Schiller-Handbuch
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Schiller-Handbuch Leben – Werk – Wirkung Bearbeitet von Matthias Luserke-Jaqui 1. Auflage 2011. Buch. X, 651 S. Softcover ISBN 978 3 476 02406 0 Format (B x L): 17 x 24,4 cm Gewicht: 1126 g Weitere Fachgebiete > Literatur, Sprache > Deutsche Literatur Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 1 Dramen Die Räuber. Ein Schauspiel (1781) professionellen Verleger zu verkaufen. Das sollte jedoch komplizierter sein als erwartet. Friedrich Entstehung und Druck Schwan in Mannheim zeigte zwar Interesse an dem Schauspiel, von dem ihm Schiller die ersten Die Entstehungsgeschichte der Räuber bis zur sieben Textbogen zugeschickt hatte, aber ver- Veröffentlichung lässt sich nicht lückenlos rekon- legen wollte er es in der ihm vorliegenden Form struieren; sie ist außerdem kompliziert, weil sie nicht. Doch empfahl er es nachdrücklich dem in zwei unterschiedliche Fassungen mündet: in Intendanten des Mannheimer Hoftheaters, Wolf- ein Lesedrama mit dem Untertitel Schauspiel und gang Heribert von Dalberg. Aller Bedenken un- in eine Bühnenfassung mit dem Untertitel Trau- geachtet, die Schwan gegen einige stilistische erspiel. Offensichtlich hat sich Schiller mit dem Provokationen und ›unschickliche‹ Szenen der Stoff seines Dramas schon seit 1776 befasst; die Räuber anmeldete, hatte er die dramatische Verve wesentlichen Schaffensphasen fallen jedoch in und den genialen Schwung dieses Werks erspürt seine beiden letzten Akademiejahre, 1779 und und sich für seine Verwendung auf der Bühne 1780. Das Lesedrama Die Räuber. Ein Schauspiel engagiert. ist 1781 erschienen; einen Autor nennt das Titel- Bei Dalberg stießen Die Räuber auf eine er- blatt nicht, die Vorrede endet mit dem Vermerk freuliche Resonanz. Schiller durfte sich – eine »Geschrieben in der Ostermesse 1781. Der schmeichelhafte Überraschung für den jungen Herausgeber« (FA 2, S. 165). Der Autor blieb Autor – als Theaterdichter einer angesehenen anonym und zur Anonymität sah sich der Regi- Bühne betrachten. Der Preis, den er dafür zu mentsmedikus Schiller aufgrund der unfreien zahlen hatte, war allerdings hoch. Im Hinblick Zustände im Herzogtum Württemberg gezwun- auf eine Aufführung verlangte der Intendant gen (vgl. NA 3, S. 291). Schiller hatte zwar im zahlreiche ›bühnengerechte‹ Änderungen, offen- Dezember 1780 nach seinen Abschlussprüfungen sichtlich aber auch solche, die seinem persönli- die Akademie verlassen, aber der Hof verfolgte chen konventionellen Geschmack entsprachen. mit Argusaugen das Tun und Treiben auch der Im August und September 1781 unterzog sich Akademie-Absolventen und künftigen Staatsdie- Schiller der erforderlichen Aufgabe, die schwer ner. Der fingierte Verlagsort »Frankfurt und auf seinem künstlerischen Gewissen lastete. Leipzig« entsprach der Camouflage Schillers; Seine Briefe an Dalberg spiegeln den Zwiespalt sein im Selbstverlag vorgelegtes Drama erschien eines Autors wider, der einige wesentliche Ände- zweifellos in Stuttgart, ohne dass bis heute eine rungswünsche nur um der öffentlichen Ehre dortige Druckerei für die Räuber mit absoluter willen in Kauf nimmt. Gewiss, Schiller fügte Sicherheit nachgewiesen werden kann. Noch zugunsten einer höheren Bühnenwirksamkeit während des Drucks ersetzte Schiller seine ur- von sich aus eine Reihe von Szenen in sein sprüngliche Vorrede (vgl. FA 2, S. 161–165) Drama ein, etwa die harsche Konfrontation, die durch eine maßvoller formulierte und den schon Herrmann mit Franz wagt oder dessen Gefan- gesetzten zweiten Textbogen (vgl. FA 2, S. 166– gennahme durch die Räuber (vgl. das Trauerspiel, 176) durch eine stilistisch gezügeltere und zügi- IV/8, V/6; vgl. auch Schiller an Dalberg, 6. Okto- gere Version. ber 1781; FA 2, S. 919–922). Aber er musste auch Für die Herstellung seines ersten Buchs musste mit ansehen, wie selbstherrlich der Intendant mit Schiller ein Darlehen aufnehmen; um es zurück- seinem Bühnenmanuskript umsprang, wenn er bezahlen zu können, suchte er sein Drama einem »die Zeit der Handlung aus der Gegenwart in das 2 Die Räuber ausgehende Mittelalter« verlegte und dadurch und der von den Räubern an ihm vollzogenen bloß das »Kostüm«, nicht jedoch den zeitge- Vergeltung – um nur das Wichtigste zu nennen« schichtlichen »Geist« des Dramas veränderte (Fricke/Göpfert 1973, Bd. 1, S. 914). Auf dem (Fricke/Göpfert 1973, Bd. 1, S. 913). Offenbar Titelblatt dieser Bühnenfassung steht zu lesen: wollte Dalberg durch die historische Kostümie- Die Räuber, ein Trauerspiel von Friedrich Schiller. rung den aktuellen politischen Sprengstoff der Neue, für die Mannheimer Bühne verbesserte Auf- Räuber entschärfen. Empfindlich gestört war lage. Mannheim, in der Schwanischen Buchhand- Schiller auch durch den eigenmächtigen Ent- lung 1782. Im Begleitbrief zu dieser neuen für schluss des Intendanten, Amalias Ende nicht Schwan bestimmten Fassung hatte Schiller am durch Karl, sondern durch Selbstmord herbeizu- 2. Februar 1782 den Verleger darum gebeten, sie führen (vgl. Schiller an Dalberg, 12. Dezember »ohne eine Linie zu verändern (selbst die Ord- 1781; FA 2, S. 924–927). – Den Titel, den Schiller nung der Szenen und ihre Anzahl nicht ausge- seiner Bühnenfassung zunächst gegeben hatte: nommen) in den Druk zu geben. Es ist die lezte Der verlorene Sohn, oder die umgeschmolzenen Hand, die ich daran lege, und damit sei es gut« Räuber, nahm er bis zur Uraufführung am 13. (NA 3, S. 323, vgl. auch S. 324). Januar 1782 wieder zurück. Er entschied sich für Parallel zur neuen Fassung des Trauerspiels die bereits im Buchdruck etablierten Räuber, »für die Mannheimer Bühne« hatte Schiller eine doch diesmal mit dem Zusatz Ein Trauerspiel. Überarbeitung des Schauspiels, also seines Lese- Die Uraufführung der Räuber am 13. Januar dramas, in Angriff genommen. Es erschien noch 1782 mit dem jungen Iffland in der Rolle des im Januar 1782 bei Tobias Löffler in Mannheim Franz Moor wurde ein triumphaler Erfolg. Schil- (mit der erneut fingierten Ortsangabe »Frank- ler, der dem Ereignis beiwohnte, erreichte mit furt und Leipzig«), und zwar unter dem Titel Die einem Schlag einen unerwarteten Bekanntheits- Räuber. Ein Schauspiel von fünf Akten, heraus- grad. Der handschriftliche Text, auf dem die gegeben von Friderich Schiller. Zwote verbesserte Aufführung basierte, ist von Herbert Stuben- Auflage. Die Titelvignette ist berühmt geworden; rauch sorgfältig rekonstruiert worden; als das so sie zeigt einen grimmig dreinschauenden, zum genannte Mannheimer Soufflierbuch liegt er ver- Sprung ansetzenden Löwen und darunter die öffentlicht vor. Man könnte annehmen, dass sich Inschrift »in Tirannos«, wodurch die Ausgabe Schiller angesichts des Theatererfolgs mit der unnötig aktualisiert und politisiert wurde. Ihre Bühnenbearbeitung seiner Räuber, dem Souf- Aktualität hatte Schiller nämlich bereits im Per- flierbuch, schließlich ausgesöhnt hat. Er hatte sonenverzeichnis seines Schauspiels durch den sich jedoch seit Mitte Dezember 1781 erneut Zusatz »die Zeit der Geschichte um die Mitte des über sein Trauerspiel gebeugt und erprobt, wie er achtzehenden Jahrhunderts« (NA 3, S. 1) betont die gebotene »Rücksicht auf Dalbergs Umfor- (und so einen Kontrapunkt zu der im »Trauer- mungen« (Stubenrauch/Schulz 1959, S. 25) mit spiel« von Dalberg veranlassten Zeitversetzung seinen eigenen Vorstellungen verbinden konnte. geschaffen). Kurz nach Erscheinen der »verbes- Das Ergebnis war ein Kompromiss, der manche serten Auflage« wurde in einer Buchanzeige, die »ursprüngliche Szenengestaltungen« wiederher- am 28. Februar 1782 im dritten Stück von Bal- stellte, Dalbergs »Einteilung des Stückes in 7 thasar Haugs Zustand der Wissenschaften und Handlungen« (Stubenrauch/Schulz 1959, S. 25) Künste in Schwaben erschien, die Titelvignette als durch die ältere Gliederung in fünf Aufzüge »ein höchst elendes Kupfer« kritisiert und die ersetzte und eine Reihe stilistischer Änderungen Ausgabe insgesamt als eine »heillose Edition« vorwies. Doch blieb es bei der von Dalberg angeschwärzt (NA 3, S. 341). Der Verdacht, dass geforderten Handlungsverlagerung ins ausge- dieses Urteil mit Willen und Wissen Schillers hende Mittelalter, »der Streichung des Pastors publiziert wurde, ist nicht unbegründet (vgl. Moser, der Verwandlung des Paters in ›eine Ma- NA 3, S. 341f.). Neben der Titelvignette mochte gistratsperson‹, der Eliminierung aller einge- Schiller durch eine Reihe von Druckfehlern aus schobenen Lieder, der Gefangennahme Franzens der Erstauflage irritiert sein, die er selbst über- Literarische Einflüsse 3 sehen hatte. Denkbar ist auch, dass er mit dieser dere seine Vertiefung der Charaktere und seine Ausgabe seines Lesedramas der Bühnenfassung Verschiebungen des Handlungsgefälles. Belässt es keine Konkurrenz machen wollte, die zeitgleich Schubart bei der Bekundung der brüderlichen bei Schwan, dem von ihm verehrten Verleger, Ungleichheit, so begründet Schiller diese und erschienen war, und die er offensichtlich »als die motiviert die Handlungen der Protagonisten künstlerisch reifere, dramatisch wuchtigere psychologisch. Dadurch verleiht er dem zent- Stufe« (NA 3, S. 342) seiner Räuber ansah. Jeden- ralen Thema Schubarts einen Tiefgang, den die- falls hat Schiller diese »Zwote verbesserte Auf- ser selbst nicht erreicht.