verständnisses und Interesses war auch bei der Bildung des Ausschusses für das Drama im Nationalrat der Kirchen maßgebend, der viele der hervorragendsten Persönlichkeiten des ameri­ kanischen Berufstheaters, des Bildungstheaters und der Gemeindetheater mit Geistlichen und kirchlichen Erziehern zusammenbringt. Obgleich der Ausschuß erst wenige Jahre besteht, hat er genau die Grundsätze fest­ gelegt, von denen er sich bei seinem Wirken leiten läßt, und er hat ein Arbeitsprogramm entworfen, das auch die Gründung einer Zentralbibliothek und einer Reihe von Werkstätten sowie einen festen Plan für dramatische Festaufführungen und die Bildung einer Gastspieltruppe einschließt. Das protestantische kirchliche Drama in den Vereinigten Staaten hat noch eine lange Entwicklung vor sich, aber es ist schon heute als ein gesundes Kind der beteiligten Künste anzusehen und wächst schnell heran.

(Artikel II "Das Katholische Theater" folgt am 20. Nov. 1957)

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Aufführung von Robert Ardreys "Thunder Rock" vor dem Altar der Tgtylor-Kapelle der Broadway Congregational Church in New York durch die Beruftsschauspielergruppe der "Broadway Chapel Players"

2) Szene aus Christopher Frys "A Sleep of Prisoners", dargestellt von dem Arden Club der Southern Methodist University in Dallas im Staate Texas im Jahre 1954» Das Stück wurde nach der eigent­ lichen Premiere am Broadway in zahlreichen amerikanischen Kirchen gespielt. * * * * #

-11- 'AMERIKA DIENST" 20. November 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden«

IM POLITISCHEN LEBEN AMERIKAS GIBT ES KEINE STAGNATION

Die Bedeutung der Wahlen in den sogenannten "freien Jahren"

i Von John Kerigan C 63 z WASHINGTON — AD -- In einzelnen Staaten der amerikanischen Union finden, bedingt durch Überlieferung oder verfassungsmäßige Vorschriften, in den sogenannten "freien Jahren", wenn keine allgemeinen Wahlen für den Kongreß oder die Präsidentschaft anstehen, Gouverneurswahlen, Wahlen zur gesetzgebenden Versamnlung, Bürgermeisterwahlen und Wahlen für andere Kommunalämter statt»

Daher haben die Wahlen in diesen "freien" Jahren die politischen Propheten immer reichlich mit Material versorgt, ungeachtet ihres streng lokalen Charakters und der offenkundigen Unmöglichkeit, vorauszusehen, was die allgemeinen Wahlen ein oder drei Jahre später beeinflussen wird.

Darin sind die Wahlen der ersten Novemberwoche, die im Staat New York, in New Jersey, Virginia und Pennsylvanien stattgefunden haben, keine Ausnahme,

Die Demokraten feiern jetzt die Siege ihrer Partei, besonders in New Jersey, wo sie den Gouverneursposten und die Mehrheit in der gesetzgeben­ den Versammlung errungen haben, die letztere zum ersten Mal seit zwanzig Jahren, sowie ihre Erfolge bei den Bürgermeisterwahlen in New York City und in einer Anzahl Industriestädte im Staate New York«

Sie weisen darauf hin, daß-einige der unterlegenen republikanischen Kandidaten die offene Unterstützung der Regierung hatten und trotzdem mit Mehrheiten geschlagen wurden, die andeuten, daß sich ein bestimmter Trend anbahne.

Das könnte durchaus der Fall sein. Es wäre aber übereilt und unbe­ sonnen, wollte man darüber hinwegsehen, welchen großen Einfluß die Ein-

„ 1 » "AMERIKA DIENST" 20. November 1957 Einstellung des Wählers gegenüber seiner kommunalen Verwaltung bei solchen Wahlen spielt} oder wollte man die Auswirkungen negieren, die die nächste Sitzungsperiode des Kongresses und die Arbeit der Regierung in den näch­ sten drei Jahren auf die Wähler von 1958 und i960 haben werden.

Welche Bedeutung diesen Wahlen auch immer zukommt, in einem gewissen, eher weiten als engen politischen Sinn sind sie unbestreitbar von Wert - sie sind nicht einfach nur ein Teil des amerikanischen Regierungssystems. Sie sind ihrer wahren Bedeutung nach auch ein Teil jenes Auswahlprozesses, in dem aus dem großen Reservoir von Staatsbeamten qualifizierte Persön­ lichkeiten auf der politischen Ebene vorwärts getragen werden, eine Aus­ lese, die oft auf der örtlichen Ebene beginnt und bis an die Spitze der Regierung führt.

Robert Baumle Meyner, der Anfang November mit einer überwältigenden Mehrheit zum Gouverneur des Staates New Jersey wiedergewählt wurde, ist ein besonders gutes Beispiel für jene Persönlichkeiten, die in beiden Par­ teien ihren Weg machen.

Das Ausmaß seines Erfolges in einem normalerweise republikanisch regierten Staat stellt ihn nicht nur in die Reihe derjenigen, die für eine demokratische Präsidentschaftskandidatur in Frage kommen. Sein Sieg zeigt außerdem, daß der Weg zu politischer Prominenz ebenso hart und an­ spruchsvoll wie unvorhersagbar ist, und daß "politische Anziehungskraft" weit mehr ist als nur ein Programm oder eine Ideologie.

Meyner hat persönliche und berufliche Vorzuges sein jungenhaftes Aussehen leugnet seine 49 Jahre, er liebt die Menschen und hat ein aus­ gezeichnetes Gedächtnis für Gesichter, Namen und Orte, über seine Amts­ führung wird gesagt, daß die Regierung unter seiner Leitung überdurch­ schnittlich gut war.

Doch sein Aufstieg zu nationaler Prominenz kam nicht von ungefähr. Er unterlag zweimal, bevor er einen Sitz im Senat des Staates erringen konnte, und er wurde zweimal geschlagen, bevor er Gouverneur wurde.

Während heute natürlich noch keine Rede davon sein kann, welche Rolle Meyner im Jahre i960 spielen wird, so ist in seiner Karriere doch bemerkenswert, daß er innerhalb von vier Jahren aus verhältnismäßiger Bedeutungslosigkeit zu seiner jetzigen Stellung emporgestiegen ist. Wie "AMERIKA DIENST" 20. November 1957 Wie er machen viele andere Menschen heute auch einen politischen Aus­ leseprozeß durch.

Die wenigen letzten Wahlen, einschließlich der Wahlen in der ersten Novemberwoche, haben besonders gezeigt, daß sich für neues Blut immer ein Weg findet, sich durchzusetzen. Beide Parteien haben eine ganze Galerie von jungen Leuten präsentiert, wie etwa Vizepräsident Nixon, Gouverneur Meyner und viele andere. Viele von ihnen sind heute politisch aktiv, so daß die Wahlen der Jahre 1958 und i960 sehr wohl zu einem nicht unbedeu­ tenden politischen Wettstreit einer völlig neuen Generation werden könnten.

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EIN JAHRZEHNT HÖCHSTER FLUGGESCHWINDIGKEITEN

(12 Zeilen) AD — Die Flugzeuge werden immer schneller und schneller. Am 14« Oktober 1947 durchbrach die Bell X-l mit einer Geschwindigkeit von 1 120 Kilometern in der Stunde als erstes Flugzeug die Schallmauer - das heißt, sie flog schneller als der Schall. Dieses raketengetriebene Flugzeug stieß damit die Tür zu einem Jahrzehnt der höchsten Flugge­ schwindigkeiten auf.

Im Juni 1954 stellte die Bell-IA mit 2 65O Stundenkilometern einen neuen Geschwindigkeitsrekord und mit 27 400 Metern einen neuen Höhenre­ kord auf. Auch der nächste Rekord kam von einer Maschine der Bell Air- craft Corporation, der Bell X-2. Dieses Flugzeug erreichte im September 1956 eine Geschwindigkeit von über J200 Stundenkilometern und eine Höhe von 38 46O Metern - noch nie ist bis heute ein Mensch schneller und höher geflogen.

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- 3 - "AMERIKA DIENST" 20. November 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden. INTEGRATION AMERIKA HAT NICHTS ZU VERBERGEN

Eine Stimme aus Asien zum Negerproblem in den Vereinigten Staaten

C 23 Zeilen) DJAKARTA (INDONESIEN) — Die unabhängige Zeitung "Times of Indonesia" forderte kürzlich in einem Leitartikel die Vereinigten Staaten auf, um­ fassender über den Fortschritt der Neger in den USA zu berichten.

In dem Kommentar heißt es» "Der Fortschritt der Neger in den USA ist eine großartige und bewegende Geschichte, die, wenn klug und richtig interpretiert, den Vereinigten Staaten zum Segen gereichen wird. Damit können viele Mißverständnisse beseitigt werden, die über die Stellung des Negers in der amerikanischen Gesellschaft bestehen. Wieviele Asiaten wissen-schon, daß nur sechs Staaten (von 48) mit einer Bevölkerung von 14 Millionen - davon drei Millionen Neger - (von insgesamt 160 Millionen Menschen) - die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen verzögern oder verweigern. Leider sind heute noch die meisten Asiaten und auch die Afrikaner der Ansicht, daß die gesamten Vereinigten Staaten gegen die Integration in den Schulen und gegen ein besseres Los der Neger sind.

Nahezu überall in den 48 Staaten der USA hat der Neger den Kampf um die politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung gewonnen» ledig­ lich auf sozialem Gebiet - wozu auch die Schulintegration zählt - steht er vor der großen Hürde, aber auch das nur im Süden.

Diese Tatsachen sollte man mutig herausstellen, sie bedürfen keiner weiteren Erklärung. Das ist eine Geschichte, die Asien und Afrika ver­ stehen werden, denn die jungen Staaten dieser Kontinente haben in ihren eigenen Grenzen mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, daß sie viel Sympathie für ein anderes Volk aufbringen können, das ähnliche Probleme hat." *

. 4 - 'AMERIKA DIENST" 20. November 1957

SCHULINTEGRATION OHNE SCHWIERIGKEITEN

(13 Zeilen)

NASHVILLE (TENNESSEE) — Bürgerverantwortung, politische Beständigkeit und die feste Haltung der Gerichte sind die hauptsächlichsten Gründe dafür, daß die Stadt Nashville die Rassentrennung an allen Schulen bereits früh­ zeitig aufheben konnte.

Der stellvertretende Schulrat W. H. Oliver, einer der eifrigsten Verfechter der Schulintegration, zollte außerdem den Zeitungen und den Geistlichen der Stadt seine .besondere Anerkennung. Oliver führte aus, daß von den 18 000 Schulkindern in der Stadt nur sieben von ihren Eltern nicht zur Schule geschickt werden, die damit gegen die Aufhebung der Rassen­ trennung an den Schulen protestieren wollen. "Wir behandeln diese Fälle wie alle anderen Schulversäumnisse, also ohne alle Dramatik."

Oliver sagte außerdem, seiner Ansicht nach sei die Stadt Nashville klug beraten gewesen, als sie mit der Integration bereits in Schulan­ fängerklassen begann; in diesem Alter sind die Kinder frei von Vorur­ teilen und kommen gut miteinander aus.

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AUCH FÜR INGENIEURE GIBT ES KEINE RASSENSCHRANKEN

( 15 Zeilen) NEWARK (NEW JERSEY) — Das"Newark College of Engineering" (eine Art technische Hochschule) hat in den Jahren von 1954 bis 1957 eine Untersuchung durchgeführt, die ergab, daß Neger in dem Beruf als Inge­ nieur ständig steigende Aussichten haben - was sowohl die Ausbildung als auch die Arbeitsmöglichkeiten anbetrifft«

Das College kommt im einzelnen zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Industrie hat bereitwillig Neger eingestellt und für diejenigen, deren Ausbildung abgeschlossen ist, gibt es praktisch keine Arbeits­ losigkeit. 2

- 5 - AMERIKA DIENST" ?0. November 1957

2. Der jugendliche Neger ist bisher im allgemeinen nicht der günstigen Aussichten im Ingenieursberuf gewahr gewesen»

3« Regierung und Privatindustrie beschäftigen etwa eine gleich große Anzahl Negeringenieure•

4. An 73 von den 150 anerkannten Ingenieursschulen unu tecnnischen Hoch­ schulen in den USA waren Neger immatrikuliert.

Der Bericht schließt mit uen Worten: "Der Neger wi d in diesem Beruf nicht durch Rassenschranken behindert."

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KEINE RASSENSCHRANKEN FÜR ATLANTAS GOLFSPIELER

(10 Zeilen)

ATLANTA (GEORGIA) — Bürgermeister William Hartsfield von Atlanta wies kürzlich auf den Erfolg hin, den die Aufhebung der Rassentrennung auf den Golfplätzen der Stadt Atlanta gehabt hat. Das sei ein Zeichen für die ausgezeichneten Beziehungen der Rassen untereinander in dieser Stadt.

Bis 1956 gab es in Atlanta getrennte städtische Golfplätze für weiße und farbige Bürger - diese Trennung wurde im vergangenen Jahr aufgehoben. Das hatte keineswegs einen Rückgang der Beteiligung der weißen Bürger an dem Spiel auf den städtischen Plätzen zur Folge - im Gegenteil. Noch nie war die Beteiligung so groß wie im vergangenen Jahr.

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- 6 - "AMERIKA DIENST" 20. Hovember 1957

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RELIGIÖSES THEATER IN DEN USA

II. Das katholische Theater

Von Gilbert V. Hartke, O.P.

Pater Gilbert V. Hartke, O.P.j ist Leiter der Abteilung für Rede- und Schauspielkunst an der Catholic University of America in Washington. Er gehört dieser Abteilung seit 1937 an» Im Jahre 1949 gründeten Pater Hartke und seine Mitarbeiter die Gruppe der Players Incorporated, eine berufsmäßige Schauspielergesellschaft, aus jungen katholischen Akademikern bestehend, die ihr Studium erfolgreich abgeschlossen haben. Im Jahre 1956 unternahm die Gruppe ihre 7» Gast­ spieltournee durch die USA, wobei sie Shakes­ peares "König Lear" sowie "Viel Lärm um Nichts" zur Aufführung brachte• (104 Zeilen)

Das katholische Theater als konkrete und organisierte Einrichtung läßt sich in den Vereinigten Staaten vom Jahre 1937 an datieren. Drei Gründe kann man für sein Erscheinen gerade um diese Zeit namhaft machen: vor allem hatten die verschiedenen nationalen Gruppen Amerikas, unter I denen sich zahlreiche Katholiken befinden - wie beispielsweise die Iren, Italiener und Polen - ein Stadium in ihrer Anpassung an das amerikanische Leben sowie gleichzeitig ein Bildungsniveau erreicht, die ihnen sowohl Muße als auch Neigung zu kultureller Betätigung gabenj zweitens bemühten sich gebildete Katholiken, denen die wichtige Rolle bekannt war, welche die Kirche bei der Wiedergeburt des Dramas im Westen während des Mittel­ alters gespielt hatte, darum,diese Einwirkung zu einer dauernden zu machen; und drittens suchten zahlreiche Katholiken, dem Einfluß des materialistischen Dramas durch ein solches entgegenzuwirken, das den über­ natürlichen Ursprung des Menschen und dessen geistige Bestimmung wider­ spiegelt . Vor "AMERIKA DIENST" 20. November 1957

Vor dem Jahre 1937 beschränkte sich die Aktivität der Katholiken auf dem Gebiete des Dramas auf einzelne Gemeindegruppen, die hier und da ein Theaterstück in vollkommen dilettantenhafter Weise zur Aufführung brachten, um auf diese Weise Geld für irgendwelche kirchliche Bauvor­ haben aufzubringen oder ein gesellschaftliches Betätigungsgebiet für ein­ zelne Gemeindemitglieder zu schaffen. Diesen mehr zufälligen Bemühungen wurde eine einheitliche Zielrichtung und ein Mittelpunkt von drei Männern gegeben: dem verstorbenen Pater Joseph Dineen von der Gesellschaft Jesu, von Emmet Lavery sowie von Pater Urban Nagle vom Predigerorden. Alle drei waren im Jahre 1937 maßgeblich an der Gründung der Katholischen Theater- Konferenz beteiligt, einer Vereinigung von Theaterspielgruppen in städtischen Gemeinden, Colleges und Pfarrbezirken«

Die erklärte Absicht dieser Konferenz besteht darin, "die Ausbrei­ tung der Wahrheit mit Hilfe der dramatischen Kunst zu fördern", ein Ziel, das der Absicht der Geistlichkeit des Mittelalters entspricht, die sich bemühte, die Unwissenden durch eine Dramatisierung der heiligen Schriften zu belehren. Die Konferenz setzt sich auch zum Ziel, bei ihren Mitgliedern das Niveau der dramatischen Aufführungen zu heben, aus der Überzeugung heraus, daß "je höher das Niveau dieser Kunstdarbietungen ist, um so er­ folgreicher damit der Wahrheit gedient wird", um eine Stelle aus dem offiziellen Programm zu zitieren. Lavery war der erste Präsident der Organisation; seine Aufgaben nimmt an dieser Stelle jetzt Schwester Mary Angelita, B.V.M., wahr.

Pater Dineens Interesse an der dramatischen Kunst war mehr das des Gönners als das des Praktikers. Er war Pfarrgeistlicher in Chicago und hatte die Mitglieder seiner Pfarrei ermutigt, ein Theater, das Loyola Community Theatre, ins Leben zu rufen. Emmet Lavery andererseits war ein erfolgreicher Dramatiker und Filmautor, weithin bekanntgeworden durch sein Bühnenstück "The First Legion" (deutsch: "Die Erste Legion"), das ein Jesuitenseminar zum Schauplatz hat«

Als Wegbereiter des katholischen Theaters in den Vereinigten Staaten wirkte vor allem Pater Urban Nagle in Zusammenarbeit mit seinem Ordens­ bruder, dem Dominikanerpriester Thomas Carey. Unter der Bezeichnung "Blackfriars' Guild" stellte er eine Reihe von Spielgruppen zusammen, die nicht zu bestimmten Pfarreien gehören. In einem Buch, das eine Geschichte "AMERIKA DIENST" 20. November 1957

Geschichte der Bewegung gibt und den Titel trägt "Hinter der Maske", erklärt er, der Name solle an jenes Gebäude in London erinnern, das früher einmal ein Dominikanerkloster war und später, zur Zeit der Köni­ gin Elisabeth, als Theatergebäude benutzt wurde. Durch die gewählte Be­ zeichnung soll sowohl die religiöse als auch die dramatische Interessen­ sphäre der Organisation angedeutet werden. Kapitel der Blackfriars gab es in Washington, in Providence (Rhode Island), in Rochester im Staate New York, in Louisville im Staate Kentucky sowie in anderen Städten. Gegenwärtig leiten Blackfriars eine der nicht am Broadway gelegenen New Yorker Bühnen, und die dort aufgeführten Stücke, die von einem katholi­ schen Blickpunkt aus geschrieben sind, stellen einen festen Bestandteil des New Yorker Theaterlebens dar.

Unter dem Einfluß der genannten Männer erlebten die dramatischen Studien an den katholischen Colleges und Universitäten Amerikas eine Blütezeit * Das Werk der Patres Nagle und Carey fand seine Krönung in der Schaffung der Abteilung für Rede- und Schauspielkunst an der Katholi­ schen Universität in Washington, und diese Abteilung ist in vieler Hin­ sicht typisch für ähnliche Einrichtungen an anderen amerikanischen Hoch­ schulen^ Sie hatte eine nicht unbeträchtliche Einwirkung auf das Theater­ leben der amerikanischen Bundeshauptstadt, und diejenigen, die eie er­ folgreich absolviert haben, beginnen sich nunmehr auch im Theaterleben des gesamten Landes geltend zu machen. Walter Kerr, der jetzt Schauspiel­ kritiker der "New York Herald Tribüne" ist, übte an ihr zwölf Jahre lang eine fruchtbare Lehrtätigkeit aus. Auch Alan Schneider, dessen Aufführung von Thornton Wilders "Wir sind noch einmal davongekommen" im Jahre 1955 in Paris zu sehen war, hat der Abteilung einige Zeit lang angehört.

Seit dem Jahre 1937 hat diese in ihrem Theater auf dem Universi­ tätsgelände mehr als 150 Stücke zur Darstellung gebracht. Bei einem großen Teil der Aufführungen handelte es sich um Klassiker, darunter Werke von Shakespeare, Marlowe, Racine, Sophokles, Aristophanes, Synge und O'Casey. Bei nahezu einem Drittel jedoch handelte es sich um Original­ stücke, die von Studenten und Universitätslehrern geschrieben wurden. Unter den Originalstücken dieser Art, die religiöse Themen behandeln, befinden sich "Kingdom of the Blind" von Frank Ford, "Portion of Foxes" von Jose Lardizabal, "Bride of Darkness" von Patricia Treadwell, "God's Stage" von "AMERIKA DIENST" 20. November 1957 von Walter Kerr und "Rebel's Empire" von Vicki Kuhn. Weitere katholische Theaterstücke, die in einer Anzahl anderer amerikanischer Städte häufig aufgeführt wurden, sind "The Tidings Brought to Mary" (deutsch» "Ver­ kündigung") von Paul Claudel, "The Comedian" von Henri Gheon sowie "Joyous Season" von Philip Barry*

Ein religiöses Stück, "Veronica's Veil", das die Geschichte eines römischen Mädchens darstellt, das durch die Berührung mit dem Schleier, mit dem Veronika das Antlitz Jesu auf dem Weg zum Kalvarienberg abwischtp zum Leben zurückgebracht wird, gelangt in jeder Fastenzeit in Union City auf New Jersey zur Wiedergabe. Es wurde zum erstenmal vor vierzig Jahren gegeben, und man schätzt, daß mehr als eine Million Menschen es seit je­ ner Zeit gesehen haben. Zwei Ensembles von je hundert Personen wechseln bei den Wochenendvorführungen während der Fastenzeit miteinander ab. Zu den Besuchern des Spiels gehören Anhänger aller religiösen Bekenntnisse.

Man kann sagen, daß das katholische Theater in Amerika, obgleich es von seinem mittelalterlichen Vorläufer inspiriert ist, seine Hauptbe­ mühungen nicht auf die dramatische Bearbeitung biblischer Stoffe richtet. Eher scheint es, im Einklang mit der Zeit, darum bemüht zu sein, Stücke zur Aufführung zu bringen, die aktuelle Probleme und Interessen in mo­ dernem Rahmen spiegeln, Werke, die den Einfluß und die Ideale der katho­ lischen Kirche in der heutigen Welt zum Ausdruck bringen.

ACHTUNGT Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild» Szenenbild aus "City of Kings" von Pater Urban Nagle in der Wiedergabe durch Darsteller der "Blackfriars' Guild", einer katholischen Schauspielorganisation in New York.

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- 10 - "AMERIKA DIENST"

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

Zum 11. Jahrestag am 11. Dezember 1957

DIE LOHNENDSTE SACHE DER WELT Amerika und das Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen

( 90 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Kaum eine andere Organisation der Vereinten Nationen hat soviel Not gelindert wie der UNICEF, das Weltkinder­ hilf swerk der Vereinten Nationen, das am 11. Dezember 1957 auf elf Jahre Tätigkeit zurückblicken kann. Er wurde auf Beschluß der UN- Vollversammlung am 11. Dezember 194-6 gebildet mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen zu helfen, wobei der Schwerpunkt der Hilfe bei den • Ländern liegen sollte, die Opfer einer Aggression waren.

Der Fonds, der von einem Geschäftsführer nach festgelegten Richt­ linien verwaltet wird, zu denen auch die Festlegung der Programme und die gerechte Verteilung der Geldmittel gehört, wird von UNRRA-Mitteln, freiwilligen Spenden von Regierungen, Hilfsorganisationen, Privat­ personen und anderen Quellen gespeist.

Eine solche Einzelperson, die sich die - Unterstützung des Kin- derhilfswerks der UN zum ernsthaften Hobby gemacht hat, ist Helenka Pantaleoni, die dem amerikanischen Ausschuß zur Unterstützung des UNICEF, einer freiwilligen Gruppe von etwa 60 Männern und Frauen, die im öffentlichen Leben ihrer Gemeinden eine führende Rolle spie­ len, seit 1953 als Präsidentin vorsteht.

Mrs. Pantaleoni, die wie alle Ausschußmitglieder freiwillig und ehrenamtlich arbeitet, hat ihre ganze Zeit in den Dienst dieser Auf­ gabe gestellt. Der Ausschuß beschäftigt in seinem Büro im Hauptquar­ tier der Vereinten Nationen nur eine kleine Schar bezahlter Ange­ stellter. Hier finden auch die Besprechungen der Mitglieder statt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, für die Idee des UNICEF

- 1 - "AMERIKA DIENST1 27. November 1957

UNICEF zu werben und den letzten Mann und die letzte Frau im letzten "Dorf für diese Organisation zu interessieren. "UNICEF", so sagt Mrs. Pantaleoni, "ist die wichtigste Sache der Welt und die Abgenutztheit der Phrase 'Kinder sind die Träger der Zukunft' macht die Aufgabe für uns nicht weniger verpflichtend."

Mit der Unterstützung des UNICEF konnte vielen Millionen Müttern und Kindern in aller Welt geholfen werden. Nicht nur für den Augen­ blick, sondern auf eine Weise, die die Länder in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen, das heißt, ihre Probleme aus eigener Kraft zu lösen.

Allein im Jahre 1957 wurden 551 von UNICEF geförderte Hilfspro­ gramme in 105 Ländern und Territorien, die um Hilfe nachgesucht hatten, durchgeführt. Jedes dieser Gebiete hat selbst mehr als die ihr vom UNICEF zur Verfügung gestellte Summe aus eigenen Mitteln aufgebracht. Es konnte so schätzungsweise 45 Millionen Kindern und ihren Müttern geholfen werden.

Das Programm "Mutter und Kind" wird sich für die Zukunft als be­ sonders segensreich auswirken, denn es umfaßt unter anderem auch die Ausbildung der Hebammen und des Säuglings- und Krankenpflegepersonals.

Mrs. Pantaleoni hat in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiterin der US-Kommission für die Belange der Vereinten Nationen und in Sonder­ heit des UNICEF zahlreiche Reisen unternommen. Im Frühjahr 1957 bereiste sie Europa und nahm an dem Treffen der europäischen UNICEF-Kommissionen teil, deren Zahl zur Zeit 17 beträgt} zehn weitere sind im Werden.

Auf diesem europäischen Treffen interessierte vor allem das amerikanische Spendenprogramm "Trick or Treat", das zu Halloween, am 51. Oktober, stattfindet. An diesem Tage ist Possenfest in USA; die Kinder maskieren sich und "erzwingen" von den Erwachsenen kleine Ge­ schenke (treats), indem sie ihnen andernfalls mit irgendwelchen harm­ losen Schabernacks (tricks) drohen. Es hat sich eingebürgert, daß diese treats in Form von pennies entgegengenommen werden, die gesammelt wer­ den, um für notleidende Kinder in aller Welt Milch, Lebens- und Arznei­ mittel zu kaufen. An diesem Programm haben sich im vergangenen Jahr

2 - "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

Jahr 7500 Gemeinden beteiligt, und es dürften in diesem Jahr noch mehr gewesen sein.

Mrs. Pantaleoni empfindet es in jedem Jahre als ihre vornehmste Aufgabe, die Geldspende der amerikanischen Jugend überreichen zu können.

Im Jahre 1950 hat sich der amerikanische Ausschuß gemeinsam mit verwandten Sonderorganisationen der UN in den Vereinigten Staaten und 65 anderen Ländern zusammengetan, um den Vertrieb der inzwischen überall bekannt gewordenen UNICEF-Weihnachtskarten zu fördern. Im letzten Jahr wurden in den USA allein drei Millionen dieser hochkünstlerischen Grußkarten verkauft.

Eines der jüngsten UNIGEP-Projekte ist rein erzieherischer Natur. Es läuft unter dem Slogan "Hi Neighbor" (Hallo Nachbar) und soll ameri­ kanischen Kindern mehr über die Kinder anderer Länder lehren. "Hi Neighbor" ist ein sinnvoll zusammengestelltes Paket und enthält Lieder, Schallplattenaufnahmen, Spiele, Handfertigkeiten und folkloristische Literatur aus einem bestimmten Lande. Mit jedem Jahr werden fünf neue UNICEF-unterstützte Länder in das Paketprogramm aufgenommen. Es hat sich für den Gebrauch in Schulen, Sonntagsschulen, Ferienlagern und anderen Jugendorganisationen bestens bewährt.

Ergänzt werden die Bemühungen um das Kinderhilfswerk von Sprechern, die in Schulen, Kirchensprengeln und Klubs Vorträge und Diskussionen abhalten, Filme vorführen und Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Sechsmal im Jahr erscheint außerdem die vom amerikanischen UNICEF-Komitee herausgegebene Zeitschrift "News of the World's Children" die an 12 000 Bezieher geht. Viele von ihnen haben sich dem Ausschuß als fördernde Mitglieder angeschlossen.

Mrs. Pantaleoni, die viel für den UNICEF innerhalb der Vereinigten Staaten getan und die Hilfe vor allem der amerikanischen Frauen für UNICEF aktiviert hat, nennt diese Aufgabe die "lohnendste Sache" ihres Lebens. Und sie weiß, was sie sagt, die blauäugige, lebhafte, viel­ gereiste Witwe, Mutter von zwei Söhnen, Pflegemutter von drei Kindern, Großmutter von vier Enkelkindern und Präsidentin des amerikanischen Ausschusses für das große Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, dem das Wohl von Millionen Kindern in aller Welt höchstes Anliegen ist.

ACHTUNG! "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Die Ausbildung von Hebammen sowie Säuglings- und Kranken­ pflegepersonal ist mit eine der Hauptaufgaben des UNICEF, des Weltkinderhilfswerks der Vereinten Nationen. Die Hilfe besteht freilich nicht so sehr in Augenblicksunterstützung, sondern beabsichtigt, die Länder in die Lage zu versetzen, sich selbst helfen zu können. Unser Bild zeigt das erste Bad eines Neugeborenen. Alle Vor­ kehrungen moderner Geburtshilfe und Hygiene sind getroffen worden.

2) Die Weihnachtsgrußkarten des UNICEF. Allein in den Vereinig­ ten Staaten wurden 1956 drei Millionen dieser Karten ver­ kauft. Es handelt sich durchweg um Reproduktionen hochkünst­ lerischer Entwürfe, wie beispielsweise (oben links) "Schrei­ bende Kinder" von dem Vietnamesen Mai-Thu; (Mitte) "Mutter und Kind" von dem Amerikaner Gladys Rockwell Davis; (oben rechts)"Eine südamerikanische Straßenszene"; (unten links) "Weihnachtssingen nordamerikanischer Kinder vor der beschnei­ ten Kirche"; (unten rechts) "Hirtenknabe und seine Herde in mediterranen Gefilden". Die letzten drei Entwürfe wurden dem UNICEF von dem Amerikaner Ludwig Bemelmans für seine Kartenserie "Musik für Kinder" zur Verfügung gestellt.

***** "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

EIN WEITERER SCHRITT AUF DEM WEGE ZU VÖLLIGER INTEGRATION US-Regierung bildet Kommission für die Bürgerrechte Von John Kerigan

( 74 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - In der letzten Woche wurde die Kommission für die Bürgerrechte (Commission on Civil Rights) gebildet. In fast jedem Regierungssystem gibt es Kommissionen und Ausschüsse im Überfluß, doch die Kommission, die in diesen Tagen im amerikanischen Justizministerium ihre Arbeit aufnahm, hat einen ungewöhnlichen Charakter und ist die erste Körperschaft, die auf Grund des kürzlich verabschiedeten Gesetzes über die Bürgerrechte entstanden ist. Dieses Gesetz hat für die Ver­ einigten Staaten geradezu geschichtliche Bedeutung.

Die Kommission für die Bürgerrechte hat keine Vollzugsgewalt, wie etwa das Bundesamt für das Nachrichtenwesen (Federal Communications Commission). Sie kann weder Untersuchungen einleiten, noch kann sie die Durchführung von Maßnahmen zur Aufhebung der Rassentrennung er­ zwingen.

Andererseits aber hat sie vielfältige Aufgaben und findet bei dem für diese Aufgabe eingesetzten Unterstaatssekretär des Justiz­ ministeriums und den Gerichten einen festen Rückhalt.

Die von Präsident Eisenhower ernannten Mitglieder der Kommission sind Männer mit hohem Ansehen. Damit sollte der Erfolg für die außer­ ordentlich schwierige Aufgabe der Kommission gesichert sein.

Vorsitzender der Kommission wurde Stanley F. Reed, ein früheres Mitglied des Obersten Bundesgerichtes, von dem bekannt ist, daß er während seiner Amtszeit zugunsten einer Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen gestimmt hat. Zwei der Mitglieder, beides Nordstaatler, sind Collegepräsidenten,' die beiden Mitglieder aus den Südstaaten sind

- 5 - "AMERIKA DIENST" 27. November 1957 sind der Dekan einer juristischen Fakultät und ein früherer Gouverneur des Staates Virginia (dieser Staat steht jetzt in vorderster Linie der Anti-Integrationskräfte). Das sechste Mitglied der Kommission kommt wie ihr Vorsitzender aus einem der Grenzstaaten. Es ist ein Neger, der als Unterstaatssekretär im US-Arbeitsministerium tätig ist.

Die Kommission hat folgende Aufgaben:

1. Die Untersuchung von Verkürzungen des Wahlrechts aus Gründen der "Farbe, Rasse, Religion oder nationalen Herkunft".

2. Das Studium und die Sammlung von Informationen über solche Gesetze, die den in der Verfassung verankerten Grundsatz der absoluten Gleichheit vor dem Gesetz verneinen.

3. Die Beurteilung von Gesetzen und Maßnahmen der Bundesregierung im Hinblick auf die Minderheiten.

Damit fällt jede Diskriminierung, aus welchem Grunde sie auch immer erfolgen mag» in den Kompetenzbereich der Kommission, der Mangel an Polizeigewalt steht dem nicht entgegen. Die Kommission hat auch so weitreichenden Einfluß.

Sie kann, wenn eine Beschwerde eingeht, öffentliche "Hearings" abhalten. Sie kann unter Strafandrohung Zeugen vorladen und deren Aus­ sage durch die Gerichte erzwingen. Die Kommissionsmitglieder können mit den Staatsgouverneuren, den Justizministern der Staaten sowie mit jeder örtlichen Regierungsstelle beraten. Die Kommission kann auf die volle Unterstützung aller Zweige der Bundesregierung zählen, die ent­ sprechende Anweisungen erhalten haben. Sie kann ferner in den ver­ schiedenen Einzelstaaten beratende Kommissionen einsetzen.

Die Pflicht, die gesetzliche Entwicklung auf diesem Gebiet zu studieren, erlaubt es der Kommission, sich mit allen Gesetzen der verschiedenen Staaten - besonders derjenigen im amerikanischen Süden - zu befassen, die die Rassentrennung in den Schulen und in allen öffent­ lichen Einrichtungen (Parks, Schwimmbädern, Verkehrsmitteln) zum Gegen­ stand haben. Die

" 6 " "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

Die Mitglieder der Kommission wurden auf zwei Jahre ernannt, und es wird erwartet, daß sie am Ende dieser Pe.j-ode einen umfassenden Bericht über ihre Tätigkeit und ihre Erfahrungen vorlegen werden. Daneben können sie dem Präsidenten beziehungsweise dem Kongreß Zwischenberichte überreichen.

Damit gibt es in der Tat verschiedene Wege, um den Einfluß der Kommission geltend zu machen: einmal den Weg durch Berichte an die gesetzgebende Körperschaft oder an das Weiße Haus, zum anderen den über die öffentlichen "Hearings" mit ihrer großen Publizität - eine Maßnahme, die sich im politischen Leben Amerikas bisher immer als eine machtvolle Waffe zur Korrektur von Mißständen erwiesen hat.

Die Kommission wird außerdem ohne Zweifel auch genügend Über­ zeugungskraft und Autorität haben, um bei Kontroversen als Vermittler auftreten zu können.

Ihre größte Schlagkraft erhält sie aber durch ihre Verbindung zu dem besonders eingesetzten Unterstaatssekretär und dessen Arbeits­ stab im Justizministerium, die dazu da sind, den bei der Kommission eingehenden Beschwerden größte Aufmerksamkeit zu schenken.

Alle diese Vorkehrungen lassen eine Abnahme der gesetzwidrigen Handlungen, besonders in bezug auf das V/ahlrecht, erwarten. Mit der Zeit werden die Vorschläge der Kommission sicherlich die weitere Gesetzgebung auf diesem Gebiet beeinflussen und entsprechende Maß­ nahmen der Exekutive fördern.

***** "AMERIKA DIENST 27. November 1957

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LIADRI GALSINGEN BEGEISTERT AMERIKA Die Leistungen der Randolph Singers Von Norman Smith

(87 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Eine retroversive Verknüpfung von Ursache und "Wirkung in der Weise, daß die eingetretene Wirkung nun ihrerseits als Ursache wieder den ursprünglichen Zustand hervorruft, bezeichnen wir dann als "circulus vitiosus", wenn wir ihr Ergebnis als unerwünscht, als schädlich ansehen; umgekehrt jedoch verfügen wir, sei es aus diesem oder jenem Grunde, über keinen entsprechenden Ausdruck, wenn wir den Zirkel als nützlich, als förderlich empfinden. Dabei kommen Zirkel dieser Art in den Künsten tatsächlich vor, in der Musik vielleicht häu­ figer als in jeder anderen Kunst.

Da gibt es beispielsweise hier die Randolph Singers. Diese Künst­ lergruppe fand sich im Jahre 1944 zusammen, um Madrigale zu singen - eine Liedart, die den Gipfel ihrer Volkstümlichkeit im 16. und 17« Jahrhundert erreichte. Die Randolph Singers sind fünf an der Zahl, da die klassischen Madrigale gewöhnlich für fünf Stimmlagen geschrie­ ben sind, wobei jeder Part von einem einzigen Sänger beziehungsweise einer Sängerin ausgeführt wird. Unter der Leitung David Randolphs errangen die Singers so große Erfolge, daß sie bald allgemein als eines der führenden vokalen Kammermusikensembles unserer Tage anerkannt wurden.

Eigentlich ist also diese Künstlergruppe auf den Plan getreten, weil es einen Schatz an Madrigalen gab, die darauf warteten, gesungen zu werden: ihr Ensemble war sozusagen das Produkt der vorhandenen Madrigal-Literatur, Durch ihren Vortrag der alten Madrigale haben die Singers jedoch ihrerseits die Komposition neuer Madrigale angeregt und so den Kreis von Ursache und Wirkung geschlossen. „ "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

Es würde allerdings mehr als voreilig sein, wollte man den Ran- dolph Singers das gesamte Verdienst an der gegenwärtigen Volkstümlich­ keit der Madrigale in den Vereinigten Staaten beimessen. Es besteht bei­ spielsweise kein Grund, anzunehmen, daß Gian-Carlo Menotti von der Grup­ pe beeinflußt worden ist, als er seine Madrigaloper "The Unicorn, the Gorgon and the Manticore" komponierte - obwohl es an sich durchaus mög­ lich sein könnte.

Auf der anderen Seite liegen bestimmte unmittelbare Auswirkungen der künstlerischen Tätigkeit der Gruppe greifbar vor: rund 27 Madrigale sind von amerikanischen Komponisten eigene für die Randolph Singers ge­ schrieben worden. Alle diese Kompositionen, die eine wertvolle Erwei­ terung der Madrigalliteratur umfassen, sind von dem Ensemble in Kon­ zerten gesungen worden, und dreizehn davon sind auf einer Langspiel­ platte erhältlich.

Das berühmteste dieser Madrigale ist "Lament for April 15" - also ein "Klagelied über den 15- April" - mit der Musik von Avery Claflin und dem Text von - ja, von niemand geringerem als dem amerikanischen Finanzministerium höchstselbst. Denn diesen Text bilden tatsächlich die gedruckten Anweisungen, die das genannte Ministerium für die Aus­ füllung seines Einkommensteuerformulars an die Steuerpflichtigen aus­ gibt; und der 15« April - braucht man es noch ausdrücklich zu sagen? - ist jeweils der äußerste Termin für die Entrichtung der letzten Steuer­ rate in den Vereinigten Staaten.

"Lament" ist einer jener ausgezeichneten musikalischen Scherze unserer Zeit, die ihre Wirkung aus der Verbindung eines unüberbietbar prosaischen Textes mit einer Musik beziehen, die sowohl ernst als auch pomphaft zu sein scheint und in Wahrheit weder das eine noch das andere ist. Der weltweite Erfolg, den das Stück bereits gewonnen hat, läßt erkennen, daß - eigenartig genug - die Steuerzahler anderer Länder es durchaus ebensosehr zu würdigen wissen wie die Amerikaner, für die der Text, einmal im Jahr, alles andere ist als ein Anlaß zum Lachen.

Andere "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

Andere Komponisten haben gleichfalls die humoristischen Möglich­ keiten, die das Madrigal bietet, entdeckt. In dem "Interminable Farewell" - dem "Endlosen Abschied" - hat Edward Tatnall Canby eine liebenswürdige Satire geschaffen auf die stereotypen Redensarten, die von Gastgebern und Gästen beim Abschiednehmen ausgetauscht zu werden pflegen. Und Judith Dvorkins "Maurice" ist ein ausgewachsener musikalischer Ulk, der auf einem Wortspiel mit dem französischen Wort "formidable" aufgebaut ist.

Vielleicht um die Vielseitigkeit des modernen Madrigals darzutun, haben die Randolph Singers auch zarte Liebeslieder (wie Halsey Stevens Vertonung eines Sonetts des englischen Dichters aus dem 16. Jahrhundert Edmund Spenser), klagende Elegien ("Remember" von Kurt List und "Elegy" von Daniel Pinkham) und sogar ein Trinklied ("How Stands the Glass Around" von Ulysses Kay) bei ihren Konzerten und für die Schallplatten­ aufnahme gesungen.

Liese Madrigale unterscheiden sich deutlich erkennbar aufs stärk­ ste von ihren Vorläufern aus dem 14« und 16. Jahrhundert. In jenen Ta­ gen war die Form streng« es waren zwei oder drei Stanzen von je drei Zeilen, die zur gleichen Musik wiederholt wurden und denen ein Reim­ paar in einem anderen Rhythmus folgte. Heute lassen sich Beschränkun­ gen dieser Art nicht mehr aufrechterhalten, und das Hauptmerkmal des Madrigals ist nunmehr sein fünfstimmiger Bau.

Der Vortrag irgendeines Madrigals, sei es eines der neuen oder der alten, verlangt, daß jeder Sänger die Klarheit seiner eigenen melo­ dischen Linie auch dann unbedingt wahrt, wenn diese sich mit denen der anderen vier Stimmen überschneidet und vermischt. Diese Forderung unter allen Umständen zu erfüllen, erfordert höchste Musikalität, um so mehr, als die Madrigale ohne Begleitung gesungen werden.

Gerade in diesem schwierigen Zusammenwirken der Einzelstimmen zeichnet sich das Randolph-Ensemble besonders aus. Und seine Virtuosi­ tät auf diesem Gebiet hat die amerikanischen Komponisten angeregt, neue Musik zu schreiben, die eine alte Form wieder zeitgemäß macht. ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild: Die Randolph Singers. Stehend, von links nach rechts: Dirigent David Randolph} Geoffrey Moore, Tenor; Martha Milburn, Sopran; Bert Sporo, Bass. Sitzend, von links nach rechts: Anna-Louise Kautz, Sopran; Mildred Greenberg, Kontra-Alt. "ALIERIKA DIENST" 27. November 1957

GEDENKTAGE IM DEZEMBER 1957

2. Dezember 1825 Monroe-Doktrin verkündet 1885 George R. Minot, amerikanischer Arzt und Nobelpreisträger, geboren 1955 Aufhebung der Prohibition in Amerika 1776 Phi Beta Kappa Fraternity, die älteste akademische Vereinigung in den USA, gegründet 1941 Überfall auf Pearl Harbor 1876 Willa S. Cather, amerikanische Schriftstellerin, geboren 1955 Präsident Eisenhower unterbreitet der 8. Vollver­ sammlung der Vereinten Nationen seinen epochema­ chenden Atome-für-den-Prieden-Plan 1898 Friedensvertrag von Paris beendet den spanisch­ amerikanischen Krieg 1950 Sinclair Lewis erhält als erster Amerikaner den Nobel-Preis für Literatur 1850 Emily Dickinson, amerikanische Dichterin, geboren UN-Tag der Menschenrechte, eingeführt anläßlich der Erklärung der Menschenrechte durch die UN-Vollver­ sammlung im Jahre 1948 1946 Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) gegründet 1946 John D. Rockefeiler jun. schenkt den UN das Grund­ stück am East River (Wert 8,5 Millionen Dollar) 1952 UN entscheiden sich für die Gründung eines Kriegs­ gefangenen-Ausschusses, der den Verbleib von 1,5 Millionen nicht repatriierten Gefangenen des 2. Weltkrieges untersuchen soll 1800 Washington, D. G., wird Sitz der Regierung 1799 George Washington, erster Präsident der USA, ge­ storben 1791 Bill of Rights wird rechtskräftig 1905 Den Gebrüdern Wright gelingt der erste Motorflug bei Kitty Hawk in Nord-Karolina 1620 Die Pilgerväter landen mit der "Mayflower" in Plymouth

22. "AMERIKA DIENST" 27. November 1957

22. Dezember 1921 US-Kongreß genehmigt 20-Millionen-Dollar-Hilfe für die notleidende Bevölkerung Rußlands 25. n 1805 Joseph Smith, Gründer der Mormonen-Religionsge­ meinschaft, geboren 25. n 1915 U.S. Federal Reserve System gegründet 27. 11 1949 Indonesien wird selbständiger Staat 28. ti 1856 Woodrow Wilson, 28. Präsident der USA, geboren 28. 11 1945 Internationales Währungsabkommen unterzeichnet (Gründung der Weltbank)

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- 12 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

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GLETSCHERFORSCHUNG IM INTERNATIONALEN GEOPHYSIKALISCHEN JAHR Auf Vorposten in Alaska

( 85 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Es ist schon ein Ereignis für die vier Männer in eisiger Höhe auf dem McCall-Gletscher, wenn einmal ein Besucher zu ihnen findet. Denn in ihrem Quartier im nördlichsten Alaska sind sie auf normalen Wegen nicht zu erreichen - selbst die Versorgungsflug­ zeuge, die ihnen Nahrung, Brennstoff und Post bringen, werfen ihre Last nur ab. So ist es auch für den geübten Flieger stets ein Wagnis, mit seiner kleinen wendigen Maschine auf Schlittenkufen auf dem zum Lager gehörenden "Landeplatz", einer zwischen steilen Bergwänden ein­ gebetteten Schneemulde, aufzusetzen.

Die vier im Brooks-Gebirge sind eine der isoliertesten Gruppen unter den amerikanischen Wissenschaftlern, die an den Forschungspro­ jekten für das Internationale Geophysikalische Jahr (IGJ) teilnehmen. Sie haben eine wichtige Mission - sie befassen sich nämlich mit der Frage, welche Zusammenhänge zwischen dem Wachsen und Schwinden der Gletscher und den Veränderungen in der Großwetterlage bestehen.

Richard C. Hubley von der Universität Washington und seine drei Mitarbeiter, die noch 16 Monate in dieser Einöde in 25OO Meter Höhe ausharren wollen, werden hier, ebenso wie ihre Kollegen in Island, Grönland, auf Ellesmere Island, Spitzbergen oder in der Antarktis Untersuchungen über Mächtigkeit, Struktur und Veränderungen der Eis­ formationen anstellen, um aus den Ergebnissen eventuell Folgerungen für den künftigen Klimacharakter ziehen zu können. Man weiß, daß das Verhältnis von Wasser, Eis und Luftfeuchtigkeit auf unserem Planeten ein sehr empfindliches Gleichgewicht darstellt, das für alles Leben äußerst wichtig ist. Das auf den Landmassen aufgeschichtete Gletschereis.

- 1 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

Gletschereis, das 1$»2 Million" \or den 510 Millionen Quadratkilo­ metern Gesamtoberflache der Erde brückt, übt eine weitgehende Re­ gulierung auf die Höh« ien ileeresspi-;-_, jIs , auf die klimatischen Ver­ hältnisse und auf den Y/as -erh- ushalt der Kontinente aus. Die Eis­ decke der Antarktis nimmt allein 13 Millionen, das Grönlandeis dagegen nur 1,9 Millionen Quadratkilometer ein. Aber nicht minder wichtig sind die Zehntausende von Quadratkilometern Gletschereis in den gemäßigten Zonen, die infolge ihrer direkten Auswirkung auf Klima und Wasserver­ sorgung für den Menschen von lebenswichtiger Bedeutung sind.

Die vier Glaziologen auf dem McCall-Gletscher sind gegenwärtig da­ bei, vorsichtig ein tiefes Bohrloch durch die Eismassen zu treiben. Der Gletscher enthält Hunderte von Eis- und Schneeschichten, die über große Zeiträume Jahr für Jahr abgelagert worden sind. Durch das genaue Studium der einzelnen Schichten versucht man nun, Anhaltspunkte dafür zu finden, welcher Art die klimatischen Bedingungen in vergangener Zeit gewesen sein mochten, um Rückschlüsse auf die Klimazyklen und damit auch auf die "Tendenz" in unserem gegenwärtigen Klima zu ziehen.

Gletscher sind ideale Beweismittel für Klimaschwankungenj durch die genaue Untersuchung ihrer Struktur ist es möglich, den zeitlichen Verlauf kälterer und wärmerer, niederschlagsreicher und trockener Perioden zu rekonstruieren. Temperaturen allein bestimmen noch lange nicht die Gletscherbildung} vielmehr können Gletscher nur dort wachsen, wo es jährlich mehr Schneefall gibt, als sie im gleichen Zeitraum durch Schmelzwasser verlieren. So ist die Eisdecke auch nicht notwendiger­ weise dort am stärksten, wo das kälteste Klima herrscht. In Alaska zum Beispiel konzentrieren sich die mächtigsten Gletscher an der Süd­ küste, die nicht nur die wärmste Zone des ganzen Territoriums, son­ dern auch diejenige mit dem stärksten Schneefall ist, während gewisse Landstriche Nordgrönlands arm an Gletschern sind, weil es dort ein­ fach zu wenig schneit.

Sowie der Schnee sich anhäuft, verdichtet ihn der Druck der sich auftürmenden Lagen zu Firneis, das infolge des Eigengewichts bald nach geologisch tiefer gelegenen Stufen zu fließen beginnt. Die Geschwin­ digkeit des Stromes schwankt beträchtlich - sie beträgt für die größeren

- 2 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957 größeren Alpengletscher zwischen 50 und 200 Metern jährlicht für die Gletscherzungen auf Grönland dagegen bis zu mehreren Kilometern.

Obgleich anzunehmen ist, daß die Erde in der längsten Zeit ihrer Geschichte frei von Gletschern war, hat es im Verlauf der letzten Million Jahre mindestens vier große Eiszeiten gegeben, auf deren Höhe­ punkten das Eis ungefähr ein Drittel der gesamten Landfläche bedeckte. Über die Ursache dieser Eiszeiten wurden schon die verschiedensten Hypothesen aufgestellt, jedoch hat noch keine allgemeine Anerkennung gefunden.

In der letzten Eiszeit, die vor etwas mehr als 20 000 Jahren zu Ende ging, betrugen die Durchschnittstemperaturen zwischen 4 un(i 9 Grad weniger als heute. Der Meeresspiegel lag wahrscheinlich über 100 Meter niedriger, da ein großer Teil der Wassermassen in den dicken Eis­ schichten gebunden war, die auf dem Festland in Nordamerika, Europa und Sibirien lagen. Ihr Gewicht belastete den Untergrund, so daß die­ ser sich allmählich senkte. Nach dem Abschmelzen fing die Erdkruste wieder an, sich langsam zu heben, ein Prozeß, der in Skandinavien und Nordamerika noch immer andauert.

Was Hubley und seine Mitarbeiter besonders interessiert, sind Fragen wie etwa diese: Wächst oder schrumpft der McCall-Gletscher in Zeiten einer Klimaerwärmung? In welchem Stadium befindet er sich gegenwärtig - dem eines Gletschervorstoßes oder eines Rückzuges? Läßt der gegenwärtige Trend auf eine Klimaerwärmung schließen, in der so­ gar das nördliche Eismeer der Schiffahrt zugänglich würde? Mit Hilfe zahlreicher Spezialinstrumente versuchen die Forscher, Anhaltspunkte für Antworten hierauf zu finden. Zum Beispiel wird bestimmt, wieviel Sonnenenergie der Gletscher aufnimmt. Ein Solarimeter mißt die Ver­ änderungen in der einfallenden Strahlung aus dem Bereich zwischen dem an der Grenze zur Wärmestrahlung liegenden Infrarot über das sichtbare Licht bis zum kurzwelligen Ultraviolett. Ein ähnliches Instrument zeigt an, welcher Anteil dieser Strahlung vom Gletscher reflektiert wird. Zwei Radiometer registrieren die auftreffende und zurückgeworfene kurzwellige und langwellige Strahlung, während ein in den Schnee eingegrabenes Gerät die Wärmeaufnähme und Wärmeabgabe des Gletschers mißt. Aus - 3 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

Aus der Summe der auf diese und andere Weise ermittelten Werte lofft man, definitiv sagen zu können, ob die Eismassen in den Polarge­ bieten sich auf dem Vorstoß, Rückzug oder in einem verhältnismäßig unveränderlichen Stadium befinden. Eine gründliche "Durchleuchtung" der Gletscherformationen soll Hinweise auf die Faktoren geben, die unser Wetter bestimmen und beeinflussen und deren Kenntnis für die langfristige Wettervorhersage unerläßlich ist.

ACHTUNG 1 Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder»

1) Ein Eisstrom aus den Bergen des nördlichsten Gebirges von Alaska ist für die Dauer des Internationalen Geophysikali­ schen Jahres das Arbeitsgebiet von vier amerikanischen Gletscherforschern, Kleine Spezialflugzeuge sind das ein­ zige Mittel der Verbindung zur Außenwelt.

2) Der Besuch Dr. Walter A. Woods, Direktor der US-Abteilung im Arktischen Institut für Nordamerika,bringt Richard Hubley und seinen drei Mitarbeitern in ihrem Lager auf dem McCall-Gletscher eine willkommene Abwechslung.

3) Die Karte zeigt die Lage' des McCall-Gletschers im Brooks- Gebirge im nördlichen Alaska, wo eine Expedition amerika­ nischer Gletscherforscher für die Dauer des Internationalen Geophysikalischen Jahres ihr Lager aufgeschlagen hat.

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- 4 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

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SCHULUNTERRICHT IM MUSEUM

( 65 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Welche Aufgaben haben Museen eigentlich? Im all­ gemeinen bewahren sie kostbare Sammlungen auf, die dem Publikum zugänglich gemacht werden, sie sind außerdem Stätten der Forschung.

Das "American Museum of Natural History" in New York mit seinen berühmten und großen naturgeschichtlichen Sammlungen hat sich zur Haupt- ' aufgäbe gestellt, möglichst viel zur Erziehung und Bereicherung des Wissens der Bevölkerung beizutragen.

Das im Jahre 1869 gegründete und 1871 für das Publikum geöffnete Museum hat in der Zeit seines Bestehens ungezählte Millionen Besucher in seinen Räumen gesehen. Damals, um das Jahr 1870 herum, begannen sich in Amerika die Ansichten über die Aufgaben eines Museums zu wandeln. Es sollte fortan nicht nur der Aufbewahrungsort für wertvolle Sammlun­ gen sein, sondern vor allem eine Stätte der Erziehung für alt und jung werden.

Die Stadt New York anerkannte ihr Interesse und stellte für das naturgeschichtliche Museum Gelände zur Verfügung, wobei sie sich gleich­ zeitig zur Erstellung der notwendigen Gebäude verpflichtete. Während somit die Unterbringung der Sammlungen gesichert war, sollte die wis­ senschaftliche Arbeit aus privaten Fonds, aus Mitgliedsbeiträgen und Geschenken finanziert werden. Dabei ist es bis auf den heutigen Tag geblieben.

Im Vordergrund steht, wie es bei einem Museum ganz natürlich ist, das Visuelle, der Mensch lernt beim Betrachten. Anfangs war das Museum in zwei Stockwerken des alten Arsenals im Central Park untergebracht, wo sich täglich von morgens bis abends die Menschen drängten. Damit sind die gegenwärtigen Ausstellungsräume, in denen die Entwicklung

- 5 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

Entwicklung des Menschen und der Tiere von der Frühzeit bis zur Gegen­ wart gezeigt wird, nicht zu vergleichen. Zu den Sammlungen gehören seltene Edelsteine und Mineralien, eine Sammlung nordamerikanischer Hölzer, Reproduktionen wirbelloser Tiere, Insekten, Amphibien, Fische, Vögel, Säugetiere und eine beispiellose Sammlung von Dinosauriern und anderen versteinerten Wirbeltieren.

Außer seinen Ausstellungsräumen beherbergt das Museumsgebäude noch Hunderte von Unterrichtsräumen, Laboratorien, Hörsälen und Ar­ beitszimmern. Der größte Teil der Sammlung ist dem Publikum nicht zu- gänglich, steht aber Studenten und Wissenschaftlern zur Verfügung.

Auf drei Außenstationen des Museums, in den Staaten Arizona und Florida sowie auf den Bahama-Inseln werden zahlreiche Untersuchungen und Forschungsprogramme durchgeführt. Außerdem reisen Expeditionen in alle Welt« Über diese Expeditionen werden Berichte veröffentlicht, das Museum publiziert aber auch mehrere naturwissenschaftliche Zeitschrif- ten und zahlreiche Lehrbücher für Elementar- und höhere Schulen. In den Lehrplänen der städtischen Schulen New Yorks nimmt der Unter­ richt am Museum seinen festen Platz ein. Hier wird unter dem Titel: "Die Welt, in der wir leben" seit dem Jahre 1942 ein Unterrichtspro­ gramm durchgeführt, das sich außerordentlich erfolgreich erwies. Täglich verbringt eine begrenzte Anzahl Schulkinder den ganzen Schul tag im Museum. Sie werden an Hand der Schaubilder und der Ausstellungsstücke unterrichtet, sehen Filme und besuchen das Planetarium. Dabei sind auch Unterrichtstage für nicht englisch sprechende sowie für körper­ behinderte Kinder vorgesehen. Diese Methode, den Kindern im Museum naturgeschichtlichen Unterricht zu erteilen, ist von anderen Städten in den USA übernommen worden und hat auch schon im Ausland, so in den Museen von dombay und Bagdad i Eingang gefunden.

Damit ist de..' Beitrag für die Erziehung und Ausbildung der Schul­ kinder keineswegs erschöpft. Das Museum bestreitet Rundfunksendungen in Naturgeschichte, verleiht Filme, Dioramas und wissenschaftliches Material für den Gebrauch in den Schulklassen und veranstaltet in jeder Wocha für Studenten der Biologie Führungen durch die Laboratorien "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957

Laboratorien des Museums. Für Kinder, die viel Interesse an der Naturkunde zeigen, hat das Museum noch besondere Räume zur Verfügung. Hier können sie Schallplat­ ten hören, auf denen Tierstimmen aufgenommen wurden, sie lernen es, Pflanzen und Tiere zu identifizieren, und die älteren Kinder helfen bei der Erklärung der ausgestellten Tiere und Pflanzen. Im Rahmen der Erziehungsprogramme für Erwachsene gibt es Kurse für Lehrer an höheren Schulen und Colleges, für Studenten, Krankenschwestern und verschiedene andere Gruppen. Im Jahre 1955/5& haben ungefähr 1,7 Millionen Menschen das Museum besucht, das Planetarium des Museums zählte 573 000 Besucher. Über 17 Millionen wurden in Kursen, Vorlesungen, Wanderausstellungen und mit Filmen angesprochen. Ein wahrhaft riesiges Programm, an dessen Anfang im Jahre 1880 eine Klasse von dreißig Schülern stand, die von dem da­ maligen Direktor des Museums in Naturgeschichte unterrichtet wurden.

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Kunststudenten bei der Arbeit im naturgeschichtlichen Museum. An den naturgetreu aufgebauten Tiergruppen können sie ausge­ zeichnet die Anatomie, die Farbe und die Charakteristika der Tiere studieren.

2) Eine Löwengruppe aus dem American Museum of Natural History in New York.

3) Sogar Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, können viel im Museum lernen. Diese Kleinen spielen ein Spiel, bei dem es darauf ankommt, Pflanzen und anderes allein durch das Tast­ gefühl zu identifizieren. Für diese Kinder hat das Museum besondere Räume eingerichtet.

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7 - 'AMERIKA DIENST 4. Dezember 1957

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ICH HABE DIE FREIHEIT GEFUNDEN Howard Fast manifestiert in einem neuen Buch seine Absage an die Kommunis ten

(50 Zeilen)

NEW YORK -- "Ich habe die Freiheit gefunden", bekennt der ameri­ kanische Schriftsteller Howard Fast in seinem soeben erschienenen Buch "The naked God" . Vor einem Jahr hat Fast, der dreizehn Jahre lang der kommunistischen Partei angehörte, seinen Bruch mit dem Kommu­ nismus vollzogen. Noch 1953 war er mit dem internationalen "Stalin- Friedenspreis" ausgezeichnet worden. Er galt als einer der hervor­ ragendsten Repräsentanten des internationalen Kommunismus.

"Ich verwerfe den Kommunismus", sagt Fast jetzt in seinem Be­ kenntnis zur Demokratie, "nicht weil die Vereinigten Staaten eine perfekte Demokratie sind ...,sondern weil sie ein Land sind, in dem die Arbeit und die Rechte des Individuums anerkannt und geschützt werden ... manchmal besser, manchmal schlechter, aber doch immer ge­ schützt ."

Chruschtschows Rede vor dem 20. Parteitag im Jahre 1956, mit der der einst so verehrte Stalin als Tyrann und Mörder bloßgestellt wurde, nahm Fast, wie er sagt, die letzten Illusionen über die kommu­ nistische Partei. Chruschtschows Enthüllungen machten ihm klar, daß "das Üble unseres Tuns darin lag, daß wir unsere seelische Entwürdi­ gung hinnahmen ... V/eil wir als Menschen und als Mitglieder der Par­ tei die besten und kostbarsten Errungenschaften und Freiheiten des Menschen aufgaben, haben wir die Menschheit betrogen ..., und die kommunistische Partei wurde zum Instrument der Vernichtung."

"Die KPdSU", sagt Fast an anderer Stelle, "zerstörte die russische Literatur, nicht,weil sich die Herren des Kremls nicht etwa gern mit einer hochstehenden Literatur gebrüstet hätten, sondern weil der Bestand

- 8 - "AMERIKA DIENST" 4- Dezember 1957

Bestand der Partei und ihrer Herrschaft dies erforderte."

Fast, der immer schreiben konnte, was er wollte, stellt sel.ie Situation in Gegensatz zu der eines sowjetischen Schriftstellers, der sich kritisch über das Leben in der Sowjetunion äußert. Solch ein Schriftsteller hat damit "aufgehört, zu schreiben, denn er wird zum Schweigen gebracht. Er hat aufgehört zu leben, denn er wird ge­ quält und in den Tod getrieben. Für sein 'unveräußerliches Privileg, zu schreiben, wie es ihm gefällt', konnte er nicht mehr kämpfen. Er hat dieses 'gesicherte Recht' gar nicht gekannt, und wenn er ihm nachspürte, lohnten ihm die Machthaber das Ungeschick seines Suchens mit dem Tode ... In einem Land, in dem Dichter und Schriftsteller mißhandelt, zusammengeschlagen und schließlich in schweigender Ent­ würdigung hingerichtet werden können, in einem solchen Land ist die Freiheit unbekannt."

Wie weit der Kommunismus einen sowjetischen Schriftsteller pro­ stituieren kann, zeigt Howard Fast am Beispiel des früher von ihm bewunderten Russen Boris Polowy, der vor Kollegen versucht hatte, die Hinrichtung eines sowjetischen Schriftstellers abzustreiten. "Das war nicht nur eine tragische und groteske Lüge", sagt Fast, "sondern der Gipfel dessen, was die kommunistische Partei einem Schriftsteller antun kann ... Zeit und Geschichte werden ihren un­ erbittlichen Urteilsspruch über alle jene fällen, die nicht nur Menschen und Künstler ermordet, sondern auch die Seele eines Men­ schen wie Boris Polowy vergiftet haben."

"Die Zukunft gehört denen, die die Kerkermauurn, hinter denen der Geist des Menschen schmachtet, niederreißen und nicht jenen, die diese Mauern stützen."

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- 9 - "AMERIKA DIENST 4. Dezember 1957

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ATOM - WISSENSCHAFT - TECHNIK

AEC-KONFERENZ MIT VERTRETERN DER ATOMINDUSTRIE

( 8 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Zu einem Ideen- und Meinungsaustausch über die Entwicklung von Leistungsreaktoren kommen führende Persönlichkei­ ten aus der amerikanischen Atomindustrie und der US-Atomenergie-Kom­ mission vom 3. bis 5« Dezember in Washington zusammen. Die Ansichten und Empfehlungen der Vertreter der Industrie werden die künftige Ge­ staltung des Leistungsreaktorprogramms der AEG weitgehend mit be­ einflussen, so daß dieses elastisch genug sein wird, um jedweden neuen und veränderten Bedingungen gerecht werden zu können.

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KRITISCHER VERSUCH AM SHIPPINGPORT-REAKTOR

( 10 Zeilen) SHIPPINGPORT (Pennsylvanien) - (AD) - Der Reaktor des ersten Atomgroßkraftwerkes der Vereinigten Staaten ist am 2. Dezember kri­ tisch geworden. In den kommenden Wochen wird mit einer Reihe von weiteren Versuchen der Probebetrieb aufgenommen, wobei die Strom­ leistung allmählich auf das vorgesehene Maximum von 60 000 Kilowatt gesteigert wird.

Am 2. Dezember jährte sich zum 15« Mal der Tag, an dem im ersten Kernreaktor der Welt, der von Enrico Fermi und seinen Mitarbeitern in

- 10 - "AMERIKA DIENST" 4. Dezember 1957 in Chicago erbaut worden war, zum ersten Mal die selbsttätig sich fortsetzende kontrollierte Kernspaltungsreaktion ausgelöst wurde.

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FRÜFSTAND FÜR RAKETEN MIT NUKLEARANTRIEB

( 7 Zeilen) ALBUQUERQUE (Neu-Mexiko) - (AD) - Einer Mitteilung der US-Atom­ energie-Kommission zufolge ist ein Kontrakt für den Bau einer Anlage vergeben worden, in der statische Raketenversuche mit Nuklearantrieb vorgenommen werden sollen. Da vor Ende 1958 nicht mit der Fertigstel­ lung zu rechnen ist, werden die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu diesem Raketenprojekt vorläufig weiterhin am wissenschaftlichen Laboratorium der AEC in Los Alamos durchgeführt.

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Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.

RELIGION HINTER DEM EISERNEN VORHANG Die Russisch-Orthodoxe Kirche Von Helene Iswolsky (,280 Zeilen)

Die Autorin nachstehenden Aufsatzes, den wir der katholischen Zeitschrift "The Commonweal" entnehmen und in vier Abschnitte gegliedert wiedergeben, ist Tochter eines zaristischen Diplomaten und lebt heute in New York. Sie liest am Fordham Uhiversity Insti­ tute of Contemporary Russian Studies und ist Verfas­ serin mehrerer Bücher, in denen sie sich mit sowjet­ russischen Fragen kritisch auseinandersetzt. Bei Nachdruck sind Name der Verfasserin und die Zeitschrift zu nennen. Die Nachdrucksrechte erlöschen am 15« Juli 1962

I.

Auch gut unterrichtete Beobachter der Sowjetunion sind sich über die wirkliche Situation der Orthodoxen Kirche in der UdSSR nicht ganz im klaren. Sicher ist aber, daß zahlreiche Touristen, die die Sehens­ würdigkeiten von Moskau, Leningrad, Kiew und and'eren russischen Städten besucht haben, berichten, daß sie dort Kirchen aufgesucht und in Klö­ stern, Kathedralen und auch kleinen Kirchengemeinden dem Gottesdienst beigewohnt haben. Nach ihren Schilderungen waren die Kirchen voll, und die Gemeinden nahmen andachtsvoll am Gottesdienst teil. Die Pracht­ entfaltung der Russisch-Orthodoxen Liturgie und die herrlichen Gesänge russischer Chöre beeindruckte sie zutiefst. Amerikanische Zeitschrif­ ten brachten vor nicht zu langer Zeit Reproduktionen von Aufnahmen, die russische Mütter zeigen, wie sie ihre kleinen Kinder zu einer gemein­ samen großen TaufZeremonie bringen, oder auf denen Kirchen mit glit­ zernden Kuppeln und Kreuze, Mönche in ihrem traditionellen Habit und

- 1 - "AMERIKA DIENST" 11. Dezember 1957 und Priester in prächtigen, feierlichen Gewändern zu sehen sind. All diese Dinge lassen erkennen, daß es in der Sowjetunion so etwas wie eine anerkannte Kirche gibt. Diese Tatsache zu bestreiten, wäre sinnlos.

Die ersten Anzeichen, die erkennen ließen, daß in der sowjetischen Haltung der Kirche gegenüber, deren Gotteshäuser in den ersten Jahrzehn­ ten der bolschewistischen Herrschaft bekanntlich zu allen möglichen profanen Zwecken mißbraucht worden sind, eine Wandlung eingetreten ist, machten sich im Jahre 1937 bemerkbar. Aber erst nach dem zweiten Welt­ krieg wurde die Orthodoxe Kirche in der UdSSR durch die Wiedereinsetzung des Patriarchen von Moskau vom Kreml endgültig und offiziell anerkannt.

Die einzelnen Stadien, die die Entwicklung bis dahin durchlaufen hatte, sind außergewöhnlich. Es begann mit der Volkszählung, die im Jahre 1937 in der Sowjetunion durchgeführt wurde und bei der man auch nach der Religionszug.ehörigkeit gefragt hatte. Hierbei ergab sich die überraschende Tatsache, daß etwa 75 Prozent der Land- und 50 Prozent der Stadtbevölkerung offen zugaben, daß sie getauft wurden und sich noch zu ihrem christlichen Glauben bekannten. Dieses öffentliche Be­ kenntnis iu einem Glauben, der 20 Jahre hindurch verfolgt worden war, wurde von der gesamten christlichen Welt als ein erstaunliches Fak­ tum mit tiefer Befriedigung zur Kenntnis genommen. Die sowjetische Re­ gierung, die kommunistische Partei und der "Gottlosenverband", der die Aufgabe hatte, die Religion in der Sowjetunion auszurotten, wurden dagegen von diesem Bekenntnis stark beunruhigt.

Jemelian Jaroslawskij, der Führer des "Gottlosenverbandes", schrieb 1938 einen Bericht, in dem er seine "Fehler" bekannte. Er erklärte offen, daß die seit Lenins Zeiten angewandte antireligiöse Politik ein Mißerfolg war; man müsse gemäßigtere und klügere Maßnahmen bei der Auseinandersetzung mit dem "Opium fürs Volk" anwenden. Die Verfolgung der Geistlichkeit und der Gläubigen solle durch "Überzeugung" ersetzt werden. Die antireligiöse Zeitschrift "Besboshnik" wurde eingestellt, und die aufreizenden Karikaturen und groben Hetzschriften gegen die Kirche verschwanden fast mit einem Schlage. Jaroslawskij präsentierte ein ganz neues Programm eines sich auf "wissenschaftliche Diskussionen

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Diskussionen und Forschungen" stützenden"ritterlichenH Kampfes gegen die Religion.

Bevor er dieses Programm jedoch zu Ende führen konnte, entstand eine neue kritische Situation durch den Überfall Hitlers auf die Sowjet­ union im Juni 1941« Bie kommunistischen Schlagworte erwiesen sich als nicht zugkräftig genug, um das Volk bei der kommunistischen Stange zu halten. Was den deutschen Angriff schließlich zum Halten brachte, war der von Tolstoi so treffend beschriebene "Geist der Armee", das heißt, der Geist des russischen Volkes, der Bauern, Arbeiter, Mädchen und Jungen, der Geist der Partisanen. Sie wurden nicht durch kommunistische Schlagworte angefeuert, sondern sie wollten ihr Land, ihre Heimat ver­ teidigen, und sie waren bereit, dafür Leiden zu ertragen. Und dieses Ertragen von Leiden brachte das russische Volk zu seinen geistigen Wurzeln zurück, zum geistigen Erbe der Väter, zum Gebet, zur Buße, das heißt zurück zur Kirche.

Natürlich verdankte die Kirche diese Neubelebung einer Zwangslage der sowjetischen Regierung; aber was für den Kreml eine Frage der Zweck­ mäßigkeit war, war für das russische Volk eine Entscheidung auf Leben und Tod, nicht im physischen, sondern im religiösen Sinne.

Mit der Wiedereinsetzung des Patriarchen von Moskau wurde ein langes, tragisches Kapitel der russischen Kirchengeschichte abgeschlos­ sen. Seit dem Tode des Patriarchen Tichon im ersten Jahre der kommu­ nistischen Revolution war die Kirche ihres Oberhauptes beraubt und besaß nurmehr eine Kirchenverwaltung, die sie nicht vor der Welle der Verfolgungen schützen konnte. Damals ging die russische Kirche in den Untergrund. Die folgenden Jahre schrieben das erschütterndste Kapitel der Kirchengeschichte der UdSSR. Die Kirchen wurden geschlos­ sen, zu Hunderten wurden die Priester verhaftet, deportiert, gefol­ tert und aller Möglichkeiten und Mittel des Lebensunterhalts beraubt. Sie erhielten keine Wohnung, kein Heizmaterial, keine Lebensmittel­ karten, und selbst das Recht auf Arbeit wurde ihnen vorenthalten. Die Leidensgeschichte der Priester, Bischöfe und Erzbischöfe, ihr Marty­ rium, ihr Tod in den Konzentrationslagern und Gefängnissen an der Weißmeerküste ist bis heute nicht niedergeschrieben worden.

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II.

Die Christen, die diesen Verfolgungen entkamen, waren aufgerufen, die Kirche zu retten. Viele aus ihren Gemeinden vertriebene Priester blieben ihrer geistlichen Berufung treu. Sie lasen Messen in geheimen Andachtstätten, nahmen die Beichte ab, spendeten die Kommunion, voll­ zogen Taufen, Eheschließungen und christliche Begräbnisse für Tau­ sende von Christen, die trotz der kommunistischen Propaganda ihrem Glauben weiter anhingen. Einige dieser Untergrund-Apostel nannten sich selbst "Wanderpriester"; sie hatten keinen Platz, wo sie ihr Haupt niederlegen konnten, sie wanderten von Dorf zu Dorf, um allen geist­ lichen Beistand zu geben. Diese Wanderpriester fanden häufig die Unterstützung von Laien, die die Gebete und vor allem die Psalmen gut genug kannten, um die Gläubigen im Wort Gottes zu unterrichten wenn der Priester abwesend war.

Viele Ikonen, die zum Teil einen hohen künstlerischen Wert besa­ ßen, wurden gerettet und von den Wanderpriestern und ihren gläubigen Anhängern aufbewahrt. Später wurden diese Ikonen in Kirchen und Klö­ stern wieder aufgestellt oder in Museen aufgehängt, wo sie nicht nur bewundert, sondern auch verehrt wurden.

Trotz der langen Jahre des Kampfes und der Wirrnis hat die Kirche in der Sowjetunion nicht nur ihre gesamte Liturgie und den Kirchen­ kalender erhalten können, sondern, was von weit größerer Bedeutung ist, auch ihr Dogma. Die Lehre der Kirchenväter und die Russisch- Orthodoxe Theologie tauchten völlig intakt aus dem Untergrund wie­ der auf und konnten der wieder erstandenen, offiziell anerkannten Paljriarchalkirche in Moskau zurückgegeben werden.

Offenbar bedeutete dies die Restauration des gesamten kirch­ lichen Lebens in der Sowjetunion; dazu gehör.te auch die Genehmigung zur Errichtung von theologischen Akademien und Seminaren und die Freigabe von Kirchen im ganzen Land. Die antireligiöse Tätigkeit wurde auf ziemlich wirre Gespräche über "Wissenschaft gegen Religion" und auf einige in Museen gazeigte "Ausstellungen der Religionsge-

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Religionsgeschichte" beschränkt. Diese Ausstellungen befaßten sich mit den Schrecken der Inquisition und den Sünden der zaristischen Geistlichkeit.

Obwohl es aussieht, als habe die Kirche eine entscheidende Schlacht gewonnen, bleiben einige teilweise recht schmerzliche Fragen offen. Wie weit hat die russische Kirche die ihr angebotene Position akzeptiert? War die Kirche der Sieger oder eine Art religiöser Mitläufer? Tatsache ist, daß die Russisch-Orthodoxe Kirche unter ihren Patriarchen Sergius und später Alexis sich mit einigen grundlegenden Gesetzen der sowje­ tischen Verfassung von 193^ einverstanden erklärt hat.

In dieser Verfassung wurde zwar die Religionsfreiheit proklamiert, gleichzeitig wurden aber auch die "antireligiöse Propaganda" erlaubt und die "religiöse Propaganda" verboten. Das bedeutet, daß die Reli­ gion weder in den Schulen noch außerhalb der Schulen in Unterrichts­ klassen gelehrt werden darf. Eine Ausnahme bilden Erwachsenenseminare. Die religiöse Unterrichtung der Kinder beschränkt sich auf das, was sie zu Hause von ihren Eltern lernen können. Außer liturgischer Li­ teratur dürfen keine religiösen Bücher gedruckt werden. Kirchen dürfen zwar wieder geöffnet werden, aber nur dann, wenn die Gemeinde die Kosten für die erforderliche Instandsetzung, die Bezahlung der Prie­ ster und des Chores und der den kirchlichen Organisationen auferleg­ ten hohen Steuern aufbringen kann. Das erklärt, weshalb man nur von wenigen wieder geöffneten Kirchen in der UdSSR hört. Tatsache ist aber auch, daß viele alte kirchliche Bauwerke von hohem künstlerischen oder historischen Wert in Moskau, Leningrad, Kiew und anderen Städten sorgfältig wiederhergestellt wurden. Diese Bauten stehen aber als hi­ storische Monumente unter der Aufsicht der Regierung und ähneln mehr einem Museum als einer lebendigen Kirche. Dies ist beispielsweise bei den Moskauer Hauptkathedralen und den beiden großen Leningrader Kirchen der Fall. Aber sowohl in Moskau als auch in Leningrad und Kiew sind noch einige weitere Kirchen geöffnet.

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III.

Das religiöse Leben in der Sowjetunion unterlag und unterliegt jedoch noch zahlreichen weiteren Beschränkungen. Das Haupthindernis ist der politische Druck, der von den Machthabern auf die Geistlich­ keit und besonders auf den Patriarchen und seine unmittelbare Umgebung ausgeübt wird. Vor seiner Wiedereinsetzung in das Amt des Patriarchen hatte der Metropolit von Moskau, Sergius, 1927 in einem Interview er­ klärt, in der UdSSR sei die Religion nicht verfolgt worden. Geistliche seien nicht wegen ihres Priesteramts, sondern wegen antikommunistischer Betätigung bestraft worden. Diese Deklaration, die man Sergius fertig vorgelegt hatte, stieß auch diejenigen außerhalb der UdSSR ab, die den Metropoliten von Moskau wegen seiner zähen und standhaften Verteidi­ gung der Kirche bewundert hatten. Wer sich aber vorstellen kann, welch ungeheurer Druck auf den Geistlichen ausgeübt wurde, der wird sich einer Verurteilung dieser für den Staat abgegebenen Erklärung ent­ halten. Gutinformierte Kommentatoren sind der Meinung, daß der Metro­ polit Sergius mit dieser Äußerung die Kirche vor weiteren Verfolgungen bewahrt hat.

Der Preis, der für die Stabilisierung der Kirche gezahlt wurde, bleibt trotzdem hoch. Der Patriarch Alexis, der Nachfolger von Sergius, ist zu derartigen falschen Erklärungen nicht gezwungen worden. Die Zei­ ten haben sich geändert; und je weniger man von Verfolgungen einer an­ geblich "freien Kirche" spricht, um so besser ist es. Allerdings wurde die Moskauer führende Geistlichkeit immer wieder zu politischen Äuße­ rungen über internationale Angelegenheiten veranlaßt. So ähnelt die Friedenskampagne des Moskauer Patriarchen in ihrem Inhalt und sogar ihrem Wortlaut sehr stark den offiziellen sowjetischen Schlagworten. Es dürfte aber nicht leicht sein, die reinen Absichten des sich für den Frieden einsetzenden Patriarchen in Frage zu stellen. Etwas an­ deres sind seine auf kommunistischen Friedenskongressen immer wieder zitierten Äußerungen, mit denen er den angeblichen amerikanischen Bakterienkrieg in Korea verurteilt. Derartige "AMERIKA DIENST" 11. Dezember 1957

Derartige Erklärungen werden im allgemeinen von dem Metropoliten Nicholas Krutizky, dem engsten Mitarbeiter des Patriarchen und in diesen Dingen ebenso fähigen wie brillanten Experten verfaßt. Im März 1956 empfing Metropolit Nicholas in Moskau eine Abordnung des National­ rats der Kirchen Christi in Amerika. Im Juni 1956 erwiderte Nicholas diesen Besuch in Amerika. Da er mehrere Fremdsprachen beherrscht und eine:stattliche Erscheinung ist, gilt er als hervorragend geeigneter Sprecher der hohen Moskauer Geistlichkeit in der Sowjetunion wie im Ausland. Er war es auch, der anläßlich der tragischen Ereignisse in Ungarn ein Telegramm mit den Worten erwiderte, daß die Kirche für "die Lösung der Nahost-Krise""bete und die sowjetische Regierung bei der Hilfe "für die in Ungarn Leidenden" unterstütze. Es ist in der Tat schmerzlich, von einem politisch anerkannten Vertreter der Kirche solche Äußerungen zu hören, die von der Haltung der Kirche des Schweigens beschämt werden. *

IV.

Müssen wir aber daraus den Schluß ziehen, daß die in den meisten Ländern hinter dem Eisernen Vorhang sich so geheimnisvoll manifestie­ rende Kirche des Schweigens in der UdSSR nicht mehr besteht? Eine solche Annahme wäre eine große Ungerechtigkeit nicht nur gegenüber den Millionen gläubiger Christen, die es heute in der Sowjetunion gibt, sondern auch gegenüber denen, die schon vor Jahren, als die Verfolgung ihren Höhe­ punkt erreicht hatte, mit Wasser und Blut ihre Taufe empfingen. Um die­ sen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und um zu erkennen, was die Kirche in der Sowjetunion in Wirklichkeit darstellt, muß man zwi­ schen den Zeilen der offiziellen Deklarationen lesen. Dies erfordert Geduld, eine entsprechende Begabung ... und Mitfühlen.

Die Berichte von Beobachtern, Touristen, Delegationen und anderen .Leuten, die in letzter Zeit in der UdSSR gewesen sind, müssen in diesem Geist geprüft und ausgewertet werden. Unter diesem Blickwinkel gesehen, ist die Feststellung der Delegation des Nationalrats der Kirchen Christi außerordentlich einleuchtend und objektiv. Sie besagt, daß die Kirche in

- 7 - "AMERIKA DIENST" 11. Dezember 1957 in der Sowjetunion deshalb lebt, weil sie sich zumindest vorübergehend den staatlichen Verhältnissen angepaßt hat. Ferner zeigt sie, daß das Leben dieser Kirche Beschränkungen besonders hinsichtlich der religiösen Erziehung unterworfen ist, daß aber "der Gottesdienst in der Kirche nicht gestört zu werden scheint", daß "die Gemeinden in den verhältnismäßig wenigen zur Verfügung stehenden Kirchen groß und gläubig" sind und daß 'der Zustrom zu den wenigen theologischen Seminaren deren Aufnahmefähig­ keit voll ausnutzt." Diese letzte Feststellung widerspricht der von Besuchern, einschließlich der Delegation des Nationalrats, häufig ge­ machten Beobachtung, daß die noch gläubigen Russen meist ältere Leute sind, oder Frauen und Kinder. Wenn es so wäre, wie könnten dann die Seminare so stark besucht sein? Viele Geistliche gehören der jungen Generation an. Selbst unter den Bischöfen gibt es Männer von 40 oder 50 Jahren. In vielen Gebieten der UdSSR sind die Diözesen wieder ein­ gerichtet worden. Das bedeutet, daß überall in der Sowjetunion Geist­ liche ordiniert werden können. Ordinationen wurden aber auch in den Jahren der Kirchenverfolgung in der Untergrundkirche vorgenommen. Die Apostolische Nachfolge ist nie unterbrochen worden. Diese Nachfolge, die von der Katholischen Kirche anerkannt wird, ist das Fundament der russischen Liturgie und des sakramentalen Lebens.

Welcher Geist herrscht in dieser Kirche, die nach 40 Jahren der Gottlosenpropaganda,der Verfolgung,des Terrors und der "Gehirnwäsche" zu neuem Leben erstanden ist? Auch hier weichen die Meinungen voneinan­ der ab. Die Pessimisten sagen, es sei eine Scheinkirche, die vergol- dete Dome und Kuppeln, Klöster und Reliquien zeige, um ausländische Be­ sucher zu beeindrucken oder das Volk zu beruhigen. Wenn aber das rus­ sische Volk unreligiös geworden wäre, warum wollte man es dann mit kirchlichem Prunk beruhigen? Oder wollte man diesen Kirchenschmuck nur den wenigen Hundert Touristen, die von Zeit zu Zeit in die Sowjet­ union einreisen dürfen, zeigen? Solche Fragen sollten vor über- exj.ten Urteilen warnen und. auch die Kritiker zurückhalten, die, ohne einen ernsthaften Beweis für ihre Behauptungen erbringen zu können, erklären, die Geistlichkeit in der UdSSR sei nichts weiter als ein vom Staat kontrollierter Apparat, eine Armee von Spionen, die man auf die "AMERIKA DIENST" 11. Dezember 1957 die Gläubigen angesetzt habe. Solche Anklagen wurden gegen Geistliche gerichtet, die angeblich das Beichtgeheimnis verletzt haben. Sollten derartige Verfehlungen tatsächlich vorgekommen sein, dann darf man sie unter keinen Umständen verallgemeinern.

Touristen, die kürzlich in der Sowjetunion waren, haben uns be­ schrieben, wie in den großen russischen Kirchen die Gläubigen in lan­ gen Reihen warteten, bis sie den Beichtstuhl betreten konnten. Nach diesen Beobachtern beichten und kommunizieren Tausende von Menschen. Wäre ein Geistlicher in der Lage,eine Namensliste von allen diesen bußfertigen Menschen aufzustellen und ihre politische Zuverlässigkeit oder NichtZuverlässigkeit darauf zu vermerken? Allein die Unterstellung ist absurd, und zwar um so mehr, als es in der Russisch-Orthodoxen Kirch Tradition ist, daß die Beichte auch öffentlich und in großen Gemein­ schaften abgelegt werden kann, wobei also die Beichtenden nicht ein­ zeln angehört werden.

Gerechterweise sollte man hinter den offiziellen Äußerungen und prunkvollen Dekorationen die wirkliche Lebendigkeit der Kirche in der UdSSR sehen. Das Wunderbare daran ist nicht die Restauration des Pa­ triarchats, sondern die Tatsache, daß dieses auf einer festen Grund­ lage errichtet wurde. Welchen Wert hätte ein brillanter Metropolit Nicholas, wenn es nicht Tausende und aber Tausende russischer Menschen gäbe, die nach der Taufe, der kirchlichen Trauung, der Beichte, dem Abendmahl und einem christlichen Begräbnis verlangen? Die Delegation des Nationalrats der Kirchen Christi kam zu der Feststellung: "Aufgabe der Kirche in der Sowjetunion ist der Dienst an Gott, von der Geburt bis zum Tode."

Aber ein nur formalistischer Gottesdienst würde keinem die Hoff­ nung auf eine Wiedergeburt und endliche Befreiung Rußlands und der anderen Länder hinter dem Eisernen Vorhang geben. Wir befassen uns nur mit dem sakramentalen Leben und seiner Beständigkeit.

Nach den neuesten Übersichten und Berichten sind etwa 50 Prozent der Russen Christen, etwa 30 Prozent bekennen sich offen zu ihrem "AMERIKA DIENST" 11. Dezember 1957 ihrem Glauben. Die meisten von ihnen gehören der Russisch-Orthodoxen Kirche an, daneben gibt es aber viele andere christliche Glaubensge­ meinschaften, Alt-Gläubige, Baptisten, evangelische Gemeinschaften, Lutheraner aus den baltischen Staaten, Katholiken aus Polen und an­ dere Bekenntnisse. Außerdem haben sich auch nichtchristliche Gemein­ schaften erhalten, wie Juden und Mohammedaner, die an den Einen Gott glauben und die ihren Glauben mit dem gleichen Heldenmut verteidigt haben wie ihre christlichen Brüder.

Eine in der Presse kaum erwähnte, aber bemerkenswerte Tatsache ist die kürzlich bekanntgegebene Herausgabe der Russisch-Orthodoxen Bibel in der UdSSR. Diese Bibel ist die offizielle russische Version des Alten und Neuen Testaments, wie sie von den kirchlichen Autori­ täten der Zeit vor der Revolution anerkannt wurde. Für einige Men­ schen mag diese Meldung nur einen nebensächlichen "Sammlerwert" be­ sitzen; andere werden darin eine ermutigende und durch die Vorsehung bewirkte Manifestation des für alle Zeiten und Nationen geltenden Wort Gottes sehen.

Aus: "The Commonweal" - Quellenangabe und Namensnennung der Verfasserin ist bei Nachdruck erforderlich -

Die Nachdrucksrechte erlöschen am 15. Juli 1962

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DER STAND DER KREBSFORSCHUNG IN DEN USA Zum soeben veröffentlichten Zwei/Jahresbericht des Sloan- Ketterinp; Institute for Cancer Research

(60 Zeilen)

ITHACA (New York) - (AD) - Wie dem neuesten Zwei Jahresbericht des "Sloan-Kettering Institute for Cancer Research" zu entnehmen ist, sind auf mindestens vier wichtigen Gebieten der Krebsforschung in den letz­ ten zwei Jahren bemerkenswerte Erfolge erzielt worden.

Der Bericht, den das Institut herausgab, das der Wissenschaft­ lichen Akademie der Cornell-Universität in Ithaca (New York) ange­ schlossen ist, wurde am 27. Nove;nber 1957 veröffentlicht. Er verweist vor allem auf die Erfolge der Immunologie, die Erweiterung der Kennt­ nisse über natürliche Abwehrstoffe gegen Krankheiten, auf neue Ent­ wicklungen in der vorbeugenden Medizin und der Hormonlehre sowie auf die Untersuchungen über Vererbungsvorgänge bei lebenden Zellen, die wahrscheinlich den Schlüssel zur Lösung des Krebsproblems bringen werden.

Über einige dieser Fortschritte, die in dem Zwei Jahresbericht be­ sprochen werden, ist die Öffentlichkeit bereits unterrichtet worden. Hier soll deshalb nur auf einige weitere Entwicklungen auf den wich­ tigsten vier Forschungsgebieten eingegangen werden.

1. In der Immunologie haben die Forschungsarbeiten des Instituts die möglichen Grundlagen für die Ausarbeitung eines allgemeinen diagno­ stischen Krebstests, ähnlich dem Wassermann-Test für Syphilis, ge­ schaffen. Allerdings sind noch zahlreiche weitere Untersuchungen er­ forderlich, bis dieser Test in der Praxis angewendet werden kann.

Ferner ist es den Immunologen gelungen, die Rolle des Properdin, ines im Blut vorhandenen chemischen Stoffs, bei der Abwehr von im" plantiertem Krebs aufzudecken. Eine Erhöhung des Properdinspiegels _im

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im Blut, die durch geringe Dosen von Zymosan, einem Hefeprodukt, her­ beigeführt werden kann, hat bei Versuchstieren auf die ihnen übertra­ genen Krebszellen eine zerstörende oder hemmende Wirkung gezeigt.

Außerdem hat man in der Immunologie ein einfaches Testverfahren für zwei selten vorkommende Krebsformen der Knochenmarks- und Lymph­ gewebezellen entwickelt. Einen weiteren Fortschritt machte man mit einem neuen Impfstoff, der eine 90prozentige Schutzwirkung gegen eine virusbedingte Form der Leukämie bei Mäusen bewiesen hat. 2. Die vorbeugende Medizin richtete in den letzten zwei Jahren ihre Forschungsvorhaben vornehmlich auf die Zusammenhänge zwischen Tabakgenuß und Krebserkrankungen. Unter anderen kam man zu folgenden Ergebnissen: Aus kondensiertem Zigarettenrauch konnte man eine chemische Frak­ tion isolieren, die etwa 1,5 Prozent des gesamten Teergehalts im Rauch ausmacht und die an der krebserregenden Wirkung des Zigarettenrauchs den größten Anteil hat. Gegenwärtig ist man darum bemüht, die Komponen­ ten dieser Fraktion zu identifizieren und aus dem Zigarettenrauch zu eliminieren. Bei den Untersuchungen hat sich herausgestellt, daß man das Ta- .bakblatt durch Trockenreinigung oder Behandlung mit einem Lösungsmit­ tel von dem wachsartigen Überzug befreien kann, der einen großen Teil des Materials enthält, von dem man weiß, daß es eine krebsverursachende Wirkung besitzt. Die Bildung dieses Wirkstoffs läßt sich außerdem durch eine Herab­ setzung der Verbrennungstemperatur des Tabaks verringern. Bei einer Verbrennungstemperatur von 620 Grad Celsius werden so gut wie keine krebsbegünstigenden Wirkstoffe produziert. Heute beträgt die Verbren­ nungstemperatur bei Zigaretten etwa 880 Grad Celsius. 5. In der Hormonforschung ist es den Wissenschaftlern gelungen, selektiv eine unerwünschte Hormonfunktion auszuschalten, ohne die das Hormon—produzierende Drüse selbst entfernen zu müssen oder ihre übrigen Funktionen zu beeinträchtigen.

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4« Untersuchungen über die Vererbungsvorgänge bei lebenden Zellen, Hervorragende Fortschritte wurden bei der Erforschung der Nukleinsäure, dem Grundbaustein der Gane, gemacht. Mit einer neuen Methode gelang die Synthese großer Komplexe des Nukleinsäuremoleküls. Die neuen Verbindungen werden bei der Behandlung von Krebskranken zur wirksa­ meren Zerstörung von Krebszellen verwendet.

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NEUES HERZMITTEL ENTWICKELT

( 11 Zeilen) CHICAGO - (AD) - Die sogenannte Färberdistel oder Safflor liefert einen wesentlichen Bestandteil zur Herstellung eines neuen Heilmittels für eine der tödlichsten Herzkrankheiten, der Atherosklerose, einer besonderen Art von Arteriosklerose.

Während man bisher bei dieser Krankheit, an der in den USA jähr­ lich über 200 000 Menschen sterben, Fette möglichst vermieden hat, ver­ abreicht man nun dieses an ungesättigten Fettsäuren sehr reiche Mittel. Es wird in den Abbott Laboratories in Chicago (Illinois) unter der Han­ delsbezeichnung "SAFF" hergestellt. Safflorsamen sind übrigens in Indien und in bestimmten Teilen Europas als Nahrungsmittel wohlbekannt; man fand sie auch in den Gräbern ägyptischer Pharaonen.

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Redaktion AMERIKA DIENST ACHTUNG REDAKTION!

Mit der Ihnen jetzt vorliegenden Nummer 50 schließen wir den Jahrgang 1957 ab. Die nächste Ausgabe des AMERIKA DIENSTES, eine Gemeinschaftsausgabe von ALLGEMEINES und WIRTSCHAFT & ARBEIT, wird am 3« Januar 1959 zum Versand kommen. Wie auch in den Vorjahren wird diese Nummer einen Jahresrückblick für 1957 und einen Ausblick auf das Jahr 1958 enthalten und Themen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur behandeln.

Redaktion AMERIKA DIENST "AMERIKA DIENST" 18. Dezember 1957

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REFORM DES PHYSIKUNTERRICHTS Nicht mehr Vermittlung von Fakten, sondern von lebendigem Wissen ist das Ziel Von Mary Handy- Aus "The Christian Science Monitor", Copyright 1957 by "Christian Science Publishing Society" . Quellenangabe unbedingt erforderlich. (90 Zeilen)

Die Naturwissenschaften, speziell die Physik, den Schülern der höheren Schulen in den USA so zu vermitteln, daß dieses Wissensgebiet als Teil der gesamten Kultur, nicht aber als trockener Lehrstoff oder unumgängliches Übel der Allgemeinbildung empfunden wird, ist das Ziel des Physical Science Study Committee (Komitee für das Studium der phy­ sikalischen Wissenschaften). Dieser pädagogische Beirat, der vor mehr I als einem Jahr von namhaften amerikanischen Physikern ins Leben geru­ fen wurde, war im November 1956 mit einer größeren Zuwendung von der National Science Foundation (Bundesstiftung für die Wissenschaften) bedacht worden und ging nun daran, in Theorie und Praxis eine völlig neue Form des Physikunterrichts zu erarbeiten. Punkt eins der vom Komitee unter Dr. Jerrold Zacharias, Professor der Ph\sik an der Technischen Hochschule Massachusetts, und dessen Mit­ arbeitern Dr. Rabi und Dr. Purcell, beide Nobelpreisträger für Physik, Dr. Vannevar Bush und anderen führenden Persönlichkeiten aus dem Er­ ziehungswesen und der Industrie eingeleiteten Reformen war die Zusam­ menstellung eines ganz neuen, auf den Erkenntnissen der modernen Physik aufgebauten Lehrbuches. Ferner stehen 70 Lehrfilme auf dem Programm, di von Sonnenfinsternissen bis zu atomaren Vorgängen alle nur erdenklichen Erscheinungen der unbelebten Kultur verständlich und einprägsam darstel len und erklären sollen. Als nicht weniger wichtig wurden ein Handbuch

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Handbuch für Lehrer und eine lange Liste von Instruktionen für die Anfertigung von Experimentierausrüstungen erachtet, die gar nicht einfach und primitiv genug sein können.

Komplizierte Apparate sind verpönt. Die Schüler sollen vielmehr lernen, mit einfachen Glasgefäßen, Taschenlampenbatterien, elasti­ schen Saiten und vielen einfachen Dingen mehr selbst Experimentan­ ordnungen aufzubauen, Gesetze der Physik zu demonstrieren und ein Gefühl für physikalische Zusammenhänge zu bekommen.

Das vom Komitee ausgearbeitete Programm hat in weiten Kreisen Widerhall gefunden, und heute sind in einem Flügel der Technischen Hochschule Massachusetts etwa 100 Physiker und Professoren, Fachleh­ rer von Oberschulen, Collegestudenten, Schriftsteller und Filmfach­ leute dabei, Richtlinien für eine lebendige Gestaltung des Physik­ unterrichts zu schaffen. In den Herbstmonaten dieses Jahres wurde in einigen Oberschulen versuchsweise damit begonnen, nach dem neuen Lehrplan zu arbeiten. Im Sommer 1958 sollen Physiklehrer aus dem ganzen Land in Sonderkursen mit der neuen Methode vertraut gemacht werden, für die, wie allgemein empfunden wird, die Zeit längst reif war.

Die Wellenmechanik - um nur ein Beispiel herauszugreifen - wurde bisher in nicht wenigen Oberschulen nur gelegentlich oder als ein kaum zu erklärender, beinahe geheimnisvoller Sektor der Physik behandelt. Nach Ansicht von Dr. Zacharias darf der Schüler aber gerade gegenüber Gesetzen solcher Art, auf denen ja die ganze moderne Physik basiert, weder Unverständnis noch irgendwelche Scheu empfinden. "Die Physik sagt", so erklärt er, "daß alles aus Partikeln besteht. Dabei kann das Objekt riesengroß sein wie die Sonne oder die Planeten, oder um ein ganz gutes Stück kleiner, sagen wir wie Sie oder ich, oder so groß wie ein Fußball, oder es kann winzig klein sein, wie es die Atome, Elektronen und Neutronen sind. Diese Partikel können eine Anziehungs­ kraft aufeinander ausüben oder einander abstoßen. In unserer hochtra­ benden Ausdrucksweise definieren wir Abstoßung oder Anziehung so, daß wir sagen: zwischen Partikeln sind Kräfte wirksam, die ganz bestimmten Gesetzen gehorchen. i Unseres

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Unseres Wissens gibt es drei Arten von Kräften. Die eine ist die Schwerkraft, die zweite die elektrische Kraft - und dazu gehört auch der Magnetismus -, und drittens gibt es nukleare Kräfte zwischen den sehr eng benachbarten Kernpartikeln. Unter der Wirkung dieser Kräfte - und es gibt keine anderen, denn Erscheinungen wie Wind, Reibung, Ebbe und Flut fallen alle darunter - werden die Partikel in Bewegung ver­ setzt. Für die nicht zu großen oder nicht zu kleinen, die nicht zu weit voneinander entfernten oder zu eng benachbarten, nicht zu schnell und nicht zu langsam bewegten Objekte gilt ein einfaches Bewegungsgesetz, das sogenannte Newtonsche Aktionsprinzip, auch Bewegungsgleichung ge­ nannt. Diese Grundgesetze der Mechanik erfassen aber die Vorgänge nur annähernd. Das eigentliche Bewegungsgesetz wurde 1926 entdeckt. Es be­ sagt, daß jeder Körper im Universum - Planeten, Sonnen, Sie, ich, der Fußball, Atome und Elektronen - in seinen Bewegungen in Wirklich­ keit immer dem Gesetz der Wellenmechanik gehorcht."

An höchst einfachen, selbst gebastelten Experimentiervorrich­ tungen demonstrierten Dr. Zacharias und seine Mitarbeiter anschaulich das Prinzip der Wellenbewegung. Mit Hilfe einer Glasflasche und ein bißchen Draht gelang es ihnen sogar, eine gerade für Unterrichtszwecke besonders gut geeignete Kammer mit einem recht beachtlichen Vakuum her­ zustellen. Mit einer solchen Vorrichtung ist es nicht nur möglich, Ex­ perimente der Mikrophysik, das heißt der Physik der Moleküle, Atome und Atomteilchen, durchzuführen, sondern, was viel wichtiger ist, sie vom Schüler wiederholen zu lassen. Dies ist eine Form des Unterrichts, die mit den - allerdings nur vereinzelt vorhandenen - komplizierten und kostspieligen Vakuumanlagen nicht möglich ist.

Eine umfangreiche Serie broschürter Bändchen, die die Schüler sich ausleihen oder für höchstens 75 Cent kaufen können und in denen von der Radioaktivität bis zum Leben Albert Einsteins jedes wichtige Thema des Physikunterrichts in verständlicher, fesselnder Darstellung behandelt ist, ergänzt den eigentlichen Lehrplan. Mit der Überarbeitung und Ausarbeitung dieser Bändchen wurde Laura Fermi beauftragt, die Witwe Enrico Fermis, des berühmten Physikers und Erbauers des ersten Atom­ reaktors der Welt. Sie will mit dazu beitragen, daß den Schülern _im

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im naturwissenschaftlichen Unterricht das Wesen der Wissenschaft ver­ mittelt wird und die jungen Menschen selbst den Y/eg zum wissenschaft­ lichen Denken finden.

Aus: "The Christian Science Monitor" Copyright 1957 by "Christian Science Publishing Society"

- Quellenangabe unbedingt erforderlich -

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgendes Bild:

Eine grundlegende Reform des Physikunterrichts an höheren Schulen haben sich die Mitglieder des Physical Science Study Committee vorgenommen, dessen Leiter Dr. Jerrold R. Zacharias (rechts) ist. Zusammen mit Wissenschaftlern aus der reinen und angewandten Physik, mit Pädagogen und Vertretern der Industrie arbeitet die Gruppe Lehrpläne aus, die den Schüler nicht durch mehr oder weniger zusammen­ hanglos gegebene Fakten und fertige Resultate, sondern durch systematisches Hineindenken - unterstützt durch Experimente mit möglichst vielen selbstgebastelten Vorrichtungen - an das Wissensgebiet der modernen Physik heranführen sollen.

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DIE "ARBEITERPARTEI" OHNE ARBEITER Wer Rußlands Industrialisierung bezahlte Von Georg Benson

( 120 Zeilen) Seit ihrer Gründung bezeichnet sich die Kommunistische Partei der Sowjetunion als "Partei der Werktätigen", und seit der Oktoberrevolu­ tion vor 40 Jahren wird Rußland hochtrabend als "Bauern- und Arbeiter­ macht" bezeichnet. Was steckt hinter diesen Bezeichnungen? Haben in Rußland die Arbeiter wirklich mehr zu reden als überall anders und geht es ihnen dort besser als anderen Volksschichten?

Es steht außer Zweifel, daß die kommunistische Partei seit der Oktoberrevolution im Jahre 1917 eine unnachgiebige Diktaturherrschaft auf allen Gebieten des Lebens ausübt. Man muß jedoch daran zweifeln, ob das Proletariat in dieser Partei jemals wirklich etwas zu sagen hatte. Vor der Revolution rühmte sich die bolschewistische Partei, daß 61 ,6fo ihrer Mitglieder "Arbeiter" seien; 1929 sprach man nur mehr von einem Anteil von 41$> unc* i-m Jahre 1954 wurde offiziell angegeben, daß dieser Anteil sich auf 9>3^ verringert habe. Seither wurde dieses heikle Thema nicht mehr berührt.

Heute beträgt die Bevölkerungszahl der Sowjetunion etwas über 200 Millionen, und 48,8 Millionen Arbeitskräfte sind außerhalb der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt, aber die gesamte Mitgliederzahl der kommunistischen Partei hat nur eine Stärke von 6,9 Millionen. Es ist dies eine Minderheit von Bürokraten und Managern, die ein riesiges Reich beherrscht und ausbeutet.

über die wirkliche Lage der russischen Arbeiter weiß man heute mehr als in früheren Jahren. Zahlreiche westliche Delegationen haben seit 1955 das Land bereist. Was ihnen allen zuerst und am unangenehmsten auffiel, war die relativ große Zahl von Frauen, die schwere und schwerste Arbeit verrichten. Die russischen Funktionäre erklären dies mit der

- 5 - "AMERIKA DIENST" 18. Dezember 1957 der Gleichberechtigung der Geschlechter, die 1936 durch Gesetz festge­ legt wurde.

Die Sowjetunion ist heute der Staat mit der zahlenmäßig zweitmäch­ tigsten Industriekapazität der Welt. Aber zur Verwirklichung dieses Ziels mußten und müssen die russischen Arbeiter ungeheure Opfer bringen. Charakteristisch für ihre Lage ist das sowjetische Normensystem. Es be­ gann im Jahre 1930,als gegen den lebhaften Protest alter Gewerkschaft­ ler in der gesamten Industrie das Akkordsystem eingeführt wurde. Tomskij, der Führer des sowjetischen Gewerkschaftsbundes, wurde seines Amtes ent­ hoben und aus dem Politbüro ausgestoßen. Bald darauf beging er,als die GPU an seine Tür klopfte, Selbstmord.

Im Jahre 1935 wurde ein neues, das sogenannte "Technische" Normen­ system zur Grundlage der Akkordarbeit gemacht. Man richtete sich nun nicht mehr nach der durchschnittlichen Arbeitsleistung, sondern nach Höchstleistungen, die von den sogenannten Stachanowisten kurzfristig erbracht worden waren. Diese Ausrichtung nach der Höchstleistung führte zu einem wahnwitzigen Antreibersystem (dem sogenannten "sozialistischen Arbeitswettbewerb") und zu einer krassen Staffelung der Arbeitslöhne. Die Durchschnittslöhne waren so niedrig, daß auch die Ehefrauen der Arbeiter gezwungen waren, einen Beruf zu ergreifen.

Im Dezember 1938 verschärfte sich die Lage der Arbeiter neuerlich. Stalin führte Arbeitsbücher ein und machte PS den Arbeitern so gut wie unmöglich, ihren Arbeitsplatz freiwillig zu wechseln. Zuspätkommen, unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz und Nachlässigkeit wurden unter Strafe gestellt. Ein Gesetz aus dem Jahre 1949 bestimmte, daß alle Arbeiter, die unerlaubt ihren Arbeitsplatz in Staatsbetrieben oder Kolchosen verlassen hatten, dem Strafrichter zu ü^ergeber seien. Nach Kriegsausbruch wurden noch strengere Bestimmungen erlassen, die erst 1956 - elf Jahre nach Kriegsende - wieder aufgehoben wurden.

Für diese Unterdrückungsmaßna inen wurden die russischen Arbeiter durch - Orden entschädigt. Auf dem 19» Parteitag der KPdSU erklärte Georgij Malenkow: "Seit dem Ende des Vaterländischen Krieges (1945) wurden 1 346 000 Arbeiter, Kollektiv„...uern, „kademiker und Techniker mit Orden und Medaillen ausgezeichnet. Fast 65OO Werktätigen wurde i_n_ "AMERIKA DIENST" 18. Dezember 1957 in Anerkennung ihrer Neuerungen der Titel 'Held der Sozialistischen Arbeit'* verliehen ..."

Die Delegationen, die in letzter Zeit die Sowjetunion besuchten, waren auch über die ungesunden Arbeitsverhältnisse und den Mangel an Sicherheitsvorkehrungen erstaunt. Sam Watson, der Obmann der britischen Bergarbeitergewerkschaft, der im vergangenen Jahr in Rußland war, kam zu folgenden Schlußfolgerungen:

1. Die sowjetischen Bergleute wohnen trotz allen Regierungsverspre­ chungen in armseligen Behausungen.

2. Sowjetische Bergleute arbeiten an mehr Tagen pro Monat als Bergleute in irgendeinem anderen Land der Welt - nämlich an 26.

5. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen, werden sowjetische Soldaten zwangsweise zur Arbeit unter Tag eingesetzt.

"Entsetzlich war für uns" - so schrieben Mitglieder einer briti­ schen Bergarbeiterdelegation im Juni 1957 im amerikanischen "United Mine Workers's Journal" - "der Anblick arbeitender Frauen in den sowje­ tischen Gruben. Frauen werden nicht nur praktisch zu allen Arbeiten über Tag herangezogen, sondern sie arbeiten auch in den Schächten. Man­ che schieben schwere Förderwagen voll Kohle durch nasse Stollen, in de­ nen es nicht einmal starke Männer lange aushalten könnten. Wir haben Frauen auf Krücken gesehen, Frauen, .denen Arme oder Beine fehlen, und schwangere Frauen, die in den Gruben arbeiteten..."

Mit dem Beginn des ersten sowjetischen Fünfjahresplans im Jahre 1928 steigerten sich die Anforderungen an die Industrie derart, daß Arbeitskräfte und Maschinen in immer größerer Zahl ausfielen. Damals bürgerte sich der Brauch ein, für jeden Ausfall, jede Beschädigung einen "Saboteur" zur Verantwortung zu ziehen. Der Geheimpolizei fiel es nicht schwer, nach jedem größeren Arbeitsunfall das "Geständnis" eines "imperialistischen Agenten" zu erbringen. Die wahren Schuldigen waren natürlich die Wirtschaftsplaner und Direktoren, denen es nur um die Produktion ging und die sich nicht mit Maschineninspektionen, Er­ satzteilen und Sicherheitsvorkehrungen abgaben. Daran

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Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Ein amerikanischer T echniker, der kürzlich aus der UdSSR zurückkehrte, schriet in "U.S. News and World Report" über ein großes sowjetisches Industriewerk: "Die Hallen waren finster, schmutzig und mit Maschinen vollgepfercht. Nicht einmal die primitivsten Sicherheitsvorkehrungen waren zu sehen. Die ganze Fabrik schaute aus, als wäre sie im 19» Jahrhundert gebaut und nicht mehr verändert worden".

Die Russen denken über die sanitären Bedingungen In ihrer Industrie nicht viel anders als die Ausländer. Die sowjetische Gewerkschaftszei­ tung "Trud" schrieb am 21. März 1957: "Beim Kohlenabbau entsteht be­ kanntlich viel Staub. Wenn man lange in diesem Staub arbeiten muß, er­ krankt man an Silicosis oder Anthracosis. Durch Anfeuchten mit Wasser wird der Staub nur für ganz kurze Zeit beseitigt. Viel besser bewährt sich eine Spezialflüssigkeit, das DB, das vom Ministerium für chemische Industrie zur Verfügung gestellt werden soll. Aber jahraus jahrein kümmert sich dieses Ministerium nicht um den Bedarf der Werktätigen. Beispiels­ weise Erhielten 1956 Bergwerke statt 100 Tonnen DB, die sie bestellt hatten, nur 25 Tonnen." Typisch ist die Fabrik in Bessarabien, die die Zeitung "Sowjetskaja Moldawia" kürzlich schilderte: "Die Fabrik ist mit modernsten Maschinen ausgestattet und hat eine hohe Produktivität, aber Arbeitsschutzbestim­ mungen scheint man nicht zu kennen. Metallstaub fliegt in solchen Mengen durch den Raum, daß die Männer nach jedem Arbeitstag vollkommen schwarz im Gesicht sind. Es gibt in der Fabrik keine Waschgelegenheiten; genauso wenig wie Ventilationen oder ausreichende Beleuchtung." Und dennoch - trotz Ausbeutung, niedriger Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen - hat der sowjetische Arbeiter Grund genug, mit seinem Los zufrieden zu sein. Denn es geht ihm noch immer besser als den rund sechs Millionen Zwangsarbeitern, die trotz der "Entstalini- sierung" noch immer in den sogenannten "Arbeitsumerziehungslagern" fest­ gehalten werden.

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DEUTSCHES THEATER IN TEXAS Die deutschen Theateraufführungen der Universität von Texas 1947-57 Von George Schulz-Behrend

(Aus; "The American German Review") Publisher: Carl Schulz Memorial Foundation, Inc. -Quellenangabe erforderlich- Die Nachdruckrechte erlöschen am 16. September 1962.

( 135 Zeilen) Deutsche Theaterstücke und Opern sind in Texas von jeher zur Auf­ führung gebracht worden, seit die ersten deutschen Siedler sich dort niederließen. Für Vorstellungen dieser Art setzten sich vor allem die verschiedenen Gesang- und Turnvereine des Gebietes ein, und wir hören ivon Aufführungen von Schillers "Wallenstein" und Wagners "Tannhäuser" in New Braunfels in den 1880er Jahren. Die Nachfrage nach deutschen Stücken war derart groß, daß eine besondere Agentur außerhalb von San Antonio, die sich mit dem Verleih der Text- und Rollenbücher be­ faßte und jeweils Dutzende solcher Stücke an Hand hatte, bis nach dem ersten Weltkrieg vollauf zu tun hatte. Auch heute noch führt gelegentlich der eine oder andere Verein dort ein deutsches Stück auf, in besonders trefflicher Weise vor allem die Sängervereinigung in Clear Spring in der Nähe von New Braunfels.

Mit der von der Abteilung für germanische Sprachen an der Univer­ sität von Texas in Austin veranlaßten Aufführung dramatischer Werke in deutscher Sprach« setzte gegen Ende dar zuvor gekennzeichneten jahr­ hundertealten Entwicklung eine neue Phase ein. Im Herbst 1946 regte der damalige Leiter der Abteilung, Professor Cecil V. Pollard, an, daß diese engere Verbindung mit den Texasdeutschen aufnehmen solle, indem sie einfache deutsche Stücke zur Aufführung brächte und diese auf Gastspielen auch in den Nachbarstädten zeigte. Etwas Ähnliches hatte bis zum Jahre

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Jahre 1913 etwa die Germania Society, der deutsche Studentenklub, durch­ geführt. Die Anregung wurde mit Begeisterung von Professor Wolfgang IL Michael aufgenommen, der gerade in das Dozentenkollegium eingetreten war und neben seiner Eigenschaft als wissenschaftlicher Kenner der mittelalterlichen Bühne den Vorzug besaß, selbst schauspielerisch aus­ gebildet zu sein.

Zu jener Zeit waren noch keine für solche Zwecke verfügbaren Geld­ mittel, keine Kostüme, keine Ausstattung vorhanden, und die von der Germania Society geschaffene Tradition war längst in Vergessenheit ge­ raten. Aber Professor Michael ließ sich nicht so leicht entmutigen: die Abteilungsmitglieder verpflichteten sich, jeder zehn Dollar bei­ zusteuern, die Damen erboten sich, Kostüme zu nähen, und Geschäftsleute deutscher Abstammung gewährten großzügige Rabatte auf verschiedene der benötigten Materialien.

Für die erste Vorstellung im Frühjahr 1947 wurde Eugo von Hof­ mannsthals "Jedermann" gewählt. Da die Universitätsverwaltung einer geplanten Freilichtaufführung vor der Front des Hauptgebäudes mit einem gewissen Mißtrauen gegenüberstand, mußte man sich mit dem größten Hörsaal als Theaterraum zufriedengeben, und dieser war bei der Auffüh­ rung mit rund 1000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt. An zwei der folgenden Wochenenden fuhr man mit dem gesamten ursprünglichen Ensemble - mit Orchester und Chor mehr als 75 Personen - nach New Braun­ fels und San Antonio, wo lokale deutsch-amerikanische Organisationen behilflich waren, die dortigen Vorstellungen zu einem ebenso großen Erfolg werden zu lassen. Das war das erste Jahr und, was den Besuch angeht, eines der besten.

Die günstige Aufnahme von "Jedermann" bewirkte, daß man sich 1948 an ein weiteres klassisches Stück, Lessings "Minna von Barnhelm", eranwagte, mit Gastspielen in New Braunfels und Fredericksburg. Schon Hu jenem Zeitpunkt entwickelte sich bei den Beteiligten eine stets wach­ sende Vertrautheit mit den jeweils zu bewältigenden Aufgaben der Rol­ lenverteilung, der Einstudierung, der Kostümierung und der Gestaltung des Bühnenbildes, und es wurde eine Anzahl von Dekorationen erworben, die seitdem fast in jedem Stück Verwendung gefunden haben. Einige der

- 10 "AMERIKA DIENST" 18» Dezember 1957 der in "Jedermann" als Schauspieler mitwirkenden Studenten waren von ihren Rollen so begeistert, daß sie sich mit Freuden bereit erklärten, auch bei den weiteren Stücken mitzumachen. Die daraus sich ergebende Kontinuität, die den künstlerischen Leistungen sehr zugute kam, hat, zum mindesten im gewissen Umfange, die Jahre überdauert'.

Das Goethejähr 1949 verlangte selbstverständlich die Aufführung eines Stückes von Goethe. Professor Michael wollte zunächst einige Szenen aus "Faust" spielen lassen, aber schließlich wurde der erste Teil der Tragödie nahezu vollständig gegeben, und dank vorzüglicher Darsteller in den Rollen Fausts, Mephistos und Gretchens brachte diese Aufführung, die in San Antonio, Giddings und New Braunfels wiederholt wurde, den bisher größten künstlerischen Erfolg.

Im folgenden Jahr, 1950» fiel die Wahl wieder auf ein klassisches deutsches Lustspiel, "Die Journalisten" von Gustav Freytag, und im Jahr darauf sah man ein modernes Lustspiel, das in ein orientalisches Gewand gekleidete phantasiereiche Stück "Die vertauschten Seelen" von Wilhelm von Scholz. Im Jahre 1952 kamen vier einaktige Lustspiele an die Reihe: "Die stumme Schönheit" von Johann Elias Schlegel, zwei Fastnachtsspiele von Hans Sachs, "Der Roßdieb zu Fünsing" und "Der fahrende Schüler im Paradies", sowie Ludwig Thomas "Die kleinen Verwandten". Bei dieser "bayrischen Lokalposse" führte ein sehr begabter jüngerer Mann die Regie, der sich als Darsteller schon in "Jedermann", "Minna von Barnhelm" und "Faust" ausgezeichnet hatte und bis zum Jahre 1956 die erste künstlerische Kraft bei den Aufführungen blieb: William H. Cavness., Der "Roßdieb" wurde mit englischen Untertiteln verfilmt und von einer Fernsehgesellschaft in San Antonio als Sendung gebracht.

Im Jahre 1953 war die Stückwahl mit Gerhart Hauptmanns "Die ver­ sunkene Glocke" eine der bisher anspruchsvollsten. Die Abteilung war gerade in das neue Gebäude für das fremdsprachliche Studium umgezogen, in dem ein in akustischer Beziehung ideales Auditorium für deutsche Stücke zur Verfügung.stand. In demselben Frühjahr wurde die Texas Associatioi of German Students (T.iGS), eine den ganzen Bundesstaat umfassende Orga­ nisation, welche die Figh School- und College-Studenten einschließt, gegrün t. Auf deren alljährlichen Tagungen hat die Gruppe der Universität

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Universität von Texas jedesmal ihr Stück beigesteuert, und diese Gepflogenheit hat stets andere ermutigt, sich gleichfalls auf diesem Felde zu versuchen. Die Gruppen der Southern Methodist University in Dallas sowie des Texas Technological College in Lubbock erzielten da­ bei alljährlich mit ihren Aufführungen von deutschen Theaterstücken usserordentliche Erfolge.

Leider mußte die Tradition, in den Gemeinden der Texasdeutschen s;u spielen, aufgegeben werden, da von Anfang an Klagen darüber laut wurden, daß die von der Universität zur Aufführung gebrachten Stücke für das große Publikum zu schwer zu verstehen seien, sowohl was die Sprache als auch was den gedanklichen Inhalt angeht. Aber selbst heute ilden bei den Aufführungen der deutschen Studentenvereinigung in Texas iitglieder der deutsch-amerikanischen Organisationen einen beträcht- ichen und ins Gewicht fallenden Teil der Zuhörerschaft, besonders in ustin.

Das trat vornehmlich im Jahre 1954 in Erscheinung, als man Her­ mann Bahrs fin de siecle-Lustspiel "Das Konzert" gab. Der Tagungsort war Dallas, und das Ensemble mußte über 5000 Kilometer weit reisen, um das Stück auf dem Gelände der Southern Methodist University zu spielen.

Für das Jahr 1955 wählte Professor Michael zum 150. Todestage Schillers dessen Nachgestaltung der "Turandot"; im Anschluß daran wurde Goethes Singspiel "Jery und Bätely" mit der Musik von Reichardt ge­ geben. Cavness verkörperte wieder die Hauptrolle und führte Regie.

Im Mozartjähr 195& hot man ein weiteres Stück mit Musik, eine Dramatisierung von Mörikes Erzählung "Mozart auf der Reise nach Prag". Robert Henderson, ein anderer langjähriger Helfer bei den Aufführungen, wählte geeignete Musik aus "Don Giovanni" und anderen Werken Mozarts aus und paßte sie dem Text an. Professor Michael leitete den zweiten Teil des Programms, der Schnitzlers Puppenspiel "Zum großen Wurstel", eine geistreiche Satire auf das konventionelle Drama des 19» Jahrhun­ derts, brachte. Obgleich Professor Michael sich dabei lebendiger Ak­ teure und der regulären Bühne bediente, behielt er doch in sehr wir­ kungsvoller Weise die äußeren Bedingungen und Gepflogenheiten des

-12 - "AMERIKA DIENST" 18. Dezember 1957 des Puppenspiels bei. In diesem Jahre schließlich wurden Eichendorffs "Die Freier", ein Stück, das in Deutschland selbst kaum noch gegeben wird, zur Aufführung gebracht.

Zahlreiche amerikanische Studenten haben in diesen Vorstellungen Gelegenheit erhalten, als mitwirkende Schauspieler Deutsch unmittel­ bar als lebende Sprache zu empfinden, und Tausende unter den Zuschauern haben herausgefunden, daß diese Sprache doch wesentlich lebhafter, in­ teressanter und mitreißender zu wirken vermag als dies ihnen zuweilen in den Lehrbüchern oder im Hörsaal erscheinen könnte. Der Umstand, daß mindestens ein halbes Dutzend Colleges in Texas bereits die Auf­ führung von Stücken in deutscher Sprache praktisch aufgenommen hat, spricht zum mindesten für den erzieherischen und ästhetischen Wert der hier gewählten Methode.

(Aus: "The American German Review") PublisherK Carl Schulz Memorial Foundation, Inc. -Quellenangabe erforderlich- Die Nachdrucksrechte erlöschen am 16. Sept. 1962

ACHTUNG! Auf Anforderung der Redaktionen übersendet der AMERIKA DIENST an Zeitungen und Zeitschriften kostenlos folgende Bilder:

1) Deutsches Theater an der Universität von Texas: Szene aus einer Aufführung von Johann Elias Schlegels "Die stumme Schönheit"

2) Deutsches Theater an der Universität in Texas: Szene aus der Faust-Aufführung. Mephisto mit Margarete und Frau Marth.e.

3) Deutsches Theater an der Universität von Texas: Szene aus der Aufführung von Schnitzlers Puppenspiel "Zum großen Wurstel".

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