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Sonderheft zur Ausgabe 4/2020 Die Goten in der Geschichte Europas

eit zurück in die Geschichte gingen wir mit unseren His- W torischen Tagen 2020. „Die Goten in der Geschichte Europas“ war vom 26. bis zum 28. Februar das Thema. Dabei stand die Rolle dieses ostgermanischen Volkes als Vermittler zwischen Antike und Mittelalter im Mittelpunkt. Aber auch die Spuren, die die Goten – noch heute sichtbar – in Archäologie, Literatur, Brauchtum und auch Religion hinterlassen haben, zeigten die Expertinnen und Experten auf. Lesen Sie im Nachgang alle zwölf Referate, die von den Autoren noch einmal überarbeitet worden sind. Zur Erläuterung der Inhalte und zum Schmuck der Seiten haben wir eine Reihe von Landkarten, historischen Dokumenten, Kunstwerken und ande- re Illustrationen ausgesucht und im Heft abgedruckt.

Theoderich der Große, in der Sage als Dietrich von Bern verewigt, war eine der zentralen historischen Persönlich- keiten im Übergang von Antike zum Mittelalter. Siehe dazu das Referat von Hans-Ulrich Wiemer ab Seite 30. Die Abbildung entstammt einer Sammel- handschrift aus dem Kloster Fulda (vor 1176), heute in Leiden, Universitäts- bibliothek, Cod. Vulc. 46, fol. 1 verso. Jordanes änderte aber nichts an Cas- Der Text bezieht sich ausdrücklich Die Anfänge der Goten und die Scythica siodors Entwurf, wonach die Goten un- auf die mündliche Überlieferung der ter König die Insel Skandza, Skan- Goten, die in ipsis fabulis die Amaler Vindobonensia dinavien, in drei Schiffen verlassen hat- als A(n)sen, wie das viel später überlie- ten und an der Gothiscandza, an der ferte skandinavische Göttergeschlecht Herwig Wolfram heute pommerschen Küste, gelandet sei- hieß, und Halbgötter, als beständige en. Das sei genau im Jahre 1490 vor Glücksbringer im Kampf und keines- Christus geschehen. Das heißt noch vor wegs als puri homines priesen. Trotz- dem Trojanischen Krieg, von dem die dem beginnt die origo Amalorum nicht Römer ihrerseits ihre Herkunft herleite- mit dem Heros eponymos, sondern weist ten. Von der Gothiscandza seien die Amal bloß den vierten Platz in einer Goten nach etwa fünf Generationen in Genealogie zu, die mit zwei oder drei I. den südosteuropäischen Raum gezogen, skandinavischen Götternamen beginnt. wo sie nacheinander drei Wohngebiete An der Spitze steht Gaut, der Stammva- Die Anfänge eines Frühen Volkes besiedelten. Zuerst in Skythien am ter vieler Völker auf dem Kontinent, in handeln vor allem von dessen Herkunft Asowschen Meer, dann in den Römer- Britannien und vor allem der skandina- und Namen. Wer aber einen Historiker provinzen Moesien, Thrakien und Daci- vischen Gauten. Einst bekennt Odin, damit befasst, versetzt ihn in größte en, das heißt im Getenland, und schließ- sein „früherer“ Name sei Gautr gewe- Ver legenheit. Diesbezüglich befragt, lich wieder in Skythien. sen, und auch die gotische Überliefe- würde er am liebsten wie weiland Ritter In der ersten Heimat, in , In rung kennt keinen Odin/Wodan. Lohengrin den nächsten Schwan neh- den saftigen Wiesen, habe noch der Also kamen die Goten doch aus men und abreisen. Der Historiker kann Wanderkönig regiert, der die Skandinavien, wie es die ohne- nämlich die Frage mit seinem methodi- schamanistischen haliurunnae, die Müt- hin behaupten? Oder waren es nur die schen Instrumentarium und aus Mangel ter der Hunnen, aus dem Volk verban- Amaler, die von dort nach Süden auf- zeitnaher schriftlicher Quellen nicht be- nen musste. In die zweite Heimat ka- brachen? Tatsächlich kannte Ptole- antworten; denn Ursprünge und Anfän- men die Goten, um hier die Geten zu maios um 150 nicht bloß Gutonen an ge werden erst literarisch, wenn man sie werden. Zurück in der dritten, wieder der Weichsel, sondern auch skandinavi- braucht und dann viele Generationen skythischen Heimat wurden sie klüger sche Guten, und