Frank Zappa (1940–1993) «Enfant Terrible» Oder Geniale Parodie Des «American Way of Life» Ein Beitrag Von Thomas König
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1 Aus der Rille Frank Zappa (1940–1993) «Enfant Terrible» oder geniale Parodie des «American Way Of Life» Ein Beitrag von Thomas König Wohl kaum ein Musiker, Komponist und Gesamtkünstler galt er zunächst als Aussenseiter, als des letzten Jahrhunderts war in so vielen unterschiedli- eher introvertiert und er hatte nur chen Musikstilen und Musikrichtungen verankert, wurde wenige Freunde. Aber bereits ab aber von seinen unzähligen Fans meist nur eindimensio- 1951 war sein Interesse für Musik nal wahrgenommen. Er war ein genialer musik-medialer geweckt, er hatte seinen ersten Auf- Multiakteur, ein politisch-gesellschaftlicher Provokateur tritt als Schlagzeuger in einer Schul- und ein kulturell besessener Workaholic mit enormer band. Er machte schon erste Kom- Reichweite. Wer hat den Überblick, oder wer kann über- positionen unter anderem für ein haupt seiner Gesamtpersönlichkeit gerecht werden? Hier Fahrrad als Schlagzeug. Als erste der Versuch einer Annäherung oder besser gesagt einer gebrauchte Schallplatte kaufte er ungefähren Gesamtschau aus der Optik eines Satelliten- sich «The Complete Works Of Ed- blicks, denn nur wenn man ihm nicht zu nah kommt, hat gar Varèse Vol. I» Besonders ange- man noch einigermassen den Gesamtfokus, auch wenn tan hatte es ihm das Stück «Ionisa- wohl die Würze und die Wahrheit seines Mysteriums im tion» – ein Werk für 13 Schlag- Detail liegen. zeuge. Er war von diesem Stück derart begeistert, dass er sich mit dem geschenkten Geld auf einen nächsten Geburtstag ein Fernge- spräch mit dem Komponisten Edgar Varèse wünschte, das er auch führen konnte! In der Fussnote der Varèse-Plat- tenhülle wurden auch die Komponis- ten Béla Bartók, Igor Stravinsky und Anton Webern erwähnt, für die er sich umgehend ebenfalls zu interes- sieren begann. Er befasste sich als Teenager intensiv mit Musiktheorie und schrieb klassische Stücke für Or- chester. Es wurde bei ihm bereits dann zu seiner persistierenden Prä- ferenz, Musik für Orchester zu kom- ponieren. Eigentlich betrieb er von nun an andere musikalische Akti- vitäten primär um das nötige Klein- geld für seine eigentliche musikali- sche Leidenschaft zu erwirtschaften. Zum Geburtstag ein Telefongespräch mit Edgar Varèse Seine Leidenschaft kostete ihn aber und das ist nachhaltig teilweise sehr viel Geld. Mehrfach hat er in grossorchestrale Projekte in- Unzählige Facetten an multikulturellem Schaffen bestimmten das Leben vestiert, die nicht zu Stande kamen. des leider viel zu früh verstorbenen Bürgerschrecks, welcher am 21. De- Das lag auch an seinem Missver- zember 1940 in Baltimore (Maryland, USA) geboren wurde. Gemäss sei- ständnis über Orchester und deren ner Autobiografie (The Real Frank Zappa Book von 1989) sind seine Vor- Musiker. «Das primäre Interesse ei- fahren sizilianischen, griechischen, arabischen und französischen Ur- nes Orchestermusikers ist seine sprungs. In seiner Schulzeit, die er in Lancaster (Kalifornien) verbrachte, Rente. Für die Musik interessieren sie AAA-Bulletin Ausgabe Sommer & Herbst 2007 2 Frank Zappa (1940–1993) sich einen Scheiss», war eine seiner ein Konzert zu geben und drei Tage Von «The Blackouts» über Erkenntnisse aus der Zusammenar- Aufnahmen zu machen. Es kam «The Omen» und die erste beit mit Orchestern im Jahr 1976. nichts Gutes dabei heraus. Beim Filmmusik zum Studio Z. Vor allem die mangelnde Bereit- Konzert wurde ein Teil der Musiker schaft, neue Techniken zu lernen, die weggelassen; bei den Aufnahmen 1958 versuchte Frank Zappa nicht an einem Konservatorium ge- versuchte man mit verschiedenen di- erstmals mit Rock’n’roll-Bands seinen lehrt werden, frustrierte Frank. gitalen Bearbeitungen zu retten, Lebensunterhalt zu verdienen, da er «Wenn du einem Orchestermusiker was zu retten war. Alleine zum bereits von zu Hause ausgezogen ein neues Stück gibst, wird seine Stück «Strictly Genteel», einer Auf- war und auf eigenen Füssen zu ste- spontane Antwort sein: «Igitt!». Das nahme von knapp sieben Minuten, hen versuchte. Seine erste Band wurde ja von jemandem geschrie- meinte Frank: «Sie machten so viele hiess «The Blackouts» aus der später ben, der noch lebt.» Die Unbeweg- Fehler und spielten so schlecht bei «The Omen» wurde. Neben Gitarre lichkeit der Musiker, die Bürokratie, diesem Stück, dass wir 40 Schnitte und Schlagzeug lernte er auch Vi- die Gewerkschaften und die Rie- benötigten um das Gröbste zu ka- braphon, Orgel und Klavier zu spie- senkosten beschäftigten ihn perma- schieren. Wir verwendeten jeden len. So konnte er sich als Barpianist nent. Ständig drehten sich die Pro- verdammten Trick beim Mischen». seine kargen Einkommensquellen et- bleme um diese Bereiche, er schien Ihn störte in England speziell die was aufbessern. Nachdem er eine vehemente Frustrationstoleranz Bar, bzw. das Pub bei den Kon- 1959 zu dem Film «Run Home» und zu besitzen, denn er gab niemals zertsälen. Er meinte zum Desaster: 1962 zu «The World's Greatest Sin- auf. «Ich mache das aus zwei Grün- «Die Bar war gut bestückt und effek- ner» die Filmmusiken komponiert den: Erstens, weil ich die Musik tiv». Kein Wunder, dass er sich stark und eingespielt hatte, konnte er sich hören will, und zweitens, weil ich für Synthesizer, Musikcomputer und 1963 sein so genanntes Studio Z in bescheuert bin», meinte er dazu. das Synclavier-System interessierte Cucamonga leisten. In dieser Zeit Die Philharmoniker von Oslo willig- und als einer der Ersten kräftig zu spielte er in zahllosen lokalen ten ein, seine Kompositionen zu nutzen begann. Davon aber später Bands und schaffte sich auch als spielen, aber sie wollten nur zwei mehr… professioneller Produzent mit einer Tage proben; Zappa sagte ab. Die starken Affinität zu einer hohen Auf- Wiener Symphoniker planten eine Gehen wir zeitlich wieder zu- nahmequalität einen guten Namen. aufwändige Koproduktion mit Rund- rück: Ab 1955 erlernte er das Gi- Das Bürgertum im spiessigen Pro- funk, Fernsehen und der Stadt tarrenspiel. Damit war die Voraus- vinznest nahm aber die Aktivitäten Wien; als das Projekt von den Wie- setzung gegeben, um mit Rockmu- im und um das Studio Z mit Arg- nern abgesagt wurde, hatte Frank sik die benötigte materielle Basis für wohn war. Bald machte die Polizei schon über 100’000 Dollar inves- seine Interessen zu schaffen. das Studio Z infolge wahrgenomme- tiert. Auch mit einem holländischen ner Beischlafgeräusche und angebli- Orchester und einem privaten Pro- cher sexueller Perversio- jekt für ein Konzert am Lincoln Jazz nen dicht. Zappa wurde Center, das ja heute von Wynton zu zehn Tagen Haft verur- Marsalis geleitet wird, hat Frank teilt und erhielt zudem die weiteren Schiffbruch erlebt. «Kom- interessante Bewährungs- ponisten haben keine Gewerk- auflage, mit keiner unver- schaft», befand Zappa, «und die heirateten Frau unter 21 Musiker-Gewerkschaft macht ihnen Jahren in Kontakt zu tre- das Leben mit eingeschränkten Pro- ten, ausser in Anwesen- bezeiten etc. tatsächlich schwerer». heit eines Erziehungsbe- Noch einmal versuchte er es in Eng- rechtigten. Etwa zwei land mit dem London Symphony Or- Jahre später verkaufte chestra unter Kent Nagano. An- Frank das Studio Z in- fangs 1983 verzichtete das Orches- folge der verschiedenen ter auf einen Teil seiner Ferien und Querelen und zog nach war bereit 30 Stunden zu proben, Los Angeles. AAA-Bulletin Ausgabe Sommer & Herbst 2007 3 Frank Zappa (1940–1993) Über den Underground zu den Mothers 1964 schloss er sich der Band Soul Giants an. Er war fasziniert vom Gitarrensound und der Spiel- weise von Johnny Guitar Watson und auch von Matt «Guitar» Mur- phy. Da sich Frank jedoch mehr und mehr mit seinen Kompositionen durchzusetzen begann und der ur- sprüngliche Soul-Stil der Band ver- schwand, nannte sich die Band neu «The Mothers». Frank wurde als Gitarrist der Band auch deren Chef. Ihre Musik zeichnete sich speziell durch ver- schiedene Beats und Breaks, so- wie ständigen Rhythmus- und Takt- wechsel aus. Beim Auftauchen neuer Stücke in den Hitparaden machten «The Mothers» schräge und entstellte Parodien daraus, die bei ihrem Publikum sehr gut anka- men. Diese provozierende Spielart Band in «The Mothers Of Invention» Mitmusikern eine sehr breit abge- der Mothers und ihr garstig-freaki- bestand, erreichte mit den guten Be- stützte Anhängerschaft, denen der ges Erscheinungsbild trugen zum stei- ziehungen zu den Radiostationen, Freejazz alleine oder auch die mo- genden Subkultur-Mythos und der Be- dass deren Musik dort viel gespielt derne E-Musik zu elitär und die gän- kanntheit im Underground bei. wurde. Mit ihrer Mischung aus gige Rockmusik mit ihren Allerwelts- Rock’n’roll der 50er-Jahre, zahlrei- texten zu abgedroschen und zu bie- Mit Verve zu «Freak Out» chen sozialkritischen Texten und viel der erschienen. Trotzdem mussten und zur eigenen Familie Gelächter und Gestöhn wurden die die «Mothers Of Invention» Ende «Mothers Of Invention» innert kür- der 60er-Jahre dicht machen. Es Nach einer Phase intensivster zester Zeit zur Kultband der Under- kam zu wenig Geld herein, die Un- Auftritte gelang 1966 mit dem ers- ground-Szene von Los Angeles. kosten von Franks Arbeitsweise wa- ten Doppelalbum in der Rockge- Und dank den erfolgreichen Platten ren enorm. 1969 heiratete Frank schichte der kommerzielle Durch- und geografisch immer weiter aus- Gail Sloatman, mit der er zwei bruch. «Freak Out» wird überra- gedehnten Tourneen begann sie zu- Söhne (Dweezil und Ahmet Redan) schenderweise vom renommierten nehmend an Bekanntheit zu gewin- und zwei Töchter (Moon Unit und Jazzlabel Verve herausgebracht. nen. In den nächsten drei Jahren er- Diva) hatte. Dort hat man die überragende