Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 39

D J Brandseeschwalbe N F Jahresrhythmik Brandseeschwalbe Jahres- Sterna sandvicensis O M rhythmiknicht anwesend Sterna sandvicensis anwesend S A nichtDurchzug anwesend 1 Unterart:Unterart: St. s. Sternasandvicensis sandvicensis sandvicensis anwesendDurchzugsmax. A M DurchzugBrutzeit Durchzugsmax. J J Brutzeit

Brutstatus Brutvogel Aktueller Brutbestand 15 ‒ 426 Brutstatus Brutvogel (BP) Aktueller Brutbestand(2010-2015)15 – 426 Auftreten regelmäßig (BP) (2010-2015) Häufigkeit Auftreten extrem seltenregelmäßig VerbreitungHäufigkeit lokal extrem selten VerbreitungsgradVerbreitung 0,9 % (Kartierunglokal 20 05-2009,-2012) BestandstrendVerbreitungsgrad abnehmend 0,9 % (Kartierung 2005-2009,-2012) Verbreitungstrend abnehmend Bestandstrend abnehmend GaststatusVerbreitungstrend Durchzüglerabnehmend Aktueller Rastbestand max. 580 (Ind.) (Tagesmaximum) Auftreten regelmäßig Häufigkeit Gaststatusmäßig häufigDurchzügler Aktueller Rastbestand max. 580 Verbreitung lokal (Ind.) (Tagesmaximum) BestandstrendAuftreten Daten nicht ausreichendregelmäßig VerbreitungstrendHäufigkeit Daten nicht ausreichendmäßig häufig Verbreitung lokal RingfundmitteilungBestandstrend der BeringungszentraleDaten nicht ausreichend Nr. 8/2015 Verbreitungstrend Daten nicht ausreichend

Ringfundmitteilung der Beringungszentrale Hiddensee Nr. 8/2015

Lebensraum Verbreitung Die Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis brü- Die Nominatform der Brandseeschwalbe Ster- tet in Deutschland an der Nord- und Ostsee- na s. sandvicensis brütet in Europa an den küste auf Inseln mit niedriger Vegetation. In Küsten des Atlantiks, der Nord- und Ostsee, der Weichselmündung (Polen) besiedelt sie des Mittelmeeres sowie des Schwarzen und vegetationsfreie bzw. vegetationsarme Sand- Kaspischen Meeres. Die atlantische Popula- bänke (Meissner et al. 2014). Gelegentlich tion (einschließlich Nord- und Ostsee) um- können auch anthropogene Strukturen als fasst 55.300-57.000 BP (BirdLife International Brutplatz dienen. So bestand z. B. im Jahr 2004). Die Nordsee bildet das Verbreitungs- 2006 eine Kolonie auf einer Betonmole im zentrum dieser Population. In Großbritanni- Hafen von Gdynia (Herrmann et al. 2008; en (einschließlich Isle of Man und Kanalin- Meissner et al. 2014). Die Brandseeschwalbe seln, jedoch ohne Nordirland) brüten 10.500 legt ihre Brutkolonien stets im Bereich von Paare (Mitchell et al. 2004), in den Niederlan- Brutkolonien der Lachmöwe Larus ridibundus den und Belgien 19.500 (Bestand 2004, Stie- an. Wenn die Lachmöwen einen Brutplatz nen 2006), an der deutschen Nordseeküste aufgeben, wird dieser auch von den Brandsee- 7.700-10.100 (Garthe und Flore 2007) sowie schwalben verlassen (Herrmann et al. 2008). an der dänischen Nordseeküste 2.100-5.200 Die Art brütet ausschließlich an der Küste, (Zeitraum 1993-2013, Gregersen 2006; Herr- binnenländische Brutplätze gibt es nicht. Au- mann et al. 2008; unveröffentl. Daten). Auch ßerhalb der Brutzeit hält sie sich ebenfalls fast an der französischen Atlantikküste, in Irland ausschließlich an der Küste auf und kommt und Nordirland gibt es größere Brutbestän- nur ausnahmsweise ins Binnenland. 40 Brandseeschwalbe

Brandseeschwalben Sterna sandvicensis brüten dichtgedrängt auf Inseln mit niedriger Vegetation, wie auf der Insel . Foto: J. Reich. de (BirdLife International 2004; Mitchell et und um 1820 auf der Lotseninsel Oehe-Schlei- al. 2004). Im südlichen Norwegen brütet die münde brütete (Benicken 1824; Glutz von Brandseeschwalbe nur sporadisch mit weni- Blotzheim und Bauer 1982). Die dauerhafte Be- gen Paaren. siedlung des Ostseeraumes begann jedoch erst Im Ostseeraum ist die Brandseeschwalbe im 20. Jh. Im Jahr 1911 brütete die Brandsee- Brutvogel in Dänemark (1.050-3.600 BP), schwalbe erstmals an der schwedischen Küste Schweden (110-610 BP), Estland (600-900 des Öresunds auf Falsterbo und 1919-1921 auf BP), Polen (0-710 BP) und Mecklenburg- Oehe-Schleimünde (Schleswig-Holstein). In Vorpommern (15-780 BP). An der Ostseeküs- den 1930er Jahren breitete sie sich entlang der te Schleswig-Holsteins hat sie bis 2006 mit schwedischen Ostküste aus und besiedelte im 0-4 Paaren gebrütet, fehlt jedoch seitdem als Jahr 1934 Öland und 1938 Gotland. Zeitgleich Brutvogel (Zahlenangaben für den Zeitraum brütete sie erneut auf Oehe-Schleimünde sowie 1996-2015; Elts et. al. 2009; Herrmann et mit wenigen Paaren in der Weichselmündung al. 2011; Meissner et al. 2014). Starke lokale bei Gdansk (Polen). Eine stabile Besiedlung Fluktuationen sind im Zusammenhang mit der südlichen und zentralen Ostseeküste be- Kolonieaufgaben und -neugründungen art- gann aber erst ab den 1950er Jahren. Um 1950 charakteristisch. Der Brutbestand im Ostsee- entstand eine Kolonie auf dem Rødsand (Dä- raum (einschließlich nördliches Kattegat und nemark), 1957 auf der (MV), 1962 Limfjord) ist mit 3.000-5.000 BP insgesamt brütete die Brandseeschwalbe erstmals in der stabil (Herrmann et al. 2011). Wismarbucht (Inseln und Langen- Sporadische Brutvorkommen an der deutschen werder, MV). Der erste Brutnachweis in Estland Ostseeküste sind in der ornithologischen Lite- datiert aus dem Jahr 1962. Seitdem ist sie dort ratur für die erste Hälfte des 19. Jh. in Schles- regelmäßiger Brutvogel. Der nördlichste Brut- wig-Holstein belegt, wo die Brandseeschwalbe nachweis wurde 1975 im Stockholm-Archipel 1819 und 1824 auf der Möweninsel Schleswig (Schweden) erbracht, jedoch erfolgte hier kei- Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 41 ne längerfristige Ansiedlung, sodass Estland onhard Christian und Bernhard Christian gegenwärtig die nördliche Verbreitungsgren- Otto gelegentlich ein Brutvorkommen der ze im Ostseeraum bildet. Von 1977 bis 1991 Brandseeschwalbe auf dem Großen Stubber brütete die Brandseeschwalbe sporadisch in im Greifswalder Bodden in der zweiten Hälfte der Weichselmündung bei Gdansk (Polen). Im des 18. Jh. angenommen. L.C. Otto (1776) be- Jahr 2006 erschien sie hier erneut als Brutvo- schreibt die „Kleinere Stübbersche Kirke“ als gel und brütet seitdem alljährlich mit 100-710 eigene Art mit den Merkmalen „Weiß. Rücken BP (Herrmann et al. 2008, 2011; Meissner et und Flügeldecken blaulicht; Huth, Schnabel und al. 2014). Füße schwarz. Männchen und Weibchen nicht Die Ausbreitung im Ostseeraum in den unterschieden“. In seiner Übersetzung von 1950er Jahren erfolgte zeitgleich mit dem Zu- „Buffons Naturgeschichte der Vögel“ schreibt sammenbruch der Nordseepopulation infolge B.C. Otto (1804) im Abschnitt zur Brandsee- der Pestizidbelastung durch ein Chemiewerk schwalbe: „Vielleicht ist dieser Vogel einerlei Art bei Rotterdam (Niederlande). Die niederlän- mit dem zuvor von mir als eine besondere Art ent- dischen Brutbestände brachen zu jener Zeit deckte kleinere Seeschwalbe von Stübber, welche von 32.000 BP im Jahr 1957 auf 875 BP im auch schon nach dieser Insel benannt war, wie Jahr 1965 ein und auch die Brutbestände an diese Nachricht von der Kentischen noch nicht der deutschen und dänischen Nordseeküs- da war. Da aber keine andere Beschreibung noch te nahmen stark ab (Garthe und Flore 2007; eine Abbildung von der Kentischen da ist, so will Herrmann et al. 2008). ich sie noch nicht mit Gewißheit mit der Stüb- berschen für eine Art ausgeben.“ Von Meyer Brutbestand und Bestandsveränderungen und Wolf (1810) wurde „Sterna stübberica“ als In der ornithologischen Literatur des 20. Brandseeschwalbe angesprochen. Zum Vor- Jh. (z. B. Hübner 1908; Nehls 1977; Robien kommen im Ostseeraum schreiben sie: „Auf- 1928) wird mit Bezug auf die Gebrüder Le- enthalt: Vorzüglich häufig auf der Insel Stübber

Brutkolonie der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis auf der Insel Kirr. 28.06.2013. Foto: J. Reich 42 Brandseeschwalbe

Brutplätze der Brandseeschwalbe 1957-2015 ") (! längerfristig besetzte Brutplätze (! ") ´ (! (! kurzzeitig besetzte, kleinere Brutplätze (1 - 30 BP) (! ") ") ") ")

(! (!

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0 5 10 20 30 40 50 Kilometers

Abb. 1: Brutplätze der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis in Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum von 1957 bis 2015. Die dargestellten längerfristig besetzten Brutplätze hatten mindestens in einem Jahr einen Bestand >100 BP. an der Ostsee, doch trifft man sie auch zuweilen (1848) und Zander (1861) erwähnen ein Ex- auf ihren Wanderungen im Herbst und Frühjahr emplar, welches „vor mehreren Jahren“ (Zan- auf den deutschen Landseen und Flüssen an.“ der 1861) am Neustädter See (bei Neustadt- Dennoch muss die Artzuordnung als unsicher Glewe) erlegt wurde und sich (nach Zander) gelten. In der ornithologischen Literatur des in der Sammlung der Schule in Ludwigslust 18. und 19. Jh. findet sich kein einziger wei- befand. Auch Wüstnei und Clodius (1900) terer Hinweis auf Brutvorkommen der Brand- sowie Kuhk (1939) kannten für Mecklenburg seeschwalbe an der Küste von MV und auch aus dem 19. Jh. nur diesen einen Nachweis. Nachweise von nichtbrütenden Vögeln wa- Nicht viel häufiger trat die Art offensichtlich ren offenbar sehr selten (s. u.). Die Beschrei- in Pommern auf: Hornschuch und Schil- bung von Otto (1776) würde jedoch auch ling (1837) bezeichnen sie als „sehr selten“. auf die Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica Homeyer (1837) erwähnt eine Beobachtung zutreffen, die zu Beginn des 19. Jh. Brutvogel durch Schilling (ohne Datum); in seinem auf Inseln um Rügen war. Auch die von Mey- Nachtrag (1841) gibt er keine weiteren Infor- er und Wolf (1810) erwähnten gelegentlichen mationen zu der Art. Holland (1871) schreibt: Nachweise im Binnenland würden eher zur „Auf Rügen geschossen“. Koske (1902) führt Lachseeschwalbe als zur Brandseeschwalbe die Brandseeschwalbe in einer Liste von Ar- passen, da letztere deutlich an die Küste ge- ten auf, die im Jahr 1901 auf bzw. bunden ist und im Binnenland nur selten am Peenemünder Haken geschossen oder auftritt. beobachtet wurden. Erst ab den 1920er Jah- Die Literatur des 19. Jh. beschreibt die Brand- ren häufen sich die Nachweise: Wachs (1927) seeschwalbe für Mecklenburg und Vorpom- beobachtete im September 1926 auf dem mern als einen sehr seltenen Gast. Maltzan ein adultes und ein juveni- Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 43

am 05.08.1931 auf erlegtes Weibchen sowie eigene Beob- achtungen im Juli und August 1934 auf dem Langenwerder bzw. bei Heiligendamm; außer- dem die ihm mitgeteilten Be- obachtungen von drei Ind. am Strand bei Graal-Müritz Mitte Juni 1936 und zwei Ind. in der westlichen Wismarbucht An- fang Juni 1938. Zu jener Zeit brütete die Brandseeschwalbe bereits im südlichen Schweden, u. a. auf Måkläppen (Falsterbo). Die Beobachtungen an der Küs- te Mecklenburgs dürften sich Sehr selten brüten Brandseeschwalben Sterna sandvicensis auch einzeln, auf Brutvögel des Ostseeraumes weitab ihrer Artgenossen, aber stets im Anschluss an Lachmöwen Larus ridibundus, wie hier auf der Insel Böhmke im Achterwasser. 26.05.2010. während ihrer nachbrutzeit- Foto: J. Köhler. lichen Zerstreuungswanderungen beziehen. les Tier und berichtet von ca. zehn Ind., die Als Brutvogel tritt die Brandseeschwalbe in sich im Sommer des gleichen Jahres längere MV erst seit 1957 auf. Ein Jahr später brüte-

1957 1958Zeit1959 auf1960 den1961 1962Inseln1963 1964Poel1965 und1966 Langenwerder1967 1968 1969 1970 1971 1972te sie1973 sowohl1974 1975 1976auf1977 der1978 Heuwiese1979 1980 1981 als1982 auch1983 1984auf 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 aufgehalten haben. Robien0 0 0(1928)0 0schildert0 0 24 der 177Fährinsel202 118 68(Dost 1958, 1959; 250Thybusch Kirr 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Heuwiese 27 die16 82Beobachtung253 290 309 343 von404 38750 0Brandseeschwal0 1 0 0 - 140 und0 0Stiefel379 430 1959).620 866 Der850 Bestand1050 986 stieg960 744 rasch784 795an 685 703 970 868 951 1105 1170 1100 1000 Langenwerder 0 0 0 1 0 0 34 84 101 96 115 95 40 90 140 70 38 30 35 47 45 35 140 0 35 120 300 320 60 120 95 55 8 20 0 ben vom 20.-22.07.1926 5auf5 dem0 Darß, die 100und 2überschritt0 6 0 19780 erstmalig0 0 0 die0 Größe0 0 von0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 ihre flüggen Jungen fütterten,0 0 221 sowie354 508 von418 55430 503 5201.000320 BP268 (Abb.62 0 2).0 In 0den0 Anfangsjahren0 0 1 1 bis0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Pagenwerder 5 5 55 100 42 107 142 60 1 andere Gebiete adulten19 und 5-620 Jungen2 0 13 Ende0 Juli0 919270 an0 7 19650 0 beherbergte10 0 0 die0 Heuwiese2 8 0 die0 größte8 0 Ko12 - 12 1 0 0 0 0 0 0 0 derselben Stelle. Kuhk (1939) erwähnt neben lonie, ebenso im Zeitraum 1973 bis 1994. An- der zitierten Beobachtung von H. Wachs ein dere Kolonien mit mehr als 100 BP bestanden

1.200

andere Gebiete 1.000

Pagenwerder 800 Beuchel

Anzahl BP Anzahl 600 Liebitz

Langenwerder 400 Heuwiese

200 Kirr

Barther Oie 0

Jahr Abb. 2: Brutbestandsentwicklung der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis in Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum von 1957 bis 2015. 44 Brandseeschwalbe

zeitweise im Raum Westrügen Zerstreuungswanderungen im 1. Lebensjahr auf den Inseln Beuchel und Lie- !( Wiederfundorte bitz. Daneben wurden in diesem )" Beringungsorte Gebiet sporadische Bruten auf Estonia der Fährinsel, auf dem Bessin, der Norway Insel und auf dem Gänse- !( werder am Gellen (Hiddensee) Sweden festgestellt. In der Darß-Zingster Boddenkette bestanden auf den Inseln Kirr und Barther Oie (NLP VB) zeitweise größere Kolonien. !( In der Wismarbucht brütete die !( !( !( Brandseeschwalbe erstmalig im Denmark !( !( Jahr 1962 auf den Inseln Wal- !( !( fisch (NSG) und Langenwerder !( !( !( !(!( !( !(!( (NSG). Der Langenwerder ist !(!(!( )" !( )" !(!( !(" seitdem – abgesehen von einigen )" ) !( !( kürzeren Unterbrechungen – ein Poland Germany ständiger Brutplatz. Eine weitere Brutansiedlung mit maximal 142 BP (1979) bestand von 1973 bis 0 50 100 200 Kilometer 1980 auf dem Pagenwerder im Rostocker Breitling. Im Greifs- walder Bodden trat die Brandsee- Wiederfunde adulter Vögel in schwalbe bislang nur als sporadi- der Nachbrutzeit im Ostseeraum scher Brutvogel auf dem !( Wiederfundorte (NSG), dem Peenemünder Haken )" Beringungsorte (NSG), den Werderinseln , Estonia Norway !( dem Gustower Werder sowie auf dem Ruschbrink in der Schorit-

Sweden zer Wiek auf (Nehls 1987). Auf !( der Insel Böhmke (NSG) im Ach- terwasser brütete 2010 ein Paar. !( Die Brutkolonien der Brand- seeschwalbe sind stets eng an Kolonien der Lachmöwe gebun- !( Denmark den. Die Aufgabe von Lachmö- !( !( wenkolonien führt zwangsläufig

!(!(!( auch zur Aufgabe von assoziier- !( !( !(!(!( !(!( !( !()" !(!(!()"!( )" !( !( ten Brandseeschwalbenkolonien !( !( )" (z. B. Heuwiese 1966 und 1995, Poland Beuchel 2000, Langenwerder Germany 1996, Kirr 2012). Ab Ende der 1980er Jahre ist die Lachmöwe

0 50 100 200 an der Küste von MV stark zu- Kilometer rückgegangen (Herrmann 2009). Ehemals große Kolonien haben Abb 3: Zerstreuungswanderungen der Brandseeschwalbe Sterna sandvicen- sich deutlich verkleinert oder sis in der Nachbrutzeit im Ostseeraum. Oben: Wiederfunde von in Mecklen- sind ganz erloschen. Wichtige burg-Vorpommern nfl. beringten Jungvögeln im Spätsommer/Herbst des 1. Lebensjahres; unten: Wiederfunde von adulten Vögeln, die in Mecklenburg- frühere Brutplätze der Brandsee- Vorpommern nfl. oder als Brutvögel beringt wurden, in späteren Jahren (der schwalbe wie die Heuwiese, die Brutplatz der Vögel im Wiederfundjahr ist zumeist unbekannt). Insel Beuchel und seit 2013 auch Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 45 der Kirr beherbergen aktuell keine größeren schlüpfen in der letzten Maidekade und wer- Lachmöwenkolonien und bieten für die Art den ab Mitte Juni flügge. Die Verlustraten von somit keine Brutplatzvoraussetzungen. Da- Gelegen und Jungvögeln sind hoch. Verlust- durch erklärt sich der deutliche Rückgang des ursachen sind Sommerhochwasser sowie Prä- Brutbestandes in MV seit 1995. dation durch Raubsäuger oder Großmöwen.

Siedlungsdichte Jahresrhythmus Die Brandseeschwalbe brütet zumeist in Kolo- Die Brandseeschwalben treffen bereits in der nien, gelegentlich aber auch in kleinen Grup- letzten Märzdekade ein. Einzelne Vögel wer- pen oder Einzelpaaren. Charakteristisch ist die den gelegentlich auch schon früher beobach- Vergesellschaftung mit Lachmöwen. Die Ko- tet, z. B. am 11.03.1994 1 Ind. am Darßer Ort lonien können an der Nordsee mehrere Tau- (L. Storm in Müller 1997), 13.03.1982 1 Ind. send Brutpaare beherbergen. Im Ostseeraum am (S. Müller und D. Jäkel in Müller sind sie kleiner. Größere Brutansiedlungen 1984), 15. und 16.03.1994 1 Ind. an der Hu- bestehen hier aus mehreren Hundert Paaren. cke/Hiddensee (J. Günther bzw. A.J. Helbig, J. Brutkolonien mit mehr als 1.000 Paaren (max. Dierschke, J. Günther und R. Barth in Müller 1.170) gab es im Ostseeraum bisher lediglich 1997). Die Mehrzahl der Vögel erscheint im zeitweise auf der Heuwiese (1979, 1990-1994). April und besetzt dann die Brutplätze. Die Le- gezeit beginnt Ende April. Fortpflanzung Nach Beendigung des Brutgeschäftes vollfüh- Die Eiablage beginnt um den 25. April. Das ren Brandseeschwalben Zerstreuungswan- früheste Gelege wurde auf dem Langenwer- derungen. Dabei können die Vögel ostwärts der am 17. April gefunden (Brenning und bis in die Danziger Bucht oder sogar bis nach Nehls 2013). Die Hauptlegezeit fällt in die Estland sowie nordwestwärts bis in das Kat- erste Maihälfte. Häufig werden aber auch spä- tegat und Skagerrak abwandern (Abb. 3). Die te Brutansiedlungen festgestellt, bei denen es Zerstreuungswanderungen im Ostseeraum sich wahrscheinlich um Umsiedler oder Erst- ziehen sich bis Ende September oder sogar brüter handelt. Brütende Altvögel können ge- Anfang Oktober hin. legentlich bis in die erste Julidekade hinein Im Juli/August werden gelegentlich große angetroffen werden (Nehls 1987). Das Vollge- Rastplatzansammlungen oder starke Durch- lege besteht überwiegend aus zwei Eiern, mit- zugsbewegungen beobachtet (Abb. 4). Nach unter auch nur aus einem. Die ersten Jungen Beobachtungen im Bereich Peenemünder Ha- ken, Struck und Ruden (NSG) kann der Anteil diesjähriger Vö- gel ab Mitte Juli bereits 30-50 % betragen, im August steigt er auf >50 % (D. Sellin, schriftl. Mitt.). Die größten Zug- und Rastan- sammlungen wurden mit 580 Ind. am 16.08.1997 (D. Sellin in Müller 1999) bzw. 550 Ind. am 07.08.1999 (D. Sellin in Müller 2001) am Peenemünder Haken festgestellt. C. Rohde beobachte- te am 28.08.2011 am Bock 435 Ind., davon 420 durchziehend nach W innerhalb von 6 h. Auf dem Frühjahrszug kommt es nur selten zu größeren Kon- In Nestnähe auf der Insel Böhmke (Achterwasser) fliegend war- zentrationen bzw. auffälligen nende Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis. 26.05.2010. Foto: Zugbewegungen, z. B. 200 Ind. J. Köhler. am 28.04.2004 am Darßer Ort 46 Brandseeschwalbe

(NLP VB, B. Moreth, oamv.de). Am Peene- (B. Schirmeister in Müller 2005); 08.11.1988 münder Haken (NSG) umfassen die Beobach- 1 ad. u. 1 juv. am Weststrand Darß (H. u. P. tungen während des Heimzuges (April bis 1. Kiekhöfel in Müller 1990); 14.11.1999 1 Ind. Junidekade) nur 4,5 % der im Jahresverlauf am Peenemünder Haken (D. Sellin in Müller erfassten Individuen (Abb. 4). 2001); 18.11.2007 1 ad. Riemser Ort (M. Dau- Die Brandseeschwalben aus den Brutgebieten ber in Müller 2011). Weiterhin liegen einige der Ostsee ziehen auf den gleichen Zugrouten Winterbeobachtungen vor: 04.12.1981 1 Ind. ab wie die der Nordsee (Bairlein et al. 2014). bei Mukran/Rügen (H. Jaschhof in Müller Der Abzug erfolgt überwiegend im August/ 1983); 05.12.2003 1 Ind. Stadthafen Sassnitz September, beginnt aber offenbar schon im (B. Moreth, oamv.de); 12.01.1992 1 Ind. bei Juni. So wurde ein am 07.06.1992 auf der Zempin/Usedom (B. u. E. Fründt in Müller Heuwiese (NLP VB) nfl. beringter Vogel be- 1994); 27.01.1990 1 Ind. bei Warnemünde reits am 24.06.1992 im Senegal nachgewie- (M. Jaschhof in Müller 1992-1993). sen; ebenso wurden drei Vögel im brutreifen Ringfunde von in MV beringten Vögeln zei- Alter (beringt nfl. auf dem Langenwerder bzw. gen einen küstengebundenen Zug entlang der auf der Heuwiese) am 28.06.1989 als „erbeu- Nordsee- und Atlantikküste und weiter an der tet“ aus dem Senegal zurückgemeldet. westafrikanischen Küste bis in das südliche Spät abziehende Individuen werden gele- Afrika (Namibia, Südafrika; Abb. 5). Fundmel- gentlich noch im November beobachtet, z. dungen aus der Wegzugzeit aus dem Kattegat, B. am 05.11.2002 4 Ind. bei Ahlbeck/Usedom Skagerrak und von der Westküste Jütlands wei- sen darauf hin, dass die cimb- rische Halbinsel offensichtlich 25% überwiegend entlang der Küste umflogen wird. 20% Die Überwinterungsgebiete

liegen an den Küsten des Ost- 15% atlantiks von der Iberischen Halbinsel bis Südafrika (z. B. 10% Müller 1959; Møller 1981;

5% Glutz von Blotzheim und Bauer 1982). Die Vögel hal- prozentualer Anteil 0% ten sich dabei bevorzugt in 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 den Auftriebsgebieten auf, in April Mai Juni Juli Aug Sep Okt denen kaltes, nährstoffreiches Monatsdekaden Tiefenwasser aus den Ozeanen aufsteigt und damit die 1.000 Grundlage für eine hohe Biomasseproduktion bietet. 800 Nachweise einjähriger Vögel im Sommer in Afrika weisen darauf 600 hin, dass nicht geschlechtsreife Tiere offensichtlich zumindest 400 teilweise nicht nach Europa zu- rückkehren, sondern im afrika- 200 nischen Winterquartier bleiben: Summe der Dekadenmaxima Hiddensee 006025034 0 Beringt: nfl. am 22.05.1973,

1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 Barther Oie, DDR, 54.24 N, Jahre 12.44 E, Abb 4: Phänologie des Zuggeschehens der Brandseeschwalbe Sterna sand- WF: lebend kontrolliert am vicensis im NSG Peenemünder Haken, Struck und Ruden nach Monatsde- 07.05.1974, Abidjan, Elfen- kaden im Zeitraum von 1971 bis 2015 (n=10.365; D. Sellin, unveröffentl.). beinküste, 05.21 N, 04.00 W, Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 47

5.675 km SSW. Von Vögeln aus MV liegen sieben Nachweise Hiddensee 006034887 aus dem Mittelmeer vor: Zwei von der spa- Beringt: nfl. am 04.06.1976, Insel Heuwiese, nischen Mittelmeerküste sowie fünf aus der DDR, 54.26 N, 13.08 E, nördlichen Adria (Italien, Abb. 5). Davon fal- WF: tot gefunden (in Fischereigerät gefan- len vier in die Heimzugzeit (März-April), zwei gen) am 12.06.1977, Abidjan, Elfenbeinküste, in die Wegzugzeit (August) und ein Fund in 05.20 N, 04.02 W, 5.675 km SSW. die Winterzeit. Bei letzterem handelt es sich Hiddensee 006092453 um einen 1977 auf der Heuwiese nfl. bering- Beringt: nfl. am 21.05.1989, Insel Heuwiese, ten Vogel, welcher am 18.11.1977 bei Almería DDR, 54.26 N, 13.08 E, (Spanien) tot gefunden wurde. WF: tot gefunden am 02.05.1990, St. Louis, Ein am 27.03.1996 am Playa de Hornil- Senegal, 16.01 N, 16.30 W, 4.974 km SSW. lo (Murcia, Spanien) tot gefundener Vogel (beringt 1987 nfl. auf der Heuwiese) sowie Offensichtlich brüten Brandseeschwalben ge- die an der italienischen Adriaküste im Ap- legentlich auch in ihrem Winterquartier. Im ril (n=3) bzw. August (n=2) nachgewiesenen Mai 2014 gelang in Namibia der erste Brut- Vögel weisen auf einen Austausch zwischen nachweis, nachdem Bruten im Überwinte- den Brutpopulationen des Ostseeraumes und rungsgebiet schon mehrfach vermutet wor- des Mittelmeeres hin. Wahrscheinlich fol- den waren (Kemper 2015). gen mitunter Vögel aus dem Ostseeraum auf dem Heimzug aus den afrika- nischen Winterquartieren ab Wiederfunde auf dem Zugweg Gibraltar der Mittelmeerküste !( Wiederfundorte !(*# und siedeln sich dann in Brut- !( *# Juli/August !( )" !(*#XW *#GF gebieten des Mittelmeeres oder *# September/Oktober *# XW!(!( +$*#*# *#XW des Schwarzen Meeres an. Um- GF November-Februar XW*#XW!(*# GF!(GF XW März/April *#!( gekehrt ziehen aus dem Mit- !( !(*# XW+$XWXW XW!( $+ Mai/Juni !( telmeer bzw. Schwarzen Meer )" *#+$ Beringungsorte !(*# stammende Vögel offenbar *#XW GFXW *# gelegentlich auch auf dem at- lantischen Zugweg in Richtung XW XW Nord- und Ostsee, was durch den Nachweis von Ansied-

GF lungen von Vögeln aus dem GFXW *#*#GFXW+$ GFXW*#+$GFXW*#GF Schwarzen Meer in MV und GF*#XW GFXWGF Dänemark belegt ist. XW +$ GF Im Binnenland werden *#XWGF!(*# Brandseeschwalben nur sel- !(GFXW+$GFGF!( GF XW ten beobachtet. Regelmäßi- GF ge Beobachtungen aus dem

GF*#!( Voralpen- und Alpenraum *#GF (insbesondere Bodensee, aber auch Chiemsee, Ammersee, Ismaninger Speichersee, Neu-

GF enburger See und Genfer See) XW weisen allerdings darauf hin, XW dass Zugbewegungen über das Binnenland eine größere Rol- *# 0 500 1.000 2.000 GF le spielen könnten als bisher Kilometer GF XWXW angenommen (Müller 2015). Abb 5: Wiederfunde von Brandseeschwalben Sterna sandvicensis, die in Für MV führt Nehls (1987) Mecklenburg-Vorpommern nfl. oder als Brutvögel beringt wurden, auf insgesamt zehn Beobachtun- dem Zugweg außerhalb des Ostseeraumes. gen auf. Aus dem Zeitraum 48 Brandseeschwalbe

1992 bis 2015 gibt es weitere 14 Nachweise (Müller 1991-2011; Vökler 2013; oamv.de). Ausgewählte Beringungsergebnisse Zumeist wurden 1-4 Ind. beobachtet, die Ma- Die Beringung von Brandseeschwalben in ximalzahl im Binnenland beträgt acht Ind. MV wurde zunächst mit Helgoland-Ringen am 12.04.1992 am Breeser See (J. Loose in begonnen und 1964 mit Hiddensee-Ringen Müller 1994). Die Mehrzahl der Beobachtun- fortgesetzt. Bis 2014 wurden in MV insgesamt gen stammt aus der Wegzugzeit. 16.712 Brandseeschwalben mit Hiddensee- Das Ringfundmaterial der Beringungszentra- Ringen markiert. Außerdem wurden 142 le Hiddensee enthält zwei Ringfundmeldun- Ringvögel anderer Beringungszentralen in gen fremder Ringvögel im Binnenland: Am MV wiedergefunden. Die Mehrzahl der Nach- 14.09.1989 wurde ein dänischer Ringvogel weise fremder Ringvögel betrifft Brutvögel, bei Garlin im nördlichen Brandenburg sowie die z. T. mehrfach kontrolliert wurden. Ihre am 17.08.2009 ein im selben Jahr auf Griend Herkunft verteilt sich wie folgt: Dänemark 81, (Niederlande) nfl. beringter Vogel bei Cottbus Schweden 34, Estland 12, Polen 8, Großbri- gefunden. Schwer einzuordnen ist der Fund tannien 3, deutsche Nordsee/Helgoland-Rin- eines am 13.06.1963 auf der Heuwiese nfl. ge 3, Ukraine 1. beringten Vogels am 16.05.1967 bei Zab-szék, Das An- und Umsiedlungsverhalten von Bács-Kiskun im zentralen Ungarn. Dieser Vo- Brandseeschwalben ist durch teilweise lang- gel im brutfähigen Alter befand sich zur Brut- fristige Geburtsorts- bzw. Brutortstreue, zeit weit im Binnenland fernab potenzieller gleichzeitig aber auch durch eine hohe Fle- Brutplätze. xibilität geprägt. Zwischen den Brutplätzen des Ostseeraumes bestehen intensive Austauschbeziehun- Ansiedlung nestjung beringter Vögel gen, ebenso mit dem Nord- !( Wiederfundorte seeraum (s. auch Bairlein et al. )" Beringungsorte 2014). In MV nestjung beringte Brandseeschwalben wurden als Brutvögel bzw. wahrscheinli- che Brutvögel (Vögel im ge- schlechtsreifen Alter in Brutko- Estonia )")" lonien) in Dänemark und Polen )" )" )")" sowie an der schleswig-holstei- )"!( )" )" )")")" )" Sweden nischen und niederländischen )"!( )" )"!( !( )")")")" Denmark )" )" Nordseeküste nachgewiesen )")")")" )")"!( )"!(!( (insgesamt 157 Datensätze; )"!( )"!(!( !( !( United Kingdom )"!()"!()" )"!( )" )"!()"!( !( einschließlich Ansiedlungen in anderen Kolonien in MV). Netherlands Poland Germany Zuwanderung nestjung bering- ter Brandseeschwalben nach Ukraine MV (n=111) ist aus Dänemark, Polen, Schweden und Estland sowie aus dem schleswig-hol- )" steinischen Wattenmeer und Großbritannien belegt. Selbst 0 125 250 500 Kilometer mit der Brutpopulation des Schwarzen Meeres bestehen Abb 6: Brutansiedlungen von nestjung beringten Brandseeschwalben Austauschbeziehungen: Ein am Sterna sandvicensis. Dargestellt sind Brutansiedlungen von Vögeln, die in 26.06.1976 auf den Orlow-In- Mecklenburg-Vorpommern beringt und später innerhalb oder außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern als Brutvögel kontrolliert wurden (ohne seln (Ukraine) nestjung bering- Brutortsansiedlungen), sowie von Vögeln, die außerhalb von Mecklenburg- ter Vogel wurde am 10.05.1986 Vorpommern erbrütet wurden und sich später in Mecklenburg-Vorpommern auf der Heuwiese als Brutvogel angesiedelt haben. kontrolliert (Abb. 6). Dass die- Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 49 ser Nachweis keine Ausnahme darstellt, wird auch durch dä- Umsiedlung von adulten Brutvögeln !( nische Ringfunde belegt (Møl- Wiederfundorte )" Beringungsorte ler 1981). Der Austausch zwi- schen den Brutgebieten erfolgt Norway offensichtlich durch Vögel, die am Trennungspunkt der at- lantischen und mediterranen !( )"!( Zugrouten an der Straße von Sweden )" Gibraltar den jeweils anderen )" Zugweg einschlagen. Denmark Das Umsiedlungsverhalten von !( )" Brandseeschwalben, die als Denmark Brutvögel beringt wurden, zeigt )"!( )"!( )" ein ähnliches Bild, auch wenn )"Den!(mark !( )"!( das Datenmaterial weniger um- !( )"!( !()" )" "!( fangreich ist (n=69): Vögel aus !() MV wurden in späteren Jahren !( in Dänemark, Schweden und Poland den Niederlanden nachgewie- Germany sen, Umsiedler nach MV stam- Netherlands men aus Dänemark, Schweden 0 50 100 200 und Polen (Abb. 7). Kilometer Brandseeschwalben könnenBe lgium ein hohes Alter erreichen. Abb 7: Umsiedlungen von Brandseeschwalben Sterna sandvicensis, die als Brutvögel beringt wurden. Dargestellt sind Umsiedlungen von Vögeln, Die bislang ältesten in Euro- die in Mecklenburg-Vorpommern beringt und später in anderen Koloni- pa nachgewiesenen Ringvögel en innerhalb oder außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern als Brutvögel waren 30 Jahre und 9 Monate kontrolliert wurden, sowie von Vögeln, die außerhalb von Mecklenburg- bzw. 27 Jahre und 0 Monate alt Vorpommern als Brutvögel beringt wurden und sich später in Mecklen- (in beiden Fällen Lebendkon- burg-Vorpommern angesiedelt haben. trollen; Fransson et al. 2010). Der älteste Wiederfund im Hiddensee-Ring- Gefährdung – Management fundmaterial betrifft einen Vogel, welcher am Menschliche Störungen in den Brutgebieten 27.05.1987 nfl. auf der Heuwiese beringt und spielen heutzutage eine untergeordnete Rolle, nach 26 Jahren am 23.05.2013 in Frankreich da sich die potenziellen Brutplätze in Schutz- tot gefunden wurde. Allerdings war der Vogel gebieten (in NSG bzw. im NLP VB) befinden, zum Fundzeitpunkt schon länger tot, sodass die nicht allgemein zugänglich sind. der tatsächliche Todeszeitpunkt nicht sicher Um die Eignung von Bruthabitaten für die bestimmbar ist. Zwei weitere Vögel wurden Brandseeschwalbe zu erhalten, ist auf eini- nach 24 Jahren lebend kontrolliert: gen Inseln eine Beweidung erforderlich (z. B. Hiddensee 006005176 Barther Oie und Kirr, Beuchel). Beringt: nfl. am 06.06.1966, Insel Langenwer- Gefährdungen bestehen gegenwärtig durch der, DDR, 54.02 N, 11.30 E, den hohen Raubsäugerbesatz, welcher ohne WF: kontrolliert als BV am 13.05.1990, Insel entsprechende Gegenmaßnahmen zur Aufga- Heuwiese, DDR, 54.26 N, 13.08 E. be der Lachmöwen- und Brandseeschwalben- Hiddensee 006052020 kolonien führt. Insbesondere auf den Inseln Beringt: nfl. am 03.06.1983, Insel Heuwiese, Kirr und Barther Oie, ebenso auf der Insel MV, DDR, 54.26 N, 13.08 E, Langenwerder, herrscht ein hoher Raubsäu- WF: kontrolliert am 17.04.2007, Zeebrugge, gerdruck, dem durch entsprechende jagdliche Belgien, 51.20 N, 03.11 E. Maßnahmen und Schutzzäune begegnet wer- den muss. Auch die in der Vergangenheit über längere Zeiträume besiedelten Inseln Heuwie- 50 Brandseeschwalbe se, Liebitz und Pagenwerder müssen raubsäu- Herrmann, C., Nehls, H.W., Gregersen, J., gerfrei gehalten werden, um die Möglichkeit Knief, W., Larsson, R., Elts, J., Wieloch, zukünftiger Ansiedlungen zu erhalten. M. (2008): Distribution and Population Trends of the Sandwich Tern (Sterna sand- Literatur vicensis Lath., 1787) in the Area. Bairlein, F., Dierschke, J., Dierschke, V., Vogelwelt 129: 35-46. Salewski, V., Geiter, O., Hüppop, K., Köp- Herrmann, C., Gregersen, J., Larsson, R., Lars- pen, U., Fiedler, W. 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Partnerfütterung bei der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis auf der Insel Kirr. 20.05.2009. Foto: J. Reich