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Materialien für Lehrerinnen und Lehrer 5

Humanität ist der Charakter unsres Geschlechts

Johann Gottfried Herder in ca. 9km ­€‚‚ƒ„

Hauptbahnhof

Fuldaer Straße

Ernst-Thälmann-Straße

Carl-August-Allee

Friedrich-Ebert-Straße

Am Kirschberg Weimar- platz

Friedensstraße

Schloss und ca. 3km Herders Ruh Goethe- und Schiller-Archiv Park Tiefurt S. 20 S. 9 Jakobstraße ca. 10km Roll- platz Wielandgut Schwanseestraße Tiefurter Allee Oßmannstedt

Karl-Liebknecht-Straße

Graben

Coudraystraße Pfarrhaus und Gymnasium Jenaer Straße S. 14

Goetheplatz Stadtkirche St. Peter und Paul, Herder- genannt Herderkirche platz S. 14, 16  Erfurter Straße

Leibnizallee Wittumspalais Stadtschloss Weimar mit Schlossmuseum S. 10, 22 Markt

Schillers Wohnhaus Schillerstraße

Herzogin Anna Am Horn Amalia Bibliothek S. 8, 15 Steubenstraße

Ackerwand Goethe-Nationalmuseum Wieland- platz (Ausstellung und Wohnhaus) S. 21

Borken­ Goethes Gartenhaus Trierer Straße Marienstraße Shakespeare- häuschen Humboldtstraße

Amalienstraße Denkmal Park an der Ilm

Am Poseckschen Garten

Rudolf-Breitscheid-Straße Historischer Friedhof

Fürstengruft Belvederer Allee

Humboldtstraße

Römisches Haus N Berkaer Straße

100 m Humanität ist der Charakter unsres Geschlechts in Weimar

2 Einleitung

7 »Licht, Liebe, Leben« Ein Motto prägt Leben und Erinnerung 8 Licht und Dunkel Herderbüste im Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 9 Die unsterbliche Seele in Stein Gedenkstein für Johann Gottfried Herder im Schlosspark Tiefurt 10 Nachleben in Bildern Herderzimmer im Schlossmuseum Weimar

13 »Lehrer der Menschheit« Die Bildung zur Humanität 14 Reformbemühungen im Dienste der »menschlichen Philosophie« Ensemble Pfarrhaus – Herderkirche – Gymnasium am Herderplatz Weimar 15 Für Frieden und Demokratie Briefe zu Beförderung der Humanität in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 16 Auf den Spuren Luthers Kanzel der Stadtkirche St. Peter und Paul, genannt Herderkirche

19 »Die Natur des Menschen ist Kunst« Der Mensch als Kulturwesen 20 »Krone der Schöpfung« Brief Goethes an Herder im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar 21 Geniestreiche Shakespeare-Büste in der Ausstellung Lebensfluten – Tatensturm im Goethe-Nationalmuseum 22 Erkennen und Empfinden Laokoon-Gruppe im Schlossmuseum Weimar

24 Literaturverzeichnis Einleitung

Johann Gottfried Herder war auf vielen Gebieten bewandert: Dass Herder überhaupt nach Weimar kam, hatte er Goethe In seinen Schriften befasste er sich mit Theologie, Sprach- zu verdanken. Da die politische Bedeutung der kleinen Resi- und Geschichtsphilosophie, Literatur- und Kunsttheorie denzstadt eher begrenzt war, bemühten sich die Herzogin- sowie Pädagogik. Teilweise begründete er diese Wissen- mutter Anna Amalia und ihr Sohn Carl August verstärkt schaften auch erst – besonders für die moderne Sprach- und darum, Weimar als Kulturhauptstadt zu etablieren. Die Dich- Kulturwissenschaft waren seine Werke wegweisend. Und ter Wieland und Goethe hatten sie zu dieser Zeit bereits in nicht zuletzt die politische Dimension seiner Schriften ist die Stadt geholt. Die Idee, Herder auf den seit fünf Jahren bemerkenswert: Er setzte sich vehement für Frieden und unbesetzten Posten des Generalsuperintendenten, die höch­ Demokratie ein. Dennoch steht der ausgebildete Theologe ste Kirchenstelle im Herzogtum, zu berufen, stammte von zumeist im Schatten der anderen »Weimarer Klassiker«. Wieland. Goethe wiederum, der Herder 1770 in Straßburg Er hat längst nicht die Berühmtheit Johann Wolfgang von kennengelernt hatte, gelang es, diese Idee bei Herzog Carl Goethes, Friedrich von Schillers oder auch Christoph Martin August durchzusetzen. Mit seiner Frau Karoline und den Wielands erlangt, auch wenn er sehr einflussreich war. beiden Söhnen Gottfried und August kam Herder schließ- Goethe hätte ohne ihn vielleicht gar nicht Die Leiden des jun- lich 1776 nach Weimar. Die Familie bezog das Pfarrhaus hin- gen Werthers geschrieben. Auch dessen Gedicht Heideröslein ter der Stadtkirche, und in den folgenden Jahren wurden erhielt erst durch Herder größere Bekanntheit, weil er es in weitere Kinder geboren: die Söhne Wilhelm, Adelbert, Emil, seine im 19. Jahrhundert ungemein populäre Volksliedsamm- Alfred und Rinaldo sowie die einzige Tochter Luise. Das Ver- lung aufnahm. Besonders Herders Idee der Humanität hat hältnis zu Goethe kühlte zunächst ab, da dieser vom Herzog bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt. Damit wirkte er und vom Hof mehr Aufmerksamkeit und Würden als Her- weit über Weimar – die Stadt, in der er fast 30 Jahre lebte der erhielt. Auch mit dem Lebenswandel der beiden jungen und die ihm nicht selten zu eng wurde – hinaus. Männer – Goethe war 27, Herzog Carl August 18 Jahre alt, als Herder nach Weimar kam – war der Theologe nicht einver- standen: Sie ergingen sich in ausschweifenden, wilden Ver- gnügungen und besuchten für Herders Geschmack viel zu selten die Kirche. Herder war nicht nur als Weimarer Hofprediger berufen worden, der für das Seelenheil des Herzogs sorgen sollte, sondern auch als Oberkonsistorial- und Kirchenrat, als Generalsuperintendent, Schulephorus und Pastor primarius. Damit stand er den Kirchen in Weimar und im Umland sowie den Schulen des Herzogtums vor. So hatte er unzäh- lige Aufgaben zu erfüllen: predigen, Begräbnisse und Tau- fen durchführen, an Sitzungen des Konsistoriums und des Kirchenrates teilnehmen, Kirchenrechnungen prüfen, das Gymnasium inspizieren und Pastoren- und Lehrerprüfun- gen abnehmen. Dies alles wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung seiner Frau Karoline Herder. Sie über- nahm Korrespondenzen und korrigierte seine Schriften, die er neben seinen beruflichen Tätigkeiten verfasste. Sie war auch diejenige, die sich um die immer knappen Finanzen in der schnell wachsenden Familie kümmerte. Mit ihrer Hart- näckigkeit, Geld einzutreiben, verstimmte sie sogar Goethe. Nach dem Tod ihres Mannes arbeitete sie unermüdlich daran, dass seine Werke nicht in Vergessenheit gerieten: Sie sorgte für die erste Gesamtausgabe seiner Schriften. Caroline Bardua: Porträt Johann Gottfried Herders, 1810

2 Einleitung Hans (?) Küchling: Herderplatz, 1857

In der Weimarer Anstellung hatte Herder die Möglichkeit In Herders Schaffen war Luther stets Vorbild und Iden­ gesehen, der Enge seiner vorhergehenden Stelle in Bücke­ tifikationsfigur. Luther hatte den Ablasshandel der katho­ burg (im heutigen Niedersachsen) zu entfliehen. Er glaubte, lischen Kirche, der ein Freikaufen von Sünden versprach, in einer Stadt, die traditionell sehr eng mit Martin Luther scharf kritisiert. Er entnahm der Bibel, dass die Gnade Got- und der Reformation verbunden war, »noch viel altes tes nicht erworben werden könne, sondern dessen Geschenk Luthertum […] wenigstens in Ruinen« (Brief an Hamann, sei. Durch diese fundamentale Kritik an der katholischen 20. Juli 1776) zu finden, denn an der Kirche seiner Zeit Theologie brachte Luther die Reformation ins Rollen. Sie hatte Herder einiges auszusetzen. Doch die mit dem stellte für Herder einen großen historischen Einschnitt und Umzug nach Weimar gehegten Hoffnungen zerschlugen einen Sieg der Vernunft dar. Aus dieser kirchlichen Erneue- sich schnell: Zu klein und provinziell sei die Stadt, klagte rungsbewegung entstand schließlich die protestantische er, und in keiner Weise die reformatorische Bastion, die er Glaubensrichtung, deren grundlegendes Prinzip die Liebe sich erträumt hätte. Auch war er von Herzog Carl August ist: »[D]er ist ein Christ, der Gott glaubt, ihn erkennt und vor enttäuscht, da dieser seine Reformbemühungen nicht in allen Dingen lieb hat. […] So ist bei dem ewigen Gott zu suchen dem Maße unterstützte, wie er es für nötig hielt. Ein erneu- der Glaube, das ewige Leben, die Gnade und Barmherzigkeit ter Umzug kam jedoch nicht zustande. Im Dezember 1803 und alles Gute«, sagte Luther 1522 in einer Predigt in Weimar. starb Herder in Weimar und wurde als letzter Pastor in der Genau diesen schlichten, Menschen und Gott lieben- Stadtkirche St. Peter und Paul beigesetzt. Sie wird seitdem den Glauben Luthers suchte Herder in Weimar, hatten häufig als »Herderkirche« bezeichnet. doch die Vorfahren des Weimarer Herzogs Luther tatkräf- tig unterstützt und die Verbreitung des Luthertums maß- geblich befördert. Stattdessen fand er jedoch starre, über- Im Geiste Luthers holte Riten vor. Dies brachte ihn zu der Überzeugung, dass Auch wenn Herder über die vielen Pflichten seines Amtes seine Zeit einen neuen Luther nötig habe, einen Luther der klagte, war er doch einer der vielseitigsten, innovativsten Aufklärung – also ihn. und produktivsten Denker und Schriftsteller um 1800. Er Er setzte deshalb alles daran, Schule und Kirche zu setzte sich zugleich für eine allgemeine Bildung ein und reformieren. Seine Reformpläne hatte er schon in jungen begegnete allen Kulturen neugierig und aufgeschlossen. Jahren entwickelt. Nach seinem Theologie- und Philoso- Er sammelte Volkslieder, übersetzte aus dem Hebräischen, phiestudium in Königsberg (heute Kaliningrad) war er Englischen und Spanischen, setzte Reformen im Schul- nach Riga gegangen, um zunächst als Lehrer und später und Kirchenwesen durch, stand in Kontakt mit den Geis- als Prediger zu arbeiten. Im dortigen Hafen bestieg er im tesgrößen seiner Zeit und hielt wortgewaltige Predigten. Juni 1769 ein Segelschiff Richtung Frankreich. Entlang der

Einleitung 3 der Seele – kurz: um den »ganzen Menschen«. Herder war weder ein unkritischer Vertreter reiner Vernunftorientie- rung noch ein irrationaler Schwärmer. Vielmehr zeigte er das revolutionäre Potenzial von Reformation und Auf- klärung auf.

Im Dienste der Humanität Herder ging es immer um den Menschen. Ob in seinen Predigten, seinen philosophisch-historischen Schriften oder als Schulinspektor – er untersuchte den Menschen und die Menschheit, die menschliche Kultur, Geschichte und Sprache sowie die Menschlichkeit. Er verstand den Menschen als Kultur- und Gemeinschaftswesen und wollte seine Humanität durch Bildung befördern. Seine Werke bieten keine geschlossenen Systeme, son- dern Neuinterpretationen und Denkanstöße. Er wollte Anre- gungen geben, wie die Anlagen zu Vernunft und Güte aus- zubilden seien. Zu Vernunft und Güte zu gelangen, hielt er durchaus für möglich, da dem Menschen die Perfektibilität gegeben sei, das heißt die Fähigkeit, sich zu vervollkomm- Lucas Cranach d. J.: Porträt Martin Luthers, 1546 nen, oder modern gesprochen: das Potenzial zur Entwick- lung. Denn um wirklich Mensch zu sein, bedürfe es einer »zweiten Genesis« (Ideen zur Philosophie der Geschichte der Küsten Dänemarks, Hollands und Englands reiste er nach Menschheit, 9. Buch) durch die Bildung. Durch sie könne Nantes und dann auf dem Landweg weiter nach Paris. die Humanität erreicht werden. Er bezeichnet sie als »Kunst Diese Reise wurde ihm zum persönlichen Bildungserlebnis unsres Geschlechts« (Briefe zu Beförderung der Humanität, und Erkenntnismoment. Davon zeugt das Journal meiner 27. Brief), da nur der Mensch durch Vernunft und Sprache Reise im Jahre 1769 (erst 1846 veröffentlicht), das Reise- und ausgezeichnet sei. Den Unterschied zwischen Mensch und Lektüreeindrücke festhält, politische und pädagogische Tier arbeitet Herder in seiner Abhandlung Über den Ursprung Pläne versammelt und ein Programm seiner zukünftigen der Sprache (1772) heraus: Tiere würden mit starken, Men- Schriften entwirft. Er verbindet dabei Ideen des Protestan- schen mit schwachen Instinkten geboren. Dadurch seien tismus und der Aufklärung miteinander, denn er war den Tieren ihre Verhaltensweisen quasi in die Wiege gelegt, immer Theologe und Philosoph zugleich. Anstoß hierzu zugleich wären sie damit aber in ihren Handlungen einge- hatte auch das Studium bei dem Philosophen Immanuel schränkt. Der Mensch dagegen sei kaum mit Instinkten aus- Kant in Königsberg gegeben. Bei ihm hatte Herder Vorle- gestattet. Das mache ihn frei. Um sich in dieser Freiheit sungen über Astronomie, Logik, Metaphysik, Moralphilo­ behaupten zu können, habe die Menschheit die Sprache sophie, Mathematik und physische Geografie gehört. Kant entwickelt. Den großen Wirkungsbereich, der ihm zur Ver- war es, der später den zentralen Appell der deutschen Auf- fügung stehe, und seine körperliche Schwäche könne der klärung formulierte: »Sapere aude – Habe Mut, dich deines Mensch durch den Gebrauch von Sprache ausgleichen, denn eigenen Verstandes zu bedienen« (Beantwortung der Frage: durch Sprache könnten sich Menschen miteinander verstän- Was ist Aufklärung?, 1784). Der Vernunft kam in allen auf- digen und kooperieren – so bestärke sie auch die Gemein- klärerischen wissenschaftlichen und gesellschaftspoliti- schaft. Laut Herder können primär durch die Sprache Er- schen Bemühungen die tragende Rolle zu. Im Gegensatz zu kenntnisse von Generation zu Generation weitergegeben einer scheinbar nur auf Vernunft beschränkten Aufklärung werden, sodass jeder Mensch gleichermaßen Lernender und ging es Herder aber auch um Aspekte der Sinnlichkeit und Lehrender ist.

4 Einleitung Abdruck des Petschafts Johann Gottfried Herders, Ende 18. Jahrhundert Johann Gottfried Herder: Buchstaben- und Lesebuch, Weimar 1787

Die Perfektibilität ist für Herder aber keine Garantie für eine in der Entwicklung der Menschheit ihre spezifische Position positive Entwicklung – die Korruptibilität, die Möglichkeit habe. Es gibt für ihn kein überzeitliches »Gut« oder des Rückfalls, kann ebenfalls die Oberhand gewinnen: »Schlecht«, keine Nation oder Ethnie ist besser als eine »Lebenslang will das Tier über den Menschen herrschen und andere. Er verurteilt deshalb jegliche Unterdrückung. die meisten lassen es nach Gefallen über sich regieren« Herder war ein visionärer Denker, weil er konsequent (Ideen, 6. Buch). Die Bildung der Menschheit sei ein Projekt, die Humanität – die Menschheit und Menschlichkeit glei- das immer wieder in Angriff genommen werden müsse, chermaßen – ins Zentrum seines Schaffens stellte. Seine denn ebendiese mache den Menschen aus. In seinen Ideen Gedanken finden sich über 150 Jahre später in der Men- zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784–1791) schenrechtserklärung der Vereinten Nationen (1948) wieder: untersucht er darum die kulturellen Errungenschaften ver- »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten schiedener Völker, also ihre Humanität, ihr »Mensch-Sein«. geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sol- Es entsteht eine universelle Kulturgeschichte, man könnte len einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen«, lautet auch sagen: eine Geschichte der menschlichen Bildung. Her- der erste Artikel, »[d]a die Anerkennung der angeborenen der gibt dabei keiner Kultur den Vorzug, obwohl es zu seiner Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Zeit nicht selbstverständlich war, von der Gleichwertigkeit Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage und Gleichberechtigung verschiedener Ethnien und Epo- von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet« chen auszugehen. Er plädiert jedoch dafür, dass jede Kultur (Präambel).

Einleitung 5

»Licht, Liebe, Leben« Ein Motto prägt Leben und Erinnerung

»Licht, Liebe, Leben« war Herders Leitspruch. Er hatte einen Die Gedanken, die Herder in seinem Lebensmotto zusam- Stempel, der dieses Motto trug, und versiegelte einen Groß- menfasst, spielen auch in der Erinnerung an ihn eine wich- teil seiner Briefe damit. Doch was verbirgt sich hinter diesen tige Rolle. Bereits zu seinen Lebzeiten begannen Zeitgenos- Schlagworten, wieso waren sie für Herder so wichtig? Die sen, ihm Denkmale zu setzen, um seine Ideen lebendig zu Antworten hierauf sind vielschichtig, sein Leitspruch lässt halten. Nach seinem Tod wurde die öffentliche Erinnerung mehrere Deutungen zu. weiter gepflegt und bediente sich meist seines eigenen Alle drei Begriffe spielen im Johannesevangelium, Wahlspruchs. Auch auf Herders Grabplatte in der Weimarer Herders Lieblingsevangelium, eine wichtige Rolle. Jesus Stadtkirche findet er sich, angeordnet um die Buchstaben bezeichnet sich dort als »Licht der Welt« (Johannes 8, 12). Alpha und Omega. Der erste und der letzte Buchstabe des Aus Liebe zu den Menschen schenkt er ihnen das ewige griechischen Alphabets stehen für Gott: »Ich bin das A und Leben. Auch Herders Wirken, im Beruflichen wie Priva- das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ziel«, sagt ten, war von Menschenliebe getragen. Er war davon über- Jesus (Johannes 22,13). Der Text wird von einer Schlange zeugt, dass alle Menschen das Potenzial zum Guten in sich umschlossen, die sich selbst in den Schwanz beißt. Auch sie tragen. Zeit seines Lebens sah er es als seine Aufgabe an, verweist damit auf den ewigen Kreislauf, der kein Anfang die Menschheit zur Humanität zu erziehen, zu der sie und kein Ende hat. bestimmt sei. »Licht« weist damit auch auf die »Beson- In einem der sogenannten Dichterzimmer im Weimarer nenheit« hin, die Herder allen Menschen zuschreibt – die Stadtschloss, das Herder gewidmet ist und im 19. Jahrhun- Fähigkeit zur Reflexion. Auch die Aufklärung bediente dert eingerichtet wurde, zeigen die Türen ebenfalls das sich oft dieser Metapher: Der Verstand bringe Licht in das Ewigkeitssymbol der Schlange, während das Motto Herders Dunkel der Welt. an der Decke zu lesen ist. In der Erinnerungskultur fasst Ein großer Lichtbringer im übertragenen Sinn war für Herders selbst gewähltes Lebensmotto bis heute seine wich- Herder der Reformator Luther, der die Allmacht der katholi- tigsten Ideen für die Nachwelt zusammen. schen Kirche gebrochen und damit das Mittelalter überwun- den hatte. In der Reformation sah Herder eine Vorläuferin der Aufklärung. Beide wollten eine »reine, freie Religion der Gewissenhaftigkeit des Verstandes und Herzens« (Adrastea, 1802) – die Humanität. Wie Luther war es Herder ein großes Anliegen, die Menschen durch die Religion nicht auf ein Leben nach dem Tod zu vertrösten, sondern sie durch den Glauben zu befähigen, sich in der gegenwärtigen Welt best- möglich zu bilden und weiterzuentwickeln. »Leben« bedeu- tet für Herder deshalb vor allem das menschliche Leben von der Geburt bis zum Tod. Doch weist der Begriff auch auf ein Leben nach dem Tod hin, das durch Gott möglich sei. Gerade in den Werken der Bildhauerei steckte für Herder auch »Leben«. Bei ihrer Betrachtung war »Licht« für ihn eine durchaus wichtige Komponente. Durch Licht sei es möglich, eine Statue mit dem Auge, durch eine Art »geistigen Finger« zu erfassen. Doch sei sie eigentlich »für einen andern umfas- senden Sinn gearbeitet«: Erst das Berühren bringe Qualitäten­ zum Vorschein, die das Auge kaum erfassen könne: »Einen Sinn haben wir, der Theile außer sich nebeneinander, einen andern, der nacheinander, einen dritten, der sie ineinander erfasst: Gesicht, Gehör und Gefühl« (Plastik, 1778). Licht von außen benötige die Statue also nicht – ertaste man sie, gebe ∂∂ Denkmal für Johann Gottfried Herder, entworfen vom Münchner sie sich durch ihre Plastizität quasi selbst Licht. Bildhauer Ludwig Schaller, eingeweiht 1850

Souvenirs im Gepäck 7 Herderbüste | Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Rokokosaal Mamorbüste von Alexander Trippel, 1790

Licht und Dunkel

den Sinn des Auges, des Anschauens und Erkennens, der als besonders klar und vernünftig galt. Der Tastsinn dage- gen schien dunkel und diffus. Für Her- der machte aber gerade die mangelnde Distanz zum Objekt, die das Berühren voraussetzt, die Stärke dieses Sinnes aus: Die Statue brauche kein Licht, »sie ertastet sich Alles Glieder- und Formen- weise im Dunkel« (Plastik, 1778). Die mit den Händen empfangenen Ein­ drücke sind besonders deutlich und unmittelbar. Herder ging davon aus, dass die Sinne neben dem Verstand einen eigenständigen und unverzichtbaren Zugang zur Welt erschließen. Er ver- band scheinbare Gegensätze wie Kör- per und Seele, Erkennen und Empfin- den, Aufklärung und Religion und rückte damit den »ganzen Menschen« in den Mittelpunkt. Damit sah er sich in der Tradition der Reformation, »die- ser Lehre, dieses Lichts, dieses heilbrin- genden Werks für Menschheit und Christentum« (Antrittspredigt in Wei- Herders Büste, die in der Weimarer kung von Büsten. Schon lange hatte mar, 20. Oktober 1776). Auch Luther Bibliothek ihren Platz gefunden hat, er sich mit ihnen theoretisch ausein- hatte den Menschen wieder in den entstand während seiner Reise durch andergesetzt, noch bevor er in Italien Mittelpunkt gerückt, indem er den Italien. Am 27. Februar 1789 schrieb er endlich eine Vielzahl originaler anti- Bibeltext für alle zugänglich machte seiner Frau Karoline aus Rom: »Über- ker Büsten und Statuen zu sehen und und es dem Einzelnen überließ, ihn morgen fängt Trippel meine Büste an, zu greifen bekam. In klassischen Sta- für sich zu interpretieren. Da sich die zu G. seiner ein Pendant werden soll, tuen sah Herder die menschliche durch diesen individuellen Zugang zu auf des Herzogs Bestellung«. Herder Größe der antiken Griechen verewigt. Religion die Humanität stärker ausbil- fühlte sich aber keineswegs geehrt, Aber auch wenn er von der Idealität dete, bereitete die Reformation auch dass Herzog Carl August seine Büste in des alten Griechenlands überzeugt den Boden für die Aufklärung. Auftrag gegeben hatte. Vielmehr fürch- war, hielt er wenig davon, die Antike Herders Büste wurde schon zu sei- tete er den Vergleich mit »G.« – mit zur universellen Norm zu erklären nen Lebzeiten in der Herzoglichen Bib- Goethe. »Oh der leidigen Pendants!«, und damit zum Maßstab für andere liothek aufgestellt, um dem großen fährt er fort, »G. hat sich als einen Epochen zu machen, da jede Zeit ihre Denker an diesem Ort der Gelehrsam- Apollo idealisieren lassen; wie werde eigenen Gesetze habe. keit ein Gesicht zu geben. Dort befindet ich Armer mit meinem kahlen Kopf In seiner Schrift Plastik (1778) setzt sie sich in bester Gesellschaft: Nicht dagegen aussehn! Desto besser, so stehe er sich außerdem mit der menschli- nur die Werke, sondern auch verschie- ich nackt u. arm da«. chen Wahrnehmung und den verschie- dene Gemälde und Büsten anderer Herder beschäftigte sich nicht nur denen Sinnen auseinander. Die Aufklä- Weimarer Verfechter der Humanität aus gegebenem Anlass mit der Wir- rung legte viel Wert auf den Sehsinn, sind dort zu sehen.

8 Ein Motto prägt Leben und Erinnerung Gedenkstein für Johann Gottfried Herder | Schlosspark Tiefurt Friedrich Wilhelm Eugen Döll, 1804

Die unsterbliche Seele in Stein

Im Tiefurter Park steht auf halbem Weg zwischen Schloss und Ilmufer ein grober Felsblock. In ihn ist eine schlichte Tafel mit der Aufschrift »HERDER« und dem Relief eines Schmetterlings eingelassen. Die Her- zoginmutter Anna Amalia wählte die- sen Ort für einen Gedenkstein mit Bedacht: Das Denkmal erinnert an ihren Seelsorger, Reisegefährten und Gesprächspartner, mit dem sie in Tiefurt, einer Sommerresidenz der Familie, viel Zeit verbrachte. Hier tra- fen sich Anna Amalia und ihre Freunde, um sich über Literatur und Kunst auszutauschen und gemeinsam zu musizieren, zu schauspielern und zu schreiben. Am Tiefurter Ilmufer wurde beispielsweise Goethes Schau- spiel Die Fischerin zum ersten Mal aufgeführt. Die Gesellschaft um Anna Amalia brachte sogar eine eigene Zeit- schrift heraus, die handschriftlich ver- vielfältigt und nach dem Lesen weiter- gegeben wurde, das Tiefurter Journal. Herder lieferte für dieses Journal viele Beiträge und war ebenso ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft, er wurde für seine geistreichen Gesprächsbeiträge sehr geschätzt. Auch sein geistiger Bei- stand war Anna Amalia sehr wichtig. seine Werke unsterblich gemacht hat. Der unsterblichen Liebe hatte Herder Vielleicht hat sie deshalb die Form Und eine dritte Deutung liegt ebenfalls selbst ein poetisches Denkmal gesetzt. eines Felsblocks für das Denkmal nahe. Der Schmetterling mag auch auf Eines seiner Gedichte über Amor und gewählt: Herder war ihr ein »Fels in Herders Frau Karoline und damit auf Psyche, »auf einem Grabmal«, endet der Brandung«. die »Liebe« seines Lebens verweisen. mit den Versen: Bemerkenswert ist besonders der Karoline Herder wurde in ihrem Darm- Schmetterling über dem Schriftzug. Er städter Freundeskreis »Psyche« »Sahst du auf jenem Grabeshügel steht für die unsterbliche Seele, die genannt. Dieser Name bedeutet Die Liebenden? nach dem Tod aufersteht, so wie sich »Seele«. In der antiken Mythologie ist Der erste Kuss gab ihnen Flügel, der Schmetterling aus der scheinbar Psyche eine Königstochter, die sich in den Seligen. toten Puppe schält. Dieses damals für den Liebesgott Amor verliebt und nach Und dass ein Bild von ihnen bliebe Grabsteine übliche Motiv symbolisiert etlichen Irrungen und Wirrungen Im ewgen Kuss, das Weiterleben im Jenseits. Zugleich schließlich die Unsterblichkeit erhält, Verewigte hier Seel’ und Liebe steht der Schmetterling aber auch für um ihn heiraten zu können. Sie wird Der Genius« ein ganz weltliches Nachleben, nämlich ebenfalls mit Schmetterlingsflügeln für das des Dichters, der sich durch dargestellt.

Ein Motto prägt Leben und Erinnerung 9 Herderzimmer | Schlossmuseum Weimar Fresken von Gustav Jäger, 1846 – 1848

Nachleben in Bildern

»Ich gehe durch die Welt, was hab’ ich in ihr, wenn ich mich nicht unsterblich mache!«, hatte Herder schon als 25-Jäh- riger notiert (Journal meiner Reise im Jahr 1769). Und dies ist ihm gelungen, nicht nur in seinen Werken. Im West- flügel des Stadtschlosses lebt Herder bis heute weiter: Ein ganzer Raum ist seiner Gedankenwelt gewidmet. Das sogenannte Herderzimmer ist Teil einer Raumfolge, die die Weimarer Herzogin Maria Pawlowna im 19. Jahr- hundert für die großen Weimarer Dich- ter und Denker anlegen ließ. Die Fres- ken an den Wänden stellen Goethes, Schillers, Wielands und Herders Werke in Bildern dar. Für das Herderzimmer wurden geschichts- und kunstphilosophische Kernaussagen aus seinen Büchern he­- rausgelöst und in »Sinnbilder« (in der verschiedene Kulturkreise. Wir sehen Entwicklung in der Religion als Garan- Wandmitte) und »Handlungsbilder« neben der Werkstatt eines klas- tin der Humanität gipfelt. Das Gleich- (rechts und links davon) übersetzt. sisch-griechischen Künstlers. Herder nis vom barmherzigen Samariter auf Die Sinnbilder stellen Personifikatio- verehrte den – wie man damals dachte dem rechten Fresko verbindet diese nen verschiedener, sich wechselseitig – keltischen Dichter sehr, denn seine beiden Gedanken: Während der Pries- ergänzender Ideen dar, die Handlungs- Dichtkunst erschien ihm kräftiger und ter und der Levit, beides Geistliche, bilder beispielhafte Szenen, die diese natürlicher als die zeitgenössische Lite- einem überfallenen Mann nicht zu Ideen verdeutlichen. In ihrer Gesamt- ratur. Auf der Suche nach solcher Aus- Hilfe eilen, erbarmt sich der vermeint- heit stellen die Fresken die Entwick- drucksstärke sammelte und übersetzte lich ungläubige Samariter. Er lebt die lung der Menschheit von der altorien- Herder Volkslieder aus ganz Europa Nächstenliebe, die die Humanität auf talischen Gelehrsamkeit bis zum auf- und regte damit auch die Gebrüder dem mittleren Fresko einfordert. geklärten Protestantismus dar, so wie Grimm an, die Kinder- und Hausmär- »Gekrönt« wird dieses philosophi- Herder sie versteht und beschreibt. chen zu sammeln. Die dritte Wand sche Bildprogramm von Herders Wahl- Sie zeigen dabei die Kunst verschie- zeigt Herders Versuch, die Kraft alter spruch »Licht, Liebe, Leben«: Er ist in denster Epochen und Kulturen, da die Dichtungen wieder zum Leben zu der Mitte der Decke angebracht und Geschichte der Menschheit sich für erwecken. Szenen aus dem Cid, einer bündelt alle Gedanken der Fresken an Herder vor allem in der Geschichte der mittelalterlichen spanischen Romanze, zentraler Stelle. menschlichen Kultur zeigt. die Herder als freie Nachdichtung ver- Über der Tür zum anschließenden öffentlichte, rahmen die Figuren der Conseilsaal begegnen sich Orient und Poesie, die von den Flügeln der Fanta- Okzident in symbolischer Gestalt der sie getragen wird, und der Geschichts- zwei Götter Harpokrates und Minerva, schreibung. deren Kunst und Kultur gleichberech- In der Mitte der Fensterwand sind tigt nebeneinanderstehen. Auch die Herders wichtigste Themen dargestellt: Fresken auf der Wand, an der eine Theologie und Humanität. Herder war Büste Herders angebracht ist, vereinen davon überzeugt, dass die menschliche

10 Ein Motto prägt Leben und Erinnerung Weiterführende Hinweise zu »Ein Motto prägt Leben und Erinnerung«

Themen für den Unterricht • Wittumspalais Im Witwensitz Anna Amalias wird die Geselligkeits- Herders Wahlspruch und seine Rolle in der Erinne- kultur des 18. Jahrhunderts, vor allem im sogenannten rungskultur lassen sich mit verschiedenen Themen­ Tafelrundenzimmer und im Festsaal, vermittelt. Das bereichen verknüpfen: Schreibzimmer zeigt die damalige Beliebtheit von • Geselligkeitskultur im 18. Jahrhundert Schattenrissen, die durch Lavaters Physiognomische Fragmente befördert wurde. • Musealisierung der Weimarer Klassik • Herders Ruh • Erinnerungsstücke und -orte Herders Lieblingsplatz in Weimar befand sich am Süd- • Literaturadaptionen in Bildern hang des Ettersberges, links der Straße von Weimar nach Ettersburg. Eine Steinbank erinnert heute an die • Menschenbilder und Lebensphilosophien / häufigen Aufenthalte des »deutschen Rousseau«, wie Glaubensfragen Herder im 19. Jahrhundert gern genannt wurde.

Weitere Exkursionstipps Literaturhinweise • Wielandgut Oßmannstedt • Das Journal von Tiefurt wurde von Anna Amalia in Der Dichter lebte mit sei- den Jahren 1781–1784 herausgegeben. Da es hand- ner Familie von 1797 bis 1803 in Oßmannstedt und schriftlich vervielfältigt wurde, gab es nur wenige erfüllte sich damit den Traum vom idyllischen Land- Exemplare, die im Kreis der Herzoginmutter zirku- leben. Er, seine Frau und seine »Seelenfreundin« lierten. Die Zeitschrift enthielt u. a. Gedichte, Rätsel Sophie Brentano sind auf dem Grundstück beerdigt und kurze Texte, viele davon hatte Herder verfasst. worden. Der gemeinsame Grabstein trägt für jede Per- Text im Internet verfügbar (über www.archive.org). son ein Symbol – für Sophie ist es ein Schmetterling. • Caroline Herder verfasste 1820 die Erinnerungen • Römisches Haus aus dem Leben Johann Gottfrieds von Herder. Text Im Blauen Salon hängt ein Porträt Anna Amalias von im Internet verfügbar (über www.archive.org). Angelika Kauffmann. Die Attribute auf dem Bild spie- geln auch den Bezug der Herzoginmutter zu Herder • Johann Caspar Lavater wider. Hinter ihr liegt etwa ein Notenblatt mit einem Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Geburtstagsgedicht, das Herder ihr gewidmet hat, in ­Menschenkenntnis und der Menschenliebe. Eine der Hand hält sie ein Buch des Dichters. Der Hinter- Auswahl mit 101 Abbildungen. Hrsg. v. Christoph grund verweist auf die gemeinsame Italienreise. Siegrist. Stuttgart 1984. • Herderdenkmal auf dem Herderplatz • Christel Ringert Das Herderdenkmal wurde 1850 feierlich enthüllt – Herder in Weimar. noch vor dem Goethe- und Schiller-Denkmal auf dem Geschichten und Theaterplatz. Auf der Schriftrolle in seiner linken Zeugnisse aus seinem Hand ist Herders Lebensmotto zu lesen. Der Künstler Leben. Bucha bei Ludwig Schaller hatte auch die Büste im Herderzim- Jena 2003. mer des Stadtschlosses geschaffen. • Kirche St. Peter und Paul (sog. Herderkirche) Herder wurde in der Weimarer Stadtkirche beigesetzt, ebenso wie später die Herzoginmutter Anna Amalia. Sein Lebensmotto schmückt die Grabplatte.

Ein Motto prägt Leben und Erinnerung 11

»Lehrer der Menschheit« Die Bildung zur Humanität

Ob als Theologe, Schriftsteller oder Pädagoge – stets war der gesamten Gesellschaft zum Durchbruch verholfen: Herder bestrebt, die Entwicklung der Humanität voranzu- »Jetzt las, was sonst nie gelesen hatte; es lernte lesen, was bringen. Dieser Begriff umfasste für ihn alles, was den Men- sonst nicht lesen konnte. Schulen und Akademien wurden schen ausmacht: »Menschheit, Menschlichkeit, Menschen- gestiftet«, und die deutsche Sprache hielt statt des bis da- rechte, Menschenpflichten, Menschenwürde, Menschenliebe« hin üblichen Lateins Einzug in die Kirche (18. Brief). In (Briefe zu Beförderung der Humanität, 27. Brief). Diese sind seinen Predigten verwendete Herder eine einfache, zeit- nach Herder im Menschen angelegt, müssen aber ausgebil- gemäße Sprache, denn »wer verständlich sein will, muss in det werden. Hier setzt für ihn die Erziehung an. Denn die der Sprache sich nach seiner Zeit richten« (Weimarisches Menschen sind durch eine »Kette der Bildung« (Ideen zur Gesangbuch, Vorrede). Philosophie der Geschichte der Menschheit, 9. Buch) mitein- In den Schulreden, die er zu Abschlussprüfungen und ander verbunden – durch die Sprache können sie, anders als anderen Anlässen hielt, formulierte Herder seine Gedanken die Tiere, Erkenntnisse über Generationen weitergeben und über Bildung und Erziehung ebenfalls sehr eindrücklich. Er sich immer weiterentwickeln. betonte beispielsweise die Bedeutung eines respektvollen In Herders Verständnis hatte Luther einen maßgeblichen Umgangs der Lehrer mit den Schülern und ihre Vorbild- Meilenstein in der Entwicklung zur Humanität gesetzt: In funktion. Herder kritisierte Lehrer, die sich durch unberech- seinen Briefen zur Beförderung der Humanität schreibt Her- tigte Kritik Respekt verschaffen wollen: »[D]u«, mahnt er der, Luther »griff den geistlichen Despotismus, der alles freie die Lehrerschaft, »wirst Klötze finden, wenn du Klötze zu fin- gesunde Denken aufhebt oder untergräbt, als ein wahrer Her- den glaubst und deine Schüler dazu gemacht hast« (Schul- kules an, und gab ganzen Völkern, und zwar zuerst in den rede, um 1790). schwersten, den geistlichen Dingen den Gebrauch der Ver- Herder kann als ein »Erfinder« des lebenslangen, ganz- nunft wieder« (18. Brief). Herder sah sich selbst als neuen heitlichen und individuellen Lernens betrachtet werden: Luther: In Zeiten der Vernunft wollte er den Menschen den Auf »dass man sich selbst in allen seinen Anlagen und Fähig- Glauben wiedergeben und erneut die Kirche reformieren. keiten, in Seelen- und Leibeskräften zu dem bilde, was Leben War Luther ein aufklärerischer Reformator, wollte Herder heißt, an sich, soweit es die Gelegenheit, Zeit, Umstände ver- ein reformatorischer Aufklärer sein. Dass beide Männer in statten, nichts roh, nichts ungebildet lasse, sondern dahin vielen Punkten sehr ähnlich dachten, zeigt sich auch an arbeite, dass man ein ganz gesunder Mensch fürs Leben und ihrem Verständnis von (Kirchen-)Musik. Luther hatte einen für eine uns angemessne Wirksamkeit im Leben werde. Hier- fröhlichen, lebensbejahenden Glauben voller Musik und durch bekommt also jeder seine eigne Lektion zu lernen, die Gesang gelebt, statt auf ein fernes Jenseits zu verweisen und für ihn und für keinen andern gehört« (Schulrede, 1800). zu Verzicht und Buße aufzurufen. Er hatte das gemeinsame Singen von deutschsprachigen Kirchenliedern in den Gottes- dienst eingeführt, durch das die Gemeinde im Lobpreis aktiv wird. Die Musik kann so den Text lebendig machen und das Herz der Singenden berühren. Damit begründete er eine lang anhaltende Tradition: Etwa 200 Jahre später hat der berühmte Komponist und Orgelspieler Johann Sebastian Bach, der als Weimarer Hoforganist selbst oft in der Wei­ marer Stadtkirche musizierte, viele Kirchenlieder Luthers vertont. Auch Herder war dieser unmittelbare Zugang zu Reli- gion sehr wichtig. Er selbst gab das Weimarische Gesang- buch (1795) heraus, das Kirchenlieder Luthers und neuere Lieder, »die unsern Bedürfnissen, unsrer Sprache und Denk- art näher sind«, versammelt. Auch hier folgt er dem Vorbild

Luthers, der die Volkssprache stark gemacht hatte. Luthers ∂∂ Theologie und Humanität. Fresko von Gustav Jäger im Herderzimmer Initiative hatte der Bildung, wie Herder schon erkannte, in des Weimarer Stadtschlosses, realisiert 1846–1848

Funktionen der Antikerezeption 13 Ensemble Pfarrhaus – Herderkirche – Gymnasium | Herderplatz Weimar Ehemaliger Töpfermarkt, seit 1850 Herderplatz genannt

Reformbemühungen im Dienste der »menschlichen Philosophie«

halb sah er es als unumgänglich an, das Bildungswesen zu reformieren und eine zusätzliche Realschule für nützliche Bürger einzurichten. Warum ein Junge, der Schuster oder Bäcker werden wollte, die Hälfte seiner Schul- zeit mit Latein-, Griechisch- und Reli- gionsunterricht verbringen sollte, leuchtete Herder nicht ein. Er schlug vor, diese Stunden zu kürzen und dafür Geografie und Geschichte, Mathematik und Schreiben zu unter- richten – Fächer, die den Schülern im späteren Arbeitsleben von Nutzen sein würden. Außerdem forderte er vom Herzog eine bessere Ausstattung mit guten Lehrbüchern­ und -mitteln. Ein geeignetes Buchstaben- und Lesebuch verfasste er selbst. Der Herzog kam Herders Forde- Der Weimarer Herderplatz war zu und strenger, konservativer Gläubig- rungen nach, sodass dieser ab 1776 Lebzeiten seines Namensgebers ein keit, war er regelrecht angewidert. damit beginnen konnte, das Gymna- belebter Marktplatz und ein zentraler Seine Bemühungen, die Mensch- sium nach seinen Vorstellungen zu Ort in dessen Leben in Weimar. Hier heit zum Besseren zu erziehen, be- reformieren. Und doch fühlte sich befinden sich seine wichtigsten Wir- schränkten sich aber keineswegs auf Herder nie genug in seinen Bemühun- kungsstätten: das Pfarrhaus, in dem seine Predigten in der Stadtkirche. gen unterstützt, was ihn mit großer er mit seiner Familie lebte und an sei- Die »menschliche Philosophie« vermit- Unzufriedenheit erfüllte. Durch seine nen Werken arbeitete, die Kirche, in telte Herder auch über seine Schrif- vielen Amtspflichten konnte er sich der er seiner Gemeinde predigte, und ten. So verfasste er beispielsweise die nur wenig der »menschlichen Philoso- das Gymnasium, das er leitete und in Briefe, das Studium der Theologie be- phie« in der Praxis widmen, die ihm dem er von Zeit zu Zeit auch selbst treffend (1780/81) für Studenten, um so sehr am Herzen lag. Er fühlte sich unterrichtete. Damit vereint der Platz ihnen damit Orientierung und Hilfe- »eingeklemmt in das einsame Wirrwarr die Orte in Weimar, an denen Herder stellung zu geben. Die Briefe vermit- und geistliche Sisyphus-Handwerk«. als »Lehrer der Menschheit« wirken teln zwischen der durchaus kritischen Zeitweilig schien ihm sogar »die Kir- wollte. Bibel­betrachtung, die die Studenten chenmauer, die gerade vor mir steht, Er war davon überzeugt, als Theo- an den Universitäten gelehrt beka- [...] die wahre Bastille, und ich habe von loge »am besten Kultur und Menschen- men, und den orthodoxen Vorstellun- jeher mein Haus, groß und verschnit- verstand unter den ehrwürdigen Teil gen kirch­licher Gremien. Sie fordern zelt, unbewohnbar, und wo es bewohnt der Menschen bringen [zu können], den zum »simple[n], schlichte[n], tätig- wird, eingeklemmt und drückend, als wir Volk nennen: so ist diese mensch­ ausdrückende[n] Glaube[n]« auf. »Es das wahre Symbol meines Amtes gese- liche Philosophie auch meine liebste bleibt dabei, mein Lieber«, spricht er hen« (Brief an Hamann, 20. März 1778). Beschäftigung« (Brief an Kant, Novem- seinen Leser an, »das beste Studium ber 1768). In seinen Predigten vermit- der Gottesgelehrsamkeit ist Studium telte Herder einen praktischen Glau- der Bibel, und das beste Lesen dieses ben, der den Menschen in den Mittel- göttlichen Buches ist menschlich«. punkt stellt. Von Dogmatik und Der Grundsatz der Menschlichkeit Orthodoxie, also starren Deutungen leitete ihn auch als Schuldirektor. Des-

14 Die Bildung zur Humanität Briefe zu Beförderung der Humanität | Herzogin Anna Amalia Bibliothek 10 Sammlungen, Erstausgabe Riga 1793–1797

Für Frieden und Demokratie

Die Briefe zu Beförderung der Humani- der Menschheit, deren »Naturzustand« der dazu führt, dass sich ein Land über tät gehören zu den wichtigsten Werken Frieden sei. Die Briefe sind daher auch ein anderes erhebt, und ruft zu einer Herders, die in Weimar entstanden sind. höchst politisch. Als Herder sie schrieb, »Allianz aller gebildeten Nationen« auf, In ihnen widmet er sich intensiv dem war nicht nur die Französische Revolu- die eingreift, falls ein Land ein anderes Thema, um das sein ganzes Leben und tion im Gange, auch die Kolonialkriege angreift, missioniert oder versklavt Wirken kreiste: Insgesamt 124 Briefe waren auf ihrem Höhepunkt. Spanien, (119. Brief). beleuchten die Menschheit von allen Portugal, England und die Niederlande Herder betont, dass keine Kultur Seiten. Die Briefform ermöglichte es kämpften blutige Kriege um Kolonien einer anderen überlegen sei. Die euro- zentrische Sicht, allein europäische Werte zum Maß aller Dinge zu machen, lehnt er als anmaßend und irrwitzig ab. Vielmehr müssten für jede Kultur ganz eigene Maßstäbe gel- ten, denn jede Kultur war und ist mit einzigartigen Umständen konfrontiert. Und gerade die Vielheit der Lebens- weisen zeige das Potenzial der einen Menschheit auf: Alle Menschen seien durch das Streben nach »Glückselig- keit« verbunden, die durch eine freie Entfaltung aller körperlichen, geisti- gen und seelischen Kräfte erlangt wer- den könne. Herder schrieb für Frieden und eine demokratisch geordnete Welt. Das war vor dem Hintergrund der Franzö- sischen Revolution höchst brisant. Im Januar 1793 war der franzö­sische König Ludwig XVI. durch den revolutionären Nationalkonvent hingerichtet worden. ihm, verschiedene Perspektiven ein­zu­ in Asien, Afrika und Amerika, zwan- Wer republika­nische Gedanken äußerte, nehmen, Dialoge zu führen und andere gen die Bewohner, den christlichen begab sich damit in gefährliche Nähe Denker zu Wort kommen zu lassen. Glauben anzunehmen, oder verkauften zu den französischen Königsmördern. Durch die facettenreiche Sammlung sie als Sklaven. Dagegen setzt Herder Da Herder selbst in einem Herzogtum wollte er zum Nachdenken an­regen seine Idee von Humanität, die er auch lebte, strich er einige Passagen, um und positive Beispiele aus der mensch- als »allgemeine Billigkeit, Menschlich- nicht in den Verdacht zu geraten, revo- lichen Geistesgeschichte geben. So keit, tätige Vernunft« umschreibt lutionäre Umtriebe zu unterstützen. zitiert er immer wieder Luther, den (119. Brief). Was er darunter versteht, »Lehrer der deutschen Nation« (18. Brief). erläutert er durch die sieben »Gesin- Die Briefe sind ein Plädoyer für eine nungen« der »große[n] Friedensfrau«. gerechte Gesellschaft, in der jeder nach Zu ihnen gehören die »Abscheu gegen fortwährender Bildung strebe, da erst den Krieg«, die »verminderte Achtung« durch diese der Mensch zum Men- vor Kriegshelden und die »Abscheu schen werde. [vor] der falschen Staatskunst«, die ihre Krieg, Sklaverei und Gewaltherr- Macht ausnutzt. Außerdem warnt er schaft aber störten diese Entwicklung vor einem übersteigerten Patriotismus,

Die Bildung zur Humanität 15 Kanzel der Stadtkirche St. Peter und Paul, genannt Herderkirche Vor 1500, Umgestaltung 1735–1745

Auf den Spuren Luthers

Die spätgotischen Stufen der Predigt- transportiert der kanzel in der Weimarer Stadtkirche Text klare Vorstel- hatte schon Luther erklommen. Den­ lungen und Begriffe. selben Aufgang betrat 250 Jahre später Herder setzte sich nun Herder, immer wenn er zu seiner für eine Kirchenmu- Gemeinde sprechen wollte – nur die sik ein, die schlicht, Kanzel selbst hatte in der Zwischen­zeit ernst und kräftig ist. eine barocke Ummantelung erhalten. Um seine Vorstellun- Ähnlich verhält es sich auch mit den gen umzusetzen, Inhalten der Predigten: Hier folgte arbeitete er mit dem Herder den Spuren des Reformators Komponisten Johann im übertragenen Sinn, als er sein Amt Christoph Friedrich in Weimar antrat. Sein Glaube beruhte Bach zusammen. In auf demselben Fundament, nur die den 1770er-Jahren »Einkleidung« war seiner Zeit ange- schufen sie gemein- passt. sam verschiedene Luther, der Initiator der Refor­ kirchenmusikalische mation, hatte gelehrt, auf die Gnade Werke, denn, wie Gottes zu vertrauen. Diese Lehre hat Luther schreibt, »Gott Lucas Cranach d. J. auf dem großen verkündet das Evan- Flügelaltar der Kirche bildlich umge- gelium auch durch setzt. Auf dem sogenannten Cranach- die Musik« (Tisch­ Altar ist Jesus dargestellt, wie er für reden Nr. 1258). die Menschen stirbt und dadurch ihre Doch in der Folge Sünden auf sich nimmt. Damit ist der zerschlugen sich Bund des Alten Testaments durch Herders Hoffnungen einen neuen abgelöst: An die Stelle in das Land, das der von Rache und treten »Lichtstrahl der Gnade und Liebe. So wie bei Luther Reformation« beruhte auch Herders Glaube auf Men- (Antrittspredigt in schenliebe; seine Religion war stark in einer christlichen Kirche erwarten Weimar, 20. Oktober 1776) als eines auf das Diesseits, auf das Leben vor könnte. Einfach wie sein Inhalt ist auch der ersten getroffen hatte. »Alles, was dem Tod bezogen. Sie sollte der Beför- der Vortrag, keine Gebärdensprache, nur von weitem an Kirchenordnung derung der Humanität dienen. Dazu kein Spiel mit der Stimme, ein ernster oder Liturgie grenzt, ist mir im Thürin- hält er prinzipiell verschiedene Reli­ und nüchterner Ausdruck« (Brief an gerlande so verhasst oder gleichgültig gionen für geeignet. Der Schriftsteller Körner, 12. und 13. August 1787). geworden, dass ich nichts wünsche, als berichtete von der Nicht nur durch Predigten, auch dass Luther aufleben und den Unrat auf ersten Predigt Herders, die er hörte: durch Musik wollte Herder seine seinem Grabe sehen möge«, vertraute er »Die ganze Predigt glich einem Diskurs, Gemeinde zur Humanität erziehen. seinem Freund Hamann wenige Jahre den ein Mensch allein führt, äußerst Die »Zaubersprache der Empfindung« später an (Brief, 23. April 1785). plan, volksmäßig, natürlich. Es war (Viertes Kritisches Wäldchen, 1846) weniger eine Rede als ein vernünftiges berühre die Herzen seiner Zuhörerin- Gespräch. Ein Satz aus der praktischen nen und Zuhörer unmittelbar. Im Kir- Philosophie, angewandt auf gewisse chenlied kommen Musik und Sprache Details des bürgerlichen Lebens – Lehre, zusammen: Während die Musik die die man ebensogut in einer Moschee als Seele anrührt und Gefühle vermittelt,

16 Die Bildung zur Humanität Weiterführende Hinweise zu »Die Bildung zur Humanität«

Themen für den Unterricht Literaturhinweise Herders Humanitätsbegriff lässt sich mit verschiedenen • Martin Luthers zentraler reformatorischer Text Themenbereichen verknüpfen: Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) ist im Internet verfügbar (über Gutenberg-Projekt). • Reformation (Inhalte, Verbreitung und bildliche Darstellungen) • Friedrich Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) sind ein Plädoyer • Entwicklung der deutschen Sprache für die Vermittlung zwischen Vernunft und Sinn- • Humanitätskonzepte, Entwicklung der Pädagogik lichkeit im Sinne des »ganzen Menschen«. Text im Internet verfügbar (über Gutenberg-Projekt). • Französische Revolution, Demokratiekonzepte • Herders Schulreden vermitteln einen anschau­ • Kirchen- und Volkslieder lichen Eindruck seiner pädagogischen Ansichten und Methoden. In verschiedenen Auswahlaus­ Weitere Exkursionstipps gaben erhältlich. • Schlossmuseum • Johann Gottfried Herder In der Dauerausstellung befinden sich mehrere Italienische Reise. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen­ Luther-Porträts und andere Werke Cranachs, dem 1788–1789. München 1988. wohl wichtigsten Maler der Reformation. Der Band versammelt nicht nur Herders Reiseein­ drücke, die Briefwechsel geben auch anrührende • Schillers Wohnhaus Einblicke in Herders Ehe- und Familienleben. Das Wohnhaus der Familie Schiller zeigt bürger­ liche Wohnkultur um 1800. Es vermittelt außerdem • Holsing, Henrike einen Eindruck vom Epochenumbruch um 1800 Luther – Gottesmann und Nationalheld. Sein Image in (z. B. Familienleben und Kindererziehung). der deutschen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts. Diss., Köln 2004. Im Internet verfügbar unter: • Historischer Friedhof kups.ub.uni-koeln.de/2132/2/diss_text_holsing.pdf Die Fürstengruft und die orthodoxe Kapelle auf dem Hier findet sich eine Zusam- historischen Friedhof zeugen vom friedlichen Mitein- menstellung von Herder- ander der Religionen über den Tod hinaus. Sie sind Zitaten zu Luther. Wand an Wand gebaut und unterirdisch miteinander verbunden. Die russische Zarentochter und Weimarer Herzogin Maria Pawlowna hatte den Wunsch geäu- ßert, neben ihrem Mann Carl Friedrich bestattet zu werden. • Goethe-Nationalmuseum Im Kapitel Gewalt der Dauerausstellung Lebens­ fluten – Tatensturm werden u. a. gewaltsame politi- sche Umbrüche wie die Französische Revolution und zeitgenössische Reaktionen darauf beleuchtet. Goethes Interesse an anderen Kulturen, u. a. am Orient, steht im Zentrum des Kapitels Welt.

Die Bildung zur Humanität 17

»Die Natur des Menschen ist Kunst« Der Mensch als Kulturwesen

Für Herder hat der Mensch eine ganz besondere Position blind gesellschaftlichen Normen oder künstlerischen Kon- inne: Als »erste[r] Freigelassene[r] der Schöpfung« (Ideen, ventionen, sondern gibt sich selbst die Regeln, er schafft 4. Buch, 1784) verfügt er statt Instinkten über Vernunft und aus sich selbst heraus. Die Begeisterung für das ursprüng­ Sprache, durch die er von den Generationen vor ihm lernt liche, naturhafte und höchst individuelle Leben und Kunst- und sein Wissen an kommende Generationen weitergibt. Er schaffen des Genies war prägend für die Epoche des Sturm ist ein Gemeinschaftswesen, das auf andere Menschen ange- und Drang, deren Vertreter genau ein solches Leben führen wiesen ist – zunächst, um überhaupt überleben zu können, wollten. dann aber auch, um durch Bildung wirklich zum Menschen Doch Herder versuchte zugleich auch immer, einen zu werden, sich also von den Tieren zu unterscheiden. Jeder Ausgleich zu schaffen. Er spielte nicht etwa das Gefühl braucht einerseits menschliche Gesellschaft, um den auf- gegen die Vernunft oder die Natur gegen die Kultur aus. rechten Gang und eine Sprache zu erlernen, und anderer- Vielmehr nahm er den ganzen Menschen mit all seinen seits kulturelle Überlieferung, an die er anknüpfen kann. Seelenkräften und Erkenntnisvermögen in den Blick. Die »Eben deswegen kommt der Mensch so schwach, so dürftig, Gesamtheit aller Aspekte des menschlichen Seins machte so verlassen von dem Unterricht der Natur, so ganz ohne Fer- für ihn die Humanität aus. tigkeiten und Talente auf die Welt, wie kein Tier, damit er, wie kein Tier, eine Erziehung genieße, und das menschliche Geschlecht, wie kein Tiergeschlecht, ein innig­verbundnes ­Ganzes werde« (Über den Ursprung der Sprache, 1772). Ohne Kultur und Bildung – man könnte auch sagen: ohne Soziali- sation – wäre der Mensch kein Mensch. »Kultur« beinhaltet für Herder ganz unterschiedliche Bedeutungen: Jeden Menschen prägen »die Höhe oder Tiefe eines Erdstrichs, die Beschaffenheit desselben und seiner Pro- dukte, die Speisen und Getränke, die der Mensch genießt, die Lebensweise, der er folgt, die Arbeit, die er verrichtet, Klei- dung, gewohnte Stellungen sogar, Vergnügen und Künste, nebst einem Heer andrer Umstände, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wirken« (Ideen, 7. Buch). Diese Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung und Deutung der Welt und auch die Lebensweisen und kulturellen Werke jeder Region und jeder Generation. Auch die individuelle Entwicklung eines jeden Menschen hängt davon ab. Herder betonte immer wieder, wie wichtig die Betrachtung der Umstände ist, um ein Phänomen verstehen zu können. Das gilt für Individuen wie auch für ganze Kulturen. Daher lassen sich auch künstlerische Ideale aus früheren Epochen nicht ohne Weiteres übertragen. Vielmehr hat jede Zeit ihre Besonder- heiten, die sich auch in der Kunst widerspiegeln. Herder war deshalb davon überzeugt, dass sich die deutsche Literatur auf die eigene Volksdichtung zurückbesinnen müsse, um der zeitgenössischen Dichtung zu mehr Sprachkraft und Ursprünglichkeit zu verhelfen, statt sich an französischer Kunst zu orientieren. Das Natürliche, das Herder in der Volksdichtung suchte, fand er auch im Genie, einem Typus, der von seiner Genera- ∂∂ Scherenschnitt mit Caroline Herder und zwei Söhnen, 1782 tion sehr verehrt wurde. Ein genialer Mensch folgt nicht (Künstler unbekannt)

Kunstverständnis vor antikem Hintergrund 19 Brief Johann Wolfgang von Goethes an Johann Gottfried Herder | Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Jena, 27. März 1784

»Krone der Schöpfung«

Lange hatte Goethe Versuchsreihen alle Menschen von angelegt und akribisch unterschied- einer Urfamilie ab- lichste Schädelknochen verglichen, bis stammen, wie es er schließlich im März 1784 den Zwi- auch in der Bibel ge- schenkieferknochen beim Menschen schildert wird. Un- entdeckte. Sofort berichtete er Herder terschiede unter den davon in diesem Brief, der sich heute Menschen erklärt er im Goethe- und Schiller-Archiv befin- durch das »Klima«. det: »Ich habe gefunden – weder Gold Damit meint er alle noch Silber, aber was mir eine unsägli- Umwelteinflüsse, che Freude macht – das os intermaxil- die wiederum kultu- lare am Menschen!« Andere Forscher relle Besonderheiten hatten die Existenz eines Zwischen­ bedingen. Jedes kieferknochens für die Tierwelt bereits Volk passe sich sei- nachgewiesen, beim Menschen war sie ner Umgebung an jedoch bis dahin noch umstritten. und entwickle ei- Es ist also nicht verwunderlich, gene Fertigkeiten, dass Goethe Herder noch in der Nacht die das Überleben seiner Entdeckung davon berichten sichern. So sei in wollte, obwohl die beiden Männer sich Küstengebieten am nächsten Tag in Weimar wiedersa- Schwimmen eine hen. Sie hatten sich intensiv mit sol- überlebensnotwen- chen naturwissenschaftlichen Fragen dige Fähigkeit, in beschäftigt. Viele Forscher fragten sich Steppengebieten da- um 1800, woher der Mensch kommt, gegen Jagen. Auch ob und wie er sich vom Tier unter- Durch die Erforschung der Vielfalt Körperbau und -größe des Menschen scheidet und welche Stellung er in der ergab sich ein Bild von der (grund- seien dem Klima angepasst. Natur innehat. Herder und Goethe fan- sätzlich einheitlichen) Gesamtheit: Zwar zieht Herder hier Parallelen den sehr ähnliche Antworten: Beide »Es erhellet also von selbst, dass, da zwischen Menschen- und Tierwelt, da gingen davon aus, dass alle Naturer- diese Hauptform nach Geschlechtern, auch die Tiere sich ihrer Umwelt an- scheinungen miteinander verwandt Arten, Bestimmungen, Elementen passten. Die Abstammung des Men- sind. Goethes Entdeckung des Zwi- immer variiert werden musste, Ein schen vom Tier lehnt er jedoch vehe- schenkieferknochens beim Menschen Exemplar das andre erkläre« (Ideen, ment ab. Vielmehr sei der Mensch die war für ihn daher der Beweis für die 2. Buch, 1784). Oder, wie Goethe es Vollendung der »Hauptform«, da er Verwandtschaft von Mensch und Tier formulierte: »Und so ist wieder jede sich von den Tieren durch seinen auf- und bestätigte zugleich seine und Her- Kreatur nur ein Ton, eine Schattierung rechten Gang und seine Vernunftbega- ders Naturkonzeption. einer großen Harmonie, die man auch bung, die die Entwicklung der Sprache Herder formulierte in den Ideen im ganzen und großen studieren muss, ermöglichen, unterscheide. Die »Krone zur Philosophie der Geschichte der sonst ist jedes Einzelne ein toter Buch- der Schöpfung« (Ideen, 9. Buch, 1785) Menschheit (1784–1791) das »Haupt­ stabe« (Brief an Karl Ludwig von zu sein, verpflichte aber auch: Denn gesetz«, wonach alles Lebendige in Knebel, 17. November 1784). durch die Sprache erlangten wir Ver- der Natur nach einer Hauptform oder Das gelte grundsätzlich für alle standesideen »zum Genuss der Natur, einem einheitlichen Schema gebildet Pflanzen und Lebewesen, auch für zu Anwendung unsrer Kräfte, zum ge- sei. Bestimmte Aspekte seien bei dem die Menschen, doch schreibt Herder sunden Gebrauch unsres Lebens, kurz einen Lebewesen stärker, bei dem ihnen zugleich eine Sonderstellung in zur Bildung der Humanität«. anderen schwächer ausgebildet. der Schöpfung zu. Er nimmt an, dass

20 Der Mensch als Kulturwesen Verehrung einer Shakespeare-Büste | Ausstellung Lebensfluten – Tatensturm im Goethe-Nationalmuseum Radierung von Daniel Chodowiecki, 1778

Geniestreiche

Zwei antik gewandete, anmutige des französischen aufzeigt. zeitgemäß: Es beziehe sich auf die Frauen schmücken eine Shakespeare-­ Diese gab bislang eine Einheit von Ort, zeitgenössischen gesellschaftlichen Büste mit einem Lorbeerkranz. Der Zeit und Handlung vor, wie es schon Umstände, wie es auch die griechische Sockel unter der Büste trägt eine in der griechischen Tragödie der Fall Tragödie des Sophokles getan habe, Maske, das Symbol für den dramati- gewesen war. Goethe führt aus, dass und folge damit in einem tieferen, schen Dichter, und eine Krone. Die die drei Einheiten, wie Aristoteles sie wahreren Sinne dem antiken Vorbild. Frauen ehren mit ihrer Geste den eng- gefordert hatte, zu dessen Zeit gerade- Shakespeare schaffe es, seine Dramen lischen Dichter, der in der zweiten zu »natürlich« gewesen wären, die in seiner Zeit zu verorten und doch Hälfte des 18. Jahrhunderts als der Tragödie war »ganz und groß«. Die Zei- überzeitlich Gültiges zu verhandeln. Inbegriff des Genies galt. Herders ten hätten sich jedoch geändert: »Fran- Das macht für Herder das Genie aus. Begeisterung für das Genie sprang zöschen, was willst du mit der griechi- Vier Jahre nach der ersten persön­ 1770 auf Goethe über, als sie sich in schen Rüstung, sie ist dir zu groß und lichen Begegnung mit Herder verfasste Straßburg persönlich kennenlernten. zu schwer«, befindet Goethe. Shakes- Goethe den Roman, der ihn berühmt Damit wurde diese Begegnung für peares Dramen kreisen nach Goethe machen sollte: Die Leiden des jungen Goethe zum doppelten Erweckungs­ stattdessen um einen »geheimen Punkt« Werthers (1774) schildern das natur- erlebnis: »Und so hatte ich von Glück und werden von diesem zusammenge- hafte, selbstbestimmte Leben der genia­ zu sagen, dass, durch eine unerwartete halten. Seine Figuren sind Individuen, lischen Hauptfigur. Bekanntschaft, alles was in mir von die der »Natur« nachgebil- Selbstgefälligkeit, Bespiegelungslust, det seien. In ihnen und Eitelkeit, Stolz und Hochmut ruhen ihren Konflikten mit oder wirken mochte, einer sehr harten der Gesellschaft fand Prüfung ausgesetzt ward, die in ihrer die junge Autorengene- Art einzig, der Zeit keineswegs gemäß, ration des Sturm und und nur desto eindringender und emp- Drang sich wieder. So findlicher war. Denn das bedeutendste wurden Shakespeare Ereignis, was die wichtigsten Folgen für und seine Stücke in mich haben sollte, war die Bekannt- dieser Zeit auch Vorbil- schaft und die daran knüpfende nähere der für Goethes eigenes Verbindung mit Herder« (Dichtung und Schreiben. Wahrheit, 2. Teil, 10. Buch, 1812). In dem Sammel- Auch Herder und Goethe setzten band Von deutscher Art dem englischen Dichter Denkmale. und Kunst (1773), der Die Rede Zum Schäkespears Tag, die als eine Art Programm- Goethe am 14. Oktober 1771 in Frank- schrift des Sturm und furt hielt, zeugt von dem nachhaltigen Drang gilt, huldigte Eindruck, den die Begegnung mit Her- auch Herder dem eng- der und die Auseinandersetzung mit lischen Dichter. Sein Shakespeare bei Goethe hinterlassen Aufsatz Shakespeare haben. Goethe feiert den englischen führt Goethes Kritik Dichter als Originalgenie, das über am französischen alle gängigen Normen erhaben sei. Es fort, auch er schöpfe aus sich und seiner Natur und nimmt es als starr und setze sich selbst die Regeln seines Schaf- unnatürlich wahr. fens. Durch dieses Vorgehen entstand Shakespeares Drama ein völlig neues Theater, das eine Alter- dagegen sei im wahrs- native zu der damals gängigen Norm ten Sinne des Wortes

Der Mensch als Kulturwesen 21 Laokoon-Gruppe | Schlossmuseum Weimar Kopie der Laokoon-Gruppe aus den Vatikanischen Museen, vor 1869

Erkennen und Empfinden

Die sogenannte Laokoon-Gruppe der (im Raum) dar, stellt eine Szene aus der griechischen die Literatur durch Mythologie dar: Da der Priester Lao- Worte nacheinander koon den Zorn der Götter auf sich ge- (in der Zeit). Daher zogen hatte, schickten sie ihm Schlan- sei die Malerei für gen, um ihn zu bestrafen. Unerbittlich die Schilderung von winden sich diese nun um Laokoon »Körpern«, die Litera- und seine Söhne, die diesen Kampf tur für die Schilde- nicht überleben werden. rung von Handlun- Der Kunsthistoriker und Archäo- gen geeignet. Eine loge Johann Joachim Winckelmann allgemeingültige hatte die Laokoon-Gruppe 1755 zur Regel gebe es nicht, »vollkommenen Regel der Kunst« jede Kunstgattung erklärt, zum idealen griechischen hätte ihre spezifi- Kunstwerk und damit zum Vorbild schen Gesetze. aller Kunst. Laokoon leide zwar, strahle Lessing diskutiert aber trotzdem große Ruhe aus. Gerade damit als Erster daran zeige sich »eine edle Einfalt und die unterschied­ eine stille Größe«, mithin das griechi- lichen Mechanismen sche in Reinform (Gedanken verschiedener über die Nachahmung der griechischen »Medien«. Werke in der Malerei und Bildhauer- In seinem Ersten kunst, 1755). Diese Einschätzung Win- Kritischen Wäldchen ckelmanns verschaffte der Laokoon- (1769) setzt ­sich Gruppe neue Aufmerksamkeit, sie ­Herder mit Lessings wurde zur bekanntesten Skulptur des Argumentation aus- 18. Jahrhunderts. Zahlreiche Abgüsse einander und entwi- wurden angefertigt, von denen einer ckelt dadurch seine 1869 nach Weimar gelangte. eigene Theorie. Lessings Winckelmann hatte mit seinen Kategorien von Nebeneinander, Nach- Damit löst Herder die starre Gegen- Betrachtungen eine kunsttheoretische einander und Handlung hält Herder überstellung Lessings auf. Zugleich Debatte angestoßen, an der sich zahl- für »Nebenbegriffe«, die am Eigentli- nimmt er die menschlichen Empfin- reiche Denker des 18. Jahrhunderts chen vorbeigingen. Er stellt die Kate- dungen ernst. In den bisherigen Dis- beteiligten. Der Schriftsteller und gorie der »Kraft« in den Mittelpunkt kussionen hatte der Verstand als über- Kunstkritiker Gotthold Ephraim Les- seiner Überlegungen, die »Wirkung legen gegolten. Die Sinne wurden sing setzte die Diskussion mit seiner auf unsere Seele«. Diese schreibt er ins- lediglich als »Lieferanten« von Mate- Schrift Laokoon oder Über die Grenzen besondere der Literatur zu: »Malerei rial, das die Vernunft zu Erkenntnissen der Malerei und Poesie (1766) fort. wirket durch Farben und Figuren fürs weiterverarbeitet, angesehen. Dagegen Während Winckelmann noch von all- Auge, Poesie durch den Sinn der Worte macht Herder deutlich, dass die Wahr- gemeingültigen Regeln für alle Kunst- auf die untern Seelenkräfte, vorzüglich nehmung keine »fertige« Welt vorfin- gattungen ausgegangen war, arbeitete die Phantasie«, denn sie ist »sinnlich det, die sie an den Verstand übermittelt Lessing die Besonderheiten von Male- vollkommene Rede« (Erstes Kritisches – sie bringt sie erst hervor. Erkennen rei und Dichtkunst heraus. Wichtige Wäldchen). Er rückt den Menschen und Empfinden bilden eine Einheit. Kategorien waren dabei Ort, Zeit und und die Wirkung, die die Kunst auf Handlung: Die Malerei stellt Dinge seine Seele hat, ins Zentrum seiner durch Flächen und Farben nebeneinan- Überlegungen.

22 Der Mensch als Kulturwesen Weiterführende Hinweise zu »Der Mensch als Kulturwesen«

Themen für den Unterricht • Shakespeare-Denkmal im Park an der Ilm Zwischen künstlicher Ruine und Borkenhäuschen Herders Überlegungen zur Natur des Menschen lassen befindet sich das Shakespeare-Denkmal. Es wurde sich mit verschiedenen Themenbereichen verknüpfen: 1904 eingeweiht, Anlass war das 40-jährige Jubiläum • Geniekult der in Weimar gegründeten Deutschen Shakespeare- Gesellschaft. • Entwicklung moderner Geschichtswissenschaften • Antikenrezeption Literaturhinweise • Medientheorien • Herders Journal meiner Reise im Jahre 1769 bietet nicht nur einen Überblick über die Publikationsvor- Weitere Exkursionstipps haben des jungen Mannes, sondern ist auch emphati- scher Lektüre- und Reisebericht. Text im Internet ver- • Goethes Gartenhaus und Borkenhäuschen fügbar (über Gutenberg-Projekt). In seinem ersten Weimarer Wohnhaus lebte Goethe das selbstbestimmte, naturverbundene Leben, wie es • Das Fragment Natur (1780) von Christof Tobler ver- der Sturm und Drang gefordert hatte. Davon zeugen mittelt einen Eindruck von Goethes früher Natur­ auch die Mondzeichnungen und das Gedicht An den begeisterung – er hatte sich Jahre später irrtümlich Mond, das im Schlafzimmer des Gartenhauses zu als Verfasser bezeichnet. Text im Internet verfügbar sehen ist. Auf der anderen Seite der Ilm befindet sich (über http://www.gah.vs.bw.schule.de/leb1800/ das sogenannte Borkenhäuschen, das Goethes Freund, natur.htm). dem Weimarer Herzog Carl August, als Refugium • Lessings Laokoon-Schrift gilt als eine der ersten diente. Medientheorien. Text im Internet verfügbar (über • Schlossmuseum Gutenberg-Projekt). Im Weimarer Stadtschloss finden sich zahlreiche • Die Plattform Goethezeitportal bietet Informationen Zeugnisse der Antikenrezeption im 18. Jahrhundert: und Aufsätze zum Sturm und Drang, zu kunsthistori- architektonische Elemente (z. B. Gentzsches Treppen- schen Debatten und zu Dichtern und Denkern um haus, Festsaal und ein Korkmodell des Triumphbo- 1800: www.goethezeitportal.de. gens in Rom), ein Porträt des Altertumswissenschaft- lers Johann Joachim Winckelmann von Anton von • Der Briefroman Die Leiden des Maron sowie zahlreiche Gemälde und Skulpturen. jungen Werthers (1774) von Johann Wolfgang von • Goethe-Nationalmuseum ­Goethe gilt als der proto­ ­ Die Dauerausstellung Lebensfluten – Tatensturm im typische Roman des Goethe-Nationalmuseum bietet zahlreiche Anknüp- Sturm und Drang und fungs- und Vertiefungsmöglichkeiten. So beleuchtet wurde von Ulrich Plenz- das Kapitel Genie die frühe Schaffensphase Goethes dorf mit seinem Die im Kontext von Sturm und Drang und Genievereh- neuen Leiden des jun- rung. Das Kapitel Natur gibt neben den Forschungen gen W. (1973) aktuali- zum Zwischenkieferknochen auch einen Einblick in siert. Goethes geowissenschaftliche Sammlung und seine Arbeiten zur Optik.

Der Mensch als Kulturwesen 23 Literatur Cvetko, Alexander J. Kantzenbach, Friedrich Wilhelm … durch Gesänge lehrten sie … Johann Gott­ Herder. Reinbek bei Hamburg 1999. fried Herder und die Erziehung durch Musik. Mythos – Ideologie – Rezeption. a. M., Löchte, Anne Berlin, Bern 2006. Johann Gottfried Herder. Kulturtheorie und Humanitätsidee der »Ideen«, »Humanitätsbriefe« Fleck, Christina Juliane und »Adrastea«. Würzburg 2005. Genie und Wahrheit. Der Geniegedanke im Sturm und Drang. Marburg 2006. Maurer, Michael Johann Gottfried Herder. Leben und Werk. Köln, Freitag, Egon Weimar, Wien 2004. Johann Gottfried Herder. »Licht – Liebe – Leben«. Biografien für Liebhaber. Warendorf 2014. Schmidt, Eva Die Stadtkirche zu St. Peter und Paul – Herder­ Greif, Stefan; Heinz, Marion; Clairmont, kirche – zu Weimar. Festschrift zu ihrer Wieder- Heinrich (Hrsg.) einweihung am 14. Juni 1953. Jena 1953. Herder Handbuch. Paderborn 2015. Schmidt, Jochen Hecht, Christian Die Geschichte des Genie-Gedankens in der Dichtergedächtnis und fürstliche Repräsentation. deutschen Literatur, Philosophie und Politik Der Westflügel des Weimarer Residenzschlosses. 1750 – 1945. Bd. 1: Von der Aufklärung bis zum Architektur und Ausstattung. Ostfildern-Ruit Idealismus. Heidelberg 2004. 2000. Schrader, Monika Heise, Jens Laokoon – »eine vollkommene Regel der Kunst«. Johann Gottfried Herder zur Einführung. Ham- Ästhetische Theorien der Heuristik in der zwei- burg 1998. ten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Winckelmann, (Mendelssohn), Lessing, Herder, Schiller, Goethe. Holler, Wolfgang; Püschel, Gudrun; Werche, Hildesheim, Zürich, New York 2005. Bettina (Hrsg.) Lebensfluten – Tatensturm. Weimar 2012 Stiftung Weimarer Klassik (Hrsg.) (Begleitbuch zur Dauerausstellung im Goethe- Johann Gottfried Herder. Ahndung künftiger Nationalmuseum). Bestimmung. Stuttgart, Weimar 1994. Herausgeber Klassik Stiftung Weimar Referat Forschung und Bildung

Konzeption und Redaktion Elke Kollar

Texte Ann Luise Kynast

Lektorat Antonia Furjelova, Thorsten Tynior

Fotografien Hannes Bertram (S. 5), Alexander Burzik (S. 4, 8, 22), Roland Dreßler (S. 15), Sigrid Geske (S. 2, 5, 23), Jens Hauspurg (Cover, S. 6, 10, 11, 12, 14, 16), Papenfuss | Atelier (S. 21), Maik Schuck (S. 9), Klassik Stiftung Weimar, Fotothek, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Weimar (Cover, S. 16).

Gestaltung Goldwiege | Visuelle Projekte, Weimar

© Klassik Stiftung Weimar 2016

Herausgegeben in Kooperation mit der Weimar-Jena-Akademie im Rahmen des Projekts »Reformation – Aufklärung – Moderne. Das Herder-Forum als Erinnerungsort und Lernwelt (2015 – 2017)«, das vom Freistaat Thüringen im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 gefördert wird. Klassik Stiftung Weimar

Information Referat Forschung und Bildung Burgplatz 4 | 99423 Weimar tel +49 (0) 36 43 | 545-561 fax +49 (0) 36 43 | 545-569 [email protected] www.klassik-stiftung.de