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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Die neurotische Pop-Elfe wird 55

Autorin: Christiane Rebmann Redaktion: Bettina Stender

Sendung: Freitag, 19.07.13 um 19.20 Uhr in SWR2

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Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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1 MANUSKRIPT

Kate Bush "" (CD: )

Autorin: Die Multiinstrumentalistin und Sängerin Kate Bush gehört zu den exzentrischsten Künstlerinnen der britischen Musikszene. Seit die damals 19-Jährige 1978 ihr Debütalbum "" veröffentlichte, genießt sie Kultstatus und ist dabei auch kommerziell erfolgreich. Ihre insgesamt zehn Alben schafften es alle auf Platz Eins der britischen Albumcharts. Mit ihrer Musik und den an Kurzfilme erinnernden Videoclips hat sie seitdem unzählige junge Musiker beeinflusst. Künstler wie der US Popstar Lady Gaga, die britische Musikerin Florence Welsh von Florence and the Machine oder der kanadische Singer Songwriter Rufus Wainwright orientieren sich an ihr. Und das, obwohl die Britin zu schüchtern ist, live aufzutreten und für ein bis zu zwölf Jahren braucht.

Kate Bushs Zurückgezogenheit ist legendär. Sie zeigt sich nur sehr selten in der Öffentlichkeit. Interviews mit ihr sind äußerst rar. Ich hatte das Glück, mehrfach mit ihr sprechen zu dürfen. Anfangs traf ich sie zum Interview in England. Mir fiel damals auf, dass sie entgegen den Gerüchten, die über sie verbreitet wurden, unprätentiös und humorvoll wirkte und hier und da auch über sich selbst lachen konnte. Bei dem Interview zu ihrem letzten Werk "" von 2011 zeigte sie sich gewohnt zögerlich, was die Promotion für das Album betraf. Sie willigte zwar ein, das weltweite Medieninteresse mit einigen wenigen Interviews zu befriedigen. Doch die fanden alle per Telefon statt.

Kate Bushs Vita ließ anfangs nicht unbedingt erahnen, in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln würde. Sie kam am 30.Juni 1958 als Tochter einer Krankenschwester und eines Arztes in der britischen Grafschaft Kent zur Welt. Kate alias Catherine wuchs auf einem Bauernhof in East Wickham auf und wurde katholisch erzogen. Ihre beiden Brüder John und Paddy waren in der Folkszene aktiv, sie selbst nahm Geigen- und Klavierunterricht und spielte auf der Orgel, die im Schuppen hinter dem Elternhaus stand. Als Teenager nahm sie ein Demoband mit einigen selbst geschriebenen Songs auf und erhielt daraufhin einen Plattenvertrag. Mit 19 gelang es ihr, mit "Wuthering Heights" aus ihrem ersten Album "The Kick Inside" als erste Frau in Großbritannien mit einem selbst geschriebenen Stück auf Platz Eins der Charts zu kommen. Zu dem Song hatte sie der Film "Sturmhöhen" und das gleichnamige Buch inspiriert sowie die Tatsache, dass die Autorin Emily Bronte am selben Tag Geburtstag hat. Bush schlüpfte für einige Zeilen in die Rolle der Hauptfigur Catherine Earnshaw, die nach ihrem Tod als Geist zu dem Mann zurückkehrt, den sie liebt.

Kate Bush "Wuthering Heights" (CD: The Kick Inside)

Autorin: Kate Bush, deren Musik von den Kritikern wahlweise als , progressive Rock oder Baroque Pop bezeichnet wird, konnte auf die Unterstützung namhafter Kollegen zählen. So gab zum Beispiel der Gitarrist Dave Gilmour ihrer Karriere den entscheidenden Impuls, indem er anstelle der von ihrer Familie erstellten eher amateurhaft klingenden Demobänder neue Demoaufnahmen mit der damals 16-Jährigen produzierte.

2 Die Plattenfirma EMI nahm sie daraufhin unter Vertrag, wartete aber mit der Veröffentlichung des Debütalbums "The Kick Inside", bis Kate 19 war. Ab 1985 war der britische Komponist und Arrangeur ein wichtiger und zuverlässiger Wegbegleiter.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Ich erinnere mich an das erste Mal, als wir zusammen arbeiteten. Das war für "Hounds Of Love". Er zauberte damals ein fantastisches Orchesterstück für einen Song namens "Hello Earth”. Und das war wirklich eine Herausforderung für ihn. Wegen der Form, wie er den Song vorgesetzt bekam. Da waren einfach zwei riesige Löcher, wo das Orchester rein sollte. Das war ziemlich schwierig für ihn. Aber es hat ihn nicht gestört. Es hat immer unglaublich viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.

3. Song: Hello Earth

Kamen, der für seine Arbeit mit illustren Kollegen wie Pink Floyd und Eric Clapton sowie für seine zahlreichen Soundtracks bekannt ist, half Kate Bush auch bei den Arrangements und der Orchestrierung für ihr Album "Aerial". Kurz bevor das Album 2005 erschien, starb er. Ein herber Verlust für Kate, die mit Michael auch gut befreundet gewesen war.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Wir kannten uns schon sehr lange. Er hat seit "Hounds of Love" bei jedem meiner Alben mitgemacht. Und abgesehen davon, dass er ein sehr guter Freund ist, macht er auch wundervolle Streicherarrangements. Vor allem gefiel mir, dass seine Arbeit immer sehr visuell war. Deshalb hat er offensichtlich auch so gute Filmsoundtracks geschrieben. Unsere Zusammenarbeit lief so ab, dass ich einen Song schrieb und ihm den dann vorspielte. Und er hat dann um dieses Songgerüst herum gearbeitet. Deshalb war es für ihn wahrscheinlich ähnlich, wie wenn er Musik für einen Film machte. Da bekam er auch immer kleine Puzzleteile eines Films präsentiert. Und daran musste er sich dann orientieren.

Kamen war offensichtlich in der Lage gewesen, die sonst sehr introvertierte Kate aus der Reserve zu locken. Unter anderem, indem er sich um ihren damals sechsjährigen Sohn Albert, auch Bertie genannt, kümmerte.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Wir hatten so viel Spaß bei den Aufnahmen zu Aerial. Wir verbrachten einen Tag gemeinsam im Abbey Road Studio. Es war so lustig. Weil wir so gute Freunde waren, konnten wir auch sehr gut miteinander lachen. Und dieser Tag, an dem wir die Aufnahmen machten, war, wie sich später rausstellte, etwas ganz besonderes. Weil es das letzte Mal war, dass ich ihn sah. Direkt danach ist er gestorben. Und ich bin unglaublich dankbar, dass wir diese Zeit miteinander verbringen konnten. Wir haben uns gegenseitig angefeuert, was die Kreativität betraf. Und es war auch sehr schön, weil ich ja meinen kleinen Sohn Bertie mit in die Session genommen hatte. Michael hat Zauberer gespielt und ihm all diese tollen Tricks vorgeführt, mit Bananen und Äpfeln. Es war wirklich ein ganz besonderer Tag.

3 Autorin: Bei den Aufnahmen zu ihrem Album "50 words for Snow" von 2011 durfte der mittlerweile 13-jährige Bertie dann sogar mitsingen.

Kate Bush "Snowflake" (CD: 50 words for Snow)

Sie habe ihren Sohn nicht lange überreden müssen, mit ihr ins Studio zu gehen, versichert Kate Bush.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Es hat Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Ich musste ihn ja nichts ins Studio zerren. Er war richtig aufgeregt, weil er mitmachen durfte. Und ich fand es spannend, seine Stimme so aufzunehmen. Ich bin wirklich begeistert davon, wie er gesungen hat. Ich finde, dass er eine schöne Stimme hat. Als ich den Song schrieb, dachte ich an ihn. Er kommt mit seiner Stimme sehr hoch. Er klingt fast wie ein Chorknabe. Er wird die Fähigkeit, so hoch und so rein zu singen, ja demnächst verlieren. Und ich wollte unbedingt einen Song schreiben, der die jetzige Schönheit seiner Stimme einfängt. Er ist immer sehr in meine Arbeit involviert. Er gehört zu meinen wichtigsten Kritikern. Er ist sehr positiv und sehr konstruktiv in seiner Kritik.

Autorin: Obwohl Kate Bush ihr Privatleben und ihre Familie fast manisch vor der Öffentlichkeit schützt, ist das Album "50 words for snow" so etwas wie ein Familienunternehmen. Neben ihrem Sohn machte auch ihr Ehemann Danny McIntosh mit. Er spielt Gitarre. Es ist ihr wichtig, dass sie bei der Arbeit vertraute Menschen um sich herum hat. Deshalb waren früher auch oft ihre Brüder in die Alben involviert.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Das ist etwas, das ich immer getan habe. Ich habe immer meine Familie und meine Freunde in meine Arbeit eingespannt. Deshalb ist es auch so ein persönlicher Prozess für mich.

Autorin: "50 Words For Snow" ist ein außergewöhnliches, wie aus der Zeit gefallenes Album, das stilistisch zwischen Pop, Klassik und Jazz oszilliert und sieben Songs mit bis zu 13 Minuten Länge enthält. Inhaltlich konzentrierte sich Kate Bush auf das Thema Schnee in all seinen Erscheinungsformen. Ein ziemlich kaltes Thema, oder?

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Naja, wenn Sie draußen im Schnee sind, ist er zwar sehr kalt. Aber ich verbinde mit Schnee auch, dass man in einem schönen warmen Raum sitzt, vielleicht sogar vor einem Kamin. Diese Gemütlichkeit an einem Wintertag, die liebe ich. Ich hatte mich schon länger für das Thema Schnee interessiert. Ich hatte es schon einige Male als Basis für die Grundatmosphäre verwendet. Und ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein ganzes Album mit einem Winterthema zu schreiben. Das war der Ausgangspunkt. Aber als ich anfing, die Songs zu schreiben, stellte ich fest, dass sie mehr mit Schnee zu tun hatten als allgemein mit dem Winter.

4 Mit dem Wort Schnee kann man so viel verbinden. Schnee kann jungfräulich sauber sein. Er ist auf jeden Fall kalt. Er hat eine flüchtige Konsistenz, zumindest bei uns in England. Er kommt, und am nächsten Tag kann er schon wieder weg sein. Ich war überrascht, wie interessant es sein kann, über Schnee zu schreiben.

Autorin: In ihren Texten erzählt die Britin nach wie vor ungewöhnliche Geschichten. Zum Beispiel die von einer Liebesbeziehung zwischen einer Frau und einem Schneemann im Song "Misty" . Eine etwas - seltsame - Affaire.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Das bin ja nicht ich. Es geht in diesem Song um eine Frau, die einen Schneemann baut. Und der besucht sie nachts in ihrem Schlafzimmer. Ich dachte zuerst, diese Idee ist vielleicht ein bisschen albern. Aber ich hoffe, dass der Song jetzt nicht zu lächerlich klingt. Er ist ja auf eine Art ein ziemlich dunkler Song. Der Mann hält ja nicht lange, nicht wahr? (lacht)

Kate Bush "Misty" (CD: 50 words for snow)

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Ich schreibe meistens zuerst die Musik. Sie ist zuerst da. Aber sie sagt nicht unbedingt, wo es lang geht. Es ist eh ein Prozess, der schwer zu erfassen ist. Ich arbeite immer an verschiedenen Ideen gleichzeitig. Ich schreibe normalerweise zuerst mit dem Keyboard.

Autorin: In ihren Songs vermischt Kate Bush oft Träume mit selbst Erlebtem, Sagen mit Realität. Dabei entstehen häufig sehr plastische Bilder. Wie zum Beispiel im Song "Lake Tahoe".

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Dieser Song basiert auf einer Geschichte, die mir ein Freund erzählt hatte. Es geht da um diese außergewöhnliche Sage, die über Lake Tahoe erzählt wird. Es ist ja ein riesiger Bergsee, mit sehr kaltem Wasser. Und es geht die Sage von einer Frau, die in der viktorianischen Zeit darin ertrank. Hier und da schwebt sie angeblich kurz nach oben, und man sieht sie unter der Wasseroberfläche, in ihrem viktorianischen Kleid, das sie anhatte, als sie reinfiel. Und dann taucht sie wieder ab. Mir gefiel dieses Bild, weil es etwas Luftiges hat, aber auch sehr stark ist.

Autorin: Für den Chorgesang in diesem Song lud sie die britischen Kollegen Stefan Roberts und Michael Wood ins Studio. Sie kommen aus der Klassikszene, der sich Kate Bush sehr verbunden fühlt.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Ich finde, ihre Stimmen klingen sehr eindringlich. Auch weil es nur die beiden sind und nicht ein großer Chor. Dadurch klingt das mächtiger.

5 Kate Bush Lake Tahoe (CD: 50 words for snow)

Autorin: 2011 erlebte Kate Bush offensichtlich einen ungewohnten Kreativitätsschub. Einige Monate, bevor das Album "50 words for snow" mit neuen Songs erschien, brachte sie die CD "Director’s Cut" heraus, mit neuen Versionen der Songs von ihrem 1989er Album "The Sensual World" und dem 93er Werk "The Red Shoes". Die Arbeit an den alten Songs habe viele Jahre gedauert, erzählte sie.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Es war interessant, diese Songs zu singen, die von vor langer Zeit stammen. Am Anfang fand ich es ein bisschen unangenehm. Aber dann fühlte es sich sehr schnell an wie die Arbeit an einem neuen Album, an neuen Songs. Nachdem ich den Übergang geschafft hatte, fühlte es sich, als wären das neue Songs. Obwohl viele Passagen mit den alten Musikern beibehalten wurden, gab es auch viel frischen Input. Also fühlte es sich sehr schnell nicht mehr wie alte Songs an

Autorin: Auch die Texte entwickelte sie weiter. Da sie nach langen Bemühungen endlich die Genehmigung erhalten hatte, Textstellen aus dem Roman "" von James Joyce zu verwenden, benannte sie ihren Klassiker "The Sensual World" in der neuen Version in "Flower Of the Mountain" um.

Kate Bush "Flower of the Mountain" (CD: Director's cut)

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, an diesen beiden Projekten zu arbeiten, die ja doch sehr unterschiedlich sind. Was auch schön war. Ich habe das Glück, dass ich meine Arbeit so liebe. Wo doch so viele Menschen sehr unglücklich in ihren Jobs sind. Ich fühle mich sehr privilegiert.

Autorin: Das klingt ein wenig, als würde sie sich selbst ihre Situation schön reden. Für ihr Album "Aerial", das 2005 erschien, hatte sie immerhin zwölf Jahre gebraucht. Der Nachfolger zu "Red Shoes” von 1993 bestand dann aber auch gleich aus zwei CD’s, "A Sea of Honey" und "A Sky of Honey". Das Werk war ursprünglich nicht als Doppel-CD geplant gewesen. Aber dann hatte Kate festgestellt, dass sie sehr viel gutes Material zusammen hatte, von dem sie sich nicht trennen mochte.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Was die Sache so schwierig machte, war die Tatsache, dass ich die Schreib- und Aufnahmephasen immer wieder unterbrechen musste. "King of The Mountain" hatte ich sehr früh geschrieben. Wie auch ein paar der anderen Tracks. Aber dann musste ich erst mal eine sehr lange Pause einlegen, bevor ich weitermachen konnte. Wir haben mein Studio umgebaut, ich wurde Mutter. Und weil es mir so wichtig war, so viel Zeit wie möglich mit meinem Sohn zu verbringen, habe ich die Arbeit am Album immer wieder aufgeschoben.

6 Ich glaube, viele Menschen denken, dass ich zwölf Jahre an dem Album gearbeitet habe. Aber das stimmt nicht. Ich hab vielleicht vier oder fünf Jahre intensiv daran gearbeitet. Und selbst in dieser Zeit bin ich nicht durchgehend dran geblieben.

Kate Bush "King of the mountain" (CD: Aerial)

Autorin: "King of the Mountain" ist ein Song über Elvis Presley und seine Probleme mit dem Prominentenstatus. Ich glaube nicht, dass wir Menschen dazu gemacht sind, berühmt zu sein, sagt Kate Bush zu diesem Thema.

Live tritt sie schon lange nicht mehr auf. Wenn sie vor Publikum singen soll, gerät sie in Panik. Auch ihr Freundeskreis ist auf wenige Menschen begrenzt. Außerhalb dieses Kreises pflegt sie kaum Kontakte. Aus der Öffentlichkeit zog sie sich schon vor rund 30 Jahren zurück. Zu dem Misstrauen, was ihre Mitmenschen betrifft, kam auch noch das Gefühl, ausgebrannt zu sein. Diverse Todesfälle im Familien- und Bekanntenkreis, dazu die immer härteren Anforderungen des Musikbusiness sowie anstrengende Abstecher in die Filmwelt hatten ihr so zugesetzt, dass sie starken Erschöpfungszuständen und einer Schreibblockade litt. Sie isolierte sich. Das Namensschild am Tor zu ihrem Anwesen in Sulhamstead in West Berkshire ließ sie entfernen. Und selbst die Nachbarn sahen sie so selten, dass hier und da das Gerücht umging, sie sei ausgezogen. Gäste erzählen, ab und zu lasse sie sich per Hubschrauber zu ihrem Strandhaus in Portlemouth in Devon fliegen, um am Meer Mittagessen zu können.

Seit über 20 Jahren lebt Kate Bush mit ihrem Ehemann, dem Gitarristen Danny McIntosh zusammen. Der gemeinsame Sohn Bertie besucht eine teure Privatschule. Abgesehen von diesen Details dringt nur wenig aus ihrem Privatleben in die Öffentlichkeit. Für das Booklet zu ihrer CD "Aerial" überschritt sie allerdings die selbst gesetzte Barriere. Im Inneren des CD Heftes ist das Gemälde "Fishermen" von James Southall zu sehen, das bei ihr zuhause im Wohnzimmer hängt. Auf die Frage, ob sie sich ab und an wieder ihrer früheren Freizeitbeschäftigung, der Malerei, widmet, antwortete sie knapp und mit Humor.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Sie meinen Malen, wie die Küche neu dekorieren? (lacht)

Autorin: Diese Antwort hatte sie mir schon in unserem letzten Interview gegeben.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Hab ich das letztes Mal auch gesagt? Oh Gott, sogar meine Witze sind alt. Sie müssen ein sehr gutes Gedächtnis haben.

Autorin: Dann erzählt sie, dass der visuelle Aspekt beim Schreiben auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielt. Deshalb setzt sie sich zum Arbeiten immer in einen bestimmten Raum.

7 Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Ich kann von dort aus bis in den Garten sehen. Wenn ich zuhause schreibe, dann sitze ich in meinem kleinen Musikzimmer. Ich mag es, dass es nur ein kleiner, einfacher Raum ist. Manche Songs schreibe ich auch im Studio. Es kann schön sein, aber auf eine Art ist es nicht wichtig, was man physisch mit den Augen sieht, sondern eher, was man in seiner Vorstellung sieht. Manchmal gucke ich nur auf eine Mauer, wenn ich schreibe. Aber es baut auf, wenn man Blick auf etwas Schönes hat. Es ist schön, Bäume und Blätter zu sehen.

Autorin: In dieser Umgebung entstand auch der Titelsong zu ihrem aktuellen Album "50 words for snow". Ausgangspunkt war eine Geschichte, die sie schon lange fasziniert hatte und die sie mit Hilfe des britischen Komikers und Schriftstellers Stephen Fry umsetzte.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich diesen Mythos - denn das ist es ja - zum ersten Mal hörte, dass Eskimos 50 Wörter für Schnee haben. Ich dachte oft, wie interessant, dass man so viele Wörter für eine Sache haben kann. Und als ich anfing, die Songs für dieses Album zu schreiben und sich abzeichnete, dass Schnee eine so wichtige Rolle darin spielen würde, fiel mir das sofort ein. Dieses Stück ist eher witzig gemeint. Ich habe mir ein paar Begriffe ausgedacht für Formen, in denen Schnee auftauchen kann, oder Gefühle, die mit Schnee verbunden werden. Es ist ein eher leichtgängiger Song.

Autorin: Nur die ersten Begriffe im Song gibt es wirklich. Wörter wie ankle breaker, also Knochenbrecher, entstammen ihrer Fantasie.

Kate Bush "50 Words for snow" (CD: 50 words for snow)

Autorin: Kate Bush ist vermutlich die einzige Künstlerin, die auch einen überzeugenden Song über die Zahl Pi schreiben kann. So geschehen im Jahr 2005 für das Album "Aerial". Es heißt, dass ihre Anhänger immer noch nach der wahren Bedeutung des Songtextes suchen.

Kate Bush: (engl) Sprecherin overvoice: Sicher ja, irgendjemand wird ganz sicher wieder irgendwas ausklügeln und sagen: "Ich hab den Code geknackt." Dabei geht es hier wirklich nur um die Zahl Pi. Das ist ein Versuch, ein Liebeslied über Zahlen zu schreiben. Ich fand es eine große Herausforderung, als Sängerin echte Emotionen in den Gesang zu legen, als ich die Zahlen sang. Das war wohl die schwierigste Aufgabe überhaupt, die ich bisher als Sängerin lösen musste. Wenn du einen Text singst, versuchst du, ihn so emotional wie möglich rüber zu bringen. Du versuchst, ein Gefühl zu transportieren. Und mit Zahlen ist das natürlich noch mal ganz anders, als wenn du in einer fremden Sprache singst. Da weißt du wenigstens noch, dass du richtige Wörter singst. Selbst wenn du sie vielleicht nicht ganz verstehst. Ich fand das richtig interessant.

Kate Bush: "Pi" (CD: Aerial)

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