Frank Decker () Über das Scheitern des neuen Rechtspopulismus in Deutschland Republikaner, Statt-Partei und der Bund Freier Bürger

Im Unterschied zu anderen westeuropäischen Ländern sind den rechtspopulistischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland größere Wahlerfolge bislang versagt geblieben. Um diesem Phäno- men auf den Grund zu gehen, werden im Folgenden zwei einander ergänzende Erklärungen angebo- ten. Einerseits lässt sich das Scheitern auf die feindliche Umgebung zurückführen, mit der jegliche Form von Populismus in Deutschland konfrontiert wird; andererseits hängt es mit dem Unvermögen der rechtspopulistischen Akteure zusammen, sich als parteipolitische Kraft zu etablieren. Anders als in Frankreich oder Österreich, wo es den Rechtsaußenparteien Front National und FPÖ gelungen ist, verschiedene Stränge des Rechtspopulismus in einer gemeinsamen Organisation zusammenzuführen, laufen diese Stränge in der Bundesrepublik in Gestalt verschiedener Gruppen nebeneinander, wo- durch das rechtsextreme Wählerpotenzial gespalten wird. Drei der gescheiterten Parteien werden hier eingehender betrachtet: die Republikaner, die Hamburger Statt-Partei und der Bund Freier Bür- ger.

1. Einleitende Bemerkungen tikerInnen selbst, wenn sie den Populismus- verdacht – gleichsam prophylaktisch – von sich Zu den Standardvorwürfen, die deutsche weisen: „Dem Volk aufs Maul schauen, ihm aber PolitikerInnen in der politischen Auseinander- nicht nach dem Munde reden” – die Interpreta- setzung regelmäßig zu gewärtigen haben, ge- tion des bekannten Luther-Ausspruches durch hört der Vorwurf, sie seien oder verhielten sich Franz Josef Strauß klingt wie ein Selbstdementi, „populistisch”. Populismus steht in Deutschland obwohl man gerade Strauß nachgesagt hat, dass in keinem hohen Ansehen, gilt nachgerade als er den Typus des Populisten in der bundesdeut- Negation dessen, was die Qualität eines verant- schen Politik wie kein anderer verkörperte. wortungsbewussten Politikers im demokrati- Ob Strauß den Begriff – wie etwa sein Nach- schen Staat ausmache. Die Populismusschelte folger – zur Selbstbezeichnung floriert in populären und seriösen Medien glei- akzeptiert, ihn als Ausweis demokratischer Ge- chermaßen. Forderungen des früheren SPD- sinnung ins ausdrücklich Positive gewendet Vorsitzenden Lafontaine nach einer Zuzugs- hätte, ist nicht bekannt. Dergleichen bleibt in begrenzung für deutschstämmige Aussied- Deutschland jedenfalls die Ausnahme. Wer den lerInnen veranlassten das Nachrichtenmagazin Populismusverdacht äußert, drängt seine „” zu einer Titelgeschichte wider das KontrahentInnen damit meist erfolgreich in die vermeintlich grassierende Phänomen.1 Tenor: Defensive. Das passende Negativattribut wird „Die Parteien kapitulieren vor den komplizier- häufig gleich mitgeführt: Populistisch sein ist ten Problemen und flüchten sich in Populismus.” billig. Es heißt – so die Unterstellung – das po- Eine ähnliche Tonlage herrscht unter Poli- litische Terrain mit Primitivargumenten zu be-

ÖZP, 29 (2000) 2 237 setzen, nicht um der Sache, sondern um der vor- summenspiels scheinbar unvereinbar gegen- dergründigen Gunst öffentlicher Zustimmung überstehen (Puhle 1986, 23). Der von den willen zu streiten, sich dem vermeintlichen Populisten hochgehaltene Plebiszitgedanke hat Volkswillen anzubiedern (während man für sich zwar – u.a. durch die Parteien – an Boden ge- selbst den Mut des Unpopulären reklamiert). Ein wonnen, doch wird diese Entwicklung mit grö- solches Verdikt ist nicht unbedingt ehrenrührig, ßerem Argwohn betrachtet als anderswo: Die selbst dann nicht, wenn darin der Vorwurf der Abweichung vom „anti-populistischen Kon- Unredlichkeit mitschwingt. In seiner Unverbind- sens” ist in der Bundesrepublik bis heute ge- lichkeit hat der Populismusvorwurf etwas wohl- ring geblieben. tuend Unverfängliches; er trifft die/den andere/ Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn n, ohne sie/ihn wirklich auszugrenzen oder zu der parteiförmig organisierte Populismus in stigmatisieren und ist in der Auseinandersetzung Deutschland eine zwiespältige und – im Ver- wohl gerade deshalb so schnell bei der Hand. gleich zu anderen Ländern – ziemlich beschei- Jemanden einen Populisten zu schelten, kostet dene Erfolgsbilanz aufweist. Nicht nur, dass die den/der AngreiferIn also nicht viel, im Gegen- neuen populistischen Parteien in der Bundesre- teil: Der Vorwurf ist so wohlfeil, dass eine zu publik sehr spät in Erscheinung getreten sind – häufige Verwendung selbst „billig” wäre und auf größere Wahlerfolge erzielten sie erst gegen den/die UrheberIn zurückfallen könnte. Ende der achtziger Jahre; ihre Höhenflüge blie- Populistische Parteien und Bewegungen ha- ben von vornherein auf die kommunale und ben nicht nur in Deutschland einen schlechten Länderebene beschränkt und waren auch dort Ruf, wenngleich die negative Konnotation des zumeist nur von kurzer Dauer. Lediglich in Ba- Begriffs hier besonders ausgeprägt zu sein den-Württemberg ist es den rechtspopulistischen scheint (zum sozialwissenschaftlichen Popu- Republikanern (REP) 1996 gelungen, ihr Wahl- lismuskonzept allgemein vgl. Ionescu/Gellner ergebnis von 1992 annähernd zu halten (9,1 1969; Canovan 1981) . Dieser auf ausländische gegenüber 10,9%); in den übrigen Ländern BeobachterInnen bisweilen befremdlich wirken- konnte sich die Partei ebensowenig etablieren de anti-populistische Reflex ist vor dem Hin- wie die rechtsextreme Konkurrenz von NPD und tergrund der jüngeren deutschen Geschichte DVU2 oder andere Neugründungen, die eine leicht verständlich. Er entspringt der traumati- gemäßigtere Version des Populismus bevorzu- schen Erfahrung eines Landes, dessen ohnehin gen (Statt-Partei, Bund Freier Bürger). verspätete erste Demokratie an einer Massen- Die diskontinuierlichen Wahlerfolge spiegeln bewegung zugrunde gegangen ist, die deutlich sich in der wissenschaftlichen Rezeption wider: populistische Züge trug. Obwohl Hitler auch bei Standen zunächst die Ursachen des Auf- der letzten noch halbwegs freien Reichstagswahl schwungs der neuen populistischen Parteien (vor im März 1933 keine eigene Mehrheit erringen allem: der Republikaner) im Zentrum des Inter- konnte, ist er doch nicht gegen, sondern durch esses, so setzte sich bald die Einsicht durch, dass das Volk an die Macht getragen worden. Die es um die Überlebensfähigkeit solcher Parteien Konsequenzen für die Begründung der zweiten in der Bundesrepublik nicht zum Besten bestellt deutschen Demokratie sind bekannt: Von tiefem ist. Zwei Erklärungsmöglichkeiten bieten sich Misstrauen in die Demokratiefähigkeit der Deut- für die vergleichsweise Schwäche an: Zum ei- schen geprägt, haben die Verfassungsgeber ein nen könnte es sein, dass die Durchsetzungs- System geschaffen, das der Verführbarkeit des chancen des rechten Populismus aufgrund der Volkswillens künftig jeden erdenklichen Riegel beschriebenen Vorbelastungen in Deutschland vorschieben sollte. Die in der Nachkriegszeit an anspruchsvollere Voraussetzungen gebunden noch überwiegend normativ ausgerichtete sind als anderswo. Wie die Wahlerfolge der Politikwissenschaft reflektierte dies in einem Republikaner gezeigt haben, gibt es einen Nähr- merkwürdig dichotomisierten Demokratie- boden für populistischen Protest auch in der verständnis, bei dem sich plebiszitäre und re- Bundesrepublik, doch wird die Organisier- präsentative Komponenten nach Art eines Null- barkeit dieses Protests (in Gestalt neuer Partei-

238 en) durch die Stigmatisierung der Vergangen- halbherzig) bedient – den Nutzen hatten die FDP heit wesentlich erschwert. Die Integrationskraft sowie Teile der Union. Ein weiteres Erschwer- der „Altparteien” muss darum möglicherweise nis für die neuen Parteien stellten die Folgen höher veranschlagt werden, als nach den An- des deutschen Vereinigungsprozesses dar. Nicht fangserfolgen des neuen Populismus zu erwar- nur, dass es in der ehemaligen DDR an einer ten war. Die zweite Erklärung geht davon aus, breiten Mittelschicht fehlte, aus der sich der dass die Voraussetzung einer Etablierung in Anhang des Populismus hätte speisen können; Deutschland genauso günstig oder ungünstig auch die reichlich vorhandene Unzufriedenheit liegen wie in anderen Ländern – allein hätten es wirkte sich dort nicht zugunsten der Newcomer die neu entstandenen Akteure versäumt, die sich aus, da mit der PDS eine andere, genuin ost- ihnen bietenden Gelegenheiten zu nutzen. Ver- deutsche Protestalternative bereitstand: Die wiesen wird hier auf die mangelhafte Organisa- Kombination von linkem und regionalistischem tionsstruktur und Darstellungskompetenz der Populismus sicherte der SED-Nachfolgepartei populistischen Parteien, die zur inneren Konso- in den neuen Ländern Stimmenanteile, von de- lidierung nicht in der Lage waren und deren nen ihre rechtspopulistischen Konkurrenten im negatives Erscheinungsbild in der Öffentlich- Westen nur träumen konnten. keit eine längerfristige WählerInnenbindung vereitelte. Symptomatisch für die Durchsetzungsschwä- 2. Rechtspopulistische Parteien in che des neuen Populismus ist seine organisato- Deutschland rische Zersplitterung. Während es der französi- sche Front National (bis zur Spaltung der Partei 2.1 Die Republikaner 1999) und die österreichische FPÖ geschafft haben, verschiedene Stränge des populistischen Nachdem die extreme Rechte in Deutschland Protests in einer gemeinsamen Partei zusam- fast zwei Jahrzehnte ein Schattendasein gefris- menzuführen, verlaufen diese Stränge in der tet hatte, begann mit dem Überraschungs- Bundesrepublik in Gestalt mehrerer Gruppierun- ergebnis der Republikaner bei den Wahlen zum gen nebeneinander. Die hier betrachteten Par- Berliner Abgeordnetenhaus Anfang 1989 eine teien – Republikaner, Statt-Partei und Bund Frei- ungeahnte Erfolgsserie, an der neben den Re- er Bürger – haben sich, was ideologische Aus- publikanern auch andere Parteien der extremen richtung und elektorale Strategie betrifft, wech- Rechten wie DVU und NPD partizipierten. Grö- selseitig kaum beeinflusst. Ihre Agenden wer- ßere Wahlerfolge solcher Parteien hatte es in der den von ganz unterschiedlichen Themen be- Bundesrepublik schon zweimal vorher gegeben. herrscht, die in der jeweiligen Programmatik Die erste Welle des Rechtsextremismus setzte oben anstehen: bei den Republikanern war und in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein, als ist das die Ausländerpolitik, bei der Statt-Partei mehrere rechte Splitterparteien dank der noch die institutionelle Reform des Parteienstaates, nicht eingeführten Sperrklausel in den ersten beim Bund Freier Bürger die Ablehnung des Bundestag einziehen konnten und bei den europäischen Maastricht-Prozesses. Andere nachfolgenden Landtagswahlen zum Teil zwei- Themen bleiben dem untergeordnet oder wer- stellige Stimmergebnisse erreichten. Die dama- den nur am Rande behandelt. Dies gilt insbe- ligen Erfolge waren ein direktes Produkt der sondere für das Wohlfahrtsstaatsissue, das in alten Ordnung des Nationalsozialismus, aus Deutschland sicher nicht weniger Anknüpfungs- dessen Anhängerschar sich die WählerInnen der punkte für eine Profilierung bieten würde als in Rechtsaußenparteien ausnahmslos rekrutierten vergleichbaren Ländern. Nachdem mit Hermann (vgl. Stöss 1991, 106–115). Dass der organisierte Fredersdorfs Bürgerpartei die Erstauflage einer Rechtsextremismus in den fünfziger Jahren Steuersenkungspartei in den 70er Jahren ge- rasch abebbte und in politische Bedeutungslo- scheitert war, wurde das Thema in den 90ern sigkeit fiel, lag zum einen an der repressiven von den neuen Kräften erst gar nicht (oder nur Vorgehensweise des Staates (Verbot der Sozia-

239 listischen Reichspartei durch das Bundesverfas- Rechten auch zu programmatischen Innovatio- sungsgericht 1952 und Auflösung weiterer nen führte. Befördert wurde der Aufschwung rechtsextremer Gruppierungen), zum anderen – durch die 1987 gegründete DVU-Liste D des noch wichtiger – am erfolgreichen Bemühen der Verlegers Gerhard Frey, dessen Zusammenar- Unionsparteien, die rechtsextremen Wähler- beit mit der NPD das jahrelange Schisma der Innen in das Lager der Bürgerlichen zu über- alten Rechte beendete. Indem Frey seinen pub- führen. lizistischen Apparat nun auch parteipolitisch in In den 60er Jahren geriet dieses Erfolgsmodell den Dienst der rechtsextremen Sache stellte, trug vorübergehend unter Druck. Die Rezession von er zu den anschließenden Wahlerfolgen von 1966/67 bescherte der Republik eine Wirt- DVU und NPD maßgeblich bei (ebd., 18–21). schaftskrise, während auf außenpolitischem Dass diese Erfolge erst im Windschatten der Gebiet erste Schritte in Richtung Entspannung Republikaner möglich wurden, steht auf einem unternommen wurden, um die Konfrontation anderen Blatt. Vergleicht man die Stimm- zwischen Ost und West abzubauen. Politische ergebnisse der drei Parteien, so zeigen sich, was Konsequenz der veränderten Lage war die Bil- WählerInnenstruktur und -motive angeht, kaum dung der Großen Koalition (1966), die aus Sicht Unterschiede (s.u.). Aus Sicht der WählerInnen der Union eine Linksverschiebung ihrer bishe- schien es demnach keine große Rolle zu spie- rigen Politik darstellte. Dies und das gleichzei- len, für welche der drei Rechtsparteien sie im tige Aufkommen der Außerparlamentarischen Einzelfall votierten. Anders liegen die Dinge auf Opposition (APO) verbesserten die Ausgangs- der Angebotsseite. Während sich DVU und NPD lage für die extreme Rechte erheblich und führ- bis heute als rechtsextreme Sammelbecken ver- ten zu einer Reihe spektakulärer Wahlergebnis- stehen, verkörperten die Republikaner – zumin- se der erst 1964 gegründeten NPD, die zwischen dest in der Anfangsphase – weniger eine extre- 1966 und 1968 in sieben Landesparlamente ein- mistische denn eine rechtskonservative Partei ziehen konnte und bei der Bundestagswahl 1969 mit starker Affinität zum rechten Unionsflügel. die Fünf-Prozent-Marke nur um wenige Zehn- Die unterschiedlichen Ausgangslagen lassen telprozente verfehlte (ebd., 144–150). sich an der Entstehungsgeschichte ablesen. Die erstmalige Bildung einer sozialdemokra- Während DVU und NPD von der veränderten tisch geführten Bundesregierung mit ermögli- politischen Konstellation profitierten, die durch chend, trug das knappe Scheitern der NPD dazu die Regierungsübernahme der Union 1982/83 bei, dass die Partei von der Bildfläche ebenso eingetreten war, sind die Republikaner – als schnell wieder verschwand wie sie aufgetaucht Abspaltung von der bayerischen CSU – aus die- war. Das Jahr 1969 markiert insoweit in der ser Konstellation hervorgegangen. Gegründet Entwicklung des organisierten Rechtsextremis- wurde die Partei im November 1983 von den mus eine wichtige Zäsur: In ihrer Oppositions- beiden Bundestagsabgeordneten rolle konnten sich CDU und CSU von nun an und Ekkehard Voigt, die ihrer Partei aus Verär- verstärkt nach rechts orientieren; dadurch ge- gerung über den von Franz Josef Strauß vorge- lang es ihnen, das rechtsextreme Wähler- nommenen Kurswechsel in der Ost- und potenzial auszutrocknen und die oppositionel- Deutschlandpolitik den Rücken gekehrt hatten. len Kräfte im eigenen Lager zu bündeln (Jaschke Als drittes Gründungsmitglied gesellte sich mit 1990, 17). Die NPD hatte dem wenig entgegen- dem früheren Fernsehjournalisten Franz Schön- zusetzen. Von innerparteilichen Streitigkeiten huber ein weiterer CSU-Renegat hinzu. Den aufgerieben, zerfiel sie seit 1971 in zahlreiche Anlass der Verärgerung bildete ein von Strauß Splittergruppen, deren politische Wirkung ge- vermittelter Milliardenkredit an die DDR, des- gen Null ging. Erst Mitte der achtziger Jahre, sen politische Folgewirkungen im eigenen La- als die NS-belasteten Altfunktionäre einer jün- ger der bayerische Ministerpräsident offenbar geren Führungsgeneration Platz machten, zeich- unterschätzt hatte. Bis dahin galt Strauß als nete sich eine allmähliche Wiederbelebung ab, Garant dafür, dass CDU und CSU ihre Gefolg- die unter dem theoretischen Einfluss der Neuen schaft bis weit nach rechts integrieren konnten.

240 Unter den Bedingungen der Opposition noch konnten darum weder bei der Hamburger Bür- leicht zu befriedigen, nahm der Integrations- gerschaftswahl im November 1986 noch bei der bedarf ab 1982 stark zu, da sich die unions- Bundestagswahl im Januar 1987 antreten. Wo geführte Regierung unter Bundeskanzler Kohl sie sich zur Wahl stellten – in Bremen (Septem- auf eine radikale Abkehr von der alten Politik ber 1987), Baden-Württemberg und Schleswig- nicht verstehen mochte. Holstein (Mai 1988) – blieben die Stimm- Nachdem die von Kohl versprochene „geistig- ergebnisse deutlich unter den Erwartungen. Der moralische Wende” in der Praxis folgenlos blieb, Erfolg in Berlin kam insoweit auch für die Par- begann sich die konservative Publizistik laut- tei selbst überraschend – die Republikaner ge- stark auf CDU und CSU einzuschießen (ebd., wannen mehr Parlamentssitze als sie mit eige- 35–48). Elektoral war das für die beiden Schwe- nen KandidatInnen besetzen konnten. Unter- sterparteien solange verschmerzbar, wie die stützt durch die erhöhte Medienaufmerksamkeit Kritik von der Integrationsfigur Strauß aufge- setzte sich der Erfolg bei den Europawahlen fort nommen und absorbiert wurde. Erst dessen ei- (Juni 1989); die 7,1%, die man damals erzielte, gene „Wende” öffnete den politischen Raum bedeuten bis heute das beste Ergebnis der Re- nach rechts und verhalf den Republikanern zu publikaner bei einer bundesweiten Wahl. einem ersten Achtungserfolg bei der bayerischen Die Hoffnung, der elektorale Durchbruch Landtagswahl im Oktober 1986 (3,0%). Als der würde zur inneren Stabilisierung beitragen, er- CSU-Vorsitzende zwei Jahre später starb, war füllte sich allerdings nicht. Der rasche Anstieg das Abbröckeln des rechten Unionsrandes be- der Mitgliederzahlen und die gleichzeitig erfolg- reits in vollem Gange (zur Entstehungsgeschich- te finanzielle Besserstellung der Partei – dank te der Republikaner vgl. Jaschke 1990 und Neu- großzügig fließender Wahlkampfkostenerstat- bacher 1996). tung – ermöglichten zwar den weiteren Ausbau Die innerparteiliche Entwicklung der Repu- der Organisation; sie waren jedoch nicht imstan- blikaner verlief bis zu diesem Zeitpunkt und de, den innerparteilichen Machtkämpfen entge- auch später wenig verheißungsvoll. Von ihrem genzuwirken, die in der Folge an Heftigkeit so- Vorsitzenden Handlos als eine Art „bessere gar zulegten. Die autoritären Strukturen der CSU” betrachtet, gelang es der Partei, zahlrei- Partei erwiesen sich als untauglich, eine Lösung che Mitglieder und FunktionsträgerInnen von der inneren Konflikte herbeizuführen, weshalb der Union zu sich herüberzuziehen, was ihr im sich der Unmut der Basis fast zwangsläufig über bürgerlichen Lager zunächst eine gewisse Repu- Schönhuber und dessen Führungsstil entlud. Von tierlichkeit verschaffte. Der gleichzeitige Zu- den Befürwortern eines gemäßigten Kurses un- strom von rechtsextremen Kräften sorgte jedoch ter Druck gesetzt, behielt dieser in der Konfron- dafür, dass sich die innerparteiliche Balance tation mit den rechtsextremen Kräften zunächst schon bald zugunsten derjenigen verschob, die die Oberhand und drängte in Harald Neubauer wie Schönhuber einem stärker nationalpopulis- seinen wichtigsten Kontrahenten aus der Par- tischen Kurs der Partei das Wort redeten. Nach tei. Das hinderte den Vorsitzenden nicht, sich Handlos’ Entmachtung ging der Vorsitz 1985 später seinerseits für ein Zusammengehen mit auf Schönhuber über, unter dessen Ägide die den Rechtsextremen auszusprechen, um die stra- Brücken zum organisierten Rechtsextremismus tegische Lage der Republikaner zu verbessern. immer mehr verstärkt wurden. Symptomatisch Damit hatte Schönhuber den Bogen freilich für die Neuausrichtung war, dass mit Harald überspannt. Von der Partei zum Rückzug ge- Neubauer ein ehemaliger Funktionär der NPD zwungen, musste er das Feld für den baden- zum Generalsekretär und – später – Bundes- württembergischen Landesvorsitzenden Rolf sprecher der Partei avancierte. Schlierer räumen, der zuvor bereits Schönhubers Der Erfolg in Bayern änderte nichts daran, Stellvertreter gewesen war (Dezember 1994). dass der Aufbau der parteilichen Strukturen ins- Unter Schlierer gerieten die Republikaner in ein besondere in den norddeutschen Bundesländern ruhigeres Fahrwasser, was sich elektoral jedoch nur schleppend voranging. Die Republikaner kaum auszahlte und auch bei der Mitglieder-

241 entwicklung zu keinen nennenswerten Fort- Ebenso wichtig ist aber auch der umgekehrte schritten führte.3 Zusammenhang, wonach Proteststimmung ei- Die Parteiorganisation bleibt somit weiterhin ner Verbindung mit rechtsextremen Überzeu- eine wesentliche Schwachstelle, die der Verste- gungen bedarf, um die Wahrscheinlichkeit der tigung der Wahlergebnisse im Wege steht. Dies Rechtswahl zu erhöhen; sind diese Überzeugun- wirft natürlich die Frage auf, warum die Repu- gen nicht vorhanden, äußerst sich die Unzufrie- blikaner bei einigen Wahlen trotzdem so gut denheit eher als Nichtwahl oder wird sie von abgeschnitten haben. Darüber Aufschluss geben den bestehenden Parteien absorbiert. Der Pro- kann ein Blick auf die „Nachfrageseite”. Was test kann also verborgene rechtsextreme Einstel- zunächst die Motive der WählerInnen betrifft, lungen politisch aktualisieren. Damit wird die sind in der Literatur unterschiedliche Thesen zugrunde liegende Unzufriedenheit zur entschei- vertreten worden. Die einen sehen in der Wahl denden Bestimmungsgröße, um den wechselhaf- der Republikaner den Ausdruck eines politi- ten Erfolg der Republikaner zu erklären. schen Protests, der aus Deprivationsgefühlen Empirische Untersuchungen zeigen, dass herrühre und von der Unzufriedenheit mit den RechtswählerInnen dem politischen System vorhandenen Parteien bestimmt werde (Veen/ gegenüber stärkere Entfremdungsgefühle hegen Lepszy/Mnich 1991/92). Dass sich die Unzu- als die WählerInnen anderer Parteien (Veen/ friedenheit in der Wahl einer Rechtsaußenpartei Lepszy/Mnich 1991/92, 46–52). Die Gründe kundtut, ist nach dieser Lesart eher zufällig, weil dafür werden ersichtlich, wenn man die Rang- von der Struktur des politischen Angebots ab- folge der als wichtig erachteten Themen betrach- hängig. Sind Alternativen nicht verfügbar (wie tet. Unter den abgefragten Problemfeldern gab etwa die PDS in Ostdeutschland), könnte sich es 1993 lediglich zwei, nämlich „Asyl/Auslän- der Protest genauso gut in einem höheren Nicht- der” und „Parteienverdruss”, die von den wähleranteil niederschlagen. WählerInnen von Rechtsparteien häufiger ge- Andere Autoren ziehen diese Interpretation nannt wurden als von denen der übrigen Partei- in Zweifel, indem sie auf den Gesinnungs- en, wobei das Erstgenannte mit 57% der Nen- charakter der Wahlentscheidung verweisen nungen klar an der Spitze lag (Falter/Klein 1994, (Butterwegge 1997). Das Votum für die Repub- 107–115). Die zeitliche Entwicklung der likaner erkläre sich danach wie das Votum für Themenkonjunktur macht deutlich, dass die verwandte Parteien in früheren Zeiten aus dem Wahlerfolge der Rechtsparteien in hohem Maße Vorhandensein rechtsextremer Anschauungen an das „Asyl-/Ausländerproblem” gekoppelt und Wertorientierungen. Vorliegende Untersu- waren (und sind). Im bayerischen Landtags- chungen bestätigen diese Ansicht, wenngleich wahlkampf 1986 noch ohne nennenswerte Be- man berücksichtigen muss, dass die ermittelten deutung, wurde das Thema 1989 erstmals nach Rechtswählerpotenziale von den zugrunde ge- vorne gebracht, wobei die Großstädte Berlin und legten Einstellungsindikatoren abhängen und Frankfurt a.M. in ihrer Problemkombination von darum beträchtlich schwanken können (Falter/ hohem Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit und Klein 1994, 147–153). Dennoch stehen beide Wohnungsnot für einen Wahlerfolg ebenso gute Erklärungsansätze nicht in Widerspruch zuei- Voraussetzungen boten wie die vergleichswei- nander. Wie Jürgen Falter und Markus Klein in se unwichtige (und daher als willkommene ihren wahlanalytischen Studien nachgewiesen Protestgelegenheit geschätzte) Europawahl. haben, tragen rechtsextreme Einstellungen zur Eine direkte Verbindungslinie zwischen Wahl- Wahl einer rechtsextremen Partei nicht automa- ergebnissen und Dominanz des Ausländer- tisch bei, sondern erst im Zusammentreffen mit themas lässt sich im Jahr 1992 ziehen, als die politischer Unzufriedenheit – das Fortbestehen innenpolitische Agenda der Bundesrepublik von eines rechtsextremen Bodensatzes der Wähler- der Auseinandersetzung um das Asylrecht be- schaft auch in Deutschland unterstellt, wäre die herrscht wurde. Man mag darüber streiten, ob relative Erfolglosigkeit solcher Parteien in der dieser Auseinandersetzung ein objektiv gestie- Bundesrepublik ansonsten kaum zu erklären. gener Problemdruck zugrunde lag (starker Zu-

242 strom von AsylbewerberInnen infolge der rungs)politik lange Zeit an der Doktrin – Grenzöffnung im Osten), oder ob sie aus par- KritikerInnen sagen: Fiktion – fest, wonach die teipolitischem Interesse lediglich geschürt wur- Bundesrepublik kein Einwanderungsland sei. In de. Fest steht, dass das Thema von den großen diesem Fall steht die extreme Rechte vor dem Parteien aufgegriffen und in einer Weise ent- Problem, dass sich der konservative Mainstream schieden wurde, die der extremen Rechte ent- von ihrer eigenen Position nicht allzu sehr un- gegenkam (Young 1995); gerade dadurch konnte terscheidet. An der Vorstellung der ethnisch rei- sich diese in ihren Bemühungen legitimiert füh- nen Nation orientiert, teilen beide ein Identitäts- len und die Einschränkung des Asylrechts als verständnis, das jegliche Form des Multikultur- eigenen Erfolg reklamieren. alismus ablehnt und eine echte Integration da- Nachdem mit der Änderung des Grundgesetz- rum weder für wünschenswert noch für mach- Artikels 16 die Voraussetzung für eine drasti- bar hält (Koopmans/Kriesi 1997). sche Reduktion der AsylwerberInnenzahlen Ob das auch in Zukunft so bleiben wird, ist geschaffen worden war, wurde das Thema im allerdings fraglich. Parlamentarische Mehrhei- öffentlichen Bewusstsein von anderen Proble- ten für eine integrationsfreundlichere Aus- men wie der steigenden Arbeitslosigkeit wie- länderpolitik gab es schon in der Regierungs- der verdrängt, bei denen die etablierten Partei- zeit Helmut Kohls, doch wurde eine Verständi- en einen klaren Kompetenzvorsprung vor den gung darüber vom Mehrheitsflügel der CDU Republikanern aufwiesen. Die programmatische und der bayerischen CSU blockiert. Die von der Fixierung auf das „Ausländerproblem” brachte rot-grünen Bundesregierung betriebene Reform den Rechtsextremen insofern nur kurzfristigen des Staatsangehörigkeitsrechts stellt die Unions- Erfolg. Dass sie sich damit zum Gefangenen parteien heute vor die unangenehme Situation, ihrer politischen Gegner machten (denen es ob- ihre ablehnende Haltung in verbaler Konkurrenz lag, die für nötig gehaltenen Änderungen her- zu den Rechtsaußenparteien vertreten zu müs- beizuführen), war die eine Sache. Eine andere, sen. Damit könnten sich die Mobilisierungs- wichtigere Sache war, dass die Kehrtwende chancen der extremen Kräfte wieder verbessern: beim Asyl das „Ausländerproblem” auf eine In dem Maße, wie die Union unter Druck gerät, Normallage zurückwarf, die der Partei ohnehin sich einer Reform nicht gänzlich zu verschlie- kaum Angriffsflächen bot. Der Grund dafür liegt ßen, würde ihre Integrationsfähigkeit nach rechts in der merkwürdigen Gleichzeitigkeit von „Öff- wahrscheinlich nachlassen und der elektorale nung” und „Schließung”, welche der bundes- Spielraum für die Rechtsaußenparteien größer deutschen Ausländerpolitik von Anfang an ei- (vgl. Minkenberg 1998 und Karapin 1998a). gen war. Einerseits herrschte (und herrscht) in Um die rückliegenden Erfolge der Republi- Deutschland eine relativ großzügige Ein- kaner zu verstehen, ist ein Blick auf die Struk- wanderungspraxis, ablesbar am hohen Anteil tur ihrer Wählerschaft nötig. Die Priorität des der ausländischen „Gastarbeiter”, den zahlreich Ausländerthemas in deren Augen ist ja kein aufgenommenen Bürgerkriegsflüchtlingen und Zufall; sie spiegelt sich in den erwähnten rechts- einer – bis 1992 – äußerst liberalen Asylgesetz- extremen Einstellungen wider, die wiederum in gebung. Die Großzügigkeit ist nicht allein, aber Zusammenhang stehen mit sozialen und Status- doch zum großen Teil ein Reflex des national- merkmalen. Wie die NSDAP in den 30er und sozialistischen Erbes, das der Bundesrepublik die NPD in den 60er Jahren, erzielten die Repub- die Verpflichtung auferlegt hat, dem Fremden- likaner unter ArbeiterInnen überdurchschnittli- hass zu wehren und sich der Welt als „ausländer- chen Zuspruch; Pfahl-Traughber (1994, 78) be- freundliches” Land zu präsentieren. Diese Ver- zeichnet sie insoweit treffend als „Volkspartei pflichtung bedeutet, dass sich die extremen mit Unterschichtenbauch”. Die parteipolitische Rechtsparteien hüten müssen, in allzu große Herkunft der WählerInnen täuscht über diesen Nähe zum Nationalsozialismus zu geraten Sachverhalt in gewisser Weise hinweg. (Kitschelt/McGann 1995, 203–207). Auf der Wanderungsanalysen haben ergeben, dass der anderen Seite hielt die offizielle (Regie- größere Teil der Republikaner-WählerInnen

243 (rund 40%) aus dem Unionslager stammt; le- Gewinnerkoalition aufzubauen, so wie es z.B. diglich 20% geben an, bei der vorausgegange- Le Pen in Frankreich gelungen sei. Der Grund nen Wahl für die SPD gestimmt zu haben (Fal- dafür liege im fehlenden neoliberalen „Appeal”: ter/Klein 1994, 23–26). Eine genauere Betrach- Während der Front National und andere Partei- tung zeigt freilich, dass es sich bei der erstge- en des neuen Populismus aus einer breit ange- nannten Gruppe nicht um traditionelle Unions- legten Wohlfahrtsstaatskritik Nutzen zögen, wählerInnen handelt, sondern um solche, die bleibe das deutsche Pendant infolge seiner früher der SPD zugeneigt waren. ethnozentrischen Verengung auf die Wähler- Die soziale Zusammensetzung deutet darauf basis der alten Rechten beschränkt. Neuere hin, dass die WählerInnen der Republikaner zu Untersuchungen haben die Abhängigkeit der den sog. „ModernisierungsverliererInnen” ge- rechtsextremen Wahlerfolge von der Gunst des hören. Diese gibt es im Prinzip in allen sozialen Ausländerthemas bestätigt: Auch innerhalb der Schichten, sie konzentrieren sich jedoch auf die- Bundesrepublik fallen die Wahlergebnisse un- jenigen Teile der Gesellschaft, denen es schlech- terschiedlich aus, je nachdem, ob das Thema ter geht als dem Durchschnitt, die weniger qua- hoch im Kurs steht oder nicht (Karapin 1998a). lifiziert sind und sich in einer Position mit un- Das Fehlen eines weitergehenden programma- gewissen Zukunftsaussichten befinden (Falter/ tischen Anspruchs hat in erster Linie interne Klein 1994, 61–79). Unabhängig davon, ob der Ursachen; es verweist darauf, dass sich die Be- soziale Abstieg real oder nur empfunden ist, ten- fürworter einer rechtskonservativen Linie inner- dieren solche Personen zu Abwehrreaktionen, halb der Partei nicht durchsetzen konnten. Da- die sich in Vorurteilen und einseitigen Schuld- neben lassen sich aber auch objektive Erschwer- zuweisungen niederschlagen. Hier liegt der nisse erkennen. So stehen in der Bundesrepu- Konnex zum „Ausländerproblem”. Wahlana- blik alle rechten Parteien vor der Problem, dass lysen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlich- im Osten des Landes mit marktradikalen Inhal- keit der Rechtswahl allein von dessen Perzepti- ten elektoral nichts zu gewinnen ist. Für die on abhängt und nicht von der „objektiven Pro- Republikaner birgt die Vereinigung besondere blemlage” (z.B. dem jeweiligen AusländerIn- Brisanz, weil ihre west- und ostdeutschen Kli- nen-Anteil). Eine Ausnahme besteht lediglich entelen gleichermaßen zu den sozialen Verlie- in bezug auf die Kriminalität: Sind Auslän- rern gehören und daher leicht gegeneinander derInnen daran übermäßig beteiligt, nimmt die ausgespielt werden können. Gemessen an der Unterstützungsbereitschaft für die Rechtspartei- Abwägung zwischen Wohlfahrtschauvinismus en zu. Deren Wahlchancen steigen also erst, (West) und Sozialpopulismus (Ost) ist die Par- wenn zwischen AusländerInnen und sozialen tei bis heute eine rein westdeutsche Unterneh- Problemen eine Verbindung existiert oder un- mung geblieben, wodurch sie das Unzufrie- terstellt wird. Ist dies nicht der Fall, geht die denheitspotenzial im Osten weitgehend der Unterstützungsbereitschaft sogar zurück: Je linkspopulistischen PDS überlassen hat (vgl. mehr AusländerInnen in einem bestimmten Neugebauer/Stöss 1999, 135). Gebiet leben und zur „einheimischen” Bevöl- Ob es die Republikaner schaffen werden, ihre kerung Kontakt haben, um so größer ist die Wählerbasis in Zukunft zu verbreitern, scheint Wahrscheinlichkeit, dass Vorurteile abgebaut nach dem Gesagten selbst im Westen eher un- und die WählerInnen gegen eine Stimmabgabe wahrscheinlich. Voraussetzung dafür wäre eine nach rechts immunisiert werden (Chapin 1997). Öffnung in Richtung desjenigen Teils der Be- Offen bleibt, warum die Republikaner das völkerung, dem es objektiv betrachtet noch gut Potenzial der Modernisierungsopfer, das in der geht, der aber gleichfalls von Modernisierungs- Bundesrepublik nicht geringer sein dürfte als in ängsten geplagt wird und um den erreichten anderen Ländern, in der Vergangenheit nur spo- Wohlstand fürchtet. Bezüglich der wirtschafts- radisch ausschöpfen konnten. Kitschelt/McGann politischen Aussagen der Republikaner finden (1995, 206) argumentieren, dass es die Partei sich in der Literatur unterschiedliche Einschät- nicht geschafft habe, eine dauerhafte elektorale zungen. Während einige Autoren (z.B. Saalfeld

244 1993) einen dezidiert neoliberalen Tenor aus- CDU”. Richtig daran ist, dass die von Markus machen, heben andere die egalitären, mithin lin- Wegner Mitte 1993 ins Leben gerufene Wäh- ken Programmelemente hervor (Pappi 1990). lervereinigung das unmittelbare Produkt inner- Die Unsicherheit darüber rührt einerseits aus parteilicher Zustände der Hamburger Christde- ungenauen Formulierungen, zum anderen aus mokraten ist. Die Gründung der Statt-Partei dem insgesamt geringen Stellenwert des The- wurde möglich, nachdem das Hamburgische mas. Nur bei einer stärkeren Priorität hätten sich Verfassungsgericht im Mai 1993 die Bürger- die Republikaner als Vertreter einer veritablen schaftswahlen von 1991 aufgrund schwerwie- Neuen Rechten empfehlen können. So aber ist gender Demokratieverstöße beim Kandidaten- es ihnen weder gelungen, die altrechten Tenden- aufstellungsverfahren der CDU für ungültig er- zen im eigenen Bereich zu neutralisieren, noch klärt und eine Wiederholung der Wahl angeord- waren sie imstande, dem bürgerlichen Lager net hatte – ein bis dato in der Bundesrepublik ernsthaft zuzusetzen oder auch nur das Aufkom- nicht gekannter Vorgang. men populistischer Konkurrenzparteien zu Für die Entstehung der Statt-Partei von Be- verhindern. deutung war dabei weniger das Urteil an sich Der Wiederholungserfolg bei der Landtags- als seine politische Folgewirkung. Obwohl man wahl in Baden-Württemberg hat daran nichts davon ausgehen konnte, dass die Bürgerschaft Wesentliches geändert. Immerhin zeigt er, dass nur für den zweijährigen Rest der Legislaturpe- bei konsolidierter Organisation und halbwegs riode (und das heißt zugleich: auf eigene Kos- seriöser Parlamentsarbeit eine Etablierung zu- ten der Parteien) neu gewählt werden würde, mindest auf regionaler Ebene möglich bleibt. verständigten sich die Fraktionen darauf, im Diese relativ günstigen Bedingungen lassen sich Wege der Selbstauflösung eine komplette Neu- freilich ebenso wenig auf andere Länder oder wahl herbeizuführen, was angesichts der vom den Bund übertragen wie die speziellen The- Gericht bestrittenen Legitimationsgrundlage des men des baden-württembergischen Landtags- Parlaments eine zweifelhafte Konsequenz dar- wahlkampfes, der das „Ausländerproblem” – stellte. Dies und der Umstand, dass ein solches dank einer von der SPD angestoßenen Kampa- Verfahren geeignet war, mögliche Alternativen gne in Sachen Aussiedlerpolitik – einmal mehr zu den etablierten Parteien auf weitere vier Jah- in den Vordergrund gerückt hatte (Fascher re aus dem Landesparlament herauszuhalten, hat 1997). Selbst wenn es den Republikanern ge- Markus Wegner (1994, 53/54) später als Auslö- lingt, sich ideologisch und organisatorisch fe- ser für die Gründung der Statt-Partei bezeich- ster zusammenzuschließen,4 bleibt das Problem, net. Hinzu kommt, dass Wegner, der sich als dass die Partei nach Schönhubers Abgang an Exponent der innerparteilichen Oppositions- populistischem Elan stark eingebüßt hat. Kom- bewegung schon seit längerem in den Vorder- petenz in der Darstellung nach außen ist jedoch grund gespielt hatte, die CDU noch vor der unter Wirkungsgesichtspunkten unabdingbar Verfassungsgerichtsentscheidung verließ, weil und lässt sich durch Stabilität im Innern nicht er nach eigenem Bekunden an die Erneuerungs- ohne weiteres aufwiegen! Dies gilt umso mehr, fähigkeit der Partei nicht mehr glaubte. Auch als die Rechtsparteien in der bundesdeutschen eine Organisation wie die 1991 gegründete Medienöffentlichkeit einen schweren Stand ha- Hamburger Vereinigung DemO (Demokratische ben, der ihre Chancen im politischen Wettbe- Offenheit) erschien ihm wenig geeignet, eine werb bisweilen unfair beeinträchtigt. Reform der Parteiendemokratie anzustoßen, weil sie sich gerade nicht als Konkurrentin der vorhandenen Parteien begriff, sondern das Ziel 2.2 Die Hamburger Statt-Partei verfolgte, diese Parteien durch Demokratisie- rung für die BürgerInnen wieder attraktiver zu Der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende machen (Stubbe-da Luz 1994, 273–290). Ihre Ole von Beust bezeichnete die Statt-Partei ein- „Kopflastigkeit” ergab zudem, dass die Breiten- mal als „uneheliches Kind der Hamburger wirkung einer solchen Bürgerinitiative nicht

245 ausreichte, die angemahnten Reformen zu er- Wahlerfolg – sie erreichte bei der Bürgerschafts- zwingen. Aus dieser Einsicht wollte Wegner die wahl auf Anhieb 5,6% der Stimmen – kaum so Konsequenzen ziehen: Nach seiner Ansicht war deutlich ausgefallen, wenn nicht die Hambur- den vorhandenen Parteien nur mehr mit der ger Politik für die vermeintliche Krise des „Macht des Stimmzettels” beizukommen, be- Parteienstaates besonders gutes Anschauungs- durfte es also einer wählbaren Alternative, um material geboten hätte. Kritik und Unmut rich- die nötigen Veränderungen in Gang zu setzen. teten sich dabei zum einen auf den erwähnten Die Resonanz des Gründungsaufrufs und das Zustand der CDU (und die damit verbundene Engagement seiner neu gewonnenen Mit- Schwäche ihrer Oppositionsrolle), zum anderen streiterInnen schienen Wegner Recht zu geben. auf die Abnutzungserscheinungen einer prak- Angefangen von der gelungenen Wortschöpfung tisch ununterbrochenen Regierungsmacht SPD „Statt-Partei” über die organisatorischen Leis- mitsamt dem in der Hansestadt so notorischen tungen beim Aufbau der Wählervereinigung bis „roten Filz”. Hinzu kamen die Umstände des hin zur programmatischen und personellen Dar- Hamburger Diätendebakels von 1991, als Re- stellung gelang es der neuen Gruppierung in gierung und CDU-Opposition den (vergebli- kürzester Zeit, den Hamburger WählerInnen für chen) Versuch unternommen hatten, eine Neu- den anstehenden Urnengang ein passables An- ordnung der Abgeordnetenbesoldung mit zum gebot zu machen. Insbesondere die programma- Teil massiven Diätenerhöhungen an der Öffent- tische Selbstbeschränkung erwies sich im Er- lichkeit vorbei zu beschließen. gebnis als richtig kalkuliert: Sie bedeutete nicht Zwar konnte Parteigründer Wegner in seinem nur, aus der Not der kurzen Wahlvorlaufzeit (drei Plädoyer für die bundesweite Ausdehnung der Monate) eine Tugend zu machen und die Dinge Wählervereinigung (als vollgültiger Partei) zu aufs Wesentliche zu konzentrieren, sondern lag Recht argumentieren, dass all diese Punkte auf auch im Sinne der Statt-Partei-Idee selbst, die gesamtsystemische Probleme zurückführten und eine Stärkung der Eigenverantwortung von Bür- folglich auch auf dieser Ebene angegangen wer- gerInnen und PolitikerInnen reklamierte und den mussten – gerade darin unterschied sich die darum mit der Forderung nach möglichst weit- Statt-Partei von den kommunalen Wähler- gehenden inhaltlichen Vorgaben unvereinbar gemeinschaften süddeutscher Provenienz. Der war. Ausdehnungsbeschluss vom Januar 1994 und Die als Wahlkampfplattform beschlossenen die gleichzeitige Verabschiedung einer Bundes- Programmgrundsätze der Statt-Partei liefen auf satzung folgten jedoch vielmehr ganz pragma- eine schonungslose Kritik des vorhandenen tischen Überlegungen. Da sich Statt-Parteien in „Parteienstaates” hinaus, dessen überzogenen anderen Bundesländern notfalls auch ohne Zu- Herrschaftsanspruch es durch institutionelle tun oder Zustimmung des Hamburger Originals Korrekturen zurückzudrängen gelte. Im einzel- bilden würden, stand nicht die Ausweitung der nen wurden dazu eine Erweiterung der demo- Idee zur Debatte, sondern allein die Frage, ob kratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bür- und in welcher Form eine solche Ausweitung gerInnen (durch Änderung des Wahlrechts, Ein- von Hamburg aus kontrolliert betrieben werden führung von Elementen direkter Demokratie, konnte und sollte. Obwohl von den Befür- u.ä.), eine Stärkung der Unabhängigkeit und worterInnen ausdrücklich darauf hingewiesen Gemeinwohlorientierung von MandatsträgerIn- wurde, dass der Ausdehnungsbeschluss keine nen (durch Unvereinbarkeitsregelungen und die Vorentscheidung über eine etwaige Teilnahme Absage an jeden Fraktionszwang) sowie der der Partei an der bevorstehenden Europawahl Rückzug von ParteienvertreterInnen aus Behör- bedeuten sollte, trat genau dieser Effekt ein. Den den, Rundfunkanstalten und öffentlichen Unter- Hamburger Delegierten gelang es zwar, der er- nehmen gefordert. sten ordentlichen Bundesversammlung (im Obwohl fast alle von der Statt-Partei the- März 1994) das Zugeständnis abzuringen, wo- matisierten Erscheinungen auf bundesweite nach die Teilnahme an der Wahl erst in Frage Ursachenhintergründe verweisen, wäre der komme, wenn eine annähernd flächendecken-

246 de Organisation der Partei erreicht sei; die ei- tagswahl in einer bundesweiten Umfrage rund gentliche Schwierigkeit einer organisatorischen 50% der Befragten betont, dass sie die Statt- Ausweitung wurde damit jedoch nur notdürftig Partei (oder eine ähnliche Bürgerbewegung) für verdeckt. Anders als unter den überschaubaren eine notwendige Ergänzung des bestehenden Bedingungen des Hamburger Stadtstaates war Parteiensystems hielten. In derselben Umfrage in den größeren Flächenländern (z.B. Bayern bekundeten 6% der WählerInnen ihre feste Ab- und Nordrhein-Westfalen) ein kontrollierter sicht, einer solchen Partei die Stimme zu ge- Aufbau der Partei in weniger als drei Monaten ben, während weitere 23% sich dies zumindest nicht zu bewerkstelligen. Schon bei der nieder- vorstellen konnten (Feist 1994). Parteigründer sächsischen Landtagswahl hatte sich gezeigt, Wegner sprach öffentlich die Vermutung aus, dass sich zwielichtige Personengruppen den dass sich hinter den internen Querelen womög- noch unbeschädigten Ruf der Statt-Partei als lich eine gezielte Aktion politischer Kräfte ver- Trittbrettfahrer zunutze machen konnten, ohne berge, die ihre eigene Position in der bürgerli- mit deren eigentlichen Zielen und Grundsätzen chen Mitte durch das Aufkommen der Statt-Par- allzu viel im Sinn zu haben.5 Auch die Grup- tei gefährdet sähen (Wegner 1994, 122–129). Für pierung, die sich in Nordrhein-Westfalen unter eine geplante Unterwanderung durch Unions- dem Namen „Die Unabhängigen” zusammen- anhängerInnen oder Mitglieder der Republika- gefunden hatte und die Anerkennung als Lan- ner gab es freilich weder konkrete Belege noch desverband begehrte, stand im Verdacht, von – was die CDU/CSU anbelangt – nachvollzieh- Personen des rechten politischen Spektrums bare politische Gründe. Die Union befand sich unterwandert zu sein. Nachdem der Bundesvor- ja schon vor der Europawahl in einem deutli- stand der Partei gegen den Willen des Vorsit- chen Aufwind der WählerInnengunst, was ein zenden Bernd Schünemann (Bayern) entschie- aggressives Vorgehen gegen die Statt-Partei den hatte, die Gründung des Landesverbandes keineswegs nahelegte. Stattdessen sollte der NRW erst nach einer genauen Prüfung der ein- Vorwurf der Unterwanderung wohl über die gegangenen Mitgliedsanträge zu betreiben, kam unangenehme Einsicht hinweg täuschen, dass es auf der bereits einberufenen Konstituierungs- die Statt-Partei eine natürliche Anziehungskraft versammlung in Wuppertal zu tumultartigen für rechte Sektierer(gruppen) besaß – nicht nur Szenen. Was folgte, war das „politische Cha- aus Gründen der Selbstprofilierung, wie Wegner os”: eine Serie juristisch ausgefochtener Strei- mit Blick auf die „Machthungrigkeit” mancher tigkeiten und Scharmützel (Absetzung des Vor- Funktionäre meinte, sondern auch und gerade sitzenden, einstweilige Verfügungen, Anberau- aufgrund der bewussten Offenheit ihrer inhalt- mung von Bundesversammlungen und -vor- lichen Vorstellungen. standssitzungen, Abwahl des Bundesvorstan- Bereits in Hamburg war deutlich geworden, des, Wahl eines Gegenvorsitzenden usw.), mit dass der programmatische Konsens der Partei denen sich die Statt-Partei aller Chancen begab, im Bereich ihrer institutionellen Forderungen auf Bundesebene bald eine nennenswerte Rolle (mehr Bürgernähe und -beteiligung, Bekämp- zu spielen. Ihre Wahlergebnisse bei der Euro- fung von Parteienfilz und Ämterpatronage, Stär- pa- und späteren Bundestagswahl sowie bei den kung inner- und zwischenparteilicher Demokra- Landtagswahlen (wo sie kandidiert hatte) be- tie) und die große Bandbreite und Heterogeni- wegten sich in einer Größenordnung, die sogar tät der materiell-politischen Auffassungen un- die sicher geglaubte Beteiligung an der staatli- ter den Mitgliedern6 nur zwei Seiten derselben chen Wahlkampfkostenerstattung (ab 0,5% der Medaille darstellten: Die reklamierte Offenheit Zweitstimmen) vereitelte und die Partei damit der inhaltlichen Aussagen – als Prinzip – stand auch finanziell an den Abgrund brachte. der erforderlichen programmatischen Integrati- Wo liegen die Gründe dafür, dass sich die on der Willensbildung offenkundig entgegen. Senkrechtstarter binnen weniger Wochen selbst Dieses Problem musste sich aber in anderen ins politische Abseits manövrierten? Immerhin Ländern und auf Bundesebene noch verschär- hatten im Vorfeld der niedersächsischen Land- fen, wo auch die Überzeugungskraft eines in-

247 stitutionellen Programms nicht ohne weiteres be der „Kooperationsvereinbarung” lag für die gegeben war und vorausgesetzt werden konnte. Wählervereinigung in einer möglichst weitge- Was in der Hansestadt stark integrierend gewirkt henden Durchsetzung ihrer institutionellen For- hatte – die Forderung nach plebiszitären Ele- derungen. Dabei konnte sie sich programmatisch menten und einer Änderung des Wahlsystems eng an die Enquete-Kommission „Parlaments- etwa –, machte in Ländern wie Bayern und Ba- reform” der Hamburger Bürgerschaft anlehnen, den-Württemberg wenig Sinn. Und auf Bundes- die, nach dem Diätendebakel von 1991 einge- ebene stand die Neuauflage einer Verfassungs- setzt, ihren Abschlussbericht rechtzeitig zur Bür- kommission, die für eine solche Reform kon- gerschaftswahl vorgelegt hatte. SPD und Statt- krete Anknüpfungspunkte hätte bieten können, Partei einigten sich darauf, eine umfassende schon 1994 nicht mehr zur Debatte. Das Fehlen Verfassungs- und Parlamentsreform auf der einer politikinhaltlichen Klammer bedeutete, Grundlage der dort enthaltenen Empfehlungen dass persönliche Ambitionen und Eitelkeiten herbeizuführen; diese sahen u.a. eine Stärkung einzelner FunktionsträgerInnen und die gerin- der Position des Ersten Bürgermeisters, die De- ge politische Erfahrung der meisten Mitglieder mokratisierung der Gesetzgebung und des Wahl- auf das Erscheinungsbild der Partei voll durch- systems sowie die Einführung eines voll- schlagen konnten. Dieses Negativimage blieb professionalisierten Parlamentsbetriebs vor. nicht ohne Rückwirkungen auf den Hamburger Gemessen an den weitreichenden Zielen blie- Landesverband. Es führte dazu, dass sich des- ben die 1996 verabschiedeten Verfassungsän- sen Delegierte aus den Geschäften des Bundes- derungen ein Torso. Bei der Wahlrechtsreform verbandes nach und nach zurückzogen, um die war man sich nicht einig geworden, bei der Position der Partei in der Hansestadt nicht in Abschaffung des Feierabendparlaments auf hal- Mitleidenschaft zu ziehen. bem Wege steckengeblieben. Die Statt-Partei Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl hatte sich musste einsehen, dass sie mit der ehrgeizigen die Wählervereinigung nach kontroverser De- Verpflichtung auf das Projekt nichts erreicht batte mehrheitlich darauf verständigt, im Be- hatte. Dies wog um so schwerer, als sie es auch darfsfall für eine Regierungsbeteiligung in Ham- in anderen Bereichen der Regierungspolitik ver- burg zur Verfügung zu stehen. Dass eine Zu- säumte, spürbare Akzente zu setzen. Die Hoff- sammenarbeit wenn überhaupt nur mit den So- nung, der Kooperationspartner könne eine in zialdemokraten in Frage kommen würde, blieb langjähriger Regierungsverantwortung ver- unumstritten. Ein Zusammengehen mit der Uni- brauchte SPD dazu bewegen, neue und bessere on verbot sich vor dem Entstehungshintergrund Lösungen für die Probleme der Stadt zu beför- der Partei von selbst. Außerdem war davon aus- dern, bewahrheitete sich nicht, im Gegenteil: Mit zugehen, dass in der Hansestadt ein Senat ohne der Ablösung Wegners als Fraktionsvorsitzen- oder gegen die SPD nicht würde gebildet wer- dem (November 1994) nahm das Durchset- den können. zungspotenzial der Wählervereinigung weiter Nach Scheitern der Koalitionsverhandlungen ab, so dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung mit der zunächst favorisierten Grün-Alternati- bald zum bloßen Anhängsel der SPD absackte. ven-Liste gelang es den Sozialdemokraten in Die Schwierigkeiten der Statt-Partei in der recht kurzer Zeit, sich mit der Statt-Partei auf Regierungsrolle zeugten in erster Linie von eine koalitionsähnliche Regierungs„koopera- hausgemachten Problemen. Als Hauptbelastung tion” zu einigen. Die nominelle Herabstufung der parlamentarischen Arbeit erwies sich von des Bündnisses sollte zum einen die Unabhän- Anfang an die dominierende Rolle des Partei- gigkeit ihrer Abgeordneten unterstreichen; zum gründers Wegner, dessen unduldsame und anderen dokumentierte sie, dass die Statt-Partei schroffe Art nicht geeignet war, eine eher zu- nicht mit eigenen VertreterInnen in die Regie- fällig besetzte und politisch noch unerprobte rung eingezogen war, sondern für die ihr zuge- Fraktionstruppe zusammenzuführen. Jenseits billigten Senatsposten zwei parteilose „Fach- der persönlichen Vorwürfe zielte die Kritik an männer” nominiert hatte. Die Bewährungspro- Wegner vor allem auf dessen Bestreben, wich-

248 tige Entscheidungen an Partei und Fraktion vor- Statt-Partei war vorgezeichnet,8 nachdem sie bei an sich zu ziehen und inhaltlich zu präjudi- dazu keine überzeugenden Beiträge liefern zieren. Diejenigen, die sich dagegen wandten, konnte – weder in bezug auf die institutionelle fühlten sich durch Wegner und dessen autoritä- Seite noch bei der alltäglichen Gestaltung der ren Führungsstil zunehmend an die Wand ge- „Bürgerpolitik”, die sie mitunter mit bloßer In- drückt, zumal sich dieser in der Öffentlichkeit teressen- und Kirchtumspolitik verwechselte. keineswegs beeilte, das Bild der „Ein-Mann- Partei” zu korrigieren. Die Entmachtung Weg- ners und sein schließlicher Rückzug aus Partei 2.3 Der Bund Freier Bürger und Fraktion kamen insoweit nicht überra- schend. Die Hamburger Bürgerschaftswahl von 1997 Die internen Probleme der Partei können frei- sah neben der Statt-Partei noch einen weiteren lich nicht allein den Abgeordneten oder der (bis Verlierer: Der Bund Freier Bürger (BFB) er- zum November 1994) dominanten Führungs- reichte lediglich 1,3% der WählerInnenstimmen, figur Wegner angelastet werden, sondern ver- was angesichts des immensen Werbeaufwands weisen in hohem Maße auch auf eine wachsen- der von Manfred Brunner angeführten Partei de Lethargie in der Partei selbst, die ihre neu eine herbe Enttäuschung darstellte. gewonnenen Möglichkeiten in der Hamburger Die Entstehung des BFB geht zurück auf das Politik nicht auszuschöpfen wusste. Dabei hat- Jahr 1992. Damals sah sich der Chef des Stabes te alles ganz vielversprechend angefangen. Nach Binnenmarkt bei der EG und frühere bayerische zähem Ringen und teilweise erbittert geführten FDP-Vorsitzende Brunner veranlasst, seinen Auseinandersetzungen war es der Partei im Ja- Dienst in Brüssel zu quittieren, nachdem er den nuar 1994 gelungen, eine Satzung zu verabschie- von der Bundesregierung unterstützten Maas- den, die in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter tricht-Prozess zur Einführung einer gemeinsa- hatte. Zahlreiche ihrer Bestimmungen rührten men europäischen Währung nicht länger mit- aus dem negativen Vorbild der „Altparteien” und tragen mochte. Im darauffolgenden Jahr zog bezeugten die vergeblichen Reformbemühungen Brunner zusammen mit anderen in derselben von Wegner und anderen in der Hamburger Sache vor das Bundesverfassungsgericht und CDU.7 Die Statt-Partei bekundete damit ihren verbuchte dort zumindest einen Teilsieg: Das Anspruch, es in punkto innerparteilicher Demo- Gericht erklärte den Maastricht-Vertrag zwar als kratie besser zu machen als die anderen Partei- mit dem Grundgesetz vereinbar, knüpfte daran en; das Machtgefälle zwischen Funktionären jedoch die Bedingung, dass es sich bei der an- und einfachen Mitgliedern sollte abgebaut, der zustrebenden Politischen Union um einen prin- parteiliche Entscheidungsprozess durchsichtiger zipiell kündbaren „Staatenverbund” handeln und ergebnisoffener gestaltet werden. Dass die müsste und die wesentlichen Entscheidungs- Realität hinter diesen ambitionierten Vorstellun- zuständigkeiten dabei den Nationalstaaten vor- gen zurückbleiben musste, liegt auf der Hand. behalten bleiben müssten. Selbst wenn es der Statt-Partei gelungen wäre, Durch das Urteil ermutigt, entschloss sich ihre politischen Ziele – jenseits der System- Brunner zur Gründung einer bundesweiten forderungen – in einem Grundsatzprogramm zu Bürgerbewegung, um den Widerstand gegen die fixieren, hätte sie schwer daran getan, sich mit Währungsunion auf politischem Gebiet fortzu- einem solchen Programm als Alternative zu den setzen. Bei der Gründungsversammlung des anderen Parteien glaubhaft zu empfehlen. Ein BFB im Januar 1994 waren 87 Personen zuge- Jahrhundertthema wie die Ökologie stand für gen, von denen die eine Hälfte keiner Partei die Wählervereinigung von vornherein nicht angehörten, die andere Hälfte dem bürgerlichen bereit. Um so wichtiger wäre es dann aber ge- Lager von CDU/CSU und FDP entstammten. wesen, das Projekt der zivilen oder Bürger- Die Mitgliederentwicklung ging zunächst und gesellschaft in politikinhaltlicher Richtung kon- auch später nur langsam voran, was zum Teil sequent weiterzuverfolgen. Das Scheitern der auf den hohen Aufnahmebeitrag für Beitritts-

249 willige zurückzuführen war. Aufgrund der anderen Fällen als Schlüssel erwiesen, den bür- schmalen Mitgliederbasis ist der BFB über die gerlichen Parteien das Feld streitig zu machen, Gründung von Landesverbänden bislang nicht wie u.a. das Beispiel der österreichischen FPÖ hinausgekommen. Vertretungen auf Kreisebene beweist. Nicht von ungefähr pflegt Brunner mit unterhielt er 1997 lediglich in einigen seiner der Haider-Partei rege und freundschaftliche süddeutschen Schwerpunktregionen (Bayern, Beziehungen. Baden-Württemberg und Hessen), wo die Mehr- Wenn der BFB das Erfolgsmodell des Vor- zahl der rund 1.000 Parteimitglieder herstammt. bilds nicht nachahmen konnte, dann deshalb, Die organisatorischen Probleme sind aber weil es seinem populistischen Konzept an der nicht der alleinige Grund für das schwache Ab- nötigen Durchschlagskraft mangelte. Der schneiden des BFB auf elektoraler Ebene. Da wählerwirksamen Ausstrahlung stand z.B. im die Partei zu Beginn in nur wenigen Wahlkrei- Wege, dass die Partei – außer Brunner selbst – sen Süddeutschlands mit eigenen KandidatInnen keine wirklich prominenten ÜberläuferInnen in antreten konnte, blieben ihre landesweiten Er- ihren Reihen verzeichnete, wofür sich vor al- gebnisse bei den dortigen Kommunal- und lem der nationalliberale Flügel der FDP ange- Landtagswahlen naturgemäß dürftig. Der BFB boten hätte; dessen VertreterInnen um den frü- hatte indessen auch unter besseren Bedingun- heren Generalbundesanwalt Alexander von gen keinen Erfolg. Dass er im ersten Anlauf Stahl ließen es jedoch bei einer punktuellen 1994 ausgerechnet bei der Europawahl schei- Zusammenarbeit bewenden. Ein weiteres Prob- terte – der Stimmenanteil betrug wenig mehr lem stellte der hohe Professorenanteil unter den als ein Prozent –, war ein Schlag ins Gesicht Vorstandsmitgliedern dar, der zwar die seines antieuropäischen Programms und bedeu- Reputierlichkeit förderte, mit den Erfordernis- tete für die nachfolgenden Wahlen ein schlech- sen einer populistischen (= volksnahen) Strate- tes Omen. Den zweiten großen Anlauf unter- gie aber ebenso schlecht in Einklang zu bringen nahm die Partei 1997 in Hamburg, wo die Vor- war wie der nüchterne, bisweilen spröde wir- aussetzungen ebenfalls günstig schienen: Einer- kende Stil des Vorsitzenden selbst. Schließlich seits ermöglichte der Stadtstaat einen intensi- wurde Brunner und seiner Bürgerbewegung veren Wahlkampf als in den Flächenländern, vorgeworfen, bei der Abgrenzung nach zum anderen handelte es sich bei der Bürger- rechtsaußen zu lasch zu verfahren; insbesonde- schaftswahl um die letzte Landtagswahl vor dem re die Kontakte zur FPÖ sorgten dabei für in- für Frühjahr 1998 erwarteten Beschluss über den nerparteilichen Zündstoff und verschlechterten definitiven Start der Währungsunion. Dennoch das Bild der Partei in der Öffentlichkeit. erbrachte der Urnengang dem BFB nicht den Durch die ausbleibenden Wahlerfolge ernüch- erhofften Sprung nach vorn, im Gegenteil: Das tert, schloss sich der BFB im Januar 1998 mit Wahlergebnis lag sogar noch unter dem, das die der „Offensive für Deutschland” des hessischen Partei bei der Europawahl in Hamburg erzielt Landtagsabgeordneten Heiner Kappel zusam- hatte (1,3 gegenüber 1,5%). men; dieser entstammte wie Brunner dem rech- Das Scheitern ist insoweit erklärungsbedürf- ten Flügel der FDP und hatte seine Partei kurz tig, als von der inhaltlichen Ausrichtung her der zuvor im Streit verlassen. Das Zusammengehen BFB den oben formulierten Ansprüchen einer führte freilich nicht zum Erfolg, im Gegenteil: elektoralen Gewinnerkoalition eher entspricht Nachdem der BFB bei der Bundestagswahl 1998 als Republikaner oder Statt-Partei. Maastricht mit kläglichen 0,2% gescheitert war, kam es bleibt weiterhin das dominierende Thema der zwischen Brunner und Kappel zu harten Aus- „D-Mark-Partei” (so die Selbstbezeichnung), einandersetzungen über die künftige Linie, die doch wird die Kritik an der Währungsunion ein- im Zerwürfnis endeten. Gegenstand war auch gebettet in ein weiter gefasstes populistisches hier das Verhältnis zur rechtsextremen Konkur- Konzept, das nationale (konservative) und „frei- renz. Während Brunner weiterhin auf Abgren- heitliche” (neoliberale) Elemente miteinander zung setzte und den bürgerlichen Charakter des vereint. Gerade diese Verbindung hat sich in BFB betonte, plädierte der neue Generalsekre-

250 tär für eine stärkere Öffnung der Partei nach Der Wahlausgang zeigt, dass dort, wo meh- rechts. Ein Kooperationsangebot des von Kappel rere Protestparteien um die Wählergunst buh- geführten hessischen Landesverbandes an die len, nicht unbedingt diejenigen mit dem quali- Republikaner erfolgte gegen den erklärten Wil- tativ besten personellen und programmatischen len Brunners und veranlasste diesen im Dezem- Angebot die Nase vorn haben. In Hamburg ber 1998, den Vorsitz niederzulegen und die von wurde von den WählerInnen entweder bewusst ihm selbst gegründete Partei zu verlassen. der extremste Anbieter bevorzugt (um den So wenig er sich im organisatorischen Sinne Denkzettel-Charakter des Votums zu unterstrei- als Teil des bürgerlichen Lagers darstellen konn- chen) oder schlicht auf die Partei mit den ver- te, so wenig taugte der BFB als Protestalter- meintlich besten Erfolgsaussichten gesetzt. In native. Das Desaster in Hamburg hielt aus die- beiden Fällen erwies sich der BFB als ser Sicht zwei wichtige Lektionen bereit. Ein- konkurrenzschwache Alternative: Weder konnte mal musste Brunner einsehen, dass er die die Bürgerbewegung die Originalität ihrer Bot- Mobilisierungskraft des Euro-Themas gewaltig schaft deutlich machen, noch hatte sie den für überschätzt hatte: Eine Mehrheit der Deutschen einen elektoralen Durchbruch notwendigen An- lehnte die Abschaffung der D-Mark zwar wei- fangserfolg vorzuweisen, der auf einem weni- terhin ab, doch spielte die Frage bei der Wahl- ger überfüllten politischen Markt vielleicht entscheidung praktisch keine Rolle. Selbst in möglich gewesen wäre. diesem Fall hätte der BFB das Thema nicht monopolisieren können, da die Ablehnung von sämtlichen Rechtsaußenparteien geteilt wurde 3. Abschließende Bemerkungen und Kritik an der EU-Politik auch aus dem Unionslager (Edmund Stoiber) und der SPD Nach der Herausbildung der ökologischen (Gerhard Schröder) zu vernehmen war. Parteien in den 70er Jahren sahen sich die mei- Mit der politischen Konkurrenz ist auf das sten westeuropäischen Länder in den achtziger zweite entscheidende Hindernis verwiesen: Die Jahren mit einer ähnlichen Entwicklung am Zersplitterung des organisierten Populismus in rechten Wählerrand konfrontiert, wo neu ent- der Bundesrepublik hat zur Folge, dass sich des- standene Parteien zum Teil beachtliche Wahl- sen Stimmenpotenzial nach unterschiedlichen, erfolge landen konnten. Deutschland bildet hier nicht immer leicht nachzuvollziehenden Ge- im Prinzip keine Ausnahme. Anders als den sichtspunkten auf mehrere Gruppierungen ver- Grünen auf der Linken ist dem neuen Rechts- teilt. Einerseits bestehen regionale Differenzen populismus der parteipolitische Durchbruch in – Republikaner und BFB sind im Süden, DVU der Bundesrepublik bislang jedoch versagt ge- und Statt-Partei im Norden der alten Bundesre- blieben. Selbst wenn man die Prozentanteile publik stärker, während in den östlichen Län- ihrer einzelnen Vertreter zusammenzählt, lag das dern die linkspopulistische PDS dominiert; an- Gesamtergebnis der neuen Rechten bei den letz- dererseits kommt es zu Hin-und-Her-Bewegun- ten Bundestagswahlen unter demjenigen der gen auch innerhalb der jeweiligen Regionen, NPD von 1969. Auf der Landesebene waren die wofür die Hamburger Wahl ein gutes Beispiel populistischen Neugründungen zumeist erfolg- liefert. Die rechtsextreme DVU schnitt hier 1997 reicher, doch verdankt sich ihr besseres Ab- mit 4,9% besser ab als die gemäßigteren Repub- schneiden hier vor allem institutionellen Fakto- likaner (1,9%) und der noch gemäßigtere BFB. ren.9 Trotzdem fallen auch diese Resultate hin- Vier Jahre zuvor hatten sich die Stimmen nahe- ter den Ergebnissen vergleichbarer Parteien aus zu umgekehrt verteilt, was auf einen weitgehen- anderen Ländern zurück. den Austausch der Wählerschaft schließen lässt Im vorliegenden Aufsatz ging es darum, den (Republikaner 4,8%; DVU 2,8%). Rechnet man Gründen der elektoralen Schwäche nachzuspü- den BFB hinzu, war das Gesamtaufkommen der ren. Dabei hat sich gezeigt, dass es eine grund- rechten Stimmen 1997 in etwa gleich groß wie sätzliche Wahl zwischen den anfangs vorgestell- 1993 (8,2 gegenüber 7,6%). ten Hypothesen nicht geben kann: Die Erfolg-

251 losigkeit der neuen Rechtsparteien verweist ei- movement ends and the organization dissolves. Or, nerseits auf das unfreundliche Umfeld, mit dem alternatively, charisma is objectified and the organization jede Form von Populismus in der Bundesrepu- overcomes the crisis through the transformation of personal charisma into official charisma. In this latter blik rechnen muss; zum anderen hängt sie mit case, the organization institutionalizes” (ebd., 144). dem speziellen Unvermögen dieser Parteien zusammen, sich als politische Kraft zu formie- Die Bedingungen der Institutionalisierung ren. Letzteres hat sowohl zufällige als auch sind besonders heikel bei denjenigen Vertretern, strukturelle Ursachen. Zu den zufälligen Fakto- die in ihrer autoritären Struktur dem Selbstver- ren, die sich der Erklärbarkeit letztlich entzie- ständnis einer rechtsextremen (neofaschisti- hen, zählt das Fehlen einer überzeugenden schen) Partei nahekommen. Wie das Beispiel Führerfigur. Populistische Parteien repräsentie- des Front National jüngst gezeigt hat, können ren einen Organisationstypus, den man mit selbst elektoral erfolgreiche Parteien an inter- Panebianco (1988, 143–147) als „charisma- nen Rivalitäten und Richtungskämpfen zerbre- tische Partei” bezeichnen könnte. Charakteri- chen, wenn die Voraussetzungen einer geregel- stisch für diesen Typus ist das prekäre Verhält- ten internen Konfliktaustragung nicht gegeben nis von Führerautorität und Institutionalisierung. sind. Charismatische Parteien zeichnen sich dadurch Bei den bundesdeutschen Rechtsparteien aus, dass die Identität der Partei mit derjenigen kommt erschwerend hinzu, dass sie eine unwi- des Führers vollständig verschmilzt. Der Füh- derstehliche Sogwirkung auf Gruppierungen rer gründet die Partei, gibt ihr die ideologischen und subkulturelle Milieus im rechtsextremen Ziele vor und schart die AnhängerInnen der Lager ausüben, die auf diese Weise aus der po- Partei um sich. Ein Blick auf Italien, Frankreich litischen Isolierung (und Bedeutungslosigkeit) oder Österreich zeigt, dass sich die Entstehung heraustreten wollen. Auch hier tut der „Schat- und der elektorale Durchbruch des neuen ten Hitlers” seine Wirkung. Rechtspopulismus ausnahmslos mit der Lei- „Whenever a far-right party has gained votes in post- stung einzelner Führungspersönlichkeiten – war , neo-Nazi militants have been attracted to Bossi, Berlusconi, Le Pen, Haider – verbinden, it, not least because of the strong chances of gaining deren Charisma ihren deutschen Pendants of- local offices in the decentralized governmental system. fenbar abgeht. Anders als die Genannten konn- The new activists pull the party toward neo-fascist ten Schlierer, Wegner und Brunner Integrations- positions and spoil its reputation among prospective voters” (Karapin 1998b: 225). fähigkeit nach innen nicht mit der nötigen WählerInnenwirksamkeit nach außen verknüp- Das Schicksal von Statt-Partei und Bund Frei- fen. Allein Schönhuber kommt mit seinen Qua- er Bürger macht deutlich, dass selbst gemäßig- litäten der Vorstellung eines charismatischen te Parteien nicht davor gefeit sind, durch rechts- Führers nahe. Dies machte sich in der Erfolgs- extreme Personen und Gruppen unterwandert zu bilanz der Republikaner bis 1994 positiv be- werden. Parteiinterne Konflikte über den ange- merkbar, konnte Schönhuber selbst allerdings messen Umgang mit dieser Entwicklung konn- nicht vor dem Scheitern bewahren. ten daher nicht ausbleiben und haben das Bild Damit ist auf eine zweite, strukturelle Erfolgs- der Parteien in der Öffentlichkeit beschädigt. bedingung verwiesen: das Problem der institu- Die Relevanz der strukturellen Faktoren wird tionellen Stabilität. Weil die charismatischen offenkundig, wenn man berücksichtigt, dass Erfolgsbedingungen sich im Laufe der Zeit ver- Deutschland von seiner sozialen und politischen brauchen, droht die Attraktivität der Partei ab Befindlichkeit her die Voraussetzungen für eine einem bestimmten Punkt nachzulassen: Bewegung von rechts in ähnlicher Weise erfül- len müsste wie z.B. Frankreich oder Österreich „When charisma disappears, success no longer shines (Roberts 1995; zum FN vgl. Marcus 1995, zur on the movement, and faith in the leader’s ,state of grace’ ceases. When this occurs in an organization in which FPÖ Decker 1997). Wenig spricht dafür, dass the leader was successful in preventing the routinization sich an dieser Diskrepanz in absehbarer Zeit of charisma (in order not to lose his total control), the etwas ändert. Um die künftigen Chancen des

252 Rechtspopulismus in Deutschland zu ermessen, Unterstützung bei den Hamburger Wahlen überwie- gilt es jedoch zu bedenken, dass die genannten gend aus der typischen Klientel der FDP (deren Ein- zug in die Bürgerschaft sie damit verhinderte), konnte Restriktionen von unterschiedlicher Qualität aber auch ArbeiterInnen und vergleichsweise mehr sind: Während der „Schatten Hitlers” eine ge- Beamte ansprechen. Rund ein Drittel der WählerIn- gebene Größe darstellt, deren Bedeutung erst auf nen hatten bei der vorangegangenen Bürgerschafts- lange Sicht schwinden wird, lassen sich die wahl SPD oder Grüne gewählt, während knapp die Hälfte dem bürgerlichen Lager entstammte. Vgl. akteursseitigen Faktoren durch politisches Han- Decker 1994, 259/260. deln schon heute beeinflussen. Unter günstige- 7 Hierzu zählten beispielsweise die Bindung der Mit- ren personellen Vorzeichen – wenn ihm eine gliedschaft an den Wohnsitz, das Einsichtsrecht in überzeugende Führungspersönlichkeit zuwächst die Mitglieder- und Delegiertenlisten, die Einzelab- stimmung bei Kandidatenaufstellungen und Vor- – könnte es also durchaus sein, dass der Popu- standswahlen sowie das Urabstimmungsvotum bei lismus seine Organisationsschwäche überwin- der Nominierung von SpitzenkandidatInnen. det und er eine Zukunft in Deutschland noch 8 Mit 3,8% der Stimmen bei der Bürgerschaftswahl vor sich hat. 1997 verpasste die Statt-Partei den Wiedereinzug in das Landesparlament klar. Dass das Ergebnis den- noch besser ausfiel als erwartet, dürfte zum einen an der Schützenhilfe von Bürgermeister Voscherau ge- legen haben, der sich vor der Wahl für eine Fortset- zung des rot-grauen Regierungsbündnisses ausge- ANMERKUNGEN sprochen hatte; zum anderen konnte die Partei mit dem früheren Sportfunktionär Jürgen Hunke einen 1 Der Spiegel Nr. 10 v. 4.3.1996, S. 22. von den Querelen der Vorjahre unbelasteten Spitzen- 2 Eine modernisierte Neuauflage des alten Rechtsex- kandidaten aufbieten, der das Image der Wählerver- tremismus, der seine Nähe zu nationalsozialistischem einigung aufbesserte. Hunke übernahm nach der Gedankengut nicht verbergen kann, fällt die DVU Wahlniederlage den Landesvorsitz, konnte aber den aus der rechtspopulistischen Parteienfamilie heraus weiteren Abstieg der Statt-Partei nicht mehr verhin- und wird daher im folgenden nur am Rande betrach- dern, die in der Öffentlichkeit anschließend kaum tet. Die Notwendigkeit, sie nicht ganz außer acht zu noch Präsenz entwickelte. Auch die übrigen Landes- lassen, ergibt sich aus ihrem Konkurrenzverhältnis verbände (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nie- zu den Republikanern. Auch wenn zwischen beiden dersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Parteien ideologisch und organisatorisch deutliche Sachsen-Anhalt) sind bislang bedeutungslos geblie- Unterschiede bestehen, stellen sie aus Sicht der ben. WählerInnen weitgehend austauschbare Protest- 9 Landtags- und Kommunalwahlen erlauben es einer- äquivalente dar. seits, wahlpolitische Anstrengungen auf ein bestimm- 3 Nach 25.000 im Rekordjahr 1989 lag die Zahl der tes Gebiet zu konzentrieren; andererseits stellen sie Mitglieder 1997 laut Verfassungsschutz bei rund – wie Europawahlen – Korrektive dar, um uner- 15.000. wünschten Entwicklungen in der Bundespolitik qua 4 Wie die zahlreichen Übertritte von Republikaner- Stimmzettel zu begegnen. Die stabilisierende Funk- Mitgliedern und -Funktionären zur DVU nach deren tion des Föderalismus täuscht insoweit über die wahre Erfolg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ge- Stärke der neuen Rechtsparteien hinweg, die irgend- zeigt haben, befindet sich die Partei diesbezüglich wo in der Mitte zwischen ihren Landtags- und weiterhin in einer prekären Schwebelage. Zwar konn- Bundestagswahlergebnissen liegen müsste; vgl. te sich der gemäßigte Vorsitzende Schlierer auf dem Phillips 1995, 228. Parteitag im November 1998 als Parteichef klar be- haupten, doch bedeutete dies keine wirkliche Distan- zierung von der rechtsextremen Szene: Noch im sel- LITERATURVERZEICHNIS ben Monat verständigten sich Republikaner und DVU auf eine begrenzte Zusammenarbeit dergestalt, dass Butterwegge, Christoph (1997). Entwicklung, gegenwär- sie bei den 1999 anstehenden Landtagswahlen nicht tiger Stand und Perspektiven der Rechtsextremismus- gegeneinander antreten würden. Vgl. Jaschke 1999, forschung, in: Christoph Butterwegge u.a. (Hg.): 152/153. Rechtsextremisten in Parlamenten, Opladen, 9–53. 5 Neben dem von Hamburg zunächst nicht anerkann- Canovan, Margaret (1981). Populism, London. ten Landesverband Statt-Partei Niedersachsen war Chapin, Wesley D. (1997). Explaining the Success of dort eine rechtsgerichtete Vereinigung von ehemali- the New Right: The German Case, in: West European gen Mitgliedern der Republikaner unter dem Namen Politics 20(2), 53–72. „Neue Statt-Partei” (!) zur Wahl angetreten. Decker, Frank (1994). Die Hamburger Statt Partei. Ur- 6 Dies spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der sprünge und Entwicklung einer bürgerlichen Wähler- WählerInnenschaft wider. Die Statt-Partei bezog ihre bewegung, in: Jahrbuch für Politik 4, 249–294.

253 Decker, Frank (1997). Die FPÖ unter Jörg Haider. Process in France and Germany, in: German Politics Erfolgsbedingungen einer rechtspopulistischen and Society 16, 1–23. Partei, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 28, 649– Neubacher, Bernd (1996). NPD, DVU-Liste D, Die Re- 664. publikaner. Ein Vergleich ihrer Ziele, Organisatio- Falter, Jürgen W. in Zusammenarbeit mit Markus Klein nen und Wirkungsfelder, Köln. (1994). Wer wählt rechts? Die Wähler und Anhän- Neugebauer, Gero/Richard Stöss (1999). Nach der Bun- ger rechtsextremistischer Parteien im vereinigten destagswahl 1998: Die PDS in stabiler Seitenlage?, Deutschland, München. in: Oskar Niedermayer (Hg.): Die Parteien nach der Fascher, Eckhard (1997). Die politischen Erfolgsaus- Bundestagswahl 1998, Opladen, 119–140. sichten der „Republikaner” in Deutschland, in: Zeit- Panebianco, Angelo (1988). Political Parties. Organi- schrift für Parlamentsfragen 28, 21–29. zation and Power, Cambridge. Feist, Ursula (1994). Statt einer Partei die Statt Partei, Pappi, Franz Urban (1990). Die Republikaner im Par- in: Das Parlament, 28.1./4.2.1994. teiensystem der Bundesrepublik. Protesterscheinung Ionescu, Ghita/Ernest Gellner, Hg. (1969). Populism. Its oder politische Alternative, in: Aus Politik und Zeit- Meanings and National Characteristics, London. geschichte B 21, 37–44. Jaschke, Hans-Gerd (1990). Die Republikaner. Profile Pfahl-Traughber, Armin (1994). Volkes Stimme? Rechts- einer Rechtsaußen-Partei, Bonn. populismus in Europa, Bonn. Jaschke, Hans-Gerd (1999). Die rechtsextremen Partei- Phillips, Ann L. (1995). An Island of Stability? The en nach der Bundestagswahl 1998: Stehen sie sich German Political Party System and the Elections of selbst im Wege?, in: Oskar Niedermayer (Hg.): Die 1994, in: West European Politics 18(3), 219–229. Parteien nach der Bundestagswahl 1998, Opladen, Puhle, Hans-Jürgen (1986), Was ist Populismus, in: 141–157. Helmut Dubiel (Hg.): Populismus und Aufklärung, Karapin, Roger (1998a). Explaining Far-Right Electoral Frankfurt a.M., 12–32. Successes in Germany. The Politicization of Immi- Roberts, Geoffrey (1995). The German Party System in gration-Related Issues, in: German Politics and Crisis, in: Parliamentary Affairs 48, 125–140. Society 16, 24–61. Saalfeld, Thomas (1993). The Politics of National- Karapin, Roger (1998b). Radical-Right and Neo-Fascist Populism: Ideology and Politics of the German Re- Political Parties in Western Europe, in: Comparative publikaner Party, in: German Politics 2, 177–199. Politics 30, 213–234. Stöss, Richard (1991). Politics against Democracy. Right- Kitschelt, Herbert/Anthony McGann, (1995). The Wing Extremism in West Germany, New York/Ox- Radical Right in Western Europe. A Comparative ford. Analysis, Ann Arbor. Stubbe-da Luz, Helmut (1994). Parteiendiktatur. Die Klein, Markus/Jürgen W. Falter (1996). Die dritte Wel- Lüge von der „innerparteilichen Demokratie”, Frank- le rechtsextremer Wahlerfolge in der Bundesrepublik furt a.M./Berlin. Deutschland, in: Jürgen W. Falter/Hans-Gerd Veen, Hans-Joachim/Norbert Lepszy/Peter Mnich (1991/ Jaschke/Jürgen R. Winkler (Hg.): Rechtsextremis- 92). Die Republikaner-Partei zu Beginn der 90er Jah- mus, Opladen, 288–312. re. Programm, Propaganda, Organisation, Wähler- Koopmans, Ruud/Hanspeter Kriesi (1997). Citizenship, und Sympathisantenstrukturen, Forschungsbericht National Identity and the Mobilization of the Extre- der Konrad Adenauer Stiftung, Interne Studien Nr.14. me Right. A Comparison of France, Germany, the Wegner, Markus E. (1994). Für eine offene Demokratie. Netherlands and Switzerland, Wissenschaftszentrum Ein Mann kämpft gegen die „Polit-Mafia” und für Berlin, FS III 97–101. die Erneuerung des Gemeinwesens, München/Leip- Marcus, Jonathan (1995). The National Front and French zig. Politics. The Resistible Rise of Jean-Marie Le Pen, Young, Brigitte (1995). The German Political Party Sy- Houndmills/London. stem and the Contagion from , in: German Minkenberg, Michael (1998). Context and Consequence. Politics and Society 13, 62–78. The Impact of the New Radical Right on the Political

ANHANG

Ausgewählte Wahlergebnisse von Republikanern, Statt-Partei und Bund Freier Bürger

1986 1989 1990 1992 1993 1994 1996 1997 1998 REP 3,0%1 7,1%2 4,9%1 10,9%3 3,9%2 9,1%3 1,8%5 Statt 5,6%4 3,8%4 BFB 1,1%2 1,3%4 0,2%5 (1) Landtagswahl Bayern; (2) Wahlen zum Europäischen Parlament; (3) Landtagswahl Baden-Württemberg; (4) Bürgerschaftswahl Hamburg; (5) Bundestagswahl

254 AUTOR

Frank DECKER, geb. 1964, Dr. rer pol., Dipl.-Pol., Anschrift: Universität der Bundeswehr Hamburg, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Fachbereich WOW, Institut für Politikwissenschaft, der Bundeswehr Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg. E-Mail: Parteienforschung, Rechtspopulismus, Umweltpolitik. [email protected].

255