Brandseeschwalbe
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Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 39 D J Brandseeschwalbe N F Jahresrhythmik Brandseeschwalbe Jahres- Sterna sandvicensis O M rhythmiknicht anwesend Sterna sandvicensis anwesend S A nichtDurchzug anwesend 1 Unterart:Unterart: St. s. Sternasandvicensis sandvicensis sandvicensis anwesendDurchzugsmax. A M DurchzugBrutzeit Durchzugsmax. J J Brutzeit Brutstatus Brutvogel Aktueller Brutbestand 15 ‒ 426 (BP) (2010-2015) Brutstatus Brutvogel Aktueller Brutbestand 15 – 426 Auftreten regelmäßig (BP) (2010-2015) Häufigkeit Auftreten extrem seltenregelmäßig VerbreitungHäufigkeit lokal extrem selten VerbreitungsgradVerbreitung 0,9 % (Kartierunglokal 20 05-2009,-2012) BestandstrendVerbreitungsgrad abnehmend 0,9 % (Kartierung 2005-2009,-2012) Verbreitungstrend abnehmend Bestandstrend abnehmend GaststatusVerbreitungstrend Durchzüglerabnehmend Aktueller Rastbestand max. 580 (Ind.) (Tagesmaximum) Auftreten regelmäßig Häufigkeit Gaststatusmäßig häufigDurchzügler Aktueller Rastbestand max. 580 Verbreitung lokal (Ind.) (Tagesmaximum) BestandstrendAuftreten Daten nicht ausreichendregelmäßig VerbreitungstrendHäufigkeit Daten nicht ausreichendmäßig häufig Verbreitung lokal RingfundmitteilungBestandstrend der BeringungszentraleDaten nicht ausreichend Hiddensee Nr. 8/2015 Verbreitungstrend Daten nicht ausreichend Ringfundmitteilung der Beringungszentrale Hiddensee Nr. 8/2015 Lebensraum Verbreitung Die Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis brü- Die Nominatform der Brandseeschwalbe Ster- tet in Deutschland an der Nord- und Ostsee- na s. sandvicensis brütet in Europa an den küste auf Inseln mit niedriger Vegetation. In Küsten des Atlantiks, der Nord- und Ostsee, der Weichselmündung (Polen) besiedelt sie des Mittelmeeres sowie des Schwarzen und vegetationsfreie bzw. vegetationsarme Sand- Kaspischen Meeres. Die atlantische Popula- bänke (Meissner et al. 2014). Gelegentlich tion (einschließlich Nord- und Ostsee) um- können auch anthropogene Strukturen als fasst 55.300-57.000 BP (BirdLife International Brutplatz dienen. So bestand z. B. im Jahr 2004). Die Nordsee bildet das Verbreitungs- 2006 eine Kolonie auf einer Betonmole im zentrum dieser Population. In Großbritanni- Hafen von Gdynia (Herrmann et al. 2008; en (einschließlich Isle of Man und Kanalin- Meissner et al. 2014). Die Brandseeschwalbe seln, jedoch ohne Nordirland) brüten 10.500 legt ihre Brutkolonien stets im Bereich von Paare (Mitchell et al. 2004), in den Niederlan- Brutkolonien der Lachmöwe Larus ridibundus den und Belgien 19.500 (Bestand 2004, Stie- an. Wenn die Lachmöwen einen Brutplatz nen 2006), an der deutschen Nordseeküste aufgeben, wird dieser auch von den Brandsee- 7.700-10.100 (Garthe und Flore 2007) sowie schwalben verlassen (Herrmann et al. 2008). an der dänischen Nordseeküste 2.100-5.200 Die Art brütet ausschließlich an der Küste, (Zeitraum 1993-2013, Gregersen 2006; Herr- binnenländische Brutplätze gibt es nicht. Au- mann et al. 2008; unveröffentl. Daten). Auch ßerhalb der Brutzeit hält sie sich ebenfalls fast an der französischen Atlantikküste, in Irland ausschließlich an der Küste auf und kommt und Nordirland gibt es größere Brutbestän- nur ausnahmsweise ins Binnenland. 40 Brandseeschwalbe Brandseeschwalben Sterna sandvicensis brüten dichtgedrängt auf Inseln mit niedriger Vegetation, wie auf der Insel Kirr. Foto: J. Reich. de (BirdLife International 2004; Mitchell et und um 1820 auf der Lotseninsel Oehe-Schlei- al. 2004). Im südlichen Norwegen brütet die münde brütete (Benicken 1824; Glutz von Brandseeschwalbe nur sporadisch mit weni- Blotzheim und Bauer 1982). Die dauerhafte Be- gen Paaren. siedlung des Ostseeraumes begann jedoch erst Im Ostseeraum ist die Brandseeschwalbe im 20. Jh. Im Jahr 1911 brütete die Brandsee- Brutvogel in Dänemark (1.050-3.600 BP), schwalbe erstmals an der schwedischen Küste Schweden (110-610 BP), Estland (600-900 des Öresunds auf Falsterbo und 1919-1921 auf BP), Polen (0-710 BP) und Mecklenburg- Oehe-Schleimünde (Schleswig-Holstein). In Vorpommern (15-780 BP). An der Ostseeküs- den 1930er Jahren breitete sie sich entlang der te Schleswig-Holsteins hat sie bis 2006 mit schwedischen Ostküste aus und besiedelte im 0-4 Paaren gebrütet, fehlt jedoch seitdem als Jahr 1934 Öland und 1938 Gotland. Zeitgleich Brutvogel (Zahlenangaben für den Zeitraum brütete sie erneut auf Oehe-Schleimünde sowie 1996-2015; Elts et. al. 2009; Herrmann et mit wenigen Paaren in der Weichselmündung al. 2011; Meissner et al. 2014). Starke lokale bei Gdansk (Polen). Eine stabile Besiedlung Fluktuationen sind im Zusammenhang mit der südlichen und zentralen Ostseeküste be- Kolonieaufgaben und -neugründungen art- gann aber erst ab den 1950er Jahren. Um 1950 charakteristisch. Der Brutbestand im Ostsee- entstand eine Kolonie auf dem Rødsand (Dä- raum (einschließlich nördliches Kattegat und nemark), 1957 auf der Heuwiese (MV), 1962 Limfjord) ist mit 3.000-5.000 BP insgesamt brütete die Brandseeschwalbe erstmals in der stabil (Herrmann et al. 2011). Wismarbucht (Inseln Walfisch und Langen- Sporadische Brutvorkommen an der deutschen werder, MV). Der erste Brutnachweis in Estland Ostseeküste sind in der ornithologischen Lite- datiert aus dem Jahr 1962. Seitdem ist sie dort ratur für die erste Hälfte des 19. Jh. in Schles- regelmäßiger Brutvogel. Der nördlichste Brut- wig-Holstein belegt, wo die Brandseeschwalbe nachweis wurde 1975 im Stockholm-Archipel 1819 und 1824 auf der Möweninsel Schleswig (Schweden) erbracht, jedoch erfolgte hier kei- Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 41 ne längerfristige Ansiedlung, sodass Estland onhard Christian und Bernhard Christian gegenwärtig die nördliche Verbreitungsgren- Otto gelegentlich ein Brutvorkommen der ze im Ostseeraum bildet. Von 1977 bis 1991 Brandseeschwalbe auf dem Großen Stubber brütete die Brandseeschwalbe sporadisch in im Greifswalder Bodden in der zweiten Hälfte der Weichselmündung bei Gdansk (Polen). Im des 18. Jh. angenommen. L.C. Otto (1776) be- Jahr 2006 erschien sie hier erneut als Brutvo- schreibt die „Kleinere Stübbersche Kirke“ als gel und brütet seitdem alljährlich mit 100-710 eigene Art mit den Merkmalen „Weiß. Rücken BP (Herrmann et al. 2008, 2011; Meissner et und Flügeldecken blaulicht; Huth, Schnabel und al. 2014). Füße schwarz. Männchen und Weibchen nicht Die Ausbreitung im Ostseeraum in den unterschieden“. In seiner Übersetzung von 1950er Jahren erfolgte zeitgleich mit dem Zu- „Buffons Naturgeschichte der Vögel“ schreibt sammenbruch der Nordseepopulation infolge B.C. Otto (1804) im Abschnitt zur Brandsee- der Pestizidbelastung durch ein Chemiewerk schwalbe: „Vielleicht ist dieser Vogel einerlei Art bei Rotterdam (Niederlande). Die niederlän- mit dem zuvor von mir als eine besondere Art ent- dischen Brutbestände brachen zu jener Zeit deckte kleinere Seeschwalbe von Stübber, welche von 32.000 BP im Jahr 1957 auf 875 BP im auch schon nach dieser Insel benannt war, wie Jahr 1965 ein und auch die Brutbestände an diese Nachricht von der Kentischen noch nicht der deutschen und dänischen Nordseeküs- da war. Da aber keine andere Beschreibung noch te nahmen stark ab (Garthe und Flore 2007; eine Abbildung von der Kentischen da ist, so will Herrmann et al. 2008). ich sie noch nicht mit Gewißheit mit der Stüb- berschen für eine Art ausgeben.“ Von Meyer Brutbestand und Bestandsveränderungen und Wolf (1810) wurde „Sterna stübberica“ als In der ornithologischen Literatur des 20. Brandseeschwalbe angesprochen. Zum Vor- Jh. (z. B. Hübner 1908; Nehls 1977; Robien kommen im Ostseeraum schreiben sie: „Auf- 1928) wird mit Bezug auf die Gebrüder Le- enthalt: Vorzüglich häufig auf der Insel Stübber Brutkolonie der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis auf der Insel Kirr. 28.06.2013. Foto: J. Reich 42 Brandseeschwalbe Brutplätze der Brandseeschwalbe 1957-2015 ") (! längerfristig besetzte Brutplätze (! ") ´ (! (! kurzzeitig besetzte, kleinere Brutplätze (1 - 30 BP) (! ") ") ") ") (! (! ") (! (! (! ") (! (! 0 5 10 20 30 40 50 Kilometers Abb. 1: Brutplätze der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis in Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum von 1957 bis 2015. Die dargestellten längerfristig besetzten Brutplätze hatten mindestens in einem Jahr einen Bestand >100 BP. an der Ostsee, doch trifft man sie auch zuweilen (1848) und Zander (1861) erwähnen ein Ex- auf ihren Wanderungen im Herbst und Frühjahr emplar, welches „vor mehreren Jahren“ (Zan- auf den deutschen Landseen und Flüssen an.“ der 1861) am Neustädter See (bei Neustadt- Dennoch muss die Artzuordnung als unsicher Glewe) erlegt wurde und sich (nach Zander) gelten. In der ornithologischen Literatur des in der Sammlung der Schule in Ludwigslust 18. und 19. Jh. findet sich kein einziger wei- befand. Auch Wüstnei und Clodius (1900) terer Hinweis auf Brutvorkommen der Brand- sowie Kuhk (1939) kannten für Mecklenburg seeschwalbe an der Küste von MV und auch aus dem 19. Jh. nur diesen einen Nachweis. Nachweise von nichtbrütenden Vögeln wa- Nicht viel häufiger trat die Art offensichtlich ren offenbar sehr selten (s. u.). Die Beschrei- in Pommern auf: Hornschuch und Schil- bung von Otto (1776) würde jedoch auch ling (1837) bezeichnen sie als „sehr selten“. auf die Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica Homeyer (1837) erwähnt eine Beobachtung zutreffen, die zu Beginn des 19. Jh. Brutvogel durch Schilling (ohne Datum); in seinem auf Inseln um Rügen war. Auch die von Mey- Nachtrag (1841) gibt er keine weiteren Infor- er und Wolf (1810) erwähnten gelegentlichen mationen zu der Art. Holland (1871) schreibt: Nachweise im Binnenland würden eher zur „Auf Rügen geschossen“.