Unterlagen für Schulen Landesmuseum Zürich.

«Gott und die Bilder. Streit- fragen der Reformation» 2.2.2018–15.4. 2018 UNTERLAGEN FÜR SCHULEN | BILDUNG & VERMITTLUNG | LANDESMUSEUM ZÜRICH.

Liebe Lehrerinnen und Lehrer

Anfangs 1519 kam Ulrich Zwingli als Gemeindepriester nach Zürich und löste in der Schweiz die Reformation aus. 500 Jahre später gilt die Reformation noch immer als eines der prägendsten Ereignisse der Schweizer Geschichte. Die Ausstellung im Landesmuseum Zürich rückt den Streit um den richtigen Glauben ins Zentrum und beleuchtet so die Ent- stehung einer neuen Konfession. Eigens für die Ausstellung produzierte Animationsfilme erwecken die Geschichten und Konflikte jener Zeit zum Leben. Ein Projekt im Rahmen von www.zh-reformation.ch

Die Ausstellung bietet sich als Sehschule an. Sie möchte Schülerinnen und Schülern mit ver- schiedenen religiösen Hintergründen am Beispiel der Reformation vermitteln, woran sich religiöse Konflikte entzünden. Warum vollziehen sich Glaubensspaltungen? Wie entstehen neue Glaubensformen und Glaubensgemeinschaften? Die Angebote für Schulen fördern die Bildkompetenz, vermitteln Wissen über die Ausbildung der Reformation und regen an zur Auseinandersetzung mit religiöser Vielfalt. Für Schulklassen sind stufenspezifische Führungen vorbereitet. Unterlagen für Schulen mit Klassenmaterialien stehen für die selbstständige Erkundung der Ausstellung sowie zur Vor- und Nachbereitung zum Download bereit: www.nationalmuseum.ch/d/zuerich/schulen.php.

Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm sowie alle Angebote für Schulen finden Sie unter www.nationalmuseum.ch/d/microsites/2018/Zuerich/Reformation.php.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch im Landesmuseum Zürich.

Bildung & Vermittlung | Landesmuseum Zürich «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT

Information und Anmeldung Mo–Fr 09.00–12.30 | 058 466 66 00 [email protected]

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 2 / 20 Inhalt ÜBERSICHT 4 Angebote für Schulen 5 Zur Ausstellung 6 Ausstellungsplan 7 Hintergrund 10 Informationen zu ausgewählten Objekten 12 Klassenmaterialien (* = einfach, ** = anspruchsvoller) 12 KM 1** «JÖGLI, NUN BUCK DICH, DU MUOST IN DEN OFEN!» SINN UND WERT DER BILDER IM WINTER 1523/24 13 KM 2* ALTARTAFELN MIT DER ÄLTESTEN ANSICHT VON ZÜRICH UND DEM MARTYRIUM DER STADTHEILIGEN 16 KM 3* ICH SCHAUE DIESES BILD AN 18 KM 4** ICH SCHAUE DIESES BILD AN 20 Medienverzeichnis

Impressum

«Gott und die Bilder. Streitfragen der Reformation» 02.02.18 – 15.04.18

UNTERLAGEN FÜR SCHULEN AUSSTELLUNG Konzept und Inhalt Gesamtleitung Bildung und Vermittlung, Prisca Senn Andreas Spillmann «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT Texte Projektleitung Erika Hebeisen, Magdalena Rühl, Prisca Senn Erika Hebeisen Koordination Szenografie Roman Sterchi LOOSLI & ZEHNDER, Korrektorat Wissenschaftliche Mitarbeit Ingrid Kunz Graf Michael Kempf Gestaltung Mirabella-Morganti: Rebecca Morganti-Pfaffhauser, Daniela Mirabella Satz und Layout Salome Grand, Lukas Helfer

Alle Rechte vorbehalten. © Schweizerisches Nationalmuseum

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 3 / 20 Angebote für Schulen

Führungen für Schulklassen aus der Schweiz sind kostenlos. Auf Anmeldung.

5.-6. SCHULJAHR «Reformation – Bilder machen Geschichte(n)» In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten, wurden Vor- stellungen und Ideen oft über Bilder verbreitet. Die Umbrüche in der Zeit der Reforma- tion spiegeln sich deshalb besonders deutlich in den damaligen Bildern. Wir begeben uns auf die Suche nach den Geschichten in und hinter Gemälden und Objekten. Interaktive Führung 90 Min | kostenlos | Sprachen: D, F, I, E

SEKUNDARSTUFE I UND II «Die Macht der Bilder. Fokus Reformation» Bilder vermitteln Wissen und Weltanschauungen. Als Zeugnisse eines Zeitgeistes füh- ren sie dem Betrachtenden etwas vor Augen. In der Reformationszeit werden sie be- nützt, um Überzeugungen zu verbreiten. Wir entschlüsseln Bilder jener Zeit und er- gründen ihre Wirkung. Warum schrieben die Reformatoren ihnen so viel Macht zu? Dabei kommen wir auch der heutigen Rolle und Funktion von Bildern auf die Spur. Interaktive Führung 90 Min | kostenlos | Sprachen: D, F, I, E

SEKUNDARSTUFE II «Gott und die Bilder. Streitfragen der Reformation» Der Rundgang vermittelt mit Gemälden und weiteren ikonischen Artefakten einen Ein- blick in die Reformationszeit. Es werden Schlaglichter geworfen auf das, was die Refor- mation in Abgrenzung von der römischen Kirche kulturell und gesellschaftlich in Gang setzte. In dieser Zeit wurden aber auch ganz eigene Bilder kreiert, und eine neue Insze- nierung von Frömmigkeit brachte eine eigene Bildkultur hervor. Die Ausstellung bietet sich deshalb als eine Sehschule an. Führung 60 Min | kostenlos | Sprachen: D, F, I, E

ALLE STUFEN Selbstständiger Ausstellungsbesuch Der Besuch der Ausstellung mit einer Schulklasse ist nur auf Anmeldung möglich. Unterlagen für Schulen mit Klassenmaterialien sind für die selbstständige Erkundung der Ausstellung sowie zur Vor- und Nachbereitung konzipiert. Beides steht zum Down- load bereit: www.nationalmuseum.ch/d/zuerich/schulen.php

ALLE STUFEN «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT Einführung für Lehrpersonen Führung durch die Ausstellung und Inputs zur Arbeit mit Schulklassen aller Stufen. Mit Erika Hebeisen, Ausstellungskuratorin und Prisca Senn, Leiterin Bildung & Ver- mittlung. Di 06.02.2018, 17.30 – 18.30

Information & Anmeldung Mo–Fr 09.00–12.30 | T. 058 466 66 00 | [email protected]

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 4 / 20 Zur Ausstellung

«Gott und die Bilder. Streitfragen der Reformation»

Die Ausstellung «Gott und die Bilder» vermittelt mit Gemälden und weiteren ikonischen Artefakten einen Einblick in die sich formierende Reformationskultur. Es werden Schlaglichter eröffnet auf das, was die Reformation in Abgrenzung von der römischen Kirche kulturell und gesellschaftlich in Gang setzte. Inszeniert werden sowohl wichtige Sammlungsbestände des Schweizerischen Nationalmuseums als auch hochkarätige Leihgaben. Hinterlassenschaften rund um die Zürcher Reformation bilden eine inhaltliche Klam- mer; im Zentrum der Ausstellung steht jedoch die Auseinandersetzung mit religiösen Streitfragen, die zur Ausbildung der protestantischen Kirchen führte: Abschaffung des Ablasses und der Heiligenverehrung, Kinder- oder Erwachsenentaufe, Bedeutung des Abendmahls, Abschaffung des Zölibats und Aufwertung der Ehe. Die Ausstellung bietet sich darüber hinaus an als eine Sehschule. Zwar verurteilte die Reformation die Heiligenverehrung, sie schaffte Kultgegenstände ab und beseitigte sa- krale Kunst aus den Kirchen. Sie kreierte aber auch eigene Bilder und brachte über eine neue Inszenierung von Frömmigkeit eine eigene Bildkultur hervor. Wichtig wurden die Porträts von Reformatoren wie Ulrich Zwingli und oder Bilder pro- testantischer Ehepaare sowie didaktische Bilder wie z.B. das Gemälde von Jesus in- mitten einer Kinderschar – ein Propagandabild gegen die Täufer. Zudem machen eigens für die Ausstellung produzierte Animationsfilme die Geschichten und Konflikte, von de- nen diese Bilder und Objekte zeugen, nachvollziehbar. «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 5 / 20 Ausstellungsplan

1 Grundlegende Position Zwinglis

2 Heilige verdrängen, Bilder zerstören

INTRO 3 Präsenz Gottes beim Abendmahl 2 4 Täuferverfolgung

5 Neue reformierte Glaubenspraktiken

6 Zölibat und Auf- 3 wertung der Ehe 1 7 Glaubenskrieg und Zwinglis Erbe

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EPILOG

5 «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT

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LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 6 / 20 Hintergrund

Neue Sicht auf die Welt als Nothelfer strikt ab. Daraus folgte auch seine Die Entdeckung bisher unbekannter Erdteile, die Er- Überzeugung, dass der Bilderdienst eine von Gott forschung der Natur, die Erfindung neuer Technologi- verbotene Abgötterei sei. Ausgangspunkt seiner Kri- en und die Beschäftigung mit philosophischen Texten tik war für Zwingli die Bibel. Er nennt als Beispiel die aus der Antike führten im 15. Jh. zu Erkenntnissen, Anbetung des Goldenen Kalbs und die Verbote der die auch das Verhältnis zu Religion und Glauben be- Bilderverehrung im Gesetz Moses, am Anfang der einflussten. Martin Luther und andere Geistliche be- Zehn Gebote. Aus dem Neuen Testament führt Zwing- gannen, die Macht der römischen Kirche infrage zu li vor allem die Missbilligung der Bilder durch Paulus stellen. In Zürich war es , in Genf an, der darin heidnisches Götzenwerk sieht. Ausser- Jean Calvin, welche die Bibel ins Zentrum der Glau- dem gründete Zwinglis Ablehnung auf eigenen Erfah- bensvermittlung stellten. rungen. Abstossend fand er die kostbare Ausstattung der Heiligenstatuen und Reliquienbehälter mit Silber, Die Reformation in Zürich Gold und Edelsteinen, während arme und bedürftige Am 9. März 1522, an einem Fastensonntag, wurde im Menschen darben mussten. Oft verletzen die Dar- Haus des Buchdruckers Christoph Froschauer Wurst stellungen der Heiligen, gemäss Zwingli, auch die verzehrt und damit das Fastengebot bewusst gebro- Sittlichkeit: «Hie stat ein Magdalena so huerisch ge- chen. Noch im selben Monat predigte Zwingli gegen maalet, das ouch alle pfaffen ye und ye gesprochen das Fasten und liess entsprechende Druckschriften habend: wie könnd einer andächtig sin, mäss ze ha- verbreiten. Zwingli hatte mit seiner Kritik und seinen ben? Ja, die ewig rein unversert magt und muoter Forderungen, die er für die erste Disputation in 67 Jesu Christi, die muoss ire brüst harfürzogen haben.» Thesen fasste, Erfolg: 1523 erliess der Zürcher Rat («Da steht eine Magdalena, die so verführerisch ge- schrittweise erste Vorschriften in reformatorischem malt ist, dass sogar alle Priester immer wieder sag- Sinn und führte bis 1525 in Zürich die Reformation, ten: Wie kann man dabei in Andacht die Messe fei- die Erneuerung des kirchlichen Lebens, durch. An die ern? Ja, sogar die ewig reine, keusche Jungfrau und Stelle des kirchlichen Messgottesdienstes trat die Mutter von Jesus Christus muss ihre Brüste entblös- Predigt. Bilder wie Altargemälde und Skulpturen in sen.» In: Marti, Susan/Mondini, Daniela: «Ich manen den Kirchen wurden entfernt, und die Verehrung der dich der brüsten min, Das du dem sünder wellest mil- Heiligen wurde abgeschafft. Klöster wurden ge- te sin!» – Marienbrüste und Marienmilch im Heilsge- schlossen, verwüstet oder auch abgebrannt. Diese schehen. In: Peter Jetzler: Himmel, Hölle, Fegefeuer. Erneuerung wurde nicht in der ganzen Eidgenossen- Das Jenseits im Mittelalter. München 1994, S. 84. schaft gutgeheissen: Es kam zum Krieg zwischen den Zwar verstellten gemäss Zwingli die Heiligenbilder katholischen und den reformierten Orten. Nach Zü- und -statuen den Blick auf die wesentlichen Glau- rich nahmen bis 1536 Bern, Basel, Schaffhausen und bensinhalte, trotzdem legte er Wert auf die klare Un- die zugewandten Städte St. Gallen, Biel, Mülhausen terscheidung zwischen Götzen und Bildern, die zu und Genf die Reformation an. keinem Kult Anlass geben. Im Kirchenraum als dem Ort des Gottesdienstes und Gebets droht allerdings Bilderkritik und Bildersturm allen Bildern die Gefahr der Verehrung, weshalb sie «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT Sich über die Bedeutung religiöser Bildwerke Gedan- dort unter keinen Umständen zu dulden sind. Diese ken zu machen, war nichts Neues. Der Kirchenlehrer strenge Auffassung des Reformators führte im Juni Augustin (354–430) plädierte für den Vorrang der 1524 dazu, dass der Zürcher Rat beschloss, alle Bild- Schrift vor dem Bild: Man könne sich zwar an der werke und Altäre aus den Kirchen der Stadt entfer- Schönheit der Bilder erfreuen, das genüge aber nicht nen zu lassen. Anders als an andern Orten vollzog für die Erkenntnis der christlichen Botschaft. Denn sich der Zürcher Bildersturm mehrheitlich in ruhigen dazu müsse man die Schrift lesen, die daher das Bahnen. Die Durchführung des Ratsbeschlusses Wichtigere sei. Papst Gregor I. (590–604) argumen- wurde einem Ausschuss, bestehend aus je einem tierte, die Malerei in den Kirchen sei für diejenigen, Vertreter der Constaffel und jeder Zunft sowie den die das Lesen nicht beherrschten, damit diese sähen, Leutpriestern, übertragen, «um zu verhüten, dass die was sie den Büchern nicht entnehmen könnten. Da- Götzen mutwillig zerstört würden». Kirchen und Klös- her sei die Malerei auch bei der Heidenbekehrung ter blieben während der Entfernung der Bildwerke sehr wichtig. während 13 Tagen geschlossen. Die Bilderfrage stand in der Reformation wieder im Zentrum der Diskussion. Vor allem der Zürcher Refor- mator Huldrych Zwingli (1484–1531) äusserte sich sehr bestimmt zu diesem Thema. Auf der Grundlage des Glaubenssatzes, wonach Christus der einzige Mittler zwischen Gott und dem Menschen sei, lehnte Zwingli Heilige und deren Verehrung und Anrufung

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 7 / 20 Die Erfindung des Buchdrucks Kirche infrage zu stellen. Sie standen ein für das Ide- Im 15. Jahrhundert machte der Goldschmied Johan- al einer auf die Gebote der Bibel und das Vorbild nes Gutenberg eine revolutionäre Erfindung, die es Christi gestützten Tugend. ermöglichte, Bücher in kurzer Zeit und in grosser Zahl herzustellen: den Buchdruck mit beweglichen Konfessionelle Konflikte spalten die Eidgenos- Druckbuchstaben, sogenannten Lettern. Seit 1450 senschaft verbreitete sich das von Johannes Gutenberg erfun- Die Reformation im ersten Drittel des 16. Jahrhun- dene «künstliche Schreiben» in Europa. 1455 wurden derts spaltete nicht nur die Christenheit, sondern die ersten 185 Exemplare von Gutenbergs erstem auch die Eidgenossenschaft in zwei Lager und führte Buch gedruckt: Es war eine lateinische Bibel. Die frü- zu vier konfessionellen Bürgerkriegen: zum Ersten hesten Druckorte im Gebiet der heutigen Schweiz und Zweiten Kappeler Krieg 1529 und 1531 und zu sind Basel (um 1468), Beromünster (1470), Burgdorf den beiden Villmergerkriegen von 1656 und 1712. (1475), Zürich (um 1479), Rougemont (1481), Pro- Kurz vor der Gründung des Bundesstaates kam es im menthoux (bei Prangins, VD) und Sitten (1482) sowie November 1847 zur letzten konfessionell aufgelade- Lausanne (1493). Ein gedrucktes Buch soll damals nen Auseinandersetzung, zum sogenannten Sonder- ein Fünftel der Summe für die entsprechende Hand- bundskrieg. Konfessionelle Kriege prägten vom schrift gekostet haben. Gegen Ende des 15. Jahrhun- 16. Jahrhundert an nicht nur die Geschichte der Eid- derts stiegen die Auflagezahlen, und die Preise für genossenschaft, sondern auch jene weiter Teile Eu- gedruckte Bücher sanken. ropas. Veröffentlicht wurden vor allem religiöse Texte, meis- Der nach der Schlacht von Kappel im November 1531 tens in lateinischer Sprache. Bald wurden auch Mas- abgeschlossene Landfriede sah vor, dass die Obrig- senwaren produziert: Kalender, Ablassbriefe und im- keiten der vollberechtigten eidgenössischen Orte für mer häufiger Flugschriften politischen Inhalts oder sich und ihre Untertanen die Konfession bestimmen beispielsweise Texte zur Propaganda reformatori- konnten. schen Gedankenguts. 1531 erschien beim Zürcher Buchdrucker Christoph Protestantische Zucht und Ordnung Froschauer die sogenannte Zürcher Bibel, die zum Das Schwergewicht des obrigkeitlichen Einflusses ersten Mal alle Texte des Alten und Neuen Testa- auf die Gesinnung der Untertanen bestand nicht in ments in deutscher Übersetzung im grossen Folio- der Vermittlung von Bildung, sondern in der Vermitt- format vereinigte. Dabei handelt sich um die Wieder- lung einer Moral. Nach Ansicht der Reformatoren war gabe des Bibeltextes im volkssprachlichen frühen das Haus der wichtigste Ort der christlichen Erzie- Hochdeutsch, das im oberdeutschen Raum ge- hung. Für Martin Luther galt die Familie als wahre bräuchlich war. Dieser ersten vollständigen Ausgabe Kirche, in der Vater und Mutter als Apostel, Bischöfe ging in den Jahren zuvor die Veröffentlichung einzel- und Pfarrer ihren Kindern das Evangelium kundtun. ner Teile voraus: Zuerst erschien das Neue Testa- Mit dieser spirituellen Aufwertung avancierte die ment, es folgten dann einige Teile des Alten Testa- Pfarrfamilie und dann die Familie allgemein zum Mo- ments nebst den Apokryphen. Der deutsche Text dell der christlichen Gesellschaft und zur Miniatur- dieser ersten Drucke basierte in den Anfängen noch ausgabe des wohlregierten Staates. So standen in auf den Übersetzungen Martin Luthers. Die vollstän- den protestantischen Orten Ehe und Familie im Mit- dige Zürcher Bibel gelangte dann aber drei Jahre vor telpunkt der obrigkeitlich-kirchlichen Morallehre. Vollendung und Drucklegung der Lutherbibel zum Eine grosse Anzahl von verschiedensten Mandaten Abschluss. sollte die Untertanen anhalten, den Sonntag zu hei- Die Zürcher Bibel wurde im Gegensatz zur Lutherbi- ligen, die Sonntagspredigt zu besuchen, sich unauf- «GOTT UND DIE BILDER. STREITFRAGEN DER REFORMATION» STREITFRAGEN UND DIE BILDER. «GOTT bel nicht von einem einzigen sprachmächtigen fällig zu kleiden, nicht zu fluchen, nicht zu spielen Übersetzer wie Luther erarbeitet, sondern von einer und ein geordnetes Familienleben zu führen. Gruppe von mehreren Theologen und Sprachgelehr- Die so erfolgte soziale Disziplinierung der Unterta- ten. Aus diesem Grund wird die Zürcher Bibel nicht nen hatte, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, neben nach Zwingli alleine benannt. dem religiösen auch einen wirtschaftlichen Zweck: Man sollte mit dem Besitz haushälterisch umgehen Humanismus und sich in die obrigkeitliche Sozialordnung einfü- Der Begriff leitet sich ab von lat. humanitas (Mensch- gen. Für die Durchsetzung dieser Moral war in erster lichkeit). Humanismus ist eine Weltanschauung und Linie der Pfarrer verantwortlich. Er hatte in der Kir- geistige Bewegung, die auf die abendländische Phi- che die Mandate zu verkündigen und bei Hausbesu- losophie der Antike zurückgreift und sich an den In- chen zu kontrollieren und zu mahnen. Die Strafen teressen, Werten und der Würde des einzelnen Men- reichten vom Verweis über die Erwähnung in der Pre- schen orientiert. Die Bewegung des Humanismus digt bis zum Ausschluss vom Abendmahl, zu Bussen entwickelte sich ausserhalb der kirchlichen Hierar- und Gefängnisstrafen. chie während der Zeit der Renaissance im 14. bis Die katholischen Obrigkeiten gingen in ihren Bemü- 16. Jahrhundert. hungen um die Moral wesentlich weniger weit. Die Die Humanisten kritisierten jedoch das niedrige Bil- Priester sahen sich nicht als obrigkeitliche Sittlich- dungsniveau der Geistlichkeit, die Korruption der keitswächter und zogen es vor, Sündern in der Beich- kirchlichen Würdenträger und die Wundergläubigkeit te die Absolution zu erteilen und auf diesem Wege des einfachen Volkes, ohne die Notwendigkeit der Gottes Zorn fernzuhalten.

LANDESMUSEUM ZÜRICH. | Bildung & Vermittlung 8 / 20 Ehe und Familie nach der Reformation In den protestantischen Gebieten setzte sich ein re- formiertes Eherecht durch. Im Zürcher Ehegesetz von 1524 wurden Eheversprechen und Verlobung als Eheschliessung betrachtet. Neu wurde die Schei- dung möglich, und Männer ab 20 und Frauen ab 18 Jahren konnten nun auch ohne Einwilligung der El- tern heiraten. Zur Durchsetzung und Bewahrung gu- ter ehelicher Sitten setzten die reformierten Orte spezielle Ehegerichte ein, die «Sittengerichte». Der Nachfolger Zwinglis, der Reformator Heinrich Bullinger (1504–1575), verfasste 1547 die Schrift «Der Christlich Eestand» und hielt darin die ideale Rollenverteilung zwischen