Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Philosophisch-Historische Fakultät Institut für Zeitgeschichte

Er ist wieder da (2015) Hitler-Darstellung, medialer Wandel und Erinnerungskultur im Spiegel der Public History

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie (Mag. phil.)

eingereicht bei Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow

von Benedikt Kapferer

Innsbruck, im Oktober 2019 Danksagung Zuallererst möchte ich mich herzlichst bei meinem Betreuer, Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow, bedanken. Die flexible Beratung und die Freiheit in der Gestaltung der Arbeit schätzte ich sehr.

Darüber hinaus gilt mein Dank auch allen Menschen, die mich in meinem gesamten Studium inspirierten und prägten. Deren wichtiger Einfluss als meine ganz persönlichen „Influencer“ darf nicht unerwähnt bleiben.

Vielen Dank auch allen meinen Freundinnen und Freunden für die Unterstützung und die gemeinsame Zeit. Die vielen Gespräche mit Christian und Theresa waren sehr wertvoll und gaben mir einen wichtigen Rückhalt.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Christina für das offene Ohr und die Begleitung an meiner Seite.

Der größte Dank gebührt meiner Familie. Meinen Großeltern Theresia und Egon danke ich für die vielen Erzählungen, welche meine Leidenschaft für die Geschichte weckten. Auf ewig dankbar bin ich meinen Eltern Gabriele und Mathias für die besondere Unterstützung, euren Glauben an mich und die Möglichkeit, meinen eigenen Weg zu gehen.

Vielen Dank an euch alle!

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...... 4 2. Grundlagen ...... 13 2.1 Historische Diskursanalyse ...... 13 2.2 Zeitgeschichte und Public History ...... 16 2.3 Geschichts- und Erinnerungskultur ...... 22 2.4 Das Medium Film und der „Erinnerungsfilm“ ...... 31 2.5 Medien, Kultur und Erinnerung in der Postmoderne ...... 35 2.6 Digitalisierung ...... 39 3. Spannungsfelder der Darstellung der NS-Vergangenheit ...... 44 3.1 Banalisierung/Normalisierung – Dämonisierung/Moralisierung ...... 44 3.2 Historisierung ...... 54 4. Überblick der Rezeptionsgeschichte Adolf Hitlers in der Public History ...... 58 4.1 Hitler als Figur im Medium Film ...... 63 4.1.1 Zeitgenössische Satiren – Chaplin und Lubitsch ...... 63 4.1.2 Nachkriegszeit ...... 67 4.1.3 „Hitler-Welle“ der 1970er ...... 71 4.1.4 Holocaust-Filme als Zäsuren der Geschichtskultur und Erinnerungsboom ...... 73 4.1.5 „Hitler sells“ – Guido Knopps Geschichtsfernsehen ...... 78 4.1.6 Zweite Hitler-Welle nach der Jahrtausendwende ...... 79 4.1.7 Anything goes – Hitler als Kunstfigur ...... 82 4.2 Die NS-Vergangenheit im Internet der Gegenwart ...... 87 5. Fallstudie Er ist wieder da (2015) ...... 90 5.1 Allgemeines ...... 90 5.1.1 Kulturelles Phänomen zwischen Buch, Hörbuch, Film und Theaterstück ...... 90 5.1.2 Allgemeine Informationen zum Film ...... 93 5.1.3 Handlung ...... 94 5.1.4 Einordnung als filmische Darstellung – Satire 2.0? ...... 98 5.1.5 Marketing ...... 102 5.1.6 Kontext ...... 104 5.1.7 Intention und Rezeption ...... 109 5.2 Hitler in der Gegenwart der Menschen ...... 116 5.2.1 Darstellung zwischen Fiktion und Dokumentation ...... 116

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5.2.2 „Lachen mit Hitler“ ...... 122 5.3 Hitler in der Mediendemokratie ...... 124 5.3.1 Medien und Politik in der Gegenwart ...... 125 5.3.2 „Hitler sells“ und die Quote ...... 126 5.3.3 Hitler und die Medienmacht des Privatfernsehens ...... 128 5.4 Film als Reflexion zeitgeschichtlicher Diskurse ...... 133 5.4.1 Hitlers Aufstieg und charismatische Herrschaft ...... 134 5.4.2 Zwischen Normalisierung und Dämonisierung: Diskurs um „ganz gewöhnliche Menschen“ ...... 138 6. Er ist wieder da als gedächtnisreflexiver Erinnerungsfilm ...... 146 6.1 Medien der Erinnerungskultur von der Talkshow bis YouTube ...... 146 6.1.1 Das filmische Gedächtnis ...... 146 6.1.2 Der Kiosk als Medienumgebung der Erinnerung ...... 148 6.1.3 Geschichte diskutieren – Talkshows und Erinnerungskultur ...... 149 6.1.4 Influencers of Memory: YouTube als Medium der Geschichts- und Erinnerungskultur ...... 151 6.2 Orte der Zeugenschaft – Umgang mit Hitler zwischen Erinnern und Vergessen ...... 155 6.2.1 Der Führerbunker als (medialer) Erinnerungsort ...... 156 6.2.2 „Ich habe nichts vergessen“: Großmutter Krömeier, Demenz und die Zeitzeugengeneration ...... 157 7. Schluss ...... 160 8. Fachdidaktischer Teil ...... 163 8.1 Einführende Überlegungen zu Er ist wieder da im Unterricht ...... 163 8.2 Geschichtsdidaktik, Film und neue Medien ...... 166 8.3 Historische Methodenkompetenz, Lehrplanbezug und Stundengestaltung ...... 168 8.4 Stundenplanung und Anhang ...... 173 9. Quellenverzeichnisse ...... 178 9.1 Literaturverzeichnis ...... 178 9.2 Film- und Videoverzeichnis ...... 189

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„Explizit oder implizit muß sich jede Schilderung der Vergangenheit auf ein Wertsystem stützen, und letzten Endes ist eine solche Schilderung nicht nur ein Bild dieser Vergangenheit, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft, in der diese Schilderung entstanden ist.“1 1. Einleitung Das 21. Jahrhundert ist so stark von Bildern der Vergangenheit geprägt, wie noch nie eine Zeit zuvor. Geschichte scheint heute einen omnipräsenten Platz in verschiedensten politischen, kulturellen und medialen Bereichen der Gesellschaft eingenommen zu haben. Wie Saul Friedländer treffend ausdrückte, ist jede historische Schilderung, die sich immer unweigerlich auf ein bestimmtes Wertsystem beziehen muss, stets als „Bild“ der Vergangenheit zu verstehen. Damit drückt sie als historische Narration jedoch nicht nur ein Bild über die Vergangenheit aus, sondern gibt gleichzeitig Aufschluss über die Zeit und den Raum der Entstehung der jeweiligen Bilder. So transportieren die Darstellungen über die Vergangenheit einen „Spiegel der Gesellschaft“2 ihrer eigenen Entstehung mit. Dieses zweifache Erkenntnispotential, das in sämtlichen kulturellen Konstrukten vorliegt, gilt nicht zuletzt auch für das Medium Film. Als eines der wirkungsvollsten und massentauglichsten Kulturprodukte hat es eine unvergleichbar große Bedeutung in der Vermittlung von Geschichtsbildern. Aus diesem Grund ist der Einfluss von Filmen auf das Geschichtsverständnis von Menschen besonders groß. Als Repräsentationen haben sie die Macht, eine vermeintliche Wirklichkeit der Vergangenheit zu konstruieren und Bilder von historischen Ereignissen, Entwicklungen oder Persönlichkeiten zu erzeugen.

Darstellungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts und speziell die Zeit des Nationalsozialismus, der Shoah und des Zweiten Weltkrieges sind immer wieder Gegenstand großer Kino- oder Fernsehproduktionen. Ein regelrechter „Boom“ von Filmen über die NS-Zeit wurde damit auch längst von Seiten der zeithistorischen Forschung identifiziert.3 Als filmische Behandlungen der jüngeren Vergangenheit nehmen solche Spielfilme durch ihre relative zeitliche Nähe zur Gegenwart eine besonders brisante Stellung ein. Insofern liefern Geschichtsfilme über Sachverhalte der Zeitgeschichte Anlass zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, Kontroversen und Diskussionen in der Geschichts- und Erinnerungskultur. Einen besonders umstrittenen Platz nimmt dabei die Darstellung von Adolf Hitler ein. Es gibt wohl kaum eine andere historische Persönlichkeit, die so häufig und

1 Saul Friedländer, Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus, München–Wien 1986, S. 129. 2 Ebd. 3 Frank Bösch, Film, NS-Vergangenheit und Geschichtswissenschaft. Von „Holocaust“ zu „Der Untergang“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), Nr. 1, S. 1–32, hier S. 1. 4 gleichzeitig in so vielen gänzlich unterschiedlichen Formen und Genres verkörpert wurde, wie Hitler. Um vorab nur wenige Beispiele zu nennen, zeigt sich etwa mit Charlie Chaplins Der große Diktator (USA 1940), Oliver Hirschbiegels Der Untergang (D/I/RUS/Ö 2004), Quentin Tarantinos Inglourious Basterds (USA/D 2009) oder Timo Vuorensolas Iron Sky (FIN/D/AUS 2012) die enorme Spannbreite der Filmgenres, in denen Hitler rezipiert wird: Sie reicht von der Satire über den historischen Spielfilm und die kontrafaktische Geschichtsrevision bis hin zum Trashfilm. In Anbetracht der historischen Persönlichkeit Adolf Hitlers und seiner Dimensionen für die Geschichte des 20. Jahrhunderts erscheint diese Omnipräsenz und Vielfalt in den Darstellungen auf den ersten Blick paradox. In der Unterschiedlichkeit der Filmprodukte ist dabei der Prozess einer Herauslösung der Person aus ihrem historischen Kontext zu bemerken, der Hitler in der Medienwelt vermehrt zu einer „Gruselgröße“ und einer „Popfigur“ gemacht habe.4 Diese mediale Entwicklung wird dabei meist mit dem Ableben der Zeitzeug*innen in Verbindung gebracht, was die Zeitgeschichte, die als „Epoche der Mitlebenden“ konzipiert ist,5 grundsätzlich vor eine Herausforderung stellt. Die Wissenschaft muss sich auch dem Wandel, dem Einfluss und der Bedeutung der filmischen Darstellungen widmen, vor allem weil sich damit auch die Formen des Geschichtsbewusstsein einer Gesellschaft offenbaren und die Art und Weise des Umgangs mit der Vergangenheit sowie die Beschaffenheit der Erinnerung entfalten.

Dies gilt auch für eines der jüngeren Beispiele in der langen Geschichte der filmischen und künstlerischen Rezeption Adolf Hitlers, nämlich dem Film Er ist wieder da von David Wnendt aus dem Jahr 2015. Gemeinsam mit dem im Jahr 2012 gleichnamig erschienenen Roman von Timur Vermes, der wochenlang in den Bestsellerlisten aufschien, und dem damit verbundenen und ähnlich erfolgreichen Hörbuch steht der Film für ein multimediales, massenwirksames kulturelles Phänomen. Mit der fiktionalen Wiederkehr Adolf Hitlers im Deutschland der Gegenwart werfen Roman, Hörbuch und Film zentrale Fragen über den Umgang mit der NS- Vergangenheit auf. Besonders der Film weist in Anbetracht der politischen und gesellschaftlichen, aber auch der medialen geschichts- und erinnerungskulturellen Entwicklungen der vergangenen Jahre sowie der Gegenwart eine zusätzliche Brisanz und Relevanz auf. Aus diesem Grund untersucht die vorliegende Arbeit den Film Er ist wieder da

4 Norbert Frei, Führerbilderwechsel. Hitler und die Deutschen nach 1945, in: Hans-Ulrich Thamer/Simone Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen. Katalog zur Ausstellung der Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin von 15.10.2010–6.2.2011, Berlin 2010, S. 142–147, hier S. 147. 5 Hans Rothfels, Zeitgeschichte als Aufgabe, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), H. 1, S. 1–8, hier S. 2. 5 und setzt sich mit der Darstellung Adolf Hitlers im Rahmen des gegenwärtigen dynamischen Wandels der Medien, der Gesellschaft und damit auch der Geschichts- und Erinnerungskultur auseinander. Sie geht dabei der Frage nach, wie sich die filmische Repräsentation Adolf Hitlers im Zuge dieses Wandels verändert und welches Bild von Hitler konkret am Beispiel von Er ist wieder da (2015) vermittelt wird. Damit einhergehend fragt die Arbeit nach den Auswirkungen und Implikationen eines solchen Filmes im Umgang mit der NS-Vergangenheit als Element der Public History. Was sagt der Film über die Entwicklung und den Stand der gegenwärtigen Geschichts- und Erinnerungskultur aus? Wie repräsentiert er die diversen Verstrickungen von Zeitgeschichte, medialer Öffentlichkeit sowie Prozesse des Erinnerns und Vergessens? Speziell die Frage nach der Gestaltung des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses ist einerseits aufs Engste mit dem bereits angedeuteten Ableben der Zeitzeugengeneration in Verbindung zu bringen. Andererseits muss in diesem Zusammenhang jedoch zwangsläufig auch das Heranwachsen einer jüngeren Generation, der dritten und mittlerweile vierten Generation „nach dem Holocaust“ und deren immer größer werdende zeitliche Distanz und das scheinbar schwindende „spezifische Betroffensein durch die Geschichte“6 reflektiert werden. Insofern muss die Frage, wie diese Dynamiken in einem aktuellen Film der Geschichtskultur berücksichtigt werden, ebenfalls eine zentrale Stellung einnehmen. Die Arbeit geht dabei von der These aus, dass Er ist wieder da diese aktuellen Entwicklungen der Geschichts- und Erinnerungskultur als filmischer Gegenwartsbezug aufgreift und die Bedeutung der medial vermittelten Figur Hitlers und der NS-Vergangenheit in der Gegenwart bewusst verhandelt. Er ist wieder da ist somit ein Film über die gegenwärtige Geschichts- und Erinnerungskultur.

Im Genre der Satire wird im Film ersichtlich, entlang welcher Spannungsverhältnisse sich die Repräsentation der historischen Persönlichkeit Hitlers im Medium Film bzw. allgemein in kulturellen Produkten gestaltete: zwischen einer Moralisierung und Dämonisierung auf der einen und einer Normalisierung und Banalisierung auf der anderen Seite. Im Feld der Public History und der populären Geschichts- und Erinnerungskultur erscheinen die historischen Umstände der Person angesichts der endlos wirkenden, multimedialen Reproduktion in Fernsehen, Film und Internet als „Gruselgröße“ und „Popfigur“7 und damit als völlig entfremdet, verfälscht und nicht mehr präsent. Im breiteren medialen Diskurs gilt Adolf Hitler deshalb als medial entleerte Figur, die zur Projektionsfläche für unterschiedliche kulturelle und künstlerische Ausdrucksformen wurde und nicht mehr primär mit kritischer historischer

6 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 2. 7 Frei, Führerbilderwechsel, S. 147. 6

Auseinandersetzung verbunden ist. Diese kritische Beschäftigung möchte der Film wieder in Erinnerung rufen, indem er die Gegenwart mit der Person bzw. Figur der Vergangenheit konfrontiert. So ist für die Frage nach der Darstellung Hitlers in Er ist wieder da zusätzlich anzuführen, dass der Film den oft aufgebrachten Gegensatz von Moralisierung/Dämonisierung auf der einen und Normalisierung/Banalisierung auf der anderen Seite zu überwinden versucht. Der Film untersucht nämlich das Verhältnis zwischen Hitler als „Führer“ und zentraler Persönlichkeit des Dritten Reiches zur Gesellschaft und den Menschen in der Gegenwart und wirkt dem Verständnis als „Dämon“ und „Verführer“ des „Volkes“ entgegen.

In einer Mischung aus fiktionalen, dokumentarischen sowie semi-dokumentarischen Elementen behandelt der Film gegenwärtige Prozesse des Erinnerns und Vergessens und spielt damit auf die Entwicklung von einer kommunikativen zu einer rein medial vermittelten kulturellen Erinnerung an. Als filmischer Gegenwartsbezug steht er in starkem Kontrast zur bisherigen Repräsentation Adolf Hitlers in der Filmgeschichte. Er ist weniger eine Rekonstruktion der Vergangenheit im Sinne eines klassischen historischen Spielfilmes, sondern versetzt die Persönlichkeit Hitlers in das 21. Jahrhundert. Dadurch versucht er anhand der Figur und der Rolle der aktuellen Medienwelt bestimmte Dynamiken von Populismus, Extremismus, Demagogie und einem Erstarken des Wunsches nach Autorität in Politik und Gesellschaft sichtbar zu machen. Somit beleuchtet der Film die verschiedenen Veränderungen der Medien- und Erinnerungslandschaft des 21. Jahrhunderts, speziell in Hinblick auf eine Erinnerungskultur 2.0 in Online-Medien und Plattformen wie YouTube oder anderen sozialen Netzwerken.

Für die wissenschaftliche Methode und den Zugang, den die Arbeit wählt, ist der Film als Darstellung zentral. Die Analyse des Filmes gestaltet sich vor einem historiographischen und medienwissenschaftlichen Hintergrund. Dieser interdisziplinäre Zugang ermöglicht es auf der Grundlage der historischen Diskursanalyse, den komplexen Interdependenzen von Geschichte, Medien und Gesellschaft und der Medialität von Geschichte nachzuspüren. In einer globalisierten und von den Medien durchdrungenen Welt des 21. Jahrhunderts ist es unumgänglich, Geschichte in der Öffentlichkeit bewusst als durchwegs medial konstruiert und vermittelt wahrzunehmen. Im Verhältnis von Geschichte und Öffentlichkeit geht es um Fragen, die unter den Begriff „Public History“ gefasst werden können. Dieser steht bekanntlich zwar noch nicht für eine eigene Methode, wird aber mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften in Verbindung gebracht. Dazu zählen im Rahmen des fachwissenschaftlichen Umgangs mit Textquellen auch Bild- oder Filmquellen. 7

Diese müssen kontextualisiert, als historische Repräsentationen analysiert und als kulturelle Konstrukte dekonstruiert werden.8 Eine besondere Stellung für die Behandlung eines Filmes in einem zeithistorischen Forschungsvorhaben, das sich dem Verhältnis der jüngeren Vergangenheit und ihrer geschichts- und erinnerungskulturellen Rezeption widmet, nimmt das von Astrid Erll und Stephanie Wodianka geprägte Konzept des „Erinnerungsfilmes“ ein. Für die Diskussion der Forschungsfragen, nämlich die Darstellung Hitlers im Film und die Repräsentation der Geschichts- und Erinnerungskultur, ist dieses insofern nützlich, als es einen solchen Film als „gesellschaftlich und plurimedial ausgehandeltes Phänomen“9 konzipiert. Das bedeutet, dass damit nicht nur der Film als Text selbst, sondern ein ihn umgebendes mediales Netzwerk, sogenannte „plurimediale Konstellationen“, in das Blickfeld geraten. Dementsprechend wählt die Arbeit sowohl einen filmimmanenten, als auch einen filmtranszendierenden Zugang.

Historische Spielfilme bzw. Filme über die NS-Vergangenheit haben mittlerweile eine unüberschaubar hohe Zahl erreicht und sind aus einer Geschichtskultur nicht mehr wegzudenken. Trotz der immer größer werdenden zeitlichen Distanz zu Nationalsozialismus, dem Dritten Reich, dem Holocaust oder der Person Adolf Hitler besteht großes gesellschaftliches, kulturelles und gerade auch wirtschaftliches Interesse an diesen Themen. Analog dazu gibt es eine ebenso unübersichtlich wirkende Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen, sowohl einschlägig geschichtswissenschaftlichen, als auch spezifisch kultur- oder filmwissenschaftlichen Ursprungs. Allgemein lässt sich deshalb über den Stand der Forschung sagen, dass die Darstellung des Nationalsozialismus oder Adolf Hitlers im Medium Film sehr ausführlich bearbeitet wurde. Zu den grundlegenden Werken zählt nach wie vor Saul Friedländers Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus aus dem Jahr 1986. Friedländer arbeitete dabei schon früh den kontroversiellen Umgang mit dem Nazismus und die Motive des nicht abreißenden Interesses nach 1945 als „Tummelplatz aller Leidenschaften und Faszinationen“ heraus.10 Gerade der Begriff der „Faszination“, der meist mit den ästhetischen Aspekten in künstlerischen Nachgestaltungen einhergeht, ist dabei vielsagend und gemeinsam mit Susan Sontags Bezeichnung des „fascinating fascism“11 zu einem Gemeinplatz geworden. Mit dem stärkeren Aufkommen von Filmen über Adolf Hitler und die NS-Zeit sowie mit der

8 Martin Lücke/Irmgard Zündorf, Einführung in die Public History, Göttingen 2018, S. 61. 9 Astrid Erll/Stephanie Wodianka, Einleitung. Phänomenologie und Methodologie des ‚Erinnerungsfilms‘, in: Dslb. (Hrsg.), Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen, Berlin–New York 2008, S. 1–20, hier S. 2. 10 Friedländer, Kitsch, S. 7. 11 Susan Sontag, Under the Sign of Saturn, London 1983, S. 71–105. 8

Entwicklung von Kino und Fernsehen zu Massenmedien der Geschichtskultur ab den späten 1970er-Jahren nahmen auch die korrespondierenden Publikationen in den Geschichtswissenschaften zu. Die wesentlichen Themen waren dabei grundsätzliche Fragestellungen über das Verhältnis von Geschichte und Film, die künstlerische Darstellbarkeit des Holocaust oder von Akteuren wie Adolf Hitler und dem engeren Kreis der NS- Führungsspitze. Neben einigen Sammelbänden12 ist Sonja Schultz‘ umfassende Monographie13 zum Nationalsozialismus im Film zu nennen. Für die vorliegende Arbeit bilden die Beiträge von Bösch14, Gavriel Rosenfeld15, aber auch der Katalog zur Ausstellung „Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen“16 zentrale Bestandteile. Die von Oktober 2010 bis Februar 2011 im Deutschen Historischen Museum Berlin installierte Ausstellung zeigt einmal mehr, dass filmische Darstellungen für die zeithistorische Forschung sowie für die gesellschaftliche Vermittlung nicht zu ignorieren sind. Film ist ein zentrales Medium, das in einem wechselseitigen Verhältnis mit der Zeitgeschichtsforschung steht17 und selbst als Teil der Diskursgeschichte betrachtet werden kann. Für den historischen Wandel des Diskurses um den Nationalsozialismus in Deutschland ist besonders das von Torben Fischer und Matthias Lorenz herausgegebene Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland hervorzuheben.18 Als neuere Publikation gibt es einen umfangreichen Einblick in die komplexe Diskursgeschichte über die NS-Vergangenheit nach 1945 und führt in wesentliche Debatten ein. Des Weiteren können Astrid Erll und ihre Beiträge zum Verständnis von Erinnerungskulturen nicht unerwähnt bleiben.19

12 Waltraud ‚Wara‘ Wende (Hrsg.), Geschichte im Film. Mediale Inszenierungen des Holocaust und kulturelles Gedächtnis, Stuttgart–Weimar 2002; Sven Kramer (Hrsg.), Die Shoah im Bild, Stuttgart 2003; Margrit Frölich/Christian Schneider/Karsten Visarius (Hrsg.), Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film, Stuttgart 2007; Rainer Rother/Karin Herbst-Meßlinger (Hrsg.), Hitler darstellen. Zur Entwicklung einer filmischen Figur, München 2008. 13 Sonja M. Schultz, Der Nationalsozialismus im Film. Von Triumph des Willens bis Inglourious Basterds, Berlin 2012. 14 Bösch, Film. 15 Gavriel D. Rosenfeld, Hi Hitler! How the Nazi Past is Being Normalized in Contemporary Culture, Cambridge 2015. 16 Hans-Ulrich Thamer/Simone Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen. Katalog zur Ausstellung der Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin von 15.10.2010–6.2.2011, Berlin 2010. 17 Bösch, Film, S. 32. 18 Torben Fischer/Matthias Lorenz (Hrsg.), Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld 2015. 19 Astrid Erll/Ann Rigney (Hrsg.), Mediation, Remediation, and the Dynamics of Cultural Memory, Berlin–New York 2009; Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart 20173; Astrid Erll/Stephanie Wodianka (Hrsg.), Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen, Berlin–New York 2008. 9

Über den Forschungsstand zu Er ist wieder da lässt sich behaupten, dass der Film bzw. der Stoff einen oftmaligen, bisweilen rein rhetorischen Referenzpunkt darstellt. Es gibt aber noch kaum größere Auseinandersetzungen im Feld der zeithistorischen Forschung. So scheint es, als seien die Phrase „Er ist wieder da“ (oder ihre Abwandlungen) zu einem geflügelten Wort für das Wiederaufkommen gewisser gesellschaftlicher und politischer Strömungen20 oder wissenschaftlicher Forschungstendenzen mutiert. Dies hängt zum einen natürlich mit dem historischen Kontext, der Aussage und dem gesamten Inhalt des Filmes zusammen. Zum anderen kann zu den wissenschaftlichen Tendenzen auf einen Aufsatz von Roman Töppel, einem Mitglied der Arbeitsgruppe zur kritischen Edition von Hitlers Mein Kampf21, verwiesen werden. Gewissermaßen als Aufmacher und Teaser wird eine kurze Vorschau eines Aufsatzes über Hitlers Quellen für Mein Kampf mit einem Rückgriff auf den Buch- bzw. Filmtitel eröffnet: „Er ist wieder da – aber woher kam Hitler und aus welchen Quellen schöpfte er bei der Niederschrift von ‚Mein Kampf‘.“22 Dieser Umstand ist insofern interessant, als Film und Buch offensichtlich einen Einfluss auf den wissenschaftlichen Diskurs haben, gleichzeitig aber von der Forschung selbst nur am Rande erwähnt werden. Dies zeigt sich auch in einer der wohl aktuellsten Publikationen zu Adolf Hitler, nämlich in der dritten Ausgabe des German Yearbook of Contemporary History aus dem Jahr 2018, das unter dem Titel „Hitler – New Research“ jüngere Forschungen aus den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte in englischer Sprache zusammenbringt. In der Einleitung beschreiben Harvey und Hürter einen neuerlichen „Hitler-Boom“ der letzten Jahre mit einem expliziten Verweis auf Buch und Film: „Hitler was ‚wieder da‘, not only in the mass media and popular culture – and not only in Germany – but also in research on contemporary history.“23 Für das neue Interesse an Hitler seien einerseits das Auslaufen des Urheberrechts von Mein Kampf sowie die damit zusammenhängende Neuauflage als kommentierte, kritische, zweibändige Edition verantwortlich.24 Andererseits hätten Journalist*innen, Filmproduzent*innen, Verleger*innen, Autor*innen – hier wird neuerdings explizit Timur Vermes als Autor des Romans genannt – sowie schließlich auch Historiker*innen zum neuerlichen Interesse an Hitler beigetragen. Vorab werden mit diesen

20 Vgl. den Titel eines Berichtes über die Pegida-Bewegung in derselben Woche des Beginns der Filmausstrahlung in deutschen Kinos Anfang Oktober 2015 in Maik Baumgärtner u. a., Sie sind wieder da, in: Der Spiegel, Nr. 42, 10.10.2015, S. 39–40. 21 Christian Hartmann u. a. (Hrsg.), Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, München–Berlin 2016. 22 Roman Töppel, „Volk und Rasse“. Hitlers Quellen auf der Spur, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 64 (2016), H. 1, S. 1–35, hier S. 1. 23 Elizabeth Harvey/Johannes Hürter, Introduction. Approaches to Adolf Hitler, in: Dslb. (Hrsg.), Hitler – New Research (German Yearbook of Contemporary History 3), Boston–Berlin 2018, S. 7–22, hier S. 14. 24 Harvey/Hürter, Introduction, S. 14. 10

Berufsgruppen bereits wesentliche Akteur*innen der Public History und damit auch der plurimedialen Konstellationen angedeutet, die es anhand des Filmes Er ist wieder da und ihrer Bedeutung für die Erinnerungskultur zu analysieren gilt. An dieser Stelle bleibt noch hervorzuheben, worin Harvey und Hürter die Herausforderungen der zeithistorischen Forschung über Hitler in der Zukunft sehen: Ohne die Verantwortung Deutschlands verringern zu wollen, führen sie aus, dass Hitler nicht mehr lediglich als ein deutsches oder zentraleuropäisches Phänomen, sondern vermehrt im breiteren Kontext globaler Entwicklungen von Ideen und Praktiken und deren Transfer begriffen werden sollte.25

In Bezug auf die noch weitgehend ausgebliebene zeithistorische Beschäftigung mit Er ist wieder da – sei es der Roman, Hörbuch oder Spielfilm – ist selbstkritisch anzumerken, dass es sich dabei um ein noch eher jüngeres und damit zu nahes Phänomen für die Zeitgeschichte handeln könnte. Doch in der grundlegenden Definition der Zeitgeschichte als „Epoche der Mitlebenden“ wies schon Hans Rothfels darauf hin, dass „mit Nähe und stärkster Betroffenheit durchaus ein Abstandnehmen von den Leidenschaften des Tages“ möglich sei. Daher brauche es „größtmögliche Objektivität im Erfassen der Tatsachen“, jedoch „keineswegs Neutralität gegenüber den Traditionen und Prinzipien europäischer Gesittung“.26 Durch das Heranziehen unterschiedlicher wissenschaftlicher Zugänge und Darstellungen ist es ein Ziel, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Aufgrund einzelner Betrachtungen, wie etwa Hans-Joachim Maaz‘ psychoanalytische Diskussion des Filmes im Rahmen eines Sammelbandes über „Skandalfilme“,27 stellt die historiographische Auseinandersetzung mit Er ist wieder da ein Desiderat dar. Dabei könnte eine Reihe verschiedener Disziplinen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven an den Film herantreten. Zum einen besitzt die umfassende Geschichte von Adolf Hitler im Medium Film bzw. in kulturellen Darstellungen als omnipräsentes Thema eine besondere, nicht schwindende Relevanz für die Beschäftigung mit Geschichte. Zum anderen lassen sich aktuelle Entwicklungen in Politik, Kultur, Medien und Gesellschaft, wie etwa ein Wiederaufkommen demokratieskeptischer oder –feindlicher Tendenzen oder die Digitalisierung und der Medienwandel aus dem Film herauslesen. Vor allem letztere stellen laut Korte und Paletschek in der populären Geschichtsvermittlung und in der Erinnerungskultur in Form von

25 Harvey/Hürter, Introduction, S. 22. 26 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 8. 27 Hans-Joachim Maaz, Ich, Nazi!, in: Hannes König/Theo Piegler (Hrsg.), Skandalfilm? – Filmskandal!, Berlin 2019, S. 289-301. 11

„Medienkonvergenzen“, das heißt der Vernetzung und Verflochtenheit von medialen Erscheinungen in der Öffentlichkeit, ein Desiderat dar. Diese Medienkonvergenzen müssten vermehrt disziplin-, genre- und medienübergreifend untersucht werden.28 Die Auseinandersetzung mit Er ist wieder da (2015) verfolgt dabei das Ziel, diese Medienkonvergenzen darzustellen und für ein zeitgemäßes Verständnis der Erinnerungskultur nutzbar zu machen. Es geht somit um eine verstärkte Reflexion über aktuelle mediale Entwicklungen der Geschichts- und Erinnerungskultur, aber auch der Zeitgeschichte und der Public History als wissenschaftliche Disziplinen. Konkret soll dies in Ansätzen an der Diskussion über Medien wie YouTube festgemacht werden. Wie Kirstin Frieden im Jahr 2014 anmerkte, werde YouTube kaum als Raum der Geschichtsvermittlung verstanden bzw. werde es nicht im Rahmen klassischer Gedenkkultur wahrgenommen. Damit bestehe bei diesem Medium als Dimension von Erinnerungskultur ebenfalls noch ein Forschungsdesiderat.29 Ausgehend von den plurimedialen Konstellationen im Rahmen von Er ist wieder da lassen sich das Verständnis für diesen Wandel der Medien und der Erinnerungskultur fördern und aktuelle Formen des Diskurses beschreiben.

Die vorliegende Arbeit beginnt mit einer Diskussion wissenschaftlicher Grundlagen. Dazu gehören die historische Diskursanalyse, der Zusammenhang von Zeitgeschichte, Public History, Geschichts- und Erinnerungskultur sowie das Medium Film. Zusätzlich werden die Bedeutung von Medien und Kultur in der Denkschule der Postmoderne sowie die Digitalisierung behandelt. Im Anschluss daran kommen wesentliche Spannungsfelder der Darstellung der NS-Vergangenheit, allen voran Adolf Hitlers, zur Sprache. Darauf folgt eine Berücksichtigung der geschichtskulturellen Entwicklung anhand ausgewählter Beispiele. Schließlich wird der Film Er ist wieder da als Fallstudie über die Darstellung Hitlers erfasst und mit zeithistorischen Diskursen verknüpft. Danach analysiert ihn die Arbeit als Spiegelbild der gegenwärtigen medialen Erinnerungskultur. In diesem Zusammenhang findet auch eine Diskussion der Prozesse von Erinnern und Vergessen und ihrer Einarbeitung im Film statt. Abschließend bietet der fachdidaktische Teil einen Vorschlag für die Umsetzung und Behandlung des Filmes im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung.

28 Barbara Korte/Sylvia Paletschek, Geschichte in populären Medien und Genres. Vom Historischen Roman zum Computerspiel, in: Dslb. (Hrsg.), History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009, S. 9–60, hier S. 47. 29 Kirstin Frieden, Neuverhandlungen des Holocaust. Mediale Transformationen des Gedächtnisparadigmas, Bielefeld 2014, S. 280f. 12

2. Grundlagen Für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung bilden die Konzepte und Kategorien als Teile der Forschungsmethoden die kritischen Denkmuster und Instrumente. Aus deren Blickwinkel können historische bzw. allgemein wissenschaftliche Untersuchungen entwickelt werden. Aus diesem Grund ist es erforderlich, zu Beginn zentrale Begriffe vorzustellen und miteinander in Verbindung zu bringen. Nur auf diesem theoretischen Fundament kann eine praxisbezogene Analyse, im vorliegenden Fall anhand eines Filmes, erfolgen. Dieser allgemeine Zugang ermöglicht es, das Verständnis des gegenwärtigen Verhältnisses von Geschichte und Öffentlichkeit zu fördern und den Film innerhalb aktueller Entwicklungen zu erschließen.

2.1 Historische Diskursanalyse Als erstes fundamentales Konzept bzw. als Forschungsmethode dient die historische Diskursanalyse. Dabei geht es um die Erfassung von Sprache als wesentlichem Phänomen menschlicher Kommunikation und Kultur. Achim Landwehrs Einführung in diese Forschungsmethode nimmt hierbei eine zentrale Stellung ein. Nach Landwehr steht bei der Behandlung von Diskursen stets die Auseinandersetzung mit dem Gebrauch von Sprache und Zeichen, sei es in mündlichen, schriftlichen, umfassenden textlichen oder bildlichen und akustischen Formen, im Mittelpunkt.30 Gerade mit dem sogenannten „iconic turn“ habe eine stärkere Wahrnehmung für bildliche (und damit auch filmische) Formen der Sprache eingesetzt. Es sei mehr Bewusstsein für deren Einprägsamkeit und folglich auch deren Rolle für die Erinnerung aufgekommen, was letztlich auch Fragen über deren Gebrauch und Verbreitung aufwerfe.31 Insofern stellt ein Film als kulturelles Konstrukt ebenfalls einen Sprach- und Zeichengebrauch dar und lässt sich in seiner Bedeutung für die Geschichts- und Erinnerungskultur auch in die Diskursgeschichte einordnen.

Der Begriff des Diskurses dient dabei als komplexes Analyseinstrument, das Aufschluss über verschiedene soziale Entwicklungen sowie Zustände gibt. Landwehr zufolge dient der Diskursbegriff dazu, diverse Phänomene zu erfassen. Er macht darauf aufmerksam, „dass es zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Gesellschaften recht klar abgegrenzte Bereiche des Machbaren, Denkbaren und Sagbaren“ gebe.32 Insofern als der Diskursbegriff eine solche

30 Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Frankfurt a.M.–New York 2008, S. 15f. 31 Ebd., S. 56-59. 32 Landwehr, Diskursanalyse, S. 20f. 13

Regelung des Sagbaren, des Denkbaren und des Machbaren sei und er damit Wirklichkeit organisiere,33 handelt es sich bei ihm um eine besonders machtvolle Struktur. Er ordnet und prägt damit individuelles und gesellschaftliches Verhalten in mentalen, kognitiven, diskursiven und performativen Dimensionen. Am Diskursbegriff lassen sich somit die Strukturen und die Normen ablesen, die wiederum selbst Handlungs- und Denkweisen von Menschen determinieren. Dies zeigt sich am Beispiel des Umgangs und der Bewertung der Darstellung Adolf Hitlers, des Nationalsozialismus oder des Holocaust in sämtlichen gesellschaftlichen Diskursen. Konkret offenbaren sich die strukturgebende Macht und die Normen des Sagbaren, Denkbaren und Machbaren in Diskussionen um die immer wiederkehrenden Fragen wie „Darf man das?“ oder „Darf man über Hitler oder den Holocaust lachen?“. Durch solche Reflexionen in der Gesellschaft über verschiedene kulturelle Formen werden die Grenzen des Diskurses sichtbar. Des Weiteren ließen sich unter dem Diskursbegriff „soziale Aktionen und Interaktionen“, in denen sich Menschen in sozialen Kontexten sprachlich austauschen, fassen.34 Der Diskurs ist damit immer auch wesentlicher Teil alltäglicher Situationen und stets omnipräsenter Begleiter menschlichen Ausdrucks.

Für die Geschichte und das Verständnis der Vergangenheit nimmt der Diskurs ebenfalls einen wichtigen Platz ein. In seiner Vernetzung mit Macht, verschiedenen Institutionen, Praktiken sowie der Politik bilde er einen „Gegenstand der Geschichte“.35 Dieser grundlegende Zugang geht auf Michel Foucault, den für die Herausbildung des Diskursbegriffes wohl einflussreichsten Soziologen und Historiker, zurück. Speziell sein Werk Archäologie des Wissens gilt dafür als Grundlage. Darin entwickelte er sein Verständnis von Diskursen als systematische und formgebende Praktiken.36 Als Gegenstand der Geschichte bezieht sich der Diskurs jedoch nicht auf ein vermeintlich elitäres oder abgehobenes Verständnis von Geschichte, den maßgebenden Akteur*innen oder Formen von Diskursen. Im Gegenteil gestaltet sich die Auffassung von Geschichte als sehr breit, universalistisch und umfassend im Sinne eines Ereignisses, das bei sämtlichen Formen von menschlichen Praktiken, Kommunikation und Kultur stattfindet. Diese Einschätzung beschrieb Foucault besonders eindringlich mit den folgenden Worten:

„[…] letztlich gehört das, was sich im Kopf eines einzelnen oder einer Reihe von Individuen abspielt und was in ihren Diskursen geschieht, ebensowohl zur Geschichte:

33 Landwehr, Diskursanalyse, S. 21. 34 Ebd., S. 61. 35 Ebd., S. 74. 36 Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M. 1981, S. 74. 14

etwas sagen ist ein Ereignis. Einen wissenschaftlichen Diskurs halten, das ist nichts, was in einen Bereich oberhalb oder außerhalb der Geschichte fiele, sondern gehört zur Geschichte wie eine Schlacht, die Erfindung einer Dampfmaschine oder eine Epidemie.“37 Dieses Verständnis von Diskursen als Ereignisse der Geschichte, die eine gleich große Bedeutung hätten wie andere klassische Beispiele der Ereignisgeschichte, wie eben eine Schlachtung oder eine technische Innovation, ist besonders essentiell. Insofern geht es bei der historischen Diskursanalyse bzw. der Erfassung von Diskursen in der Geschichte letztlich immer um eine Wahrnehmung von Aussagen der Menschen. Diese sind in ihrer Bedeutung keinesfalls zu unterschätzen, da sie als Ereignisse eine Vielzahl von Erkenntnissen über die Vergangenheit liefern. Die historische Diskursanalyse, die auch als „Genealogie“ bezeichnet wird, nimmt damit die historische Veränderung und den Wandel von Diskursen basierend auf spezifischen Machtkonstellationen in den Blick.38

Für die Beschäftigung mit dem Medium Film vor dem Hintergrund eines medialen Wandels geht es deshalb auch um die Frage, inwiefern Medien, darunter vor allem digitale Online- Medien wie YouTube, den historischen Wandel von Diskursen in Verbindung mit Machtkonstellationen prägen. Landwehr liefert mit dem Ausspruch „Diskurse bringen Wirklichkeit hervor“ eine konzise Beschreibung der Funktion von Diskursen.39 Diese ist nützlich für die Erfassung und Analyse von erinnerungskulturellen Aushandlungen des Umgangs mit der Vergangenheit und geht mit der fundamentalen Frage der historischen Diskursanalyse einher: Welche Aussagen tauchten zu welchen Zeitpunkten an welchen Orten auf?40 Die historische Diskursanalyse fragt konkret nach den Veränderungen „sozialer Realitätsauffassungen“ und untersucht „die Sachverhalte, die zu einer bestimmten Zeit in ihrer zeichenhaften und gesellschaftlichen Vermittlung […] als gegeben anerkannt werden“.41 Für die vorliegende Analyse bilden die Darstellung Adolf Hitlers, der historischen Persönlichkeit als filmische Figur die Sachverhalte, während das Medium Film mit seinen plurimedialen Konstellationen die „zeichenhafte und gesellschaftliche Vermittlung“ darstellt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die historische Diskursanalyse die Art und Weise erforscht, wie sich etwa ein Spielfilm als Ereignis der Geschichte in den größeren Wandel der Formen des Sagbaren, Machbaren und Denkbaren einordnen lässt und welche

37 Michel Foucault, Der Mensch ist ein Erfahrungstier. Gespräch mit Ducio Trombadori, Frankfurt a.M. 1996, S. 87. 38 Landwehr, Diskursanalyse, S. 79. 39 Ebd., S. 92. 40 Ebd. 41 Ebd., S. 96. 15

Wirklichkeit er erzeugt. Das Ergebnis von historischen Diskursanalysen solle es sein, ein Licht auf die Grundlagen der Erkenntnis einer bestimmten Zeit und einer Kultur zu werfen. Damit ließen sich die selbstverständlichen und nicht hinterfragten Wissensbestände der jeweiligen historischen Wirklichkeit beschreiben.42 Genau diese historische Entwicklung von Selbstverständlichkeiten als Wandel der Normen von Praktiken ist ein äußerst relevantes Untersuchungsfeld zur Erfassung der Diskursgeschichte. Was zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte einen Normbruch oder -Verstoß bedeutete, war in einem anderen Kontext kein Normverstoß mehr. Diese grundlegende Entwicklung wird vertiefend im Abschnitt über die Spannungsverhältnisse der Darstellungen in Bezug auf den Prozess einer Normalisierung behandelt.

Hier bleibt nochmals hervorzuheben, dass die historische Diskursanalyse als Forschungsmethode und als komplexer Begriff Aufschluss über diverse relevante Bereiche in Geschichte, Medien, Kultur, Gesellschaft und Kommunikation gibt. Dazu zählen etwa die strukturgebende Macht von Diskursen als Regulierung des Sag-, Denk- und Machbaren, ihre Bedeutung als Ereignisse der Geschichte, ihr darin liegendes Erkenntnispotential für den historischen Wandel von Gesellschaften sowie den vorherrschenden und sich ständig verändernden Rahmenbedingungen von Normen und Konventionen. Die historische Diskursanalyse als Forschungsmethode lässt sich zwar auf sämtliche Epochen der Geschichte anwenden. Im Folgenden wird jedoch speziell die Bedeutung der Zeitgeschichte, konkret der Zusammenhang mit dem Konzept der Public History und deren Rolle für die Gegenwart diskutiert.

2.2 Zeitgeschichte und Public History Es müsste nicht weiter ausgeführt werden, dass sich eine historische Untersuchung, die sich mit dem Thema der Darstellung von Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus im Medium Film auseinandersetzt, in der Epoche der Zeitgeschichte bewegt. Für die Auseinandersetzung mit dem Film Er ist wieder da und die Beschreibung dessen als filmischer Gegenwartsbezug ist es jedoch unumgänglich, grundsätzlich die Bedeutung der Zeitgeschichte als historische Epoche zu diskutieren. Nur auf solchen Überlegungen aufbauend kann es gelingen, die komplexen Vernetzungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart im Film darzustellen und die darin vermittelten Geschichtsbilder zu dekonstruieren. Schließlich geht es auch darum, die besondere

42 Landwehr, Diskursanalyse, S. 129. 16

Stellung der Zeitgeschichte im Rahmen der Geschichtswissenschaften zu beleuchten und herauszuarbeiten, wie der Film die jüngere Vergangenheit reflektiert und verhandelt.

Für die Konzeption der Zeitgeschichte sind nach wie vor die Ausführungen von Hans Rothfels zu „Zeitgeschichte als Aufgabe“ grundlegend. Es wurde bereits mehrmals angedeutet, dass diese als die „Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung“43 gilt. Durch die Einbeziehung der Mitlebenden als konstitutive Zeitangabe stehen Vergangenheit und Gegenwart per definitionem in einem ganz besonderen Verhältnis. Der Zeitabschnitt, der sich noch mit den Mitlebenden verbinden lässt, bildet dabei den Vergangenheitshorizont dieser Epoche. Gleichzeitig bezieht er sich immer unausweichlich auch auf die Gegenwart, weshalb Zeitgeschichte nicht gänzlich von einer Art „Gegenwartsgeschichte“ abzugrenzen ist. Zum einen lässt sich aus dieser Definition schließen, dass Zeitgeschichte als Epoche auch mit der Zeit wandert und ihren temporalen Fokus immer weiter verschieben, ständig aktualisieren und neu konzipieren muss. So bilden die Zeitzeug*innen als Quelle eine ganz besondere, sich jedoch ebenfalls wandelnde Kategorie. Zum anderen leitet sich daraus auch die grundlegende Herausforderung der zeitlichen Nähe ab, da die Zeithistoriker*innen gewissermaßen selbst auch Teil der Mitlebenden sein können. Aus diesem Grund ist es bedeutsam, sich bewusst zu machen, dass auch die vorliegende Arbeit im Sinne Friedländers eine „Schilderung der Vergangenheit“ ist und deshalb ebenfalls auf ein „Wertsystem“ gestützt ist. Dieses bildet gleichzeitig einen Spiegel der eigenen Gesellschaft, des eigenen Entstehungskontextes.44 Rothfels bezeichnet diesen Umstand als das vermeintliche „Dilemma begrenzter Einsicht“, das jedoch unabhängig von der zeitlichen Nähe auf sämtliche Epochen zutreffe.45 Speziell für die Zeitgeschichte könne die Aufgabe des historischen Verstehens – ein Grundbedürfnis für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit – durch diese zeitliche Nähe sogar erleichtert werden.46

Die Zeitgeschichte als Gegenwartsgeschichte und Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit steht somit in enger Verbindung mit dem Konzept des Gegenwartsbezuges. Dieser hat vor allem in geschichtsdidaktischen Kontexten eine zentrale Bedeutung für historisches Lernen und Lehren sowie für den Erkenntnisprozess von Schülerinnen und Schülern. Doch nicht nur im Rahmen der Geschichtsdidaktik bildet der Gegenwartsbezug eine

43 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 2. 44 Friedländer, Kitsch, S. 129. 45 Ebd., S. 5. 46 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 6. 17 nützliche Kategorie. Er sollte stets in historiographischen Auseinandersetzungen eine maßgebliche Komponente der Untersuchungen bilden, da das Orientierungsbedürfnis als Grundlage historischen Denkens und der retrospektive Blick immer von einer bestimmten Gegenwart heraus entstehen. Für den Film Er ist wieder da ist das Konzept des Gegenwartsbezuges als Teil der zeithistorischen Epoche essentiell. Klaus Bergmann, der von einer primär geschichtsdidaktischen Perspektive aus wesentliche Beiträge zu dieser Kategorie lieferte, arbeitete allgemein den Gegenwartsbezug heraus. Unter geschichtstheoretischen Überlegungen gebe es laut Bergmann kein Vorbeikommen an der Erkenntnis, dass es sich bei Geschichte um eine Erinnerung handle, die in den Lebensumständen und Kontexten der sich Erinnernden ihren Ausgang nehme.47 Bergmann setzt somit Geschichte mit historischer Erinnerung gleich und macht auf die Funktion der Vergegenwärtigung von Vergangenem aufmerksam. Interessanterweise bezeichnet er die Geschichtswissenschaft allgemein als eine „Gegenwartswissenschaft“, die auf einzigartige Weise über die zentralen Herausforderungen der Gegenwart sowie der nahen Zukunft reflektiere.48 Dies liege vor allem in der Natur historischer Fragen, die immer aus einer bestimmten Gegenwart heraus entstehen, an die Vergangenheit gestellt werden und unter dem Einfluss zukünftiger Erwartungen aufkommen.49 Damit sei die Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit von Geschichte eine „grundlegende, nicht hintergehbare Voraussetzung allen historischen Denkens“.50 Gerade in der Zeitgeschichte ist diese Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit omnipräsent. Deshalb müssen sich diese Epoche und ihre wissenschaftliche Teildisziplinen auch wie keine andere mit aktuellen Dynamiken und Entwicklungen im Verhältnis von Geschichte mit Gesellschaft, Politik, Medien oder Kultur beschäftigen. Gerade ein Film, der als Gegenwartsbezug den Umgang mit der Vergangenheit thematisiert, bietet dazu eine ganz besondere Gelegenheit.

Ein weiterer integraler Bestandteil der Zeitgeschichte, der mit der Nähe zur Gegenwart und den „Mitlebenden“ einhergeht, ist ein bestimmtes Konfliktpotential. Durch die zeitliche Nähe enthält die Zeithistorie ein „spezifisches Betroffensein durch die Geschichte“51 und bietet damit Anknüpfungspunkte für Jung und Alt. In der komplexen Aushandlung von Geschichte in einer vielfältigen, von unterschiedlichen Interessen geprägten Gesellschaft verwundert es deshalb nicht, dass Zeitgeschichte mit ihren Kontroversen und Konflikten auch als „Streitgeschichte“

47 Klaus Bergmann, Der Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2002, S. 15. 48 Ebd., S. 17. 49 Ebd., S. 18. 50 Ebd., S. 17. 51 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 2. 18 erfasst wird.52 So stehe diese Epoche als Untersuchung der jüngeren Vergangenheit besonders im Fokus der Öffentlichkeit einer Gesellschaft oder einer Gruppe, die sich dieser Vergangenheit stellt. Daher bilde ihre Aushandlung automatisch einen kontroversen Prozess.53 Dieser Umstand liegt grundsätzlich in der Natur einer demokratisch konzipierten Gesellschaft, die sich statt einer Verdrängung, Leugnung oder einem Ignorieren von Vergangenheit durch einen offenen, (selbst-)kritischen und pluralistischen Zugang auszeichnet. Die Zeitgeschichte ist damit als wissenschaftliche Disziplin fest in der Öffentlichkeit verankert. Sie bildet eine zentrale Dimension öffentlicher gesellschaftlicher Diskurse zwischen Wissenschaft, Medien und Politik. Der damit einhergehende und von Sabrow, Jessen und Große Kracht angedeutete „public turn“ der Zeitgeschichte54 legt zweifelsfrei eine besondere Stellung dieser Epoche und ihrer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Verhältnis von Geschichte und Öffentlichkeit nahe. Dieses Verhältnis ist dabei oftmals von einer Kluft zwischen Wissenschaft und Allgemeinheit und mehr oder weniger divergierenden Auffassungen und Bildern der Vergangenheit gekennzeichnet. Laut Norbert Frei machte sich dies beispielsweise in der Goldhagen-Debatte Ende der 1990er Jahre bemerkbar.55 In diesem Zusammenhang bietet sich das Konzept der Public History als Möglichkeit einer Annäherung, eines Mittelweges zwischen Geschichtswissenschaft und Allgemeinheit an. Aus diesem Grund soll dieser Begriff nun in den Blick genommen und in seiner Relevanz für eine zeithistorische Untersuchung genutzt werden.

Public History macht die diversen Verstrickungen von (Geschichts-)Wissenschaft, Medien, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur sichtbar. Sie betont die Einsicht, dass wissenschaftlicher Diskurs immer auch in einen öffentlichen Rahmen eingebettet ist bzw. Diskurse über Geschichte auch außerhalb akademischer Sphären stattfinden. Geschichte und Öffentlichkeit treten in dieser Hinsicht in ein wechselseitiges Verhältnis. Verschiedene Formen von Public History entwickelten sich bereits ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem in den USA. Mit einem Anstieg des öffentlichen Interesses an Geschichte ging schließlich auch eine Institutionalisierung im Rahmen universitärer Studiengänge einher.56 Allgemein bezeichne Public History einerseits sämtliche Darstellungen von Geschichte in der

52 Martin Sabrow/Ralph Jessen/Klaus Große Kracht, Einleitung. Zeitgeschichte als Streitgeschichte, in: Dslb. (Hrsg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945, München 2003, S. 9–18. 53 Ebd., S. 12. 54 Ebd., S. 15. 55 Norbert Frei, Goldhagen, die Deutschen und die Historiker. Über die Repräsentation des Holocaust im Zeitalter der Visualisierung, in: Martin Sabrow/Ralph Jessen/Klaus Große Kracht (Hrsg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945, München 2003, S. 138–151, hier S. 146. 56 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 13f. 19

Öffentlichkeit sowie andererseits eine geschichtswissenschaftliche Teildisziplin. Diese setze sich mit der Erscheinung von Geschichte in diversen öffentlichen Medien, Institutionen oder Formen auseinander.57 Public History hängt im Wesentlichen mit einem regelrechten Geschichtsboom in der Öffentlichkeit zusammen.58 Dies spiegelt sich in der Einschätzung wieder, dass es in der Allgemeinheit noch nie zuvor eine so starke Präsenz der Geschichte sowie der Erinnerung gegeben habe.59 Damit treten Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit in ein dynamisches Verhältnis und beeinflussen sich gegenseitig.

Für die vorliegende Untersuchung ist es notwendig, das Konzept noch weiter zu konkretisieren. Die folgende Bezeichnung dient als zentrale Definition. Laut Lücke und Zündorf setze sich Public History „mit öffentlichen (Re-)Präsentationen von Geschichte auseinander, analysiert diese und dekonstruiert darin zum Ausdruck kommende Geschichtsbilder, um den öffentlichen Gebrauch und Missbrauch der Historie zu untersuchen“.60 In diesem Sinne wende sie sich meist an ein allgemeineres, sehr breites und nicht-fachwissenschaftliches Publikum.61 Aus dieser Beschreibung ist hervorzuheben, dass es um öffentliche Präsentationen und Repräsentationen von Geschichte geht. Als solche sind sämtliche kulturelle Konstrukte als Texte zu betrachten, die in einem weiten Begriffsverständnis von „Text“ unterschiedlichste Formen von schriftlichen, bildlichen, audio-visuellen oder anderen Phänomenen umfassen können. Es geht damit um die Frage, welche Geschichtsbilder als Bilder der Vergangenheit konstruiert werden und wie sich diese beispielsweise in Büchern, Gemälden, Filmen oder sonstigen Darstellungsformen präsentieren. Im Sinne Friedländers handelt es sich dabei als „Schilderungen der Vergangenheit“ um die Bilder und „Wertsysteme“, die daraus entstehen bzw. auf die sie sich stützen.62 Die universitäre Public History als Subdisziplin der Geschichtswissenschaften macht es sich dabei zur Aufgabe, diese Bilder zu erfassen, zu analysieren und zu dekonstruieren. Es sei ihr ein Anliegen, in der Analyse von Geschichtsdarstellungen und den dazugehörigen Diskursen sowie deren Einfluss auf Gesellschaft und Öffentlichkeit ein Bewusstsein der Konstruiertheit von Geschichte zu fördern. Ein wesentlicher Aspekt sei es hier, die medialen, wirtschaftlichen und politischen

57 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 9. 58 Ebd. 59 Alejandro Baer, Consuming History and Memory through Mass Media Products, in: European Journal of Cultural Studies, 4 (2001), Nr. 4, S. 491-501, hier S. 60 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 24. 61 Irmgard Zündorf, Zeitgeschichte und Public History, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 6.9.2016, [http://docupedia.de/zg/Zuendorf_public_history_v2_de_2016], eingesehen 19.6.2019. 62 Friedländer, Kitsch, S. 129. 20

Rahmenbedingungen als Einflüsse auf Darstellungen der Vergangenheit zu erfassen. Mit der Beschäftigung des „öffentlichen Gebrauchs und Missbrauchs der Historie“63 findet eine essentielle Reflexion darüber statt, wie Geschichte instrumentalisiert wird.64 Über den Zusammenhang von Geschichte und Erinnerung, auf den noch weiter eingegangen werden wird, befindet Norbert Frei, dass stets eine Instrumentalisierung vorhanden sei, wenn Prozesse des Erinnerns durch Rückgriff auf die Vergangenheit entfacht werden.65 Aufgrund der Omnipräsenz von Geschichte mit ihren unterschiedlichen Bildern, die die Vorstellungen von Vergangenheit prägen, ist es für eine kritische Öffentlichkeit umso erforderlicher, sich diese Instrumentalisierung bewusst zu machen und neu entstehende Darstellungen reflektiert zu untersuchen. Dies trifft speziell auf massenwirksame und wirtschaftlich erfolgreiche Erscheinungen, wie es etwa Er ist wieder da verkörpert, zu.

Über den methodischen Zugang der Public History lässt sich sagen, dass diese zwar keine genuin eigenen Methoden besitzt, aber auf Ansätze aus der Geschichts- und Kulturwissenschaft zurückgreift. Zum Beispiel zählen dazu die fachwissenschaftliche Bearbeitung von Objekten, Bildern, Filmen oder Sound sowie schließlich auch die Interviews von Zeitzeug*innen.66 Letztere drücken im Sinne der „Mitlebenden“ auch die enge Verbindung zur Zeitgeschichte aus. Selbstverständlich ist diese Epoche nicht gänzlich mit der Public History gleichzusetzen. Lücke und Zündorf weisen jedoch darauf hin, dass in der Öffentlichkeit ein Fokus auf diese Epoche vorhanden ist. Als Untersuchung der jüngeren Vergangenheit besitze sie nämlich ein erhöhtes Interesse und ein besonderes „Konfliktpotential“.67 In Bezug auf die methodische Herangehensweise betonen Lücke und Zündorf, dass sich die Public History vor allem der öffentlichen Kommunikation widmen solle und sich damit auch den ständig verändernden Formen der Darstellung anpassen müsse. Laut Zündorf sei es für sie notwendig, sich selbst den Umgang mit den Konventionen der öffentlichen Mediennutzung anzueignen und sich interdisziplinär aufzustellen.68 Gerade die Massenmedien hätten einen großen Anteil daran, die ursprünglichen Gegensätze zwischen Fachwissenschaft und Allgemeinheit oder Öffentlichkeit

63 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 24. 64 Ebd. 65 Norbert Frei, Geschichtswissenschaft, in: Volkhard Knigge/Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, S. 369–377, hier S. 373. 66 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 61. 67 Ebd., S. 25. 68 Zündorf, Zeitgeschichte. 21 aufzulösen und diese einander anzunähern.69 Zur Bedeutung von Historiker*innen hält Große Kracht fest, dass die lange etablierte Rolle als Historiographen und damit als unangefochtene „Lehrmeister der Nation“ nicht mehr bestehe und diese an Deutungshoheit verloren hätten. Vielmehr seien sie beispielsweise neben Akteur*innen aus der Welt des Films, des Fernsehens oder des Journalismus nur mehr eines von vielen Angeboten zur Deutung und Vermittlung der Geschichte.70 Dies macht es umso erforderlicher, dass sich die Geschichtswissenschaften, allen voran die Zeitgeschichte, auch der Themen und Diskurse annehmen, die die breitere Öffentlichkeit bestimmen und beschäftigen. Gerade jenen Geschichtsbildern und Darstellungen, die nicht direkt aus einschlägigen fachwissenschaftlichen Kontexten stammen, sollte aufgrund ihrer Brisanz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Public History ist damit eine Art Bindeglied zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Sie orientiert sich laufend am medialen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel und zeichnet sich dadurch als besonders dynamische Disziplin aus.

Als Sammelbegriff für verschiedenste Vorgänge und Anwendungen von Geschichte in der Öffentlichkeit ist Public History neben der Zeitgeschichte aufs Engste mit den Konzepten der Geschichts- und Erinnerungskultur verknüpft. Deshalb rücken nun diese beiden Kategorien in den Fokus. Von ihnen ausgehend kann schließlich auch die Bedeutung des Mediums Film und das Phänomen des Erinnerungsfilmes erschlossen werden.

2.3 Geschichts- und Erinnerungskultur Für eine systematische Betrachtung von Public History und den unterschiedlichen Formen, wie Geschichte in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, sei es laut Lücke und Zündorf unabdingbar, sich mit den Konzepten der Geschichtskultur sowie der Erinnerungskultur auseinanderzusetzen. Diese würden teilweise synonym, teilweise aber auch als konkurrierende Begriffe gebraucht werden.71 Die Unterscheidung der beiden betreffe weniger eine inhärente, genuine Differenz, sondern vorrangig die verschiedenen Kontexte und Personen, von denen sie verwendet werden. Während Erinnerungskultur vermehrt in den akademischen Bereichen der Geschichts- und Kulturwissenschaften dominiere, sei Geschichtskultur als Leitkonzept in der

69 Klaus Große Kracht, Kontroverse Zeitgeschichte. Historiker im öffentlichen Meinungsstreit, in: Sabine Horn/Michael Sauer (Hrsg.), Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009, S. 15–23, hier S. 21. 70 Ebd., S. 22. 71 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 29. 22

Geschichtsdidaktik zu verorten.72 Wie Klaus Bergmann in seinen geschichtstheoretischen Überlegungen zum Gegenwartsbezug ausführte, handelt es sich bei Geschichte jedoch immer um „eine Erinnerung an Vergangenes, das im Wesentlichen vor unserer Lebensgeschichte geschehen ist“.73 Aufgrund der Vernetzung von Geschichte und Erinnerung kann deshalb auch von einer weitgehenden Gemeinsamkeit der Geschichtskultur und der Erinnerungskultur ausgegangen werden. Nichtsdestotrotz braucht es für ein besseres Verständnis eine differenzierte Betrachtung der beiden Kategorien. Dabei wird ersichtlich, dass diese zentrale Bereiche der Public History darstellen.

Das Konzept der Geschichtskultur basiert im Rahmen der Didaktik der Geschichte im Wesentlichen auf Jörn Rüsen. Seine Herausarbeitung dieser Kategorie hat sich in der geschichtsdidaktischen Fachwelt durchgesetzt und bildet einen wichtigen Bezugspunkt für den Zusammenhang von Geschichte und Gesellschaft sowie für historisches Lernen und Lehren. Konkret behandelt Geschichtskultur die Form des Umgangs einer Gesellschaft oder Gruppe mit ihrer Vergangenheit und Geschichte. In der Geschichtskultur manifestiere sich das Geschichtsbewusstsein dieses Kollektivs als Veräußerung in kulturellen Produkten.74 Zum Beispiel sind die Geschichtsschreibung, die Bildende Kunst, verschiedenste literarische Gattungen, Geschichtsfilme, Reden in Gedenkveranstaltungen oder Living History (historisches Reenactment) zu nennen.75 Unter diesen Beispielen der Geschichtskultur offenbaren sich mit der Gedenkrede als Teil der Geschichtspolitik bereits der enge Bezug zur Erinnerungskultur und die Schwierigkeit einer strikten Trennung der beiden Kategorien. Allgemein ist für die Geschichtskultur noch zu betonen, dass es sich dabei in den Worten Hans- Jügen Pandels um eine „imaginative, ästhetische, inszenierte, kontrafaktische, simulative, rhetorische, diskursive Verarbeitung von Geschichte“76 handelt. Diese Aspekte weisen erneut große Überschneidungen mit dem Verständnis von Erinnerungskulturen auf. Als Teil der Public History bildet die Geschichtskultur Verarbeitungen von Geschichte heraus, die sich meist außerhalb akademischer Kontexte bewegen und oft in neuen Darstellungsformen erscheinen.77 Insofern steht die Geschichtskultur auch für eine Popularisierung von Geschichte in einer

72 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 29. 73 Bergmann, Gegenwartsbezug, S. 17. 74 Jörn Rüsen, Was ist Geschichtskultur, in: Klaus Füßmann u.a. (Hrsg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Köln–Weimar–Wien 1994, S. 3–26, hier S. 4f. 75 Hans-Jürgen Pandel, Geschichtskultur, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwalbach/Ts. 2006, S. 74–75, hier S. 74. 76 Ebd. 77 Pandel, Geschichtskultur, S. 74. 23 großen Bandbreite „vom historischen Roman zum Computerspiel“.78 Korte und Paletschek weisen dabei auf die Vielfalt der populären Darstellungen hin. Sie betonen auch die Notwendigkeit eines offenen Zugangs anstelle einer voreingenommenen, kulturpessimistischen und pauschalen Ablehnung oder Verurteilung dieser.79 Mit dem dabei angedeuteten Gegensatz zwischen einer als qualitativ minder eingeschätzten Populärkultur und einer als wertvoller bewerteten Hochkultur lässt sich auch ein Konnex zur Erinnerungskultur herstellen. Diese wird im gesellschaftlichen und vor allem akademischen Diskurs bisweilen im Rahmen klassischer, traditioneller Formate gedacht und daher stark von populären Geschichtsdarstellungen abgegrenzt. Eine genauere Betrachtung der Bedeutung von Erinnerungskultur in einem weiten Begriffsverständnis verdeutlicht allerdings die Gemeinsamkeiten mit der Geschichtskultur als wesentliche Bereiche der Public History.

Das Konzept der Erinnerungskultur hat mittlerweile in geschichts- und kulturwissenschaftlichen, aber auch in allgemeineren Diskursen einen omnipräsenten Platz eingenommen. So kann nicht nur von einem Geschichtsboom, sondern damit einhergehend auch von einem „Erinnerungsboom“ gesprochen werden, dessen Ende nach Dirk Rupnow immer noch nicht in Sicht sei.80 Die Auseinandersetzung mit Geschichte in der Öffentlichkeit geht dabei stets einher mit einer Berücksichtigung von Prozessen des Erinnerns und Vergessens. So kann die bewusste, konfrontative Beschäftigung in Form von historischen Narrationen als Vergegenwärtigung von Vergangenheit auch mit einem Akt des Erinnerns umschrieben werden. Gerade für liberale Demokratien im 21. Jahrhundert und deren Ansprüche von Freiheit und Vielfalt scheint die offene Beschäftigung mit Geschichte als Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu einer Grundvoraussetzung geworden zu sein. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff der Erinnerungskultur und inwiefern hängt er mit Geschichtskultur, Public History oder der Zeitgeschichte zusammen?

Allgemein ist Erinnerungskultur ein Sammelbegriff für sämtliche möglichen Varianten eines bewussten Erinnerns an Ereignisse, Personen oder Abläufe aus der Geschichte. Sofern dieses weite Verständnis des Begriffes vorliegt, sei er synonym mit Geschichtskultur zu gebrauchen.81 Seit dem Beginn der Erforschung von Formen des Erinnerns und des Vergessens, die unter dem

78 Vgl. Korte/Paletschek, Geschichte. 79 Ebd., S. 49. 80 Dirk Rupnow, Vergessen, in: Birgit Kolbosk u.a. (Hrsg.), Wissen Macht Geschlecht. Ein ABC der transnationalen Zeitgeschichte, Berlin 2016, S. 127–129, hier S. 127. 81 Christoph Cornelißen, Erinnerungskulturen, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, [https://docupedia.de/zg/Erinnerungskulturen_Version_2.0_Christoph_Cornelißen], eingesehen 19.6.2019. 24 größeren Rahmen des Gedächtnisses als Akte subsumiert werden, stand das Verhältnis von Erinnerung bzw. Gedächtnis zur Geschichte immer wieder im Fokus. Für den französischen Soziologen Maurice Halbwachs, dessen Überlegungen am Beginn der Theoriegeschichte zu Erinnerungskultur stehen, seien Geschichte und Gedächtnis miteinander unvereinbar gewesen.82 Mittlerweile lässt sich diese Trennung kaum mehr vornehmen, da Fragen über die Gestaltung der Erinnerung zu einem zentralen Bestandteil der Auseinandersetzung mit Geschichte wurden. Dies drückt sich beispielsweise in dem Stichwort der „Erinnerungsgeschichte“ aus, welche laut Horn und Sauer die Aufmerksamkeit der historischen Forschung immer stärker an sich zog.83 Selbstverständlich kann hier kein umfassendes Bild der Theoriegeschichte der Erinnerungskultur gezeichnet werden. Insgesamt ist nämlich zu konstatieren, dass das Verständnis von Erinnerung, Vergessen und Gedächtnis enorm ausdifferenziert ist. Im Rahmen des Erinnerungsbooms der letzten Jahrzehnte beschäftigte sich eine Vielzahl an Forschungen mit ihnen und – wie bereits angedeutet – sei ein Ende dieser Auseinandersetzung noch nicht in Sicht. In Anbetracht der unzähligen Variationen von Erinnerung und Gedächtnis öffnet sich in der Forschungsliteratur eine regelrechte Unübersichtlichkeit, wie beispielsweise Amine und Beschea-Fache bereits im Jahr 2012 anmerkten.84 So gibt es neben dem kollektiven Gedächtnis beispielsweise auch das kommunikative, das kulturelle, das soziale, das transnationale Gedächtnis, das Familien- und das Generationengedächtnis oder das autobiographische Gedächtnis, um nur einige zu nennen.85 Diese Vielschichtigkeit als Ausdruck des großen Interesses an der Erinnerung liegt vermutlich unter anderem in der Vernetzung von Vergangenheit und Gegenwart begründet. Da bei Fragen über das Erinnern sowohl der Umgang mit der Vergangenheit in früheren Zeiten, als auch in der aktuellen, eigenen Gegenwart eminent wird, findet ähnlich wie bei der Zeitgeschichte eine Transferleistung zum Heute statt. Für die vorliegende Untersuchung sind einzelne Teilbereiche, wie etwa das kollektive Gedächtnis und darunter das kommunikative und kulturelle Gedächtnis als eine der geläufigsten und grundlegendsten Formen essentiell.

Das kollektive Gedächtnis erweist sich laut Erll als ein „Oberbegriff“ für verschiedene Prozesse in biologischer, psychischer, medialer oder sozialer Hinsicht, bei denen es um das Verhältnis

82 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 14. 83 Sabine Horn/Michael Sauer, Vorwort, in: Dslb. (Hrsg.), Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009, S. 9–11, hier S. 10. 84 Laila Amine/Caroline Beschea-Fache, Crossroads of Memory. Contexts, Agents, and Processes in a Global Age, in: Culture, Theory and Critique, 53 (2012), Nr. 2, S. 99–109, hier S. 99. 85 Christian Gudehus/Ariane Eichenberg/Harald Welzer (Hrsg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart–Weimar 2010; Amine/Beschea-Fache, Crossroads, S. 99. 25 von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geht. Als „Gesamtkontext“ erfasst es somit die Prozesse des Erinnerns und Vergessens, die auf der Ebene des Individuums sowie des Kollektivs eng miteinander verwoben sind.86 Das kollektive Gedächtnis betont dabei die Praktiken der Deutungen, der Wissensbestände und des Umgangs mit der Vergangenheit auf einer größeren Ebene wie einer Gruppe, einer Gesellschaft oder Gemeinschaft. So drückt sich besonders im kollektiven Rahmen die Funktion eines gemeinsam geteilten Gedächtnisses für die Konstruktion einer Identität, sei sie lokal, regional, national, transnational oder in anderen Konstellationen, aus. Es besteht kein Zweifel, dass das kollektive Gedächtnis und damit Erinnerungskultur als Identitätsbildung einen großen Teil zur Herstellung von „imagined communities“ im Sinne Benedict Andersons87 beitragen. Ein Teilbereich des kollektiven Rahmens ist das kommunikative Gedächtnis. Dieses betont die kommunikative Interaktion beispielsweise in Form des Dialoges oder in Gesprächen als mündliche Erzählung und Übermittlung von Erfahrungen und damit von Erinnerungen. Durch den persönlichen Austausch, etwa in der Familie zwischen Großeltern und ihren Nachkommen, ist darunter auch das Familien- oder intergenerationelle Gedächtnis zu verstehen.88 Der Austausch von Lebenserfahrungen der eigenen Vergangenheit ist dabei konstitutiv für die Zeitgeschichte als jüngere Vergangenheit und als vielzitierte „Epoche der Mitlebenden“.

Im ständigen Wandel, dem die Zeitgeschichte unterliegt, zeichnet sich auch eine Veränderung dieses kommunikativen Gedächtnisses in Form eines Ablebens der Zeitzeugengeneration ab. Speziell in Hinblick auf den Umgang mit der NS-Zeit und dem Wegfall der „Mitlebenden“ wie etwa den Überlebenden der Shoah scheint die Zeitgeschichte vor einer besonderen Herausforderung zu stehen. Dieser Umstand wurde in den letzten Jahren zu einem prägenden Diskurs und einem bestimmenden Thema. Zum Beispiel spricht Astrid Erll von einem „historischen Transformationsprozess“ und einem „tiefen Einschnitt“. Dieser sei auch einer der Gründe für die große nationenübergreifende Aktualität der Themen um Gedächtnis und Erinnerung.89 Der Transformationsprozess dreht sich dabei in erster Linie um die Frage, wie Erinnerung in einer sich wandelnden Mediengesellschaft und Kultur überhaupt stattfinden solle bzw. auch erfolgreich und wirkungsmächtig sein könne. So identifiziert Gaby Falböck einen „Kampf gegen die Zeit“: Da es in naher Zukunft keine Zeitzeug*innen mehr gebe, die durch

86 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 5-6. 87 Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London– New York 2006. 88 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 14. 89 Ebd., S. 3. 26 ihre unmittelbare Betroffenheit von Holocaust oder NS-Zeit auf emotionale Weise erzählen könnten, stelle sich die Frage nach angemessenen Formen von Vermittlung für die nächsten Generationen.90 Eine Antwort darauf fällt jedoch in Anbetracht der Vielfalt der Formen des Erinnerns besonders schwer. In ihrer Diskussion der sogenannten Stolpersteine von Gunter Demnig wies etwa Nike Thurn auf die Schwierigkeit hin, einen Konsens über die Gestaltung des Gedenkens an die Opfer der Shoah zu finden. Allgemein müssten Strategien wie jene von Demnig sowie Denkmäler oder Filme im Rahmen eines Wandels der Erinnerungsmedien betrachtet werden. Diese würden von den Zeitzeug*innen auf die unterschiedlichen ästhetischen Formen übergehen.91 Mit diesem Wechsel weg von einem kommunikativen Gedächtnis kommt das kulturelle Gedächtnis als Kategorie der Erinnerungskultur auf.

Das kulturelle Gedächtnis unterstreicht die Rolle von Medien und kulturellen Konstrukten als Träger und Vermittler von Erinnerung. Im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis handelt es sich hierbei nicht um persönliche Gespräche und Interaktionen mit beispielsweise Familienmitgliedern oder Zeitzeug*innen. Diese werden aufgrund der Konfrontation mit direkt betroffenen Menschen mit einer besonderen Aura, Authentizität, Emotionalität und daher einer Wirkungsmacht in der Vermittlung verbunden. Beim kulturellen Gedächtnis sind es hingegen „objektivierte Formen der Kultur“ wie etwa Rituale, materielle Kultur, die Wiederholung von Bildern in Filmen oder Gemälden – allgemeiner ausgedrückt ästhetisierte kulturelle Repräsentationen.92 Insofern unterscheidet sich die kulturelle Erinnerung auch von der kommunikativen Form, da es sich bei ersterer als medialer Repräsentation weniger um eine Art „Original“ oder ein ursprüngliches, „eigentliches Ereignis“ handle.93 Vielmehr ist es als Repräsentation eine Nachempfindung, eine Imitation, Konstruktion und ein Bild von dem eigentlichen Sachverhalt, der vor allem in fiktionalisierter, ästhetisierter und imaginierter Weise erscheint. Im Zuge des Wandels der Erinnerungsmedien von einem kommunikativen zu einem kulturellen Gedächtnis wird oftmals befürchtet, dass das Erinnern nicht mehr erfolgreich stattfinden könnte. Eine rein mediale kulturelle Erinnerung könne der Aufgabe der adäquaten Vermittlung nicht gerecht werden. Sie komme einer Abstrahierung gleich und würde das

90 Gaby Falböck, Populäre Formen der Vermittlung von Erinnerungskultur in Praxis und Theorie, in: Linda Erker u.a. (Hrsg.), Gedächtnisverlust? Geschichtsvermittlung und –Didaktik in der Mediengesellschaft, Köln 2013, S. 219–233, hier S. 224. 91 Nike Thurn, Stolpersteine, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 358–360, hier S. 360. 92 Daniel Levy, Das kulturelle Gedächtnis, in: Christian Gudehus/Ariane Eichenberg/Harald Welzer (Hrsg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart–Weimar 2010, S. 93–101, hier S. 93. 93 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 161. 27 schwer zu fassende Original, den „geschichtlichen Kern“94 in den Hintergrund rücken und vernachlässigen. Damit verbunden gebe es den Vorwurf einer nur oberflächlichen, kurzen und auf Spektakel und Erlebnischarakter setzenden Auseinandersetzung, die kaum etwas mit klassischen Akten des Gedenkens wie Besinnung, Stille oder längerer Dauer gemein habe.95 Die vorliegende Analyse möchte herausarbeiten, wie der Film Er ist wieder da als Film über die aktuelle Erinnerungskultur den Wandel des kommunikativen und kulturellen Gedächtnisses thematisiert und diese Transformationsprozesse aufgreift. Es geht somit um die Formen der Vermittlung und des Umgangs mit der Vergangenheit und wie sich diese in einer von den Medien durchdrungenen Gesellschaft im 21. Jahrhundert gestalten.

In den Debatten um den Wandel der Erinnerungskultur und die Rolle der Medien der Erinnerung tritt ebenfalls das Schema der Generationenfolge zutage. Diese bildet einen zentralen Bestandteil des Diskurses. So wird immer wieder davon gesprochen, dass mit „neuen Erinnerungswellen“, die beispielsweise von Gedenktagen oder großen Filmproduktionen ausgelöst werden, auch „eine neue Generation eine neue Form des Verstehens“ gelehrt wird.96 Mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu den historischen Ereignissen der NS-Zeit und dem Heranwachsen neuer Generationen ergebe sich die Forderung, neue Lösungsmöglichkeiten und Zugänge zur Gestaltung der Erinnerungskultur zu erschließen.97 In diesem Diskurs ist besonders auffällig, wie der Holocaust bzw. der Epocheneinschnitt des Jahres 1945 als „Nullpunkt“ eine Zählung der Generationenfolge vorgibt, worauf Kirstin Frieden hinwies. Dabei würde sich je nach zeitlicher Nähe zu den Ereignissen eine „erste“, „zweite“, „dritte“ Generation usw. „nach dem Holocaust“ herausbilden. 98 Im Umgang mit der Vergangenheit geht es damit letztlich immer um die Frage der Betroffenheit und der Bedeutung der Geschichte für die jeweilige Altersgruppe. Dies kreist sich im Wesentlichen um die Rolle der Schuld und der Verantwortung, die eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und ein Lernen und Lehren aus der Geschichte im Rahmen einer Erinnerungskultur beinhaltet. Während laut Frieden einerseits eine „Last der Vergangenheit“ nach wie vor im Bewusstsein der jüngeren Generationen präsent sei, finde andererseits eine Selbstbehauptung und Selbstinszenierung als

94 Daniel Erk, So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist, München 2012, S. 23. 95 Frieden, Neuverhandlungen, S. 24. 96 Franziska Augstein, Deutschland, in: Volkhard Knigge/Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, S. 221–232, hier S. 221. 97 Christian Schneider, Wer lacht wann?, in: Margrit Frölich/Hanno Loewy/Heinz Steinert (Hrsg.), Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, Stuttgart 2003, S. 135-154, hier S. 146. 98 Frieden, Neuverhandlungen, S. 37. 28

„unbeteiligt und schuldlos“ statt, was sie schließlich auch seien.99 Gerade aktuelle Beispiele der Geschichts- und Erinnerungskultur behandeln offen die Frage, „was der Holocaust mit mir zu tun“ habe und reflektieren die Gestaltung einer zeitgemäßen Erinnerungskultur auf einer Meta- Ebene.100 Mit einer solchen Einführung der nachwachsenden Generation in die Geschichts- und Erinnerungskultur im Zuge der Sozialisation in das kollektive Gedächtnis ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verbunden. Die Suche nach neuen Strategien und Zugängen im Umgang der jüngeren Generationen mit der Vergangenheit ordnet sich in den größeren Kontext des Wandels der Erinnerungskultur ein. Es ist somit eine Entwicklung von einem kommunikativen zu einem medialen kulturellen Gedächtnis festzustellen, die sich gleichzeitig im breiteren Wandel von Medien und Gesellschaft sowie der Zeitgeschichte als historische Epoche bewegt. So ist es ein Ziel, am Beispiel des Filmes Er ist wieder da eine Erweiterung der Erinnerungskultur auf neuere Medientechnologien sowie mediale Formen darzustellen. Wie gezeigt werden soll, zählt zu diesen ganz besonders das Internet und darin das Medium YouTube als wesentlicher Ort des kulturellen Gedächtnisses.

Der Begriff des „Ortes“ ist ein wichtiges Stichwort für eine weitere, nicht zu vernachlässigende Dimension der Erinnerungskultur, nämlich die „Erinnerungsorte“. Diese gehen in der Theoriegeschichte auf Pierre Nora zurück und seien als „Orte“ in einem sehr weiten Begriffsverständnis zu betrachten. So handelt es sich dabei nicht nur um Orte im Sinne von physischen Plätzen, sondern um eine Vielfalt an Erscheinungen oder kulturellen Tätigkeiten und Produkten. Allgemein können sie „geographische Orte, Gebäude, Denkmäler, Kunstwerke ebenso umfassen wie historische Persönlichkeiten, Gedenktage, philosophische und wissenschaftliche Texte oder symbolische Handlungen“.101 Nach Astrid Erll könne fast alles zu einem Erinnerungsort werden, konkret etwa „alle kulturellen Phänomene (ob material, sozial oder mental), die auf kollektiver Ebene bewusst oder unbewusst in Zusammenhang mit Vergangenheit oder nationaler Identität gebracht werden“.102 In der Erfassung von Orten, die mit Erinnerung beladen und folglich als geschichtsträchtig eingestuft werden, geht es in erster Linie um einen Symbolwert. Der Erinnerungsort erweise sich also weniger als „konkret-

99 Frieden, Neuverhandlungen, S. 40. 100 Vgl. dazu Lisa Gadenstätter/Elisabeth Gollackner, DOKeins: Schluss mit Schuld – Was der Holocaust mit mir zu tun hat, ORF, 21.3.2018, [https://tvthek.orf.at/profile/Archiv/7648449/DOKeins-Schluss-mit-Schuld-Was-der- Holocaust-mit-mir-zu-tun-hat/13984123/DOKeins-Schluss-mit-Schuld-Was-der-Holocaust-mit-mir-zu-tun- hat/14339087], eingesehen 20.6.2019; Lisa Gadenstätter/Elisabeth Gollackner, Schluss mit Schuld. Unsere Reise zum Holocaust und zurück, Wien 2018. 101 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 20. 102 Ebd., S. 21. 29 dinglich“ fassbares Objekt, sondern funktioniere durch seinen „referentiellen Charakter“.103 Inwiefern dieser Symbolgehalt mit der Geschichte und der Identität als Selbstverständnis einer Gesellschaft oder Gemeinschaft zusammenhängt, bestimmt wesentlich den Stellenwert des Ortes für das Kollektiv. Erinnerungsorte bilden schließlich die Räume, an denen sich die Praktiken der Erinnerungskultur manifestieren und das kollektive Gedächtnis in Erscheinung tritt. Speziell die Debatten und Reflexionen über die Orte der Erinnerung machen einen beträchtlichen Teil einer Geschichts- und Erinnerungskultur und somit auch des Geschichtsbewusstseins einer Gesellschaft aus. Es ist notwendig darauf hinzuweisen, dass es im Sinne von „conflicting memories“ oder „divided memories“104 auch ein konflikthaftes Ringen um den Stellenwert von Erinnerungsorten geben kann. So ist weniger von einem Nebeneinander, als vielmehr von einer Hierarchisierung als „hegemonialem Gedenkrahmen“105 auszugehen. Für die Auseinandersetzung mit einem Film, der die Geschichts- und Erinnerungskultur zum Thema hat, stellt sich damit die Frage, ob und wenn ja welche Erinnerungsorte Teil der Narration über die Vergangenheit werden und welche Rolle diese im Kontext des kollektiven Gedächtnisses spielen. Zusätzlich bleibt noch anzumerken, dass selbst ein Film als künstlerisches Produkt einen Erinnerungsort darstellen kann. Dies führt schließlich zur vertieften Betrachtung des Mediums Film als zentraler Erscheinungsform der Geschichts- und Erinnerungskultur.

Zuvor kann jedoch zusammenfassend nochmals die Überschneidung der Konzepte der Geschichts- und Erinnerungskultur hervorgehoben werden. In einer weiten Fassung der beiden Begriffe wurde deutlich gemacht, dass diese zwar nicht vollständig identisch, aber als sehr ähnlich betrachtet und deshalb gemeinsam verwendet werden können. Es geht um die konkrete Fragestellung, mit der an ein kulturelles Produkt herangetreten wird, sowie der gesamte Kontext und auch die Intention dahinter. Es kann jedoch nicht geleugnet werden, dass Formen der Geschichtskultur, die scheinbar keine bewusste Intention eines Erinnerns verfolgen, unweigerlich eine erinnernde Wirkung entfalten. Sofern sie sich auf das kollektive Gedächtnis niederschlagen und dieses entscheidend mitprägen, stellen sie auch ein erinnerungskulturelles Produkt dar. Aus diesem Grund können diese essentiellen Kategorien der Public History sowie

103 Jens Kroh/Anne-Katrin Lang, Erinnerungsorte, in: Christian Gudheus/Ariane Eichenberg/Harald Welzer (Hrsg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Hanbduch, Stuttgart–Weimar 2010, S. 184–188, hier S. 184. 104 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 30. 105 Ebd., 53. 30 der Epoche der Zeitgeschichte als Verknüpfung zwischen jüngerer Vergangenheit und Gegenwart nicht strikt auseinander gehalten werden.

2.4 Das Medium Film und der „Erinnerungsfilm“ Da ein Film die zentrale Quelle der vorliegenden Untersuchung als Repräsentation und Darstellung historischer Sachverhalte bildet, gilt es, sich die Bedeutung dieser Quellengattung bewusst zu machen. Dadurch kann das Medium Film in die vorangegangenen Diskussionen über Zeitgeschichte, Public History sowie Geschichts- und Erinnerungskultur eingeordnet und dessen einzigartiger Charakter als kulturelles Produkt erschlossen werden.

Unabhängig von der Fachrichtung ist die Ansicht, dass Filme ein nicht zu vernachlässigendes Kulturphänomen darstellen, in wissenschaftlichen Bereichen zu einem Gemeinplatz geworden. Dies betrifft auch die Beurteilung des Mediums in den Geschichtswissenschaften, der Geschichtsdidaktik oder allgemein der Public History. Gerade in der Public History vereinen sich vormals strikt getrennte Forschungsrichtungen, wie etwa die Geschichtswissenschaften, die Kulturwissenschaften, die Medienwissenschaften und damit auch die Filmwissenschaften. Um der Vielschichtigkeit von Geschichte und Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, braucht es diesen interdisziplinären Zugang wie jenen der Public History. So kann es auch nicht verwundern, wenn die Grenzen zwischen Historiker*innen und Filmwissenschaftler*innen im Diskurs zunehmend verschwimmen. Damit geht zweifelsfrei eine Erweiterung der Perspektive einher, die ein besseres Verständnis der Komplexität von Geschichte in all ihren Erscheinungsformen ermöglicht.

Zu einer solchen Erweiterung der Perspektive und einem erhöhten Bewusstsein für die Bedeutung von Film für Geschichte und Gesellschaft tragen verschiedene Forschungsrichtungen bei. Allgemein gibt es eine große Sensibilität für die Wirkmächtigkeit und den Stellenwert von Filmen in der Auseinandersetzung mit Geschichte. Aus einem filmwissenschaftlichen Hintergrund kommend, beschreiben Frölich, Schneider und Visarius die Rolle von Film besonders eindringlich: „Der Film – sei es als Dokumentation, Historienstück oder Dokudrama – hat sich als stärkstes Mittel der Geschichtsschreibung erwiesen; so sehr, dass wir unser historisches Wissen ohne ihn gar nicht mehr denken können.“106 Dieses Zitat weist auf zwei fundamentale Bereiche in der Behandlung von Filmen

106 Margrit Frölich/Christian Schneider/Karsten Visarius, Vorwort, in: Dslb. (Hrsg.), Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film, Stuttgart 2007, S. 7–12, hier S. 8. 31 hin. Erstens spricht es die übliche Kategorisierung von Filmen entweder als Dokumentation, als Historienstück oder als Dokudrama an. Diese Einteilung kann ein Ausgangspunkt für das Sprechen über einzelne Genres und Gattungen von filmischen Darstellungen sein. Gleichzeitig öffnet sich damit die grundsätzliche Schwierigkeit, unterschiedliche Produkte in ihren unterschiedlichen Stilen schematisch zu ordnen. Es gibt zwar diverse Versuche, diese Schemabildung einheitlich durchzuführen, wobei sich meist die Pole des historischen Spielfilms im Sinne des Dramas (in obiger Terminologie das „Historienstück“) auf der einen und der Dokumentation auf der anderen Seite herauskristallisieren. Dazwischen gibt es experimentelle Mischformen wie das Dokudrama.107 Analog zu dieser Dichotomie spannen sich die Fragen um Fiktionalität und Faktizität. In der Praxis sind vereinfachte Klassifikationen wie diese allerdings nicht haltbar, da immer wieder darauf hingewiesen wird, dass eine saubere Trennung kaum möglich sei.108 In diesem Zusammenhang ist es jedoch unerlässlich, unabhängig von unterschiedlichen Klassifikationen ein allgemeines Bewusstsein für den Film als eigenständiges Medium zu entwickeln. So führt Hilde Hoffmann aus, dass Film nicht als „neutraler Träger“ wahrgenommen werden sollte, sondern es notwendig sei, ihn in seiner „spezifischen Medialität“ zu thematisieren.109 Film muss somit als mediales und kulturelles Konstrukt mit seinen eigenen Strategien und Möglichkeiten, Bilder und Gefühle zu erzeugen und zu verbreiten, gelesen werden. Gerade bei historischen Spielfilmen müssen deshalb jene Strategien kritisch untersucht werden, die in einem Film ein Gefühl von Realismus oder Authentizität herstellen. Eine außerordentliche Kategorie bildeten daher solche Beispiele, die bewusst die Konventionen des filmischen Erzählens durchbrechen und ihren Konstruktcharakter thematisieren.110 Diese beherbergen ein ganz besonderes Potential für die Untersuchung des Zusammenhangs von Film und Geschichte.

Aus dem Zitat von Frölich, Schneider und Visarius ist zweitens herauszuheben, dass Film „als stärkstes Mittel der Geschichtsschreibung“ bezeichnet wird.111 Folglich sei historisches Wissen ohne Film gar nicht mehr denkbar. Diese Einschätzung sollte nicht leichtfertig als cineastische Euphorie oder pauschale Überhöhung und Überschätzung abgetan werden. Sie drückt den

107 Hilde Hoffmann, Geschichte und Film – Film und Geschichte, in: Sabine Horn/Michael Sauer (Hrsg.), Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009, S. 135–143, hier S. 138. 108 Hoffmann, Geschichte, S. 138f.; Bodo von Borries, Historischer „Spielfilm“ und „Dokumentation“ – Bemerkungen zu Beispielen, in: Christoph Kühberger/Christian Lücke/Thomas Terberger (Hrsg.), Wahre Geschichte – Geschichte als Ware. Die Verantwortung der historischen Forschung für Wissenschaft und Gesellschaft, Rahden 2007, S. 187–212, hier S. 208. 109 Hoffmann, Geschichte, S. 139. 110 Ebd., S. 141. 111 Frölich/Schneider/Visarius, Vorwort, S. 8. 32 enorm hohen Stellenwert des Mediums Film für die Erscheinung und Konzeption von Geschichte aus. Dieser Stellenwert von Filmen mit historischen Sachverhalten zeigt sich ganz allgemein in dem Einfluss auf die Geschichtsvorstellungen der Menschen. Deren Geschichtswissen konstituiere sich beispielsweise stärker durch Filme als durch fachwissenschaftliche Darstellungen von Historiker*innen.112 Die filmische Repräsentation konstruiert dabei eine vermeintlich authentische Wirklichkeit, eine in sich geschlossene Narration mit künstlichen Perspektiven und gibt als Deutungsschema ein Bild der Vergangenheit vor.113 Als Teil der Geschichtskultur fallen Filme ebenfalls in den Bereich der Erinnerungskultur, weshalb eine unermesslich große Wirkung auf die Prägung der Erinnerung naheliegt. Es wurde bereits angemerkt, wie Spielfilme neben Gedenktagen „neue Erinnerungswellen“ auslösen können.114 Laut Kansteiner hätten Film und Fernsehen einen mit der Literatur vergleichbar großen Einfluss auf Prozesse der Bildung von Gedächtnis und Identität. Durch ihren „stark immersiven Charakter“ sowie ihr „emotionalisierendes Potential“ würden visuelle Medien das Gedächtnis von Menschen – gerade in der Frühphase ihrer massenhaften Verbreitung – auf entscheidende Art und Weise prägen.115 So bezeichnet Kansteiner Film und Fernsehen als „ideale Schaltstellen zwischen individueller und kollektiver Erinnerung“.116 Diese Beurteilungen der Intersektion von Film, Geschichte und Erinnerung erfordern eine tiefergehende Reflexion, was schließlich zum Konzept des Erinnerungsfilmes führt.

In Astrid Erlls Opus über die verschiedensten Teilbereiche von kultureller Erinnerung findet sich auch der gemeinsam mit Stephanie Wodianka herausgegebene Sammelband Film und kulturelle Erinnerung. In der Einleitung der Herausgeberinnen entwickeln sie das Konzept des Erinnerungsfilmes. Sie gehen von der Einsicht aus, dass kulturelle Erinnerung momentan ein „Leitthema“ des Films sei und umgekehrt Film „unübersehbar zum Leitmedium der Erinnerungskultur“ wurde.117 Das Konzept des Erinnerungsfilms verstehen sie nicht als Filmgenre im engeren Sinne, sondern als „gesellschaftliches Phänomen, das sich auf verschiedene Filmgenres beziehen kann und eine Art des Umgangs mit diesen in

112 Hoffmann, Geschichte, S. 135. 113 Harald Welzer/Sabine Moller/Karoline Tschuggnall, „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt a.M. 20055, S. 105. 114 Augstein, Deutschland, S. 221. 115 Wulf Kansteiner, Film und Fernsehen, in: Christian Gudehus/Ariane Eichberger/Harald Welzer (Hrsg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart–Weimar 2010, S. 217–226, hier S. 218. 116 Ebd., S. 221. 117 Erll/Wodianka, Einleitung, S. 1. 33 soziokulturellen Kontexten meint“.118 Bevor näher auf diese Definition des Erinnerungsfilms eingegangen wird, sind die zwei Formen der Ausprägung dieses Phänomens zu beschreiben. So gibt es die Unterscheidung zwischen gedächtnisreflexiven Filmen auf der einen und gedächtnisproduktiven bzw. –bildenden Filmen auf der anderen Seite.119 Wie der Name ausdrückt, geht es bei ersteren um Filme, die kulturell bedingte Formen und Vorstellungen von Gedächtnis in filmischen Darstellungen behandeln. Als Beispiele führt Erll dafür Blade Runner (1982), Total Recall (1990) oder Memento (2000) an. Sie thematisieren bewusst Prozesse des Erinnerns und Vergessens als Umgang mit Zeit in einem bestimmten erzählerischen Setting.120 Die gedächtnisproduktiven oder –bildenden Filme hingegen charakterisiert Erll als jene, die eine große, oft internationale Verbreitung finden und als Repräsentationen der Vergangenheit die Vorstellungen von historischen Sachverhalten entscheidend prägen. Hier nennt Erll Apocalypse Now (1978), Schindlers Liste (1993) oder Der Untergang (2004). Diese Filme produzieren und bilden demnach das Gedächtnis und die Wissensbestände über Geschichte.121 Diese Unterscheidung von gedächtnisreflexiven und gedächtnisproduktiven Filmen ist für die Dekonstruktion von Er ist wieder da besonders wichtig. Damit können zwei wesentliche Ebenen in der Analyse unterschieden werden. Auf der gedächtnisbildenden Ebene lässt sich danach fragen, welches Bild der Film von Adolf Hitler vermittelt. In anderen Worten geht es darum, welches Gedächtnis er als Darstellung über die historische Persönlichkeit oder die NS- Zeit fördert. In Hinblick auf die gedächtnisreflexive Ebene geht es darum, welche Implikationen der Film über die aktuelle Geschichts- und Erinnerungskultur, das heißt über Akte des Erinnerns und Vergessens enthält. Hier steht im Mittelpunkt, was er konkret über den Umgang mit den Themen der Vergangenheit in der Gegenwart aussagt.

Ein konstitutives Element für den Erinnerungsfilm ist ein sozialer Kontext, der Filme erst zu „gedächtnisrelevanten Medien“ macht.122 Dieser Kontext geht im wortwörtlichen Sinne über die textuelle Ebene hinaus. Um einen Film schließlich als Erinnerungsfilm zu analysieren, sei es notwendig, beide Ebenen zu beleuchten. Anders ausgedrückt verweisen Erll und Wodianka auf einen filmimmanenten sowie einen filmtranszendierenden Zugang. Während ersterer den Film als Text und Konstrukt untersucht, erfasst letzterer das um ihn herum entstandene Netzwerk verschiedener Medien als soziokulturelle Kontexte.123 Diese seien essentiell für die

118 Erll/Wodianka, Einleitung, S. 6. 119 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 156f. 120 Ebd., S. 157. 121 Ebd., S. 157. 122 Ebd. 123 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 157. 34

Wirksamkeit von Erinnerungsfilmen. Sie umfassten beispielsweise Bereiche wie Marketingstrategien, die Einschaltquoten und Besucherzahl, die Auszeichnung mit Preisen, die Thematisierung in öffentlichen Diskussionen, die Veröffentlichung als DVD inklusive Bonusmaterial, die Einbettung in mediale Berichterstattungen sowie Rezensionen oder auch die Aufbereitung in didaktischen Rahmen als Angebot zur Behandlung im Unterricht.124 Dieses komplexe Netzwerk bezeichnen Erll und Wodianka als „plurimediale Konstellationen“.125 Der Begriff verdeutlicht die Vielfalt der medialen Erscheinungen, die einen Erinnerungsfilm erst zu einem solchen machen. Er bildet den Kern dieses gesellschaftlichen und medialen Phänomens. Das Zusammenspiel zwischen filmimmanenter und filmtranszendierender Ebene, das heißt zwischen dem Film als Text und dem soziokulturellen und medialen Kontext darum herum, verdeutlicht schließlich seine Bedeutung für die Erinnerungskultur. Interessanterweise bezeichnen Erll und Wodianka den Erinnerungsfilm als „ein dem Hier und Jetzt verpflichtetes Medium“.126 Dies steht umso mehr in Einklang mit der Beschreibung von Er ist wieder da als filmischem Gegenwartsbezug. Wie gezeigt werden soll, macht er die plurimedialen Konstellationen im öffentlichen Raum sichtbar und weist in einem selbstreflexiven Zugang innerhalb des Filmes gleichzeitig über sich selbst hinaus.

2.5 Medien, Kultur und Erinnerung in der Postmoderne Da es sich bei Geschichts- und Erinnerungskultur im Rahmen der Zeitgeschichte und der Public History immer um medial vermittelte, kulturelle Phänomene handelt, ist auch die medien- und kulturwissenschaftliche Perspektive zu berücksichtigen. Einerseits kommt dies der bereits angesprochenen Forderung Hoffmanns nach, einen Film in seiner „spezifischen Medialität“ zu thematisieren.127 Dies lässt sich auch mit der Einsicht verknüpfen, dass Geschichte nicht in einer Art Vakuum aufkommt, sondern immer erst durch Medien entstehen kann.128 Andererseits kann ein solcher in Teilen interdisziplinärer Ansatz zu einer größeren Einsicht und insgesamt zu einem besseren Verständnis des Filmes wie auch der aktuellen Kultur- und Medienlandschaft beitragen. In seinem Aufsatz mit dem Untertitel „Zeitgeschichte und ihre Herausforderungen durch die audiovisuellen Medien“ plädiert Thomas Lindenberger beispielsweise für einen reflektierten Umgang mit audiovisuellen Quellen. In der zeithistorischen Forschung sollten

124 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 157f. 125 Erll/Wodianka, Einleitung, S. 6. 126 Ebd., S. 4. 127 Hoffmann, Geschichte, S. 139. 128 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 90. 35 diese neben den klassischen Quellen wie Akten oder Büchern ähnlich viel Raum einnehmen. Dies schließe letztlich auch eine bewusstere Auseinandersetzung mit Medientheorien ein.129 Eine zeithistorische Untersuchung eines Filmes als Teil von Erinnerungskultur kann sich deshalb nicht nur auf einschlägige Kategorien der Geschichtswissenschaften stützen, sondern verlangt eine breitere Betrachtungsweise. Gerade für den Film Er ist wieder da, der die Rolle der Medien bewusst thematisiert und als Film selbstreflexiv über sich hinaus weist, sind Ideen der Postmoderne zu behandeln.

In den Kultur- und Medienwissenschaften entwickelte sich im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Denkschule der Postmoderne. Sie kam vor allem in den 1960er-Jahren auf und kristallisierte sich bald zu einer dominanten geistig-kulturellen Bewegung heraus.130 Nun würde eine umfassendere Skizzierung diverser Denker*innen und Wissenschaftler*innen, die das Verständnis der Postmoderne bis heute prägen, wohl definitiv den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Allgemein zeichnet die postmoderne Kultur ein Verschwimmen und Aufbrechen der klassischen Grenzen zwischen einer Hochkultur und einer Populärkultur aus. Zu einer größeren Sichtbarkeit von Populärkultur, oder popular culture, hätten vor allem die elektronischen Medien beigetragen, sodass die Trennung zwischen „high and low culture“ nicht mehr länger haltbar sei.131 Des Weiteren sind für die Postmoderne die Begriffe der „bricolage“ und der Intertextualität als wesentliche Merkmale zu nennen. Erstens unterstreicht „Bricolage“ als eine Art „Bastelei“ die Auflösung früherer Grenzen in einer Verbindung von kulturellen Zeichen, um neue Bedeutungen zu konstruieren. So würden etwa die Repräsentationen der Vergangenheit immer mehr mit jenen der Gegenwart verschwimmen.132 Zweitens handelt es sich bei Intertextualität um eine Strategie künstlerischer und kultureller Darstellungen, welche sehr stark von Verweisen auf andere kulturelle Produkte Gebrauch macht. Das können beispielsweise Zitationen, Referenzen oder Anspielungen auf bestimmte Stile, ikonische Bilder oder andere Genrekonventionen sein. Insgesamt stehe die Intertextualität für eine „enlarged cultural self-consciousness about the history and functions of cultural products“.133 Postmoderne Kunstwerke wie etwa aus den Bereichen Architektur, Musik oder schließlich auch Film zeugen somit von einem erhöhten Selbst-Bewusstsein und einer Selbstreflexivität als kulturelles Produkt. Diese äußern sich üblicherweise auf einer Meta-Ebene, die eine zusätzliche

129 Thomas Lindenberger, Vergangenes Hören und Sehen. Zeitgeschichte und ihre Herausforderungen durch die audiovisuellen Medien, in: Zeithistorische Forschungen 1 (2004), S. 72–85, hier S. 85 130 Landwehr, Diskursanalyse, S. 51. 131 Chris Barker, Cultural Studies. Theory and Practice, London 20032, S. 208. 132 Ebd., S. 209. 133 Barker, Cultural, S. 209. 36

Dimension einer Darstellung eröffnet. Dadurch kann es gelingen, über die eigene künstlerische, textuelle Ebene hinauszuweisen und die „spezifische Medialität“134 zu thematisieren.

Eine solche künstlerische Maßnahme kann verschiedene Zwecke verfolgen. Zum Beispiel kann ein intertextueller Film durch seine mediale Selbstreflexivität die Zuschauer*innen daran erinnern, dass es sich dabei um einen Film handelt. In anderen Worten macht er seine eigene Konstruiertheit bewusst.135 Besonders prägnant formuliert dies Lindenberger: „Die Selbstbezüglichkeit audiovisueller Medien erinnert an deren Materialität; sie lenkt die Aufmerksamkeit der Rezipienten nicht nur auf die Botschaft, sondern auch auf die Beschaffenheit, Leistungsfähigkeit und Anwesenheit des Botschafters.“136 Auf der angesprochenen Meta-Ebene werden demnach abseits der Botschaft weitere Dimensionen sichtbar. Dem ist hinzuzufügen, dass die Selbstreflexivität nicht zuletzt auch auf die Anwesenheit der Zuseher*innen verweisen kann. Gerade bei Filmen über historische Sachverhalte sind diese postmodernen Charakteristika besonders unkonventionell, weil etwa historische Spielfilme grundsätzlich das Gegenteil verfolgen: Sie wollen ein Gefühl von Realismus und Authentizität herstellen, um eine Illusion zu wahren und ein „echtes“ Bild der Vergangenheit zu zeichnen. Es geht somit darum, mit den formalen Mitteln des konventionellen filmischen Erzählens den Eindruck zu erwecken, es handle sich wie bei einem Blick durch ein „Fenster“137 um eine neutrale Sicht auf die Vergangenheit. Zur Herstellung dieses Eindrucks greifen Geschichtsfilme deshalb auf diverse Authentifizierungsstrategien zurück.138 Mit einer erhöhten Selbstreflexivität kann es Filmen gelingen, die Konventionen des filmischen Erzählens über Geschichte zu durchbrechen. Damit können sie eine noch stärkere Wirkung entfalten und zusätzliche Ebenen inner- und außerhalb des Mediums thematisieren.

Zu einem noch besseren Verständnis des Zusammenhangs von Geschichte und Medien trägt eine Auseinandersetzung mit Jean Baudrillard bei. Der französische Soziologe und Medientheoretiker prägte Begriffe wie „Simulation“ oder „Hyperrealität“. So sei eine postmoderne Kultur von einem „all-encompassing flow of fascinating simulations and images“ gekennzeichnet, was die Hyperrealität als Überladung von Bildern und Informationen

134 Hoffmann, Geschichte, S. 139. 135 Lindenberger, Vergangenes, S. 81. 136 Ebd., S. 84. 137 Hoffmann, Geschichte, S. 138. 138 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 90; Eva Ulrike Pirker/Mark Rüdiger, Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen. Annäherungen, in: Eva Ulrike Pirker u.a. (Hrsg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld 2010, S. 11-30, hier S. 20. 37 ausmache.139 Durch die mediale Überlagerung der Realität könne es zu einer Implosion kommen, sodass die Unterschiede zwischen realen und simulierten Verhältnissen nicht mehr erkennbar seien.140 Die Darstellung von Vergangenheit im historischen Spielfilm ist somit beispielsweise eine Konstruktion von Wirklichkeit und deshalb als Simulation und Reproduktion einer Realität zu verstehen. Die Hyperrealität ist dann gegeben, wenn die Unterschiede und Grenzen nicht mehr zu identifizieren sind. In Bezug auf die Konstruktion des Gedächtnisses lässt sich dies mit der kulturellen Erinnerung verknüpfen. So werfen die Fragen über Erinnerungskultur vor einem postmodernen Hintergrund auch Fragen über Authentizität und das Verhältnis von Echtheit und Simulation, von Original und Kopie auf. Selbstverständlich sind die Begriffe „Original“ und „Kopie“ schwer zu fassen und problematisch. Ohne sich jedoch in phänomenologische Reflexionen vertiefen zu müssen, können die Gegebenheiten der Vergangenheit nach Astrid Erll wohl „vorsichtig ‚das Original‘ oder ‚die eigentlichen Ereignisse‘“ darstellen.141 In der kulturellen Erinnerung geht es folglich meist weniger um ein solches Original, sondern verstärkt um die Herstellung neuer Bilder und medialer Repräsentationen. Sofern diese Simulationen besonders gedächtnisproduktiv wirken, können sie im Sinne der Hyperrealität das Original überlagern. Insofern spielen mediale Darstellungen der Vergangenheit eine so bedeutsame Rolle, als sie die Erinnerung besonders stark beeinflussen und das Verständnis von historischen Gegebenheiten oder Persönlichkeiten grundlegend verändern können.

Für diese Prozesse der kulturellen Erinnerung und für die Intertextualität in medialen Repräsentationen ist des Weiteren der Begriff der Remediation heranzuziehen. Dieses Konzept besagt, dass sich mediale Repräsentationen immer auch auf vorangegangene Darstellungen beziehen, ja gar nicht ohne diese bestehen können.142 Bolter und Grusin entwickelten das Konzept als grundlegendem Akt sämtlicher medialer Abläufe. Laut ihnen sei es das Ziel von Remediationen, durch ihre Intertextualität andere Medien umzugestalten und neu zu formen. Speziell bei der gegenwärtigen Unterhaltungsindustrie handle es sich um ein „‚repurposing‘: to take a ‚property‘ from one medium and reuse it in another“. Damit finde zwangsläufig auch eine Neudefinierung der Bedeutung der ursprünglichen Darstellung statt.143 Ein weiterer Begriff, der das Konzept der Remediation veranschaulicht, ist jener des „Mashups“. Dieser sei

139 Barker, Cultural, S. 212. 140 Ebd. 141 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 161. 142 Astrid Erll/Ann Rigney, Introduction. Cultural Memory and its Dynamics, in: Dslb. (Hrsg.), Mediation, Remediation, and the Dynamics of Cultural Memory, Berlin–New York 2009, S. 1–11, hier S. 4. 143 Jay David Bolter/Richard Grusin, Remediation. Understanding New Media, Cambridge 2000, S. 45. 38 vor allem in Bereichen von Onlinevideo präsent. Die Erstellung von Mashups funktioniere nach der Medienwissenschaftlerin Petra Missomelius durch eine Auswahl und Neuordnung von Videomaterial, weshalb es unter anderem auch als „remix“ oder „sampling“ bekannt sei.144 Damit sei auch ein „Erodieren von Begriffen wie ‚Original‘ und ‚Kopie‘“ verbunden,145 womit sich der Konnex zu Baudrillard und der Simulation und Hyperrealität ergibt. Um nicht den Eindruck eines kompletten Abschweifens von Themen der Zeitgeschichte und Public History zu erwecken, ist darauf hinzuweisen, dass die Strategien der Remediation und damit auch die Bedeutung des Mashups wesentliche Vorgänge der kulturellen Erinnerung bilden. So ordnen sich diese als Kommunikationsformen und als wesentliche, ikonische und oft wiederverwendete Elemente in das kulturelle Gedächtnis ein. Sebastian Schönemann illustriert die Prozesse der Remediation am Beispiel des medialen Umgangs mit dem „Foto des Jungen aus dem Warschauer Ghetto“. Anhand dessen bezeichnet er die Remediation sogar als „ein Schlüsselmoment, ein modus operandi kultureller Erinnerungspraxis“. Schließlich könnten sich wiederholte Re-Präsentationen auch zu einem Gemeinplatz der Erinnerungskultur und damit zu einem Erinnerungsort entwickeln: „Je häufiger ein Ereignis remediatisiert wird, desto wirkmächtiger wird es als Erinnerungsort.“146 So können speziell die von Medien durchdrungenen geschichts- und erinnerungskulturellen Produkte des 21. Jahrhundert unter den Vorzeichen postmoderner Charakteristika untersucht werden. Mit der Verwendung medienwissenschaftlicher Theorien lassen sich die komplexen medialen Interdependenzen leichter erfassen. Damit wurde ersichtlich, dass mediale Repräsentationen durch die Wiederholung von Bildern und bestimmten Darstellungen einen zentralen Platz in der Erinnerungskultur einnehmen und selbst zu einem Erinnerungsort werden können.

2.6 Digitalisierung Zum Abschluss dieser theoretischen Einführungen, die die Grundlagen bilden und gleichermaßen die Untersuchung innerhalb der Diskussionen über den aktuellen medialen Wandel verorten, richtet sich der Fokus auf den Aspekt der Digitalisierung. Da sich das Forschungsinteresse um die Frage der Darstellung im Rahmen des Medienwandels dreht, kann

144 Petra Missomelius, Mediale Selbstthematisierungspraktiken. Das Online-Video und die Form des Mashup, in: Ute Holfelder/Klaus Schönberger (Hrsg.), Bewegtbilder und Alltagskultur(en), Köln 2017, S. 147–157, hier S. 150. 145 Ebd. 146 Sebastian Schönemann, Kulturelles Bildgedächtnis und kollektive Bilderfahrung. Die visuelle Semantik der Erinnerung am Beispiel des Fotos des Jungen aus dem Warschauer Ghetto, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, 12 (2013), S. 46–60, hier S. 50. 39 die Digitalisierung als zentrales Konzept nicht fehlen. Diese scheint in den letzten Jahren zu einem bestimmenden und nicht mehr wegzudenkenden Teil des Diskurses über Gesellschaft, Medien, Kultur und Geschichte im Allgemeinen sowie über Wissenschaft, Forschung und Didaktik im Speziellen geworden zu sein.

Der Begriff der Digitalisierung bezeichnet einen tiefgreifenden Wandel sämtlicher Lebensbereiche in der Gesellschaft. Guido Koller gibt mit seiner Publikation „Geschichte digital“ einen hilfreichen Überblick über die in Anlehnung an den Untertitel stattfindende „Neuvermessung historischer Welten“. So handle es sich bei der Digitalisierung um „eine wachsende gesellschaftliche, das heißt technische, wirtschaftliche und kulturelle Veränderung seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“.147 Diese habe die Herausbildung eines Informationszeitalters beschleunigt und gerade mit dem Internet einen schnellen Wandel der Informations- und Kommunikationsnetze mit einem rasanten Wachstum neuer Formen verursacht.148 Felix Stalder spricht von einer „Vervielfältigung der kulturellen Möglichkeiten“ als Ausdruck einer „Kultur der Digitalität“.149 Diese dynamische Entwicklung betrifft somit auch die Beschäftigung mit Geschichte in all ihren unterschiedlichen Formen, sei es in wissenschaftlicher, öffentlicher, privater, populärkultureller oder didaktischer Hinsicht. Edgar Wolfrum merkte bereits im Jahr 2003 an, dass das Internet den Umgang mit der Vergangenheit revolutioniere.150 Mit dem World Wide Web hätte sich eine Vielzahl neuer Formen des Diskurses über Geschichte auch außerhalb formeller, klassischer Institutionen herausgebildet.151 Dies zeige sich beispielsweise in neuen Geschichtsangeboten: Zeitleisten und Zeitlinien, interaktive Karten und andere virtuelle Orte, die Geschichtswissen dokumentieren und verbreiten.152 Im Prinzip hänge dies vor allem mit den Aspekten der Interaktivität und der Hypertextualität zusammen, welche das Internet in sich vereine.153

Die Berücksichtigung digitaler Medien im Kontext der Public History bzw. einer Public Digital History ermöglicht es, die Parameter von Hypertextualität und Interaktivität zu erfassen und deren Auswirkungen auf die Auseinandersetzung mit Geschichte kritisch zu reflektieren. Wie Lücke und Zündorf über das „relativ neue Feld“154 der digitalen Medien ausführen, erschaffe

147 Guido Koller, Geschichte digital. Historische Welten neu vermessen, Stuttgart 2016, S. 8. 148 Ebd., S. 9. 149 Felix Stalder, Kultur der Digitalität, Berlin 2016, S. 10. 150 Edgar Wolfrum, Neue Erinnerungskultur? Die Massenmedialisierung des 17. Juni 1953, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B40/41 (2003), S. 33–39, hier S. 38. 151 Baer, Consuming, S. 491f. 152 Koller, Geschichte, S. 11. 153 Wolfrum, Erinnerungskultur, S. 38. 154 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 107. 40 die Hypertextualität des Internets ein komplexes Netzwerk von Verbindungen, Verknüpfungen und Verlinkungen, die in analogen Medien nicht möglich wären.155 Damit lösten sich lineare Strukturen auf, weshalb es im Internet weder Zentrum noch Peripherie, sondern nur „the point of departure of the user“ gebe.156 Gleichzeitig sorge die Interaktivität dafür, dass der bisherige strikte Gegensatz zwischen Produzent*innen auf der einen Seite und Rezipient*innen auf der anderen sich weitgehend aufgelöst habe. So sei es für Nutzer*innen möglich, auf vielfältige Weise mit den digitalen Medien zu interagieren, in den Dialog zu treten und sich selbst an der Produktion von Wissen zu beteiligen.157 Koller beschreibt diese Entwicklung als „Pro- Amateur-Revolution“.158 Durch den Zuwachs in der Interaktivität treten Nutzer*innen nicht nur vermehrt in einen Dialog mit den ursprünglich linearen, hierarchischen und eindimensionalen Medien der Massenkommunikation. Sie werden in der Pro-Amateur-Revolution nun selbst zu Produzent*innen von Inhalten. Für diese neue Rolle von Nutzer*innen und deren Produktionen hat sich der Begriff der nutzergenerierten Inhalte (user-generated content) durchgesetzt.159

Im Zuge dieser Entwicklungen wird der digitalen Kultur immer wieder eine Erhöhung der Partizipationsmöglichkeiten sowie eine Demokratisierung zugeschrieben. Zum Beispiel spricht Henry Jenkins von einer „participatory culture“, in der Fans und Konsument*innen eingeladen seien, aktiv an der Erstellung und Verbreitung von neuen Inhalten zu partizipieren.160 Aus der Perspektive der Kritischen Theorie widerspricht Christian Fuchs der Auffassung Jenkins‘ von einer Kultur der Partizipation. Fuchs zufolge könne das in den Händen von datenkapitalistischen Konzernen liegende Internet keineswegs als partizipativ betrachtet werden.161 Für Toni Weller habe die Beschäftigung mit Geschichte im digitalen Zeitalter einerseits eine ungeheuer große demokratisierende Wirkung, andererseits müsse diese auch mit Vorsicht und stets in einer kritischen Reflexion behandelt werden.162 Ungeachtet dieser kritischen Einschätzung ist Nutzer*innen jedenfalls ein stark erhöhtes Maß an agency, das heißt an Handlungsfähigkeit, in den vorgegebenen gesellschaftlichen und medialen Strukturen des Digitalen zuzuschreiben.163 Diese verstärkte Partizipation – gleichgültig ob nun tatsächlich

155 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 108. 156 Fien Danniau, Public History in a Digital Context, in: BMGN – Low Countries Historical Review, 128 (2013), Nr. 4, S. 118–144, hier S. 126. 157 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 108. 158 Koller, Geschichte, S. 13. 159 José van Dijck, The Culture of Connectivity. A Critical History of Social Media, Oxford 2013, S. 8. 160 Henry Jenkins, Convergence Culture. Where Old and New Media Collide, New York 2006, S. 290. 161 Christian Fuchs, Soziale Medien und Kritische Theorie. Eine Einführung, München 2019, S. 113. 162 Toni Weller, Introduction. History in the Digital Age, in: Dslb. (Hrsg.), History in the Digital Age, London– New York 2013, S. 1–19, hier S. 12. 163 Vgl. zu dieser Debatte auch Felix Stalders Bezeichnung als “postdemokratisch”, Stalder, Kultur, S. 209. 41 davon gesprochen werden kann oder nicht – hat mit der Interaktivität zu einer grundlegenden Veränderung der Rollen geführt.

Diese Entwicklung hängt sehr stark mit sozialen Medien bzw. sozialen Netzwerken als Orte der gesellschaftlichen Kommunikation zusammen. Es besteht kein Zweifel, dass diese die öffentliche und private Kommunikation von Grund auf verändert haben.164 Folglich änderte sich auch der Diskurs über Geschichte und die Gestaltung der Erinnerung. Die Zeithistorikerin Eva Pfanzelter macht dies am Beispiel der Erinnerung an den Holocaust deutlich. So spricht sie davon, dass soziale Netzwerke im Wandel von „passive consumers to active producers of information“ sogenannte „prosumers“ herausbrachten. Diese vormals passiven Konsument*innen hätten nun nicht nur die Möglichkeit, als aktive Produzent*innen Inhalte zu gestalten, zu verändern und zu verbreiten, sondern auch die Macht, ihre Meinungen auszudrücken und diese mit „‚likes‘, shares, emoticons, deletes, tweets“ etc. sichtbar zu machen. So seien „memes“ als Ausdruck für virale Internetphänomene, das heißt sich rasant verbreitende Inhalte, das Schlagwort für die Online-Kommunikation schlechthin. Mit dieser Entwicklung gehe schließlich auch ein Verlust der Macht und der Deutungshoheit klassischer Medien und Institutionen einher.165 Deshalb müssen sich die Geschichtswissenschaften auch mit neu aufkommenden Praktiken der Vermittlung von und des Diskurses über Geschichte beschäftigen. Dieses Vorhaben läuft mittlerweile unter dem Begriff einer „Erinnerungskultur 2.0“166 ab. Eine solche Erinnerungskultur 2.0 nimmt die unterschiedlichen Plattformen und sozialen Netzwerke wie etwa Facebook, Twitter, Wikipedia oder YouTube usw. in den Blick und versucht, die neuen Erscheinungs- und Diskursformen des Gedächtnisses kritisch zu reflektieren. Diese unterscheiden sich signifikant von den traditionellen Kommunikationsformen und Institutionen der kollektiven Erinnerung, wie etwa physischen Archiven oder Museen. Durch ihre Hypertextualität sind das Internet und soziale Medien besonders komplexe und dynamische Netzwerke innerhalb einer „convergence culture“: Sie zeichnen sich durch eine Transmedialität und Hybridität, eine ständige Veränderbarkeit und daher eine hohe Flexibilität und Instabilität sowie eine Vermischung von Privatheit und

164 Dijck, Culture, S. 7. 165 Eva Pfanzelter, Performing the Holocaust on Social Networks. Digitality, Transcultural Memory and New Forms of Narrating, in: Kultura Popularna 50 (2017), Nr. 1, S. 136–151, hier S. 139. 166 Erik Meyer, Vorwort, in: Dslb. (Hrsg.), Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Frankfurt a.M.–New York 2009, S. 7. 42

Öffentlichkeit aus und sind nicht an Zeit und Raum gebunden.167 Diese Vervielfältigung der Geschichts- und Erinnerungskultur stellt die wissenschaftlichen Disziplinen der Public History sowie der Zeitgeschichte vor besondere Herausforderungen. Gerade weil sich die neuen digitalen Technologien und Netzwerke wie Instagram oder YouTube – wie Astrid Erll erläutert – zu Beginn des neuen Jahrtausends zu „Kernelementen individueller und kollektiver Gedächtnisse“ entwickelten,168 braucht es dafür auch erhöhte Aufmerksamkeit. Die Analyse des Filmes Er ist wieder da soll aufzeigen, welche neuen Formen einen erheblichen und nicht zu vernachlässigenden Teil dieser Erinnerungskultur 2.0 ausmachen.

Die skizzenhafte Diskussion dieser theoretischen Grundlagen war erforderlich, um mit der Arbeit an aktuelle Debatten sowie wesentliche Konzepte anzuknüpfen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es sich bei den verschiedenen Disziplinen und Kategorien um ein besonders komplexes und vielfältiges Feld der Auseinandersetzung mit Geschichte handelt. Speziell die Digitalisierung bedeutet Herausforderung und Chance zugleich, die es erfordert, kritische Fragen zu stellen und ein verstärktes Bewusstsein für den medialen Wandel zu fördern. Es wäre jedoch ein falscher Zugang, in eine kulturpessimistisch geprägte kategorische Ablehnung neuer Technologien und Praktiken zu verfallen und dadurch sämtliche Entwicklungen bei der Auseinandersetzung mit Geschichte zu ignorieren. Ein solcher Zugang erfordert ein erhöhtes Maß an kritischer Reflexion bei gleichzeitiger Offenheit und muss von den unterschiedlichsten Akteur*innen als Lernprozess erkannt und angenommen werden.

167 Jenkins, Convergence, S. 282; Andrew Hoskins, Digital Network Memory, in: Astrid Erll/Ann Rigney (Hrsg.), Mediation, Remediation, and the Dynamics of Cultural Memory, Berlin–New York 2009, S. 91–106, hier S. 92– 94; Pfanzelter, Performing, S. 140–142. 168 Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 152. 43

3. Spannungsfelder der Darstellung der NS-Vergangenheit 3.1 Banalisierung/Normalisierung – Dämonisierung/Moralisierung Die Frage der Darstellung Adolf Hitlers in Kunst und Kultur gestaltete sich bisher im Wesentlichen entlang dem Spannungsverhältnis zwischen einer Banalisierung oder einer Normalisierung auf der einen Seite und einer Dämonisierung bzw. Moralisierung auf der anderen. Grundsätzlich gibt es diverse Begrifflichkeiten, die sich in ihrer Bedeutung mehr der einen oder anderen Seite zuordnen lassen. Es scheint heute fast so, als käme keine Diskussion geschichtskultureller Produkte, die den Nationalsozialismus oder den Holocaust behandelt, ohne den Diskurs über eine Positionierung in den jeweiligen Polen aus. Ausgangspunkt dafür sind stets die Fragen über die Wirkung der kulturell erzeugten Bilder, seien es audiovisuelle oder literarische Produkte, und den Einfluss, den sie auf eine Gesellschaft haben. Es geht dabei grundlegend um den Umgang mit den dargestellten Subjekten und Themen und die Auswirkungen, die eine bestimmte künstlerische Inszenierung auf ein Publikum, eine Gesellschaft und das ihr innewohnende Geschichtsbewusstsein haben. Da es sich bei Adolf Hitler und der NS-Führungsriege, der Täterschaft, dem Nationalsozialismus, dem Holocaust sowie den verschiedenen Opfergruppen um besonders problematische, tragische und schwierige Themen handelt, gestaltet sich der kulturell-künstlerische Zugang dazu sehr kontrovers. Durch das vielzitierte „spezifische Betroffensein“ und die Konzeption der Zeitgeschichte als „Epoche der Mitlebenden“169 erweisen sich die Frage der Darstellbarkeit und die Kontroversität der Debatten darum als eminent zeithistorische Diskurse. So schwierig es zwar ist, allgemein gültige Urteile über ein „richtig“ oder „falsch“ in der Darstellung zu treffen, so gilt es sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, diese Debatten überhaupt zu führen. Letztlich gewährleisten nämlich genau diese Diskussionen eine Multiperspektivität und einen demokratischen Austausch über die Rolle und die Bewertung von verschiedenen Produkten einer Geschichtskultur sowie schließlich über den Umgang mit Geschichte selbst.

Vorab ist anzumerken, dass es zu den unterschiedlichsten Zeiten sehr stark divergierende Zugänge zur Frage der Darstellung und Darstellbarkeit sowie ihrer Wirkungen gab. Die Entwicklung dieser Zugänge verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung des Wandels von Diskursen sowie des Diskursbegriffes als Analyseinstrument. So mache dieser darauf aufmerksam, „dass es zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Gesellschaften recht klar abgegrenzte Bereiche des Machbaren, Denkbaren und Sagbaren gibt“.170 Mit dem Anstieg

169 Rothfels, Zeitgeschichte, S. 2. 170 Landwehr, Diskursanalyse, S. 20f. 44 unterschiedlicher Darstellungen verfestigten sich diese Grenzen immer mehr und entwickelten sich weiter, sodass es schließlich zu einer mehr oder weniger eindeutigen Schemabildung der genannten Dichotomien kam. Als wesentliche und diskursbestimmende Begleiterscheinungen diskutiert dieses Kapitel diese Spannungsfelder der Darstellungen im Umgang mit der NS- Vergangenheit. Im darauffolgenden geht es um praktische Beispiele und die Entwicklung der medialen Repräsentationen in der Geschichtskultur. Um Aussagen über die Art der Darstellung sowie die Veränderung dieser am Beispiel des Filmes Er ist wieder da treffen zu können, ist es erforderlich, in dieses grundlegende Spannungsfeld einzuführen.

Die Debatten über den kulturell-künstlerischen Umgang mit den Erfahrungen des Nationalsozialismus und Holocaust und sämtlichen dazugehörigen Facetten wurden nach 1945 immer wieder sehr ausführlich geführt. Meist geht es dabei um das schwierige Verhältnis zwischen medialen, bildlichen Repräsentationen und der Frage von Moral,171 damit auch um die besonders umstrittene Beziehung zwischen „Gut“ und „Böse“ sowie um die Frage der Schuld und Verantwortung. Ebenso dominant ist der Bezug zur Gestaltung der kollektiven Erinnerung als gesellschaftlich-politischer Prozess einer „Vergangenheitsbewältigung“. In diesem Zusammenhang wurde wohl kaum ein Ausspruch so viel rezipiert und diskutiert wie Theodor W. Adornos Aussage, dass es barbarisch sei, „nach Auschwitz“ ein Gedicht zu schreiben.172 In ihrer Verkürzung wurde die Phrase von ihrem Kontext herausgelöst und in ihrer Essenz mit einem „Bilderverbot“ verbunden.173 Aus heutiger Perspektive stehe sie laut Sonja Schultz am Beginn des Diskurses über die Darstellbarkeit der Geschichte.174

Für die Bewertung konkreter Sachverhalte, Personen oder Personengruppen und deren Rolle zwischen Täter- und Opferschaft kristallisierte sich bald der Begriff des „Dämons“ als Verkörperung des ultimativen Bösen heraus. Die Dämonisierung bezeichnet die Charakterisierung einer Persönlichkeit als Beispiel für einen solchen Dämon. In der unmittelbaren Nachkriegszeit entwickelte sich die Dämonisierung in Deutschland als eine Tendenz der „Vergangenheitsbewältigung“. Konkret äußerte sie sich beispielsweise in der Dämonisierung Adolf Hitlers als dem ultimativ bösen Verführer des Volkes, der allein die Verantwortung und Schuld an Völkermord, Terror, Verfolgung und Weltkrieg trage. Wie der Künstler Rudolf Herz ausdrückte, war damit „eine große Lebenslüge“ verbunden: So konnte

171 Erll/Wodianka, Einleitung, S. 9. 172 Theodor W. Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, in: Rolf Tiedemann (Hrsg.), Theodor W. Adorno. Gesammelte Schriften. Kulturkritik und Gesellschaft I, Bd. 10.1, Frankfurt a.M. 1977, S. 11–30, hier S. 30. 173 Maren Röger, Adorno-Diktum, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 41–42, hier S. 42. 174 Schultz, Nationalsozialismus, S. 493. 45 die Bevölkerung jegliche Schuld von sich weisen, sich nur als Opfer inszenieren und die eigene Rolle in der Zeit des Dritten Reichs vernachlässigen.175 Es muss an dieser Stelle vorweggenommen werden, dass eine Dämonisierung jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Moralisierung ist, auch wenn der Titel dieses Kapitels eine Überschneidung andeutet. So geht eine Moralisierung auch mit einer sehr starken Verurteilung der Akteur*innen, aber nicht mit einer übermäßigen Verteufelung im Sinne eines Dämons einher. Der Begriff des Dämons spricht dem jeweiligen Subjekt ausdrücklich die eigene Menschlichkeit ab. Dies erweckt den Eindruck, als handle es sich bei der Persönlichkeit nicht um einen Menschen, sondern um eine übermächtige, übernatürliche, gar monströse Erscheinung, was sich für sachliche Erklärungsversuche der historischen Geschehnisse nicht eignet.

Mit dem Gerichtsprozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem im Jahr 1961 und Hannah Arendts Bericht über die Banalität des Bösen kam mit dem titelgebenden Konzept von der Banalität bald ein Gegenentwurf zur Dämonisierung auf. Als prozessbeobachtende Journalistin schilderte die Philosophin Arendt, wie Eichmann Fremdbeschreibungen als „Unmensch“ abweisen wollte und sich sachlich auf seine Bereitschaft zum Gehorsam bezog: „Seine Schuld war sein Gehorsam, und Gehorsam werde doch als Tugend gepriesen.“176 Daraus leitete Arendt ihr Verständnis von der Banalität des Bösen ab. Sie sah darin genau das Gegenteil einer Dämonisierung im Sinne eines Monsters oder einer Beschreibung mit „unmenschlichen“ Merkmalen, die die Menschlichkeit absprachen: „Das beunruhigende an der Person Eichmanns war doch gerade, daß er war wie viele und daß diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind.“177 Darin lag für Arendt die Banalität des Bösen, nämlich in seiner Normalität anstelle einer außergewöhnlichen, außerordentlichen und teuflischen Erscheinung. Es sei Arendt keineswegs darum gegangen, die Taten selbst als banal zu beschreiben, sondern, wie Georg Mein es beschreibt, „dem Bösen als einer moralischen Kategorie jedwedes metaphysische Vokabular abzusprechen, das dem Grauen immer noch einen Sinn verleiht und dem Schmerz über das Geschehene eine Art Linderung bietet“.178 Das metaphysische Vokabular zur Beschreibung des „Bösen“, wie etwa die Begriffe des „Dämonen“, des „Teufels“ oder „Monsters“, würden diesem Grauen einen Sinn verleihen, pauschale und einfache Erklärungen ermöglichen und den Schmerz lindern.

175 Rudolf Herz, Kunst der Erinnerung, in: Volkhard Knigge/Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, S. 359–367, hier S. 360. 176 Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 19866, S. 294. 177 Ebd., S. 326. 178 Georg Mein, Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 136–139, hier S. 137. 46

Stattdessen sollte die Banalität das Mensch-Sein hervorheben und eine nüchternere, sachlichere Betrachtungsweise als Möglichkeit menschlichen Handelns betonen.

Für einen ähnlichen Zugang steht der Holocaust-Überlebende Primo Levi. Vor allem in seinem autobiographischen Werk Ist das ein Mensch? Erinnerungen an Auschwitz, im italienischen Original erstmals 1947 erschienen, pflegte er eine sehr sachliche Sprache.179 In einer anderen Publikation reflektierte er über Begrifflichkeiten wie „Folterknechte“ zur Beschreibung der SS und der Bewacher in den Konzentrationslagern. Dieser Begriff sei nach Levi jedoch ungeeignet, da er ein nicht sehr passendes Bild von „verkorkste[n] Typen mit Geburtsfehlern, Sadisten, solche[n], die ein angeborenes Laster haben“, erwecke. Stattdessen beschreibt er sie als „aus dem gleichen Stoff gemacht wie wir, mittelmäßige Menschen, mittelmäßig intelligent, mittelmäßig böse“. Von einigen Ausnahmen abgesehen habe es sich somit nicht um „Bestien“ gehandelt.180 Die Beschreibungen von Hannah Arendt und Primo Levi stehen deshalb für einen Gegenentwurf zum stark moralisierenden, ein Schwarz-Weiß-Bild von „Gut“ und „Böse“ zeichnenden und jegliche Menschlichkeit absprechenden Trend der „Dämonisierung“. Als pauschale Bezeichnung für die zweifellos unmenschlichen Taten von den jedoch nicht unmenschlichen Täterinnen und Tätern erwies sich dieser als weniger nützlich für die Suche nach Erklärungen von Nationalsozialismus und Genozid. Im Gegensatz dazu betont das von Hannah Arendt geprägte Konzept der Banalität des Bösen die menschliche Seite in der Erfassung von Personen. So bilden Banalität und Dämonisierung zwei grundlegend entgegengesetzte Seiten in der Beschreibung von Darstellungen bzw. in der Behandlung der historischen Ereignisse und Personen. In diese lassen sich nach wie vor unterschiedliche Repräsentationen einordnen, womit sie den erinnerungskulturellen und historiographischen Diskurs entscheidend mitprägen.181

Ein weiteres, äußerst dominantes Gegensatzpaar in der Bewertung geschichtskultureller Produkte ist die Dichotomie zwischen Normalisierung und Moralisierung. Die Normalisierung ist dabei mit dem Prozess einer Banalisierung in Verbindung zu bringen. In diesem Fall meint Banalisierung allerdings weniger ein Bemühen um die Deutung von Arendts „Banalität des Bösen“. Die Banalisierung versteht sich stattdessen als Kritik an einem zu banalisierten, soll heißen trivialisierten und normalisierten Bild, das um die Akteur*innen oder die Themen von

179 Primo Levi, Ist das ein Mensch? Erinnerungen an Auschwitz, Frankfurt a.M. 1979. 180 Primo Levi, Die Untergegangenen und die Geretteten, Wien 1990, S. 208. 181 Vgl. zu Dämonisierung beispielsweise Manuel Escher/Florian Niederndorfer, Wie Staaten ihre Dämonen begraben, in: Der Standard, 6.6.2019, S. 4. 47

Nationalsozialismus und Holocaust entsteht. Allen voran betrifft dies die Darstellung Adolf Hitlers. Eine umfangreiche Publikation dazu lieferte Daniel Erk im Jahr 2012 mit dem Buch So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist. Der Journalist Erk bereitet darin ein breites Spektrum an Repräsentationen Adolf Hitlers auf, welche er seit 2006 in seinem „Hitlerblog“ in der taz – die Tageszeitung fortlaufend sammelte und dokumentierte. Das Sachbuch ist eine kompakte Materialsammlung und gibt einen sehr umfassenden Einblick in die gegenwärtige inflationäre Verwendung Hitlers in der Politik, der Sprache, der Werbung, der Unterhaltungsindustrie, in der Musik, der Kunst und letztlich auch im Film. Seine zentrale Aussage ist die Einschätzung, dass Hitler heute einen noch nie so stark dagewesenen und omnipräsenten („So viel Hitler war selten“) Gegenstand bildet. Er habe jedoch nichts mehr mit der eigentlichen historischen Persönlichkeit zu tun und ließe sich als entleerte Figur für die verschiedensten unmoralischen, unvernünftigen und unreflektierten Zwecke missbrauchen. So beschreibt er Hitler heute als „ein Abziehbild und Schatten – ein Hitler-Gespenst“ sowie als „medialer Wiedergänger, dem jede Widersprüchlichkeit genommen wurde“.182 Er behandelt auch den immer wiederkehrenden Diskurs über die Vereinbarkeit von Komödie, Satire oder Parodie in Verbindung mit Hitler, dem Nationalsozialismus oder dem Holocaust.183 Erk beschreibt das „Lachen über und rund um Hitler“ als „Abwehrmaßnahme gegen von oben verordnete Betroffenheit und schale, leere Floskeln“ der Erinnerungskultur. Mit der Behandlung der Vielfalt der kulturellen Repräsentationen Hitlers in Medien wie etwa dem Film greift Erk auch das Spannungsfeld zwischen einer Dämonisierung und einer Vermenschlichung auf. Es eröffne sich damit ein „Spielraum zwischen Klischee und historischer Persönlichkeit, zwischen geschichtlicher Wahrheit und Unterhaltungsindustrie“, in welchem sich Raum für absurde Interpretationsmöglichkeiten ergebe.184 Dabei thematisiert Erk die Geschichts- und Erinnerungskultur sowie den medialen Wandel und das Sterben der Zeitzeugengeneration mitsamt der wachsenden „Gefahr, dass der geschichtliche Kern zunehmend ins Hintertreffen gerät“.185 Damit knüpft Erk auch an den Begriff der Historisierung an, welcher ebenfalls noch zu diskutieren ist. Insgesamt ist Erks Verständnis von einer Banalisierung einer kulturkritischen und kulturpessimistischen Position zuzuordnen, die die Absenz von moralischer Entrüstung und

182 Erk, Banalisierung, S. 9f. 183 Vgl. Margrit Frölich/Hanno Loewy/Heinz Steinert (Hrsg.), Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, Stuttgart 2003; Lena Knäpple/Matthias N. Lorenz, Holocaust als Filmkomödie, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 352–354. 184 Erk, Banalisierung, S. 20. 185 Ebd., S. 23. 48 das weitgehende Fehlen einer strikten und eindeutigen Ablehnung des „Bösen“ kritisiert. Als Dokumentation über die Vielzahl an Repräsentationen und Erscheinungsformen Hitlers in Gesellschaft, Sprache, Politik und Kultur bildet das Werk auf einer eher populärwissenschaftlichen Ebene jedoch eine nützliche Ressource.

In Ansätzen greift Erk mit seiner Publikation wesentliche Spannungsfelder des Umgangs mit der NS-Vergangenheit auf. In einer Rezension des Buches aus dem Jahr 2013 machte der Historiker Gavriel Rosenfeld auf die im Gegensatz zur analytischen Tiefe dominantere empirische Breite des Werkes aufmerksam.186 Zusätzlich wies er auf die Möglichkeit hin, Erks Ausführungen noch systematischer in einem größeren theoretischen Rahmen in den Blick zu nehmen und unter dem Begriff der Normalisierung vertiefender zu diskutieren.187 Interessanterweise war es Gavriel Rosenfeld selbst, der mit dem Werk Hi Hitler! How the Nazi Past is Being Normalized in Contemporary Culture im Jahr 2015 diese Vertiefung lieferte. Anhand unterschiedlicher Beispiele behandelt er ebenfalls das breite Spektrum und die große Vielfalt an Darstellungen Hitlers in der zeitgenössischen Kultur. Neben der Populärkultur in Internet und Film und den damit verbundenen Tendenzen der Humanisierung, das heißt der Vermenschlichung Hitlers, geht Rosenfeld auch auf literarische Produkte aus dem Genre der Alternativgeschichte oder auf geschichtswissenschaftliche Werke ein. In der Einführung entwirft er das theoretische Grundgerüst, das Erk vermissen ließ, und konstruiert den fundamentalen Gegensatz zwischen der Normalisierung und der Moralisierung. Die Normalisierung dient als Sammelbegriff für unterschiedliche Tendenzen der Banalisierung, Trivialisierung, Humanisierung sowie weiterer Aspekte. Dabei geht es ihm um die Frage der Bewertung der NS-Zeit in Bezug auf ihre Singularität oder Besonderheit. Das einzige Ziel der „normalizing wave“ sei es, der NS-Zeit ihre spezifische Singularität und „exceptionality“ abzusprechen.188 Allgemein formuliert bedeute dies eine Schaffung von Ähnlichkeit bei eigentlicher Differenz. In Bezug auf die Gestaltung von Geschichte und Erinnerung stelle die Normalisierung einen Prozess dar, bei dem ein bestimmtes historisches Ereignis oder Vermächtnis – er bezeichnet es als „historical legacy“ – nicht mehr in seiner Singularität betrachtet werde, sondern wie jedes andere.189 Dieses historische Vermächtnis oder Erbe und dessen Einstufung als „einzigartig“ oder „exzeptionell“ hänge grundsätzlich von der

186 Gavriel D. Rosenfeld, Rezension zu: Daniel Erk, So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist, München 2012, in: Central European History 46 (2013), Nr. 2, S. 462–464, hier S. 463. 187 Ebd., S. 464. 188 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 7. 189 Ebd., S. 7. 49 moralistischen Aura ab, die es umgibt. Diese mache schließlich auch den Gegensatz zu einer Auffassung als „normal“ oder normalisiert aus, da hier die moralische Komponente noch vorhanden sei.190 In dieser Definition etabliert Rosenfeld den für ihn fundamentalen und unvereinbaren Gegensatz zwischen „normality“ auf der einen und „morality“ auf der anderen Seite. Diese Pole hätten stets den Umgang mit der NS-Zeit bestimmt, während vor allem nach 1945 die moralisierenden, in den letzten Jahren jedoch die normalisierenden Tendenzen vorherrschten.191

Rosenfeld differenziert den Begriff der Normalisierung weiter aus und zeigt verschiedene Formen auf. Erstens sei die „organic normalization“ mit der Vergänglichkeit von Zeit, dem Sterben älterer und dem Aufkommen neuer Generationen ein natürlicher und wohl nicht vermeidbarer Prozess des Abstandnehmens. Im Zuge dessen gebe es durch die fehlende persönliche Betroffenheit auch eine verringerte Moralität.192 Damit lässt sich grundsätzlich an die bereits skizzierte Herausforderung der Zeitgeschichte im Rückgang der spezifischen Betroffenheit anknüpfen. Zweitens stellen die Aspekte der Relativierung, der Universalisierung oder der Ästhetisierung weitere zentrale Strategien der Normalisierung dar, die zur Verringerung der Singularität beitragen würden. Die Relativierung betreffe in erster Linie die Herstellung von Vergleichen oder Analogien mit vermeintlich ähnlichen Sachverhalten, um die historische Bedeutung und Moralität zu reduzieren – oft ausgeübt in der politischen Rhetorik zwischen rechts und links mit je spezifischen Absichten. Die Universalisierung verfolge hingegen keine Reduktion der Bedeutung, sondern eine Ausweitung ihrer Relevanz.193 Als konkretes Beispiel dafür kann nochmals auf die von Harvey und Hürter identifizierte Herausforderung der zukünftigen zeithistorischen Forschung über Hitler verwiesen werden. Ihre Einschätzung, Hitler solle nicht mehr als rein deutsches oder europäisches Phänomen, sondern im breiteren Kontext globaler Entwicklungen untersucht werden,194 bildet eine Universalisierung, wie sie Rosenfeld im Sinne der Normalisierung beschreibt: Unterstützer*innen der Universalisierung würden sie benutzen, um die Aura der Singularität der Vergangenheit aufzulösen, indem sie größere analytische und politische Absichten verfolgten.195 Insofern trifft die Universalisierung zwar zweifelsfrei auf Harveys und Hürters

190 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 9. 191 Vgl. dazu auch Cambridge University Press – Academic, An Interview with Gavriel D. Rosenfeld, YouTube, 25.2.2015, [https://www.youtube.com/watch?v=N6z0M_8VpuU], eingesehen 25.6.2019, 01:00–01:23. 192 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 10. 193 Ebd., S. 10f. 194 Harvey/Hürter, Introduction, S. 22. 195 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 11. 50

Einschätzung zu. Es sei jedoch dahingestellt, inwiefern solche historischen Forschungen tatsächlich beabsichtigen, die Bedeutung der NS-Vergangenheit zu minimieren und eine Normalisierung voranzutreiben. Darin zeigen sich schon die Problematik und die Schwäche der verallgemeinernden Schematisierung von Rosenfelds Unterscheidung zwischen Normalisierung und Moralisierung. Er räumt zwar ein, dass die Strategien der Relativierung und Universalisierung zwar legitim seien und historisches Verstehen erleichtern könnten, doch kritisiert er gleichzeitig die damit einhergehende Instrumentalisierung der Vergangenheit. Letztlich würden sie immer die moralistische Aura einer bestimmten Vergangenheit reduzieren und damit die Normalisierung fördern. Dasselbe gelte für die Strategie der Ästhetisierung. Sie bewirke eine oberflächliche Auseinandersetzung, überschatte ebenfalls die moralischen Dimensionen der Vergangenheit und rege erneut eine Normalisierung an.196

Insgesamt kann an Rosenfelds grundlegender Unterscheidung kritisiert werden, dass er keine Mittelwege kennt. Er bekräftigt zwar, dass es keine einfachen Antworten auf die Frage der filmischen Darstellung Hitlers und der NS-Vergangenheit gebe. Gleichzeitig gelingt es ihm nicht, diese Komplexität durch das Verlassen des Schwarz-Weiß-Schemas aufzugreifen und unterschiedliche Produkte als einzelne Fallbeispiele in ihrer Komplexität zu deuten. Bei ihm stehen sämtliche Darstellungen einer Dämonisierung und Moralisierung stets im Kontrast zu Normalisierung, Banalisierung und Humanisierung. Einerseits könnten diese das Verstehen fördern, andererseits würden sie aber eine Trivialisierung und eine Reduzierung der moralistischen Dimension bewirken.197 So versinnbildlicht Rosenfelds Publikation das Spannungsverhältnis im Diskurs um die Bewertung des kulturellen und gesellschaftlichen Umgangs mit der NS-Zeit. Trotz der weitgehend eindimensionalen Fokussierung auf die Pole zwischen Normalisierung und Moralisierung liefert seine Studie eine wichtige Darstellung der aktuellen Dynamiken und Entwicklungen in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem kulturellen Gedächtnis. Sie gibt mit den Strategien der Relativierung, der Universalisierung und der Ästhetisierung großen Aufschluss über die unterschiedlichen Gebrauchs- und Erscheinungsformen von Geschichte und bietet eine kritische Stimme zur Reflexion der aktuellen Geschichts- und Erinnerungskultur.

Eine nicht weniger kritische, im Gegenteil sogar noch deutlichere Position nimmt Gavriel Rosenfelds Vater, Alvin H. Rosenfeld ein. Der Professor für Jüdische Studien und Englisch an der Indiana University Bloomington setzte sich in seinen Werken ebenfalls mit der Geschichts-

196 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 11f. 197 Ebd., S. 290f. 51 und Erinnerungskultur und darin speziell mit dem Holocaust und der Darstellung Hitlers auseinander. In einer seiner jüngeren Publikationen – die englische Originalausgabe erschien 2011 – greift er ähnliche, später von Gavriel Rosenfeld in Hi Hitler! beschriebene Entwicklungen einer starken Banalisierung und Trivialisierung auf. Er geht jedoch einen Schritt weiter, indem er sehr mahnende Worte findet. Im starken Anstieg der normalisierenden Tendenzen identifiziert er nämlich die Gefahr eines „Ende des Holocaust“. Durch die Dominanz trivialisierender und banalisierender medialer Repräsentationen von NS-Terror, Ermordung und Vernichtung werde „einer von Katastrophen gekennzeichneten, durch und durch blutbefleckten historischen Periode ihre historische Last genommen“. Dadurch gehe ein für das Geschichtsbewusstsein essentielles „Gefühl für die Schmach verloren“. Durch die inflationäre kulturelle Repräsentation des Holocaust nehme das Leiden „normale“ Dimensionen an, womit es den außerordentlichen, singulären Charakter verliere und zu etwas Alltäglichem werde.198

Mit dem „Ende des Holocaust“ meint Alvin Rosenfeld ein einsetzendes Abstumpfen gegenüber den eigentlichen historischen Ereignissen und Dimensionen, „dass sie mit der Zeit weniger ungeheuerlich wirken und letztlich fast dem Vergessen anheimfallen“.199 In diesem Zitat sind zweierlei Aspekte besonders bemerkenswert. Erstens erweckt der Begriff „ungeheuerlich“ das Konzept des „Ungeheuers“ und knüpft damit an den Diskurs der Dämonisierung an. Rosenfeld beklagt den Rückgang in der Dämonisierung und deshalb auch den Verlust einer moralischen Autorität bzw. allgemein einer weniger vorhandenen Moralisierung. Zweitens ist es besonders beachtlich, dass Rosenfeld im „Ende des Holocaust“ den Prozess eines historischen Vergessens identifiziert. Diese Korrelation kultureller Darstellungen auf Prozesse des Erinnerns und Vergessens ist gerade für die vorliegende Arbeit essentiell, da es dabei um den Zusammenhang von Geschichts- und Erinnerungskultur geht. Alvin Rosenfeld reflektiert sehr allgemein über verschiedene Elemente der Public History. Er bezeichnet diese zwar nicht als solche, setzt sich aber mit der Frage auseinander, aus welchen Ressourcen die Menschen ihr Wissen über das Dritte Reich und die Verbrechen des Nationalsozialismus beziehen. Laut ihm seien es weniger die Historiker*innen, die die Wissensstände der Menschen prägen, sondern vielmehr Akteur*innen aus den Bereichen der Literatur, des Films oder des Fernsehens sowie Museen, populären Printmedien, dem Internet oder auch von Gedenkreden und –Ritualen. Kurzum: Das

198 Alvin H. Rosenfeld, Das Ende des Holocaust, Göttingen 2015, S. 19. 199 Ebd., S. 20. 52

Wissen um den Holocaust gestalte sich weitgehend als „ein Produkt der gängigen Kultur“.200 Damit lassen sich zweifelsfrei die Konzepte der Geschichts- und Erinnerungskultur als Teil der Public History verbinden. Das Entscheidende ist für Alvin Rosenfeld der Eindruck, dass mit der regelrechten Flut an geschichts- und erinnerungskulturellen Darstellungen über den Holocaust derselbe fortlaufend umgestaltet und umgedeutet werde. Dies trage dazu bei, „statt einer Festigung genauen und nachprüfbaren Wissens eine fiktionale Unterwanderung der historischen Wahrnehmung“ hervorzurufen. Das Resultat dieser „fiktionalen Unterwanderung“ könne sein, dass der Holocaust nicht mehr als wirklich geschehen anerkannt werde und „das Geschehen keinen Eingang mehr in die historische Erinnerung erfährt und somit in ihr keinen festen Platz erhält“.201 Die weitreichenden Dimensionen der nach Rosenfeld überwiegend normalisierenden kulturellen Darstellungen produzierten demnach ein Gedächtnis, das der Tragweite der eigentlichen Ereignisse von Vernichtung und Genozid keinen Platz mehr einräume. Die Ablehnung der Shoah als wirklich geschehenes Ereignis und ihre Verdrängung aus der Erinnerung unter dem Eindruck massenhafter, inflationärer kultureller und medialer Repräsentationen lässt sich folglich mit Jean Baudrillards postmodernen Überlegungen verknüpfen. Wie bereits ausgeführt, beschrieb dieser mit den Begriffen der Simulation und der Hyperrealität einen Zustand, in dem die Unterschiede zur Wirklichkeit, zur Realität nicht mehr erkennbar seien. Die Simulationen, das heißt die kulturellen Darstellungen, würden die Realität medial überlagern und zur Hyperrealität führen, in der sich die Grenzen zwischen „Original“ und „Kopie“ auflösen.202 Insofern warnt Alvin Rosenfeld mit dem „Ende des Holocaust“ ebenfalls vor solchen Zuständen und Entwicklungen. Aus diesem Grund kann festgehalten werden, dass der Diskurs über das Spannungsverhältnis zwischen Normalisierung und Moralisierung auch aufs Engste mit Prozessen des Erinnerns und des Vergessens verbunden ist. Vor allem der seit Beginn des 21. Jahrhunderts stärker vorherrschenden und sich intensivierenden Tendenz der Normalisierung sei eher der Prozess des Vergessens zuzuschreiben.

Des Weiteren entwickelt Alvin Rosenfeld seine Überlegungen eines möglichen „Endes des Holocaust“ anhand konkreter Beispiele aus der Public History. Dazu zählt etwa im Bereich der offiziellen, politischen, staatlich-repräsentativen Erinnerungskultur der Besuch des US- Präsidenten Ronald Reagans in Deutschland im Frühjahr 1985, was zur sogenannten „Bitburg-

200 Rosenfeld, Ende des Holocaust, S. 23. 201 Ebd., S. 24. 202 Barker, Cultural, S. 212. 53

Affäre“ führte.203 Zusätzlich nennt er konkret die Repräsentation Adolf Hitlers im Rahmen der Normalisierung und die Vielzahl an populärkulturellen Darstellungen, die einem moralistisch geprägten Zugang entgegenwirkten. Darüber hinaus behandelt er unterschiedliche Zugänge zu Elementen und Entwicklungen im Umgang mit dem Holocaust, wie beispielsweise in Bezug auf Anne Frank oder „Überlebende“ wie Jean Améry oder Primo Levi. Insgesamt kann Alvin Rosenfelds Buch als Mittel gegen die Entwicklung der Normalisierung angesehen werden. Als Teil einer älteren Generation steht er selbst für eine kulturpessimistische und kritische Position und sieht sich als Einspruchsinstanz dieser Generation. So formuliert er das zentrale Anliegen seines Buches als „Tribut an das moralische Zeugnis von Jean Améry, Primo Levi, Imre Kertész, Elie Wiesel und anderen“ mit dem Wunsch, „ein gewisses Maß an Entrüstung am Leben zu erhalten“.204 Alvin Rosenfeld richtet sich deshalb explizit gegen die Normalisierung und versucht, mit dem „gewissen Maß an Entrüstung“ eine moralische Komponente des Spannungsfeldes zu bewahren.

In kritischer Perspektive kann erneut auf das Fehlen eines Aufzeigens von Mittelwegen und die alleinige Beharrung auf die Extreme der Normalisierung und Moralisierung hingewiesen werden. So aufschlussreich und so einfach die Beschreibung der Extreme mit der Ablehnung sämtlicher kultureller Aktivitäten erscheinen mag, so wenig förderlich sind die pauschalen Einschätzungen für die Bewertung der tatsächlichen Geschichts- und Erinnerungskultur und dem Versuch historischer Interpretationen. In ihrer Rezension bezeichnete Ulrike Jureit Rosenfelds Argumentation deshalb verständlicherweise als „Rundumschlag gegen nahezu jede Deutungs- und Historisierungsanstrengung“.205 Mit dem Begriff der „Historisierung“ wird dabei eine weitere wesentliche Facette für den Umgang mit der Vergangenheit angedeutet. Aus diesem Grund wird dieser zentrale Terminus der Geschichtswissenschaft im Folgenden noch weiter behandelt.

3.2 Historisierung Als theoretischer Grundbegriff nimmt „Historisierung“ in der Geschichtswissenschaft eine fundamentale Stellung für die Erfassung und Beschreibung historischer Phänomene ein. Er bezeichnet allgemein den Prozess der Geschichtswerdung als Entstehung von „Geschichte“ im

203 Rosenfeld, Ende des Holocaust, S. 24–32. 204 Ebd., S. 21. 205 Ulrike Jureit, Rezension zu: Alvin H. Rosenfeld, Das Ende des Holocaust, Göttingen 2015, in: H-Soz-Kult, 22.9.2015, [http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/index.asp?id=24056&view=pdf&pn=rezensionen&type=rezbuecher], eingesehen 25.6.2019. 54

Sinne einer Narration. Die Ereignisse oder Erscheinungen der Gegenwart werden durch ihre Vergänglichkeit zu einem Teil der Vergangenheit. Die zeitliche Distanzierung macht sie aber noch nicht zu Geschichte selbst, sondern erst die Beschäftigung mit der Vergangenheit und die daraus entstehende (Re-)Konstruktion. Die Historisierung beschreibt schließlich, wie Vergangenheit zu Geschichte gemacht wird, wie sie historisiert wird. In den Worten von Pavel Kolář geht es dabei um einen „Akt der Transformation von ‚toten‘, vergangenen Überlieferungen und Artefakten in sinnvolle, zeitlich geordnete Erzählungen und Geschichten“.206 In der weiteren Folge des Historisierungsprozesses wird diese Geschichte mit Bedeutungen ausgestattet, die für die Gegenwart und die Herstellung von Identitäten eine wichtige Rolle spielt. So würden sich zwei Pole der Historisierung herausbilden, die in der Geschichtsschreibung unterschiedliche Kernaufgaben sehen: Während sie einerseits für eine Identitätsstiftung und damit als Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart fungiere, gehe es andererseits um eine Verfremdung und Distanzierung.207 Bei letzterer Auffassung steht deshalb weniger das Bestreben im Mittelpunkt, Vergangenheit und Gegenwart zu verknüpfen, sondern im Sinne eines Abstandnehmens die Geschichte als Teil einer abgeschlossenen Vergangenheit ohne starken Bezug zu aktuellen zeitgenössischen Entwicklungen zu deuten. Die Historisierung behandelt die Auseinandersetzung über die Bedeutung und Funktion von Geschichte und den Umgang mit ihr, nicht zuletzt auch in ihrem Verhältnis zur Gegenwart.

Gerade wegen den Implikationen für die Gegenwart bildet die Zeitgeschichte jene Epoche und Disziplin, in welcher die Historisierung besonders häufig verhandelt und kontroversiell diskutiert wurde. In der zeithistorischen Forschung in Deutschland ist der Historisierungsbegriff untrennbar mit der Debatte über die Bedeutung des Holocaust verbunden. Diese Debatte mit den zwei Gegensätzen der Historisierung zwischen einer Identitätsstiftung und einer Distanzierung repräsentieren die Historiker Saul Friedländer auf der einen und Martin Broszat auf der anderen Seite. In seinem mittlerweile zum Klassiker gewordenen Werk Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus beschäftigte sich Friedländer mit dem Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in der Gegenwart der Mitte der 1980er-Jahre. Unter dem Eindruck diverser filmischer Repräsentationen beschreibt er wie zuvor Susan Sontag in ihrem Aufsatz „Fascinating Fascism“208 mit dem „Kitsch“ die anhaltende ästhetische Faszination, die der Faschismus und allen voran Adolf Hitler noch für

206 Pavel Kolář, Historisierung, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, [http://docupedia.de/zg/Historisierung_Version_2.0_Pavel_Kolář], eingesehen 26.6.2019. 207 Ebd. 208 Sontag, Sign, S. 91. 55 viele Menschen ausstrahlen würde. Damit einhergehend identifiziert er Prozesse von Umgestaltungen und Umdeutungen durch Kunst und Kultur als Teil einer Normalisierung, ähnlich wie sie später von Gavriel oder Alvin Rosenfeld in ihren bereits diskutierten Werken formuliert wurden. Für Friedländer waren die diversen kulturellen Repräsentationen Ausdruck eines Versuches, „mit der NS-Zeit fertig zu werden und sie in eine ‚normale‘ Vergangenheit umzugestalten“.209 Er kritisiert somit die Tendenzen und Bestrebungen einer Normalisierung, die unter die NS-Vergangenheit einen „Schlussstrich“ setzen wollten. Stattdessen spricht er sich für die Position der Moralisierung im Sinne einer fortdauernden Beschäftigung als „moralische Pflicht“ aus.210 Dies betrifft im Konkreten die Bedeutungszuschreibung, die der Holocaust erfahren solle. Friedländer sieht darin „das eigentliche Kernstück der deutschen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit“.211 Er müsse im Sinne der Historisierung mit ihrer Relevanz für die Gegenwart aus diesem Grund stets zentraler Bestandteil der deutschen Geschichte und damit auch einer nationalen Identität nach 1945 sein.

Im Rahmen des sogenannten „Historikerstreits“ über den gesellschaftspolitischen und geschichtswissenschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit Mitte der 1980er-Jahre bildet Martin Broszat, der von 1972 bis zu seinem Tod 1989 das Institut für Zeitgeschichte in München leitete, einen führenden Vertreter der Gegenposition zu Friedländer. Broszat setzte sich in seinem „Plädoyer für eine Historisierung des Nationalsozialismus“ mit der Einordnung und Bewertung des Dritten Reiches unter dem Eindruck des zeitlichen Abstandes von 40 Jahren auseinander. Die Geschichte des Nationalsozialismus, so führt er aus, werde zwar nicht mehr verdrängt, verkümmere aber zu einer „Pflichtlektion“.212 Seine Forderung nach einer Normalisierung des Geschichtsbewusstseins als Befürwortung einer Historisierung steht Friedländers Betonung einer moralischen Position gegenüber. Broszat ging es um die „Auflösung“ einer „Blockade“, die von einer „pauschalen moralischen Absperrung der Hitler- Zeit“ gekennzeichnet gewesen sei. Allerdings ist er genau genommen nicht gänzlich von einer moralischen Position zu distanzieren. Denn in der Auflösung dieser Blockade versuchte er mit seinem Plädoyer eine „moralische Sensibilisierung der Historie überhaupt“ anzustreben. Dennoch versuchte er, und darin liegt seine besondere Kontroversität, der NS-Zeit mit dem

209 Friedländer, Kitsch, S. 125. 210 Ebd., S. 127. 211 Ebd., S. 131. 212 Martin Broszat, Plädoyer für eine Historisierung des Nationalsozialismus, in: Merkur (1985), H. 435, [https://www.merkur-zeitschrift.de/1985/05/01/plaedoyer-fuer-eine-historisierung-des-nationalsozialismus/], eingesehen 26.6.2019; vgl. auch Norbert Frei (Hrsg.), Martin Broszat, der „Staat Hitlers“ und die Historisierung des Nationalsozialismus, Göttingen 2007. 56

Holocaust sein „katastrophales Ende“ abzusprechen und die als singulär eingestufte Bedeutung zu relativieren.213 So steht der Essay für die normalisierende Tendenz und die Intention, den Holocaust nicht mehr als zentrales Ereignis der deutschen Historiographie und Identität zu betrachten.214 Speziell für Friedländer habe dieser Vorstoß der Historisierung einen Paradigmenwechsel bedeutet und sei für eine abzulehnende Entpolitisierung und Entkriminalisierung der Forschung gestanden.215 Schließlich steht der Begriff des „Schlussstriches“ in enger Verbindung mit der Historisierung und dem Wunsch nach Normalisierung und Relativierung in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit sowie der gesamten nationalen Identität Deutschlands.216

Die Historisierung als eigentlich neutraler geschichtstheoretischer Begriff kann deshalb ebenfalls in das Spannungsfeld der Darstellungen eingeordnet werden. Im Sinne Broszats lässt er sich der Normalisierung zuordnen und steht somit konträr zu einer Betonung der moralischen Dimension bei Friedländer oder Alvin Rosenfeld. Speziell der Topos des „Schlussstriches“ drückt den Wunsch nach einer „normalen“ Vergangenheit, die von den als Last empfundenen Katastrophen- und Schulddiskursen losgelöst ist, aus. Insgesamt lässt sich deshalb der Umgang mit der NS-Vergangenheit in den verschiedensten Darstellungen als besonders kontrovers und vielfältig zusammenfassen. Im Spannungsfeld zwischen einer Normalisierung und einer Moralisierung mit den diversen weiteren Konzeptionen offenbart sich nicht zuletzt auch der Zusammenhang zwischen Geschichts- und Erinnerungskultur und den geschichtswissenschaftlichen Diskursen. In der Untersuchung von kulturellen Produkten über Nationalsozialismus, Faschismus und Holocaust müssen diese unterschiedlichen Positionen deshalb eine zentrale Komponente bilden.

213 Broszat, Plädoyer. 214 Kolář, Historisierung. 215 Torben Fischer, Historisierung der NS-Zeit, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 256–259, hier S. 256f. 216 Lena Knäpple, Historikerstreit, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 259–261, hier S. 259, vgl. zum „Schlussstrich“ darin v.a. die Rede von Franz Josef Strauß im Bundestagswahlkampf 1986. 57

4. Überblick der Rezeptionsgeschichte Adolf Hitlers in der Public History Von den überwiegend theoretisch gehaltenen Spannungsfeldern der Diskurse wendet sich nun der Fokus auf konkrete, praktische Beispiele der Darstellung Adolf Hitlers im Rahmen der Public History bzw. in der Geschichts- und Erinnerungskultur. Zuerst geht dieser Überblick auf die Repräsentation der historischen Persönlichkeit im Medium Film und damit auf die Bedeutung als „Figur“ ein. Da sich die vorliegende Untersuchung speziell mit der Digitalisierung auch auf den medialen Wandel konzentriert, ist eine Berücksichtigung des Internets als Medium bzw. kultureller Raum ebenfalls notwendig. Aus diesem Grund gibt dieses Kapitel auch einen kurzen Überblick über die NS-Vergangenheit in den unterschiedlichen Erscheinungsformen der Onlinewelt.

Es mag zwar selbstverständlich sein, doch ist trotzdem zu betonen, dass es sich im folgenden Überblick nur um eine Auswahl an Beispielen handeln kann und kein Anspruch auf Vollständigkeit vorliegt. Es wurde versucht, diverse als „Meilensteine“ eingestufte Repräsentationen anzuführen und dadurch die einflussreichen Produktionen abzubilden. Diese illustrieren die Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte der kulturellen und medialen Repräsentation der Themen von Adolf Hitler, der Täterschaft, dem Faschismus, Nationalsozialismus und Holocaust. Mit diesem Verweis auf die thematische Vielfalt ist ersichtlich, wie stark im Bereich der Geschichts- und Erinnerungskultur die Grenzen auf mannigfaltige Art und Weise verschwimmen. Erstens ist in inhaltlicher Hinsicht anzuerkennen, dass eine strikte Trennung der Themen um die Repräsentation von Adolf Hitler, dem Nationalsozialismus, Faschismus oder Holocaust nur schwer möglich ist. Für die Geschichte der Darstellung Hitlers ist deshalb die Geschichte der Darstellung des Nationalsozialismus oder des Holocaust nicht auszublenden. Diese sind stets ineinander verwoben und gehören gemeinsam reflektiert. Dies erklärt auch, warum beispielsweise Filme, die nicht explizit Adolf Hitler behandeln, nicht ausgeklammert werden können. Die Diskurse um deren Darstellung stehen somit in engem Bezug zur allgemeinen Verortung der Behandlung diverser Themen im Rahmen der Geschichts- und Erinnerungskultur sowie der Geschichtswissenschaft.

Zweitens verschwimmen in einer Kultur- oder Filmgeschichte auch die nationalen Grenzen. Da es sich bei Film um ein besonders mobiles und massenwirksames mediales Phänomen handelt, sind unterschiedliche Strömungen und Entwicklungen zu unterschiedlichen Zeiten und Orten erkennbar. Als Teil einer transnationalen, globalisierten Kulturindustrie ist es deshalb wenig hilfreich, eine rein nationale Entwicklung zu beleuchten, es sei denn, der Fokus selbst liegt auf 58 solchen nationalen Produktionen. Durch den sehr umfangreichen Bestand an Forschungsliteratur über die Entwicklung der künstlerischen Darstellungen gelingt es dennoch, in Anbetracht des einigermaßen überschaubaren Kanons der dominanten und besonders wirkmächtigen Beispiele eine Auswahl für die Diskussion zu treffen. In diesem Kanon lassen sich diverse Kontinuitäten, Konjunkturen und Traditionen erkennen. Sie geben einerseits Aufschluss darüber, welche Bilder sich besonders stark im kollektiven Gedächtnis verankerten und welche weniger. Andererseits weisen sie auf das bereits skizzierte Prinzip der Remediation hin, nämlich die ständige Rückbeziehung auf vorangehende Repräsentationen. Eine Filmgeschichte gestaltet sich insofern als sehr komplexer und dynamischer Prozess: Die künstlerischen Produkte stehen immer in einem regen Wechselverhältnis und Austausch mit früheren Inszenierungen, teilweise sogar als bewusste Reaktionen und Antworten. Auf solche Phänomene ist in einem Überblick besonders zu achten.

Drittens ist ein Verschwimmen der Grenzen auch in formaler Hinsicht zu bemerken. Dieses betrifft in fundamentaler Weise den medialen Wandel als Konstante historischer Veränderungen. Mit dem seit Beginn des 21. Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren gestiegenen Bewusstsein um die Digitalisierung erscheint der Medienwandel als „Medienrevolution“. Das Aufkommen neuer Technologien geht daher mit stetigen Veränderungen der bestehenden Medienlandschaft einher. Dies betrifft in erster Linie ein Verblassen der vormals deutlicher erkennbaren Grenzen zwischen kulturellen Sphären, in denen eine Auseinandersetzung mit Film als Medium stattfinden kann. In anderen Worten geht es um den Wandel der Distributions- und Rezeptionsformen wie Kino, Fernsehen und Internet. Eine Filmgeschichte lässt sich deshalb auch nur sehr schwer an eine bestimmte Verbreitungsform koppeln. Film kann nicht mehr nur gleichbedeutend mit einer Kino- oder Fernsehgeschichte sein. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb braucht es ein verstärktes Bewusstsein für die unterschiedlichen medialen und kulturellen Formen und die sie umspannenden Veränderungen. So ist es vor dem Hintergrund der Public History erforderlich, die Frage nach den gängigen Massenmedien und den populären und wirkmächtigen Verbreitungsformen neu zu stellen. Diese müssen in der historischen Entwicklung der Darstellungen sowie in ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung eingebunden werden. In der Forschung zur Geschichts- und Erinnerungskultur gelten beispielsweise das Kino und Fernsehen als die populärsten Medien. Speziell das Fernsehen habe nach Edgar Wolfrums Einschätzung aus dem Jahr 2003 „die Grundversorgung der Gesellschaft mit Geschichtsbildern

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übernommen“217 und ist heute als „Leitmedium“ der Geschichtsvermittlung weitgehend anerkannt.218 In der vor allem mit der Digitalisierung einhergehenden Medienkonvergenz zeichnet sich jedoch auch eine Veränderung des Status von Kino und Fernsehen ab. So drängt sich zunehmend die Frage auf, inwiefern das – zumindest klassisch lineare – Fernsehen im Jahr 2019 noch als geschichtskultureller „Grundversorger“ angesehen werden kann. Der von Henry Jenkins beschriebene „flow of content across multiple media platforms“219 als Grundessenz der Medienkonvergenz wird folglich mit der Dominanz des Internets, dem Aufkommen diverser Social Media-Plattformen und Streamingdiensten zu einem eminenten Thema der Public History und letztlich auch der Geschichtswissenschaften. Dadurch braucht es auch ein Bewusstsein für diesen historischen Wandel und eine Öffnung der Perspektive, die über das analoge Kino und Fernsehen als populäre Formen der massenmedialen Verbreitung von Geschichtsbildern hinausgeht.

Die diversen Konjunkturen und Phasen der kulturellen Repräsentation Adolf Hitlers oder des Nationalsozialismus lassen sich stark an konkreten Tabubrüchen und Normverschiebungen ablesen. In besonderem Maße trug das Medium Film dazu bei, die Grenzen des Diskurses als klar bestimmte „Bereiche des Machbaren, Denkbaren und Sagbaren“220 zu verschieben. Insofern lässt sich in einer Filmgeschichte als Teil der Kulturgeschichte auch der Wandel des Diskurses erkennen. Dieser bewegt sich im Wesentlichen im bereits skizzierten Spannungsverhältnis zwischen Normalisierung und Moralisierung. Interessanterweise ist in der teils sehr kulturpessimistisch zu verortenden Strömung der Normalisierungsgegner*innen bzw. Moralisierungsbefürworter*innen ein starkes Gefälle zwischen einer high culture und einer low culture bzw. popular culture zu bemerken. So werden (geschichts-)kulturelle Produkte der Populärkultur, wie zum Beispiel historische Spielfilme, oftmals eher als „banal“ oder „trivial“ eingestuft und dem normalisierenden Pol zugeschrieben. Diese machen meist auch einen Großteil des Untersuchungsgegenstandes ihrer Kritiker*innen wie etwa Daniel Erk und Alvin Rosenfeld aus. Außer Acht gelassen werden dabei oftmals jene (erinnerungs-)kulturellen Repräsentationen, die allgemein vermehrt einer high culture, einer Hochkultur oder einem Intellektualismus zugerechnet werden könnten. Dazu zählen in erster Linie literarische Werke wie etwa autobiographisch inspirierte Romane, Lyrik oder auch das Drama. Dass diese

217 Wolfrum, Erinnerungskultur, S. 36. 218 Korte/Paletschek, Geschichte, S. 32; Siegfried Quandt, Geschichte im Fernsehen. Sachgerecht, mediengerecht, publikumsgerecht?, in: Kühberger/Lücke/Terberger (Hrsg.), Wahre Geschichte, S. 181–186, hier S. 181; Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 158. 219 Jenkins, Convergence, S. 282. 220 Landwehr, Diskursanalyse, S. 21. 60 künstlerischen Formen jedoch im Rahmen einer Fiktionalisierung auch Normalisierungen darstellen, wird seltener diskutiert und auch nicht unter eine Kulturkritik und kategorische Ablehnung gefasst. Nur einzelne Untersuchungen behandeln die Einordnung von literarischen Fiktionalisierungen und betonen allgemein die Komplexität und Schwierigkeit der künstlerischen Darstellbarkeit.221 Vermutlich ist diese Diskrepanz mit der Einschätzung Erik Meyers zu erklären, dass Kulturformen (audio-)visueller Natur im Vergleich zu literarischen Texten oftmals ein geringeres Maß an intellektuellem Potential und Ernsthaftigkeit zugesprochen bekommen.222 Selbstverständlich sind die medialen Unterschiede und die Einsicht, dass Visualisierungen oder multimodale Formen andere Implikationen besitzen als lediglich schriftliche Darstellungen, nicht zu ignorieren. Dennoch würde die Anerkennung der geschichts- und erinnerungskulturellen Vielfalt dazu beitragen, das Schwarz-Weiß-Denken der Normalisierungsgegner*innen aufzubrechen und anstelle der pauschalen Verurteilungen und Ablehnungen ein Erkennen des Potentials sogenannter „Populärkultur“ zulassen.223

Die Behauptung eines Gefälles zwischen Hoch- und Populärkultur in der kulturkritischen Perspektive kann durch einen Verweis auf Reflexionen und Darstellungen aus der NS-Zeit untermauert werden. So gab es auch schon zeitgenössische Überlegungen darüber, wie eine künstlerische Auseinandersetzung mit Adolf Hitler gestaltet und wie er als Persönlichkeit gedeutet werden könnte. Als Beispiel dafür dient neben Thomas Manns häufig herangezogener Beschreibung des „Bruder Hitler“224 etwa Bertolt Brechts Austausch mit dem Schriftsteller und Vertrauten Lion Feuchtwanger. In seinem Arbeitsjournal vermerkte Brecht im Jahr 1941 über ein Gespräch mit diesem, dass Hitler keineswegs als ein „Nichts“ dargestellt werden solle, sondern sehr wohl als ernstzunehmende Persönlichkeit. Er begründet dies folgendermaßen: „Man bekämpft Hitler nicht, wenn man ihn als besonders unfähig, als Auswuchs, Perversität, Humbug, speziell pathologischen Fall hinstellt und ihm die anderen bürgerlichen Politiker als Muster, unerreichte Muster, vorhält.“225 In einer pauschalisierten, dämonisierten oder stark vereinfachten Darstellung könne demnach keine kritische Auseinandersetzung stattfinden. Es

221 Vgl. Dirk Rupnow, Jenseits der Grenzen. Die Geschichtswissenschaft, der Holocaust und die Literatur, in: Iris Roebling-Grau/Dirk Rupnow (Hrsg.), ‚Holocaust‘-Fiktion. Kunst jenseits der Authentizität, Paderborn 2015, S. 85–99, v.a. S. 98. 222 Erik Meyer, Problematische Popularität? Erinnerungskultur, Medienwandel und Aufmerksamkeitsökonomie, in: Korte/Paletschek (Hrsg.), History goes Pop, S. 267–287, hier S. 271. 223 Vgl. dazu auch Korte/Paletschek, Geschichte, S. 49. 224 Thomas Mann, Bruder Hitler, in: Thomas Kroebner (Hrsg.), „Bruder Hitler“ (Thomas Mann). Autoren des Exils und des Widerstands sehen den „Führer“ des Dritten Reiches, München 1989, S. 24–31. 225 Bertolt Brecht, „Eine wirklich nationale Erscheinung“, in: Kroebner (Hrsg.), „Bruder Hitler“, S. 213–215, hier S. 214. 61 sei stattdessen notwendig, die dahinter liegende Persönlichkeit als solche anzuerkennen und zu entlarven. Der verkürzte Blick kulturpessimistischer Kritiker*innen zeigt sich schließlich in der Nichtbeachtung von Brechts Theaterstück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui. Dieses entstand zwar im Jahr 1941, wurde aber zu Brechts Lebzeiten nie aufgeführt. In der Parabel transferiert Brecht den titelgebenden Aufstieg eines Demagogen in den Kontext der US- amerikanischen Gangsterwelt und erschafft eine verfremdete Analogie zum Aufstieg Hitlers in Deutschland.226 Mit dem zur bekannten Phrase gewordenen Schlusswort des Stückes –„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“227 – verabsäumte Brecht es nicht, eine Mahnung an die Nachwelt auszusprechen. Es war eine moralische Warnung mit dem Ausdruck, dass ein eigentlich vermeidbarer Aufstieg wieder passieren könnte. Allein darin zeigt sich, dass die dichotome Betrachtung von Normalisierung und Moralisierung in der Praxis kaum haltbar ist, da sie sich gegenseitig keineswegs ausschließen. Möglicherweise ist dieser komplexere Zugang ein Grund dafür, warum Werke wie jene von Brecht im vereinfachten Schwarz-Weiß-Denken vieler Kritiker*innen und im Diskurs über Banalisierung oder Normalisierung nicht berücksichtigt werden.

Dies betrifft in ähnlicher Weise das 1943 veröffentlichte Gedicht mit dem Titel „Rede am Tag von Hitlers Sturz“ von Alfred Farau (1904-1972, eigentlich Fred Hernfeld). Farau wurde selbst vom NS-Terror verfolgt und ins KZ Buchenwald deportiert. Nach seiner Freilassung 1939 gelang ihm die Flucht in die USA, wo er zu einem bedeutsamen Individualpsychologen wurde.228 In seinem bewusst kontrafaktischen Gedicht thematisiert er den fiktionalen Tod von Adolf Hitler, betont aber nicht die Freude, sondern das Gefühl der Scham, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Aus kulturkritischer Perspektive könnte die alternativgeschichtliche Verzerrung der Normalisierung zugeschrieben werden und damit einer pauschalen Ablehnung anheimfallen. Durch einen mahnenden Imperativ zur Erinnerung („Das, was war, darf nie vergessen werden“) und eine teils dämonisierende Tendenz („Daß er als Ungeheuer weiterlebe / […] als Warnung lodere in unserem Blut“) findet jedoch auch bei Farau eine Moralisierung statt.229 So zeigt dieses Gedicht, dass auch eine alternativgeschichtliche künstlerische Darstellung die Grenzen zwischen der Normalisierung und der Moralisierung überwinden kann. Durch die deutliche moralische Positionierung kann auch ein fiktionales, kontrafaktisches Werk

226 Burkhardt Lindner, Bertolt Brecht: „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, München 1982, S. 32. 227 Bertolt Brecht, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui, Frankfurt a.M. 1965, S. 124. 228 Miguel Herz-Kestranek u.a. (Hrsg.), In welcher Sprache träumen Sie? Österreichische Lyrik des Exils und des Widerstands, Wien 2007, S. 123. 229 Alfred Farau, Rede am Tag von Hitlers Sturz, in: Herz-Kestranek u.a. (Hrsg.), Sprache, S. 123–125, hier S. 124. 62 wie dieses nach wie vor in der aktuellen Gedenkkultur rezipiert werden.230 Deshalb beläuft sich die kulturkritische Entrüstung über diverse Produkte der Geschichts- und Erinnerungskultur oftmals auf eine verengte Betrachtung, was zu einer Diskrepanz in der Beurteilung der Hoch- und Populärkultur führt. Das Medium Film wird meist eher letzterem und damit eine geringere diskursive und kulturelle Qualität zugeschrieben. In einem Überblick der Behandlung historischer Themen in diesem Medium entfaltet sich das große Potential filmischer Darstellungen für den Diskurs über Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart.

4.1 Hitler als Figur im Medium Film Die filmische Darstellung Adolf Hitlers ist ganz allgemein unterschiedlich zu beschreiben. Laut Margrit Frölich würden sich in Leni Riefenstahls Triumph des Willens (1935) und Charlie Chaplins Der große Diktator (1940) zwei fundamentale Extreme der Repräsentation Adolf Hitlers im Film spiegeln: Einerseits eine „Monumentalisierung“ als Teil der NS-Propaganda und andererseits eine „satirische Demontage in Hollywood“. Darüber hinaus identifiziert Frölich zwei Zugänge in der filmischen Auseinandersetzung. Auf der einen Seite umfasst dies eine dem Realismus verpflichtete Strömung, nämlich eine „um Geschichtsdeutung und Aufklärung bemühte ernsthafte“ Beschäftigung. Auf der anderen Seite sei es „der respektlose, subversive Umgang“ mit dem Mittel des Karikierens, „Lächerlichmachens“ und dem Ziel der „Entlarvung“.231 In diese dichotomen Extreme und Zugänge ordnen Wissenschaftler*innen meist die Darstellung Hitlers ein. Im Zuge dessen entstand ein verstärktes Bewusstsein für die Existenz einer zweifachen Erscheinung: Hitler als historische Persönlichkeit sowie als künstlerische Figur.232 Die Herausforderung ist nun, den Zusammenhang dieser beiden Erscheinungsformen aufzuzeigen und seine Bedeutung für die Geschichts- und Erinnerungskultur herauszuarbeiten.

4.1.1 Zeitgenössische Satiren – Chaplin und Lubitsch Beim Extrem der Monumentalisierung ist es besonders interessant, dass von Seiten der NS- Führung die Repräsentation Hitlers einzig und allein in einer solchen dokumentarischen, propagandistischen und verherrlichenden Art und Weise, keineswegs aber in fiktionalisierten

230 Vgl. Miguel Herz-Kestranek, Wie man gedenken soll, in: Der Standard, 13.3.2018, S. 31. 231 Margrit Frölich, Tot oder lebendig. Hitler als Figur im Spielfilm, in: Rother/Herbst-Meßlinger (Hrsg.), Hitler darstellen, S. 13–33, hier S. 13. 232 Alvin Rosenfeld, Ende des Holocaust, S. 32ff; Friedländer, Kitsch, S. 63. 63

Spielfilmen geduldet wurde.233 In Anbetracht der Unterdrückung freien und kritischen (filmischen) Kulturschaffens und der propagandistisch und peinlichst genau inszenierten Selbstdarstellung zum Zwecke der Schaffung eines sakralisierten Führermythos erscheint dies wie ein diktatorisch auferlegtes „Bilderverbot“.234 Daraus resultiert fast zwangsläufig ein demokratisch motivierter Imperativ, der es sich zur Aufgabe macht, die propagandistische Inszenierung zu durchbrechen und kritische Bilder und Perspektiven zu schaffen. Speziell das Genre der Satire geht diesem Bestreben nach und versucht, mit komödiantischen Elementen eine subtile Kritik zu gestalten und die Unantastbarkeit der politischen Persönlichkeit zu untergraben. In der Vielzahl der filmischen Darstellungen Adolf Hitlers235 bildet die Satire ein wiederkehrendes Genre, das mit zwei besonders prominenten Beispielen den zeitgenössischen Anfang der filmischen Repräsentation machte: Charlie Chaplins Der große Diktator (1940) und Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein (1942).

Charlie Chaplins (1889–1977) Der große Diktator gilt schon lange als Klassiker, nicht nur in der langen Liste der filmischen Darstellungen Adolf Hitlers, sondern auch allgemein in der Filmgeschichte. Er markiert den Beginn der filmischen Auseinandersetzung mit dem Thema des Genozids an den Jüdinnen und Juden sowie den komödiantischen Zugang zur Behandlung des Nationalsozialismus oder Hitlers.236 Die Kritik der Normalisierung an einem solchen belustigenden Ansatz bezog sich meist auf die Frage, ob Antisemitismus und Holocaust mit Mitteln des Humors behandelt werden könnten und dürften. Diese spitzte sich im Folgenden unter der immer wiederkehrenden Formulierung „Darf man über Hitler oder den Holocaust lachen?“ bzw. kurz der Phrase „Lachen über Hitler“ zu. Sie bestimmte im Laufe des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus meist die Diskurse über filmische Repräsentationen. Nachdem er im Jahr 1940 in den USA Premiere hatte, kam er in Deutschland jedoch erst 1958 in die Kinos. Auf inhaltlicher Ebene parodiert der Film den Größenwahn des titelgebenden „großen Diktators“, Anton Hynkel, als Analogie zu Adolf Hitler. In einer zur Ikone gewordenen Szene tanzt Hynkel mit einem Globus als Ausdruck des fanatischen, rassistischen und nationalistischen Dranges zur Weltherrschaft. Mit typisch satirischen Anspielungen wie

233 Frölich, Tot, S. 13. 234 Vgl. Peter Reichel, „Bruder Hitler“ im deutschen Film, in: Thamer/Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen, S. 148–153, hier S. 150. 235 Vgl. für den Ansatz einer Übersicht: Hanno Loewy, Komödie und Satire in der filmischen Repräsentation des Holocaust. Eine Filmografie, in: Frölich/Loewy/Steinert (Hrsg.), Lachen, S. 335–382; Rosenfeld, Hi Hitler, S. 234-291; Bösch, Film. 236 Waltraud ‚Wara‘ Wende, Medienbilder und Geschichte – Zur Medialisierung des Holocaust, in: Dslb. (Hrsg.), Geschichte, S. 8–30, hier S. 21. 64 beispielsweise Hitlers Verbindung zu Mussolini und Italien in „Benzino Napoloni“ oder zur Annexion Österreichs („Osterlitsch“) parodiert der Film in leicht verfremdeter Weise reale Sachverhalte, Staaten und Persönlichkeiten. Er greift aber auch offen und explizit den Rassismus, Antisemitismus und die Unterdrückung, Ausgrenzung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden auf. Damit ist der Versuch verbunden, in subtiler Weise die reale historische Persönlichkeit zu demaskieren und gemeinsam mit Humor und Komödie reale Entwicklungen und Mechanismen sichtbar zu machen.

Für die Entstehung des Filmes sei eine Analogie zwischen Kunst und Realität ausschlaggebend gewesen sei, wie Chaplin in seiner Autobiografie schildert. Nämlich habe ihm der Filmemacher Alexander Korda (1893-1956) im Jahr 1937 den Vorschlag gemacht, einen Film über Hitler zu machen, weil Chaplins bereits etablierte Kunstfigur des „Tramp“ den gleichen Bart habe wie der deutsche Diktator. In dieser Ähnlichkeit sah Chaplin künstlerisches – und vermutlich auch finanzielles – Potential, da er damit in seinem ersten Tonfilm komische sprachliche Elemente und sein bewährtes pantomimisches Spiel verbinden konnte.237 Allgemein ist Chaplins Autobiografie ein Referenzpunkt im Diskurs über die filmische Darstellung von Hitler oder dem Holocaust. So scheint es, als wurde Chaplins retrospektive Aussage, er hätte den Film mit dem Wissen über die tatsächlichen „Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern“ nicht entwickeln und sich „über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können“238, zu einem häufig aufgegriffenen Argument gegen eine künstlerische Behandlung der historischen Ereignisse.239 Die Aussage steht in ihrem Gewicht dabei meist allein und wird losgelöst von ihrem Kontext verwendet. Denn im gleichen Atemzug bzw. Absatz betont Chaplin seine ursprünglichen Gedanken für den Film, nämlich den „mystischen Unsinn über eine reinblütige Rasse zum Gespött“ zu machen.240 Er schildert zusätzlich auch die Widerstände wie etwa Drohbriefe, unter anderem auch mit antisemitischem oder nazistischem Hintergrund, oder Befürchtungen von Zensur, die ihm im Produktionsprozess entgegenkamen. Trotz allem sei er fest entschlossen gewesen, den Film zu machen und zu zeigen.241 Selbstverständlich entkräftet dies seine nachträglichen Bedenken nicht gänzlich, doch betont es seinen grundsätzlich politisch-subversiven und daher auch moralischen Zugang. Chaplin ging es nicht um eine rein künstlerische Ausbeutung realer Ereignisse oder Persönlichkeiten oder um eine

237 Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens, Frankfurt a.M. 1964, S. 398f. 238 Ebd., S. 399f. 239 Vgl. Erk, Banalisierung, S. 206; Rosenfeld, Hi Hitler, S. 237. 240 Chaplin, Geschichte, S. 400. 241 Ebd., S. 400 bzw. 404. 65 veralbernde und belustigende Komödie um ihrer selbst willen. Der Film hat stattdessen einen eindeutig moralischen Anspruch mit einer deutlichen Botschaft und politischen Positionierung. Das zeigt sich vor allem im Höhepunkt des Filmes, in der die Verwechslungskomödie ihrem genretypischen Tausch zweier gegensätzlicher Charaktere nachkommt. Anstelle des Diktators Hynkel ist es in einer der bekanntesten Szenen des Filmes nun der ihm ähnelnde jüdische Friseur, der sich in einer massenwirksamen Rede gegen Krieg, Verfolgung, Diskriminierung und für universalistische humanitäre Werte ausspricht. Als Chaplins „ganz persönliche Kampfansage gegen Hitler“242 konfrontiert der Film damit auf eine seriöse und kritische Art und Weise die Zuschauer*innen mit der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus und zeigt eine demokratische Alternative auf. Mit der klaren moralischen Botschaft gegen Ende des Films entfaltet die vermeintliche Komödie ihr subversives Potential als politische Satire. Hier zeigt sich, dass entgegen der dichotomen Zugänge zur Darstellung Hitlers auch eine vermeintlich „respektlose“ Banalisierung um Aufklärung und kritische Reflexion bemüht sein kann. Im Spannungsfeld zwischen Normalisierung und Moralisierung schlägt Charlie Chaplins Der große Diktator somit einen Mittelweg ein.

Eine ähnliche Position nimmt Ernst Lubitschs (1892–1947) Sein oder Nichtsein (USA) aus dem Jahr 1942 ein. Wenngleich der Film wohl nicht so stark wie Chaplins Diktator im kollektiven Gedächtnis der Allgemeinheit verankert ist, so fungiert er mindestens gleich wirksam als kritische, satirische Entlarvung des von der NS-Propaganda inszenierten Hitler-Mythos und faschistischen Persönlichkeits- bzw. Führerkultes. Dies bewerkstelligt er im Grunde durch die bewusste und selbstreflexive Thematisierung von Praktiken der Performativität, der (Selbst-) Darstellung und Inszenierung in der künstlerischen Sphäre des Theaters. Die Handlung spielt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges größtenteils im besetzten Polen und erzählt wie eine Theatergruppe sich am Widerstand beteiligt. Durch die Selbstreflexivität behandelt der Film auf einer Meta-Ebene diverse künstlerische Fragen von Darstellbarkeit, Authentizität bzw. Echtheit sowie den Umgang mit der Persönlichkeit Hitlers. Dadurch erkennt er die Komplexität dieser Fragen an und macht auf das schwierige Verhältnis zwischen Realität und Inszenierung aufmerksam. Ähnlich wie zuvor bei Chaplin beläuft sich die Kritik im Wesentlichen auf den humoristischen Zugang zu den Themen Nationalsozialismus und Holocaust und das damit einhergehende umstrittene „Lachen“. Nichtsdestotrotz gilt er heute als wirksame, originelle und

242 Klaus Kreimeier, Chaplins Great Dictator – Revisited, in: Wende (Hrsg.), Geschichte, S. 31–43, hier S. 33. 66 differenzierte Darstellung.243 So nimmt er analog zu Chaplin ebenfalls eine Position zwischen Normalisierung und Moralisierung ein. Interessanterweise macht Gavriel Rosenfeld mit der Bezeichnung dieser beiden Filme als „undeniably funny“ zwar einen banalisierenden Vorwurf, rechtfertigt den Humor aber, indem er auf die Verortung in einem deutlichen moralischen Kontext verweist. Er sieht darin des Weiteren einen „war by other means“.244 In dieser Hinsicht ist Rosenfeld weitaus weniger genau und vehement in der Trennung der Pole von Normalisierung und Moralisierung. Gleichzeitig gelingt es ihm nicht, daraus zu schließen und anzuerkennen, dass es allgemein auch Alternativen zum Schwarz-Weiß-Denken geben kann.

Diese beiden Klassiker von Chaplin und Lubitsch stehen am Beginn der filmischen Auseinandersetzung mit Adolf Hitler, dem Nationalsozialismus oder dem Holocaust. Selbstverständlich wäre es ein notwendiges und spannendes Unternehmen, die beiden Filme in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen und vertiefender zu diskutieren. Beispielsweise könnte dabei ein Blick auf die erst späte flächendeckende Distribution und Rezeption in Deutschland geworfen werden. Aufgrund der Vielzahl an zu berücksichtigenden Darstellungen können die Filme hier nur in Ansätzen behandelt werden. Es lässt sich zusammenfassen, dass sie auf einzigartige Weise sämtliche spätere Repräsentationen prägten und daher als fundamental für die Darstellung Adolf Hitlers im Medium Film angesehen werden können. In ihrer Mischung aus lustigen und moralischen Elementen sind sie Vorbilder im Genre der politisch- künstlerischen Satire und zeigen die Vereinbarkeit von Banalität und Seriosität, von Humor und subversiver Aufklärung sowie von Normalisierung und Moralisierung auf. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen auch in Deutschland und Österreich allmählich erste Versuche auf, die NS-Zeit in der retrospektiven Betrachtung filmisch zu behandeln.

4.1.2 Nachkriegszeit Mit den Alliierten sei in Deutschland unmittelbar nach Kriegsende ein „Bilderverbot“ gekommen, das eine filmische Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit erst spät einsetzen ließ. Stattdessen habe die fehlende Auseinandersetzung verschiedene „Mechanismen der Ausblendung und Entschuldung“ unterstützt.245 Dies führte schließlich zu einem in Gut und Böse gespaltenen Zugang zur Person Hitlers und mit der Dämonisierung zu einem

243 Frölich, Tot, S. 23f.; Joachim Paech, Das Komische als reflexive Figur im Hitler- oder Holocaust-Film, in: Frölich/Loewy/Steinert (Hrsg.), Lachen, S. 65–79, hier S. 74. 244 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 236. 245 Kreimeier, Chaplins, S. 34. 67

Selbstverständnis als „Opfervolk“: Die Deutschen seien von Hitler verführt und missbraucht worden, womit laut Peter Reichel eine Verdrängung der Rolle der Gesellschaft und der Menschen in ihrem Verhältnis zum Diktator Hitler stattgefunden habe. Im Rahmen der Entnazifizierung und des Programms der Re-Education kam es vorerst zu mehreren als „Gräuel- Filme“ bekannten Dokumentationen. Diese zeigten Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern, wurden teilweise als Beweismittel in den Nürnberger Prozessen verwendet oder auch in Kinos gezeigt. Sie sollten die Deutschen in schockpädagogischer Manier mit den Themen von Schuld und Verantwortung konfrontieren.246 Als erstes Beispiel für eine fiktionale filmische Repräsentation Hitlers im deutschsprachigen Raum und damit als Ende des „Bilderverbotes“ gilt heute Der letzte Akt (BRD/Ö 1955) des österreichischen Regisseurs Georg Wilhelm Pabst (1885-1967). Die Burgtheaterschauspieler Albin Skoda (1909–1961) und Oskar Werner (1922–1984) verkörperten Adolf Hitler bzw. einen hochdekorierten, doch regimekritischen Hauptmann der Wehrmacht. Der Film behandelt wie letzterer als Hitlers Antagonist dem „Führer“ in den letzten Kriegstagen im Bunker begegnen, ihn über die militärische Lage informieren und Verstärkung anfordern muss. Zwar als wenig erfolgreich eingestuft, setzt Reichelt den Film in den Kontext der Entstehung eines „Mythos einer ‚sauber‘ gebliebenen“ Wehrmacht.247 Nach Margrit Frölich habe Skodas Darstellung Hitlers eine dämonisierende und humanisierende Tendenz zusammengebracht und die Zwiespältigkeit seiner Person unterstrichen.248 Wie noch gezeigt werden soll, bildet Der letzte Akt unter diesen inhaltlichen und darstellerischen Aspekten rückblickend einen zentralen Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer bedeutsamer Filme.

Als nächstes reihen sich der Name und das Werk des Filmemachers Mel Brooks (geb. 1926) in diese Übersicht ein. Aufgrund der Schwierigkeit einer genauen zeitlichen Abgrenzung angesichts der historischen Ungleichzeitigkeiten und fließenden Übergänge, die bei einem chronologischen Überblick de facto immer vorliegen, wird Mel Brooks noch in diesem Abschnitt und vor den 1970er-Jahren mit der dafür signifikanten „Hitler-Welle“ diskutiert. Der US-amerikanische Produzent, Regisseur, Schauspieler und Entertainer hatte einen maßgeblichen Anteil an der kulturellen Veränderung von Hitlers Bild von der historischen Persönlichkeit hin zu einer omnipräsenten Figur der Populärkultur. Ausgangspunkt dafür war sein Film The Producers – Frühling für Hitler (USA) aus dem Jahr 1968. Im Film versuchen

246 Reichel, „Bruder Hitler“, S. 148; vgl. dazu auch Heiner Roß (Hrsg.), Lernen Sie diskutieren! Re-education durch Film. Strategien der westlichen Alliierten nach 1945, Berlin 20142. 247 Reichel, „Bruder Hitler“, S. 148ff. 248 Frölich, Tot, S. 15. 68 der Theaterproduzent Max Bialystock (Zero Mostel) und sein Buchhalter Leo Bloom (Gene Wilder) am New Yorker Broadway mit einem illegalen finanziellen Trick das große Geld zu verdienen: Durch den Verkauf von Finanzanteilen versprechen sie sich, durch eine minimalistisch angelegte Produktion in einem Flop einen ökonomischen Gewinn zu machen. Die titelgebenden Produzenten begeben sich bewusst auf die Suche nach dem denkbar schlechtesten Stück. Sie entdecken schließlich das Drehbuch eines Altnazis und machen daraus das Musical „Frühling für Hitler“ in der Erwartung, damit ihren wünschenswerten, großen Misserfolg zustande bringen zu können. Unerwarteterweise wird das Stück bei seiner Uraufführung nach kurzen anfänglichen Irritationen jedoch zu einem großen Publikumserfolg. Die groteske und komödienhafte Neuinterpretation Hitlers und des Nationalsozialismus im Kitsch der Uniformen löst mit den für die Zuschauer*innen unterhaltsamen Liedern und amüsanten Parodien im Film viel Begeisterung aus. Brooks wurde dafür 1968 mit dem Oscar für das Beste Originaldrehbuch ausgezeichnet.

The Producers ist ähnlich wie Lubitschs Sein oder Nichtsein weniger ein Film über Hitler selbst. Stattdessen behandelt er auf der Meta-Ebene das eigene Medium und Genre der Unterhaltungsindustrie. In seiner Selbstreflexivität thematisiert er in ironischer Weise die verschiedenen Mechanismen der Darstellung sowie der Darstellbarkeit überhaupt. Darüber hinaus wirft der Film allgemein die Frage über den Umgang mit Hitler und dem Nationalsozialismus, dem berüchtigten „Lachen“, auf. In der Bewertung und Deutung des Filmes aus wissenschaftlicher Perspektive wird ebenfalls meist die Meta-Ebene hervorgehoben. Margrit Frölich weist darauf hin, dass Brooks mit den Mitteln der Ironie „die Vereinnahmung Hitlers durch das Showbusiness“ aufzeigt.249 Eine solche Vereinnahmung findet jedoch definitiv bei Brooks selbst statt, der sich auch erhoffte, aus seinem ersten Spielfilm Kapital zu schlagen. In den grotesken Elementen des Filmes, die die Handlung, die Dialoge und Inszenierung betreffen, ist im Gegensatz zu Lubitsch keine eindeutig moralisierende Botschaft zu entdecken. So kann der Film eher der normalisierenden und banalisierenden Tendenz zugerechnet werden. Es sei Brooks jedoch explizit um eine solche Normalisierung gegangen. Laut Frölich wollte er eine Dekonstruktion des propagandistischen, sakralisierten und unantastbaren Hitler-Bildes vornehmen und eine neue Sichtweise anregen.250 Aus heutiger Perspektive steht fest, dass Brooks dies nachhaltig gelang.

249 Frölich, Tot, S. 24. 250 Ebd., S. 25. 69

Die lang anhaltende Wirkung von Brooks‘ Film liegt der kulturindustriellen Tendenz zu Grunde, ältere Stoffe und Klassiker neu zu verfilmen und für andere kulturelle Formen zu adaptieren. Im Sinne einer Remediation spannt sich ausgehend von Ernst Lubitsch und Mel Brooks ein kulturelles Netzwerk von Hitler-Darstellungen. Brooks produzierte im Jahr 1983 unter der Regie von Alan Johnson ein Remake von Lubitschs Sein oder Nichtsein (USA). Das satirische Stück aus dem Jahr 1942 bildet in der Sphäre des Theaters wie bereits angesprochen eine Dekonstruktion und einen Gegenentwurf zum propagandistisch inszenierten Hitler- Mythos. Mit dem „Hitler-Rap“ fügte Brooks in seinem Remake eine musikalische Note hinzu. Er trug somit nicht nur mit The Producers, sondern auch mit dem Remake zur Fortführung der Zerlegung dieses Bildes bei. Im Jahr 2001 ging Brooks noch einen Schritt weiter, als er seinen ursprünglichen Film aus dem Jahr 1968 für ein Musical adaptierte und ihn damit von der Leinwand auf die große Bühne brachte. Die Broadway-Produktion lief von 2001 bis 2007, gewann 12 Tony Awards und hält damit bis heute den Rekord in der renommiertesten Auszeichnung für Musicals. Dies führte schließlich auch zu Produktionen im deutschsprachigen Raum, wenngleich diese nicht immer eine ähnlich positive und große Rezeption fanden.251 Im Jahr 2005 kam es unter der Regie von Susan Stroman (geb. 1954), der Choreografin der Broadway-Produktion, mit einer Verfilmung des Musicals zu einer weiteren Neuauflage. Mel Brooks‘ Werk nimmt somit in der Geschichte der Darstellung Adolf Hitlers im Medium Film, aber auch darüber hinaus, einen besonderen Platz ein. Mit den verschiedenen Produktionen und Remakes war er maßgeblich an der von Alvin Rosenfeld kritisierten „Popularisierung und Kommerzialisierung Hitlers“252 beteiligt. In Bezug auf das Phänomen des gedächtnisproduktiven Erinnerungsfilmes und die plurimedialen Konstellationen macht sein Beispiel deutlich, wie unterschiedliche Medien und Kulturformen einen künstlerischen Stoff laufend wieder bespielen können und dadurch eine nahhaltige Wirkung über mehrere Generationen entfalten.

251 Elisabeth Richter, Tuntiger Hitler und steppender Stalin, in: Deutschlandfunk, 25.3.2019, [https://www.deutschlandfunk.de/the-producers-am-theater-osnabrueck-tuntiger-hitler- und.1993.de.html?dram:article_id=444560], eingesehen 29.6.2019; Die Produktion am Wiener Ronacher im Jahr 2008 wurde frühzeitig abgebrochen und an den Berliner Admiralspalast verlegt, Der Standard, „Producers“-Aus: Wiener Opposition übt deutliche Kritik, 21.11.2008, [https://derstandard.at/1227102725762/Producers-Aus- Wiener-Opposition-uebt-deutliche-Kritik], eingesehen 29.6.2019. 252 Alvin Rosenfeld, Ende des Holocaust, S. 36. 70

4.1.3 „Hitler-Welle“ der 1970er Mit seinem Film The Producers des Jahres 1968 leitete Mel Brooks die sogenannte „Hitler- Welle“ im darauffolgenden Jahrzehnt ein. Dies bedeutete einen großen Anstieg der künstlerischen, aber auch journalistischen Darstellungen über Adolf Hitler und damit eine verstärkte Präsenz im öffentlichen Raum. Wie Norbert Frei ausführt, sei dies auf einer internationalen Ebene das Resultat einer stärkeren wirtschaftlichen Nachfrage gewesen. Es habe neben dem bereits behandelten Werk von Mel Brooks eine Reihe populärer Bücher, Kinoproduktionen oder Fernsehserien gegeben. Als ein der intellektuellen kulturellen Sphäre zugeschriebenes Beispiel verweist Frei auf Helmut Qualtingers Lesung von Mein Kampf. In der Nichtbeachtung dieser satirischen Inszenierung zeigt sich erneut das Gefälle zwischen einer Hoch- und Populärkultur in der Bewertung einer Normalisierung oder Banalisierung im Feld der Komödie. Den Höhepunkt der Hitler-Welle setzt Frei mit dem Jahr 1977 an. Darin kam es zur Ausstrahlung zweier besonders umstrittener Filme: Hitler, ein Film aus Deutschland (BRD/F/GB) von Hans-Jürgen Syberberg (geb. 1935) und Hitler – eine Karriere (BRD) von Joachim Fest (1926–2006).253 Die Filme waren keine kritischen, subversiven Darstellungen gegen einen Hitler-Mythos. Im Gegenteil setzten sie diesen im Ausdruck einer Faszination eher fort. Unter diesem Eindruck schrieb Saul Friedländer wenige Jahre später sein Werk Kitsch und Tod und beschrieb damit den titelgebenden „Widerschein des Nazismus“. Er identifizierte mit den filmischen und literarischen Darstellungen ein „Aufkommen einer schwer definierbaren Faszination“ im Nazismus und Faschismus. Er warf die grundsätzliche Frage auf, wie diese Fixierung als „Starren auf die deutsche Vergangenheit“ zu deuten sei: „als nostalgische Träumerei, als Gier nach Spektakulärem, als notwendiger Exorzismus und/oder anhaltendes Bemühen um Verständnis“ oder gar als tiefe Angst oder Hoffnung? Mit diesem Diskurs verband er eine Beklommenheit und ein Unbehagen, die sich durch die Diskrepanz zwischen einer notwendigen moralischen Positionierung als antinazistisch und der Wirkung der Ästhetisierung ergaben.254

Die mit der Ästhetisierung einhergehende problematische Faszination als Teil eines ambivalenten Umgangs mit der NS-Vergangenheit ist insgesamt ein sehr komplexes und häufig diskutiertes Phänomen.255 Besonders die Werke von Fest und Syberberg stehen für den Beginn dieser Faszination und des Wiederauflebens eines Hitler-Mythos. Joachim Fests filmischer

253 Frei, Führerbilderwechsel, S. 145f. 254 Friedländer, Kitsch, S. 14f. 255 Vgl. für einen größeren Überblick Kap. IV.C Faszinosum Hitler, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 227– 242. 71

Dokumentation ging im Jahr 1973 seine Hitler-Biographie voraus. Im Umfang von 1190 Seiten steht diese wie kaum ein anderes journalistisches Werk für den Hitler-Mythos. In der vom Persönlichkeitskult geprägten Faszination klammerte sie durch eine Fokussierung auf Hitler den Holocaust jedoch größtenteils aus. Paradoxerweise habe genau dieses Buch das Bild Adolf Hitlers in der deutschen Öffentlichkeit stark mitgeprägt.256 Dies verwirklichte er in seinem Film vor allem durch die Verwendung von propagandistischem Bildmaterial. Damit übernahm er in der Ästhetik des Nationalsozialismus den mythisierenden und verherrlichenden Blick und die Symbolsprache der faschistischen Ideologie, ohne diese fundamental zu hinterfragen oder sich eindeutig davon zu distanzieren.257

Hans-Jürgen Syberbergs Hitler. Ein Film aus Deutschland verdeutlicht ebenfalls den von Faszination und Mythos gekennzeichneten Zugang, der diese gleichzeitig fortschrieb. Sonja Schultz bezeichnet dieses Werk in der Gesamtdauer von 440 Minuten als „ein überbordendes Welttheater mit Adolf Hitler im Zentrum aller Fantasien“.258 Der Begriff des „Welttheaters“ unterstreicht den weder fiktional-unterhaltsamen noch dokumentarisch-aufklärenden Anspruch. Er sei nämlich eine rein künstlerisch-ästhetisierende Deutung, die die Zuschauer*innen einmal mehr der Faszination und der Fantasien um Adolf Hitler aussetze.259 Interessanterweise war Susan Sontag, die in ihrem Essay „Fascinating Fascism“ die faschistische Ästhetik herausarbeitete, im Gegensatz zu deutschen Kritiken von Syberbergs Werk weniger stark abgeneigt. In ihrem Essay „Syberberg’s Hitler“ setzte sie sich mit dem Film auseinander und würdigte seine künstlerische Reflexivität als einzigartig für das Medium Film.260 Für die Werke von Fest und Syberberg und deren kontroverse Bedeutung ist noch hervorzuheben, dass diese auch als „Pornografisierung der Geschichte“ bezeichnet werden.261 In thematischer und stilistisch-ästhetischer Hinsicht stehen diese Repräsentationen somit zweifelsfrei für das Extrem der Monumentalisierung, das den Hitler-Mythos neu entfachte. Daher sind sie keineswegs mit einer kritisch-subversiven Darstellung in der Geschichts- und Erinnerungskultur zu verbinden.

256 Matthias N. Lorenz, Joachim C. Fest: Hitler. Eine Biographie, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 229–231, hier S. 229f.; Reichel, „Bruder Hitler“; S. 150f. 257 Frölich, Tot, S. 17; Schultz, Nationalsozialismus, S. 496; Frei, Führerbilderwechsel, S. 146. 258 Schultz, Nationalsozialismus, S. 496. 259 Reichel, „Bruder Hitler“, S. 151. 260 Sontag, Sign, S. 135-165; vgl. zu Sontag über Syberberg auch Friedländer, Kitsch, S. 16f.; Hans-Joachim Hahn, Syberberg-Debatte, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 232–234, hier S. 234. 261 Schultz, Nationalsozialismus, S. 496. 72

4.1.4 Holocaust-Filme als Zäsuren der Geschichtskultur und Erinnerungsboom Mit der Hitler-Welle der 1970er-Jahre kamen auch weitere Filme über das Ende des Diktators, wie beispielsweise Hitler – Die letzten zehn Tage (GB/I 1973) oder Der Bunker (USA 1981) mit Alec Guinness bzw. Anthony Hopkins in den Hauptrollen, auf. Mit der US-amerikanischen Fernsehserie Holocaust (1978/79) kann der Beginn eines filmischen Erinnerungsbooms mit diesem Jahrzehnt angesetzt werden. Die einschneidenden Produktionen der Geschichtskultur sollten in der Folge den Umgang mit der NS-Vergangenheit auf nachhaltige Weise prägen. Für die nächsten Jahre sind in diesem Zusammenhang mehrere filmische Zäsuren zu behandeln. Erstens die TV-Produktion Holocaust, zweitens Claude Lanzmanns Shoah (1985), drittens Steven Spielbergs Schindlers Liste (1993) und viertens Roberto Benignis Das Leben ist schön (1997). Wie deren Titel andeuten, nimmt Adolf Hitler im Gegensatz zu anderen bereits diskutierten Darstellungen hier keinen Platz ein. Stattdessen rücken sie die bislang weitgehend vernachlässigten Themen des NS-Terrors, der Verfolgung und des Genozides an den europäischen Jüdinnen und Juden auf unterschiedliche Weise ins Zentrum. Obwohl diese Filme folglich keine Beispiele für Hitler-Darstellungen sind, müssen sie aufgrund ihres großen Einflusses auf die filmische Behandlung der NS-Vergangenheit und allgemein auf die Geschichts- und Erinnerungskultur einbezogen und berücksichtigt werden.

Die US-amerikanische Serie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss wurde als Vierteiler für das Fernsehen produziert und in den USA erstmals im April 1978 ausgestrahlt. Während die deutschsprachige Premiere an vier Tagen im Januar 1979 erfolgte, zeigte der ORF die Mini-Serie in Österreich im März desselben Jahres. Unter der Regie von Marvin J. Chomsky (geb. 1929) waren unter anderem Meryl Streep, Rosemary Harris und James Woods in den Hauptrollen zu sehen. Der Film behandelt anhand der fiktionalen Familie Weiss die Entwicklung von der Ausgrenzung hin zum industriellen Massenmord an Jüdinnen und Juden. Die Serie ist damit dem Genre des historischen Spielfilms bzw. der filmisch-fiktionalen Rekonstruktion der Vergangenheit zuzuordnen. Dies schließt sämtliche Charakteristika eines solchen filmischen Erzählens von Geschichte ein. Zum Beispiel betrifft dies die Verwendung von Authentifizierungsstrategien für die Konstruktion eines Gefühls von „Echtheit“ und „Authentizität“. Zusätzlich ist der Fokus auf eine Familie ein typisches Merkmal. Durch die Einbettung in ein soziales Umfeld und ein politisches Setting behandelt ein personenzentrierter Zugang die Lebensgeschichten und (exemplarischen) Einzelschicksale. Die Serie wurde in Deutschland in den Dritten Programmen ausgestrahlt, hatte mit ca. 10 bis 15 Millionen

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Menschen pro Folge262 einen riesigen Publikumserfolg und eine erinnerungskulturelle Wirkung von außerordentlicher Tragweite. So steht sie als „Medienereignis“ heute für einen allgemein in der Forschung anerkannten Wendepunkt im Umgang mit der NS-Vergangenheit.263 Als „populärkulturelle und massenwirksame Aufklärung über NS-Verbrechen“ konfrontierte sie die deutsche Gesellschaft mit dem Thema des Genozids an den europäischen Jüdinnen und Juden und löste eine verstärkte Auseinandersetzung damit aus.264 In diesem Sinne habe auch ein Bruch mit dem Schweigen über die eigene Vergangenheit und ein Ende des jahrelangen Verdrängens stattgefunden. In den Worten von Georg-Michael Schulz hat die Serie „die Deutschen von der selbstverordneten Sprachlosigkeit befreit“.265 Das Erlangen der Sprachfähigkeit im Zuge der Serie ist auch in der Wirkung des als „Brandopfer“ zu übersetzenden und nicht unumstrittenen266 Begriffes „Holocaust“ ersichtlich. Von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Wort des Jahres“ 1979 erklärt, beeinflusste die Serie mit der Verbreitung des Begriffes in der Folge maßgeblich den Diskurs über die NS- Verbrechen.267 Ihre unermesslich große Wirkung drückt sich auch laufend in der wissenschaftlichen sowie populären Erinnerungskultur aus. So bildet sie für Frank Bösch als Ereignis von globalgeschichtlicher Bedeutung unter anderem neben der Revolution im Iran oder dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan einen Teil der „Zeitenwende 1979“.268 Zusätzlich gehört sie mit der zeitgerechten neuerlichen Fernsehausstrahlung zum 40-jährigen Jubiläum im Januar 2019 auch zum erinnerungskulturellen Turnus der medialen Öffentlichkeit.269 An der herausragenden Dimension der Serie für das kollektive Gedächtnis und den Umgang mit der Vergangenheit besteht somit kein Zweifel.

Holocaust war allerdings auch mit Vorwürfen einer Fiktionalisierung, Trivialisierung und Kommerzialisierung konfrontiert. In dieser Hinsicht löste die Serie auch eine Debatte über die

262 Korte/Paletschek, Geschichte, S. 36. 263 Raul Jordan, Konfrontation mit der Vergangenheit. Das Medienereignis Holocaust und die Politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. 2008; Bösch, Film, S. 4; Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 158; Korte/Paletschek, Geschichte, S. 36. 264 Ute Janssen, Holocaust-Serie, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 268–270, hier S. 268f. 265 Georg-Michael Schultz, Docu-Dramas – oder: Die Sehnsucht nach der ‚Authentizität‘. Rückblicke auf Holocaust von Marvin Chomsky und Schindlers Liste von Steven Spielberg, in: Wende (Hrsg.), Geschichte, S. 159–180, hier S. 171. 266 Vgl. zur Problematik des Begriffes „Holocaust“ exemplarisch Iris Roebling-Grau/Dirk Rupnow, Einleitung, in: Dslb. (Hrsg.), Kunst, S. 9–15, hier S. 9. 267 Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., o. D., [https://gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/], eingesehen 29.6.2019; Janssen, Holocaust-Serie, S. 270. 268 Frank Bösch, Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann, München 2019, S. 363–395. 269 Tobias Schrörs, Die Erschütterung. ARD-Sender zeigen „Holocaust“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2019, [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/serien/ard-sender-wiederholen-die-amerikanische- serie-holocaust-15972921.html], eingesehen 4.10.2019. 74

Fragen der künstlerischen Repräsentation und der Darstellbarkeit des industriellen Massenmordes aus. In diesem Diskurs geht es um ein „Bilderverbot“, demzufolge in Anbetracht der (un-)moralischen Implikationen eine Unmöglichkeit und Unverantwortbarkeit der Visualisierung des Genozides anerkannt und sämtliches fiktionales Nachstellen von Bildern abgelehnt wird. Es gehe dabei essentiell um „das Dilemma zwischen angemessenem und massenwirksamen Erinnern“, welches – wie bereits mehrmals angedeutet wurde – sich oftmals im Konflikt zwischen Hoch- und Populärkultur austrage270 und sich vor allem im filmischen Medium zuspitzt. Als einer der wohl bekanntesten Vertreter eines solchen Bilderverbotes gilt der französische Filmemacher Claude Lanzmann (1925-2018), der mit seinem neunstündigen Dokumentarfilm Shoah (F 1985) gewissermaßen eine direkte Reaktion zur Serie Holocaust lieferte. Dieser stellt ebenfalls einen Meilenstein der medialen Erinnerungskultur dar und kann als Gegenstück zu Holocaust einer intellektuellen, hochkulturellen Seite zugeordnet werden. In ihrem Beitrag im Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ ordnet Catrin Correll das Werk von Lanzmann in einer fundierten Beschreibung in den größeren Kontext der Geschichts- und Erinnerungskultur ein und setzt die Dokumentation in Beziehung zu anderen Werken. Lanzmann grenze sich im gewählten Titel mit dem im Vergleich zum „Holocaust“ weniger umstrittenen Begriff der „Shoah“ („Katastrophe“) bereits von der erfolgreichen und massenwirksamen Mini-TV-Serie ab. In der Dokumentation sei es seine Absicht, einzig und allein durch das Filmen von Gesprächen mit Zeitzeug*innen und Erinnerungsorten ein Gefühl für die „Katastrophe“ zu vermitteln. Dies bedeute demnach eine Darstellung frei von künstlich erzeugten Emotionen in einem fiktional nachgestellten, immersiven Spielfilm oder einem auf Archivmaterial aufbauenden, die Schreckensbilder reproduzierenden klassischen Dokumentarfilm. Durch die Fokussierung auf Zeitzeug*innen und historische Orte sei Lanzmanns Auseinandersetzung in erster Linie eine Thematisierung von Zeugenschaft.271 Da Zeitzeugengespräche stets auch Erzählungen sind und sich dadurch zwangsläufig auch schwierige Fragen von „Echtheit“ und „Authentizität“ oder die nicht zu vermeidende Präsenz, Intervention und Inszenierung des Interviewers oder Interviewerin ergeben, blieb Shoah wiederum nicht ohne Kritik. So sei vor allem Lanzmanns Art und Weise, die Interviews mit den Opfern und Überlebenden zu führen, teilweise als besonders hartnäckig, empathielos und unangebracht empfunden worden. Laut Correll hätten Kritiker*innen diese „als eine die Überlebenden verratende Indiskretion, sogar als Vergewaltigung und als Folter für Zeitzeugen

270 Janssen, „Holocaust“-Serie, S. 269. 271 Catrin Correll, Shoah, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 270–272, hier S. 270f. 75 und Zuschauer“ eingestuft. Nichtsdestotrotz war Lanzmanns Werk sehr prägend für die Darstellungsgeschichte und die mediale Erinnerungskultur. Er habe Debatten über die Wirkkraft von historischen Orten der Erinnerung sowie die Bedeutung von Zeugenschaft angeregt, auf welche spätere Produkte der Geschichtskultur immer wieder Bezug nahmen.272

Dies trifft zweifelsfrei auf Steven Spielbergs (geb. 1946) mit sieben Oscars ausgezeichneten Film Schindlers Liste (USA 1993) zu. Im Spannungsfeld zwischen massenwirksamem Anspruch durch Fiktionalisierung in Holocaust und der Fokussierung auf die Zeugenschaft der Orte und der Menschen in Shoah nimmt Spielbergs Film eine Zwischenposition ein. Auf historischen Fakten basierend bewegte sich der Film von Grund auf in anderen Dimensionen als die fiktive „Geschichte der Familie Weiss“. Dazu versuchte er, im Rahmen von Authentifizierungsstrategien an Elemente der Zeugenschaft anzuknüpfen. Zum Beispiel betraf dies die Einbeziehung der Nachkommen der Überlebenden am Ende des Filmes oder die vereinzelte Verwendung von Originalschauplätzen, den Erinnerungs- bzw. Tatorten, als Drehorte. Der Film hatte wohl auch durch das überaus erfolgreiche Abschneiden bei den Oscarverleihungen 1994 großen internationalen Erfolg. Andererseits drehten sich die Kontroversen und Kritiken wie zuvor um die Fiktionalisierung, Trivialisierung und Darstellbarkeit des Genozids sowie die Angemessenheit historischen Erzählens im Medium Film.273 Jedenfalls gilt Schindlers Liste bis heute als weiterer Meilenstein in der filmischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, dem Terror, der Verfolgung und der Ermordung von Jüdinnen und Juden. Für Frank Bösch wurde damit die Frage der Authentizität zu einem wesentlichen Maßstab von historischen Spielfilmen. Spielbergs Produktion habe auch großen Einfluss auf die Geschichtswissenschaft gehabt, da die besetzten Gebiete Polens und Osteuropas mehr in den Blick der historischen Forschung gerückt seien. Zusätzlich habe die überwiegend positive Rezeption gezeigt, dass Film nun als legitimes Medium für die Beschäftigung mit der Vergangenheit anerkannt sei, womit auch ein Ende des Bilderverbotes einherging.274

Eine weitere Zäsur im Genre des Holocaust-Filmes stellte im Jahr 1997 die italienische Produktion Das Leben ist schön von Regisseur und Hauptdarsteller Roberto Benigni (geb. 1952) dar. Dieser vielfach ausgezeichnete und sehr erfolgreiche Film war insofern ein Einschnitt, als er das Thema der Shoah auf komödiantische Art und Weise aufbereitete. Dafür

272 Correll, Shoah, S. 272. 273 Jörg Glasenapp, Schindlers Liste, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), S. 281–282, hier S. 281. 274 Bösch, Film, S. 17-20. 76 erntete er ohne Frage auch viel Kritik und löste erneut Debatten über die Fiktionalisierung, Trivialisierung und Darstellbarkeit aus. Dabei wurde oft außer Acht gelassen, dass der Film keine rein humoristische Ausbeutung und pauschale Verharmlosung ist, sondern als tragikomische Abhandlung bewusst den Umgang mit dem Schrecken der historischen Ereignisse thematisiert. Während Holocaust oder Schindlers Liste den Genozid selbst behandelten und damit diese Geschichte vermittelten, geht es Das Leben ist schön um die Frage des Umgangs mit dieser Vergangenheit und setzt das Wissen darum voraus. In der Handlung zeigt sich dies in der Rolle des jüdischen Italieners Guido (Roberto Benigni). Nachdem Guido und seine Familie in ein Konzentrationslager deportiert wurden, versucht er, seinen Sohn Giosuè vor den Schrecken im KZ zu bewahren, indem er ihm die Illusion eines Spieles vorgaukelt. In seinem tragikomischen Ansatz steht Das Leben ist schön gemeinsam mit Der Zug des Lebens (RUM/F 1998) für einen neuen Zugang in der Darstellung. Damit kam es in der Öffentlichkeit zu einer Konsensverschiebung hin zur Möglichkeit der fiktionalisierten Erzählung und der Etablierung des Genres der „Holocaust-Komödie“.275 Davon ausgehend identifizierte Matthias Lorenz 2003 den Trend, dass die Shoah in Kunst und Kultur vermehrt aus ihrem historischen Kontext herausgelöst werde. Der Holocaust sei zu einem „sinnentleerten Zitat“, einem „Baustein massenkompatibler Erzählungen reduziert worden, auf die Kulturindustrien wie das Hollywoodkino angewiesen sind“.276 Dies zeige sich im Rückgriff auf die Ikonografie des Holocaust oder in seiner Verwendung als Handlungsmotiv ohne jeglichen historischen Bezug, wie zum Beispiel im Animationsfilm Chicken Run – Hennen rennen (GB 2000) oder im Buch Harry Potter und die Kammer des Schreckens.277 Zu letzterem kann dazu mittlerweile auch die Buchverfilmung (GB/USA 2002) bzw. das gesamte von J.K. Rowling geschaffene und zum weltweiten Kulturphänomen gewordene Harry Potter-Universum ergänzt werden.278 Ausgehend von „Holocaust-Komödien“ wie Das Leben ist schön fand damit eine ständige Transformation der kulturellen Darstellung des Genozides an den Jüdinnen und Juden statt, die zu den unterschiedlichsten Formen der Remediation führte.

275 Knäpple/Lorenz, Holocaust, S. 353; Wende, Medienbilder, S. 20; vgl. auch Frölich/Loewy/Steinert (Hrsg.), Lachen. 276 Matthias N. Lorenz, Der Holocaust im Zitat. Tendenzen im Holocaust-Spielfilm nach Schindler’s List, in: Kramer (Hrsg.), Shoah im Bild, S. 267–296, hier S. 274; siehe auch „empty signifiers“ bei Rosenfeld, Hi Hitler, S. 24. 277 Lorenz, Holocaust im Zitat, S. 272ff. 278 Vgl. dazu Noemi Wörmer, From House-Elves to Pure-Bloods. Racism and Racial Stereotypes in Harry Potter, Dipl., Innsbruck 2018. 77

Diese Meilensteine der Filmgeschichte verdeutlichen die Vernetzungen der geschichts- und erinnerungskulturellen Diskurse, der medialen Öffentlichkeit und der Geschichtswissenschaften auf einzigartige Weise. Sie zeigen auf, wie im Medium Film einerseits Gedächtnis und Erinnerung produziert und andererseits reflektiert wurden. Mit Holocaust, Shoah, Schindlers Liste und Das Leben ist schön ist ersichtlich, wie Filme in einem diskursiven Raum Fragen der Darstellbarkeit verhandeln, sich aufeinander beziehen und ein dynamisches und komplexes Netzwerk der medialen Verarbeitung von Geschichte spannen. Gleichzeitig lässt sich an ihnen ein Wandel der Grenzen der Darstellbarkeit ablesen, der für eine Normverschiebung im gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit und für das breite Spektrum an möglichen Darstellungsformen steht.

4.1.5 „Hitler sells“ – Guido Knopps Geschichtsfernsehen Im Netzwerk der medialen und kulturellen Repräsentationen Adolf Hitlers sowie im Kontext des Erinnerungsbooms nimmt Guido Knopp (geb. 1948) mit seinem Geschichtsfernsehen im deutschsprachigen Raum eine besonders zentrale Stellung ein. In der Entwicklung „vom Beschweigen zum medialen Vollprogramm“279, welche mit der TV-Serie Holocaust ihren Anfang nahm, ist der Name und Beitrag Guido Knopps nicht wegzudenken. Ausgehend von Holocaust habe laut Korte und Paletschek nämlich das deutsche Fernsehen, speziell das ZDF, das Potential von Geschichte für die Steigerung der Einschaltquoten entdeckt. Damit sei das Fernsehen vor allem ab den 1980er-Jahren zum bereits angesprochenen anerkannten Leitmedium der Geschichtskultur geworden.280

Mit der Gründung der Redaktion Zeitgeschichte im ZDF unter Guido Knopp im Jahr 1984 forcierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Vermittlung von Geschichte in Form von Dokumentationen. Vor allem ab der Mitte der 1990er-Jahre fand eine inhaltliche Fokussierung und regelrechte Dauerthematisierung um Adolf Hitler und das Dritte Reich statt. Guido Knopp brachte mit seinem Programm das Genre der Geschichtsdokumentationen ins Zentrum des Fernsehalltags, nämlich in die Primetime und damit weg von der medialen Peripherie und einem Randdasein. Mit Einschaltquoten von bis zu durchschnittlich rund sieben Millionen Zuseher*innen pro Folge sei die Serie Hitlers Helfer (1997) eine der erfolgreichsten überhaupt

279 Gerhard Paul, Holocaust - Vom Beschweigen zur Medialisierung. Über Veränderungen im Umgang mit Holocaust und Nationalsozialismus in der Mediengesellschaft, in: Gerhard Paul/Bernhard Schoßig (Hrsg.), Öffentliche Erinnerung und Medialisierung des Nationalsozialismus. Eine Bilanz der letzten dreißig Jahre, Göttingen 2010, S. 15–38, hier S. 16. 280 Korte/Paletschek, Geschichte, S. 36. 78 gewesen. Weitere Produktionen, die die Fokussierung auf Hitler ausdrücken, sind zum Beispiel die zweite Staffel von Hitlers Helfer (1998) und die Serien Hitlers Krieger (1998), Hitlers Kinder (2001), Hitlers Frauen (2001) oder Hitlers Manager (2004). Knopp sei laut Astrid Schwabe bemüht gewesen, mit der Behandlung der Vergangenheit eine nationale Identität Deutschlands zu konstruieren, in welcher Hitler und der Holocaust einen wesentlichen Platz einnehmen sollten. Allerdings habe die intensive und auf Hitler zentrierte Auseinandersetzung kaum eine selbstkritische und umfassende selbstreflexive Hinterfragung zugelassen. Die Rolle der Gesamtbevölkerung im Nationalsozialismus und die Themen von Schuld oder Verantwortung sein außen vor geblieben. So könne das Geschichtsfernsehen als Teil eines „neuen deutschen Opferdiskurses“ angesehen werden, der in der Konzentration auf Hitler teilweise eine Dämonisierung darstellte, womit stets eine Entlastung der Bevölkerung verbunden ist.281 Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb waren die Produktionen der Redaktion Zeitgeschichte sehr populär. Die „Marke“ Guido Knopp steht somit in enger Verbindung mit der Phrase „Hitler sells“.282 Sie drückt die Kommerzialisierung der historischen Persönlichkeit und das Bewusstsein um ihre Bedeutung als Quotenbringer aus, was seitdem unweigerlich bei jeder neuerlichen Vereinnahmung Hitlers mitschwingt und den Diskurs darüber prägt. In diesem Sinne lässt sich die dokumentarische Dauerthematisierung Hitlers im Fernsehen in eine zweite Hitler-Welle der 1990er- und 2000er-Jahre einordnen. Diese habe nach Sonja Schultz vor allem eine „Personalisierung und Intimisierung der Geschichte“ betrieben.283

4.1.6 Zweite Hitler-Welle nach der Jahrtausendwende Für diese zweite Hochkonjunktur der Behandlung Adolf Hitlers rückt das Medium des Spielfilmes wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Zentrale Beispiele sind Filme nach 2000, etwa Hitler – Der Aufstieg des Bösen (2003) oder Der Untergang (2004). Als Fokussierung auf Adolf Hitler bzw. die gesamte NS-Führungsriege stehen diese sinnbildlich für die Personalisierung und Intimisierung der Geschichte.

Die US-amerikanische und kanadische Co-Produktion Hitler – Der Aufstieg des Bösen deutet bereits im Titel eine Dämonisierung und daher stark moralisierende Tonart an. Unter der Regie von Christian Duguay (geb. 1957) erzählt der im Fernsehen in zwei Teilen ausgestrahlte Film

281 Astrid Schwabe, Geschichtsfernsehen im ZDF, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 366–370, hier S. 366ff. 282 Karsten Linne, Hitler als Quotenbringer. Guido Knopps mediale Erfolge, in: 1999: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 17 (1999), H. 2, S. 90–101, hier S. 90. 283 Schultz, Nationalsozialismus, S. 497. 79 den Werdegang Hitlers (Robert Carlyle) von der frühen Kindheit, seiner Zeit in Wien, dem Ersten Weltkrieg und dem darauffolgenden Beginn seiner politischen Karriere bis hin zur „Machtergreifung“ im Jahr 1933. In seiner detaillierten Analyse des Filmes beschreibt Gavriel Rosenfeld die durchgehend dämonisierende und moralisierende Darstellung. Der Film als Text stehe dabei in einem ganz besonderen Verhältnis zu seinem Entstehungskontext. In der unmittelbaren post-9/11-Ära weise der Film in seiner inhaltlichen Ausrichtung der Dämonisierung mehrere Parallelen zum damaligen internationalen Politikgeschehen und zu seinen wesentlichen Akteuren auf. Konkret betrifft dies den Terrorismus und den Irakkrieg sowie das von US-Präsident George W. Bush geprägte Schlagwort der „Achse des Bösen“. So habe es in den Diskursen der Rezeption des Filmes diverse Vergleiche gegeben. Zum Beispiel wurde eine Analogie zwischen Hitlers Aufstieg und der Gefahr eines beschwichtigenden Umgangs mit Saddam Hussein oder Al-Qaida hergestellt. In eher liberaleren politischen Kreisen wurden andererseits auch Vergleiche zwischen Hitler und Bush selbst gezogen.284 Dieses Beispiel zeigt bereits sehr gut, wie die von Rosenfeld beschriebenen Praktiken der Universalisierung und Relativierung als Teil der Normalisierung maßgeblich den politischen und gesellschaftlichen Diskurs über historische Darstellungen bzw. Geschichte allgemein prägen. In Bezug auf die filmische Darstellung Adolf Hitlers erweist sich Der Aufstieg des Bösen aufgrund der eindeutigen Dämonisierung als Ausnahme zur Regel, die laut Rosenfeld vom allgemeinen Anstieg normalisierender und banalisierender Repräsentationen gekennzeichnet sei.285

In starkem Kontrast dazu steht der von Bernd Eichinger (1949-2011) produzierte und von Oliver Hirschbiegel (geb. 1957) inszenierte Film Der Untergang aus dem Jahr 2004. In seiner inhaltlichen Ausrichtung auf das Ende des Dritten Reiches und den Führerbunker als zentralem Handlungsort knüpfte er an frühere Filme wie Pabsts Der letzte Akt (1955) oder die internationalen Produktionen Hitler – Die letzten zehn Tage (1973) und Der Bunker (1981) an. Hirschbiegels Film thematisiert die letzten Kriegstage in Berlin anhand einer Vielzahl von Personen. Im Mittelpunkt stehen dabei die gesamte NS-Führungsriege, der politische und militärische Machtapparat sowie die privaten, persönlichen und zwischenmenschlichen Dimensionen im Chaos der Schlussphase des Dritten Reiches. Der Film zeigt neben den Kriegshandlungen auch den schlichten Wahnsinn der verschiedenen Nationalsozialist*innen, wie etwa die Ermordung der Kinder von Magda und Joseph Goebbels oder diverse Selbstmorde,

284 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 241-246. 285 Ebd., S. 241. 80 darunter indirekt auch jenen von Adolf Hitler (Bruno Ganz) und Eva Braun (Juliane Köhler). Der Film war insgesamt ein großes Medienereignis mit einem enormen Publikumserfolg auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. In starkem Gegensatz zur Popularität des Filmes stehen seine Bewertung und Einschätzung im Rahmen der zeithistorischen und kulturwissenschaftlichen Forschung. Der Film ist deshalb wohl einer der meist kritisiertesten und umstrittensten Filme über die NS-Vergangenheit überhaupt und gilt insofern als Meilenstein der Filmgeschichte. Die Kontroversität des Filmes bezieht sich auf eine Reihe verschiedener Aspekte. Grundsätzlich können dafür die Rahmenbedingungen des Filmes genannt werden. Dazu zählen unter anderem das Drehbuch und die verwendeten Authentifizierungsstrategien. Sie gehen im Wesentlichen zum einen auf das Buch Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches (2002) des umstrittenen und bereits im Zuge der ersten Hitler-Welle diskutierten Joachim Fest zurück. Zum anderen basieren sie auf Erinnerungen von Zeitzeug*innen, allen voran Hitlers Sekretärin Trauld Junge (1920-2002). Junge war interessanterweise bereits bei Pabsts Film Der letzte Akt beratend beteiligt, wurde dort aber noch nicht selbst verkörpert. Für Der Untergang war sie insofern besonders prägend, als ihre Erinnerungen den Film umrahmten und sie – verkörpert von Alexandra Maria Lara – eine der Protagonist*innen darstellt. Das Naheverhältnis von Zeitzeug*innen wie Junge und die Betonung ihrer Perspektive im Film ist offensichtlich ein Hauptaspekt der wissenschaftlichen Kritik.286 Joachim Fest steht wiederum für einen von Faszination und Monumentalisierung geprägten Zugang, der den Hitler-Mythos fortschrieb anstatt ihm kritisch gegenüberzutreten. Aus dieser Kombination ergibt sich die Personalisierung und Intimisierung Hitlers. Die Darstellung des Diktators in seinem persönlichen, privaten, intimen und menschlichen Umfeld kann als Normalisierung und Banalisierung schlechthin angesehen werden. Anstelle einer Repräsentation als böser „Dämon“ oder „Monster“ verlor Hitler durch den Film seinen „Schrecken“ und wurde humanisiert, was vielfach kritisiert wurde.287 Andere Stimmen sahen dies weniger problematisch, wie etwa Ian Kershaw oder Aleida Assmann. Letztere erkennt gerade in der Normalisierung eine Auflösung der mythologischen Verbindung zwischen Volk und Führer und eine Dekonstruktion des Hitler-Mythos.288 Darüber hinaus gilt die

286 Hendrik Buhl, Der Untergang, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 360–363, hier S. 360. 287 Frölich/Schneider/Visarius, Vorwort, S. 10; Reichel, „Bruder Hitler“, S. 151; Rosenfeld, Hi Hitler, S. 256; Erk, Banalisierung, S. 20. 288 Ian Kershaw, The human Hitler, in: The Guardian, 17.9.2004, [https://www.theguardian.com/film/2004/sep/17/germany], eingesehen 30.6.2019; Aleida Assmann, Lichtstrahlen in die Black Box. Bernd Eichingers Der Untergang, in: Frölich/Schneider/Visarius (Hrsg.), Das Böse, S. 45–55, hier S. 51f. 81 personalisierte und auf das Ende des Dritten Reiches fokussierte Perspektive als weiterer zentraler Kritikpunkt. In der Behandlung eines kleinen Kreises von Akteur*innen bleiben die Rolle und die Verantwortung der Gesamtbevölkerung weitgehend außen vor, was ebenfalls mit einem „neuen deutschen Opferdiskurs“ einhergehe.289 Dieser Mythos der Opferschaft hängt auch mit der teilweisen Umdeutung und Verfälschung einzelner Personen zusammen. Im Film betrifft dies vor allem Albert Speer und die Fortsetzung des um seine Person entstandenen Mythos.290 Dieser sei in der breiteren Öffentlichkeit erst im Zuge der Diskussionen um Heinrich Breloers im Fernsehen ausgestrahltes Dokudrama Speer und Er (D 2005) gebrochen worden.291

Für Der Untergang und seine Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist noch festzuhalten, dass er durch seine breite internationale Rezeption, darunter eine Oscarnominierung als Bester Fremdsprachiger Film, auch stark zur Normalisierung Hitlers auf einer globalen Ebene beitrug. Ausgehend von einer Szene im Bunker wurde Hitler gewissermaßen zu einem popkulturellen Phänomen, das im Abschnitt über die NS- Vergangenheit im Internet noch angesprochen wird. Über die zweite Hitler-Welle um die Jahrtausendwende ist zusammenzufassen, dass die mediale und kulturelle Omnipräsenz Hitlers mit Hirschbiegels Der Untergang einen neuen Höchststand erreichte. Spätestens mit diesem Medienereignis wurden historische Spielfilme als Raum zwischen allgemeiner Öffentlichkeit und Wissenschaft zu einem relevanten Untersuchungsgegenstand der zeitgeschichtlichen Forschung und sind aus dem gesamten wissenschaftlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken.

4.1.7 Anything goes – Hitler als Kunstfigur Mit der starken Normalisierung und der Darstellung Adolf Hitlers als Mensch in seinem intimen, persönlichen Umfeld des Führerbunkers bereitete Der Untergang als Zäsur den Boden für spätere filmische Repräsentationen. Diese unterscheiden sich jedoch sehr stark von vorangehenden Filmen und Dokumentationen, die im Sinne von Margrit Frölichs grundsätzlicher Unterscheidung zweifelsfrei der Strömung des Realismus und der „ernsthaften Auseinandersetzung“ zuzuschreiben sind. Im Gegensatz dazu steht der „respektlose, subversive Umgang“ mit dem Ziel der Demaskierung Hitlers durch die Mittel der Satire und der Karikatur.292 Diesem zweiten Zugang folgend bilden einige bekannte Beispiele eine

289 Vgl. Linne, Quotenbringer, S. 90; Bösch, Film, S. 24. 290 Buhl, Untergang, S. 361. 291 Nicole Colin, Albert Speer: Erinnerungen, in: Fischer/Lorenz (Hrsg.), Lexikon, S. 227–229, hier S. 229. 292 Frölich, Tot, S. 13. 82 unmittelbare Reaktion auf die von Faszination und Hitler-Mythos geprägte Nahaufnahme in Der Untergang. In den letzten Jahren trugen diese in Verbindung mit der Onlinevideo-Kultur zur verstärkten Herausbildung Hitlers als mediale „Kunstfigur“ und zum Bruch sämtlicher bestehender Grenzen der Darstellbarkeit bei.

Inwiefern Der Untergang zu einem einschneidenden Medien- und Filmereignis und einer nachwirkenden Repräsentation der NS-Zeit und Adolf Hitlers wurde, zeigt sich am Beispiel des Filmemachers und Schauspielers Dani Levy (geb. 1957). Geprägt durch seine jüdische Herkunft behandelte der Schweizer in seinen Spielfilmen oftmals jüdische Protagonist*innen in ihren Lebenswelten, wie zum Beispiel in Meschugge (1998) oder in der Komödie Alles auf Zucker! (2004). In einem Interview mit der taz sprach er gegen Ende des Jahres 2004 über das „Lachen über Hitler“, die Ambivalenzen von einem spezifisch jüdischen Humor, der als besonders subversiv gelte, und auch konkret über Der Untergang und die Darstellung Hitlers. Die Klassiker wie Mel Brooks‘ The Producers oder Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein beschrieb er als für ihn persönlich sehr bedeutsame Filme, die es auf meisterhafte Weise schafften, dem Schrecken der Vergangenheit humoristisch zu begegnen, ohne in Geschmacklosigkeiten zu verfallen. Auf die Frage, ob er es sich zutraue, selbst solche Filme zu gestalten, antwortete er, dass er gerne einen „humoristischen Antifilm“ zu Der Untergang gemacht hätte. Er sei allerdings „nicht schnell genug“ gewesen und habe zu wenig Zeit gehabt, sodass er ein bereits angefangenes Drehbuch nicht weiter verfolgt habe.293 Im Jahr 2007 kam jedoch Levys Film Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (D) heraus. Bereits im Untertitel verdeutlicht dieser mit der ironischen Betonung der „wirklich wahrsten Wahrheit“ den Kontrast zu den früheren Geschichtsspielfilmen, welche um Authentizitätssignale bemüht sind und eine scheinbar historische „Wahrheit“ vermitteln wollen. So knüpft er als Parodie offensichtlich an vorangehende, für Levy prägende Filme an und bildet schließlich sein komödiantisches Gegenstück zu Der Untergang. Im Kern behandelt der Film das fiktive Verhältnis des jüdischen Professors und erfolgreichen Schauspielers Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe) zu Adolf Hitler (Helge Schneider). Da Hitler seine rhetorischen Fähigkeiten wegen seines schlechten Gesundheitszustandes verloren hat, holt die NS-Führung im Dezember 1944 Grünbaum aus dem KZ Sachsenhausen. Dieser solle Hitler „heilen“ und für eine anstehende Propagandarede wieder tauglich machen, was Grünbaum unter der Bedingung der Freilassung seiner Familie auch versucht. In der finalen Sequenz der Rede erweist sich

293 Philipp Gessler, „Jüdischer Humor kennt kein Tabu“, in: taz – Die Tageszeitung, 27.12.2004, [https://taz.de/!657018/], eingesehen 1.7.2019. 83

Hitler schließlich doch als unfähig, weshalb Grünbaum vom Publikum unbemerkt unter dem Podest dem nur vortäuschenden Diktator seine Stimme geben und die Rede verlesen solle. Nach kurzer Zeit entschließt sich Grünbaum aber, vom eigentlichen Text abzuweichen und Hitler mit intimen Details vor dem Publikum bloßzustellen. Einzelne NS-Führungspersonen reagieren darauf, indem sie Grünbaum erschießen. Am Ende explodiert das Podium durch eine von Goebbels platzierte Bombe. Als erste deutsche Komödie über Adolf Hitler pflichtete Gavriel Rosenfeld dem Film eine gewisse Neuheit bei. So habe er Debatten über die Möglichkeit des „Lachens über Hitler“ ausgelöst. In seiner Analyse hebt Rosenfeld das ambivalente Ende und die unterschiedlichen Deutungen des Filmes als teilweise normalisierend sowie moralisierend hervor.294 Die von Hirschbiegel in Der Untergang durchgeführte Entdämonisierung versuchte Levy durch eine groteske Darstellung weiterzuführen und im Absurden zu unterminieren. Auf diese Weise kam er seinem ursprünglichen, im Jahr 2004 geäußerten Wunsch nach, ein humoristisches Gegenstück zu Der Untergang zu schaffen. Er wollte damals „die Vermenschlichung dieser nationalsozialistischen Monster oder Bürokraten – wie auch immer – weiter treiben“.295 Mit Mein Führer gelang ihm dies zweifellos. Aus heutiger Perspektive war Levys Film als erste deutsche Komödie über Adolf Hitler eine wesentliche Station in der Entwicklung der historischen Persönlichkeit hin zu einer medial entleerten künstlerischen Figur. So ist er ein Beispiel für eine bewusst kontrafaktische Inszenierung, die die historischen Ereignisse und Persönlichkeiten nicht mehr in einem realistischen, sondern in einem absurd- subversiven Zugang behandelte. In dieser Hinsicht war Levys Mein Führer zwar keine absolute Neuheit, doch war damit die Tendenz, Hitler filmisch zu parodieren, im deutschsprachigen Raum nun endgültig etabliert.

Die Hitler-Parodie als Genre bzw. als wiederkehrendes Motiv wurde vor allem im Bereich der Komödie immer wieder rezipiert. In der aus ihrem historischen Kontext herausgelösten Repräsentation als Kunstfigur erinnert sie an das von Lorenz beschriebene „sinnentleerte Zitat“ als Tendenz des Holocaust-Filmes.296 Analog dazu wird die historische Persönlichkeit Adolf Hitlers zu einem typischen künstlerischen Stilmittel, einem stock character der Komödie oder des Trash-Filmes. Das zeigt sich zum Beispiel in den deutschen Komödien Der Wixxer (2004) und seiner Fortsetzung Neues vom Wixxer (2007). Diese machen als Parodien der Edgar- Wallace-Verfilmungen mit dem Charakter des Alfons Hatler (Christoph Maria Herbst) auch

294 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 270–280. 295 Gessler, „Jüdischer Humor“. 296 Lorenz, Holocaust im Zitat, S. 24. 84 von Hitler als entkontextualisierter (Neben-)Figur Gebrauch. Zusätzlich ist die deutsche Fernsehsendung Switch reloaded (2007-2012) zu nennen. Diese parodierte die deutsche Fernsehlandschaft und darunter auch die Comedy-Serie Stromberg (2004-2012) mit Christoph Maria Herbst in der Titelrolle. Sie war die deutschsprachige Adaption der britischen Serie The Office und porträtierte im Mockumentary-Stil, einer dokumentarischen Anschein erweckenden fiktionalen Inszenierung, den Alltag in einem Büro. Switch reloaded versetzt diese Handlung und das dortige Setting, die mit der Zeit des Nationalsozialismus in keiner Weise in Verbindung stehen, ins Dritte Reich und auf den Obersalzberg. Hier zeigt ein Fernsehteam „mit der Kamera den Büroalltag des Adolf Hitler“.297 In der von Michael Kessler verkörperten Hitler- bzw. Stromberg-Parodie offenbart sich die Entkontextualisierung der historischen Persönlichkeit. Der Kontext der NS-Vergangenheit und des Dritten Reiches wird damit zum austauschbaren Rahmen für Komödien, Parodien und Satiren. Insgesamt gibt es eine Vielzahl solcher Beispiele. Darüber hinaus lassen sich im Bereich des Horror-, Science-Fiction- oder Trashfilmes diverse Verwendungen und Bezüge zur NS-Vergangenheit finden. Sonja Schultz lässt dabei erkennen, dass der Nationalsozialismus in solchen Genres bereits seit längerem ein gängiger Gegenstand war, nach der Jahrtausendwende aber umso stärker zugenommen hat. Ein von ihr genanntes Beispiel aus den letzten Jahren ist die finnische Produktion Iron Sky (2012) von Timo Vuorensola.298 Diese Sci-Fi-Komödie baut ebenfalls auf satirische Bezüge zu Nationalsozialismus und Adolf Hitler und bekam im Jahr 2019 in Iron Sky: The Coming Race eine Fortsetzung. Diese Beispiele verdeutlichen, wie Adolf Hitler und der Nationalsozialismus in kulturellen Produktionen zu einem beliebig gestaltbaren und breit rezipierten Gegenstand wurden.

Der Bruch sämtlicher Tabus und die Einschätzung, dass nun alles möglich ist, zeigten sich im wissenschaftlichen Diskurs schließlich in der Rezeption des Filmes Inglourious Basterds (USA/D 2009). Quentin Tarantinos (geb. 1963) Alternativgeschichte über das frühzeitige Ende der NS-Führungsriege durch eine Geheimmission und die Gruppe der titelgebenden jüdischen Rächer sorgte für Skandale, Kontroversen und vielfache Diskussionen.299 Neben der postmodernen Selbstreflexivität, welche ein „authentisches“ Erzählen von Geschichte im

297 ProSieben, Switch Reloaded. Obersalzberg, o.D., [https://www.prosieben.at/tv/switch-reloaded/videos-von-a- bis-z/obersalzberg-1-3336343], eingesehen 2.7.2019. 298 Schultz, Nationalsozialismus, S. 458-463. 299 Vgl. Hartmut Böhme, Gewalt und Rache in fünf Akten. Quentin Tarantinos Phantasmagorie des World War II, in: Hannes König/Theo Piegler (Hrsg.), Skandalfilm? – Filmskandal!, Berlin 2019, S. 275–288. 85 historischen Spielfilm in Frage stellt,300 war die Darstellung Hitlers ein zentraler Aspekt. Die Besetzung mit Martin Wuttke (geb. 1962) zeugt bereits von einer Selbstbezüglichkeit und weist auf einer Meta-Ebene über den Film hinaus. Der deutsche Schauspieler ist nämlich für seine Rolle des Arturo Ui in der seit 1995 am Berliner Ensemble laufenden Inszenierung von Brechts Stück und damit indirekt auch für die Darstellung Hitlers bekannt. Wenngleich er im Film nur eine Randfigur ist, hatte seine kontrafaktische Ermordung eine große Wirkung auf den Diskurs über die Darstellbarkeit dieser Persönlichkeit.301 So könne der Film als Rebellion gegen den NS- und Hitler-Mythos gedeutet werden.302 Inglourious Basterds ist damit erneut eine Antwort auf frühere filmische Repräsentationen und Diskurse und eine Zäsur in der Geschichts- und Erinnerungskultur. Wie Sandra Nuy hervorhebt, sind es nicht mehr die historischen Ereignisse, Tatsachen oder die „historische Wirklichkeit“, welche die wesentliche Grundlage für die filmische Narration bilden. Stattdessen wurde die mediale und fiktionale Rezeptionsgeschichte zum zentralen Bezugspunkt der kulturellen Produkte.303 Mit der bewussten Verfälschung der Geschichte und der direkten Visualisierung der Erschießung Hitlers im Kugelhagel war der nächste Schritt in Richtung eines anything goes der künstlerischen Darstellung im Medium Film erreicht.

Zusammenfassend lässt sich über die Entwicklung Adolf Hitlers als filmische Figur auf die große Vielzahl und gleichzeitige Vielfalt an Darstellungen verweisen. Die Filmgeschichte veranschaulicht die Abfolge von medialen Diskursen und die wechselseitigen Beziehungen zwischen einzelnen Produktionen. Als Reaktion auf vorangehende Repräsentationen findet ein ständiges Ringen auf mehreren Ebenen statt. Dazu zählen die Spannungsverhältnisse zwischen Hitler-Mythos und Hitler-Kritik, zwischen Dämonisierung und Vermenschlichung, zwischen „ernsthafter“, „authentischer“ Geschichtsdeutung und humoristisch-satirischer Subversion sowie schließlich zwischen Moralisierung und Normalisierung. Jede Darstellung des Nationalsozialismus, des Holocaust oder Adolf Hitlers wird sich in der einen oder anderen Form in diese Entwicklung und diese Spannungsfelder einordnen müssen.

300 Schultz, Nationalsozialismus, S. 474f.; vgl. auch Cristina Nord, Hitler goes kaput. Zu Quentin Tarantinos kontrafaktischem Geschichtsspektakel Inglourious Basterds, in: Roebling-Grau/Rupnow (Hrsg.), ‚Holocaust‘- Fiktion, S. 261–270. 301 Sandra Nuy, Lachen über den Holocaust? Komik und ihre Funktionen in der Erinnerungskultur am Beispiel zweier Filme von Dani Levy und Quentin Tarantino, in: Ursula von Keitz/Thomas Weber (Hrsg.), Mediale Transformationen des Holocausts, Berlin 2013, S. 299–326, hier S. 313. 302 Schultz, Nationalsozialismus, S. 477. 303 Nuy, Lachen, S. 322. 86

4.2 Die NS-Vergangenheit im Internet der Gegenwart Bevor schließlich der Film Er ist wieder da und die Frage, wie sich dieser in die umrissene Film- und Darstellungsgeschichte über Adolf Hitler einordnen lässt, zur Sprache kommen, ist auf die virtuelle Welt des Internets einzugehen. Im Sinne der Public History ist das Internet ein zentraler Ort, an dem historische Inhalte kursieren, einschließlich solche über oder aus der Zeit des Nationalsozialismus. Speziell aufgrund des Wandels der Rollen und der Handlungsmöglichkeiten von Rezipient*innen zu potentiellen Produzent*innen ist es erforderlich, die Erscheinungsformen im Internet nicht zu vernachlässigen.

Die Repräsentation historischer Themen und Personen aus dem Dritten Reich ist in der Onlinewelt sehr vielfältig. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Internet als Ort öffentlicher gesellschaftlicher Kommunikation auch nicht von der analogen Welt. Mit der Digitalisierung und der immer größer werdenden Bedeutung und Verbreitung des Internets in den vergangenen Jahren nahmen auch die diesbezüglichen Forschungen zu. Der Umgang mit der NS- Vergangenheit im Internet wurde breit diskutiert. In ihrem Aufsatz über „Hitler 2.0“ wies Sonja Schultz bereits im Jahr 2008 auf eine Unübersichtlichkeit in der Vielzahl an Darstellungen über den Diktator hin.304 Seitdem fand keineswegs eine Reduktion, sondern eine weitere Vervielfachung und Differenzierung statt. Das Internet reflektiert in diesem Sinne auch die verschiedenen Zugänge in analogen Sphären und das dortige breite Spektrum an Repräsentationen. Da eine vertiefte Diskussion der Bandbreite virtueller Erscheinungsformen an dieser Stelle nicht stattfinden kann, sei lediglich auf einzelne Beispiele und auf zentrale wissenschaftliche Publikationen verwiesen. So geben der Aufsatz von Sonja Schultz, die Monographie von Gavriel Rosenfeld oder Simone Erpels Beitrag zur Ausstellung Hitler und die Deutschen einen guten Über- und Einblick in die Fülle an Materialien.305 Rosenfeld veranschaulicht in einer großen Anzahl an Beispielen die sich fortsetzende Normalisierung und Banalisierung der historischen Sachverhalte in der Geschichtskultur. Dies verdeutlichen etwa Animationsfilme wie Adolf – Ich hock in meinem Bonker (2006), der auf Walter Moers‘ Hitler- Comics zurückgeht, oder die Internet-Comicseite des „Hipster Hitler“. Neben den ironischen, parodierenden oder persiflierenden Inhalten gibt es auch deutlich rechtsradikales und neonazistisches Gedankengut.306 Insgesamt liegt eine unermesslich große Bandbreite an

304 Sonja M. Schultz, Hitler 2.0. Der Diktator im Internet, in: Rother/Herbst-Meßlinger (Hrsg.), Hitler darstellen, S. 86–100, hier S. 86. 305 Ebd.; Simone Erpel, Hitler entdämonisiert. Die mediale Präsenz des Diktators nach 1945 in Presse und Internet, in: Thamer/Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen, S. 154–159; Rosenfeld, Hi Hitler, S. 292–339; vgl. zusätzlich Erk, Banalisierung. 306 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 313–319; Schultz, Hitler 2.0, S. 95ff. 87

Darstellungen und Erscheinungsformen im Internet vor. Ergänzend zu klassischen Offline- Medien wie Kino oder Fernsehen beschleunigte die virtuelle Welt die Entwicklung Hitlers hin zu einem globalen popkulturellen Phänomen und einer Kunstfigur, die in ihrer entkontextualisierten und entleerten Form nichts mehr mit der eigentlichen historischen Persönlichkeit zu tun hat.

Diese Entwicklung einer Distanzierung und Herauslösung vom ursprünglichen historischen Kontext versinnbildlicht kaum ein Phänomen so gut wie das sogenannte „Downfall-Meme“. Als Teil des parodistischen, ironischen und trivialisierenden Umgangs mit Adolf Hitler ordnet es sich in eine Reihe weiterer „Hitler-Memes“ ein. Der Begriff des „Memes“ steht allgemein für Internetphänomene in den unterschiedlichsten medialen Erscheinungen und damit für einen Bestandteil der alltäglichen Online-Kommunikationskultur. Das Downfall-Meme im Speziellen geht auf eine Szene in Oliver Hirschbiegels Der Untergang zurück, lehnt sich an den englischen Titel des Filmes an und kursiert hauptsächlich auf der Videoplattform YouTube. Die wenige Minuten lange Originalszene aus Der Untergang behandelte eine militärische Lagebesprechung zwischen Hitler und seinen obersten Generälen im Führerbunker. Nachdem der von Bruno Ganz verkörperte „Führer“ über die tatsächliche Situation informiert wird, gerät dieser in einen tobsüchtigen Wutanfall. Da der Film auch aufgrund der Oscarnominierung im englischsprachigen Raum eine breite Rezeption hatte, aber nicht synchronisiert wurde, entstanden auf YouTube im August 2006 Parodien, die den Filmausschnitt mit neuen, völlig veränderten und dekontextualisierten Untertiteln versahen. Auf diese Weise konstruierte die Veränderung der ursprünglichen Szene ein für Remediationen typisches Mashup im Bereich der Onlinevideo-Kultur. In der Folge entwickelte sich das Mashup durch die wiederholte Weiterverarbeitung mit immer neuen Untertiteln zu einem der bekanntesten Internetphänomene. So besitzt es heute einen kanonischen Status in der Kultur von Onlinevideo. Während es sich auf einer Meta-Ebene durch ein selbstreferentielles System der Online-Welt auszeichnet, ist auf der inhaltlichen Ebene die Behandlung unliebsamer aktueller Ereignisse signifikant. Unter dem Suchbegriff „Hitler reacts to“ oder „Hitler rant“ lassen sich Remediationen über die unterschiedlichsten Ereignisse aus den Bereichen Politik, Gesellschaft oder Kultur finden.307 In Anbetracht der großen Reichweite mit mehreren Millionen Klicks und immer wieder neu entstehenden Versionen scheint das Downfall-Meme nach wie vor eine Konstante der virtuellen Welt zu sein. Es verdeutlicht auf einzigartige Weise, wie mit der Kultur

307 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 308; Erk, Banalisierung, S. 219f.; Erpel, Hitler entdämonisiert, S. 159. 88 der „Prosumer“ auch im Internet Reaktionen auf filmische Darstellungen stattfinden und wie sich dieses zu einem Ort des Diskurses entwickelte.

Aufgrund der engen Vernetzungen zwischen audiovisueller Offline- und Online-Kultur stellt sich deshalb die Frage, wie sich Er ist wieder da als filmischer Gegenwartsbezug in diese Verstrickungen einordnet. Schließlich geht es dabei darum, herauszuarbeiten, wie der Film als Teil der Geschichts- und Erinnerungskultur mit historischen Themen umgeht und gleichzeitig selbst diese Umgangsformen im Rahmen eines medialen Wandels thematisiert. Die gesamte Geschichte der kulturellen Darstellungen Adolf Hitlers bildet als komplexes Netzwerk den Boden, auf den diese neue Repräsentation fällt und vor dessen Hintergrund sie behandelt wird.

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5. Fallstudie Er ist wieder da (2015) 5.1 Allgemeines 5.1.1 Kulturelles Phänomen zwischen Buch, Hörbuch, Film und Theaterstück Nach dem Verständnis von Astrid Erll und Stephanie Wodianka beschreibt das Konzept des Erinnerungsfilmes weniger ein bestimmtes Filmgenre als vielmehr ein gesellschaftliches Phänomen.308 Es gilt nun, den Spielfilm Er ist wieder da (2015) in seiner Bedeutung als Erinnerungsfilm für die gegenwärtige Geschichts- und Erinnerungskultur herauszuarbeiten und als Produkt der jüngeren Vergangenheit in Bezug zur Zeitgeschichte zu setzen.

Der Spielfilm Er ist wieder da aus dem Jahr 2015 ordnet sich in ein größeres Netzwerk von kulturellen Formen ein, die schließlich ein umfassendes Kulturphänomen auszeichnen. Das betrifft die für die Kulturindustrie prägende Tendenz, künstlerische Stoffe und Inhalte über verschiedene mediale Formen zu bespielen und weiter zu verarbeiten. Allein durch diesen Prozess entsteht bereits ein gesellschaftliches Phänomen, das anschließend mit großer Reichweite, breiter Aufmerksamkeit und wirtschaftlichem Erfolg zu einem prägenden und bedeutsamen Ereignis werden kann. Im Fall von Er ist wieder da liegt diese Kultur des Adaptierens und Weiterverarbeitens ebenfalls vor. Der Ausgangspunkt für den Film war der gleichnamige Roman von Timur Vermes (geb. 1967) aus dem Jahr 2012. Die Handlung beläuft sich im Kern darauf, dass Hitler in die moderne, globalisierte und pluralistische Welt zurückkehrt und über das Privatfernsehen eine neue Karriere startet. Aus der Ich-Perspektive schildert Adolf Hitler, wie er im Berlin des Jahres 2011 aufwacht und wie er sein neues Umfeld entdeckt und bewältigt. Nach seinem unerklärlichen Erwachen und nach ersten kurzen Irritationen orientiert er sich in Berlin und findet Unterschlupf bei einem Kioskbesitzer. Aufgrund seines Auftretens als „Führer“ sind die Menschen in seinem Umfeld stets im Glauben, es handle sich lediglich um einen Künstler, einen Schauspieler und politisch inkorrekten Comedian, der nicht aus seiner Rolle herausfällt. Hitler erweckt großes Aufsehen mit seinem nationalsozialistischen Weltbild, das sich in seinem gesamten Auftreten und den rassistischen, antisemitischen, völkisch-nationalistischen und ausländerfeindlichen Aussagen zeigt, von den Menschen aber nicht ernst genommen wird. Nachdem die Agentur Flashlight auf den vermeintlichen, besonders „authentischen“ Hitler-Imitator aufmerksam wird, erkennt sie darin großes (wirtschaftliches) Potential und baut Hitler in eine Unterhaltungsshow im Fernsehsender MyTV ein. Durch seine Nichtbeachtung von sozialen Konventionen wie der politischen

308 Erll/Wodianka, Einleitung, S. 7. 90

Korrektheit wird Hitler – auch durch das Internet – immer bekannter und beliebter. Er bekommt schließlich seine eigene Show und wird zu einem erfolgreichen Entertainer, der verschiedene Themen anspricht, welche die Menschen beschäftigen und unterhalten. Im Glauben, dass es sich dabei um einen typisch grenzüberschreitenden Künstler handelt, der nicht aus der Rolle fällt, findet keine größere Reflexion darüber statt, ob seine Ansichten ernst gemeint seien. Als er von zwei Rechtsextremisten zusammengeschlagen wird und verletzt im Krankenhaus aufwacht, erhält er eine Vielzahl von Beistandsbekundungen und diverse Politiker*innen kontaktieren ihn mit der Frage, ob er in deren Parteien eintreten und sich dafür engagieren möchte. Hitler entschließt sich, ein Buch zu schreiben und in einer neu produzierten Fernsehshow mit seinen politischen Inhalten nun richtig durchzustarten.309

Timur Vermes‘ Debütroman war insgesamt 20 Wochen auf Platz eins der Spiegel- Bestsellerliste für Belletristik, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und gilt mit über eine Million in Deutschland verkaufter Exemplare als großer kommerzieller Erfolg.310 Der positiven populären Rezeption stehen weitgehend negative Rezensionen aus der Presselandschaft gegenüber. Diese kritisierten qualitative Mängel im Debütroman des deutsch-ungarischen Journalisten. Zudem löste das Buch Kritik und Debatten über die Vereinnahmung Hitlers gemäß der Devise „Hitler sells“, die Vereinbarkeit von Humor und der NS-Vergangenheit sowie den alternativgeschichtlichen Zugang der Erzählung in der Ich-Perspektive aus.311 In der Geschichtswissenschaft setzte sich Gavriel Rosenfeld in seinem Werk Hi Hitler! mit dem Roman auseinander. Nach Rosenfeld könne das Buch als weiteres Beispiel für die voranschreitende Normalisierung Hitlers und des Nationalsozialismus in der gegenwärtigen Kultur angesehen werden. In seiner Analyse hebt Rosenfeld die Einzigartigkeit der Erzählung in der Ich-Perspektive hervor und weist auf die unterschiedlichen Debatten und Kontroversen hin. Rosenfeld erkennt zwar das satirische und subversive Potential des Buches und damit auch einen moralisierenden Zugang an. Dieser äußere sich in der selbstreflexiven Thematisierung des umstrittenen Lachens und der damit einhergehenden Medienkritik. So habe das Buch die moralisierende Intention, das Lachen über Hitler zu kritisieren, da es seinen Wiederaufstieg

309 Timur Vermes, Er ist wieder da, Köln 2012. 310 buchreport.de, Er ist wieder da, o.D., [https://www.buchreport.de/bestseller/buch/isbn/9783847905172.htm/], eingesehen 3.7.2019; Steven Poole, Look Who’s Back by Timur Vermes review – an oddly cosy resurrection of Hitler, in: The Guardian, 30.4.2014, [https://www.theguardian.com/books/2014/apr/30/look-whos-back-timur- vermes-review], eingesehen 3.7.2019. 311 Cornelia Fiedler, Ha, ha, Hitler, in: Süddeutsche Zeitung, [https://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller- roman-er-ist-wieder-da-ha-ha-hitler-1.1568685], eingesehen 3.7.2019; Philip Oltermann, Germany asks: is it OK to laugh at Hitler?, in: The Guardian, 23.3.2014, [https://www.theguardian.com/books/2014/mar/23/germany- finally-poke-fun-hitler-fuhrer], eingesehen 3.7.2019. 91 erleichtern könne. Vermes lehne dabei eine Dämonisierung ab und verfolge stattdessen eine Humanisierung Hitlers. Mit dieser Normalisierung gehe jedoch auch eine Trivialisierung und Banalisierung Hitlers und der NS-Zeit einher. Durch eine Identifizierung mit Hitler als Erzähler entwickle sich das problematische „Lachen über Hitler“ zu einem „Lachen mit Hitler“ weiter. Besonders problematisch sei, dass Hitler im Buch letzten Endes als sympathisch gelte, weshalb der moralisierende Anspruch nur schwer erkennbar sei. Darüber hinaus liege eine Universalisierung Hitlers vor, da der Roman ihn von der Vergangenheit in die Gegenwart hole und ihn von seiner eigentlichen historischen Bedeutung distanziere.312 Neben Rosenfeld beschäftigte sich Thomas Großbölting in einem Essay aus dem Jahr 2013 unter dem Titel „Geschichtskonstruktion zwischen Wissenschaft und Populärkultur“ mit dem Buch. Er nahm es zum Anlass, die Rolle der Geschichtswissenschaft im Erinnerungs- und Medienwandel zu reflektieren. Ähnlich wie Rosenfeld erkennt er Vermes‘ Erzählung als Mediensatire an, weist aber auf die dominantere Trivialisierung und Verflachung Hitlers hin. Zusätzlich gelinge dem Buch weder eine Erklärung der Person Hitlers, noch der charismatischen Herrschaft oder der Faszination, welche viele Deutsche für ihn gehabt hätten. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Populärkultur und Wissenschaft verweist Großbölting jedoch darauf, dass sich die Forschung vermehrt mit den populären Repräsentationen der Erinnerungskulturen beschäftigen müsse. So würden sich verschiedene wichtige Fragen über den Zusammenhang der darin vermittelten Geschichtsbilder und den charakteristischen Elementen des Nationalsozialismus ergeben.313 Insgesamt lässt sich in der unmittelbaren Rezeption des Romans Er ist wieder da eine für die populäre Geschichts- und Erinnerungskultur typische Dichotomie zwischen breiter Beliebtheit bzw. großem kommerziellen Erfolg einerseits und intellektueller, wissenschaftlicher Kritik und Skepsis andererseits identifizieren.

Die breite Popularität und der (wirtschaftliche) Erfolg eines Produktes sind es, die eine Adaption und einen Transfer in andere kulturelle Formate anstoßen. Auf dem Weg zu einem gesellschaftlichen Phänomen war für den Roman die begleitende Publikation eines Hörbuchs ausschlaggebend. Dieses wurde von dem Schauspieler Christoph Maria Herbst gesprochen und war ebenso erfolgreich.314 Herbst hatte zuvor schon Erfahrung mit der Rolle Adolf Hitlers gemacht, als er in den bereits angesprochenen deutschen Komödien Der Wixxer (2004) und Neues vom Wixxer (2007) den Diktator parodierte. So stellte diese Besetzung der Sprechstimme

312 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 219–225. 313 Thomas Großbölting, Geschichtskonstruktion zwischen Wissenschaft und Populärkultur – Essay, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 63 (2013), Nr. 42/43, S. 19–26. 314 Wolfgang Höbel, Unvorstellbare Witzfigur, in: Der Spiegel, 11.3.2013, S. 130. 92 im Hörbuch bereits einen direkten Bezug zur Darstellungsgeschichte Hitlers her. Bei Parodien von Adolf Hitler bildet der Sprachduktus einen zentralen und wiederkehrenden Bestandteil. Es scheint, als sei eine signifikant verzerrte und befremdlich anmutende Sprechart ein Erkennungsmerkmal von Hitler-Imitationen bzw. -Parodien. Dies zeigte sich schon in Chaplins übertriebener und bewusst unverständlicher Sprache in Der große Diktator und zog sich in unterschiedlichen Formen bis in die Gegenwart fort. Durch die Hereinnahme der rein sprachlich-auditiven Dimension verlieh das Hörbuch der Rezeptionserfahrung des ursprünglich literarisch-textlichen Stoffes eine zusätzliche Komponente. So trug das Hörbuch als ergänzendes kulturelles Medium maßgeblich zur Herausbildung eines breiteren gesellschaftlichen Phänomens bei.

Neben der Verfilmung aus dem Jahr 2015 gab es zusätzlich noch die Weiterführung von Er ist wieder da in Form eines Theaterstückes. In größeren wie kleineren Städten und Theaterhäusern kam es im deutschsprachigen Raum zu Bühnenproduktionen des literarischen Ausgangsstoffes. Zum Beispiel können hier die Inszenierungen im Theater Phönix in Linz im Winter 2015, im Theater Das Da in Aachen 2018 oder im Westbahntheater in Innsbruck im Frühjahr 2019 genannt werden. Selbstverständlich sind Adaptionen, sei es als Hörbuch, Film oder Theaterstück, keine außerordentlichen Erscheinungen. Im Gegenteil gehören sie wohl zum Alltag kultureller und medialer Transfers. Dennoch betont die vielfältige Verwertung eine Zuschreibung von gesellschaftlicher Relevanz. Diese Weiterverarbeitung illustriert gleichzeitig bereits die plurimedialen Konstellationen und zeigt, wie diese einen Erinnerungsfilm zu einem gedächtnisproduktiven Ereignis werden lassen. Dass vor allem der Roman, das Hörbuch und nicht zuletzt auch der Kinofilm als Darstellungen über Hitler große Erfolge waren, verdeutlicht umso mehr die Notwendigkeit einer geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Da audiovisuelle Medien im frühen 21. Jahrhundert die dominanteste und massenwirksamste Verbreitungsform von Geschichtsbildern darstellen, liegt der Fokus der Analyse auf dem Film. Dieser ist im Rahmen des medialen Wandels der Erinnerungskultur zu verorten und als zeithistorisches Produkt zu erfassen.

5.1.2 Allgemeine Informationen zum Film Basierend auf dem Roman von Timur Vermes entstand die Verfilmung unter den Produzenten Christoph Müller und Lars Dittrich von der Firma Mythos Film in Co-Produktion mit Oliver Berben und Martin Moszkowicz von Constantin Film. Regie führte David Wnendt (geb. 1977), der zuvor durch Filme wie Kriegerin (2011) und die Bestseller-Adaption Feuchtgebiete (2013) 93 zu Bekanntheit kam. Gemeinsam mit Mizzi Meyer (bürgerlich Ingrid Lausund) schrieb Wnendt das Drehbuch zum Film. Er entstand in den Jahren 2014 und 2015 und hatte am 8. Oktober 2015 seinen offiziellen Kinostart. Der bis zu dieser Produktion vorwiegend im Bereich des Theaters bekannte deutsche Schauspieler Oliver Masucci verkörperte Adolf Hitler. In weiteren Rollen sind Fabian Busch als Fabian Sawatzki, Katja Riemann als Katja Bellini, Christoph Maria Herbst als Christoph Sensenbrink oder Michael Kessler als Michael Witzigmann zu sehen. In diesen Besetzungen zeigt sich bereits eine gewisse Selbstbezüglichkeit und Intertextualität im Genre der Hitler-Darstellungen bzw. allgemein in der deutschen Film- und Fernsehindustrie. Zum Beispiel stellte Katja Riemann in Dani Levys Mein Führer (2007) sowie in Goebbels und Geduldig (D 2002) Eva Braun dar. Christoph Maria Herbst parodierte Hitler in den Wixxer-Filmen und las das Hörbuch von Er ist wieder da. Michael Kessler parodierte ihn ebenfalls zuvor in Switch reloaded. Dieser selbstreferentielle Charakter steht in enger Verbindung mit der Bewertung des Filmes bzw. des gesamten Stoffes als Satire, genauer gesagt als Medien- und Politsatire. So weist die Besetzung bereits auf einer Meta-Ebene über den eigentlichen filmischen Text hinaus und knüpft an die Geschichte der Darstellung Hitlers an, was schließlich auch der Text selbst reflektiert. Der Film macht des Weiteren von einer Mischung aus Fiktion/Inszenierung, Dokumentation und Semi-Dokumentation Gebrauch. Auf diese Vielschichtigkeit und Komplexität wird noch einzugehen sein.

5.1.3 Handlung Der Film baut in inhaltlicher Hinsicht auf die Buchvorlage von Timur Vermes auf und orientiert sich größtenteils daran. Allerdings nimmt er durch die Vermischung von fiktionalen, dokumentarischen und semi-fiktionalen Elementen zusätzliche Komponenten audio-visuellen Erzählens hinzu und unterscheidet sich signifikant vom Roman. Zusätzlich weist er gegen Ende der Handlung erhebliche Unterschiede zur Vorlage auf.

Im Wesentlichen behandelt der Film wie schon das Buch die unerklärliche Rückkehr Adolf Hitlers in der Gegenwart und seinen anschließenden Wiederaufstieg in der Medienwelt, allen voran im Privatfernsehen und in der Unterhaltungsindustrie. Adolf Hitler (Oliver Masucci) erwacht in einem Pflanzengestrüpp zwischen Wohnanlagen in Berlin und kann sich trotz seiner Kopfschmerzen und seiner leicht rauchenden Uniform guter körperlicher Gesundheit erfreuen. Drei junge Buben, die gerade Teil von Fabian Sawatzkis (Fabian Busch) Dreharbeiten einer Fernsehreportage über „soziale Brennpunkte“ sind, entdecken den verwirrten, für sie irritierenden Mann. Dieser hält sie für Mitglieder der Hitlerjugend und erkundigt sich nach dem 94

Weg zur Straße. Auf der Suche nach dem Führerbunker und Martin Bormann oder anderen Vertrauten wandelt Hitler durch Berlin und passiert das Brandenburger Tor. Dabei ist er mit merkwürdigen Erscheinungen, wie etwa Segways oder Selfie-schießenden Touristenmassen konfrontiert. Trotz der für ihn verrückten und unerklärlichen Situation versucht er, sich Informationen zu beschaffen, sich zu orientieren und nach dem Jahr zu fragen. Bei einem nahen Kiosk entnimmt er einer Zeitung das Datum des 23. Oktobers 2014 und fällt in Ohnmacht. Währenddessen findet im privaten Fernsehsender MyTV eine Vorstandssitzung statt, bei der wider Erwarten Katja Bellini (Katja Riemann) zur neuen Geschäftsführerin gekürt wird. Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst) fühlt sich als stellvertretender Geschäftsführer übergangen und kündigt daraufhin aus seinem Frust heraus den freien Mitarbeiter Fabian Sawatzki. Hitler wird indes vom Kioskbesitzer beherbergt und versorgt, sodass er sich im breiten Angebot der Magazine und Zeitungen Informationen über die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung nach 1945 verschaffen kann. Er reflektiert dabei über die Folgen der Niederlage des Weltkrieges, die aktuelle Parteienlandschaft sowie die politischen Akteur*innen. Während ihm und die CDU/CSU sowie Sigmar Gabriel und der SPD als unfähig erscheinen, sieht er in den Grünen mit dem Schutz der deutschen Heimat eine einigermaßen positive Partei. Während sich Hitler im Kiosk weiter informiert, sichtet der von seiner Kündigung erschütterte Sawatzki sein Reportage- Material. Er entdeckt Hitler im Hintergrund und sieht in dieser merkwürdigen, mitten in Berlin auftretenden Erscheinung sofort großes Potential für sich als Filmemacher, weshalb er sich auf die Suche nach ihm begibt. Nachdem Hitler seine unangenehm duftende Uniform in eine Reinigung gebracht hat, wird Sawatzki beim Kiosk fündig. Er lernt Hitler kennen und hält ihn für einen Imitator und Comedian, der mit seinem authentischen Auftreten und seinem „Programm“ auf politisch inkorrekte Weise den Diktator parodiere. Sawatzki sieht darin seine große Chance, als Film- und Fernsehmacher wieder zurückzukommen und macht Hitler das Angebot, mit ihm durch das Deutschland der Gegenwart zu fahren, ihn mit der Kamera zu begleiten und dabei groß herauszubringen. Von der Idee angetan willigt Hitler ein und die beiden begeben sich auf eine Tour durch das Land. Auf dem Weg durch Deutschland wird Hitler mit dem aktuellen Fernsehprogramm konfrontiert. In der Belanglosigkeit von Kochshows, Gerichtsserien oder anderen für ihn nutzlosen Sendungen erkennt er seinen neuen Auftrag, nämlich die Notwendigkeit, auf seiner Reise durch Deutschland die Politik zu thematisieren. In teilweise dokumentarischen, teilweise semi-fiktionalen Szenen befragt Hitler die Menschen, wo ihnen der Schuh am meisten drücke, ob sie das Gefühl hätten, in der Politik mitbestimmen zu können oder was sie allgemein störe. Dabei kommt immer wieder 95

Unzufriedenheit der Menschen in Bezug auf Themen wie Migration, Integration, Ausländer*innen oder politische Mitbestimmung auf. Hitler identifiziert im gesellschaftspolitischen Klima eine Politikverdrossenheit, die ihn an die Zeit um 1930 erinnert. Auf ihrer Tour kommen Hitler und Sawatzki auch bei einem Hundebesitzer vorbei. Nachdem Hitler ein kleiner Hund in den Finger beißt, erschießt er diesen mit einer Pistole und irritiert Sawatzki damit kurzzeitig. In weiterer Folge touren Hitler und Sawatzki durch verschiedene deutsche Städte und Regionen und treffen unterschiedliche Menschen, die von Hitler fasziniert sind, auf Social Media über ihn sprechen und Online-Videoclips über ihn ansehen.

In der Agentur zeigt Sawatzki seinem ehemaligen Vorgesetzten Christoph Sensenbrink das Material. Er verweist auf einen millionenfach geklickten Clip und das große Potential für den Sender, woraufhin Sawatzki wieder eingestellt wird. Angetan von einer kurzen vermeintlich schauspielerischen Darbietung Hitlers befürwortet Geschäftsführerin Bellini eine Einbindung des „Künstlers“ in ein passendes Comedy-Format, nämlich die Unterhaltungsshow „Krass, Alter“ mit dem Comedian Michael Witzigmann (Michael Kessler). Nach Sawatzkis Rückkehr entsteht zwischen ihm und Franziska Krömeier (Franziska Wulf), einer Angestellten der Agentur, eine Beziehung. Krömeier wird Hitler in der Agentur als Sekretärin zur Seite gestellt. Sie zeigt ihm die technischen Möglichkeiten der Gegenwart, indem sie ihn in die Handhabung eines Computers einführt, mit ihm ein Email-Konto anlegt und ihm das Internet eröffnet. In seinem ersten großen Auftritt in der Show „Krass, Alter“ kritisiert Hitler die Medien und aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie etwa Kinderarmut, Altersarmut oder Arbeitslosigkeit. Er wird aber weiterhin für einen Comedian gehalten, der im Sinne eines method acting nicht aus der Rolle fällt. Begeistert von dem Auftritt veranlasst Bellini, Hitler in sämtliche Formate zu bringen und überall auszustrahlen. Als Folge dessen wird er immer bekannter und beliebter, entwickelt sich zu einem Star, löst breite Faszination aus und wird zu einem vieldiskutierten Thema in den Medien, sowohl im Feuilleton der klassischen Presse als auch auf Social Media und auf YouTube. Der um Hitler entstehende Starkult liegt allerdings weniger in seiner vermeintlichen Ironie als Komiker begründet. Stattdessen glauben viele Menschen, dass er mit den von ihm kritisierten und angesprochenen Themen völlig Recht habe. Im Sender gibt es bis auf eine einzelne Stimme keine kritische Reflexion über die Verwendung von Adolf Hitler. Der vermeintlich politisch inkorrekte Comedian kann durch die mediale Präsenz sein nationalsozialistisches Gedankengut in zutiefst rassistischen, antisemitischen, völkisch-nationalistischen, fremdenfeindlichen und demokratiefeindlichen Aussagen verbreiten und seinem Ziel der Weltherrschaft nachgehen. Dabei bleiben Bellini und der Sender

96 stets im Glauben, es handle sich ohnehin nicht um den „echten“ Hitler, sondern lediglich um einen Comedian und Schauspieler. Aus diesem Grund könne Hitler ohne weiteres verwendet werden, zumal er dem Sender zu sehr guten Quoten verhelfe.

Als der Moderator Frank Plasberg dem Medienstar Hitler in einer Talkshowsendung das Video der Erschießung des Hundes vorhält, löst er damit großes Entsetzen und einen Skandal aus, durch welchen Bellini ihren Job und Hitler seine Medienauftritte verliert. Als Drahtzieher hinter der Veröffentlichung dieses Videos bekommt Sensenbrink seine angestrebte Stelle als Geschäftsführer von MyTV. Hitler und Sawatzki kommen vorübergehend bei Sawatzkis Mutter unter, wo Hitler beginnt, an einem neuen Buch zu arbeiten. Darin beschreibt er sein unerklärliches Erwachen in Berlin und seinen Aufstieg, was Sawatzki auf die Idee bringt, eine Filmadaption zu machen. Das Buch mit dem Titel „Er ist wieder da“ wird zu einem großen Bestseller und Hitler mutiert erneut zum Star.

Drei Monate später sieht sich Sensenbrink mit seinem Sender aufgrund des Verlustes des Medienstars Hitler mit einem Absturz der Einschaltquoten konfrontiert. Die einzige Chance für sein berufliches Überleben sieht er darin, erneut auf Hitler als Quotenbringer zurückzugreifen. Der Sender solle sich finanziell an der unter der Regie von Sawatzki entstehenden Verfilmung des Buches beteiligen und diese im Gegenzug ausstrahlen dürfen. Hitler und Sawatzki treffen bei einem Besuch in Franziska Krömeiers Wohnung auf ihre demente Großmutter (Gudrun Ritter). Entgegen einer vermeintlich komödiantischen Rezeption erkennt diese Hitler in den Dimensionen der historischen Persönlichkeit, die nicht nur gleich aussehe, sondern auch die gleichen Dinge wie früher sage. Während Franziska und Sawatzki beschwichtigend die Echtheit Hitlers absprechen und auf die satirisch-komödiantische Bedeutung verweisen, ruft die Großmutter das Leid und die Vergasungen mit einem mahnenden Appell in Erinnerung. Mit großem Entsetzen und lautem Schrei ruft sie Hitler zum Verlassen der Wohnung auf. Dieser Vorfall und Hitlers antisemitische Äußerungen lassen Sawatzki schließlich daran zweifeln, ob es sich bei ihm nur um einen authentisch wirkenden, in seiner Rolle bleibenden Imitator oder doch um den echten Adolf Hitler handelt. Nachdem Hitler von Neonazis, die die satirische Vereinnahmung ihres „Führers“ verabscheuen, zusammengeschlagen wird, wacht er im Krankenhaus auf und sieht sich durch eine Reihe von Beistandsbekundungen unterstützt und als Held gefeiert. Aufgrund seiner Zweifel sichtet Sawatzki erneut das ursprüngliche Reportage-Material, über das er Hitler entdeckte und versucht, dadurch mehr über Hitlers mysteriöses Auftauchen zu erfahren. Er sieht darin, dass Hitler zwischen Licht und Rauch schlichtweg aus dem Nichts kam. Sawatzki geht zu der Stelle von Hitlers Rückkehr und 97 entdeckt eine Hinweistafel, das auf den dortigen historischen Standort des Führerbunkers verweist, woraufhin ihm bewusst wird, dass es sich um den echten Hitler handeln muss. Daraufhin begibt er sich ins Krankenhaus, das Hitler bereits verlassen hatte. Als er nur noch Bellini dort antrifft, macht er sie auf seine Erkenntnis aufmerksam, doch schenkt diese dem aufgewühlten Sawatzki keinen Glauben und ruft stattdessen das Krankenhauspersonal. Sawatzki stürmt aus dem Krankenzimmer heraus und wird vom Personal verfolgt.

Als nächstes taucht Sawatzki am Filmset auf, stellt Hitler und führt ihn mit einer Pistole auf das Dach eines Hochhauses hinauf. Im Glauben, Hitler überführt und entlarvt zu haben, erschießt Sawatzki den „Führer“. Allerdings taucht dieser wieder hinter ihm auf und weist Sawatzki darauf hin, dass er ihn nicht loswerden könne, da er ein Teil der Menschen sei und doch nicht alles schlecht gewesen sei. Daraufhin entpuppt sich diese Sequenz lediglich als filmische Inszenierung im Rahmen der Buchverfilmung, welche nun fertiggestellt ist. Der eigentliche Sawatzki hingegen befindet sich zum Leid seiner Freundin Franziska Krömeier in der Psychiatrie. In einem Auto sitzend geben Hitler und Bellini vor mehreren Fernsehteams noch ein kurzes Interview über die Fragen, ob mit Hitler eine Komödie gemacht werden könne und was passiere, wenn der echte Hitler zurückkehre. Die beiden blicken sich zuversichtlich an und werden mit dem Beginn des Abspanns im Auto durch Berlin chauffiert, unter anderem entlang der East Side Gallery. Dabei erhält der aus dem Cabrio grüßende Hitler unterschiedliche Reaktionen von Passanten und Passantinnen, wie etwa belustigtes Winken, ablehnende Gesten oder auch zum Hitlergruß erhobene Arme. Vor Beginn des eigentlichen Abspannes gibt es eine kurze Sequenz von schnell wechselnden Aufnahmen: politische Kundgebungen, Veranstaltungen und Akteur*innen aus einem rechten, patriotisch-nationalistischen, islamfeindlichen und immigrationskritischen Spektrum sind zu sehen. Mit Blick darauf befindet Hitler, eine sehr gute Ausgangslage für sich vorzufinden.

5.1.4 Einordnung als filmische Darstellung – Satire 2.0? Der Film Er ist wieder da von Regisseur David Wnendt ist in Bezug auf seine Handlung sowie auf seine Form, das heißt seine filmtechnische Umsetzung, komplex und vielschichtig. Aus diesem Grund ist es erforderlich, den Film allgemein einzuordnen und sich bewusst zu machen, um welche Art von Text es sich dabei handelt.

Als künstlerische Auseinandersetzung beschäftigt sich Er ist wieder da mit historischen Themen wie der Zeit des Nationalsozialismus oder der Bedeutung von Adolf Hitler. Der Film

98 ist allerdings weder ein historischer Spielfilm noch eine historische Dokumentation. Er versucht nicht im Sinne eines Geschichtsdramas eine „authentische“ und „realistische“ Narration über die Vergangenheit und damit eine fiktionalisierte Geschichte in der Vergangenheit zu erzählen. Genauso wenig ist er wie eine typische Geschichtsdokumentation an Informations- und Wissensvermittlung von historischen Sachverhalten interessiert. Neben den klassisch fiktionalen und mit Schauspieler*innen inszenierten Elementen macht der Film jedoch von dokumentarischen und semi-dokumentarischen Zugängen Gebrauch. Auf den ersten Blick ist nur schwer zu erkennen, wo es sich um gestellte, inszenierte bzw. auf dem Drehbuch basierende Szenen handelt, wo mit typisch dokumentarischen Mitteln gedreht wurde oder wo lediglich der Anschein einer dokumentarischen Sequenz erweckt wird. Die Grenzen zwischen Realität und filmischer Inszenierung verschwimmen sehr stark. Es ist jedoch ein Anliegen des Filmes, diese Grenzen zu missachten und Fragen über „Authentizität“ und „Echtheit“ aufzuwerfen. Konkret zeigt sich der dokumentarische, nicht inszenierte Stil in jenen Abschnitten, in denen Sawatzki und Hitler gemeinsam durch Deutschland fahren und die Menschen zur politischen und gesellschaftlichen Lage befragen. Die semi-dokumentarischen Elemente, auch Mockumentary genannt, versuchen hingegen den Anschein einer Dokumentation und den Eindruck von Spontanität und Improvisation zu wecken. Auch diese wurden jedoch inszeniert. Dabei sind zum Beispiel in Cameo-Auftritten bekannte Persönlichkeiten aus der gegenwärtigen Medienlandschaft, wie etwa die Talkshow-Moderatoren Frank Plasberg oder Jörg Thadeusz sowie YouTuber*innen, zu sehen. Diese Mischung aus Fiktion, Dokumentation und Mockumentary ist ein wesentlicher Aspekt des Filmes. Aufgrund der Schwierigkeit, die Grenzen zwischen den einzelnen Stilen zu erkennen, kann diese Hybridität für die Zuschauer*innen zweifellos verwirrend, irritierend und daher manipulativ wirken. Zusätzlich ist in ethischer Hinsicht fraglich, inwieweit es für einen Spielfilm zulässig ist, die „Menschen auf der Straße“ zu einem Teil der Inszenierung zu machen, da er sie bloßstellt und gewissermaßen überwältigt sowie überfordert.

In der Frage der Einordnung kann der Film mit dem Genre der Zeitreise in Verbindung gebracht werden. Für die Analyse von Texten beschreibt Achim Landwehr in seiner Einführung in die historische Diskursanalyse verschiedene Darstellungsprinzipien, die einen Text als Vermittlungsstrategien ausmachen können. Als ein Beispiel nennt er das Prinzip der Aktualisierung, welche einen Transfer der Darstellung in ein anderes zeitliches Setting

99 beschreibe und sich oftmals auf Vergleiche stütze.315 Eine solche Aktualisierung liegt bei Er ist wieder da vor. Mit dem narrativen Zugang der Zeitreise findet eine Übertragung der historischen Persönlichkeit Adolf Hitlers in die Gegenwart, konkret nach Berlin und ins Deutschland des Jahres 2014, statt. Der Film aktualisiert damit Vergangenes in der Gegenwart und nimmt eine personenzentrierte Übertragung der Darstellung in eine andere Zeit vor. Selbstverständlich stellt dies eine kontrafaktische Geschichte mit all ihren Kritikpunkten dar. Im Sinne eines high concept-Filmes lässt sich die Handlung als what if?-Szenario leicht herunterbrechen: Was wäre, wenn Hitler in die Gegenwart zurückkäme? Die Problematik an solchen Zugängen zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit formulierte Gavriel Rosenfeld. Kontrafaktische und alternativgeschichtliche Erzählungen leisteten mit der Frage „Was wäre wenn?“ einen Beitrag zur Normalisierung: „In so doing, they have universalized and relativized the Nazi past in the service of political agendas related to the post-9/11 world.“316 Dies trifft definitiv auch auf den Film Er ist wieder da zu. An dieser Stelle muss das Konzept des Gegenwartsbezuges erneut angeführt werden. Dieser wurde bereits als unumgänglicher, integraler Bestandteil sämtlichen historischen Denkens beschrieben. Eine Auseinandersetzung mit Geschichte sei immer eine Vergegenwärtigung von Vergangenem. Mit dem narrativen Element der Zeitreise und dem Darstellungsprinzip der Aktualisierung liefert Er ist wieder da eine solche Vergegenwärtigung von Vergangenem und damit einen filmischen Gegenwartsbezug. Dabei wird bereits ersichtlich, wie sich die Darstellung Adolf Hitlers in Er ist wieder da verändert bzw. in welchem Verhältnis sie zu früheren Repräsentationen steht. Im Allgemeinen ordnet er sich in die von Sandra Nuy beschriebene Entwicklung ein, dass nicht mehr eine „historische Wirklichkeit“, sondern die mediale und fiktionale Rezeptionsgeschichte der Bezugspunkt der filmischen Darstellungen ist.317 Er ist wieder da nimmt ebenfalls die Rezeptionsgeschichte der Vergangenheit zum zentralen Referenzpunkt. Mit dem Motiv der Zeitreise führt der Film die Entwicklung noch um einen Schritt weiter, da er als Aktualisierung die Vergangenheit vergegenwärtigt und diese als Gegenwartsbezug bewusst thematisiert. Dem Film geht es also nicht um eine Rekonstruktion der Vergangenheit oder eine fiktive Geschichte in der Vergangenheit. Stattdessen behandelt er den Umgang mit der Vergangenheit, konkret mit Hitler und der Zeit des Nationalsozialismus, in der Gegenwart. Diese Reflexivität ist ein fundamental geschichts- und erinnerungskultureller Zugang. In seiner Thematisierung des

315 Landwehr, Diskursanalyse, S. 114. 316 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 28. 317 Nuy, Lachen, S. 322. 100

Umgangs mit Adolf Hitler und der NS-Zeit in der Gegenwart kann Er ist wieder da deshalb als Film über die gegenwärtige Geschichts- und Erinnerungskultur angesehen werden.

Des Weiteren ist der Film dem Genre der Satire zuzuordnen. Diese Kunstgattung zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit den Mitteln des Humors, der Übertreibung, der Ironie oder des Spottes eine Kritik an Personen, Ereignissen oder Zuständen übt und diese zu einer Lächerlichkeit macht.318 Laut Meyer-Sickendieck bezeichne die Satire „von aggressiv-ironischer Rhetorik geprägte ästhetische Werke“, die auch einen didaktisch-moralischen Anspruch hätten.319 Speziell politische Satiren sind daher keineswegs neutral, objektiv oder wertfrei, sondern drücken eine klare Position aus. In historischer Perspektive ist es interessant, welche diskursive Bedeutung Satiren in der Geschichts- und Erinnerungskultur einer Gesellschaft einnahmen. So werde bestimmten literarischen Werken, beispielsweise von Klaus Mann oder Bertolt Brecht, zugeschrieben, eine „Selbstreflexion des Lesers und so die Neuformulierung der Schuldfrage am NS-Regime“ angeregt zu haben.320 Heute scheint die Satire zu einem zentralen Bestandteil der alltäglichen politischen Kultur geworden zu sein. Dabei nehmen Satiriker*innen in Form von Late-Night-Show-Hosts immer mehr die Rolle von machtvollen investigativen Journalist*innen ein. In der Kunstform der Satire reflektieren sie kritisch den Zusammenhang von Politik, Medien und Gesellschaft, stets vor dem Hintergrund der Vergangenheit.321 Oft richtet sich eine solche Satire explizit gegen ein rechtes politisches Spektrum und gegen rassistische, antisemitische oder fremdenfeindliche Tendenzen. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Christian Fuchs setzt sich in seinen Arbeiten mit diesen Strömungen auseinander und sieht im politischen Humor der Satire eine wichtige Methode des Antifaschismus. So bezeichnet er Chaplins Der große Diktator als „ein Meisterwerk der aufklärenden satirischen Parodie“. Daran anknüpfend brauche es für die Gegenwart einen „Großen Diktator 2.0, eine Aktualisierung Chaplins im Zeitalter sozialer Medien“.322 Einem solchen Bestreben geht Er ist wieder da als Aktualisierung und filmischer Gegenwartsbezug nach. Als Medien- und Politsatire behandelt der Film den Umgang mit der NS-Vergangenheit im Spiegel des gegenwärtigen medialen Wandels innerhalb der Gesellschaft sowie der Geschichts- und Erinnerungskultur. Dabei nimmt er eine deutliche Position zu aktuellen

318 Duden, Satire, die, o.D. [https://www.duden.de/rechtschreibung/Satire], eingesehen 8.7.2019. 319 Burkhard Meyer-Sickendieck, Satire, in: Gert Ueding (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, 8 Rhet – St, Berlin 2007, Sp. 447–469, hier Sp. 447. 320 Ebd., Sp. 464f. 321 Vgl. dazu Stefan Weiss, Wenn die Hofnarren den Thron besteigen, in: Der Standard, 1.6.2019, S. 41. 322 Christian Fuchs, Digitale Demagogie. Autoritärer Kapitalismus in Zeiten von Trump und Twitter, Hamburg 2018, S. 254f. 101 politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ein. In der Tradition der Satire versucht er durch die Mittel des Humors und der Parodie, Hitler und die Macht der Medien zu entlarven. Insofern ordnet sich Er ist wieder da in Frölichs Unterscheidung im „respektlosen, subversiven“ Zugang ein, der um Demaskierung und Lächerlichmachen bemüht ist. Allerdings soll aufgezeigt werden, dass auch hier eine „um Geschichtsdeutung und Aufklärung bemühte ernsthafte Auseinandersetzung“ stattfindet.323 Signifikant ist dabei, dass der zentrale Bezugspunkt nicht primär die Vergangenheit selbst, sondern vielmehr die Rezeptionsgeschichte in der Gegenwart ist. Die Darstellung Hitlers verändert sich so, dass die Vergangenheit nicht rekonstruiert oder erzählt wird, sondern ihre historische Bedeutung für die Gegenwart untersucht wird. Dies zeigt sich schließlich im zeitlichen Transfer Hitlers von der Vergangenheit in die Gegenwart.

5.1.5 Marketing Für die Verarbeitung eines kulturellen Produktes und die Entwicklung hin zu einem massenwirksamen, nachhaltigen und populären gesellschaftlichen Phänomen ist das Marketing eines Filmes besonders wichtig. In Anbetracht der kontroversiellen, von Debatten über Bilderverbote und Darstellbarkeit geprägten Diskursgeschichte stellt die Visualisierung Adolf Hitlers im Rahmen des Marketings eine brisante Dimension dar. Marketing ist in der Kulturindustrie ein zentraler Bestandteil in der Verbreitung einer Produktion. Wortwörtlich geht es darum, ein Produkt zu vermarkten und zu verkaufen. Im Rahmen der Public History müssen daher stets auch das wirtschaftliche Kalkül und die ökonomischen Interessen einer filmischen Behandlung von Geschichte beachtet werden. Nicht zuletzt geht es Produktionsfirmen des Mainstream-Kinos auch um einen kommerziellen Erfolg und finanziellen Profit.

In seiner Handlung thematisiert der Stoff von Er ist wieder da diesen Aspekt des Marketings und weist auf einer selbstbezüglichen Meta-Ebene auf die wirtschaftlichen Mechanismen in der Medienwelt von Film und Fernsehen hinaus. Darauf wird in Bezug auf das Schlagwort „Hitler sells“ im Text selbst noch einzugehen sein. Zum Marketing des Filmes als Teil des ihn umgebenden Kontextes kann jedoch festgehalten werden, dass die Produktion von David Wnendt bereits Anknüpfungspunkte hatte. Zur Herstellung und zum Verkauf einer „Marke“ konnte Er ist wieder da (2015) nämlich an die Buchvorlage und das Hörbuch zurückgreifen

323 Frölich, Tot, S. 13. 102 und das damit entfachte transmediale gesellschaftliche Phänomen weiter ausbauen. Im Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren und den eigenen satirischen Anspruch zu entfalten, machte der im Eichborn Verlag erschienene Roman im Marketing bewusst von provokanten Strategien Gebrauch. Dazu zählt zum einen der Kaufpreis des Buches, welcher mit 19,33€ eine Anspielung auf das Jahr 1933 bildete. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 kann mit diesem Jahr der Beginn der NS-Terrorherrschaft angesetzt werden. Für ein Buch bzw. später einen Film, der die Rückkehr in die Gegenwart und den erneuten Aufstieg des Diktators unter dem Titel „Er ist wieder da“ behandelt, eignete sich nach Ansicht des Verlages diese Anspielung besonders gut. Sie knüpft damit schon auf einer paratextuellen Ebene an den humoristischen und ironischen Zugang des Inhaltes an und bereitet eine Grundlage für die inhaltliche Satire und die diversen historischen Anspielungen.

Dazu ist die grafische Gestaltung des Buch- bzw. Filmcovers ein weiterer nennenswerter Aspekt im Marketing. Das Cover nimmt in der Herstellung, der Verbreitung und dem Verkauf einer Marke bzw. eines kulturellen Produktes eine zentrale Stellung ein. Als pars pro toto und Visitenkarte verkörpert es das gesamte Produkt und hat die Aufgabe, Aufmerksamkeit zu wecken, potentielle Leser*innen bzw. Zuschauer*innen zu konfrontieren und zum Kauf sowie Konsum einzuladen. Das Cover von Vermes‘ Roman fokussiert Hitler und reduziert ihn auf sein markantes Äußeres. Als Abstraktion zeigt es in schwarzer Farbe auf weißem Hintergrund lediglich Hitlers Scheitel-Frisur und den zum Oberlippenbart umfunktionierten Schriftzug des Titels. Das Cover knüpft damit an die in der Populärkultur geläufige Strategie an, den ikonischen Wiedererkennungswert von Hitlers Gesicht zu benutzen. Die Reduktion auf die wesentlichen fazialen Züge trug laut Reichel dazu bei, Hitler zu dämonisieren und als Karikatur „zur universellen Chiffre des Bösen“ zu machen.324 In seiner Analyse des Romans verweist Gavriel Rosenfeld ebenfalls auf diese Strategie. Mit der Reduktion auf Hitlers Gesicht reflektiere sie einen „current aesthetic trend“, der auch in anderen rezenten populärkulturellen Beispielen verwendet werde.325 Allerdings muss Rosenfeld in dieser Hinsicht widersprochen werden, da es sich dabei keineswegs um einen „current aesthetic trend“ handelt. Im Gegenteil reicht dieser Trend bereits länger zurück. Zum Beispiel hat er mit Chaplins Der große Diktator und Lubitschs Sein oder Nichtsein prominente Vorläufer, wie deren deutsche Filmplakate aus den Jahren 1958 bzw. 1955 verdeutlichen.326 Zusätzlich wurde dasselbe Motiv auf dem Cover

324 Reichel, „Bruder Hitler“, S. 148; vgl. dazu auch Schultz, Hitler 2.0, S. 99; Claudia Schmölders, Hitlers Gesicht, in: Thamer/Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen, S. 36–42. 325 Rosenfeld, Hi Hitler, S. 220 bzw. S. 255 und S. 342. 326 Vgl. Reichel, „Bruder Hitler“, S. 149f., Katalognummern 516 und 517. 103 von Daniel Erks Dokumentation und Abrechnung mit der Hitler-Faszination verwendet. Hier bildet der schwarze Scheitel mit Bart und der Kombination aus weißer und roter Farbe die Reichsflagge des Deutschen Reiches. In Anbetracht der dabei (unter-)titelgebenden Fragestellung, „Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist“, lässt sich eine gewisse Doppelbödigkeit feststellen. Einerseits findet zwar eine Kritik an der „Banalisierung des Bösen“ und eine vehemente Ablehnung der massenkulturellen Rezeption Hitlers statt. Andererseits gibt es in Form des Covers gleichzeitig eine Fortschreibung der Ikone des „Mannes mit dem kleinen Bart“ und der eigens kritisierten medialen und kulturellen Entwicklungen.327 Eine historische Betrachtung und Einordnung des Covers von Er ist wieder da zeigt also, dass es sich um keine Innovation handelt. Vor dem Hintergrund der Parallelen mit früheren Beispielen knüpft Er ist wieder da lediglich an ältere Praktiken der Vermarktung an. Es geht daher weniger um einen aktuellen ästhetischen Trend, sondern um eine Fortschreibung von schon länger etablierten Strategien. Ein neuartiger Charakter liegt allenfalls in der minimalen Erweiterung des Buchtitels, der in seiner komprimierten Form den Bart symbolisiert.

Für das Cover des Filmes ist jenes des Romans ebenfalls beispielgebend. Einziger Unterschied dabei ist, dass Hitler und ein Hund vor diesem Cover, das als Wandplakat fungiert, abgebildet sind. Da Hitler vor einem Wandplakat und damit einem Werbemittel dargestellt ist, verdeutlicht das Filmcover einmal mehr die Selbstreflexivität der Meta-Ebene. Es greift dem Teil der Handlung mit dem Buch-im-Film und dem Film-im-Film vor und betont ein gewisses Maß an Inszenierung. Diese verweist auf die eigene Konstruktivität sowie (Inter-)Textualität. Diese künstlerischen Elemente sind schließlich wesentliche Aspekte des Filmes. In Verbindung mit dem Inhalt macht das Marketing einen zentralen Bestandteil der medien- und gedächtnisreflexiven Satire aus.

5.1.6 Kontext Für die Untersuchung der Darstellung Adolf Hitlers und des Umgangs mit der NS- Vergangenheit im Medium Film ist im Sinne einer historischen Diskursanalyse der Kontext zu berücksichtigen. Als Träger von Zeichen, Sprache und Diskursen ist ein Film nämlich immer in eine gesellschaftliche Gesamtsituation eingebettet. Die Diskussion des historischen Kontextes erkennt diese Einbettung in ihren politischen, sozialen, wirtschaftlichen und

327 Vgl. Erk, Banalisierung, S. 87–92 sowie Buchcover. 104 kulturellen Dimensionen an und versucht, den filmischen Text als Produkt, als Ergebnis und Objektivation zu erfassen. Dabei gilt es nach Landwehr, die Vernetzungen mit den Entwicklungen, Ereignissen und Prozessen des größeren Rahmens der Entstehung sichtbar zu machen.328 Bei diesen Verbindungen geht es weniger um ein Nebeneinander von Text und Kontext als vielmehr um die diversen Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen ihnen.329 Da es sich bei Er ist wieder da um einen Film über die aktuelle Geschichts- und Erinnerungskultur und somit um einen Film über die Gegenwart handelt, sind in diesem Fall die Wechselwirkungen besonders stark gegeben. In inhaltlicher Hinsicht lässt sich die textuelle Ebene nicht gänzlich von der kontextuellen Sphäre trennen. Stattdessen nimmt der Film seinen gesamtgesellschaftlichen Rahmen mit seinen soziopolitischen Entwicklungen in die Erzählung mit hinein.

Diese Interdependenzen zeigen sich in der Hybridität aus Dokumentation und Fiktion und manifestieren sich in erster Linie in den dokumentarisch angelegten Szenen. Sie beabsichtigen nämlich, in der Konfrontation mit Hitler die Menschen zu befragen, wie sie die aktuelle gesellschaftliche und politische Lage sehen und wie sie die Demokratie einschätzen. Der historische Kontext des Filmes bezieht sich im Wesentlichen auf die politisch-sozialen Entwicklungen der Jahre um 2014 und 2015. In Deutschland regierte zu dieser Zeit Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer großen Koalition aus CDU/CSU mit der SPD im Kabinett Merkel III (2013-2017 bzw. 2018). Auf internationaler Ebene gilt die Weltwirtschaftskrise von 2008 wohl als eines der nennenswertesten und folgenreichsten Ereignisse. Die Finanz- und Bankenkrise stellte die etablierten Parteien und Regierungen Europas sowie deren Gesellschaften vor große politische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen. Im Rahmen der Globalisierung entwickelte sich bei vielen Menschen die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg und Statusverlust heraus. Hinzu kam vor allem ab 2011 mit dem Syrischen Bürgerkrieg ein starker Anstieg von Migrations- und Fluchtbewegungen. In dessen Folge wurden Flucht, Migration oder Integration zu bestimmenden und dominanten Themen des politischen und gesamtgesellschaftlichen Diskurses. Die einzelnen Länder der Europäischen Union, die Union selbst sowie andere Staaten der westlichen Welt standen vor der Frage, wie mit den Fluchtbewegungen umgegangen werden sollte. Als Zäsur der vergangenen Jahre gilt zweifelsfrei das Jahr 2015. Mit dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen steht dieses für außergewöhnliche Dimensionen. Durch das uneinheitliche

328 Landwehr, Diskursanalyse, S. 108. 329 Ebd., S. 161f. 105 staatliche Vorgehen und das Ausbleiben einer gesamteuropäischen Linie in der Migrations- und Flüchtlingspolitik im Sommer und Herbst wird dieses Jahr heute weitgehend als Beginn der sogenannten „Flüchtlingskrise“ angesehen. Die „Krise“ belaufe sich dabei auf ein Ausbleiben einheitlicher politischer Lösungen und eine in asylrechtlicher Hinsicht unbeholfen und spontan agierend wirkende staatliche Verwaltung, was im gängigen Diskurs als „Kontrollverlust“ bezeichnet wurde.330 Das Flüchtlingsthema im Allgemeinen sowie die Integration und die Aufnahmefähigkeit eines Landes im Speziellen wurden zum prägenden und omnipräsenten Thema in Politik, Gesellschaft, Medien und Kultur. Die diskursive Dominanz und große gesellschaftliche Relevanz des Themas zeigt beispielsweise die Wahl des „Wortes des Jahres“ bzw. des „Unwortes des Jahres“ im deutschsprachigen Raum. Etwa mit „Flüchtlinge“ (Deutschland) oder „Willkommenskultur“ (Österreich) bzw. den „Unwörtern“ „Gutmensch“ (Deutschland) oder „besondere bauliche Maßnahmen“ (Österreich) stellt diese stark wertende Auswahl offensichtliche Bezüge zum Thema Migration her.331 Sie verdeutlichen die mediale Präsenz und die Rolle der Diskurse in der Öffentlichkeit.

Als kontroverses und bestimmendes Thema wird die sogenannte „Flüchtlingskrise“ ab 2015 mit einer gesellschaftlichen Polarisierung sowie einem Erstarken rechtspopulistischer und nationalistischer Tendenzen in Verbindung gebracht. Die Polarisierung beläuft sich auf eine Verhärtung der Positionen, die sich am Flüchtlingsthema kontrastieren lassen: Während auf der einen Seite ein humanitär orientiertes zivilgesellschaftliches Engagement bzw. eine grundsätzlich offenere Haltung zu Flucht und Migration („Willkommenskultur“) steht, ist auf der anderen Seite eine skeptisch bis ablehnende Einstellung, oftmals mit einer stärkeren Betonung nationaler Identität, auszumachen. Damit einhergehend kam es zu einem Anstieg von politischen Gruppierungen und zu Wahlerfolgen von Parteien bzw. ihren Vertreter*innen, die für eine nationalistische, islamfeindliche, rechtskonservative, rechtspopulistische oder bisweilen rechtsextreme Politik stehen. Diese vielfältigen Tendenzen werden oftmals unter der Bezeichnung der „Neuen Rechten“ oder eines „rechten Autoritarismus“ gefasst. Als unmittelbare politische Folgen dienen die Beispiele des britischen Referendums über den Ausstieg aus der Europäischen Union („Brexit“) oder die Wahl Donald Trumps zum US-

330 Philipp Ther, Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa, Berlin 2017, S. 272ff. sowie S. 293–302. 331 Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., 11.12.2015, GfdS wählt „Flüchtlinge“ zum Wort des Jahres 2015, [https://gfds.de/wort-des-jahres-2015/], eingesehen 10.7.2019; unwortdesjahres.net, o.D., [http://www.unwortdesjahres.net/index.php?id=112], eingesehen 10.7.2019; Gesellschaft für Österreichisches Deutsch, Das österreichische Wort des Jahres 2015, 3.12.2015, [http://www.oedeutsch.at/OEWORT/wort-des- jahres/2015/], eingesehen 10.7.2019. 106

Präsidenten im Jahr 2016. In Österreich ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) mit ihrem langjährigen Parteiobmann Heinz-Christian Strache (2005-2019) zu nennen. In Deutschland zählen die 2014 entstandene „Pegida“-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) sowie auf parteipolitischer Ebene die 2013 gegründete Alternative für Deutschland (AfD) zu der Neuen Rechten. Diese entstanden im Wesentlichen als Protestbewegung bzw. –Partei, die sich gegen die aktuelle Wirtschafts- und Asylpolitik, „das Establishment“ sowie die klassischen Medien richteten. Spätestens seit ihrem Einzug in den 2017 steht die AfD ebenfalls für einen rasanten Aufstieg rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Strömungen in Politik und Gesellschaft. Indem sie vor allem der CDU/CSU Wählerstimmen entziehen konnte, sorgte sie für einen fundamentalen Wandel in der deutschen Parteienlandschaft und der politischen Kultur. Insgesamt lässt sich in den politischen und sozialen Entwicklungen des zweiten Jahrzehnts nach der Jahrtausendwende ein gewisser Rechtsruck identifizieren, mit dem unter anderem die vermehrten Fluchtbewegungen in Verbindung gebracht werden.332

Der Film entstand unter dem Eindruck dieser politischen und sozialen Entwicklungen, die globale, nationale und regionale Dimensionen erreichten. Mit der Entstehungszeit des Filmes in den Jahren 2013 bis 2015 fällt sein historischer Kontext in die Anfangsphase der sogenannten „Flüchtlingskrise“ sowie des Aufkommens verstärkter rechtspopulistischer Strömungen. Er ist wieder da thematisierte diese Entwicklung bewusst und verdeutlicht als filmische Quelle die Wechselwirkungen zwischen Text und Kontext. Diese unmittelbare Bezugnahme auf die gegenwärtigen Ereignisse und Prozesse kommt in den dokumentarisch ausgerichteten Teilen zum Vorschein, in denen Hitler und Sawatzki die Menschen befragen und in denen sich der Umgang mit der Vergangenheit manifestiert. Dieser dokumentarische Teil wird im Kapitel über die Darstellung Hitlers vertieft ausgearbeitet. Zusätzlich stellt der Film explizit Bezüge zu politischen Akteurinnen und Akteuren sowie den tagespolitischen Entwicklungen her. Zum einen geschieht dies zu Beginn des Filmes, als Hitler sich im Kiosk über die Jahrzehnte nach 1945 sowie über die aktuelle politische Lage informiert. Zum anderen wird am Ende des Filmes im Stile des found footage in einer kurzen Sequenz echtes Videomaterial von rechten Politiker*innen in Europa oder auch von Pegida-Demonstrationen gezeigt. Der Film als

332 Vgl. Ther, Außenseiter, S. 351–358; Volker Weiß, Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Bonn 2017; Winfried Nerdinger/Mirjana Grdanjski/Ulla-Britta Vollhardt (Hrsg.), Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945, Katalog zur Ausstellung im NS- Dokumentationszentrum München, 29.11.2017–2.4.2018, München 2017, S. 198–207; Fuchs, Digitale Demagogie; Karin Priester, Die Alternative für Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 67 (2019), H. 3, S. 443–453. 107

Gegenwartsbezug steht damit in engen Wechselwirkungen mit seinem Kontext steht und thematisiert diesen in Teilen. Der Film beweist, dass eine strikte Trennung zwischen Text und seinem Bezugsrahmen nicht möglich ist und diese stets vernetzt betrachtet werden müssen.

Der politische und gesellschaftliche Hintergrund mit den Ereignissen und Entwicklungen der vergangenen Jahre macht definitiv einen maßgeblichen Bestandteil des Filmes aus und hat damit primären Einfluss auf die Entstehung des filmischen Produktes. Da der Film im Spiegel der Public History neben der Erinnerungskultur auch den medialen Wandel fokussiert, ist dieser als wesentlicher Teil des Kontextes nicht auszuklammern. Mit der immer stärker und weiter voranschreitenden Digitalisierung umfasst der Medienwandel sämtliche Bereiche der Gesellschaft und verändert das menschliche Leben, allen voran die Kommunikation, auf fundamentale Weise. Die Verlagerung sozialen Handelns in die Online-Welten von Social Media und anderen virtuellen Diensten des Internets liegt dabei im Wesentlichen in den Händen von kapitalistischen Datenkonzernen aus den USA. Seit Beginn der 2010er-Jahre bildete sich eine Hegemonie der Internetgiganten heraus, zu denen in der Regel die Big Five (Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft) oder auch Kurznachrichtendienste wie Twitter zählen. In Zeiten der Globalisierung und der Informationsgesellschaften ist damit eine starke Bündelung von Macht und Kapital verbunden. Deren Monopolstellung sondergleichen zeigt sich in der Besitznahme und Verknüpfung unterschiedlicher Onlinedienste innerhalb eines Unternehmens, wie es etwa bei Google mit YouTube oder bei Facebook mit dem sozialen Netzwerk Instagram und dem Messengerdienst WhatsApp der Fall ist. Das Erreichen der Schwelle von einer Milliarde monatlich aktiven Nutzer*innen auf Facebook im September 2012 gilt für den medialen Wandel der letzten Jahre zweifelsfrei als vielsagender symbolischer Meilenstein.333 Mit dem Anstieg der Digitalisierung kamen jedoch auch vermehrt Debatten über einen kritischen Umgang in der Öffentlichkeit auf, was eine breitere Bewusstseinsbildung förderte. Indem der Film Er ist wieder da Adolf Hitler in die Gegenwart versetzt, reflektiert er als Mediensatire auch diese medialen Dimensionen. So lassen sich in der Untersuchung der Geschichts- und Erinnerungskultur bzw. des im Film vermittelten Bildes von Adolf Hitler auch in Hinblick auf den Medienwandel der letzten Jahre die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Text und Kontext herausarbeiten.

333 Der Standard, Facebook verzeichnet erstmals eine Milliarde Nutzer, 4.10.2012, [https://www.derstandard.at/story/1348285025819/facebook-verzeichnet-erstmals-eine-milliarde-aktiver-nutzer], eingesehen 10.7.2019. 108

5.1.7 Intention und Rezeption Korte und Paletschek wiesen in ihrem Sammelband History goes Pop bereits darauf hin, dass es für die Behandlung von populären Produkten der Geschichtskultur unerlässlich ist, die Intentionen und Motive der Produzierenden sowie die Rezeption bei den Zuseherinnen und Zusehern einzubeziehen.334 Da die vorliegende Arbeit die Darstellung Adolf Hitlers und den Zusammenhang mit der Geschichts- und Erinnerungskultur fokussiert, können Intention und Rezeption im Folgenden nur in Ausschnitten behandelt werden. Eine breiter angelegte und sozialwissenschaftlich orientierte Studie über die Rezeption des gesamten kulturellen Phänomens Er ist wieder da, bestehend aus Roman, Hörbuch, Film und Theaterstück, stellt dabei ein Desiderat dar.

Neben den wirtschaftlichen Interessen, die in der Natur des Mainstream-Kinos liegen und bei Verfilmungen von kommerziell erfolgreichen Buchvorlagen stets mitschwingen, ist bei der Produktion von Er ist wieder da eine deutliche Intention zu verorten. Die für die Entstehung des Filmes zentralen Personen, nämlich die Produzenten, der Regisseur und Drehbuchautor sowie die Hauptdarsteller*innen machten ihre Motive in diversen medialen Auftritten immer wieder deutlich. Im Zuge des Marketings und der Verbreitung des Filmes gehören solche Auftritte innerhalb der plurimedialen Konstellationen zu einer Grundvoraussetzung für die Herstellung von öffentlicher Präsenz. Dazu zählen etwa die Teilnahme an Talkshows im Fernsehen, Interviews in Nachrichtensendungen oder anderen Medien. In den medialen Performanzen kommen somit die nach außen kommunizierten Hintergründe zum Vorschein. Die Intention beinhaltet eine erinnerungskulturelle und zeithistorische Komponente. Seinen Macher*innen war die Bedeutung des Filmes als Teil der Geschichtskultur damit definitiv bewusst. Zum Beispiel sprach Executive Producer Oliver Berben (Constantin Film) Ende Oktober 2015 in der Diskussionssendung bei Markus Lanz über die immer größer werdende zeitliche Distanz zu Nationalsozialismus und Holocaust und die damit einhergehende Herausforderung, die Auseinandersetzung mit diesen historischen Themen zu gestalten. Markus Lanz verwies dabei auf eine Aussage Berbens, der eine „erste Generation“ identifizierte, welche „mit Kriegs- und auch Nachkriegszeit überhaupt nichts mehr zu tun hat“.335 Dies knüpft an gängige und bereits ausgeführte Diskurse innerhalb der zeithistorischen und geschichtsdidaktischen Forschung an. Sie betreffen das Sterben der Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die temporale Distanz, die dritte und vierte Generation „nach dem Holocaust“

334 Korte/Paletschek, Geschichte, S. 48. 335 ZDF, Markus Lanz, 29.10.2015, Kopie aus ZDF-Archiv, 00:02:06–00:02:20. 109 sowie eine befürchtete schwindende Bedeutung der NS-Zeit innerhalb der Gesellschaft. Die Aussage Berbens ist insofern interessant, als sie ein Geschichtsbewusstsein und einen moralisch-didaktischen Anspruch in der Produktion des Filmes ausdrückt. In eine ähnliche Richtung gehen diverse Interviews in Nachrichtensendungen. Diese betonen vor allem eine demokratiepolitische Bedeutung des Filmes. Hier kann beispielsweise auf die Berichterstattung über den Film in den Tagesthemen der ARD und der Zeit im Bild 2 (ZiB2) im ORF verwiesen werden. Darin hob Hauptdarsteller Oliver Masucci häufig hervor, dass die Demokratie wertvoll, aber fragil sei und daher auf sie aufgepasst werden müsse.336 Die beteiligten Personen messen dem Film damit eine historische und demokratiepolitische Relevanz für die Gegenwart bei. Darin zeigt sich auch der filmische Gegenwartsbezug als Behandlung des aktuellen Umgangs mit Adolf Hitler. Dieser kommt auch in einer Aussage des Regisseurs und Drehbuchautors David Wnendt zum Ausdruck. Im ZiB2-Beitrag merkte an, dass es nicht darum gegangen sei, „ein neues Psychogramm von Hitler zu machen“, sondern zu erproben, wie die Menschen auf die „Figur“ reagierten.337 Diese Auszüge verdeutlichen die Absicht hinter der Produktion, in einem didaktisch-moralischen Zugang eine Reflexion über den Umgang mit Adolf Hitler und der NS-Vergangenheit darzustellen und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart zu untersuchen. Dabei stand nicht nur der rein humoristische, sondern auch der seriöse und geschichtsbewusste Ansatz im Mittelpunkt.

Die sehr breite Rezeption lässt sich schwer bewerten. Der Film lief im deutschsprachigen Raum für mehrere Wochen in den Kinos und gilt mit rund 2,5 Millionen Kinobesucher*innen in Deutschland als kommerzieller Erfolg.338 Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) stufte Er ist wieder da mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ein. Neben fünf Nominierungen beim Deutschen Filmpreis 2016 wurde er beim Europäischen Filmpreis für die Beste Komödie nominiert. Ausgezeichnet wurde er 2016 bei der Bambi-Verleihung mit dem „Film National“ sowie dem Publikumspreis im Civis – Europäischer Medienpreis für Integration.339 Der Film erschien am 7. April 2016 auf DVD und Blu-Ray sowie am 9. April auf dem Streaminganbieter Netflix, wo er unter dem englischen Titel Look Who’s Back auch ein internationales Publikum

336 tagesschau, tagesthemen 22:15 Uhr, 05.10.2015, YouTube, 6.10.2015, [https://www.youtube.com/watch?v=xB2pLRk_ZwE], 09:23-12:43, eingesehen 10.7.2019; Christian Konrad, Er ist wieder da im Kino, ORF, Zeit im Bild 2, Beitrag 10, 8.10.2015, ORF-Archiv. 337 Konrad, Er ist wieder da im Kino. 338 filmportal.de, Er ist wieder da, o.D., [https://www.filmportal.de/film/er-ist-wieder- da_2b1e2e2d9d9344eea21b44d04228e2ad], eingesehen 10.7.2019. 339 filmportal.de, Er ist wieder da; Austria Presse Agentur, CIVIS Medienpreis 2016, 12.5.2016, [https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160512_OTS0297/civis-medienpreis-2016], eingesehen 4.10.2019. 110 erreichen konnte. Ausgehend davon spannt sich in der Rezeption ein Netz von transnationalen und globalen Verknüpfungen. Dies hängt mit dem kulturellen Phänomen Er ist wieder da, das heißt in erster Linie mit dem Roman, zusammen. Als kultureller Vorläufer wurde das Buch in mehrere Sprachen übersetzt, wodurch der Film auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes auf ein bereits gelegtes Fundament traf. Als universelles, transnationales und häufig rezipiertes Thema der internationalen Filmgeschichte unterschied sich die neuerliche Darstellung Adolf Hitlers in dieser Hinsicht nicht von früheren Beispielen. Eine deutsche Produktion über Hitler ist daher keineswegs nur für ein deutschsprachiges Publikum zugänglich. Im Gegenteil, das Thema des Umgangs mit der (NS-)Vergangenheit scheint vielmehr ein Anstoß für die Behandlung der Geschichte anderer staatlicher Systeme mit einer faschistischen Vergangenheit zu sein. So fand beispielsweise ein Transfer von Er ist wieder da in Form eines italienischen Remakes statt. Unter dem Titel Sono tornato (2018) versetzte Regisseur Luca Miniero (geb. 1967) die Handlung des deutschen Filmes nach Italien und ließ hier Benito Mussolini zum Leben erwachen. Wie von einem Remake zu erwarten ist, fand scheinbar keine große Abweichung von der Vorlage statt. Der Film hatte am 1. Februar 2018 seine Premiere in italienischen Kinos und hatte eine nicht zu unterschätzende Rezeption.340 Dabei ist beachtenswert, welchen kulturellen Transfer der ursprüngliche Stoff erfuhr und wie die deutsche kontrafaktische Satire auch eine filmische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in der Gegenwart eines anderen Landes auslöste. Des Weiteren kann zur Rezeption des Filmes nochmals auf die Entstehung von Theateradaptionen verwiesen werden.

Die unmittelbare Rezeption auf den Kinofilm im Herbst 2015 gestaltete sich sehr unterschiedlich. Im Feuilleton gab es sowohl positive als auch sehr negative Rezensionen. Als dominantester Aspekt in den Diskursen über den Film gelten die Bezüge zur Vergangenheit und den politischen Entwicklungen der Gegenwart. Die Wechselwirkungen zwischen Text und Kontext wurden sehr stark wahrgenommen und in den Rezensionen berücksichtigt. Konkret standen der gegenwärtige Umgang mit der NS-Vergangenheit, die „Flüchtlingskrise“ in ihren politischen und sozialen Dimensionen sowie der politische „Rechtsruck“ mit Pegida und AfD im Mittelpunkt. Michael Hanfeld beschrieb Er ist wieder da in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als den „dümmsten und perfidesten Film, der seit langer Zeit in die Kinos gekommen

340 Vision Distribution, Sono tornato (2017) – Trailer Ufficiale 60“, YouTube, 10.1.2018, [https://www.youtube.com/watch?v=w6-WFLRC_1c], eingesehen 10.7.2019; Dennis Meischen, Er ist wieder da bei ProSieben: Die Hitler-Komödie hat ein italienisches Remake, Moviepilot.de, 30.5.2019, [https://www.moviepilot.de/news/er-ist-wieder-da-bei-prosieben-die-hitler-komodie-hat-ein-italienisches- remake-1118939#comments], eingesehen 10.7.2019. 111 ist“. Hanfeld stört die provokante, moralisierende und verallgemeinernde Art des Filmes, da er alle oder zumindest viele Menschen mit Hitler gleichsetze. In der nicht klar erkennbaren Vermischung aus Fiktion, Dokumentation und Mockumentary sieht er dubiose Mittel der Denunziation, weshalb der Film mit den Menschen spiele und sie unfreiwillig zu einem Teil der Inszenierung mache. Diese Vorgehensweise erinnere an die bewussten Provokationen des Komikers Sacha Baron Cohen und seine Kunstfigur Borat. So handle es sich bei Er ist wieder da nicht um eine Satire, sondern eine „experimentelle Anordnung und ein Pamphlet“. Hanfelds Einschätzungen überschneiden sich weitgehend mit anderen negativen Rezensionen im Feuilleton.341 Im Gegensatz zu Hanfeld bezeichnet Dirk Kurbjuweit im Spiegel die dokumentarischen Sequenzen als „wichtiger Beitrag zu den aktuellen Debatten des Landes“.342 Diese konträren Bewertungen markieren die unterschiedliche Rezeption des Filmes in Bezug auf die politischen Entwicklungen der Gegenwart.

Die mediale Dimension wurde ebenfalls häufig diskutiert. Wie Hanfelds Verweis auf Cohens Werk andeutet, wurde der Film in Rezensionen oft vor dem Hintergrund der Filmgeschichte beurteilt. Das betrifft sowohl die einschlägigen Filme über Adolf Hitler und die NS- Vergangenheit als auch die diversen intertextuellen Referenzen innerhalb des Filmes selbst. Im Vergleich zu früheren Hitler-Darstellungen identifiziert Connolly im Guardian „a sharp departure“, da Er ist wieder da die Reaktion der Menschen auf Hitler in der Gegenwart behandle.343 Im Genre der kontrafaktischen Narrationen nennt Kümmel in der Zeit unter anderem Tarantinos Inglourious Basterds (2009) als Vorläufer. Daneben verweist er auch auf Sacha Baron Cohens Der Diktator (2012) sowie Hirschbiegels Der Untergang (2004). Anhand von letzterem thematisiert Kümmel den Transfer Hitlers in die Gegenwart und auf die Macht der Medien.344 Allgemein wurde der Film größtenteils als Politsatire mit einer vehementen Medienkritik wahrgenommen, wenngleich dieser Anspruch des Filmes unterschiedlich

341 Michael Hanfeld, Der Adolf in uns allen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.11.2015, [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fragwuerdige-botschaft-der-hitler-satire-er-ist-wieder-da- 13889773.html], eingesehen 10.7.2019; vgl. auch Christian Buß, Vorsicht, Witz mit Bart, Spiegel Online, 7.10.2015, [https://www.spiegel.de/kultur/kino/er-ist-wieder-da-hitler-groteske-nach-timur-vermes-a- 1056231.html], eingesehen 10.7.2019. 342 Dirk Kurbjuweit, Vater Hitler, in: Der Spiegel, 26.9.2015, S. 128–131, hier S. 130. 343 Kate Connolly, Interview. David Wnendt on filming Look Who’s Back: ‘Our idea was to see how people react to Hitler’, in: The Guardian, 6.10.2015, [https://www.theguardian.com/film/2015/oct/06/hitler-look-whos-back- director-david-wnendt-interview], eingesehen 10.7.2019. 344 Peter Kümmel, War er je weg?, Zeit Online, 1.10.2015, [https://www.zeit.de/2015/40/er-ist-wieder-da-kino- hitler-buchverfilmung], eingesehen 10.7.2019. 112 bewertet wurde.345 Die unterschiedlichen Interpretationen und Bewertungen in den Rezensionen versinnbildlichen die Kontroversität des Filmes. Das betrifft die Darstellung Hitlers zwischen Normalisierung und Moralisierung sowie den Bezug zur Gegenwart mit sämtlichen aktuellen Ereignissen und Entwicklungen in ihren politischen, gesellschaftlichen und medialen Dimensionen.

Die Kontroversität und die Vielfalt in der Bewertung des Filmes zogen sich auch außerhalb des Feuilletons fort. Als zentrale Orte der Kommunikation drückten sich Reaktionen und Meinungsbilder auch laufend in den sozialen Netzwerken, wie etwa auf Facebook, Twitter oder YouTube, aus. In diesen Medien gibt es eine Vielzahl an Kommentaren, Kritiken, Stellungnahmen, Reaktionen, Posts, Tweets oder Videos zum Film. Dafür kann ein kurzer Blick in die Suchergebnisse auf YouTube oder auch in die Diskussionen in den Kommentaren unter den einzelnen Videos, wie etwa beim Filmtrailer geworfen werden. Einen exemplarischen Einblick in den populären Online-Diskurs liefert ein Post von der offiziellen Facebook-Seite des österreichischen ORF-Journalisten Armin Wolf. Am 26. Oktober 2015 teilte Wolf auf seiner Seite begleitet von einer Verlinkung des Trailers mit: „‚Er ist wieder da‘ gesehen. Trotz viel Klamauk absolut erschreckender Film (und noch böser als das Buch). Sollte Pflichtprogramm in Politische Bildung werden.“346 Interessanterweise regte Wolf damit nicht nur allgemein an, sich den Film anzusehen. Er sprach auch eine explizite Empfehlung aus, ihn im schulisch-didaktischen Rahmen der Politischen Bildung zu behandeln. Welchen Einfluss Personen wie Armin Wolf auf den gesellschaftlichen Diskurs besitzen, zeigt sich in der großen Anzahl der Reaktionen zu seinem Posting. Die Vielfalt der Kommentare gibt dabei einen sehr guten Eindruck vom weiten Spektrum der Meinungen und Reaktionen aus der breiteren Bevölkerung.

Für die Konzeption eines Erinnerungsfilmes, der einen nachhaltigen Einfluss auf das kollektive Gedächtnis hat, ist es essentiell, über einen längeren Zeitraum rezipiert zu werden. In dieser Hinsicht ist die Herausbildung eines größeren gesellschaftlichen Kulturphänomens, das sich über mehrere Medien und Kulturformen hindurchzieht, eine wesentliche Voraussetzung. Bei Er ist wieder da ist dies jedenfalls mit dem Netzwerk aus literarischen, dramatischen und filmischen Produkten, dem transnationalen Transfer in einem Remake sowie der breiten

345 Vgl. Kümmel, War er je weg?; Buß, Vorsicht; Norbert Mayer, „Er ist wieder da“: Hitler erschießt deutschen Hund, in: Die Presse, 8.10.2015, [https://diepresse.com/home/kultur/film/filmkritik/4839076/Er-ist-wieder- da_Hitler-erschiesst-deutschen-Hund], eigesehen 10.7.2019. 346 Armin Wolf, Facebook, 26.10.2015, [https://www.facebook.com/arminwolf.journalist/posts/er-ist-wieder-da- gesehen-trotz-viel-klamauk-absolut-erschreckender-film-und-noch/1108647035813831/], eingesehen 10.7.2019. 113 internationalen Rezeption gegeben. Für die Entwicklung hin zu einem gedächtnisrelevanten kulturellen Produkt ist der Übergang vom Status des Kinofilmes hin zu einem niederschwelliger verfügbaren Medium der Distribution entscheidend. Der wesentliche Schritt dafür ist eine Ausstrahlung im Free-TV, die meist wenige Jahre nach der Laufzeit im Kino erfolgt. In den Konjunkturzyklen der Rezeption, welche bei einem erfolgreichen Kinofilm mit einem Boom beginnen, kann eine Fernsehausstrahlung für einen neuerlichen Aufschwung sorgen. Während der Film im Privatfernsehen am 10. Juni 2018 auf ProSieben seine Free-TV-Premiere hatte, zeigte der österreichische öffentlich-rechtliche Rundfunk den Film am 26. November 2018 auf ORF1. Im Anschluss daran gab es im „Talk zum Film“ eine Diskussionsrunde mit dem Schauspieler, Regisseur und Autor Gabriel Barylli (geb. 1957), dem Zeitzeugen und Künstler Arik Brauer (geb. 1929), der Sozialwissenschaftlerin Eva Zeglovits und dem Autor der Romanvorlage Timur Vermes.347 Im Kontext des geschichtspolitisch und erinnerungskulturell außerordentlich bedeutungsvollen offiziellen „Gedenk- und Erinnerungsjahres 2018“348, das in Österreich neben einer Reihe weiterer Gedenkanlässe mit 80 Jahren „Anschluss“ und Novemberpogrom auch an die NS-Zeit erinnerte, stellt die Ausstrahlung des Filmes und die Diskussionsrunde ein brisantes Ereignis dar. Die Moderatorin der Gesprächsrunde, Lisa Gadenstätter, weist dabei mit der am 21. März 2018 ausgestrahlten Dokumentation Schluss mit Schuld – Was der Holocaust mit mir zu tun hat und der dazugehörigen Buchpublikation ebenfalls einen direkten Bezug zur erinnerungskulturellen Medienarbeit dieses Jahres auf.349 Insofern ist es besonders bemerkenswert, dass dem Film Er ist wieder da innerhalb dieses Jahres ein zentraler Sendeplatz im Hauptabendprogramm mit anschließender Diskussion und prominent besetzter Runde gewidmet wurde.

In Bezug auf die Rezeption und den Diskurs innerhalb der Gesprächsrunde lässt sich erneut auf die Kontroversität und die Unterschiedlichkeit der Bewertung des Filmes verweisen. Hervorzuheben ist, dass der vom Nationalsozialismus unmittelbar betroffene Zeitzeuge Arik Brauer wie auch Schauspieler Gabriel Barylli dem Film sehr negativ gegenüberstanden. Barylli lehnte ihn aufgrund seiner politisch-moralischen Botschaft ab und bezeichnete den Film als „Propaganda“, da er alle Menschen und den im Abspann gezeigten damaligen FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache mit Hitler gleichsetze. In der Folge sprang die FPÖ auf diese Einschätzung

347 ORF, Er ist wieder da – Der Talk zum Film, 26.11.2018, ORF-Archiv. 348 Vgl. dazu Dirk Rupnow, Austria’s Year of Memory and Commemoration 2018 – A Review, in: Günther Bischof/David M. Wineroither (Hrsg.), Democracy in Austria (Contemporary Austrian Studies 28), Innsbruck 2019, S. 223–236. 349 Vgl. TV-Dokumentation und Buchpublikation Gadenstätter/Gollackner, DOKeins; Gadenstätter/Gollackner, Schluss mit Schuld. Unsere Reise zum Holocaust und zurück. 114 als „Propaganda“ auf und formulierte eine für sie typische Kritik an der demokratiepolitischen Funktion und der journalistischen Arbeit des österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.350 Im Sinne der plurimedialen Konstellationen beweist dies, wie eine Ausstrahlung im Free-TV einem Film bzw. einem Diskurs darüber einen neuen Auftrieb geben kann. Die Tatsache, dass nicht lediglich nur der Film gezeigt sondern in einer begleitenden Diskussionsrunde vertieft wurde – noch dazu im Kontext des damaligen „Gedenk- und Erinnerungsjahres“ –, unterstreicht einmal mehr seine hohe gesellschaftspolitische und erinnerungskulturelle Relevanz. Neben der Laufzeit im Kino trägt somit das Fernsehen als zentraler Teil der Medienlandschaft dazu bei, den Einfluss eines Filmes auf das kollektive Gedächtnis zu vergrößern und ihn als Erinnerungsfilm zu verankern.

Die Rezeption des Filmes in der Sphäre der Wissenschaft wurde bereits in der Einleitung angedeutet. Während eine geschichtswissenschaftliche oder zeithistorische Analyse trotz der offensichtlichen Wahrnehmung innerhalb der Disziplinen ausblieb, gab es lediglich einzelne Betrachtungen aus anderen Fachrichtungen, wie etwa den Aufsatz des Psychiaters und Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz. Dieser arbeitet wesentliche Aspekte des Filmes heraus und kann als Grundlage für die wissenschaftliche Rezeption dienen. In Bezug auf den Roman wurde schon auf den Aufsatz des Historikers Thomas Großbölting aus dem Jahr 2013 verwiesen. Darin sprach er sich noch für einen offeneren Zugang der Geschichtswissenschaften zu populärkulturellen Darstellungen aus. Drei Jahre später schrieb er in einem Gastbeitrag mit dem Titel „Es ist wieder da“ in einer Universitätszeitung über die neu erschienene kommentierte Edition von Mein Kampf. Darin hielt er über Roman und Film von Er ist wieder da resignierend fest: „Die Geschichte ist krude und nur manchmal witzig, verweigert jede Art der intellektuellen Auseinandersetzung mit ihrem Stoff – und wurde doch hundertausendfach [sic] gelesen und gesehen.“351 Dabei ist einerseits interessant, wie ein Wissenschaftler wieder einmal den Buch- bzw. Filmtitel als Anspielung und Aufmacher benutzt. Andererseits ist es besonders signifikant, wie unbeständig Großböltings Einschätzungen sind. Während er 2013 noch für eine reflektierte und kritische Einbeziehung der Populärkultur warb und über eine

350 Rosa Schmidt-Vierthaler, Strache im Hitler-Film: Streit über Propaganda, in: Die Presse, 27.11.2018, [https://diepresse.com/home/kultur/medien/5537136/Strache-im-HitlerFilm_Streit-ueber-Propaganda], eingesehen 10.7.2019; oe24, FPÖ attackiert ORF wegen Hitler-Film, 27.11.2018, [https://www.oe24.at/oesterreich/politik/FPOe-attackiert-ORF-wegen-Hitler-Film/357692514], eingesehen 10.7.2019; Der Standard, FPÖ poltert gegen ORF wegen Strache im Abspann der Hitler-Satire, 28.11.2018, [https://www.derstandard.at/story/2000092583114/fpoe-poltert-gegen-orf-wegen-strache-im-abspann-der-hitler], eingesehen 10.7.2019. 351 Großbölting, Geschichtskonstruktion; Thomas Großbölting, Es ist wieder da, in: wissen leben 10 (2016), Nr. 1, [https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/geschichte/neuzeit_2/wl_01_2016.pdf], S. 4. 115

Diskrepanz zwischen historiographischen Forschungsinteressen und Orientierungsbedürfnissen der Bevölkerung reflektierte, sei 2016 eine „intellektuelle Auseinandersetzung“ scheinbar nicht mehr möglich. Die fokussierte Diskussion und Analyse des Filmes Er ist wieder da soll vor Augen führen, dass eine über oberflächliche Anspielungen hinausgehende, kritisch-reflektierte wissenschaftliche Auseinandersetzung tatsächlich möglich ist. Eine solche verdeutlicht schließlich auch die Bedeutung des Mediums Film im Rahmen der Geschichts- und Erinnerungskultur.

5.2 Hitler in der Gegenwart der Menschen 5.2.1 Darstellung zwischen Fiktion und Dokumentation Im Vergleich zu früheren Filmen verändert sich die Repräsentation Adolf Hitlers in Er ist wieder da insofern, als er Hitler nicht mehr in der Vergangenheit, das heißt in seinem historischen Kontext, darstellt. Stattdessen entkontextualisiert er ihn und versetzt ihn in Form eines Gegenwartsbezuges in die heutige Zeit, nämlich in das Jahr 2014. Der Film baut mit der Vermischung aus Fiktion, Dokumentation und Mockumentary in seiner Handlung auf mehrere komplexe Ebenen auf. Aus diesem Grund muss die Darstellung Hitlers im Film in einen Charakter im fiktionalen Teil und eine Kunstfigur im dokumentarischen bzw. semi- dokumentarischen Teil unterschieden werden. In dieser doppelten Repräsentation versucht der Film einen Transfer als eine Vernetzung der fiktiven und der realen Welt. Damit ist das für die Satire typische Vorgehen verbunden, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zu lassen und beim Publikum eine Irritation sowie Reflexion auszulösen. Daraus ergibt sich letztlich die Einordnung des Filmes zwischen Normalisierung und Moralisierung.

Im fiktionalen Teil dominiert eine humoristische Repräsentation des Diktators. Hitler wird primär als unterhaltsamer, lustiger und nahbarer Mensch gezeigt. Dabei fügt er sich in den karikierenden Umgang der Parodien und ironischen Darstellungen seiner Vorläufer ein. Seit dem Beginn dieser Darstellungsformen und der fortschreitenden Normalisierung, beispielsweise mit Chaplins, Lubitschs oder Brooks‘ Werken, veränderten sich die Seh- und Rezeptionsgewohnheiten. Es wurde „normal“, über Hitler zu lachen und ihn als Witzfigur hinzunehmen. Durch diese Normverschiebung wurde das Lachen zur erwarteten Reaktion in der Konfrontation mit der Figur in diversen künstlerischen Formaten. Dasselbe passiert auch bei den Charakteren in der Erzählung. Sei es der Kioskbesitzer, Sawatzki, Sensenbrink oder Bellini in der Fernsehagentur – sie alle nehmen Hitler unmittelbar als Witzfigur wahr und 116 deuten ihn als Comedian, als Imitator und als Parodie. Im Gegensatz zum Publikum, das Hitlers Wiederkehr zu Beginn des Filmes sieht, erkennen sie ihn nicht als den echten, zurückgekehrten Diktator an, der er aber in der filmischen Erzählwelt ist. Hitler selbst tritt keineswegs als Imitator oder Komiker auf, sondern ist sich seiner selbst als die historische Persönlichkeit bewusst. Die Darstellung Hitlers ist damit nicht verharmlosend oder banalisierend. Er wird von den Menschen lediglich so gedeutet, weil er nicht ernst genommen wird und weil sie auch nicht genau hinhören und hinsehen, was der Mann eigentlich von sich gibt. Unter dem Deckmantel der Parodie billigen sie ihn in seinem Auftreten und seinen Aussagen. Ein genaues Hinsehen ist jedoch erforderlich, um den „wahren Kern“ des vermeintlichen Schauspielers hervorzubringen. Hitler beharrt bis zum Schluss auf seinem nationalsozialistischen Weltbild und seiner wieder angestrebten Rolle als „Führer“. In Bezug auf seine Äußerungen und seine Ideologie lässt sich der im Film dargestellte Hitler als rassistischer, antisemitischer, nationalistisch-völkischer, antidemokratischer und faschistischer Demagoge beschreiben. Das zeigt sich auch in seiner Sprache, die sich – der Buchvorlage entsprechend – stark an Mein Kampf orientiert und Aussagen aus Hitlers Reden und Schriften einarbeitet – gewissermaßen als Authentifizierungsstrategie. In der kritischen Edition heißt es zur Sprache in Mein Kampf, dass sie starke Widersprüche hervorrufe. So würde der nur mühsam lesbare Text „brutale und menschenverachtende Botschaften immer wieder scharf mit Passagen kontrastieren, die sprachlich und stilistisch unfreiwillig komisch wirken“.352 In der schwülstigen, langatmigen Sprache Hitlers im Film gibt es einen ähnlichen Effekt, der auf die Menschen eine solche unfreiwillig komische Wirkung hat. Durch seinen Transfer in die Gegenwart ist die Persönlichkeit verfremdet und unkonventionell. Sie wirkt daher trotz der brutalen und menschenverachtenden Aussagen auf ihr Umfeld amüsierend, lustig und unterhaltend. Dadurch rücken die eigentlichen Botschaften und Inhalte in den Hintergrund, sodass ihn die Menschen als politisch inkorrekten Komiker und Imitator ansehen. Gleichzeitig bleibt Hitler aber immer in seiner Rolle, verstellt sich nicht, verbreitet seine Ideologie und beharrt darauf, dass er der echte sei. Der Film verlegt dadurch seinen Fokus auf das Verhältnis der Menschen zu Hitler. Entscheidend ist, wie sie ihn deuten, auf ihn reagieren und mit ihm umgehen.

Ausgehend von diesem fiktionalen Erzählstrang untersucht der Film in den dokumentarischen Teilen, wie sich dieses Verhältnis zwischen Hitler und der Gesellschaft in der realen Welt gestaltet. Der Film erweckt den Eindruck, dass es sich teilweise um nicht inszenierte Sequenzen

352 Hartmann u.a. (Hrsg.), Hitler, S. 21. 117 handelt. Bei welchen Abschnitten es sich um reale, fiktionale oder im Sinne des Mockumentary um semi-fiktionale Sequenzen handelt, ist weniger entscheidend. Die Unterschiede können in einem close reading und mit Blick auf technische und formale Aspekte herausgearbeitet werden. Wesentlich ist jedoch, dass Hitler bei den dokumentarischen Befragungen und Gesprächen zu einer Kunstfigur und einem Medium für sich wird. Hitler wird dazu verwendet, die Menschen auf der Straße zu konfrontieren und deren Reaktionen auf diese Figur zu testen. Die Interaktion mit Hitler wird dazu benutzt, die gegenwärtige Gesellschaft und die Meinungen zur aktuellen Politik und zur Demokratie zu erfragen. Insofern wird die Figur Hitler zu einem Medium in einem Experiment. Es soll Reaktionen hervorrufen, in denen sich das demokratiepolitische und historische Bewusstsein der Menschen äußert.

In den Konfrontationen fordert der Film die Menschen heraus und versucht, den gesellschaftlichen Umgang mit Hitler in der Gegenwart darzustellen. Konkret passiert dies auf Sawatzkis und Hitlers Fahrt durch Deutschland in spontan wirkenden Befragungen und Diskussionen auf öffentlichen Orten wie städtischen Plätzen, der Straße, in Gasthäusern, in der Natur oder in der Reinigung. Die Gespräche werden dabei von Masucci in seiner Hitler-Rolle angestoßen und von ihm provoziert. Sie beziehen sich auf das, was die Menschen im Land störe, was verändert werden könne und was ihnen an der Demokratie nicht passe. Zum Beispiel geht es im Gespräch mit einer Dame, die in einer Imbissbude arbeitet, um die Rolle der Demokratie und ihr Gefühl, nicht mitbestimmen zu können. Allgemein wolle sie das auch gar nicht, denn sie habe den Eindruck, dass Wahlen ohnehin manipuliert seien. Schnell werden dabei Diskurse über politische Korrektheit, Denk- und Sprechverbote oder Ausländerfeindlichkeit aufgegriffen. Am Ende der kurzen Sequenz fragt die Dame, ob sie mit Hitler ein Foto machen könne. In einem „Nobelrestaurant“ spricht ein älterer Mann davon, dass schon etwas geändert werden könne. Nämlich könnten laut ihm Arbeitslager wieder eingeführt werden. Eine andere Runde mit älteren Männern greift Diskurse der Islamfeindlichkeit und der Migration auf. So heißt es bei einem Mann: „Die Bartleute und die da verdächtig sind, die müssen rausgeschmissen werden, wohin auch immer.“ Dabei meine er Menschen, die schon länger in Deutschland leben, aber auch „die Salafisten“. Bei einer Hundeschule spricht eine Frau von Überfremdung und merkt an, dass „wir kleine Menschen ja eh nichts“ ändern könnten. Hitler verweist auf die Möglichkeit, „einen starken Großen“ zu wählen, um etwas zu ändern. Zusätzlich stellt er in Bezug auf die Immigration rassenbiologische Zusammenhänge zwischen Hunden und Menschen her. Diesen Ausführungen widerspricht die Frau nicht sondern stimmt ihm zu. Im Gespräch mit einem Mann deutet Hitler in einem Gasthaus die Gefahr an, dass durch

118 die Migration aus Afrika die Infektionskrankheit Ebola nach Deutschland kommen könne. In seiner Antwort nimmt der Mann auf den Umgang mit der deutschen Vergangenheit Bezug und entgegnet:

„Ja selbstverständlich. Ja was glauben Sie wie das alles rüber schwappt. Nur weil wir Deutschen den Mund nicht aufmachen dürfen weil uns immer noch etwas anhängt. Da muss ich Ihnen ehrlich sagen, das ist nicht meine Meinung. Da bin ich ganz konsequent. Ich bin kein Radikaler, aber ich werde mich immer auf die rechte Seite stellen.“353 In diesen Begegnungen dulden die Menschen ihren Gesprächspartner, die Kunstfigur Hitler, und vertrauen sich ihm an. Sie lassen sich auf ihn ein und sprechen mit ihm ganz offen über ihre Sorgen, Ängste und Meinungen, die im Wesentlichen vom politischen Kontext geprägt sind. Es werden dabei rassistische, fremdenfeindliche sowie demokratieskeptische Diskurse aufgegriffen. Hitler stößt die Gespräche an und lenkt sie in eine bestimmte Richtung, aber dennoch gibt es kaum Widerspruch. Daraus schließt Hitler im Voice-Over seiner Erzählstimme, dass die Demokratie „in den Jahrzehnten meiner Abwesenheit nur geringe Spuren in den Köpfen hinterlassen“ habe.354 Allgemein erinnerten ihn die „stumme Wut“ und die „Unzufriedenheit mit den Zuständen“ an die Zeit um 1930, mit dem einzigen Unterschied, dass es heute dafür den passenden Begriff der „Politikverdrossenheit“ gebe.355

Auf einem öffentlichen Platz in Bayreuth fragt Sawatzki Passanten und Passantinnen, ob sie sich von Hitler im Porträt zeichnen lassen möchten. Als ironische Anspielung auf die Versuche der historischen Persönlichkeit, in Wien eine Karriere als Künstler einzuschlagen, stellt der Auftritt Hitlers als Maler – noch dazu in der Richard-Wagner-Stadt – eine besondere Provokation dar. Die Szene zeigt wie mehrere Passanten und Passantinnen skeptisch und irritiert vorbeigehen, manche sich aber zeichnen lassen und sich auf die scheinbar komische Performance des Hitler-Künstlers einlassen. Ein Mann empört sich jedoch und spricht sich besonders kritisch dagegen aus. Er sagt zum zeichnenden Hitler:

„Und wenn sich heut, 2014, hier jemand auf den Platz in Bayreuth stellt und sich als Hitler ausgibt und das von der Allgemeinheit toleriert wird, dann muss ich sagen: Das ist schlecht für Deutschland. Und wenn es nach mir ginge, dann würde man Sie hier verjagen.“356 Auf der weiteren Fahrt durch das Land sollte dies nicht die letzte Gegenstimme zu Hitlers Provokationen sein. Im Süden Bayerns treffen Hitler und Sawatzki auf einem Wanderweg auf

353 David Wnendt, Er ist wieder da, DVD, 110min., Deutschland 2015, 00:29:18–00:34:24. 354 Ebd., 00:30:22–00:30:30. 355 Ebd., 00:31:17–00:31:30. 356 Ebd., 00:39:28–0041:09. 119 einen Herrn mittleren Alters, der gerade mit einer älteren Dame, womöglich seiner Mutter, unterwegs ist. Die beiden erkennen Hitler und es ergibt sich ein Gespräch zwischen ihnen. Darin stellt sich heraus, dass die Dame ihn in den 1930er-Jahren selbst erlebt habe. Die drei tauschen sich kurz über aktuelle politische Parteien aus. Auf die Frage der Dame, was Hitler von der CSU halte, entgegnet er „Nichts mehr“. Hitler würde mit den Grünen koalieren, denn „Umweltschutz ist doch nichts anderes als Heimatschutz“. Daraufhin provoziert Hitler mit der Aussage „Früher war ja auch nicht alles schlecht“ eine Debatte über die Vergangenheit. Laut ihm solle nicht jammernd auf die Vergangenheit geblickt werden. Der Mann widerspricht Hitler jedoch und beharrt darauf, dass die Zeiten damals durch die Politik schlecht geworden seien. Er führt weiter aus, dass ein kritischer Blick auf die Vergangenheit sehr wohl notwendig sei: „Man muss aus der Vergangenheit etwas lernen und so etwas dürfte sich nie mehr, nie mehr wiederholen.“ Die Dame hingegen bezeichnet es als „naiv“, wie der Mann denke. Hitler meint dazu, dass es sich nicht mehr wiederhole, sondern er es diesmal „richtig“ mache. Er fragt, ob der Mann ihn dabei unterstütze, was dieser vehement ablehnt und sich damit deutlich gegen Hitler ausspricht.357 Diese Gegenstimmen sind zwar sehr eindeutig, allerdings sind sie im Vergleich zu den Hitler gegenüber eher weniger abgeneigten Personen in der Minderheit.

In weiterer Folge gibt es eine Montage schnell wechselnder Bilder, die einen zeitlichen Verlauf und viele weitere Interaktionen darstellen sollen. Dabei trifft Hitler an den verschiedensten Orten, im Supermarkt, in einer Bowlinghalle oder auch auf der WM-Fanmeile358 auf verschiedenste Personen, die ihm positiv gesinnt zu sein scheinen. Auf der Fanmeile stachelt ein von den Filmproduzenten engagierter Schauspieler einen Tumult an, wie Oliver Berben in der Sendung bei Markus Lanz bekannt gab.359 In der Verkleidung eines anarchistischen Punks fordert der „Provokateur“ die Situation insofern heraus, als er Deutschland-Fans mit „Scheiß Deutschland“-, „Scheiß Nazis“- und „Nieder mit Deutschland“-Rufen konfrontiert. Mit der zusätzlichen Provokation Hitlers kommt es zu Ausschreitungen, die beinahe gewaltsam eskalieren. Dabei fotografieren Schaulustige mit ihren Handys. Danach werden Menschen gezeigt, die von Hitler fasziniert teilweise mit zum Hitlergruß erhobenen Armen Fotos und Selfies mit ihm machen. Eine junge Frau ruft begeistert „I love Hitler“ aus und eine andere fragt, ob sie ihn umarmen dürfe.360 Mit diesen dokumentarischen, nur schwer auf „Echtheit“ zu

357 Wnendt, Er ist wieder da, 00:42:51–00:44:03. 358 In Anbetracht des Datums von Hitlers Erwachen im Film, welches laut Zeitung beim Kiosk der 23. Oktober 2014 ist, handelt es sich beim Auftritt auf der Fanmeile der Fußball-WM (Sommer 2014) um einen Anachronismus in der Handlung. 359 ZDF, Markus Lanz, 00:24:00–00:24:58. 360 Wnendt, Er ist wieder da, 00:44:04–00:46:27. 120

überprüfenden Sequenzen möchte der Film den Bezug zur realen Gesellschaft in Deutschland herstellen. Hitler generiert viel Popularität in der Online-Community, gerade in der digitalen Kommunikation und in Form von vielen Internet-Klicks auf viral gehende Videos. Mit diesen gelingt es Sawatzki schließlich, Sensenbrink zu überzeugen und wieder im Privatsender unterzukommen. Dies führt dazu, dass Hitler in das Programm des Senders eingebaut wird, in die etablierte Welt der Medien eintritt und zu einem nationalen Star wird. Neben diesen angesprochenen Sequenzen gibt es an anderer Stelle des Filmes erneut dokumentarisch angelehnte Interaktionen. Diese betreffen unter anderem eine Veranstaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), ein Besuch bei einer „Veganen Neonazi Kochshow im Internet“ oder auch Gespräche mit Politikern wie Tobias Peterka (geb. 1982) von der AfD oder Karl Richter (geb. 1962) von der NPD. Auf diese folgt eine deutlich inszenierte und daher nicht der Dokumentation, sondern der Mockumentary zuzuordnenden Szene, in welcher Hitler und Sawatzki die vermeintliche NPD-Zentrale in Berlin besuchen und den fiktiven NPD-Bundesvorsitzenden „Ulf Birne“ konfrontieren. In der Realität heißt dieser Holger Apfel (geb. 1970).361 Die Szene erweckt zwar den Anschein von Echtheit, ist aber komplett mit Schauspielern inszeniert, was neben der Namensänderung auch an der filmischen Umsetzung zu erkennen ist. Dasselbe gilt für die Szene, in der Hitler bei einer Hundezucht einen Hund erschießt, was später gegen ihn verwendet wird.

In der Mischung aus Fiktion und Dokumentation erweckt der Film ein Gefühl von Echtheit und verleiht der Repräsentation Hitlers eine zusätzliche Dimension. Ergänzend zur eigentlichen fiktiven Handlung stellt der Film damit den Bezug zur gegenwärtigen Gesellschaft in Deutschland her. Er macht die historische Persönlichkeit nicht nur zu einer fiktionalisierten und rekonstruierten Figur, sondern auch zu einem Medium und einem Instrument, das den Umgang mit der (NS-)Vergangenheit bei den Menschen durch die Mittel der performativen Provokation untersuchen soll. In den unterschiedlichen Reaktionen der Menschen offenbart sich die Bedeutung Hitlers. Anhand des ambivalenten Umgangs mit der künstlerischen Figur möchte der Film aktuelle politische und soziale Tendenzen aufzeigen. Diese suggerieren eine latente Demokratieskepsis bzw. –Feindlichkeit und einen vorhandenen Nährboden für rassistische, fremdenfeindliche und autoritäre Vorstellungen in der Bevölkerung. Darüber hinaus möchte der Film mit den verschiedenen Reaktionen einen Hitler-Mythos in der Gesellschaft entlarven. Durch den Transfer in die Gegenwart und die veränderten kulturellen und technischen

361 Wnendt, Er ist wieder da, 01:11:00–01:18:00. 121

Bedingungen bekommt der Begriff der „Faszination“ eine neue Facette: Die Menschen möchten sich mit Hitler fotografieren lassen und machen Selfies mit ihm. Dirk Kurbjuweit sieht in den Interaktionen zwischen Hitler und den Menschen einen „aufklärerischen Wert“ des Filmes. Er entlarve dabei, dass Hitler zu einer „Vertrauensperson“ und einer „Vaterfigur“ werde. Anstatt ihn abzulehnen oder ihn zumindest nicht zu beachten, würden sich einige ihm anvertrauen, ihn bejubeln und auch wieder unterstützen.362 Im Gegensatz dazu betont Hanfeld die Strategie des Filmes, die Menschen mit der bewussten Provokation regelrecht zu überwältigen und sie zu einem Teil der Inszenierung zu machen.363 Diese ethische Dimension ist zweifelsfrei ein fragwürdiger und kritischer Aspekt. Fest steht jedenfalls, dass die Figur Hitlers im Film dazu benutzt wird, das Verhältnis der Menschen zum einstigen Diktator in der Gegenwart zu untersuchen und hervorzuheben. Es handelt sich daher um eine Beschäftigung mit der gegenwärtigen Geschichts- und Erinnerungskultur.

5.2.2 „Lachen mit Hitler“ Der Umgang mit der Vergangenheit im Rahmen der Geschichts- und Erinnerungskultur war stets von Debatten über den humoristischen Zugang geprägt. Speziell mit dem verstärkten Aufkommen von Satiren, Parodien und anderen Darstellungen, die sich der Mittel des Humors bedienen, rückte die Frage in den Vordergrund, ob ein „Lachen über Hitler“ oder den Holocaust zulässig sei. Mittlerweile scheint eine Bejahung auch in wissenschaftlichen Bereichen teilweise zum Konsens geworden zu sein. So leiteten Margrit Frölich, Hanno Loewy und Heinz Steinert ihren Sammelband mit einem Aufsatz unter dem Titel „Lachen darf man nicht, lachen muss man“ ein. Sie unterscheiden zwei grundsätzliche Formen des Lachens, die auf verschiedenen Machtpositionen basieren. Zum einen gebe es ein boshaftes Lachen der Herrschenden über die Beherrschten und zum anderen ein umgekehrtes, anti-autoritäres, systemkritisches und subversives Lachen der Beherrschten. Das Lachen im Umgang mit der Vergangenheit könne schließlich einen reflexiven Raum eröffnen, würde sich aber immer im Spannungsfeld dieser beiden Formen bewegen. Von Interesse seien jedoch die Vielfalt und die subtilen, feinen Unterschiede des Lachens.364

362 Kurbjuweit, Vater Hitler, S. 130. 363 Hanfeld, Der Adolf in uns allen. 364 Margrit Frölich/Hanno Loewy/Heinz Steinert, Lachen darf man nicht, lachen muss man. Einleitung, in: Dslb. (Hrsg.), Lachen, S. 9–18, hier S. 9ff. 122

Ein ambivalenter Umgang mit dem berüchtigten Lachen ist bei Er ist wieder da definitiv vorhanden. Es macht darin einen zentralen Bestandteil in der Darstellung bzw. in der filmischen Repräsentation Adolf Hitlers aus. Der Film spielt bewusst mit diesem Lachen und thematisiert es auf mehreren Ebenen. In der Öffentlichkeit ist das Lachen in Bezug auf Hitler je nach Kontext schon allgegenwärtig und „normal“. Diesen Aspekt bildet auch der Film mit den Reaktionen der Menschen ab. Sie nehmen Hitler zu Beginn als Parodie wahr und lachen über ihn. Mit der Zeit findet allerdings eine Annäherung an Hitler statt. In seiner Erscheinung wirkt er für viele unterhaltsam, lustig und sympathisch, sodass sich die Menschen auf ihn einlassen und sich mit ihm identifizieren. Anstatt einer von Distanz geprägten Beobachtung treten die Menschen – und das betrifft auch die Zuschauer*innen des Filmes – in ein Naheverhältnis mit dem „Führer“. Weil es sich in der Handlung nicht um eine Parodie, sondern vorgeblich um den „echten“ Hitler handelt, kommt es mit der Identifikation über die Erzählstimme zu einem Lachen mit Hitler. Das zeigt sich in ironischen Anspielungen und schwarzem Humor, der typisch für das Genre der Satire ist. In der Dichotomie des Lachens bedeutet das eine Verschiebung weg vom anti-autoritären Lachen der Beherrschten hin zum boshaften Pendant der Herrschenden. Dieses „Lachen mit Hitler“ wurde in der Rezeption des Filmes sowie des Buches mehrmals betont und als problematische und herausfordernde Komponente eingestuft.365

Ein herausfordernder Aspekt ist dies definitiv, nur wurde es so von den Machern des Filmes beabsichtigt und gehört zum Effekt, der erzielt werden soll. Indem es eine gezielte Grenzüberschreitung bildet, soll das Lachen mit Hitler den Zuschauer*innen letztendlich vergehen. Es ist die Intention, zuerst das umstrittene Lachen hervorzurufen, ein großes Unbehagen auszulösen und schließlich eine Reflexion anzustoßen. Dies wird ersichtlich, wenn das Lachen und der humoristische Zugang zum Umgang mit der Vergangenheit auf der Meta- Ebene behandelt werden. In seiner Selbstbezüglichkeit weist der Film dabei in mehreren Szenen auf die Kontroversität des komödiantischen Zuganges hin. Zum Beispiel passiert dies in der Vorbereitung von Hitlers Auftritt in der TV-Show „Krass, Alter“. Sensenbrink bzw. Christoph Maria Herbst fordert in einer dokumentarisch wirkenden Szene Comedy-Autoren der Show auf, Witze für Hitlers Auftritt zu schreiben. Allerdings sollen diese bewusst die „rote Linie“ überschreiten und über Minderheiten und marginalisierte soziale (Opfer-)Gruppen Witze

365 Gavriel Rosenfeld, Hi Hitler, S. 223f; Konrad, Er ist wieder da im Kino; Kümmel, War er je weg?; Fiedler; Ha, ha, Hitler. 123 liefern. Nach kurzer Irritation tun sie dies auch und tragen ein paar davon vor.366 Dadurch kommt es zu einer Fokussierung auf das boshafte Lachen der Herrschenden. Die Szene thematisiert als Einblick hinter die Kulissen des Comedy-Fernsehens das aufkommende Unbehagen der Gagschreiber als deutliche Grenzüberschreitung. Durch den dokumentarischen Stil und die Behandlung des Humors bzw. Witzeschreibens auf der Meta-Ebene wird das Publikum von Er ist wieder da diesem Tabubruch ausgesetzt. Es soll in ihm ebenfalls ein Unbehagen auslösen und zu einer Reflexion über diese Art von Humor sowie dem Lachen mit Hitler führen. Diese Intention sprach Hauptdarsteller Oliver Masucci in einem Nachrichtenbeitrag explizit aus. Den Zuschauerinnen und Zuschauern sollte nämlich „das Lachen im Halse stecken bleiben“.367 In weiteren Stellen behandelt der Film dieses Lachen auf der Meta-Ebene, wie zum Beispiel im unmittelbar folgenden Gespräch zwischen Michael Witzigmann und Christoph Sensenbrink. Unzufrieden mit der Einbeziehung Hitlers in seiner Show „Krass, Alter“ deutet Witzigmann über den humoristischen Zugang an: „Hitler ist immer eine Gratwanderung, das weißt du.“368 Durch diese Thematisierung des Lachens auf der Meta- Ebene konfrontiert der Film die Zuschauer*innen, bindet sie ein und versucht eine Reflexion darüber anzustoßen. Die Darstellung Adolf Hitlers im Film Er ist wieder da nimmt daher sehr stark auf die Diskurse über einen humoristischen Zugang und die allgemeine Darstellbarkeit Bezug. So fungiert die Figur Hitlers für eine Behandlung und Reflexion über den kulturellen Umgang mit der historischen Persönlichkeit in der Gegenwart.

5.3 Hitler in der Mediendemokratie Die Handlung versetzt Hitler mit dem Transfer in die Gegenwart nicht nur in den laufenden medialen Wandel mit der Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, sondern mit dem zentralen Ort der Handlung auch konkret in die Sphäre der Medien. Durch den Einblick in die Hinterbühne des Fernsehsenders MyTV behandelt der Film den Zusammenhang zwischen Politik und Medien. Die Darstellung Adolf Hitlers im Film umfasst auch die machtbezogene Dimension von politischer Kommunikation. Der Film unterstreicht die Rolle von Massenmedien für den Aufstieg von Politiker*innen oder eines Demagogen. Insofern bietet er auch einen Zugang zum Verständnis des Aufstiegs der historischen Persönlichkeit Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus.

366 Wnendt, Er ist wieder da, 00:56:36–00:58:26. 367 Konrad, Er ist wieder da im Kino. 368 Wnendt, Er ist wieder da, 00:58:50–00:59:13. 124

5.3.1 Medien und Politik in der Gegenwart Eine der Hauptaussagen des Filmes ist die Beschreibung der zentralen Rolle der Medien bei der Schaffung, dem Aufkommen und der Vermarktung einer öffentlich wirksamen Persönlichkeit. Politische Akteurinnen und Akteure sind für die Kommunikation ihrer Inhalte und für die Inszenierung ihrer Person auf einer medialen Bühne auf die Macht der Medien angewiesen. In der Gegenwart bildet der Zusammenhang zwischen Politik und Medien ein vieldiskutiertes Thema wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Thomas Meyer brachte mit dem Begriff der „Mediokratie“ ein wesentliches Konzept zur Beschreibung des Verhältnisses der politischen und der medialen Dimension vor. Er verortet eine „Kolonisierung der Politik durch das Mediensystem“ und weist darauf hin, dass die klassische Parteiendemokratie zu einer Mediendemokratie werde. Die ursprünglich von den Medien getrennte Sphäre der Politik würde zur Inszenierung und Politikdarstellung auf die Mittel und Regeln der Medien mit ihrer Theatralik und Dramaturgie zurückgreifen. Während vormals die Medien die Politik kritisch untersucht hätten, habe nun die Politik vermehrt die Medien und ihre Eigenschaften in den Blick genommen. So würden in der Mediendemokratie die politischen Akteure und Akteurinnen das System der Medien beobachten, „um von ihm zu lernen, was sie und wie sie sich präsentieren müssen, um auf der Medienbühne einen sicheren Platz zu gewinnen“.369 Damit sei die Selbstmediatisierung von Politikerinnen und Politikern zu einer besonders zentralen Aktivität im politischen Feld geworden.370 Die Politik würde verstärkt von Praktiken aus der Medienwelt Gebrauch machen und in der politischen Kommunikation mehr auf die eigene mediale Inszenierung setzen. Im Rahmen der Selbstmediatisierung ist auch von einer Personalisierung bzw. Personenzentrierung zu sprechen.

Vor allem Parteien und Personen aus dem rechten Spektrum wird oftmals eine stärkere Instrumentalisierung der Medien zugeschrieben. In seinem Buch über Digitale Demagogie beschreibt Christian Fuchs einen mit der Digitalisierung zusammenhängen Wandel der politischen Kommunikation. Basierend auf dem Begriff des „rechten Autoritarismus“ behandelt er gegenwärtige rechtspopulistische Politiker*innen, deren Ideologien und deren Nutzung von Medien, allen voran Social Media wie Twitter. Politik sei zu einer „Show“ bzw. einem „Zirkus“, geworden, bei denen es primär darum gehe, anstelle einer inhaltlichen und

369 Thomas Meyer, Mediokratie. Auf dem Weg in eine andere Demokratie?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B15-16 (2002), S. 7–14, hier S. 7; Dslb., Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch das Mediensystem, Frankfurt a.M. 2001. 370 Meyer, Auf dem Weg, S. 7–12. 125 argumentativen Auseinandersetzung ein „Unterhalter“ zu sein.371 Fuchs knüpft in seinen Ausführungen an Ruth Wodak an, die zuvor schon die Strategien des Rechtspopulismus analysierte. In einem Aufsatz beschreibt Wodak eine „Haiderization of Europe“ – die Entwicklung rechtspopulistischer Tendenzen in Europa nach dem Vorbild des langjährigen österreichischen FPÖ-Politikers Jörg Haider (1950-2008). Dabei nennt sie verschiedene Eigenschaften rechtspopulistischer Parteien. Ein Aspekt für den Erfolg dieser politischen Gruppierungen gehe auf „front-stage performance techniques“ und einen „extensive use of the media (press and TV, new media such as comics, homepages, websites, Facebook, Twitter and so forth)“ zurück. Führende Persönlichkeiten würden in Auftritten stets einen prominenten Platz einnehmen und dadurch den Status von „Stars“ annehmen. Die Inszenierung schwanke dabei zwischen einer (Selbst-)Darstellung als „Robin Hood“ im Sinne eines „saviour of ‚the man and woman in the street‘“ und einer Darstellung als Idol.372 In der aktuellen Mediendemokratie bzw. Mediokratie verschwimmen Politik und Medien somit immer mehr. Die politische Ebene eignet sich dabei kontinuierlich Praktiken und Strategien aus der Medienwelt an und versucht diese für die Inszenierung und Selbstdarstellung zu nutzen. Speziell der Erfolg rechtspopulistischer Parteien sei demnach mit dieser Entwicklung in Verbindung zu bringen.

5.3.2 „Hitler sells“ und die Quote Als Gegenwartsbezug greift der Film Er ist wieder da diese Prozesse auf diversen Ebenen auf. Er lässt sich damit als Ausdruck dieser Mediendemokratie lesen und weist als Polit- und Mediensatire einen kritischen Zugang auf. Dies ist im Wesentlichen auf die Bedeutung des fiktiven Fernsehsenders MyTV zurückzuführen. Im Allgemeinen betrifft dies die Rückkehr Hitlers zu einem erfolgreichen politischen Akteur. Durch die Macht des Privatsenders bekommt er eine öffentliche, mediale Bühne, auf der er seine Ideen und Vorstellungen verbreiten und die Menschen erreichen kann. In Ansätzen verhandelt der Film die Figur Hitlers als Teil der Mediokratie aber auch schon in der Zeit vor seiner Zusammenarbeit mit MyTV. Nachdem er im Jahr 2014 aufwacht, versucht er vorerst, sich durch im Kiosk verfügbare Magazine und Zeitungen zu orientieren. Dadurch gelingt es ihm, sich einen Überblick über die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verschaffen und die aktuelle politische Situation

371 Fuchs, Digitale Demagogie, S. 286. 372 Ruth Wodak, „Anything Goes!“ The Haiderization of Europe, in: Ruth Wodak/Majid Khosravinik/Brigitte Mral (Hrsg.), Right-Wing Populism in Europe. Politics and Discourse, London 2013, S. 23-38, hier S. 27f. 126 einzuschätzen. Zu diesem Zeitpunkt ist der gerade vom Fernsehsender MyTV gekündigte Fabian Sawatzki auf der Suche nach einem „Knüller“, um seinen Job zurückzubekommen. Nachdem er in seinen Videoaufnahmen zufällig Hitler entdeckt, macht er sich auf die Suche nach dieser möglichen Sensation und findet ihn schließlich beim Kioskbesitzer.373 Da er ihn für einen besonders gut spielenden Hitler-Imitator hält, sieht er seine „Chance“, mit dieser Figur wieder zurück ins Geschäft zu kommen. Er macht ihm daher das Angebot, gemeinsam durch Deutschland zu fahren und ihn mit der Kamera zu begleiten: „Ich bringe Sie ganz groß raus.“374 Dies ist der Beginn der Haupthandlung des Filmes, welche die Rückkehr und den Aufstieg Hitlers in der Gegenwart durch die Welt der Medien erzählt. Sawatzkis von Begeisterung geprägte Erwartung, mit Hitler eine große Sensation zu landen und seinen Job wieder zu bekommen, deutet auf den Topos des „Hitler sells“, die Fokussierung auf Einschaltquoten und den Aspekt der Viralität in der Onlinekultur hin. Auf der Meta-Ebene behandelt der Film in satirischer Manier den kapitalistisch motivierten Drang nach Quoten. Er greift damit allgemeine und wissenschaftliche Diskurse in der Darstellungsgeschichte Adolf Hitlers auf. Vor allem im Bereich der Film- und Fernsehgeschichte steht der Diskurs um „Hitler sells“ bzw. „Hitler und die Quote“ mit Guido Knopps Geschichtsfernsehen oder anderen von Personenzentrierung und Hitler-Faszination geprägten Darstellungen in Verbindung. Auf ihrer Fahrt durch Deutschland und in den Gesprächen mit den Menschen auf der Straße wird des Weiteren deutlich, wie Hitler zu einer populären Figur wird und in seinem Auftreten populistische Merkmale aufgreift. Dies kommt in den bereits ausgearbeiteten dokumentarischen Sequenzen zum Vorschein. Darin erkundigt sich Hitler nach der Stimmung in der Bevölkerung und erscheint als nahbare Person, die sich der Bedürfnisse der Menschen „auf der Straße“ annimmt und sich um sie kümmern möchte. Gemäß den Ausführungen Wodaks bewegt sich seine Inszenierung zwischen einer Darstellung als „Robin Hood“ bzw. „Retter“ der „kleinen Leute“ und einem öffentlichen Starkult als Idol. Durch seine Gespräche in der Öffentlichkeit wächst seine Popularität, was sich in der Online-Kommunikation der Menschen, in ihren Likes, Klicks und Kommentaren niederschlägt. Mit dem Verweis auf diese Popularität und das ökonomische Potential erreicht Sawatzki bei Sensenbrink dann die Rückkehr in den Privatsender, womit die Geschäftsführung, allen voran Katja Bellini, auf den vermeintlichen Hitler-Imitator aufmerksam wird. Selbstverständlich ist an dieser Stelle kritisch anzumerken, dass Er ist wieder da als Film über Hitler selbst vom Topos des „Hitler sells“ profitiert.

373 Wnendt, Er ist wieder da, 00:17:57–00:18:53. 374 Ebd., 00:24:10–00:24:30. 127

5.3.3 Hitler und die Medienmacht des Privatfernsehens Sawatzki bewirkt als eine Art „Türöffner“ und „Gatekeeper“ schließlich die Vernetzung zwischen Hitler als politische Ebene und dem Privatsender MyTV als mediale Ebene. Nachdem Hitler die Geschäftsführerin Bellini begeistern konnte, veranlasst diese, den vermeintlichen Künstler in das Programm des Senders einzubinden. In einem Voice-Over führt Hitler aus, dass er in seinem Leben nur wenige „Paradefrauen“ kennengelernt habe, aber Leni Riefenstahl dazugehöre. Frau Bellini sei wohl ebenfalls „vom selben Kaliber“.375 Diese mehr oder weniger explizite Gleichsetzung Bellinis mit Riefenstahl transferiert die Medienmacht des Propagandafilmes der NS-Zeit in das Massenmedium des Fernsehens der Gegenwart. Der Vergleich zeichnet Katja Bellini als medienmächtige und einflussreiche Akteurin und charakterisiert sie analog zur historischen Persönlichkeit Riefenstahls als propagandistische „Königsmacherin“ des Privatfernsehens.

Bevor Hitler in der Sendung „Krass, Alter“ seinen ersten Auftritt bekommt, stellt ihm der Sender einen Arbeitsplatz in der Agentur zur Verfügung. Während Sensenbrink dies als „Training“ bzw. „Tuning“ für die Medienarbeit und das Fernsehen des 21. Jahrhunderts als notwendig erachtet, beharrt Hitler lediglich auf einer Schreibmaschine. Daraufhin holt Sensenbrink Franziska Krömeier herbei. Sie soll ihm als „Sekretärin“ zur Seite stehen und ihn mit der Welt vernetzen. Die Rolle der Sekretärin könnte in Anbetracht früherer Darstellungen als Anspielung auf Traudl Junge als Hitlers Sekretärin und zentralen Charakter in Der Untergang interpretiert werden. Krömeier stellt Hitler anschließend den Computer vor, welchen er im Voice-Over als „eine der erstaunlichsten Errungenschaften der Menschheit“ bezeichnet. In einer kurzen Sequenz sinniert Hitler über die Entwicklung des Computers und die seinerzeitige Unhandlichkeit der Technologie. Begleitet von Bildern des technischen Fortschritts des Gerätes führt Hitler aus, wie der Computer mit der Zeit umgänglicher geworden sei. Dies habe nicht zuletzt in der von Douglas Engelbart entwickelten „Maus“ als Navigation gegipfelt. Krömeier zeigt Hitler die Handhabung des Mauszeigers, legt mit ihm ein Email- Konto an und eröffnet ihm eine weitere, für Hitler „wunderbare Technologie: das Internetz“. In der Google-Suchmaschine gibt er mit „Weltherrschaft“ einen Begriff ein, der ihn interessiert. Ganz besonders ergriffen ist er von der Plattform Wikipedia, da er in dessen Namen einen vermeintlichen Bezug zwischen „Wikingern“ und dem „Ariertum“ erkennen möchte.376 Diese Szene kann einerseits als typisch für das Zeitreisen-Genre angesehen werden. Indem der

375 Wnendt, Er ist wieder da, 00:49:30–00:50:02. 376 Ebd., 00:52:17–00:55:52. 128

Zeitreisende mit den neuen, ihm unbekannten Technologien und Medienumgebungen konfrontiert wird, soll durch die Verfremdung ein humoristischer Blick auf gegenwärtige Selbstverständlichkeiten geworfen werden. Andererseits kann die Szene auch als Reflexion des medialen Wandels und als Hinweis auf den Zusammenhang von Politik und Medien gelesen werden. Die Einführung in die aktuell konventionellen Medientechnologien der digitalen Welt stellt für Hitler die Aneignung des Umgangs mit politikbezogenen und machtvollen Instrumenten dar. Wie Thomas Meyer in Bezug auf die Mediendemokratie ausführt, beobachtet die Politik die Welt der Medien.377 In dieser Szene findet diese Beobachtung in Form einer Einschulung statt. Sie verbindet somit die politische und die mediale Ebene und schafft eine Grundlage für die „digitale Demagogie“, die politische und propagandistische Arbeit in der Mediokratie.

Im Fernsehsender bündelt sich schließlich die Medienmacht, wodurch sich der politische Erfolg entfalten kann. Der Sender MyTV und Bellini als federführende Leiterin bieten Hitler die zentrale mediale Bühne, die er für seinen Wiederaufstieg benötigt. Zunächst bekommt er einen Live-Auftritt in der Satire- und Parodiesendung „Krass, Alter“. Nach seiner Ankündigung betritt Hitler untermalt von Richard Wagners „Ritt der Walküren“ die Show. Entgegen der Erwartung des Senders, einen Comedy-Auftritt mit dem Aufsagen von politisch inkorrekten Ausländer-Witzen hinzulegen, kritisiert Hitler in einer politischen Rede die „leichte Unterhaltung“ in den Medien und soziale Missstände wie Armut oder Arbeitslosigkeit. In seiner Rede findet mit der Anlehnung an Hitlers Erklärung vor dem deutschen Reichstag am 1. September 1939 eine Remediation statt. Die sprachlichen Elemente transferieren dabei den historischen Kontext der militärischen Kriegsführung in die gegenwärtige Sphäre der Medien. Aus dem originalen Wortlaut der Rede entlehnt der Film einzelne Phrasen, wie zum Beispiel „Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind“.378 So wird daraus: „Ich werde gegen dieses Fernsehen so lange weiter kämpfen, bis wir den Abgrund nicht nur erkennen, sondern bis wir ihn überwinden.“ Das Zitat „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“, welches für den Überfall auf Polen, eine mit dem vermeintlichen Angriff auf den Sender Gleiwitz inszenierte Propagandalüge sowie den Beginn des Zweiten Weltkrieges steht, wird ebenfalls auf die

377 Meyer, Auf dem Weg, S. 7–14. 378 archive.org, Adolf Hitler. Reichstagsrede mit Kriegserklärung an Polen vom 01.09.1939, 12.11.2012, [https://archive.org/details/AdolfHitlerReichstagsredeMitKriegserklrungAnPolenVom01.09.1939], eingesehen 18.7.2019. 129

Medien übertragen: „Es ist 20.45 Uhr und ab jetzt wird zurückgesendet.“379 Speziell letztere Abwandlung knüpft mit dem originalen Zitat an das kollektive Gedächtnis an, da es als besonders bekannte Phrase gilt. Daniel Erk etwa reihte es unter „Z wie zurückgeschossen“ in eine Liste kontaminierter Begriffe der NS-Sprache und des Dritten Reiches.380 Mit diesen Anspielungen beendet Hitler seine Rede bei „Krass, Alter“. Die Zuschauer*innen spenden ihm ausgelassenen Applaus und sind wie Bellini höchst begeistert von seinem Auftritt. Das zeigt sich auch nach dem Ende der Sendung, als Teile des Publikums den Redner in ihrer Faszination um Autogramme bitten. Bellini erkennt darin ein großes Potential für den Sender und weist Sensenbrink euphorisch an: „Den Führer schicken wir jetzt in alle Formate, alle Shows. Ich möchte, dass Sie sich darum kümmern. Frühstücksfernsehen, Promidinner – was auch immer wir auffahren können. Das wird unser Top-Seller. Das wird großartig.“381 Die Anweisung bzw. Strategie, Hitler „in alle Formate, alle Shows“ zu „schicken“ und ihn zum „Top-Seller“ zu machen, greift nicht nur erneut den Diskurs um „Hitler sells“ und die Quote auf. Sie deuten als personenzentrierte Selbstmediatisierung auf die von Ruth Wodak beschriebenen „front-stage performance techniques“ und den „extensive use of the media“, in diesem Fall das Fernsehen, hin.

In der Folge erhält Hitler durch mehrere Auftritte in diversen TV-Talkshows starke Präsenz und entwickelt einen Starkult. In real existierenden Sendungen bekommt er eine mediale Bühne, auf der er seine politischen Ansichten und Pläne vorstellen kann. Diese Sequenz ist dem Mockumentary-Stil zuzuordnen und verwendet echte Persönlichkeiten der deutschen Fernsehlandschaft in sogenannten Cameo-Auftritten. Zum Beispiel ist Hitler in Gesprächen bei Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf in deren Show „Circus Halligalli“, bei Daniel Aminati in „taff“ oder bei Jörg Thadeusz zu sehen.382 Bei Aminati spricht er seine Ziele offen an: „Deutschland wieder nach oben zu bringen und das Überleben des deutschen Volkes zu sichern.“ Diese völkisch-nationalistischen und rassistischen Pläne haben in ihrer Äußerung gegenüber Aminati, der 1973 als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers geboren wurde,383 eine besondere Brisanz. Zusätzlich zu den Auftritten in diesen TV-Shows erlangt Hitler als vermeintlicher Comedian und Imitator durch „Krass, Alter“ größere Popularität. Diese spiegelt sich auch im Anstieg der Online-Kommunikation und der viralen Videos im Medium YouTube

379 Wnendt, Er ist wieder da, 01:00:20–01:04:04. 380 Erk, Banalisierung, S. 69. 381 Wnendt, Er ist wieder da, 01:05:34–01:06:17. 382 Ebd., 01:06:18–01:08:00. 383 ProSieben, Daniel Aminati, o.D., [https://www.prosieben.at/stars/star-datenbank/daniel-aminati], eingesehen 16.7.2019. 130 wieder. Dort diskutieren verschiedene sogenannte Influencer*innen – teils Bekanntheiten aus der realen Welt –, wie Hitler und seine Auftritte gedeutet und beurteilt werden könnten. Die Einschätzungen reichen von Ablehnung über Begeisterung und Zustimmung bis hin zu Hitler- Faszination. Diese Viralität und Bekanntheit führen dazu, dass letztlich auch die Presse und das Feuilleton über Hitler berichten.384 Durch diesen Mockumentary-Stil mit den Cameo-Auftritten von bekannten Persönlichkeiten aus der realen Medienlandschaft Deutschlands verblassen einmal mehr die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Die Sequenz weist auf das machtvolle Verhältnis zwischen Politik und Medien hin. Die von Bellini und MyTV angestoßene „front- stage performance“ verschafft Hitler im Rahmen der Selbstmediatisierung und auf der Jagd nach Quoten einen Starkult von politischer Dimension. Wie Hans-Joachim Maaz bereits ausarbeitete, ähnelt dieser „Kampf um Einschaltquoten“ einem „Bemühen um Wählerstimmen“.385 Die Medien spielen somit eine zentrale Rolle bei der Herstellung, Inszenierung und Popularisierung eines politischen Akteurs oder einer Akteurin. Konkret wird dieser Prozess am Beispiel von Hitler in der Gegenwart veranschaulicht.

Im weiteren Verlauf des Filmes gibt es zahlreiche Andeutungen, die diesen Zusammenhang zwischen Medien und Politik, den Topos des „Hitler sells“, der Quote sowie der politischen Medienmacht unterstreichen. Zum Beispiel zeigt sich erneut die Charakterisierung von Bellini als regelrechte Propaganda-Chefin. In einem Gespräch in ihrem Büro kritisiert Rico Mancello (Michael Ostrowski), ein Mitarbeiter im Fernsehsender, die gesamte mediale Vereinnahmung Hitlers. Er identifiziert sie als „riesen Hitler-Nazi-Scheiße“, für welche Bellini als Chefin verantwortlich sei. Er weist sie darauf hin, dass die Menschen ihm tatsächlich aus politischer Überzeugung und Begeisterung und nicht aus Ironie oder Humor zujubelten. Er unterstellt ihr eine „Karrieregeilheit“ und spricht sie als „Frau Goebbels“ an, woraufhin sie in kurze Selbstreflexion verfällt. Wie schon zuvor der Vergleich mit Leni Riefenstahl illustriert die Referenz auf Goebbels hier die propagandistische Funktion von Bellini als Geschäftsführerin des Privatsenders. Die dunkle und in Schattierungen gehaltene Belichtung trägt dabei in der visuellen Filmsprache zu einer negativen Charakterisierung als Propagandistin und Hauptverantwortliche für den Aufstieg Hitlers bei. Mancellos Einwand ist eine der wenigen kritischen Stimmen im Film und hat eine mahnende Funktion. Er löst bei Bellini zwar ein kurzzeitiges schlechtes Gewissen aus, weshalb sie sich über Hitler informiert, um seine „wahre“ Identität zu ergründen. Da sie allerdings nichts finden kann und er sogar bei ihrem wiederholten

384 Wnendt, Er ist wieder da, 01:08:00–01:10:55. 385 Maaz, Ich, Nazi!, S. 294f. 131

Nachfragen scheinbar in seiner Rolle bleibt, macht sie auch keinen Sinneswandel durch. So steht sie Hitler weiterhin treu zur Seite.386

Ein weiteres Beispiel ist das kurzzeitige, von Sensenbrink initiierte Ende Hitlers durch einen Medienskandal. Im Streben, Bellini zu stürzen und ihre Machtposition der Geschäftsführung einzunehmen, veranlasst er die anonyme Weitergabe des nicht veröffentlichten Videomaterials. Dieses zeigt wie Hitler einen Hund erschießt. In einem weiteren Cameo-Auftritt im Mockumentary-Stil konfrontiert der real existierende Fernsehmoderator Frank Plasberg (geb. 1957) seinen Gast Adolf Hitler mit dem Video. Der ausgelöste Skandal sorgt dafür, dass Bellini ihren Job verliert und Sensenbrink ihre Position einnehmen kann. Besonders interessant ist dabei, dass es nicht Hitlers politische Inhalte wie der Rassismus oder der völkische Nationalismus sind, die den Polit- und Medienstar kurzzeitig stürzen. Stattdessen ist es die Empörung über die Erschießung eines Hundes, was laut oberstem Senderchef „die deutsche Seele“ nicht verzeihe.387 Darin sieht Maaz eine besondere Medienkritik, die über eine Individualschuld, einen Opportunismus und zugleich einen Abwehrmechanismus aufkläre. Letzterer verdeutliche, wie kleinere Übel und Untugenden dazu genutzt werden, „um von den wirklichen Skandalen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen und globaler Krisen und Bedrohungen wirksam abzulenken“.388 Diese Ablenkung bzw. Ignoranz gegenüber den eigentlichen politischen Inhalten greift der Film damit auf.

In Bezug auf das Verhältnis zwischen Hitler und die Rolle der Medien inklusive der Topoi „Hitler sells“, der Quote sowie der Medienmacht ist auf die besondere Selbstbezüglichkeit des Filmes zu verweisen. Nach dem Ende Hitlers bzw. Bellinis bei MyTV bedient der Film die Meta-Ebene auf vielfältige Weise. So schreibt Hitler beispielsweise an einem neuen Buch, woraus ein Bestseller und der Film-im-Film mit dem Titel „Er ist wieder da“ entstehen. Während Hitler dadurch nach dem Medienskandal wieder zurückkommt, steckt der von Sensenbrink geführte Sender MyTV tief in der Krise. In einer Remediation der ikonischen Bunkerszene aus Der Untergang, welche in der Populärkultur als „Hitler rant“ bzw. „Downfall- Meme“ zum Internetphänomen wurde, stellt der Film die ursprüngliche Szene mit Bruno Ganz detailgetreu nach. Während die Generäle Hitler in Der Untergang über die tatsächliche militärische Lage aufklären, vollzieht Er ist wieder da einen Transfer in die Medienwelt. Die hergestellte Analogie zwischen Militär und Medien wurde in den Rezensionen des Filmes als

386 Wnendt, Er ist wieder da, 01:19:37–01:22:09. 387 Ebd., 01:22:10–01:24:55. 388 Maaz, Ich, Nazi!, S. 297. 132 zentrale Szene diskutiert und prägte Debatten darüber, ob die Medien einen Totalitarismus der Gegenwart darstellten.389 Jedenfalls sieht Sensenbrink seine einzige Überlebenschance darin, sich mit MyTV an der Verfilmung von Hitlers Buches zu beteiligen, um die Quoten und Einnahmen wieder zu steigern.390

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Darstellung Adolf Hitlers im Film Er ist wieder da im Rahmen des Gegenwartsbezuges sehr stark auf den aktuellen medialen Kontext bezieht. Die verfremdete Kunstfigur Hitlers wird zur Projektionsfläche für die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen kulturellen und medialen Praktiken. Der Film beschäftigt sich anhand der Hitler-Figur mit dem Verhältnis zwischen Politik und Medien und den dazugehörigen Machtdimensionen. Damit veranschaulicht er Konzepte wie jene der „Mediokratie“ (Thomas Meyer) oder der „digitalen Demagogie“ (Christian Fuchs). Die Darstellung suggeriert, dass eine Rückkehr Hitlers in der Welt der Medien erfolgen würde, da diese in ihrem Streben nach Quoten mit einer Person wie ihm eine große Sensation hätten. Bei einer genaueren Analyse wird auch ersichtlich, wie der Film mit Hitler die politischen und machtbezogenen Dimensionen der Medien aufgreift. So verdeutlicht er wesentliche Strategien für die Konstruktion und Inszenierung (politischer) Persönlichkeiten, die eine große Reichweite, Popularität und einen Starkult annehmen sollen. Im Zuge dessen scheint es als rückten die Sachinhalte in den Hintergrund, während die Inszenierung, die Selbstmediatisierung und der Unterhaltungs- und Showcharakter oberste Priorität besitzen. Darüber hinaus unterstreicht Er ist wieder da die Rolle der Medien unter anderem durch Referenzen auf die Filmgeschichte oder auf die NS-Propaganda, konkret mit der Remediation aus Der Untergang bzw. mit den Verweisen auf Leni Riefenstahl oder Joseph Goebbels. Diese historischen Bezüge erfordern es schließlich, einen vertieften Blick auf zeithistorische Diskurse zu werfen.

5.4 Film als Reflexion zeitgeschichtlicher Diskurse In seiner diachronen Analyse der NS-Vergangenheit im Medium Film wies Frank Bösch auf das wechselseitige Verhältnis und die gegenseitige Beeinflussung von Geschichtswissenschaft und Film hin.391 Zu klären ist dieses Verhältnis in Er ist wieder da. Wie reflektiert der Film wissenschaftliche Diskurse aus der zeithistorischen Forschung? In seinem Gegenwartsbezug

389 Vgl. Kümmel, War er je weg?; Buß, Vorsicht. 390 Wnendt, Er ist wieder da, 01:27:10–01:31:13 391 Bösch, Film, S. 31. 133 und dem beschriebenen Fokus auf die Medien ist zwar keine Neubetrachtung der historischen Strukturen oder der Persönlichkeit möglich. Es kann jedoch ausgearbeitet werden, wie der Film auf der Grundlage geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse ein besseres Verständnis über den Aufstieg Hitlers fördert.

5.4.1 Hitlers Aufstieg und charismatische Herrschaft In der wissenschaftlichen Forschung stand die Beurteilung Adolf Hitlers stets im Spannungsfeld zwischen einer starken Fokussierung auf die Person einerseits und einer Betonung der strukturgeschichtlichen Dimensionen, das heißt einer weniger auf die Persönlichkeit gerichteten Perspektive, andererseits. Es steht außer Zweifel, dass es für eine Betrachtung des Aufstiegs Hitlers und seiner Bedeutung für die Gesellschaft sowohl einen biographischen als auch einen strukturgeschichtlichen Zugang braucht. So scheint es, als habe sich zur Vernetzung von Person und Struktur, von Individuum und sozialem und politischen Kontext in der zeithistorischen Forschung das Konzept der charismatischen Herrschaft mehr oder weniger als Konsens etabliert. In der Forschungsliteratur wird es daher nicht nur für eine fokussierte Betrachtung der historischen Persönlichkeit, sondern auch für die Erklärung des Verhältnisses zwischen Hitler und der deutschen Bevölkerung vor dem Hintergrund der strukturellen Dimensionen herangezogen.392

Das Konzept der charismatischen Herrschaft ist aufs Engste mit dem Aufstieg Hitlers und der NSDAP verbunden. In der politischen Arbeit sei es im Wesentlichen um Agitation und Stimmungsmache gegen die ideologischen Feindbilder und nicht um inhaltliche Auseinandersetzungen gegangen. In der sozialdarwinistischen, antisemitischen, faschistischen und völkisch-nationalistischen NS-Ideologie sei der Führerkult besonders zentral gewesen. Während externe Entwicklungen wie die schlechte wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit der Partei zu Aufschub verhalfen, sei die NSDAP als Organisation gänzlich auf Hitler, sein Charisma und seine Rolle als „Führer“ fixiert gewesen.393 Aus diesem Grund ist Charisma eine grundlegende Kategorie für die Auseinandersetzung mit Adolf Hitler und die mediale Darstellung. Charismatische Herrschaft betrifft in fundamentaler Weise die Bewertung Hitlers in seiner Erscheinung als Person sowie als Inszenierung in der Öffentlichkeit. Sie steht vor allem mit der Zuschreibung von rhetorischen Fähigkeiten und der Tätigkeit als Redner in

392 Vgl. Hans-Ulrich Thamer, Die Inszenierung von Macht. Hitlers Herrschaft und ihre Präsentation im Museum, in: Thamer/Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen, S. 17–22. 393 Wolfgang Benz, Geschichte des Dritten Reiches, München 20115, S. 11–14. 134

Verbindung. Das Konzept der charismatischen Herrschaft geht auf den Soziologen Max Weber (1864-1920) und sein Werk Wirtschaft und Gesellschaft zurück. Als dritten Idealtyp von Herrschaftsformen führt er neben der legalen und der traditionalen Herrschaft die charismatische Form ein. Basierend auf dem Charisma bezeichne sie „eine als außeralltäglich […] geltende Qualität einer Persönlichkeit“, welche sie von anderen Menschen unterscheide und sie „als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als ‚Führer‘“ werte.394 Webers grundlegende Ausführungen wurden in der Geschichtswissenschaft immer wieder aufgegriffen und dienen nach wie vor der Erklärung der Bedeutung Hitlers im NS-System und dem Verhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler sieht darin überhaupt die „theoretisch und methodisch überzeugendste Lösung“ in der Schwierigkeit, die Wechselwirkungen zwischen der Person und der Gesellschaft zu betrachten.395 Das Konzept illustriert in besonderer Weise die Konstruktion einer politischen Persönlichkeit im Rahmen der propagandistischen Inszenierung und der Selbstmediatisierung.396 Mit der Personenzentrierung lässt es sich deshalb mit den von Ruth Wodak beschriebenen Strategien der medialen Inszenierung rechtspopulistischer Parteien in der Gegenwart und somit auch im Film vernetzen.

Im Allgemeinen enthält die charismatische Herrschaft eine Reihe von Merkmalen, die insgesamt den um Hitler aufgebauten „Führermythos“ als maßgebliche Komponente dekonstruieren. Das Vorhandensein bzw. die Konstruktion einer scheinbar existenzbedrohenden Krise gilt als unabdingbar für den Erfolg einer charismatischen Herrschaftsperson. Auf dieser Krise aufbauend kann die Person in der politischen Agitation und Rhetorik diverse Feindbilder und Ressentiments schüren, die Rettungserwartungen der Menschen aufgreifen und sich als „Retter“ inszenieren. Sie verspricht, die Situation zu bewältigen, was zur zentralen „Mission“ wird. In der Formulierung dieser Mission und im Aufzeigen von Wegen aus der Krise entsteht die enge Verbindung zwischen Führer und Gefolgschaft. Im tiefen Glauben der Gefolgschaft an die Führungsperson lädt sich ihre Bedeutung symbolisch auf, womit dieser als „Retter“, „Erlöser“ oder „Messias“ einen sakralen Charakter annimmt. Als nächstes ist die Kommunikation zwischen Führer und Gefolgschaft essentiell. Dabei geht es darum, das Verhältnis zwischen den beiden aufrecht zu erhalten, um

394 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 19725, S. 140. 395 Hans-Ulrich Wehler, Der Charismatiker an der Staatsspitze. Hitler als historische Figur, in: Rother/Herbst- Meßlinger (Hrsg.), Hitler darstellen, S. 101–112, hier S. 102. 396 Ian Kershaw, „Führerstaat“. Charisma und Gewalt, in: Thamer/Erpel (Hrsg.), Hitler und die Deutschen, S. 58– 67; Ludolf Herbst, Hitlers Charisma. Die Erfindung eines deutschen Messias, Frankfurt a.M. 2010; Christoph Raichle, Hitler als Symbolpolitiker, Stuttgart 2014, S. 13–19. 135 eine starke, unauflösliche Bindung herzustellen. Diese Interaktion manifestiert sich in persönlichen Begegnungen, in den öffentlichen Auftritten wie Hitlers Reden, aber auch in der propagandistischen Inszenierung mit den Massenmedien. Hier sind die Ästhetisierung und die Theatralisierung von politischen Auftritten, später vor allem im Medium des nationalsozialistischen Films, zu nennen. Zusätzlich sind hier auch Mein Kampf oder die Propaganda in der Presse, wie dem Völkischen Beobachter, als Selbststilisierung und Selbstvermarktung anzuführen. Darüber hinaus sei eine in der Gesellschaft tief verankerte Tradition eines Glaubens an einen „großen Mann“ von Bedeutung. Diese begünstige nämlich die Projektion der Rettungserwartungen auf eine „starke Persönlichkeit“, der die Fähigkeit des Überwindens der Krise zugeschrieben wird. Insgesamt resultiere das Charisma sowohl aus einem gewissen persönlichen Talent als auch aus externen Zuschreibungen.397 Das Konzept beschreibt damit wesentliche Merkmale und Voraussetzungen für den politischen Erfolg Hitlers, die Konstruktion und Inszenierung seiner Persönlichkeit sowie die unauflöslich scheinende Bindung zwischen ihm als Führer und der Gesellschaft.

Der Film Er ist wieder da greift in seiner Handlung und der Darstellung Hitlers bzw. seines Aufstiegs diverse Aspekte der charismatischen Herrschaft auf. Zum Beispiel machen Hitlers Auftreten und seine Sprache deutlich, wie er mit den politischen und sozialen Verhältnissen eine vermeintlich fundamentale, existenzbedrohende Krise konstruieren und benutzen möchte. In den dokumentarischen Teilen geht es primär um das Thema Immigration und Integration sowie um ein rassistisches Verständnis einer Überfremdung und dem Aussterben eines „deutschen Volkes“. Für die Existenz einer Krise spricht auch die im gesellschaftlichen und medialen Diskurs so bezeichnete „Flüchtlingskrise“. Im Sinne eines rechten Autoritarismus der Gegenwart macht der Film deutlich, wie Hitler diese völkisch-nationalistischen und ethnozentristischen Ressentiments nutzen würde. In den späteren Abschnitten des Filmes beläuft sich die Krise zusätzlich auf die Medien, allen voran das Fernsehen, und die gesellschaftspolitischen Missstände wie Arbeitslosigkeit oder Armut. In seiner TV-Rede bei „Krass, Alter“ konstruiert er explizit die Krise. Er führt dabei aus, dass „wir“ auf einen „Abgrund“ zurasten und es notwendig sei, dass er so lange dagegen kämpfe, bis der „Abgrund“ überwunden sei.398 Dadurch ruft er sich selbst als „Retter“ aus und beauftragt sich mit der „Mission“. In seinen Auftritten, Gesprächen und Reden beschwört Hitler immer wieder die

397 Wehler, Charismatiker, S. 104–110; Kershaw, „Führerstaat“, S. 58–63; Herbst, Hitlers Charisma; Raichle, Hitler, S. 16–21; Thamer, Inszenierung, S. 20ff. 398 Wnendt, Er ist wieder da, 01:00:56–01:04:04. 136

Krise, die Mission sowie sich selbst als auserwählter Retter. Er beharrt auf seine Mission und stellt immer wieder die Verbindung zwischen „Führer“ und „Volk“ her. Der Film baut dabei auf die historische Persönlichkeit auf und bezieht sprachliche Elemente aus Mein Kampf ein. Dies zeigt sich in mehreren Verweisen auf das „Schicksal“ und die „Vorsehung“, in welcher sich Hitler auf eine gewisse Vorbestimmung von einer transzendenten Macht beruft.399 Zudem betont er die Notwendigkeit eines „großen Mannes“ oder eines „starken Führers“, der diese angeblichen Krisenzustände lösen könne. Damit knüpft er an den Diskurs einer autoritären Führung an, welche den Glauben an die Bedeutung starker Autoritäten und Führungspersönlichkeiten darstellt und das Gegenmodell zu demokratischen Regierungs- und Gesellschaftsformen schlechthin ist. Des Weiteren stellt der Film auch den Aspekt der Kommunikation zwischen Führer und Gesellschaft dar. Speziell die dokumentarischen Teile vermitteln den Eindruck einer gewissen Nähe des Politikers zu den Menschen. In seiner Filmrezension beschrieb Dirk Kurbjuweit die Wirkung Hitlers als „einen Mann, der zuhören kann, der väterlich auftritt“.400 Diese Einschätzung spricht umso mehr für die Konstruktion eines Bildes, das eine Nähe zum „Volk“ suggerieren und die wichtige Bindung zur Gefolgschaft gewährleisten soll. Ergänzend dazu deutet das Internet mit dem partizipativen Charakter des Web 2.0 auch die essentielle Kommunikation als Interaktion an. Diese zeigt sich in Ansätzen im Online-Diskurs der Menschen, wie etwa in den sozialen Netzwerken, sowie in der Einführung Hitlers in die virtuelle Welt durch Frau Krömeier. Gemäß der Absicht, ihn mit der Welt zu vernetzen, geht es dabei darum, die charismatische Herrschaft auf einer interaktiven Ebene weiter auszubauen. Eine Analyse von Er ist wieder da offenbart somit, wie der Spielfilm das in der Geschichtswissenschaft anerkannte Konzept der charismatischen Herrschaft reflektiert und für eine Darstellung des politischen Aufstiegs, der Strategien und Mechanismen verwendet.

Losgelöst von der charismatischen Herrschaft Adolf Hitlers und der medialen Inszenierung im NS-System liefert der Film Andeutungen auf weitere historische Sachverhalte, die mit Hitlers Aufstieg, der Übernahme der Macht und dem Jahr 1933 zusammenhängen. Zum Beispiel kann hier die Referenz auf SPD-Politiker der Weimarer Republik sowie die Abstimmung zum „Ermächtigungsgesetz“ vom 23. März 1933 genannt werden. Konkret gibt es den Verweis auf Otto Wels‘ (1873-1939) Rede gegen das Ermächtigungsgesetz und die Einspielung des

399 Wnendt, Er ist wieder da, 01:06:18–01:08:00; vgl. zu „Schicksal“ und „Vorsehung“ auch 00:14:30–00:15:50 bzw. Hartmann u.a. (Hrsg.), Hitler, S. 133; Herbst, Hitlers Charisma, S. 184ff. 400 Kurbjuweit, Vater Hitler, S. 130. 137

Originaltons des bekannten Zitates „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“.401 Dies verdeutlicht eine Schwerpunktsetzung der Handlung auf die Darstellung des Aufstiegs von Adolf Hitler. So geht es im Film primär um die Frage, wie dieser politische Aufstieg bis hin zum Aufbau der totalitären Diktatur erfolgen konnte. Die Charakterisierung von Hitler als „Schauspielpolitiker“ und die Einschätzung, dass die Menschen ihn unterschätzten und dies eine seiner Erfolgsbedingungen gewesen sei,402 macht die Verknüpfung zum Film nochmals evident. Der Film baut nämlich darauf auf, dass Hitler lediglich für einen Schauspieler gehalten und daher lange Zeit nicht ernst genommen wird. Als er sich dann zu einer populären Persönlichkeit mit großer Reichweite entwickelt hat, stößt er auch auf Zustimmung in seinen Ansichten, wodurch sich die Wirkung seiner politischen Botschaften entfaltet. Insofern verweist der Film auf die Gefahr oder die Tendenz, öffentlich präsente Persönlichkeiten zu unterschätzen, sie vorschnell als Schauspieler*innen oder Unterhalter*innen abzutun und ihre vermeintlich unpolitischen oder untypischen Botschaften und Ansichten für nicht anschlussfähig zu halten. Aus diesem Grund sind der historische Prozess des Aufstiegs, die Frühzeit des Nationalsozialismus und die Frage, wie es von der Demokratie zu einer autoritären Diktatur kommen konnte, ein Hauptaugenmerk des Filmes.

Speziell mit dem Konzept der charismatischen Herrschaft und dem Aufkommen eines Demagogen stellt Er ist wieder da diverse Bezüge zu geschichtswissenschaftlichen Diskursen her und ermöglicht eine Annäherung an konkrete historische Sachverhalte, Ereignisse und Persönlichkeiten. Dasselbe gilt für die Diskurse um die Spannungsfelder der Darstellung Hitlers und des Nationalsozialismus zwischen Normalisierung, Dämonisierung und Moralisierung. In diesem Zusammenhang verhandelt der Film auch zentrale wissenschaftliche Debatten um die Begriffe der „Schuld“, der „Verantwortung“ und dem Verhältnis zwischen der NS- Führungsriege und der Gesellschaft.

5.4.2 Zwischen Normalisierung und Dämonisierung: Diskurs um „ganz gewöhnliche Menschen“ Laut Frank Bösch herrscht in den historischen Spielfilmen allgemein eine Fokussierung auf die letzten Jahre des Nationalsozialismus vor, weshalb dieser „vor allem von seinem Ende her gedacht wurde“. Damit habe es eine Verengung der Perspektive auf 1945 und eine

401 Wnendt, Er ist wieder da, 00:16:30–00:16:42. 402 Reichel, „Bruder Hitler“, S. 153. 138

Hervorhebung der deutschen Opfer gegeben, was sich als weitgehende Ausblendung der breiteren Täterschaft in den größeren Opferdiskurs und die kollektive Entlastung einordnet.403 Dieser ist, wie bereits ausgeführt wurde, eng mit den Darstellungen und den Debatten der Dämonisierung verbunden. Mit der Erklärung Hitlers als dem ultimativen Bösen fand eine Abschiebung der Verantwortung der Menschen auf den „Führer“ bzw. auf eine überschaubare Führungselite des NS-Systems statt. Die Täterschaft sowie die komplexen Kategorien der Schuld und der Verantwortung der breiteren Bevölkerung und der gesamten Gesellschaft fielen dabei weitgehend aus dem Blick. Insofern verwundert es nicht, wenn Filme wie Der Untergang mit ihrem narrativen Fokus auf die letzten Jahre des Dritten Reiches eine solche Ausblendung und Vernachlässigung bewirkten.

Der Film Er ist wieder da hingegen steht in einem starken Kontrast zur pauschalen Dämonisierung Hitlers und der Abschiebung der Verantwortung auf einzelne Führungspersönlichkeiten. Als Behandlung des Aufstiegs bzw. der Rückkehr und des erneuten Erfolges Adolf Hitlers in der Gegenwart verlagert der Film stattdessen den Blick auf die Rolle der Bevölkerung und der gesamten Gesellschaft. Im Sinne des Gegenwartsbezuges setzt er sich mit der Frage auseinander, ob so etwas wie 1933 wieder möglich wäre. Damit will er auf die latente Demokratiegefährdung und demokratiefeindliche Entwicklungen hinweisen sowie die zentrale Rolle jedes einzelnen Individuums in der Demokratie betonen. Das liegt allgemein in der Handlung des Filmes begründet. Diese konzentriert sich weniger auf Hitler und eine ihn aufgrund ideologischer Überzeugung unterstützende Führungsriege. Im Laufe der Zeit kristallisiert sich zwar mit Bellini, die aufgrund ihrer Medienmacht einen Goebbels-ähnlichen Charakter einnimmt, eine einflussreiche Wegbegleiterin heraus. Nichtsdestotrotz liegt der Fokus im Film stets darauf, wie Hitler von seinen Mitmenschen und seiner Umgebung wahrgenommen wird und wie sie auf ihn reagieren. Hitler bildet zwar den zentralen Charakter, doch letztlich geht es um die Individuen und deren Zugang zu dieser historisch-künstlerischen Erscheinung. Die Figur fungiert als zentrale Provokation, die die Menschen herausfordert und ihre Reaktion untersucht. In erster Linie geschieht dies in den dokumentarischen Teilen, in denen Hitler und Sawatzki die Menschen in der Öffentlichkeit konfrontieren. Hitler stellt seinen Gesprächspartner*innen immer wieder die Frage, ob sie ihm folgen würden, was manche nicht ablehnend beantworten. In der Zustimmung suggeriert der Film eine Bereitschaft, sich der

403 Bösch, Film, S. 24; vgl. zum Opfer- und Entlastungsdiskurs Kershaw, „Führerstaat“, S. 67; Reichel, „Bruder Hitler“, S. 148; Frei, „Führerbilderwechsel“, S. 143; Harald Welzer, Der Holocaust im deutschen Familiengedächtnis, in: Knigge/Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern, S. 342–358, hier S. 356; Herz, Kunst, S. 360. 139 durch Hitler verkörperten autoritären Persönlichkeit zu unterwerfen und ihm zu folgen. Wie Hans-Joachim Maaz zutreffend festhielt, ist dies weniger eine Anprangerung Hitlers als eine Entlarvung der Menschen, „die dem Führer per projectionem Macht verliehen haben“.404 Der Umgang mit Hitler ist dabei ein Test bzw. eine Untersuchung des unterschiedlich ausgeprägten Demokratiebewusstseins. Indem der Film in der Mischung aus Dokumentation und Fiktion stets eine Vielzahl von Menschen in den verschiedensten sozialen Räumen – in der Öffentlichkeit, auf der Straße, im Internet, im Fernsehpublikum, in der Presse, auf YouTube usw. – einbezieht, verlagert er die Bedeutung weg von einem vermeintlichen „Verführer“ und hin zu den Individuen. Der Film beschäftigt sich deshalb essentiell mit dem Verhältnis zwischen „Führer“ und „Gefolgschaft“, das für die charismatische Herrschaft so zentral ist. Damit untermauert er, dass es für das Scheitern einer Demokratie und den Erfolg eines Populisten oder Demagogen letztlich auf die einzelnen Menschen ankommt. Somit hebt der Film in seiner Handlung und seinem dokumentarisch-fiktionalen Zugang grundsätzlich die demokratiepolitische Rolle und die große Verantwortung der breiten Bevölkerung sowie der gesamten Gesellschaft hervor.

Darüber hinaus greift der Film die Themen der Schuld und der Verantwortung sowie die Rolle der Allgemeinheit beim Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus auf. Dies steht in enger Verbindung mit dem Diskurs um die Darstellung zwischen Normalisierung und Dämonisierung. Nach seiner Erkenntnis, dass es sich um den echten Adolf Hitler handeln muss, konfrontiert Sawatzki im finalen Teil des Filmes den wieder erfolgreichen „Führer“, um ihn aufzuhalten. Er bedroht ihn mit einer Pistole und zwingt ihn über einen Fahrstuhl auf ein Hochhaus hinauf. In ihrem Dialog befindet Sawatzki, dass sich die Geschichte wiederhole und Hitler erneut versuche, die Menschen mit seiner Propaganda „reinzulegen“. Hitler weist ihn jedoch darauf hin, dass 1933 „kein Volk von irgendwelcher Propaganda reingelegt“, sondern ein „Führer gewählt“ worden sei. Dieser habe „in aller Klarheit seine Pläne offengelegt“. So betont er die Rolle der Wählerinnen und Wähler und den demokratischen Prozess hinter seinem Aufstieg: „Die Deutschen haben mich gewählt.“ Auf dem Dach des Hochhauses gipfelt der Dialog über das Verhältnis zwischen „Volk“ und „Führer“ in Sawatzkis Beschuldigung: „Sie sind ein Monster“. Hitler entgegnet jedoch, dass folglich auch alle Menschen, die ihn gewählt haben, als „Monster“ verurteilt werden müssten. Diese seien jedoch keine „Monster“, sondern „ganz gewöhnliche Menschen“ gewesen. Sie hätten entschieden, „einen außergewöhnlichen Menschen zu wählen und ihm das Schicksal ihres Landes anzuvertrauen“. Die Menschen seien

404 Maaz, Ich, Nazi!, S. 297. 140 im Kern genau wie Hitler und teilten mit ihm die gleichen Werte. Sawatzki schießt Hitler in den Kopf, doch taucht dieser gleich danach wieder hinter ihm auf. Er gibt zu verstehen, dass Sawatzki ihn nicht loswerden könne und sagt: „Ich bin ein Teil von Ihnen. Von euch allen. Und sehen Sie, es war doch nicht alles schlecht.“ Danach entpuppt sich der Film-im-Film-Charakter als Fertigstellung des Drehs für die Buchverfilmung.405 So verschwimmen einmal mehr die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, was wiederum auf die Präsenz der Meta-Ebene hindeutet.

Auf dieser Meta-Ebene zeigt sich, wie Er ist wieder da mehrere geschichtswissenschaftliche Diskurse reflektiert. Erstens verhandelt der Film in einer selbstreflexiven Weise das Spannungsfeld der Darstellung Adolf Hitlers zwischen Normalisierung, Banalisierung oder Trivialisierung auf der einen und Moralisierung oder Dämonisierung auf der anderen Seite. Die verschiedenen facheinschlägigen sowie allgemeinen Diskurse über Hitler im Medium Film, in der Erinnerungskultur sowie in der zeithistorischen Forschung konzentrierten sich besonders stark auf die Darstellung seiner Person zwischen einem „normalen Menschen“ und einem verführerischen „Dämon“ oder „Monster“. Der Film lehnt Hitler jedoch als „Monster“ ab und betont die menschliche Dimension, da ansonsten sämtliche seiner Unterstützer*innen ebenfalls „Monster“ sein müssten. Es seien „gewöhnliche Menschen“ gewesen, die „einen außergewöhnlichen Menschen“ wählten. Wie Hans-Joachim Maaz ausführte, geht es hier um die „Normopathie“, das bedeutet „die Schuld der Mitläufer, die erst eine verbrecherische gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht“.406 Der Film zeugt von einem hohen Bewusstsein um die Dimensionen der diversen Opfer- und Entlastungsdiskurse und deren Zusammenhang mit den Formen der Darstellung. In einem Interview sprach Regisseur David Wnendt über dieses Verhältnis: „It would be easy to blame a monster and a monster alone for the holocaust. But this would be far from the truth. It is Germany that brought Hitler to power. It was ordinary Germans who carried out the atrocities. There is no larger-than-life Hitler to hide behind.“407 Genau diese Ausführungen versucht der Film im Dialog zwischen Hitler und Sawatzki umzusetzen. Dabei rückt er die Rolle der Zivilgesellschaft, der Wählerschaft, der einzelnen Menschen in den Fokus und macht den demokratischen Prozess der Wahl und der breiten Unterstützung und Zustimmung bewusst. Er verweist dabei indirekt auf die Tatsache, dass die

405 Wnendt, Er ist wieder da, 01:38:30–01:42:35. 406 Maaz, Ich, Nazi!, S. 295. 407 European Film Awards, Look Who’s Back. Interview, 18.11.2016, [https://europeanfilmawards.eu/en_EN/interview-with-david-wnendt-on-his-film-look-who-s-back], eingesehen 17.7.2019. 141

NSDAP bei freien Wahlen zur stärksten politischen Kraft wurde und mehrere Millionen Menschen dazu beitrugen. Ergänzend zur Darstellung Adolf Hitlers handelt es sich deshalb um eine Betrachtung der Bevölkerung selbst.

Zweitens reflektiert der Film neben dem Diskurs über Normalisierung oder Dämonisierung die komplexen Debatten der Täterschaft im gesamten NS-Staat. Dies spiegelt sich auch im angeführten Zitat aus dem Interview mit dem Regisseur wieder. Wnendt verweist auf „ordinary Germans who carried out the atrocities“. Analog dazu heißt es im Film, dass es „ganz gewöhnliche Menschen“ gewesen seien, die sich dazu entschieden hätten, Hitler zu wählen und zu unterstützen. Ähnlich wie es schon zuvor Primo Levi beschrieb, drückt der Film damit den Gedanken aus, dass hinter der Verantwortung des engen Täterkreises die „der großen Mehrheit der Deutschen steht […]“.408 Vor dem Hintergrund zeithistorischer Debatten bildet der Ausdruck der „ganz gewöhnlichen Menschen“ ein unübersehbares Stichwort. Zum einen weist die Phrase als signifikantes Schlagwort auf Hannah Arendts Konzept der „Banalität des Bösen“. Zum anderen deutet sie auf den Diskurs der Täterforschung hin. Konkret manifestiert sich dies etwa in den Titeln von Buchpublikationen wie Daniel Goldhagens umstrittenes Werk Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust oder Christopher Brownings Ganz normale Männer.409 Wenngleich der Film damit wohl kaum der Komplexität und den Differenzierungen der Täterforschung Rechnung trägt, so ist es doch bemerkenswert, wie er diese auf der Oberfläche einarbeitet. Umso bedeutsamer macht dies eine Einschätzung von Sonja Schultz in ihrer umfassenden Monografie über den Nationalsozialismus im Film aus dem Jahr 2012. Schultz hielt fest, dass weder die genannten Publikationen von Goldhagen und Browning noch andere Formen der Wissenschaftsvermittlung „tiefere Spuren im filmischen Mainstream“ hinterlassen hätten.410 In Anbetracht des von Wnendt im Interview veräußerlichten Bewusstseins um die Debatten und Begrifflichkeiten der Täterforschung sowie der ansatzweisen Einarbeitung dieser Forschungstendenzen in den Film kann definitiv von einer Veränderung und Weiterentwicklung gesprochen werden. Als Repräsentation des Diskurses um die „ganz gewöhnlichen Menschen“ steht Er ist wieder da im Gegensatz zu seinen Vorläufern für ein Hinterlassen wissenschaftlicher Spuren im filmischen Mainstream.

408 Levi, Die Untergegangenen, S. 209. 409 Daniel Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996; Christopher R. Browning, Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Hamburg 1997. 410 Schultz, Nationalsozialismus, S. 498. 142

Drittens spiegelt der Film zeithistorische Diskurse über die Historisierung der NS-Zeit, die Normalisierung und eine damit einhergehende schwindende moralische Bedeutung wieder. In der Historisierungsdebatte ging es im Wesentlichen um den Umgang mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust und die Frage, welche moralische Bedeutung sie für die Gegenwart hätten. Anhand der Forscher um Saul Friedländer und Martin Broszat spitzten sich die konträren Positionen zu. Broszats Plädoyer für eine Historisierung bzw. eine Normalisierung deutete in den Augen Friedländers eine Vernachlässigung der moralischen Dimension der Geschichte und einen „Schlussstrich“ an. Die Tendenz, einen „Schlussstrich“ unter die moralische Beschäftigung mit Hitler und dem Nationalsozialismus zu setzen, greift der Film ebenfalls auf. Nach dem erfolglosen Versuch, den Diktator zu töten, sagt Hitler zu Sawatzki, dass er ihn nicht loswerden könne. Er sei nämlich ein Teil von ihm und „von euch allen“. Als zentrale Figur personifiziert Hitler die gesamte Geschichte des Nationalsozialismus, des Dritten Reiches und des Holocausts. Die Aussage des Filmes über die Unmöglichkeit, Hitler loszuwerden, könnte deshalb auf einer symbolischen Ebene eine Absage an einen „Schlussstrich“ andeuten. Die Einschätzung, dass Hitler und damit die NS-Zeit ein Teil der Menschen seien, ließe sich mit einer nationalen Identität in Verbindung bringen. Von dieser ist die Erfahrung mit Diktatur, Terror, Verfolgung und Massenmord nicht zu trennen. Als moralische Botschaft handelt es sich im Gegensatz zu einer Ausblendung, einem Ignorieren, einer Normalisierung oder einer Geschichtsvergessenheit um ein offenes Bekenntnis zur Beschäftigung mit der Geschichte. Maaz sieht darin überhaupt eine Aufforderung zur Selbstreflexion. Der Film fordere heraus, „den ‚Hitler‘ in mir zu suchen und mit dem Mut des Erschreckens sagen zu müssen: ‚Ich, der Nazi!‘“.411 Er veranlasse daher dazu, sich selbst nach der Anfälligkeit für autoritäre Tendenzen zu hinterfragen und einzugestehen, dass die Demokratie angreifbar ist und die Möglichkeit einer Gefährdung besteht.

Der Diskurs um einen „Schlussstrich“ wird nochmals in der fiktionalen Abschlussszene des Filmes aufgegriffen. Gemeinsam mit Hitler im Auto sitzend beantwortet Bellini Fragen von TV-Reporter*innen. Auf die Frage, ob sich die Geschichte wiederhole wenn der echte Hitler wieder auftauchen würde, antwortet sie überdrüssig: „Ach Gott, seit 70 Jahren bereiten wir unsere Geschichte auf. Den Schülern kommt das Dritte Reich schon wieder aus den Ohren raus. Wir sollten anfangen, etwas mehr zu vertrauen.“412 Indem sie eine ständige Kultur des Aufarbeitens sowie einen angeblichen Überdruss in der schulischen Behandlung des Themas

411 Maaz, Ich, Nazi!, S. 299. 412 Wnendt, Er ist wieder da, 01:43:17–01:43:48. 143 beklagt, wirkt die Aussage wie eine Schlussstrichsetzung und eine Ablehnung der didaktischen Beschäftigung, die den Diskurs um eine „Pflichtlektion“ andeutet. In diesem Sinne reflektiert der Film den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs um die Auseinandersetzung im Rahmen der Historisierung. Es geht um die Tendenzen, einen „Schlussstrich“ unter die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit zu ziehen und sie als lästige „Pflichtlektion“ wahrzunehmen. Mit der Einbeziehung von aktuellen rechtspopulistischen Politiker*innen und Bewegungen im Abspann, wie etwa Heinz-Christian Strache oder der Pegida, macht der Film seine politische Botschaft eindeutig. Im Zusammenspiel mit dem Diskurs um einen „Schlussstrich“ und eine angeblich mühsame „Pflichtlektion“ möchte der Film vor den gegenwärtigen Entwicklungen warnen. Mit der Absage an die Darstellung Hitlers als „Monster“ identifiziert Maaz als Lehre des Filmes, „dass die ‚neuen Rechten‘ keine Mutanten sind, sondern die folgerichtigen Symptomträger politischen Versagens und nie wirklich erreichter innerseelischer Demokratisierung“.413 Hier verweist Er ist wieder da als filmischer Gegenwartsbezug auf die Debatten um das Erstarken rechter Strömungen in Europa und die Frage, ob sich die Geschichte „wiederhole“. Dies reflektiert allgemein auch das sprachliche Element des „wieder“ im Film- bzw. Buchtitel, was sich ebenfalls in der prägnanten erinnerungskulturellen Phrase des „Nie wieder“ zeigt. In Anlehnung an den Titel einer Ausstellung ließe sich die Aussage des Filmes jedoch vielmehr als substanziellere Reflexion im Sinne eines „Nie wieder. Schon wieder. Immer noch“414 beschreiben. So wird mit dem Ende und dem Abspann deutlich, wie der Film in Verbindung mit gegenwärtigen Entwicklungen die Diskurse um einen „Schlussstrich“, eine vermeintlich abzulehnende „Pflichtlektion“ und die Historisierung einbezieht und sich gleichzeitig politisch positioniert.

Abschließend ist für die Darstellung Adolf Hitlers festzuhalten, dass Er ist wieder da in seiner Komplexität wesentliche Diskurse aus der zeithistorischen Forschung reflektiert und ansatzweise in das Massenmedium des Spielfilms einarbeitet. So zeigt sich, wie ein Produkt der Geschichtskultur wesentliche Forschungsansätze und –Richtungen – sei es bewusst oder unbewusst – internalisiert und für eine filmische Auseinandersetzung mit der Geschichte in der Gegenwart verwendet. In kritischer Hinsicht könnten in diesem Zusammenhang noch die Herstellung von historischen Analogien und die problematischen Hitler-Vergleiche vertieft werden. Aufgrund ihrer oftmaligen Undifferenziertheit und Pauschalität sowie in Anbetracht der gesellschaftlichen Polarisierung und der impulsiven Eskalation von Gesprächen weisen

413 Maaz, Ich, Nazi!, S. 299. 414 Vgl. Nerdinger/Grdanjski/Vollhardt (Hrsg.), Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. 144 diese eine besondere Brisanz auf. Hier könnte der Frage nachgegangen werden, was die problematischen Vergleiche, die nicht synonym mit Gleichsetzungen sein müssen, jedoch tatsächlich für ein besseres Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart beitragen könnten und wie sie einzuordnen sind. Es ist darauf zu verwiesen, dass Er ist wieder da von diversen Praktiken des Vergleichens Gebrauch macht und diese für die satirische Provokation vereinnahmt. Ausgehend davon könnten auch gegenwärtige Diskurse der Verharmlosung, auf die im Film teilweise mit der Phrase „Es war doch nicht alles schlecht“ angespielt wird, beleuchtet werden. Damit würde sich einmal mehr zeigen, wie stark vor allem der breitere gesellschaftliche Diskurs von Gleichsetzungen und historischen Analogien geprägt ist und wie sich die (Re-)Präsentation von Geschichte in der Öffentlichkeit gestaltet.

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6. Er ist wieder da als gedächtnisreflexiver Erinnerungsfilm Das Konzept des Erinnerungsfilmes zeichnet sich dadurch aus, dass es sich dabei um ein gesellschaftliches Phänomen handelt, das die Bedeutung des Mediums Film für die Erinnerungskultur hervorhebt. Ausgehend davon lassen sich mit den „plurimedialen Konstellationen“ der komplexe soziokulturelle Kontext und die medialen Formen der Gesellschaft erfassen. Die gedächtnisreflexive Dimension eines Erinnerungsfilmes gibt Auskunft darüber, wie ein filmisches Produkt das kollektive Gedächtnis bzw. die Prozesse des Erinnerns und Vergessens repräsentiert. Zur Frage, was Er ist wieder da über den aktuellen Stand der Erinnerungskultur aussagt, ist deshalb die Art und Weise, wie der Film das Gedächtnis reflektiert, zu untersuchen. So lassen sich Erkenntnisse über die medialen Formen und den Wandel der Geschichts- und Erinnerungskultur gewinnen.

6.1 Medien der Erinnerungskultur von der Talkshow bis YouTube Irmgard Zündorf hob bereits die Notwendigkeit hervor, dass Public History stets auf die öffentliche Kommunikation und die neu aufkommenden Darstellungsformen eingehen sowie den Umgang mit ihnen erlernen müsse. Dabei gelte es zu ermitteln, welchen Einfluss die verschiedenen Geschichtsangebote auf das Geschichtsbewusstsein hätten und wie sie als Darstellungs- und Vermittlungsformen erfasst werden könnten.415 Mit Blick auf die plurimedialen Konstellationen auf der Meta-Ebene im Film wird diese Dimension der öffentlichen Kommunikation sichtbar. Insofern fungiert der Film als Spiegel: Durch die Thematisierung des Umgangs mit Hitler als Teil der Geschichts- und Erinnerungskultur gibt der Film Auskunft darüber, welche unterschiedlichen Räume in der gegenwärtigen Gesellschaft dominant sind. Damit bildet Er ist wieder da einen Ausgangspunkt, der ein Licht auf aktuelle Dynamiken und die Herausbildung neuer Formen des Diskurses wirft.

6.1.1 Das filmische Gedächtnis Er ist wieder da verweist durch seine Selbstreflexivität allgemein auf die große Bedeutung des Mediums Film. Dabei verwirft er sämtliche Konventionen historischen Erzählens, wie zum Beispiel den Versuch der Herstellung von Authentizität. Der Film spielt mit dem Verschwimmen der Grenzen von Kopie und Original, was im Sinne der Postmoderne die Frage

415 Zündorf, Zeitgeschichte. 146 aufwirft, inwiefern Film oder Kultur überhaupt Vergangenheit „authentisch“ und „echt“ repräsentieren können. Das zeigt sich in der Thematisierung der „Echtheit“ Hitlers und der ständigen Frage, ob es sich dabei um die „echte“ historische Persönlichkeit handle. Zudem enthält der Film eine Reihe von Verweisen auf das Genre des historischen Spielfilms. In einer selbstreflexiven Anspielung auf die Filmgeschichte ist sich Hitler seinen filmischen Vorgängern bewusst. Begleitet von visuellen Eindrücken von Michael Kessler in Switch reloaded, Helge Schneider in Mein Führer, Bruno Ganz in Der Untergang, Charlie Chaplin in Der große Diktator oder Louis de Funès in Le Grand Restaurant (F 1966) äußert er dies folgendermaßen: „Nun allem Anschein nach wurde ich für tot gehalten. Und in den letzten Jahrzehnten hat eine Vielzahl von Dilettanten erfolglos versucht, der Bevölkerung mein Wirken begreiflich zu machen.“ Durch die Anspielung auf den Versuch, mit Filmen „der Bevölkerung mein Wirken begreiflich zu machen“, findet eine explizite Bezugnahme auf die historischen Spielfilme und deren Funktion der Geschichtsdeutung statt. In die Reihe der Hitler-Darsteller ist auch ein Bild von Jörg Haider eingefügt.416 Dies bildet offensichtlich eine typisch satirische Provokation und wirft die Frage des problematischen Topos der Hitler-Vergleiche auf. Gewissermaßen könnte darin auch eine Überschneidung mit Ruth Wodaks beschriebenem Anstieg des Rechtspopulismus unter dem Begriff der „Haiderization“417 interpretiert werden. Jedenfalls ist es bemerkenswert, wie der Film explizit auf verschiedene seiner Vorgänger verweist. In weiteren Ansätzen kommt die große Bedeutung von Geschichtsfilmen für die Erinnerungskultur in der Selbstreflexivität des Filmes zum Ausdruck. Zum Beispiel verweist Hitler zu Beginn seiner TV-Rede bei „Krass, Alter“ erneut auf die früheren filmischen Repräsentationen. In der anfänglichen Irritation und Unruhe des Publikums unterstellt er ihnen, dass sie versuchten, sein „Antlitz mit den Gesichtern der ihnen bekannten Hitler-Darsteller abzugleichen“.418 Hier kommt zum Ausdruck, dass filmische Darstellungen zur Sinn- und Deutungskonstruktion von Geschichte genutzt würden. Die Auseinandersetzung mit der Gegenwart oder der Vergangenheit würde stets vor dem Hintergrund filmischer Repräsentationen stattfinden. Das unterstreicht einmal mehr, welch großen Einfluss das Medium Film auf das kollektive Gedächtnis hat.

Zusätzlich zeigt sich dies in der Handlungsebene des Filmes innerhalb des Filmes. Als Christoph Sensenbrink zum Filmset kommt, weist eine Einblendung auf die CCC Filmstudios

416 Wnendt, Er ist wieder da, 00:15:50–00:16:04. 417 Wodak, „Anything Goes“. 418 Wnendt, Er ist wieder da, 01:01:02–01:01:15. 147 hin. Diese wurden im Jahr 1946 von Artur Brauner (1918–2019) gegründet. Der deutsche Filmproduzent polnischer und jüdischer Herkunft, der selbst vor dem NS-Terror und dem Genozid flüchtete, gilt mit seiner Produktionsfirma als einer der einflussreichsten Filmemacher nach 1945. In seinen Werken setzte er sich auch wiederholt mit der NS-Vergangenheit auseinander.419 So steht der explizite Verweis auf die Berliner „CCC Filmstudios“ als Chiffre für diesen zentralen Bestandteil der filmischen Erinnerungskultur. Am Set und bei den Dreharbeiten tritt Sensenbrink in den Produktionsprozess ein, womit auf der Meta-Ebene diverse filmische Elemente verhandelt werden. Es gibt Verweise auf die Vermarktung, das Budget, die Besetzung oder mit den Silikonmasken die Dopplung von Persönlichkeiten. Mit Bezugnahme auf die Schauspieler Bruno Ganz oder Benno Führmann, die beispielsweise in Der Untergang mit Adolf Hitler bzw. Albert Speer zentrale Rollen spielten, gibt es wiederum Andeutungen auf die Fragen der Repräsentation von realen Persönlichkeiten.420 Der Blick in die Hinterbühne bringt wesentliche Elemente der Filmwelt zum Vorschein. Er ist wieder da greift damit auch Jean Baudrillards Überlegungen über die postmoderne Kultur, das Verhältnis von Kopie und Original und die Herstellung von Simulation bzw. Hyperrealität auf. Er hebt insgesamt die Konstruktivität von historischen Darstellungen und von Geschichte hervor und schafft ein Bewusstsein für diesen Konstruktcharakter. Insofern wirkt er als aufschlussreiche Reflexion des Mediums Film und seiner Bedeutung für die Geschichts- und Erinnerungskultur.

6.1.2 Der Kiosk als Medienumgebung der Erinnerung Dasselbe gilt auch für den Kiosk, der zu Beginn des Filmes ein bedeutsamer Ort der Handlung ist. Dort gelingt es Hitler, sich durch Lektüre von Magazinen und Zeitungen Informationen über den historischen Verlauf nach 1945 einzuholen. Aus der Presse und den Printmedien generiert er sein Wissen über die Vergangenheit und die Gegenwart. In Bezug auf die Public History deutet der Film damit auf den Einfluss journalistischer Darstellungen hin. Die Presse, die Zeitungen und Magazine stellen zweifelsfrei einen zentralen Ort der populären Geschichtsvermittlung und daher auch der Geschichts- und Erinnerungskultur dar. Dies ruft die Medienmacht und die Rolle journalistischer Geschichtsvermittlung in Erinnerung, welche in der Diskursivierung der NS-Vergangenheit nach 1945 stets einen prominenten Platz

419 zdf.de, Im Alter von 100 Jahren. Filmproduzent Artur Brauner gestorben, 7.7.2019, [https://www.zdf.de/nachrichten/heute/berliner-filmproduzent-brauner-gestorben-100.html], eingesehen 5.10.2019. 420 Wnendt, Er ist wieder da, 01:29:14–01:31:12. 148 einnahmen. Die Repräsentation Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus schlug sich im Sinne eines „Hitler sells“ und einer Gier nach Sensation und Auflagenstärke gerade in journalistischen Formaten nieder. Speziell ist in diesem Zusammenhang das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu nennen, der seit 1949 Adolf Hitler über 40 Mal auf seiner Titelseite verwendete. Damit stellt er die am häufigsten repräsentierte Person auf dem Cover dar.421 Analog zum Massenmedium des Spielfilmes hatten Magazine und Zeitungen wie Der Spiegel einen maßgeblichen Anteil an der Gestaltung und der Veränderung des Geschichtsverständnisses und des kollektiven Gedächtnisses. Indem Er ist wieder da in seiner Medienreflexivität immer wieder auch auf das Feuilleton und den Boulevard Bezug nimmt, lässt sich erkennen, inwiefern die Presse einen Teil des soziokulturellen Netzwerkes der plurimedialen Konstellationen bildet. In der Herausbildung eines gesellschaftlichen Phänomens wie einem Erinnerungsfilm ist anhand von Er ist wieder da ersichtlich, welche Rolle journalistische Darstellungen spielen. Der Kiosk versinnbildlicht deshalb als gesellschaftlicher Raum ein mediales Sammelsurium und eine Medienumgebung des kollektiven Gedächtnisses.

6.1.3 Geschichte diskutieren – Talkshows und Erinnerungskultur Ein weiterer medialer Ort, an dem die Auseinandersetzung mit Geschichte in der Öffentlichkeit stattfindet und den der Film reflektiert, ist das Fernsehen und speziell das Format der Talkshows. Gerade die Zeitgeschichte scheint aufgrund ihrer Nähe zur Gegenwart, der spezifischen Betroffenheit sowie der daraus entstehenden gesellschaftlichen Relevanz ein beliebtes Thema von Gesprächsrunden und Debatten im TV zu sein. Als wesentliches Element der politischen Kultur einer Demokratie stellen sie einen besonderen Ort der medialen Öffentlichkeit dar, an dem sich Diskurse über Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart entfalten. Dies verdeutlicht der Film ebenfalls, nämlich in der Sequenz von Hitlers Medienauftritten bei Joko und Klaas, Daniel Aminati, Jörg Thadeusz oder auch bei Frank Plasberg. In der Konfrontation mit Hitler werden diese Talkshow-Formate zu wesentlichen Sphären, in denen der Umgang mit Geschichte, mit Adolf Hitler und der NS-Vergangenheit ausgehandelt wird.

Gleichzeitig reflektieren sie damit die Bedeutung von solchen Formaten für die Geschichts- und Erinnerungskultur in der realen Welt. Wie schon am Beispiel des „Talks zum Film“ im Zuge der Ausstrahlung im ORF ersichtlich wurde, stellen die Gesprächsformate ein weiteres

421 Erpel, Hitler entdämonisiert, S. 154–157. 149

Beispiel für die plurimedialen Konstellationen dar. Indem sie den Film über die Ausstrahlung und den eigentlichen Text hinausgehend aufgreifen, tragen sie zur Ausweitung seiner erinnerungskulturellen Dimension bei. Sie machen ihn zu einem nachhaltigen und gedächtnisproduktiven Ereignis und einem größeren gesellschaftlichen Phänomen. Dasselbe gilt für Beispiele aus der deutschen Medienlandschaft, die immer wieder historische Themen in ihrer Relevanz zwischen Politik, Gesellschaft, Kultur und Geschichte aufgreifen. Dadurch leisten sie einen Beitrag zum alltäglichen Diskurs über Geschichte und die Vergegenwärtigung von Vergangenem. Das zeigt sich etwa in den bekannten Diskussionssendungen hart aber fair bei Frank Plasberg oder in Markus Lanz beim gleichnamigen Moderator. Ersterer wirkte im Zuge seines Cameo-Auftrittes im Film selbst mit. In letzterem war Oliver Berben, der ausführende Produzent von Er ist wieder da, am 29. Oktober 2015 zur Vermarktung und Diskussion des Filmes zu sehen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auch der Auftritt von Christoph Maria Herbst und Oliver Masucci in der Talkrunde der 500. Jubiläumssendung von 3nach9 zu nennen.422 Die Einbettung in ein kommunikatives Setting mit mehreren Diskussionsteilnehmer*innen, woraus eine Verknüpfung verschiedener Themen und Perspektiven entsteht, ist besonders signifikant für die Erscheinung von Geschichte in der Öffentlichkeit. Zum Beispiel waren bei Markus Lanz neben Berben unter anderem auch die Politikerin und Wissenschaftlerin Gesine Schwan oder der Schauspieler Max Giermann, der selbst Geschichte(n) mit Parodien aufbereitet, zu Gast. Ähnlich war bei 3nach9 beispielsweise der Politiker anwesend. Daraus ergeben sich inhaltliche Überschneidungen und eine vielschichtige Reflexion über den Umgang mit der Vergangenheit. In ihrer Multiperspektivität weisen diese Formate daher eine hohe erinnerungskulturelle Bedeutung auf. Mit den Diskussionssendungen spannt sich somit wie schon bei den vorigen Beispielen des Filmes oder des Kiosks eine selbstreflexive Verknüpfung und eine Intertextualität zwischen der im Film dargestellten medialen Erinnerungskultur und ihrer realen Erscheinungsform. Der Film als Text spiegelt dabei seinen unmittelbaren gesellschaftlichen Kontext wieder. Das Format der Fernsehdiskussion erscheint wie die vorigen Beispiele zwar selbstverständlich für den Alltag der demokratischen Mediengesellschaft. In Hinblick auf die Bedeutung von Er ist wieder da als Behandlung des Umgangs mit der Vergangenheit ist es aber bemerkenswert, dass diese Spiegelung stattfindet. Diese ermöglicht es nämlich, die Selbstverständlichkeit der medialen

422 3nach9, 3nach9 am 9. Oktober 2015, YouTube, 10.10.2015, [https://www.youtube.com/watch?v=hUkwijMdrn4], eingesehen 19.7.2019, ab 01:32:00. 150

Formen zu hinterfragen und dadurch deren Bedeutung für die Aushandlung des kollektiven Gedächtnisses ins Bewusstsein zu rücken.

6.1.4 Influencers of Memory: YouTube als Medium der Geschichts- und Erinnerungskultur In seiner Reflexivität des medialen Spektrums der Erinnerungskultur weist der Film auch auf ein neueres Phänomen, nämlich das Medium YouTube und seinen Stellenwert für die öffentliche Kommunikation, hin. Dieses ist mittlerweile mit der Kultur von Onlinevideo aus der breiteren Gesellschaft und vor allem aus der Jugendkultur kaum mehr wegzudenken. Im Rahmen der Digitalisierung steht YouTube parallel zu anderen sozialen Netzwerken für einen umfassenden Wandel der gesamten Gestaltung menschlicher Kommunikation und damit auch für eine Veränderung der Geschichts- und Erinnerungskultur. In der Distribution und Rezeption von audio-visuellen Inhalten steht YouTube mit anderen Streamingdiensten aber auch in einem engen Verhältnis zum Wandel der bisher etablierten Medienlandschaft. Der Prozess der Digitalisierung führte zu einer massiven Erweiterung. Konkret sind das lange Zeit unangefochtene Leitmedium des Fernsehens oder auch des Kinos zu nennen. Mit dem Aufkommen von zusätzlichen privaten Anbietern und On-Demand-Plattformen wie Netflix kam es zu einem Anstieg der Konkurrenz und einem Bedeutungsverlust des klassisch linearen Fernsehens. Eine ähnliche Bedeutung eines Massenmediums erlangte in den letzten Jahren YouTube. Dieses versinnbildlicht in vielerlei Hinsicht die für die Digitalisierung charakteristische Transformation der Geschichts- und Erinnerungskultur. In erster Linie ist dies auf das Internet 2.0 und die Erweiterung der Handlungsfähigkeit sowie den Rollenwechsel zurückzuführen. Mit der Möglichkeit, selbst Produkte zu gestalten und auf YouTube zu verbreiten entstand die Idee der nutzergenerierten Inhalte (user-generated content). Mit diesem partizipativen Element drängte die Interaktion in der öffentlichen Kommunikation auf neue Ebenen vor. In der „Pro-Amateur-Revolution“ finden die nunmehrigen „Prosumer“ die Rahmenbedingungen vor, die es ihnen erlauben, selbst audio-visuelle Inhalte zu gestalten und sich aktiv im digitalen öffentlichen Raum zu entfalten.

Seit seiner Entstehung im Jahr 2005 entwickelte sich YouTube zu einem weltweit und millionenfach genutzten Massenmedium der Kommunikation. Es wurde schlichtweg zu einem Bestandteil des Alltages der Menschen.423 Das audio-visuelle Format des Onlinevideos mutierte

423 Dijck, Culture, S. 129. 151 dabei speziell für jüngere Generationen zu einer Ausdrucksform für allgemeine soziale Interaktion und Kommunikation.424 Dadurch entwickelte sich YouTube als soziales Netzwerk zu einem kulturellen Raum, in dem auch im Sinne der Public History ein Umgang mit Geschichte stattfindet. Kirstin Frieden zeigte in ihrer Monographie aus dem Jahr 2014 bereits auf, dass der virtuelle Raum auch zu einem Teil der Erinnerungskultur wurde. YouTube sei aber nicht als Medium historischer Bildung bzw. traditioneller Gedenkkultur anerkannt, was für sie ein Desiderat darstelle.425 Anhand des Filmes Er ist wieder da, welcher aktuelle Erscheinungsformen der medialen Erinnerungskultur und des kollektiven Gedächtnisses reflektiert, lässt sich jedoch ausarbeiten, wie YouTube zu einem anerkannten und dominanten Medium der Kommunikationskultur wurde. Im Spiegel der Mediengesellschaft ist es möglich, darauf aufbauend weitere Erkenntnisse über den Zusammenhang von YouTube mit der Public History, einschließlich verschiedener Formen der Geschichtsvermittlung oder der historisch- politischen Bildung, zu gewinnen.

In seiner Handlung greift Er ist wieder da die Online-Kommunikation im Internet auf. Noch bevor der zurückgekehrte Adolf Hitler im Sender MyTV unterkommt, macht ihn die Online- Community mit den Likes und Posts zu einem viralen Internetphänomen. In dieser Hinsicht greift er in Ansätzen den bereits anerkannten Wandel der digitalen Erinnerungskultur auf. Mit der Behandlung der Viralität gibt er einen Einblick in die kommunikativen Praktiken von sozialen Netzwerken. Die tiefere Bedeutung des Mediums YouTube mitsamt seiner durchaus neuartigen und in der Wissenschaft noch weniger beachteten Komponente entfaltet er in der Sequenz mit den Cameo-Auftritten der diversen YouTuber*innen. Diese sind teilweise bekannte reale Persönlichkeiten und gelten als YouTube-Stars und Influencer*innen. Bevor auf diese inhaltliche Ebene eingegangen wird, ist es notwendig, die Bedeutung der sogenannten Influencer*innen zu klären, dieses neuen Begriffes des gesellschaftlichen Diskurses. Er beschreibt Personen, die sich auf sozialen Netzwerken wie beispielsweise Instagram oder YouTube aufgrund ihrer Bekanntheit in der Online-Community als einflussreiche Akteurinnen und Akteure des gesellschaftlichen Diskurses auszeichnen. Sie können sich in den unterschiedlichsten Themengebieten profilieren, sei es in Politik, Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft oder Lifestyle. Im engeren Sinne sind Influencer*innen fast synonym mit dem Begriff von „Trendsetter*innen“ und werden meist mit dem Bereich Lifestyle oder Fashion in

424 Vgl. dazu jüngst die Debatten um den YouTuber Rezo und sein Video vor der EU-Wahl 2019, exemplarisch dafür profil-Coverstory Jonas Hadler u.a., Generation Follower, in: profil 50, Nr. 32, 4.8.2019, S. 52–61 sowie Spiegel-Coverstory Laura Backes u.a., Kinder der Apokalypse, in: Der Spiegel, 73, H. 23, 1.6.2019, S. 12–23. 425 Frieden, Neuverhandlungen, S. 280f. 152

Verbindung gebracht. Sie nehmen in der Regel die Rolle von bekannten Werbeträger*innen ein, weshalb der Begriff mit der Vermarktung von Produkten und dem wirtschaftlichen Profit mittlerweile auch einen Beruf im Marketing bezeichnet. Nach einem weiten Begriffsverständnis sind es schlichtweg bekannte Personen, die einen gewissen Starkult und somit einen hohen Einfluss und eine große diskursive Deutungsmacht besitzen. Auf YouTube gestaltet sich der Auftritt von Influencer*innen im Rahmen von Onlinevideos. Wie Petra Missomelius bereits ausarbeitete, gestalten sich die Onlinevideos als mediale Selbstthematisierungspraktiken. Die veröffentlichten Videos sind als Blogs („vlogs“) konzipiert und weisen Charakteristika von Tagebüchern, Meinungsäußerungen oder Reflexionen auf. Die Inszenierung beläuft sich dabei auf das Subjekt der Influencer*innen, die im Rahmen der Selbstdarstellung die eigene Persönlichkeit und damit den eigenen Körper in den Mittelpunkt rücken. Dies äußert sich etwa in der Nachahmung des Auftretens von TV- Moderator*innen426 und der visuellen Fokussierung auf Kopf und Oberkörper („talking head“- Format).

Genau diese kommunikative Praxis der sozialen Interaktion bezieht Er ist wieder da mit der YouTube-Sequenz und den Cameo-Auftritten von teilweise echten YouTuber*innen mit ein. Die Szene ist ein Ausschnitt der Onlinevideo-Kultur und des Phänomens der Influencer*innen. Sie ist zwar fiktiv, vermittelt aber den Eindruck von Echtheit. Sie drückt aus, wie auch die Online-Community im Diskurs der virtuellen Welt dazu beiträgt, Hitler zu einem Internetphänomen, einem „Mashup“ bzw. „Meme“ und einer medial entleerten Figur zu machen. Insofern ist die Szene einerseits ein Ausdruck der typischen Praxis der oft stark entkontextualisierten digitalen Public History. Andererseits gibt sie Aufschluss über die Bedeutung von Influencer*innen für den gesellschaftlichen Umgang mit Geschichte. Zum Beispiel diskutieren die in der Realität äußerst erfolgreichen YouTube-Stars auf ihren Kanälen „Joyce“, „freshaltefolie“, Robert Hofmann oder „Dagi Bee“ über die Deutung Hitlers. Sie interpretieren ihn ebenfalls als Hitler-Imitator und bilden ein breites Spektrum der Rezeption ab. Die Einschätzungen reichen von Ablehnung („Nicht Quote um jeden Preis“) über Zustimmung („Ein bisschen traurig ist, dass das, was er sagt, gar nicht so falsch ist“) und Begeisterung („Wird der Mann jetzt Bundeskanzler oder YouTube-Star? Zu beidem scheint er ja das Zeug zu haben“) inklusive Weiterempfehlung („Also ich fand ihn super, ich werde ihn auf jeden Fall weiter verfolgen. Schaut ihn euch mal an, checkt ihn mal aus“) bis hin zu

426 Missomelius, Mediale Selbstthematisierungspraktiken, S. 147–150. 153 regelrechter Hitler-Faszination. Letztere zeigt sich im Video einer YouTuberin, die ein „Fashion Führer Make-Up Tutorial: Adolf Hitler“ anbietet und sich in der faschistischen Ästhetik schminkt und kleidet.427 Die Parodie auf den Bereich der Fashion- und Lifestyle- Influencer*innen ist besonders signifikant, da es den gesamten Diskurs um die äußerst problematische Ästhetisierung des Faschismus hervorruft. Vor dem Hintergrund von Saul Friedländers Ausführungen in Kitsch und Tod oder Susan Sontags Beschreibungen des „fascinating fascism“ mit der Sexualisierung von Uniformen zeugt der Film einmal mehr von einem Bewusstsein um erinnerungskulturelle Denkrichtungen.428 In der Darstellung des Umgangs mit Hitler im Diskurs der YouTube-Influencer*innen verweist Er ist wieder da auf die soziokulturelle und kommunikative Bedeutung dieses Mediums. Insofern ist es eine Anerkennung dieses Phänomens und spricht dafür, dass es als mediale Kommunikationsform einen wesentlichen Bestandteil der Aushandlung des kollektiven Gedächtnisses bildet. Der Film rückt somit den geschichts- und erinnerungskulturellen Stellenwert von YouTube, Onlinevideo und Influencer*innen ins Bewusstsein.

Das Bewusstsein um diese neuartige mediale Erscheinungsform wirft über den Film hinaus ein Licht auf die kulturellen Praktiken im Medium YouTube und den darin stattfindenden virtuellen Umgang mit Geschichte in der Öffentlichkeit. Dabei fällt auf, dass YouTube zu einem zentralen und nicht vernachlässigbaren Ort der Public History wurde. Das betrifft nicht nur einschlägige Beispiele zu Er ist wieder da. Dazu gehören etwa ein Videoessay über den Film oder eine Videorezension von Robert Hofmann, der selbst einen Cameo-Auftritt im Film hat und damit erneut eine Brücke zwischen Text und Kontext herstellt.429 Sondern es zeigt sich auch, wie YouTube allgemein zu einem Ort der Geschichtsvermittlung, der Geschichtsdeutung und der Verständigung über Geschichte wurde. In der Offenheit des Internets verschwimmen dabei die Grenzen zwischen Geschichtswissenschaft, Journalismus und Didaktik. In dieser Hinsicht gehören Kanäle wie „MrWissen2go“ bzw. „MrWissen2go Geschichte“ von Mirko Drotschmann, „Geschichte – simpleclub“, „History Buffs“ mit Analysen von historischen Spielfilmen oder auch die um John und Hank Green entstandene und mittlerweile enorme Ausmaße angenommene Reihe „Crash Course“ zu den wohl prominentesten Beispielen. Die

427 Wnendt, Er ist wieder da, 01:08:22–01:10:10. 428 Friedländer, Kitsch; Sontag, Sign, S. 87–103; vgl. auch zur Sexualisierung des Faschismus den Begriff „Sadiconazista“ bei Schultz, Nationalsozialismus, S. 495f. 429 So It Goes, Fear Through Satire: Look Who’s Back (2015), YouTube, 2.9.2016, [https://www.youtube.com/watch?v=IrhpF_WlnA4], eingesehen 19.7.2019; Robert Hofmann, ER IST WIEDER DA Trailer Deutsch German & Kritik Review (2015), YouTube, 7.10.2015, [https://www.youtube.com/watch?v=gl1VY9ugqFQ], eingesehen 19.7.2019. 154

Entwicklung solcher Videoformate repräsentiert den medialen Wandel der Geschichts- und Erinnerungskultur. Die hohe Präsenz und die Verbreitung dieser Kulturformen, welche sich an den virtuellen Einschaltquoten, das heißt den tausend- bzw. millionenfachen Klicks ablesen lassen, verdeutlicht die Transformation der medialen und kulturellen Gestaltung des kollektiven Gedächtnisses. Diese Transformation ordnet sich im Rahmen der Digitalisierung selbstverständlich in den allgemeinen Wandel der Medienkulturen ein. Wie eine rezente Studie erhob, ist YouTube gerade bei einem jüngeren Publikum besonders populär und ein zentrales Medium des schulischen und privaten Alltags.430 So verwundert es auch nicht, dass klassische Medienanstalten vermehrt auf YouTube zurückgreifen, etwa in Form des 2016 erschienenen Content-Netzwerkes „funk“ der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Als Ergänzung zum klassisch linearen Fernsehen richtet sich dieses über YouTube und andere Plattformen explizit an eine jüngere Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen.431 Aus diesem Grund birgt das Medium YouTube als Teil der allgemeinen Mediennutzung sowie der Public History besondere Chancen und Herausforderungen. Dabei ist es erforderlich, seine gesellschaftliche Bedeutung für das kollektive Gedächtnis anzuerkennen und vertieft in den Blick zu nehmen. In seiner Reflexivität der Medien der Erinnerungskultur bietet Er ist wieder da dafür zweifelsfrei einen nützlichen Anfang.

6.2 Orte der Zeugenschaft – Umgang mit Hitler zwischen Erinnern und Vergessen Die beiden Grundvorgänge des Gedächtnisses – das Erinnern und das Vergessen – hängen stets zusammen und bilden zwei Seiten einer Medaille. Auffällig ist jedoch, dass das Vergessen meist im Schatten des Erinnerns steht und weniger stark beleuchtet wird, obwohl es in Anbetracht der kleinen Auswahl des Erinnerten als Norm gelten muss. Zudem sind die beiden Prozesse in Kulturen moralisch stark aufgeladen. Während das Erinnern als positiv gilt, wird das Vergessen negativ bewertet. Dies drückt sich zum einen in der Verknüpfung von Vergessen mit Begriffen wie Zensur, Verschweigen, Verdrängung oder Ignoranz aus. Zum anderen zeigt sich die moralische Instanz des Erinnerns im regelmäßigen imperativen Mahnen zum Erinnern

430 Rat für Kulturelle Bildung, Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung, Essen 2019, [https://www.rat-kulturelle- bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studie_YouTube_Webversion_final_2.pdf], eingesehen 19.7.2019. 431 funk, o.D., [https://www.funk.net/funk], eingesehen 17.9.2019. 155 und Gedenken und in der bekennenden Phrase „Niemals Vergessen!“.432 Des Weiteren wurden im wissenschaftlichen Diskurs in der Zunahme der zeitlichen Distanz und durch normalisierende und banalisierende Darstellungen eine Verfälschung von Geschichte und ein Vergessen identifiziert. Eine solche Position vertritt Alvin Rosenfeld mit seiner Warnung vor einem „Ende des Holocaust“ besonders vehement. Wie bereits diskutiert wurde, war es sein Anliegen, im Umgang mit den Schrecken des Holocausts, des Nationalsozialismus und der Vergangenheit „ein gewisses Maß an Entrüstung am Leben zu erhalten“.433 Im Sinne der Definition der Zeitgeschichte war es sein Ziel, einer wachsenden Abstumpfung ein spezifisches Betroffensein entgegenzusetzen. Auf der gedächtnisreflexiven Ebene ist bei Er ist wieder da auffällig, wie der Film die Prozesse des Erinnerns und Vergessens aufgreift und diese explizit thematisiert. Der Film suggeriert, dass die Gesellschaft im Umgang mit Adolf Hitler in der Hyperrealität und der medialen Übersättigung unfähig ist, den „echten“ Diktator zu erkennen, was einem kollektiven Vergessen gleichkommt. Es gibt allerdings zwei fiktionale Elemente, die als moralische Instanzen Akte des Erinnerns darstellen und Alvin Rosenfelds Wunsch der moralischen Entrüstung nachkommen. Bei genauerer Betrachtung werfen diese wie bei Claude Lanzmanns Werk zuvor „Fragen nach der Wirkkraft von Orten der Erinnerung und dem Status von Zeugenschaft“434 auf.

6.2.1 Der Führerbunker als (medialer) Erinnerungsort Allgemein wurde Hitlers Ende in einer Vielzahl von Darstellungen über die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges behandelt. Von Pabsts Der letzte Akt (1955) über die internationalen Produktionen Die letzten zehn Tage (1973) oder Der Bunker (1981) bis hin zu Hirschbiegels Zäsur Der Untergang (2004) oder auch Walter Moers‘ Parodien wie Ich hock in meinem Bonker (2006) – der Führerbunker entwickelte sich zu einem regelrechten Dauerschauplatz im Hitler- Mythos des audio-visuellen Gedächtnisses. Zusätzlich ist auch auf das „Downfall-Meme“, das aus dem Film Der Untergang entstandene, satirische und selbstreferentielle Internetphänomen der „Hitler rants“, zu verweisen. Insofern ist zweifelsfrei von einem populärkulturellen medialen Erinnerungsort zu sprechen.

432 Rupnow, Vergessen, S. 127; Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 117; Christian Schneider, Ansteckende Geschichte. Überlegungen zur Fiktionalisierung der Erinnerung, in: Roebling-Grau/Rupnow (Hrsg.), ‚Holocaust‘- Fiktion, S. 19–35, hier S. 20f. 433 Rosenfeld, Ende des Holocaust, S. 21. 434 Correll, Shoah, S. 272. 156

Im Sinne postmoderner Kulturpraktiken greift Er ist wieder da diesen medialen Erinnerungsort auf und nutzt ihn für eine wesentliche narrative Wendung. Das betrifft allerdings nicht die bereits angesprochene Remediation des „Downfall-Memes“. In dieser stellte der Film mit Sensenbrink als neuem Geschäftsführer die bekannte Szene aus Der Untergang detailgetreu nach, was als Transfer vom militärischen Kontext in die Welt der Medien gedeutet wurde. Es betrifft die Szene, in welcher Sawatzki von Zweifeln geplagt, dass es sich tatsächlich um den „echten“ Hitler handeln könnte, zurück zu dem Ort geht, an dem er ihn ursprünglich entdeckt hatte. Die Stelle schien ein herkömmlicher Wohnblock in Berlin-Mitte gewesen zu sein. Um jedoch der Rückkehr Hitlers in die Gegenwart auf den Grund zu gehen, macht sich Sawatzki auf zu dieser Stelle. Mit einer Taschenlampe begibt er sich zu dem Ort, untersucht ihn und entdeckt schließlich eine Hinweistafel mit der Aufschrift: „Historischer Standort ‚Führerbunker‘“.435 In der Dunkelheit und durch die Begleitung von dramatisch bis bedrohlich wirkender Musik entfaltet diese Szene eine ganz besondere Wirkung. Als Rückkehr zum historischen Ort bildet sie eine Schlüsselstelle im Film. Durch die Vermittlungstafel findet bei Sawatzki ein didaktisch-moralischer Lern- und Erkenntnisprozess statt. So ist er sich nun sicher, dass es sich um den „echten“ Hitler und deshalb um eine große Gefahr handeln muss. Als Vergegenwärtigung des realen historischen Ortes kommt das Vermittlungs- bzw. Erinnerungszeichen seiner gedächtnisproduktiven Funktion nach und löst einen Akt des Erinnerns aus. Die geschichtskulturelle Installation hat somit eine Rückwirkung auf das Geschichtsbewusstsein des Individuums und wird zu einer zentralen narrativen Wendung. Der Film reflektiert damit einen wesentlichen Aspekt von Geschichte in der Öffentlichkeit, nämlich den gesellschaftlichen und kulturellen Umgang mit historischen Orten in der Absicht, ein bewusstes Erinnern und Gedenken zu initiieren. So ist es bemerkenswert, wie der Film mit dem Erinnerungszeichen das kulturelle Gedächtnis reflektiert und es als (medialen) Erinnerungsort für eine narrative Schlüsselstelle und eine historische Bewusstseinswerdung eines Charakters benutzt.

6.2.2 „Ich habe nichts vergessen“: Großmutter Krömeier, Demenz und die Zeitzeugengeneration Ein weiteres Beispiel für die explizite Behandlung von Erinnern und Vergessen ist mit Franziska Krömeiers Großmutter verbunden. Diese findet in der Handlung zeitlich vor

435 Wnendt, Er ist wieder da, 01:35:50–01:37:03. 157

Sawatzkis Erkenntnis am historischen Ort statt. Aufgrund der stärkeren Emotionalität und der Deutlichkeit in der Botschaft erzeugt diese eine noch größere moralische Entrüstung. Im Laufe des Filmes entwickelt sich zwischen Fabian Sawatzki und Franziska Krömeier eine Beziehung, was zu einer Art Nebenhandlung wird und direkt mit Hitler und seiner Rückkehr wenig zu tun hat. Bei einem ersten „Date“ der beiden sind diese bei Frau Krömeier zuhause. Bei Kaffee und Kuchen sind auch Franziskas Freunde und Freundinnen sowie ihre Großmutter, welche bei ihr wohnt, anwesend. Dabei stellt sich heraus, dass ihre Großmutter unter Demenz leidet.436 Später in der Handlung, als Sawatzki und Hitler nicht mehr bei MyTV sind und an der Produktion ihres eigenen Filmes arbeiten, treffen der Handlungsstrang mit Hitler und jener mit der Beziehung zwischen Sawatzki und Franziska Krömeier aufeinander. Hitler und Sawatzki kommen auf Besuch in Franziskas Wohnung, wodurch eine Konfrontation mit ihrer Großmutter stattfindet. Sobald Hitler den Raum betritt und der Großmutter vorgestellt wird, ist diese wie vom Schock erstarrt. Sie erkennt Hitler sofort als den „echten“ und weist Franziska und Sawatzki darauf hin. Deren Versuch, sie zu beschwichtigen, zu beruhigen und auf den vermeintlich schauspielerisch-satirischen Charakter Hitlers aufmerksam zu machen, berührt sie nicht. Stattdessen mahnt sie Franziska besonders eindringlich, sich ihrer Vorfahren bewusst zu machen und fordert sie auf: „Denk an deine Familie. Alle tot. Tut was!“ Weil Hitler dies auf den Bombenkrieg hin deutet und damit an den deutschen Opferdiskurs anknüpft, versucht er, ihr gut zuzureden. Doch die Großmutter fällt ihm sofort ins Wort und macht deutlich, dass sie nicht vom Bombenkrieg spreche. Von ihrer Familie sei niemand im Bombenkrieg gestorben, sondern es seien alle von Hitler vergast worden. Daraufhin mustert sie Hitler und spricht ruhig: „Er sieht aus wie früher. Er sagt die gleichen Sachen wie früher. Damals haben die Leute am Anfang auch gelacht. Ich weiß, wer du bist. Ich habe nichts vergessen“. Dann schreit sie mehrmals laut „Raus“ und „Verbrecher“ und verjagt ihn aus der Wohnung. Die Kamera zeigt dabei Sawatzkis Gesicht und seine Reaktion. Nachdem er mit Hitler die Wohnung verlassen hat, sprechen diese im Auto über den Vorfall. Hitler beharrt darin auf seine rassistischen und antisemitischen Ansichten, was Sawatzki erstmals an seiner angeblichen Identität als Schauspieler zweifeln lässt.437

Die Großmutter übernimmt dabei eine Rolle, die im Spiegel der Public History der Zeitzeugengeneration zukommt. Besonders passend ist dabei, dass diese in der Präsentation von

436 Wnendt, Er ist wieder da, 00:50:38–00:52:15. 437 Ebd., 01:31:15– 01:33:39; Der jüdische Hintergrund von Franziska Krömeier bzw. ihrer Großmutter wurde im Film im Sinne eines Foreshadowing bereits bei 01:05:20 durch das religiöse Symbol der Menora angedeutet. 158

Geschichte „als Vermittlungsinstanz zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit“, als „Lieferant*innen von Emotionen“438 und als „Einspruchsmöglichkeit“439 beschrieben werden. Genau dieser Rollenbeschreibung kommt die Funktion des Charakters von Großmutter Krömeier nach. Sie bildet nämlich ein solches Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Konkret greift sie die NS-Vergangenheit und den Holocaust, die Ermordung ihrer jüdischen Familie und somit der Vorfahren von Franziska auf. Mit ihrem Appell an ihre Enkelin „Denk an deine Familie“ knüpft sie explizit an die Kategorie des Familiengedächtnisses an. Sie wird damit zu einer mahnenden Stimme, die die Erinnerung wachhält. Die mnemonische Dimension bekommt durch ihre Charakterisierung eine zusätzliche Betonung. Da die Großmutter zuvor als dement vorgestellt wurde, wird ihr die Fähigkeit des Erinnerns im Gegensatz zu anderen Personen der Handlung abgesprochen. Doch mit ihrer Selbstbehauptung „Ich habe nichts vergessen“ stellt sie sich gegen diese Zuschreibung und übernimmt in der Intervention die Einspruchsmöglichkeit der „Mitlebenden“. Als moralische Instanz und besonders emotionale Empörung kommt sie Alvin Rosenfelds Wunsch nach Entrüstung im kulturellen Umgang mit der NS-Vergangenheit nach und rückt die Vernichtung der Jüdinnen und Juden in den Mittelpunkt. Darin sah Saul Friedländer bekanntlich das „eigentliche Kernstück der deutschen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit“.440 Krömeier ruft mit ihrer emotionalen Mahnung wortwörtlich die Shoah in Erinnerung. Mit diesem Bewusstsein sei es notwendig, tätig zu werden und etwas gegen die Hitler-Figur zu unternehmen. Die Reaktion der Großmutter entfacht bei Sawatzki den Erkenntnisprozess, der schließlich durch die Rückkehr zum historischen Ort und der Vermittlung bei der Hinweistafel vollendet wird.

Mit dem historischen Ort und der Großmutter als Personifikation der Zeitzeugengeneration zeigen diese Beispiele, wie Er ist wieder da die Prozesse des Erinnerns und Vergessens bearbeitet. In dieser Hinsicht lässt er sich als Behandlung des Verhältnisses zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis verstehen. Mit der moralischen Botschaft und dem emotionalen Zusammenspiel von Demenz und Erinnern greift er wesentliche Aspekte des Geschichtsbewusstseins auf. So verdeutlicht er auch das Spannungsverhältnis zwischen Normalisierung und Moralisierung, das in der Realität der filmischen Darstellung einen Platz zwischen Schwarz und Weiß einnimmt.

438 Lücke/Zündorf, Einführung, S. 78. 439 Frei, Geschichtswissenschaft, S. 370. 440 Friedländer, Kitsch, S. 131. 159

7. Schluss Als populäres Produkt der Geschichtskultur gibt das Medium Film einen Einblick darüber, wie die Vergangenheit in der Allgemeinheit repräsentiert und diskutiert wird und welche Bilder in der Gesellschaft zirkulieren. Abschließend gilt es nun, die Vielfalt der Geschichtsbilder und konkret die Darstellung Adolf Hitlers in Er ist wieder da (2015) sowie seine erinnerungskulturellen Implikationen zusammenzufassen. Die zentrale Forschungsfrage richtete sich auf die Veränderung der filmischen Repräsentation Adolf Hitlers entlang des medialen und gesellschaftlichen Wandels und darauf, welches Hitler-Bild das Werk von David Wnendt vermittelt. Darüber hinaus fragte die Arbeit nach dem Verhältnis des Filmes zur Public History, das heißt der Geschichts- und Erinnerungskultur sowie dem Spannungsfeld von Zeitgeschichte, medialer Öffentlichkeit und Prozessen des Erinnerns und Vergessens.

Ähnlich wie die gesamte Geschichte der Darstellung Adolf Hitlers im Medium Film erweist sich Er ist wieder da als besonders komplex. Dies liegt in der Vermischung von fiktionalen, semi-dokumentarischen sowie dokumentarischen Elementen und analog dazu in der Vielschichtigkeit unterschiedlicher Textebenen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage kann die These der Arbeit herangezogen und bestätigt werden. Die Repräsentation Adolf Hitlers verändert sich anhand des Filmes nämlich insofern, als er wesentliche Dimensionen der gegenwärtigen Geschichts- und Erinnerungskultur aufgreift und verhandelt. Als selbstreflexiver Gegenwartsbezug geht der Film der Bedeutung Hitlers und der NS- Vergangenheit im 21. Jahrhundert nach. Im Gegensatz zu klassischen Beispielen der filmischen Verarbeitung ist der Bezugspunkt nicht mehr der eigentliche historische Kontext sondern die Rezeptionsgeschichte und die Art des Umgangs heute. Er ist wieder da ist kein typischer Geschichtsfilm oder eine –Dokumentation, sondern eine satirische Auseinandersetzung, die sich unterschiedlicher stilistischer Mittel des Erzählens und einer omnipräsenten Meta-Ebene bedient. Es geht dabei nicht um eine historische Narration, sondern vielmehr um eine politische, moralische Aussage über den gegenwärtigen Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus. Besonders signifikant ist wie die Kunstfigur Hitler als Projektionsfläche für die Entlarvung des Umgangs mit der Geschichte sowie der politischen Haltung der Menschen in der Gesellschaft benutzt wird. Im Genre der Zeitreise löst sich die historische Persönlichkeit aus der Vergangenheit heraus und konfrontiert die Gesellschaft sowohl innerhalb des Filmes als auch das Publikum außerhalb. Sie wird dabei zu einem Instrument, einer Schablone für die Auseinandersetzung mit der Geschichte in der Gegenwart.

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In Bezug auf das Spannungsverhältnis zwischen Dämonisierung bzw. Moralisierung und Normalisierung bzw. Banalisierung knüpft der Film an satirische Vorläufer an. Durch sowohl normalisierende als auch moralisierende Botschaften zeigt er einmal mehr auf, dass sich diese Darstellungsformen nicht ausschließen. So enthält er einerseits normalisierende Elemente, wie beispielsweise einen komödiantischen Zugang, und andererseits eine deutlich moralisierende Wirkung mit Sawatzkis Sinneswandel und Großmutter Krömeiers Mahnung. Mit dem Überschreiten der Grenzen des Humors ist schließlich selbst ein moralischer Anspruch verbunden. Denn der Film versucht dadurch beim Publikum eine (Selbst-)Reflexion über den kulturellen Umgang mit der NS-Vergangenheit und das umstrittene Lachen auszulösen.

Darüber hinaus ist es bemerkenswert, wie der Film als populäre Darstellung diverse zeithistorische Diskurse und Forschungsentwicklungen auf der Meta-Ebene reflektiert. Dies betrifft etwa die Debatten um die Dämonisierung oder die Täterschaft, die sich in den Begriffen des „Monsters“ bzw. der „ganz gewöhnlichen Menschen“ subsumieren lassen. Der Film ist zwar vordergründig eine erneute Fokussierung auf die Einzelperson Hitler, doch bei genauerer Betrachtung geht es um die Rolle der Gesellschaft und die kollektive Verantwortung in einer Demokratie. Des Weiteren vermittelt der Film Parallelen zu den historischen Sachverhalten, wie der Rolle der Medien als Propaganda sowie bestimmte Bausteine von Hitlers Aufstieg – stets eingebettet in den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Kontext der Bundesrepublik Deutschland bzw. Europas der Jahre 2014/2015. Daneben ist für die Darstellung Adolf Hitlers in Er ist wieder da hervorzuheben, dass der Film als Abhandlung über die gegenwärtige Geschichts- und Erinnerungskultur zu betrachten ist. Als gedächtnisreflexiver Erinnerungsfilm spiegelt er ein breites Spektrum der medialen Erinnerungskultur sowie Prozesse des Erinnerns und Vergessens wieder. Dazu gehören zum einen etwa das Medium des (historischen) Spielfilms selbst, der Kiosk mit Geschichtsmagazinen, das Fernsehen mit Talkshows oder das Internet mit YouTube und anderen Social Media. Diese prägen allesamt den Diskurs über Vergangenheit und Geschichte auf fundamentale Weise mit und deuten auf den Aspekt der Medienkonvergenz hin. Zum anderen umfasst es den Führerbunker als (medialen) Erinnerungsort sowie die Rolle der Zeitzeugin, die als moralische Instanz eine mahnende Funktion übernimmt. In dieser Vielschichtigkeit beleuchtet der Film unterschiedliche (mediale) Räume, diverse Akteurinnen und Akteure der Auseinandersetzung mit Geschichte und Vergangenheit sowie das Zusammenspiel von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis.

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Letztlich seien noch weitere Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Vertiefung des Themas genannt. Da es möglicherweise die reduzierten Bilder und die rein komödiantischen Elemente und weniger die komplexen Bedeutungsstrukturen sind, die sich in der Rezeption und im kollektiven Gedächtnis nachhaltig festsetzen, würde die Durchführung einer ausführlicheren Rezeptionsstudie naheliegen. Hier könnten die Interpretation und die Wirkung des Filmes tiefergehend untersucht werden. Da sich die vorliegende Arbeit auf das Medium des Filmes konzentrierte, läge es ebenfalls nahe, den Roman, das Hörbuch oder auch das Theaterstück fokussierter in den Blick zu nehmen. Erst eine umfassende Beschäftigung mit dem gesamten transmedialen Kulturphänomen ermöglicht es schließlich, ein besseres Verständnis dafür zu erlangen. Die Analyse des Filmes in einer zeithistorischen und erinnerungskulturellen Perspektive ist lediglich als ein Ausschnitt aus dem größeren Phänomen zu verstehen. Ein zusätzlicher Anknüpfungspunkt könnte das italienische Remake sein, das mit dem kulturellen Transfer einen transnationalen Vergleich in der filmischen Verarbeitung von Vergangenheit und Gegenwart ermöglichen würde. Zusätzlich könnten die verschiedenen historischen Analogien in Er ist wieder da unter stärkerer Berücksichtigung gegenwärtiger Dynamiken von Populismus und Nationalismus vertiefend diskutiert werden. Dies betrifft auch die durchaus problematischen und oftmals unreflektierten Hitler- oder Nazi-Vergleiche sowie die Tendenzen der Verharmlosung („Es war doch nicht alles schlecht“). Vor dem Hintergrund des vielfältigen und kontroversiellen Umgangs mit der Vergangenheit könnten diese Phänomene auf Beispiele und Diskurse der letzten Jahre angewandt werden.

Schließlich sind es die unterschiedlichen medialen Formate, allen voran die sozialen Medien wie YouTube, die vermutlich in den nächsten Jahren die Transformation des Gedächtnisses weiter bestimmen werden. Aufgrund des wachsenden zeitlichen Abstandes und des Generationenwandels bleibt der reflektierte Umgang mit der Vergangenheit umso mehr eine gesellschaftliche Aufgabe und eine zentrale Herausforderung für Demokratien des 21. Jahrhunderts. Nicht zuletzt liegt es an der Zeitgeschichte und der Public History, diesen Wandel kritisch zu begleiten, die Medien und ihre Funktionsweisen zu durchleuchten, die Gestaltung von Erinnern und Vergessen bewusst zu machen sowie die Relevanz der Auseinandersetzung mit der Geschichte in der Gegenwart hervorzuheben. Als Film über die gegenwärtige Geschichts- und Erinnerungskultur und den medialen Wandel liefert Er ist wieder da eine kritische und komplexe Darstellung, die einen Schritt in diese Richtung ermöglicht.

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8. Fachdidaktischer Teil 8.1 Einführende Überlegungen zu Er ist wieder da im Unterricht Schließlich geht es nach der fachspezifischen Auseinandersetzung mit Er ist wieder da (2015) um die Frage, wie der Film im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung sinnvoll eingesetzt werden kann. Bevor der konkrete Vorschlag der Gestaltung einer längeren Unterrichtseinheit sowie die fundamentalen fachdidaktischen und curricularen Aspekte vorgestellt werden, ist es erforderlich, kurz einführende Überlegungen über den Umgang mit dem Film im Unterricht anzustellen.

Zur Behandlung von Filmen im Unterricht ist vorab ein Blick auf die Einschätzung der österreichischen Jugendmedienkommission zu werfen. Die Kommission gehört dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung an, prüft und klassifiziert audio- visuelle Werke in Bezug auf ihre Jugendtauglichkeit. In der Online-Filmdatenbank sind Filme ab dem Jahr 2000 zu finden, darunter auch Er ist wieder da. Die Jugendmedienkommission empfiehlt mit der Alterskennzeichnung eine Freigabe ab 12 Jahren. Sie fügt jedoch treffend hinzu, dass der Film mit der stilistischen Vermischung aus Fiktion und Realität/(Semi- )Dokumentation sowie dem satirischen Zugang sehr anspruchsvoll sei. Nichtsdestotrotz hebt die Kommission in der Positivkennzeichnung diverse Aspekte des Filmes hervor, wie zum Beispiel die schauspielerischen Leistungen, die Entlarvung nazistischen Gedankenguts mit den Mitteln des Humors sowie den medienkritischen Zugang. Darüber hinaus nennt sie ein bestimmtes historisches Wissen als Voraussetzung, um die Satire verstehen zu können. Bemerkenswert ist zusätzlich, dass sie die „Kontextualisierung zur aktuellen politischen Situation in Deutschland (und Österreich und Europa)“ innerhalb des Filmes als „gelungen“ beschreibt. So schließt die Jugendmedienkommission die Positivkennzeichnung mit der Beschreibung „Sehr empfehlenswert ab 16 Jahren als politische Komödie mit Diskussionspotenzial“.441

Die Klassifizierung und Empfehlung der Jugendmedienkommission enthält bereits eine Vielzahl von Argumenten, die für eine Verwendung von Er ist wieder da im Unterricht sprechen. Damit ist eine Rechtfertigung für die Behandlung des Filmes im schulischen Rahmen gegeben. Das Besondere am Medium Film im Allgemeinen bzw. am Werk von David Wnendt aus dem Jahr 2015 im Speziellen liegt an den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von audio-

441 Jugendmedienkommission, Filmdatenbank Titel Er ist wieder da, o.D., [https://jmkextern.bmb.gv.at/app/detail.aspx?FILID=18568], eingesehen 19.9.2019. 163 visuellen Produkten. Bei Er ist wieder da sind hier zuallererst das Thema und der Charakter des filmischen Gegenwartsbezuges zu nennen. Diese bieten eine besondere Kombination von historischem und politischem Lernen. An dieser Stelle sei nochmals auf das Facebook-Posting des Journalisten Armin Wolf verwiesen, der explizit eine Empfehlung des Filmes als „Pflichtprogramm in Politische Bildung“ aussprach.442 Diese Meinungsäußerung drückt die Empfindung einer gesellschaftspolitischen und didaktisch-pädagogischen Relevanz des Filmes aus. Mit Verweis auf den fachlichen Teil dieser Arbeit kann von einem besonderen Potential gesprochen werden. Selbstverständlich kommt es auf die Art und Weise des Einsatzes und der Aufbereitung im Unterricht an, ob sich dieses Potential letztlich auch entfalten lässt und Lernprozesse auslösen kann. Neben dem Inhalt kann auch auf das gesamte massenwirksame, erfolgreiche und transmediale Kulturphänomen des Stoffes, bestehend aus Roman, Hörbuch, Film und Theaterstück verwiesen werden. Allein dieser Faktor des „Bestsellers“ spricht für eine Berücksichtigung im Unterricht, da Schülerinnen und Schüler womöglich auf die eine oder andere Weise mit dem Stoff in Berührung kamen.

Die konkrete Einbettung in ein geschichtsdidaktisches Setting hängt von der gewünschten Themensetzung sowie dem Interesse der Lernenden ab. Wie die Jugendmedienkommission zutreffend urteilte, ist der Film insbesondere für Schüler*innen ab etwa 16 Jahren geeignet. Allerdings sollte unabhängig vom Alter ein Vorwissen über die Geschichte des 20. Jahrhunderts, des Nationalsozialismus und des Holocaust vorhanden sein. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, den Film in voller Länge anzusehen und tiefergehend zu behandeln. In der Realität des schulischen Alltags und in Anbetracht der Fülle des Lehrplans und der Zeitknappheit ist dies im Regelunterricht wohl schwer möglich. Deshalb ist es naheliegender, eine Auswahl zu treffen und einzelne oder mehrere bestimmte Szenen mit einem speziellen Fokus zu untersuchen. Allerdings würde es sich anbieten, den Film in einem fächerübergreifenden Unterricht in der Verbindung mit dem Unterrichtsfach Deutsch zu erschließen. Von einer literaturdidaktischen Perspektive könnten beispielsweise das Genre der Satire und die Frage nach dem Umgang mit grenzwertigem Humor behandelt werden. Zusätzlich zum Geschichtsunterricht wäre auch eine parallel ablaufende Auseinandersetzung mit dem Roman, dem Hörbuch und/oder dem Theaterstück möglich. In der Kombination der beiden Fächer könnte schließlich der Film selbst in voller Länge angesehen werden.

442 Wolf, Facebook. 164

Für das Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung ergibt sich anhand des Filmes eine Reihe von möglichen unterschiedlichen Themensetzungen. Vorstellbar wären zum Beispiel die politische und gesellschaftliche Situation in der Gegenwart bzw. im Kontext des Filmes (Migration, Populismus, Nationalismus in Europa) oder das Thema der populären Geschichts- und Erinnerungskultur mit der Frage des Umgangs mit der NS-Vergangenheit, etwa konkret am umstrittenen „Lachen über Hitler oder den Holocaust“. Hier könnte beispielsweise der historische Ort des Führerbunkers als (medialer) Erinnerungsort und als Internetphänomen mit dem „Downfall-Meme“ kritisch diskutiert werden. Des Weiteren ließe sich der Film in einem diachronen Vergleich früheren audio-visuellen Geschichtsdarstellungen aus dem Genre (Der große Diktator, Der Untergang etc.) gegenüberstellen. Dabei ist es jedoch essentiell, stets das Medium Film bzw. das Genre der Satire als keineswegs objektive Geschichtsdarstellung zu betrachten. Stattdessen ist Er ist wieder da als politischer Film mit einer eindeutigen Haltung und bewussten Grenzüberschreitungen zu verstehen. Um eine Überwältigung und Indoktrination der Schüler*innen im Sinne des Beutelsbacher Konsenses443 zu vermeiden, ist es erforderlich, den Film kritisch zu untersuchen. Speziell mit den Befragungen der Menschen auf der Straße oder der Einspielung von aktuellen politischen Bewegungen und Parteien im Abspann besteht etwa die Gefahr, pauschale NS-Vergleiche herzustellen und eine undifferenzierte Sichtweise hervorzurufen. Sofern diese Szenen in ihrer Kontroversität jedoch angemessen kontextualisiert und reflektiert werden, können sie nützlich für die Arbeit im Unterricht sein. Für die vorliegende fachdidaktische Umsetzung wird ein Zugang gewählt, der sich anhand eines Filmausschnittes mit der Darstellung Adolf Hitlers, dem medialen Wandel und der Rolle der Medien auseinandersetzt. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Film großes Potential für eine didaktische Aufbereitung und für die Förderung unterschiedlicher historischer und politischer Kompetenzen birgt.

An dieser Stelle sei zur Behandlung des Filmes noch auf das vielfältige Material im Internet verwiesen. Auf YouTube gibt es beispielsweise eine Reihe von Medienberichten, Filmreviews und Videoessays. Speziell in Interviews mit Schauspieler*innen, dem Regisseur oder auch dem Romanautor Timur Vermes kommen dabei die Intentionen und Hintergründe zum Vorschein.444 Besonders hervorzuheben ist das Videomaterial von Vision Kino, einer gemeinnützigen Institution, welche die Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen fördern

443 Reinhold Gärtner, Basiswissen Politische Bildung, Wien 2016, S. 16. 444 Vgl. 3nach9, 3nach9 am 9. Oktober 2015; Hofmann, ER IST WIEDER DA; So It Goes, Fear Through Satire; tagesschau, tagesthemen; ORF, Er ist wieder da – Der Talk zum Film. 165 möchte. Auf ihrem YouTube-Kanal gibt es unter anderem ein Video mit Statements von Regisseur David Wnendt zur Nachbereitung des Filmes im Unterricht.445

8.2 Geschichtsdidaktik, Film und neue Medien Um dem grundlegenden Ziel des Geschichtsunterrichts, nämlich der Förderung eines reflektierten und selbstreflexiven Geschichtsbewusstseins sowie der historischen und politischen Kompetenzen, nachzukommen, können unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. Dabei nehmen Quellen und Darstellungen im Sinne historischer Narrationen eine zentrale Stellung ein. Im Alltag und in den verschiedenen Lebenswelten der Menschen erscheint „Geschichte“ damit als Erzählung. Im Rahmen der Public History betrifft dies etwa die Geschichts- und Erinnerungskultur einer Gesellschaft. Diese beiden Konzepte wurden im Laufe dieser Arbeit, vor allem in den theoretischen Grundlagen, bereits besonders ausführlich behandelt. In fachdidaktischer Hinsicht ist darauf zu verweisen, dass Elemente der Geschichts- und Erinnerungskultur nützliche Anknüpfungspunkte für historisches Lernen im Unterricht bieten. Dabei geht es darum, Erscheinungsformen und Manifestationen des Historischen aus der Welt aufzugreifen und ausgehend von der Gegenwart für Lehr- und Lernprozesse nutzbar zu machen. Hans-Jürgen Pandel sieht es überhaupt als die Aufgabe des Geschichtsunterrichts an, die Schüler*innen „in die sie umgebende Geschichtskultur einzuführen“.446 Insofern als Filme, Fernsehserien, Comics, Computerspiele oder andere Medien eine dominante Rolle in einer Geschichtskultur bzw. speziell in der Jugendkultur spielen, sollte diesen Darstellungsformen auch in der Schule Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Für das Medium Film als Rekonstruktion von Vergangenheit bedeutet dies ebenfalls, sich im Unterricht mit der filmischen Narration und Repräsentation von Geschichte zu befassen und für die Förderung von Geschichtsbewusstsein zu nutzen. Laut Michael Sauer sollte der Geschichtsunterricht in der Beschäftigung mit audio-visuellen Medien, seien es Dokumentationen, historische Filmquellen oder Spielfilme, ansatzweise auch einen Beitrag zur Medienbildung leisten.447 Speziell in Zeiten der Digitalisierung und des umfassenden medialen Wandels ist dies notwendiger denn je. Zur Frage, wie in der Geschichtsdidaktik mit Filmen umzugehen sei und ob sie im Unterricht zu ignorieren seien, tätigte Bodo von Borries im Jahr

445 Exklusive Einführungen für SchulKinoWochen-Filme, ER IST WIEDER DA – Statements zur Nachbereitung im Unterricht, YouTube, 8.2.2019, [https://www.youtube.com/watch?v=9yWUvyhscu8], eingesehen 19.9.2019. 446 Pandel, Geschichtskultur, S. 74. 447 Michael Sauer, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze–Velber 2001, S. 224. 166

2007 eine interessante Aussage: „Wenn wir die Geschichtskultur, die Konsumgewohnheiten der Normalbürger und Normaljugendlichen ernst nehmen, haben wir gar keine Wahl.“448 Damit sprach er sich für eine Orientierung an den Lebenswelten und Teilkulturen von Kindern und Jugendlichen und für die Berücksichtigung von Filmen aus. Was im Jahr 2007 noch das Medium Film war, sind heute in der von Medienkonvergenz geprägten Kultur der Digitalität vermehrt das Internet und Onlinevideos. So sollte ein Geschichtsunterricht, der sich tatsächlich an der aktuellen Geschichtskultur sowie am Medienkonsum der Jugendlichen orientiert, auch neue digitale Kunst-, Kultur- und Kommunikationsformen einbeziehen. Dadurch kann es gelingen, Kinder und Jugendliche in ihrer (Medien-)Sozialisation zu begleiten und sie gleichzeitig in die Geschichtskultur einzuführen.

Konkret bedeutet dies, digitale Narrationen in sozialen Netzwerken wie Onlinevideos zu thematisieren und im Unterricht einen Raum für Reflexion zu schaffen. Im 2017 veröffentlichten Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter wies Britta Wehen auf die vielfältigen Nutzungs- und Erkenntnismöglichkeiten im Arbeiten mit Geschichtsvideos hin.449 Ein besonderes Potential liegt dabei in der Produktion von Videos durch Schülerinnen und Schüler selbst. Wie Wehen ausführt, kommen darin deren subjektive Sinnkonstruktionen und Deutungen von Geschichte zum Ausdruck.450 Ergänzend zur Rezeption von Filmen, die im Grunde zwar mit einer Interpretation und einer Analyse auch eine handlungsorientierte Komponente aufweist, bietet die eigene Produktion von Videos ein besonderes Maß an Handlungsorientierung. Durch die Planung und Herstellung inklusive der Auseinandersetzung mit den technischen Mitteln können Schülerinnen und Schüler selbst audio-visuelle Produkte anfertigen und den Umgang mit diesen in einem aktiven, kreativ- gestalterischen Prozess erproben. Ein solcher Zugang würdigt allgemein das zentrale Phänomen der Digitalisierung, nämlich die Entwicklung von Konsumierenden hin zu sogenannten „Prosumers“ mit einem erhöhten Maß an Handlungsfähigkeit. Diese stark ausgeweitete agency wirkt sich schließlich auch auf die Interessen und Wünsche von Jugendlichen aus. Wie jüngst eine repräsentative Umfrage unter 12- bis 19-Jährigen des Rates für Kulturelle Bildung aus Deutschland erhob, ist YouTube mit dem Format der Onlinevideos ein Leitmedium von Jugendlichen. Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen, dass die Webvideos junge Menschen dazu anregen, sich selbst aktiv zu betätigen. YouTube-Videos würden deren „Neugierde

448 Borries, Historischer, S. 211. 449 Britta Wehen, Geschichtsvideos im Netz, in: Daniel Bernsen/Ulf Kerber (Hrsg.), Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter, Opladen-Berlin-Toronto 2017, S. 237–248, hier S. 242. 450 Ebd., S. 244ff. 167 wecken, sie begeistern, motivieren und sie in ihren Interessen unterstützen“.451 Der Rat für Kulturelle Bildung spricht dabei die Empfehlung aus, dieses Potential in Bildungskontexten aufzugreifen und zu nutzen. Eine Mehrheit der Befragten wünsche sich explizit eine vermehrte Rezeption, kritische Reflexion und auch eine Produktion von Onlinevideos in der Schule. Insbesondere bei der Produktion sei eine intensivere Unterstützung durch die Schule erwünscht.452 Sofern diesen Trends und Erhebungen Rechnung getragen wird, kann eine Subjekt- und Handlungsorientierung stattfinden. Letztlich ist es durch die Verknüpfung von Rezeption, Reflexion und Produktion möglich, den Ansprüchen einer Historischen Medienbildung gerecht zu werden sowie historisches und politisches Lernen zu gestalten.

8.3 Historische Methodenkompetenz, Lehrplanbezug und Stundengestaltung Das für Lehrpläne des Faches Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung in Österreich maßgebliche FUER-Modell teilt die „globale Kompetenz“ des historischen Denkens in vier zentrale Kompetenzbereiche ein: Frage-, Orientierungs-, Sach- und Methodenkompetenz. Für die Auseinandersetzung mit Filmen als historischen Narrationen ist die Methodenkompetenz relevant. Diese wird als „Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, Antworten auf historische Fragen zu erarbeiten“, definiert.453 Zur Erarbeitung von Antworten ist bei der Methodenkompetenz die Unterscheidung der Kernkompetenzen und Basisoperationen der Re- und De-Konstruktion essentiell. Während die Re-Konstruktion das Entwickeln und die Erstellung von Narrationen meint, beschreibt die De-Konstruktion als ihre Umkehrung die Analyse und Interpretation. Für ein reflektiertes und selbstreflexives Geschichtsbewusstsein braucht es diese Basisoperation der De-Konstruktion, da mit ihr laut Christoph Kühberger eine Form der „Kritik und Reflexionsfähigkeit“ einhergehe. Die De-Konstruktionskompetenz bezeichnet folglich den „adäquaten Umgang mit ‚fertigen Geschichten‘“, etwa mit Filmen oder anderen Produkten.454 In anderen Worten geht es bei der De-Konstruktion darum, historische Narrationen kritisch zu untersuchen, sie zu analysieren und dadurch ein Bewusstsein für die Konstruktion von Geschichte zu fördern.

451 Rat für Kulturelle Bildung, Jugend, S. 7. 452 Ebd., S. 8f. 453 Waltraud Schreiber u.a., Historisches Denken. Ein Kompetenz-Strukturmodell. Basisbeitrag, in: Andreas Körber u.a. (Hrsg.), Kompetenzen historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik, Neuried 2007, S. 17–53, hier S. 27. 454 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Innsbruck 20153, S. 52. 168

Des Weiteren kann der Analyseprozess der De-Konstruktion in zwei Phasen bzw. Bereiche eingeteilt werden. Zu Beginn sollte stets die Untersuchung der Oberflächenstruktur eines Produktes stehen. Erst danach kann die Tiefenstruktur ins Blickfeld kommen. Bei der Oberflächenstruktur geht es um allgemeine Merkmale des Textes, wie zum Beispiel die Gattung, das historische Thema, den Inhalt, die Auftraggeber*innen, Mitwirkende usw. Im Anschluss daran kann für die Beschäftigung mit der Tiefenstruktur eine Passage innerhalb des Textes, wie etwa beim Film eine bestimmte Szene, ausgewählt werden. Hier stehen die detaillierte Analyse und Interpretation der inhaltlichen Ebene der historischen Narration und die Beschäftigung mit diversen Aspekten im Vordergrund: zum Beispiel die fachlich begründete Richtigkeit des Textes (Triftigkeit), die verschiedenen Dimensionen von Vergangenheit, Geschichte, Gegenwart und Zukunft, die Vermischung von Fiktion und Realität, das Erkennen der textspezifischen Mittel oder das Herausarbeiten der Intention und der Motive. Dafür empfiehlt sich meist eine Gegenüberstellung der Darstellung mit historischen Quellen und ein methodisiertes Vorgehen anhand von Leitfäden.455 Laut Waltraud Schreiber sollte hinter einer jeden De-Konstruktion eine bestimmte Fragestellung stehen.456 Zur Förderung der Historischen Methodenkompetenz geht es um die Frage, welche Bedeutung Adolf Hitler in Bezug auf die Rolle der Medien in der Gegenwart besitzt. Dabei ist ausschlaggebend, wie der Film die historische Persönlichkeit aus der Vergangenheit in die Gegenwart transferiert und damit ein Bild über den Zusammenhang von Politik und Medien vermittelt. Nach den Dimensionen des Geschichtsbewusstseins aus dem Modell von Hans- Jürgen Pandel geht es dabei primär um das Temporalbewusstsein (gestern – heute – morgen) sowie das Historizitätsbewusstsein (statisch – veränderlich).457

Die vorliegende Stundengestaltung richtet sich an eine durchschnittliche 8. Klasse (12. Schulstufe) AHS. Es ist davon auszugehen, dass ein Vorwissen über die Geschichte des 20. Jahrhunderts, speziell über die Zeit des Nationalsozialismus, sowie Vorkenntnisse im analytischen Umgang mit Filmen vorhanden sind. Die Behandlung von Er ist wieder da erstreckt sich über eine Unterrichtseinheit von drei Unterrichtsstunden. Dazu kommt als eine Art Hausübung die individuelle Produktion von Videos durch die Schüler*innen. Die erste

455 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 59–76; Waltraud Schreiber, Kompetenzbereich historische Methodenkompetenz, in: Andreas Körber u.a. (Hrsg.), Kompetenzen historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik, Neuried 2007, S. 194–235, hier S. 226–229. 456 Schreiber, Kompetenzbereich historische Methodenkompetenz, S. 225. 457 Hans-Jürgen Pandel, Geschichtsunterricht nach PISA. Kompetenzen, Bildungsstandards und Kerncurricula, Schwalbach/Ts. 2005, S. 8. 169

Stunde widmet sich der Oberflächenstruktur des Filmes, das heißt einer ersten Annäherung an den Text. Diese erfolgt über eine Konfrontation mit dem Filmcover, dem Trailer und eine Rechercheaufgabe über die wesentlichen Aspekte der Produktion. Die Zweite konzentriert sich auf die De-Konstruktion der Tiefenstruktur anhand zweier ausgewählter zusammenhängender Szenen sowie die Reflexion der eigenen Mediennutzung. Hier handelt es sich um Hitlers TV- Auftritt bei „Krass, Alter“ und die Reaktionen dazu in Fernsehen und Internet. Die Erarbeitungsphase erfolgt durch die Beschreibung des Filmausschnittes und die Zusammenfassung des Inhaltes (Reproduktion), die Gegenüberstellung mit Hitlers Rede vor dem Reichstag am 1. September 1939 (Reorganisation, Transfer) und die Bewertung der Rolle der Medien (Reflexion, Problemlösung). Schließlich wird als Überleitung zur Reflexion das Medium YouTube angesprochen. Danach ist es die Aufgabe der Schüler*innen, Zuhause ein eigenes kurzes Video zu produzieren. Grundvoraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass alle Schüler*innen ein passendes Gerät (Smartphone/Notebook mit Kamera) besitzen. Im Video sollen sie die in der De-Konstruktion sowie in der Reflexion erarbeiteten Ergebnisse diskutieren. Im Format einer Videobotschaft geht es lediglich um die Aufzeichnung der eigenen Person und die Artikulation eines Urteils. Je nach Möglichkeiten und Infrastruktur könnten sie diese anschließend auf eine schulinterne Lernplattform hochladen. Dabei wäre es auch möglich, in diesem virtuellen Lernforum andere Produkte von Mitschülern und Mitschülerinnen zu sichten und zu kommentieren. In der dritten Stunde können unabhängig davon einzelne Produkte herausgenommen und exemplarisch aufgegriffen werden. Über einen USB-Stick kann beispielsweise der Transfer der Videodateien auf ein Abspielgerät in der Klasse bewerkstelligt werden. Da die Schülerinnen und Schüler nicht verpflichtet sind, die Videos auf einer kommerziellen Plattform zu veröffentlichen, sollte es dabei keine rechtlichen Bedenken geben. Stattdessen wird durch diese Aufgabe ein geschützter Raum geschaffen, in welchem die Jugendlichen die audio-visuelle (Selbst-)Inszenierung erproben können. Gegen Ende der dritten Stunde können eine Wiederholung bzw. ein Abschluss des Themas mit Feedback erfolgen.

Für die konkrete Stundengestaltung liefert der AHS-Lehrplan das entscheidende Fundament. Darauf aufbauend können wesentliche didaktische Maßnahmen gesetzt und legitimiert werden. Ein wesentlicher Aspekt ist die unter der Bildungs- und Lehraufgabe genannte „Praxismöglichkeit im Lebens- und Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler“.458

458 Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen, Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, 8. Klasse, Fassung vom 02.10.2019, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008568], eingesehen 2.10.2019. 170

Durch die Auseinandersetzung mit dem Medium Film sowie durch die Produktion von eigenen Videos sind diese praxisbezogene Komponente, die Subjektorientierung und der Lebensweltbezug definitiv gegeben. Des Weiteren leistet die Unterrichtsplanung einen Beitrag zu den Bildungsbereichen „Sprache und Kommunikation“ sowie „Kreativität und Gestaltung“. In ersterem sind alle drei Teilbereiche anzuführen: Neben „Anwenden von Sprache in verschiedenen Kommunikationssituationen“ ist bei der „Förderung kritischer Sprach- und Medienreflexion“ die Auseinandersetzung mit Darstellungen der Vergangenheit (Spielfilm) sowie „Produkten der politischen Kultur“ (Onlinevideo) zu nennen. In der didaktischen Aufbereitung ist zusätzlich der „Aufbau einer demokratischen Gesprächs- und Kommunikationskultur“ gegeben. Unter „Kreativität und Gestaltung“ sind ebenfalls einige Teilbereiche relevant: die „simulative und handlungsorientierte Auseinandersetzung mit Themen der Geschichte und Politischen Bildung“, „kreative und vielfältige Formen der Präsentation“ (Videoproduktion) sowie die „Beachtung von Kunst auch als Mittel der gesellschaftlichen Teilhabe und politischer Meinungsbildung“ (vor allem Reflexion über Mediennutzung). Die Beschäftigung mit dem Spielfilm Er ist wieder da entspricht auch der Historischen Methodenkompetenz im Lehrplan. Demnach sei mit der De-Konstruktion „ein kritisches Hinterfragen von historischen Darstellungen bzw. geschichtskulturellen Produkten“ wie etwa Spielfilmen zu fördern.459

Im AHS-Lehrplan ist für die 8. Klasse das Kompetenzmodul 7 ausschlaggebend. Im 7. Semester sind unter der Historischen Methodenkompetenz (Re- und De-Konstruktionskompetenz) zwei Bereiche angeführt. Erstens geht es um die Re-Konstruktion, nämlich das „Erstellen verschiedener Darstellungen der Vergangenheit in verschiedenen medialen Formen (zB Sachtext, Plakat, Video) […]“.460 Die Produktion eigener Videos zielt zum Teil auf die Basisoperation der Re-Konstruktion ab. Da darin aber die Ergebnisse der De-Konstruktion diskutiert und die eigene Mediennutzung reflektiert werden sollen, besitzen sie eine zusätzliche Komponente. Es geht somit nicht primär um die Erstellung einer Darstellung der Vergangenheit, sondern um die Erprobung des Formates eines Videostatements. So bedient die Unterrichtseinheit in Ansätzen auch die Politische Urteilskompetenz sowie die politikbezogene Methodenkompetenz, wobei diese nicht im Vordergrund stehen. Insgesamt spielt die persönliche Dimension eine zentrale Rolle. Zur De-Konstruktionskompetenz führt der Lehrplan an: „Perspektivität, Intention und Bewertungen in Darstellungen der Vergangenheit feststellen

459 Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen. 460 Ebd. 171 sowie deren Entstehungskontext berücksichtigen“.461 Diese Aspekte werden in der Analyse der Oberflächen- und Tiefenstruktur erschlossen. Gleichzeitig decken sich damit die Lernziele der Unterrichtseinheit. Ziel ist es, dass die Schüler*innen erkennen, wie Er ist wieder da die Vergangenheit in einer filmischen Darstellung repräsentiert, welche Aussagen der Film über Politik und Medien trifft und was dies mit den Jugendlichen selbst zu tun hat.

Schließlich bleibt noch auf den relevanten Themenbereich aus dem Lehrplan zu verweisen. Unter dem Leitthema „Wesentliche Transformationsprozesse im 20. und 21. Jahrhundert und grundlegende Einsichten in das Politische“ wird die „Rolle der (Neuen) Medien zwischen Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft; Geschichtsdarstellungen in Neuen Medien“ herausgegriffen.462 Mit der Fokussierung auf mediale Entwicklungen und Institutionen in Kombination mit der Geschichtsdarstellung Adolf Hitlers stellt Er ist wieder da einen idealen Anknüpfungspunkt für diesen Themenbereich dar. So ist es möglich, am filmischen Fallbeispiel einen Gegenwartsbezug zu vollziehen und in der Behandlung der Medien in Politik, Gesellschaft und Kultur einen historischen Lernprozess auszulösen. Dafür wurde die Szene von Hitlers TV-Rede bei „Krass, Alter“ mit den darauffolgenden medialen Reaktionen ausgewählt. Dabei sind die historische Rede Hitlers der Kriegserklärung an Polen vom 1. September 1939 sowie der Diskurs der Influencer*innen auf YouTube zentral. Damit kann ein Bezug zu einer Quelle, zu Geschichtsdarstellungen und zu Diskursen in neuen Medien hergestellt werden. Darauf aufbauend lässt sich im Sinne der Subjektorientierung eine Brücke zur eigenen Mediennutzung und zur Lebenswelt der Jugendlichen schlagen.

Abschließend lässt sich für den Themenbereich der Rolle der (neuen) Medien noch auf die Aufbereitung in Schulbüchern verweisen. Diese könnten ergänzend genutzt werden und zur Umrahmung der Unterrichtseinheit – sei es zum Einstieg im Vorhinein oder als Vertiefung danach – dienen. Wenngleich der vorliegende Unterrichtsvorschlag nicht direkt auf ein konkretes Lehrwerk zurückgreift, ist als mögliches Beispiel Geschichte Oberstufe (GO!) 8, Abschnitt 4.5 „Moderne Medien und Politik“ relevant. Hier werden etwa die Themen „Mediendemokratie und politischer Skandal“ oder „Facebook, Twitter – und die Demokratie“ behandelt. Vor allem letzteres Unterkapitel liefert mit der Frage der Rolle von sozialen Netzwerken und Online-Diensten einen nützlichen Anknüpfungspunkt.463 Da sich die Medien- und Jugendkultur in einem ständigen dynamischen Wandel befinden und sich rapide ändern,

461 Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen. 462 Ebd. 463 Claudia Rauchegger-Fischer u.a., Geschichte Oberstufe 8, Wien 2014, S. 164–173. 172 stellt sich die Frage, inwieweit Facebook und Twitter den Lebenswelten von Jugendlichen entsprechen. Diese sind als dominante und mächtige soziale Netzwerke im Unterricht nicht zu vernachlässigen. Doch die Umfrage des Rates für Kulturelle Bildung sowie das Prinzip der Subjektorientierung sprechen für eine didaktische Hinwendung zum aktuellen Leitmedium YouTube. Es ist aber zu erwarten, dass sich auch dieser Trend um YouTube in den nächsten Jahren verändern und das von Google beherrschte Medium an Dominanz und Macht verlieren kann.

8.4 Stundenplanung und Anhang Klasse/Schule: 8. Klasse AHS (12. Schulstufe, Oberstufe, S/S im Alter von 17-18 Jahren) Thema: Hitler-Darstellung und Medien in Er ist wieder da (2015) Stundenausmaß: 3 Stunden (je 50 Minuten) Lehrplanbezug und Kompetenzbereich: Kompetenzmodul 7: Historische Methodenkompetenz Re-Konstruktionskompetenz: Erstellen verschiedener Darstellungen der Vergangenheit in verschiedenen medialen Formen (zB Sachtext, Plakat, Video) zur gleichen Materialgrundlage (Quellen und Darstellungen) erproben De-Konstruktionskompetenz: Perspektivität, Intention und Bewertungen in Darstellungen der Vergangenheit feststellen sowie deren Entstehungskontext berücksichtigen Themenbereich: Rolle der (Neuen) Medien zwischen Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft; Geschichtsdarstellungen in Neuen Medien Lernziele: Schüler*innen erkennen, wie Er ist wieder da (2015) die Vergangenheit in einer filmischen Geschichtsdarstellung einarbeitet. Sie können die Aussagen des Filmes über Politik und Medien in Vergangenheit und Gegenwart bewerten und mit einer historischen Quelle vergleichen. Sie sind in der Lage, den Film kritisch zu diskutieren, die Inhalte auf ihre eigene Lebenswirklichkeit zu übertragen und in einem audio-visuellen Produkt zu reflektieren.

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Stunde Thema Lerninhalte/Unterrichtsverlauf Material/ Organisations-/Sozialform / Kommentar Medien Methode

1. Film Er ist - Einstieg mit Filmcover Filmcover, Beamer frontal Neugierde wecken, an wieder da Vorwissen anknüpfen  Beschreibung und Wirkung feststellen Think – Pair – Share Analyse der  zu Film hinführen, Thema vorstellen Ober-

flächen- erste Eindrücke vermitteln, struktur - Trailer ansehen – kurz Impressionen diskutieren Beamer, Internet frontal Gefühl für den Film - Erarbeitungsphase bekommen

Zentrale Informationen herausfinden und recherchieren: Quellenkiste: im einzeln, freies Bewegen im Raum, offenes Lernen,

Inhalt, Genre, Entstehungskontext, Beteiligte (Produzent, Raum verteilt sind Heranziehen unterschiedlicher Aktivierung der S/S; Drehbuch, Regie, Besetzung), Erfolg, Vorlage, DVD, Roman, Informationsquellen Erschließung der Ober- Rezeption/Bewertungen Hörbuch, flächenstruktur

Sachbücher zum  Übung 1 (Anhang) Thema, Presseartikel,

Internet

Tafel - Festigung Einordnung des Filmes Blitzlicht-Methode Besprechung der Ergebnisse, Zusammenfassung, vornehmen;

Ausblick nächste Stunde Oberflächenstruktur als Grundlage für Tiefenstruktur

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2. Er ist wieder - Einstieg: Wiederholung 1. Stunde frontal Anknüpfen an Ergebnisse da – Analyse der 1. Stunde - Erarbeitungsphase Filmausschnitt der Tiefen- Kontextualisierung der struktur Filmausschnitt TV-Rede bei „Krass, Alter“ + Reaktionen Arbeitsblatt Partnerarbeit, frontal Szene im Film ist wichtig Abspielen der 1. und 2. Szene 01:00:22–01:04:25 / für Verständnis! 01:05:33–01:10:18 Einführung in die  Übung 2 (Anhang) Handlung; evtl. 2x abspielen - Zusammenfassung Ergebnisse Übung 2

kurze Besprechung Thema YouTube/ Influencer*innen, offen, Eindrücke wiedergeben Anleitung Haus-Übung eigene Mediennutzung ansprechen, offene Fragen  Übung 3 / Anleitung Video (Anhang) klären

Haus-Übung bis nächste Stunde: Videobotschaft produzieren und Datei mit in den Unterricht nehmen (Anhang)

3. Reflexion - Abspielen von einzelnen ausgewählten Videos Videos, Beamer frontal Auswahl per Zufall, über Rolle Erledigung der HÜ kann  Besprechung der Ergebnisse (Inhalt) der Medien benotet werden, Qualität und eigene  Feedback von S/S untereinander der Videos aber nicht Medien-  Tipps bei technischer Umsetzung nutzung am Beispiel des Filmes - offene Diskussion über Mediennutzung, Rolle von Gruppendiskussion, ggf. Pro-Contra- sozialen Netzwerken, YouTube, Influencer*innen, Diskussion Gefahren im Internet - Abschluss des Themas, Zusammenfassung, Feedback der S/S

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Übung 1: Rechercheaufgabe – Er ist wieder da

1. Ermittle mit dem zur Verfügung gestellten Material (Bücher, Internet etc.) wesentliche Informationen zum Film (Regie, Drehbuch, Besetzung, Produktion, Genre, Rezeption etc.). 2. Fasse basierend auf dem Trailer und den Recherchen den Inhalt des Filmes zusammen. 3. Ordne die Handlung sowie die Entstehungszeit des Filmes in ihren historischen Kontext ein.

Übung 2: Dekonstruktion des TV-Auftrittes bei „Krass, Alter“

1. Beschreibe die filmischen Elemente (Musik, Kamera) der Szene und fasse ihren Inhalt zusammen. 2. Analysiere die Rede (s.a. Transkription) in Bezug auf Sprache, Inhalt und Darstellung Hitlers und vergleiche sie mit Quelle 1. 3. Interpretiere die Filmszene und bewerte sie hinsichtlich der Rolle der Medien in der Gegenwart. Transkription: Rede aus Er ist wieder da (01:00:22–01:04:25): „[…] Der Fernseher in meinem Hotel ist so dünn. Es ist ein Wunderwerk des menschlichen Erfindergeistes. Aber was läuft auf diesem Fernseher? Nur Schrott. Wenn die Zeiten schlecht sind, dann braucht das Volk leichte Unterhaltung, das verstehe ich. Nicht umsonst haben wir 1944 die „Feuerzangenbowle“ rausgebracht. Aber wie schlimm müssen die Zeiten sein, dass man das Volk mit solch einem geistig minderbemittelten Schwachsinn bestraft? In was für einem Land leben wir? Kinderarmut, Altersarmut, Arbeitslosigkeit, die Geburtenraten so tief wie noch nie. Kein Wunder. Wer will in dieses Land schon ein Kind setzen? Wir rasen auf den Abgrund zu. Aber wir erkennen ihn nicht. Denn im Fernsehen da sieht man nicht den Abgrund. Da sieht man eine Kochschau. Ich werde gegen dieses Fernsehen so lange weiter kämpfen bis wir den Abgrund nicht nur erkennen, sondern bis wir ihn überwinden. Es ist 20.45 Uhr und ab jetzt wird zurückgesendet.“

Quelle 1: Adolf Hitler – Reichstagsrede mit Kriegserklärung an Polen vom 01.09.1939 Abgeordnete! Männer des deutschen Reichstages! Seit Monaten leiden wir alle unter der Qual eines Problems, das uns auch der Versailler Vertrag, d.h. das Versailler Diktat, einst beschert hat […]. Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft. Wer selbst sich von den Regeln einer humanen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun. Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind. […].“ https://archive.org/details/AdolfHitlerReichstagsredeMitKriegserklrungAnPolenVom01.09.1939

Zusatzinformation: Die Reichstagsrede von Adolf Hitler war eine Propagandaansprache und diente der Inszenierung des Deutschen Reiches als Opfer eines vermeintlichen Angriffskrieges von Polen. In der Realität waren dies jedoch eine Lüge und ein Vorwand, um den Überfall auf Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkrieges vom 1.9.1939 als Verteidigungskrieg darzustellen.

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Haus-Übung: Produktion Videobotschaft – „Die Medien und ich“ Erstelle basierend auf dem Film, den Ergebnissen der Dekonstruktion und der Szene mit den Influencer*innen eine Videobotschaft von maximal 3 Minuten.  Beschreibe darin zu Beginn kurz den Inhalt der Filmausschnitte.  Stelle danach verschiedene Medien vor, die du zur Meinungsbildung, zur Information und zur Unterhaltung verwendest. Verweise dabei auch auf konkrete Institutionen und Personen (Fernsehen, Radio, soziale Netzwerke, Zeitungen, Nachrichten bzw. Fernsehstars, Journalisten und Journalistinnen, YouTuber*innen, Influencer*innen, Autoren und Autorinnen, Familie/Bekannte etc.).  Diskutiere anhand deiner Mediennutzung die Rolle und Macht der Medien in Politik und Gesellschaft.

Technische/stilistische Vorgaben und Tipps:  Das Video soll im „talking head“-Format erstellt werden: eigene Person/Kopf zentral im Bild sichtbar.  Geräte: Smartphone oder Notebook mit Kamera  Es soll kein Text abgelesen werden. Stattdessen steht das freie Sprechen vor der Kamera im Vordergrund. Es ist jedoch empfohlen, vorab wenige Notizen anzufertigen bzw. die Unterlagen aus dem Unterricht zu verwenden.  Räumlichkeit: Achte wegen der Tonqualität und der Belichtung auf den Ort der Videoaufnahme. Berücksichtige dabei auch folgende Fragen: Wie inszeniere ich mich selbst? Wo zeige ich mich? Welchen Eindruck erwecke ich dabei von mir?  Sofern der Wunsch besteht, das Video zu schneiden, können Programme wie Windows Movie Maker, iMovie oder YouCut – Video Editor kostenlos verwendet werden.

Abgabe des Videos: Nächste Unterrichtsstunde per USB-Stick/-Netzteil

Abgabe: nächste Stunde per USB-Stick / Datenübertragung

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Innsbruck, im Oktober 2019 Benedikt Kapferer

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