Schweigen Und Sprechen K03.Indd
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Schweigen oder Sprechen – Wie wir mit Geschichte umgehen Annegret Schüle, Solveig Negelen, Manuel Leppert, Peter Wurschi (Hg.) 1 Annegret Schüle, Solveig Negelen, Manuel Leppert, Peter Wurschi (Hg.) Schweigen oder Sprechen – Wie wir mit Geschichte umgehen Dokumentation der Veranstaltungsreihen „Das große Schweigen und seine Folgen“ (2013) und „Über das Sprechen. Welche Worte (ge-)braucht der Mensch?“ (2014) 2 3 „Wer die Sprache liebt, weiß, dass sie das menschlichste am Menschen ist und dass sie darum auch der schrecklichste Ausdruck seiner Unmenschlichkeit werden kann: Worte töten, Worte heilen.“ (Heinrich Böll) 4 5 Impressum Inhalt Bildnachweis: Alle Bildrechte liegen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist, bei den entsprechenden Herausgeber-Institutionen. | Bildnachweis bei Meier (S. 10) | Christian Meier (ullstein bild – CARO / Paulus Vorwort der Herausgeber ...................................................................................... 8 Ponizak) | Bildnachweis bei Peter Radtke (S. 64) | Peter Radtke (www.peter-radtke.de) Christian Meier Vergessen ist heilsam: Vier Thesen zu einer Kultur des Erinnerns .....................10 Quellenachweis S. 5: Epitaph für Walter Widmer. In: Heinrich Böll. Heimat und keine. Schriften und Reden 1964–1968, dtv – München, S. 157–158. Sabine Bode Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen .........16 Stiftung Ettersberg: Jenaer Straße 4 | 99425 Weimar | Tel.: 03643 4975-0 | Fax: 03643 4975-22 | [email protected] | www.stiftung-ettersberg.de Ines Geipel Das Gedächtnis der Angst – Vom Schweigen in der Diktatur ............................ 30 Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz: Sorbenweg 7 | 99099 Erfurt | Tel.: 0361 655-1681 | Fax: 0361 655-7152 | Alexander Thumfart [email protected] | www.topfundsoehne.de Schweigen / Verschweigen .................................................................................... 44 Heinrich-Böll-Stiftung e. V.: Schumannstraße 8 | 10117 Berlin | Podiumsdiskussion mit Annette Leo und Toralf Staud Tel.: 030 285 34-0 | Fax: 030 285 34-109 | [email protected] | www.boell.de Das große Schweigen und seine Folgen ........................................................50 Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e. V.: Trommsdorffstraße 5 | 99084 Erfurt | Annegret Schüle Tel.: 0361 555 32-57 | Fax: 0361 555 32-53 | [email protected] | Sprechen über Auschwitz. Bemerkungen zu Sprache und Verantwortung ...... 58 www.boell-thueringen.de Peter Radtke Herausgeber / Redaktion: Annegret Schüle, Solveig Negelen, Sprache ist Denken – Über den gedankenlosen Umgang mit Sprache .............. 64 Manuel Leppert, Peter Wurschi Matthias Rogg Lektorat: Susanne Haldrich | www.textei.com „Lingua bellica?“ – Überlegungen zum Wechselverhältnis von militärischer und ziviler Sprache ..................................................................72 Druck: Buch- und Kunstdruckerei Kessler GmbH Weimar Ulla Fix Erscheinungsjahr: 2015 Offizielle und widerständige Sprache in der DDR .............................................. 82 Bestellhinweis: Die Publikation kann über die beteiligten Institutionen Ingo Petz bezogen werden. Belarus – Sprache als Selbstbehauptung und Identität ....................................... 92 Die hier veröffentlichten Artikel spiegeln die Meinung der jeweiligen Auto- Iryna Herasimovich ren wider. Diese stimmen nicht notwendigerweise mit den Ansichten der Ein Text, den ich in meinem Heimatland nur im Falle meiner Ausreise Herausgeber überein. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die veröffentlichen würde .........................................................................................102 gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen ver- zichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter. Autoren, Referenten und Herausgeber ........................................................108 6 Veranstalter ...........................................................................................................1127 stehen Christian Meiers Bedenken, Erinnerung sei kein Schutz. Besser sei, Annegret Schüle, Solveig Negelen, das Gedenkwesen von zu hohen Erwartungen zu entlasten. Manuel Leppert, Peter Wurschi Es war uns schnell klar, dass es eine Fortsetzung unserer Veranstaltungsrei- he geben muss. Denn die naheliegende Antwort auf das Schweigen ist das Sprechen. „Welche Worte (ge-)braucht der Mensch?“ Das war unser Thema Vorwort der Herausgeber 2014. Natürlich kann Sprache befreien, aber sie kann auch zerstören. Und die Politik gebraucht sie oft, um ganz eigene Interessen durchzusetzen. Den Zusammenhang von Sprache und Verantwortung beleuchten aus ganz Es ist nicht selbstverständlich, dass sich drei historisch-politische Bildungs- unterschiedlichen Perspektiven Annegret Schüle und Peter Radtke. Schüle einrichtungen wie die Stiftung Ettersberg, die Heinrich-Böll-Stiftung und widmet sich in ihrem Beitrag der einerseits verletzenden und anderseits der Erinnerungsort Topf & Söhne zusammentun und inhaltlich ein gemein- heilenden Funktion von Sprache. Radtke analysiert aus eigenem Erleben, wie sames Konzept entwickeln und umsetzen. Umso erfreulicher war diese Menschen durch die Wahl ihrer Worte andere diskriminieren. Wie Militär sehr fruchtbare Zusammenarbeit, die es uns ermöglichte, Großthemen wie und Krieg unbewusst in Formulierungen der Alltagssprache Einzug gehalten „Das Schweigen“ und „Das Sprechen“ unter sehr unterschiedlichen und sich haben, erläutert Matthias Rogg in seinen Ausführungen. gleichzeitig produktiv ergänzenden Aspekten zu beleuchten. Gemeinsam Über Sprache und Selbstbehauptung in Diktaturen geben die Beiträge von haben wir 2013 die Veranstaltungsreihe „Das große Schweigen und seine Ulla Fix, Ingo Petz und Iryna Herasimovich Aufschluss: Ulla Fix widmet Folgen“ verwirklicht. Aus der Geschichte wissen wir einerseits, dass Vergan- sich dem widerständigen, sich Freiräume schaffenden Sprechen vor dem genes, gerade wenn es mit einschneidenden Erinnerungen verbunden ist, Hintergrund des offiziellen Sprachgebrauchs in der SED-Diktatur. Dass der nicht immer ein Darüber-Sprechen auslöst. Ausgesprochenes kann für den Gebrauch von Sprache beziehungsweise die Sprache an sich auch heute Sprechenden wie Zuhörenden schmerzhaft sein. So ist (Ver-)Schweigen Teil noch zum Politikum in einem autoritären Regime werden kann, ist Gegen- unserer Geschichte und Kultur geworden. stand der Beiträge von Petz und Herasimovich zur Republik Belarus (Weiß- Noch heute sind immer wieder die Forderungen nach einem „Schlussstrich“ russland) – ein aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwundenes Land zu hören, wenn die nationalsozialistischen Verbrechen thematisiert werden. im Herzen Europas, das von den Medien auch als „letzte Diktatur Europas“ Andererseits: Je länger der Zweite Weltkrieg zurückliegt, umso mehr be- bezeichnet wird. schäftigt er die Deutschen. Nicht wenigen Angehörigen der Kriegskinderge- Anders als in manchen Teilen des heutigen Osteuropas, wo kritische Stim- neration wird erst im Alter bewusst, in welchem Ausmaß der Krieg, die Ver- men oft zum Schweigen verdammt sind, fanden während der Friedlichen treibung und die Massenverbrechen in deutschem Namen in ihrem Leben Revolution 1989 viele Menschen in der DDR ihre Stimme wieder. In den Spuren hinterlassen haben. In unserer ersten Veranstaltungsreihe gingen Kirchen, auf den Demonstrationen und während der „Stadthallengespräche“ wir der Frage nach, welche Dimension das Schweigen nach dem Zweiten wurde miteinander gesprochen und gestritten – ein demokratischer Dis- Weltkrieg hatte und was dies für die (ost-)deutsche Nachkriegsgesellschaft kurs entstand. Danach setzte bei vielen wieder eine Zeit des Schweigens bedeutete. Inwieweit zogen die Herrschenden in der DDR ihre Legitimation ein: Eltern, die über ihr Leben in der DDR schwiegen, Kinder, die das aus dem Sprechen über die Zeit des Nationalsozialismus, und wie haben sie Nachfragen scheuten. Sprachlos betrachten sie gemeinsam die Auswir- darüber gesprochen? Wurde in den beiden deutschen Staaten nach 1945 kungen der wiedervereinigten deutschen Gesellschaft. Diesen Kreislauf anders geschwiegen? des (Ver-)Schwei gens, Sprechenlernens und des erneuten Schweigens, sei Mit dem Schweigen der Generation der Nachkriegskinder setzt sich beispiel- es aus Angst oder Ohnmacht, wollen wir mit den Texten in diesem Band aus haft Sabine Bode in ihrem Text auseinander, während Ines Geipel ausführ- unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, infrage stellen und durchbre- lich die Mechanismen von frei gewähltem oder verordnetem Schweigen chen. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. behandelt. Alexander Thumfart, Annette Leo und Toralf Staud unternehmen einen Versuch der „Folgenabschätzung“ des Schweigens. Dem gegenüber 8 9 Man beobachtet in der Weltgeschichte, dass normalerweise nach Krieg, Christian Meier Bürgerkrieg, Revolution oder Sturz von Diktaturen für das Gros der Beteiligten, manchmal auch für alle, Vergessen beschlossen oder angeordnet wird. Das kann bedeuten, dass eine Strafverfolgung durch einstmalige Vergessen ist heilsam: Gegner unterbleibt oder sogar ein Verbot erlassen wird, die Untaten überhaupt zu erwähnen: Es soll endlich und ungestört Frieden sein! Die Vier Thesen zu einer Kultur des Erinnerns Opfer und ihre Hinterbliebenen müssen dann ein zweites Opfer bringen – und auf Rache, also Strafverfolgung verzichten. Bei der Frage „Gerechtigkeit oder Frieden?“ erhält der Frieden – schwierig wie er ist – den Vorzug. Das galt bis zum Anfang des 20.