Über Das Scheitern Des Neuen Rechtspopulismus in Deutschland Republikaner, Statt-Partei Und Der Bund Freier Bürger
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Frank Decker (Hamburg) Über das Scheitern des neuen Rechtspopulismus in Deutschland Republikaner, Statt-Partei und der Bund Freier Bürger Im Unterschied zu anderen westeuropäischen Ländern sind den rechtspopulistischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland größere Wahlerfolge bislang versagt geblieben. Um diesem Phäno- men auf den Grund zu gehen, werden im Folgenden zwei einander ergänzende Erklärungen angebo- ten. Einerseits lässt sich das Scheitern auf die feindliche Umgebung zurückführen, mit der jegliche Form von Populismus in Deutschland konfrontiert wird; andererseits hängt es mit dem Unvermögen der rechtspopulistischen Akteure zusammen, sich als parteipolitische Kraft zu etablieren. Anders als in Frankreich oder Österreich, wo es den Rechtsaußenparteien Front National und FPÖ gelungen ist, verschiedene Stränge des Rechtspopulismus in einer gemeinsamen Organisation zusammenzuführen, laufen diese Stränge in der Bundesrepublik in Gestalt verschiedener Gruppen nebeneinander, wo- durch das rechtsextreme Wählerpotenzial gespalten wird. Drei der gescheiterten Parteien werden hier eingehender betrachtet: die Republikaner, die Hamburger Statt-Partei und der Bund Freier Bür- ger. 1. Einleitende Bemerkungen tikerInnen selbst, wenn sie den Populismus- verdacht – gleichsam prophylaktisch – von sich Zu den Standardvorwürfen, die deutsche weisen: „Dem Volk aufs Maul schauen, ihm aber PolitikerInnen in der politischen Auseinander- nicht nach dem Munde reden” – die Interpreta- setzung regelmäßig zu gewärtigen haben, ge- tion des bekannten Luther-Ausspruches durch hört der Vorwurf, sie seien oder verhielten sich Franz Josef Strauß klingt wie ein Selbstdementi, „populistisch”. Populismus steht in Deutschland obwohl man gerade Strauß nachgesagt hat, dass in keinem hohen Ansehen, gilt nachgerade als er den Typus des Populisten in der bundesdeut- Negation dessen, was die Qualität eines verant- schen Politik wie kein anderer verkörperte. wortungsbewussten Politikers im demokrati- Ob Strauß den Begriff – wie etwa sein Nach- schen Staat ausmache. Die Populismusschelte folger Edmund Stoiber – zur Selbstbezeichnung floriert in populären und seriösen Medien glei- akzeptiert, ihn als Ausweis demokratischer Ge- chermaßen. Forderungen des früheren SPD- sinnung ins ausdrücklich Positive gewendet Vorsitzenden Lafontaine nach einer Zuzugs- hätte, ist nicht bekannt. Dergleichen bleibt in begrenzung für deutschstämmige Aussied- Deutschland jedenfalls die Ausnahme. Wer den lerInnen veranlassten das Nachrichtenmagazin Populismusverdacht äußert, drängt seine „Der Spiegel” zu einer Titelgeschichte wider das KontrahentInnen damit meist erfolgreich in die vermeintlich grassierende Phänomen.1 Tenor: Defensive. Das passende Negativattribut wird „Die Parteien kapitulieren vor den komplizier- häufig gleich mitgeführt: Populistisch sein ist ten Problemen und flüchten sich in Populismus.” billig. Es heißt – so die Unterstellung – das po- Eine ähnliche Tonlage herrscht unter Poli- litische Terrain mit Primitivargumenten zu be- ÖZP, 29 (2000) 2 237 setzen, nicht um der Sache, sondern um der vor- summenspiels scheinbar unvereinbar gegen- dergründigen Gunst öffentlicher Zustimmung überstehen (Puhle 1986, 23). Der von den willen zu streiten, sich dem vermeintlichen Populisten hochgehaltene Plebiszitgedanke hat Volkswillen anzubiedern (während man für sich zwar – u.a. durch die Parteien – an Boden ge- selbst den Mut des Unpopulären reklamiert). Ein wonnen, doch wird diese Entwicklung mit grö- solches Verdikt ist nicht unbedingt ehrenrührig, ßerem Argwohn betrachtet als anderswo: Die selbst dann nicht, wenn darin der Vorwurf der Abweichung vom „anti-populistischen Kon- Unredlichkeit mitschwingt. In seiner Unverbind- sens” ist in der Bundesrepublik bis heute ge- lichkeit hat der Populismusvorwurf etwas wohl- ring geblieben. tuend Unverfängliches; er trifft die/den andere/ Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn n, ohne sie/ihn wirklich auszugrenzen oder zu der parteiförmig organisierte Populismus in stigmatisieren und ist in der Auseinandersetzung Deutschland eine zwiespältige und – im Ver- wohl gerade deshalb so schnell bei der Hand. gleich zu anderen Ländern – ziemlich beschei- Jemanden einen Populisten zu schelten, kostet dene Erfolgsbilanz aufweist. Nicht nur, dass die den/der AngreiferIn also nicht viel, im Gegen- neuen populistischen Parteien in der Bundesre- teil: Der Vorwurf ist so wohlfeil, dass eine zu publik sehr spät in Erscheinung getreten sind – häufige Verwendung selbst „billig” wäre und auf größere Wahlerfolge erzielten sie erst gegen den/die UrheberIn zurückfallen könnte. Ende der achtziger Jahre; ihre Höhenflüge blie- Populistische Parteien und Bewegungen ha- ben von vornherein auf die kommunale und ben nicht nur in Deutschland einen schlechten Länderebene beschränkt und waren auch dort Ruf, wenngleich die negative Konnotation des zumeist nur von kurzer Dauer. Lediglich in Ba- Begriffs hier besonders ausgeprägt zu sein den-Württemberg ist es den rechtspopulistischen scheint (zum sozialwissenschaftlichen Popu- Republikanern (REP) 1996 gelungen, ihr Wahl- lismuskonzept allgemein vgl. Ionescu/Gellner ergebnis von 1992 annähernd zu halten (9,1 1969; Canovan 1981) . Dieser auf ausländische gegenüber 10,9%); in den übrigen Ländern BeobachterInnen bisweilen befremdlich wirken- konnte sich die Partei ebensowenig etablieren de anti-populistische Reflex ist vor dem Hin- wie die rechtsextreme Konkurrenz von NPD und tergrund der jüngeren deutschen Geschichte DVU2 oder andere Neugründungen, die eine leicht verständlich. Er entspringt der traumati- gemäßigtere Version des Populismus bevorzu- schen Erfahrung eines Landes, dessen ohnehin gen (Statt-Partei, Bund Freier Bürger). verspätete erste Demokratie an einer Massen- Die diskontinuierlichen Wahlerfolge spiegeln bewegung zugrunde gegangen ist, die deutlich sich in der wissenschaftlichen Rezeption wider: populistische Züge trug. Obwohl Hitler auch bei Standen zunächst die Ursachen des Auf- der letzten noch halbwegs freien Reichstagswahl schwungs der neuen populistischen Parteien (vor im März 1933 keine eigene Mehrheit erringen allem: der Republikaner) im Zentrum des Inter- konnte, ist er doch nicht gegen, sondern durch esses, so setzte sich bald die Einsicht durch, dass das Volk an die Macht getragen worden. Die es um die Überlebensfähigkeit solcher Parteien Konsequenzen für die Begründung der zweiten in der Bundesrepublik nicht zum Besten bestellt deutschen Demokratie sind bekannt: Von tiefem ist. Zwei Erklärungsmöglichkeiten bieten sich Misstrauen in die Demokratiefähigkeit der Deut- für die vergleichsweise Schwäche an: Zum ei- schen geprägt, haben die Verfassungsgeber ein nen könnte es sein, dass die Durchsetzungs- System geschaffen, das der Verführbarkeit des chancen des rechten Populismus aufgrund der Volkswillens künftig jeden erdenklichen Riegel beschriebenen Vorbelastungen in Deutschland vorschieben sollte. Die in der Nachkriegszeit an anspruchsvollere Voraussetzungen gebunden noch überwiegend normativ ausgerichtete sind als anderswo. Wie die Wahlerfolge der Politikwissenschaft reflektierte dies in einem Republikaner gezeigt haben, gibt es einen Nähr- merkwürdig dichotomisierten Demokratie- boden für populistischen Protest auch in der verständnis, bei dem sich plebiszitäre und re- Bundesrepublik, doch wird die Organisier- präsentative Komponenten nach Art eines Null- barkeit dieses Protests (in Gestalt neuer Partei- 238 en) durch die Stigmatisierung der Vergangen- halbherzig) bedient – den Nutzen hatten die FDP heit wesentlich erschwert. Die Integrationskraft sowie Teile der Union. Ein weiteres Erschwer- der „Altparteien” muss darum möglicherweise nis für die neuen Parteien stellten die Folgen höher veranschlagt werden, als nach den An- des deutschen Vereinigungsprozesses dar. Nicht fangserfolgen des neuen Populismus zu erwar- nur, dass es in der ehemaligen DDR an einer ten war. Die zweite Erklärung geht davon aus, breiten Mittelschicht fehlte, aus der sich der dass die Voraussetzung einer Etablierung in Anhang des Populismus hätte speisen können; Deutschland genauso günstig oder ungünstig auch die reichlich vorhandene Unzufriedenheit liegen wie in anderen Ländern – allein hätten es wirkte sich dort nicht zugunsten der Newcomer die neu entstandenen Akteure versäumt, die sich aus, da mit der PDS eine andere, genuin ost- ihnen bietenden Gelegenheiten zu nutzen. Ver- deutsche Protestalternative bereitstand: Die wiesen wird hier auf die mangelhafte Organisa- Kombination von linkem und regionalistischem tionsstruktur und Darstellungskompetenz der Populismus sicherte der SED-Nachfolgepartei populistischen Parteien, die zur inneren Konso- in den neuen Ländern Stimmenanteile, von de- lidierung nicht in der Lage waren und deren nen ihre rechtspopulistischen Konkurrenten im negatives Erscheinungsbild in der Öffentlich- Westen nur träumen konnten. keit eine längerfristige WählerInnenbindung vereitelte. Symptomatisch für die Durchsetzungsschwä- 2. Rechtspopulistische Parteien in che des neuen Populismus ist seine organisato- Deutschland rische Zersplitterung. Während es der französi- sche Front National (bis zur Spaltung der Partei 2.1 Die Republikaner 1999) und die österreichische FPÖ geschafft haben, verschiedene Stränge des populistischen Nachdem die extreme Rechte in Deutschland Protests in einer gemeinsamen Partei zusam- fast zwei Jahrzehnte ein Schattendasein gefris- menzuführen, verlaufen diese Stränge in der tet hatte, begann mit dem Überraschungs- Bundesrepublik in Gestalt mehrerer Gruppierun- ergebnis