Erinnern! Aufgabe, Chance, Herausforderung
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Erinnern! Aufgabe, Chance, Herausforderung. 2 | 2 017 1933 1945 1989 Zehn Jahre Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt Bilanz und Ausblick Kai Langer 1 Martin Luther in der DDR. Vom „Fürstenknecht“ zu einem „der größten Söhne des deutschen Volkes“ Jan Scheunemann 33 Rudolf Bahros „Die Alternative“ – Dokument einer Politischen Theologie? Thomas Schubert 45 Perspektivwechsel – Wechselperspektive. Die Ausstellung „Wechselseitig. Rück- und Zuwanderung in die DDR 1949 bis 1989“ Eva Fuchslocher, Michael Schäbitz 59 Luthers Erben im Visier des Geheimdienstes oder: Pfarrer Hamel gefährdet den Weltfrieden André Gursky 75 Fonds „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“ Gundel Berger 88 Die Gedenkstätte für die Erschießung von polnischen Zwangsarbeitern im Schacht Schermen Annett Hehmann, Klaus Möbius, Reinhard Ritter, Axel Thiem 92 Über ein Schülerprojekt, das in Genthin für die Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes. Sachsen- Anhalt“ im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) entwickelt wurde Jerome Kageler 102 Menschenrechte fallen nicht vom Himmel – Charta 77 und das Querfurter Papier Lothar Tautz 106 Inhalt Aus der Arbeit der Stiftung „Ich wollte sie alle mit Namen nennen“ Die Anfänge des sowjetischen GULag im Weißen Meer – Studienreise der Bundes- stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im August 2017 nach Russland Edda Ahrberg, Kai Langer 116 „Reise der Erinnerung“ – Ein Tagebuch Femke Opper 127 Zur Lehramtsausbildung: Das Außerunterrichtliche Pädagogische Praktikum (AuPP) für Lehramtsstudierende in der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt Stefan Henze 136 Aus der Arbeit der Stiftung André Gursky 141 20 Jahre Internationales Workcamp am Grenzdenkmal Hötensleben Susan Baumgartl, René Müller 144 Gedenkstunde am 26. Mai 2017 am Grenzdenkmal Hötensleben zum 65. Jahrestag der Errichtung des DDR-Grenzregimes und des Beginns der Zwangsaussiedlungen aus dem Sperrgebiet Susan Baumgartl 147 327 Tote durch das DDR-Grenzregime – Präsentation der Ergebnisse des Forschung s- projektes „Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949 –1989“ Susan Baumgartl 152 Shaping Peace – Den Frieden gestalten: Die Internationale Jugendbegegnung 2017 des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. zu Gast in der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen Andreas Froese-Karow 157 Inhalt Zehn Jahre Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt Bilanz und Ausblick Kai Langer Am 1. Januar 2007 trat das „Gesetz über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt“ in Kraft, das neun Monate zuvor, am 22. März 2006, vom Magdebur- ger Landtag verabschiedet worden war. Auftrag der Stiftung ist es, das Wissen um die „einzigartigen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur“ im Bewusst- sein der Menschen zu bewahren und weiterzutragen sowie die „schweren Menschen- rechtsverletzungen während der sowjetischen Besatzung und der SED-Diktatur“ darzu- stellen und hierüber Kenntnisse zu verbreiten. In den zehn Jahren ihres Bestehens hat sich die Stiftung als eine tragende Säule der demokratischen Erinnerungskultur in Sachsen-Anhalt etabliert. Mit sieben Gedenk- stätten an demnächst neun Standorten zählt sie bundesweit zu den vielfältigsten Ein- richtungen der historisch-politischen Bildung. Vor dem Hintergrund des diesjährigen Jubiläums lohnt es sich, die bisherige Entwicklung sachlich und ohne Verklärung nach- zuzeichnen und künftige Aufgaben in den Blick zu nehmen. Vorgeschichte Im Prozess der deutschen Wiedervereinigung 1990 konstituierte sich das Land Sach- sen-Anhalt aus den DDR-Bezirken Magdeburg und Halle sowie dem zum Bezirk Cottbus 1 1933 1945 1989 gehörenden Landkreis Jessen. Auf dem Territorium des neu erstandenen Bundeslandes befanden sich fünf hauptamtlich betriebene „Mahn- und Gedenkstätten“ für die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen. Ihre Standorte befanden sich in Bernburg (ehema- lige NS-„Euthanasie“-Anstalt), Gardelegen (Mordstätte Feldscheune Isenschnibbe), Langenstein-Zwieberge (Außenlager des KZ Buchenwald), Prettin (KZ Lichtenburg) und Wernigerode (Außenlager des KZ Buchenwald).1 Als Gedenkorte in der unmittelbaren Nachkriegszeit oder in der DDR errichtet, wiesen sie – mit Ausnahme der erst Ende der 1980er Jahre entstandenen Gedenkstätte Bernburg – jene typischen Inhalte, Narrative und Gestaltungselemente auf, die dem propagandistisch gefärbten Geschichtsbild der SED entsprachen. Die nachlassende Akzeptanz dieser Einrichtungen und rückläufige Besucherzahlen machten eine inhaltliche und organisatorische Neuorientierung not- wendig. Darüber hinaus waren nach dem Untergang des Realsozialismus – insbesondere auf Initiative von Opfern des SED-Regimes – weitere Gedenkstätten im Land entstanden, die an Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen in der Sowjetischen Besatzungs- zone bzw. in der DDR erinnerten. So stimmte die Magdeburger Stadtverordnetenver- sammlung bereits im Dezember 1990 einer Forderung des örtlichen Bürgerkomitees zur Auflösung der Staatssicherheit zu, die ehemalige Untersuchungshaftanstalt der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit am Moritzplatz in eine Gedenkstätte umzu- wandeln. Zwei Jahre später beschloss der Landtag die Einrichtung der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am Standort des einst größten und bedeutendsten DDR- Grenzübergangs an der innerdeutschen Grenze. Das Jahr 1993 war zentral für langfristige erinnerungskulturelle Weichenstellungen des Landes: So verabschiedete die Landesregierung am 13. Juli einen Grundsatz- beschluss, der die Trägerschaft des Landes über fünf Gedenkstätten vorsah, denen sie eine überregionale Bedeutung zuerkannte: – die Gedenkstätte für Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg, – die Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, – die Gedenkstätte „Roter Ochse“ Halle (Saale), – die Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg und – die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. 2 Titelblatt des Heftes 2 der Reihe Gedenkstätten und Gedenkstättenarbeit im Land Sachsen- Anhalt, 1999. 3 1933 1945 1989 Als weiteres Auswahlkriterium für die geplante Übernahme wurde angeführt, dass die betreffenden Gedenkstätten jeweils exemplarisch einen „Unrechtskomplex“, d. h. einen bestimmten historischen Aspekt politisch motivierter Willkür, wie z. B. im Fall Langen- stein die Themenkomplexe KZ-System und Todesmarsch, repräsentieren.2 Weiterhin fasste das Land den Beschluss, für vier der fünf von ihm getragenen Gedenk- stätten Gutachterkommissionen einzusetzen, um Konzepte für die weitere Entwicklung der historischen Orte zu erarbeiten. Mitglieder der Kommissionen waren Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Verwaltung und Opferverbänden.3 Zudem wurde fest- gelegt, einen Gedenkstättenbeirat einzurichten, um den zuständigen Innenminister in allen Fragen der Gedenkstättenarbeit mit fachlicher Expertise zu unterstützen. Ein spä- terer Erlass regelte die Zusammensetzung des Gremiums. Zunächst unterstanden die Gedenkstätten in Bernburg, Halle und Marienborn den regi- onal jeweils für sie zuständigen Regierungspräsidien in Magdeburg, Halle und Dessau. Seit Dezember 1999 erfolgte die Betreuung zentral durch das Dezernat 37 im Regie- rungspräsidium Magdeburg mit Sitz in der Olvenstedter Straße 1–2. Dagegen verblieb die Verwaltung der Gedenkstätten Langenstein-Zwieberge und Magdeburg aufgrund gesonderter Verwaltungsvereinbarungen in den Händen ihrer ehemaligen Träger: des Landkreises Halberstadt bzw. der Landeshauptstadt Magdeburg. Während letzteren weiterhin die Dienstaufsicht oblag, übte das Gedenkstätten-Dezernat die Fachaufsicht aus. Das Land übernahm 95 Prozent der Verwaltungs- und 100 Prozent der Investi- tionskosten.4 Andere kommunale Gedenkstätten, z. B. die in Prettin, Gardelegen und Wernigerode verblieben dagegen weiter in Obhut der sie tragenden Gebietskörper- schaften.5 Im Zuge einer umfassenden Neuordnung der Landesverwaltung 2003 wurden die drei bestehenden Regierungsbezirke samt -präsidien aufgelöst und zusammen mit 22 an- deren Sonderbehörden in das neu geschaffene Landesverwaltungsamt überführt.6 Dabei wurden die Zuständigkeiten für die fünf landeseigenen Gedenkstätten in einem gesonderten Referat 211 unter der Leitung des bisherigen Dezernatsleiters Dr. Lutz Miehe gebündelt. Die Geschäftsstelle des Referates bezog ihren Sitz zum 1. Januar 2004 in der Hallenser Fliederwegkaserne. 4 Eröffnung der Dauerausstellung in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge am 23. 11. 2001. Die Kuratorin Denise Wesenberg zeigt dem damaligen Innenminister von Sachsen-Anhalt Dr. Manfred Püchel und dem Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt Dr. Ronald Brachmann einen im Stollen gefundenen Häftlings- schuh (v. l. n. r.). 5 1933 1945 1989 Im Jahr 1995 konstituierte sich der Gedenkstättenbeirat. Ihm gehörten Vertrete- rinnen und Vertreter der Landeszentrale für politische Bildung und ihres Kuratoriums, der Wissen schaft, der Museumsarbeit, der Kirchen, der jüdischen Gemeinden sowie mehrerer Opferverbände – des Interessenverbandes ehemaliger Teilnehmer am anti- faschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener (IVVdN), der Vereinigung der Opfer der Stalinismus (VOS) und des Bundes der Stalinistisch Verfolgten (BSV) – an. Das Gremium beschäftigte sich mit diversen Aspekten der Gedenkstättenarbeit: von der Erteilung von Forschungsaufträgen über die Zusam- menarbeit mit Schulen und anderen Bildungsträgern bis hin zum Ablauf von Gedenk- veranstaltungen.7 Trotz mitunter strittiger Themen waren die Sitzungen des Gremiums nach überein- stimmenden Einschätzungen sowohl von Teilnehmenden als auch Beobachtenden