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Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/2798

Kleine Anfrage mit Antwort

Wortlaut der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Friedhelm Helberg (SPD), eingegangen am 01.03.2006

Reaktivierung der Bahnstrecke - - (WZTE) Das Thema einer Reaktivierung der WZTE-Bahnstrecke, beschränkt auf die Teilstrecke Zeven - Tostedt, ist im Jahr 2005 in den Gremien des Landkreises (Wümme) beraten worden, zuletzt am 23.11.2005 im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. Gegenstand und Ergebnis der Er- örterung war u. a., dass sich die Bahnstrecke als Folge der fortlaufenden Instandhaltungs- und Sa- nierungsarbeiten in einem guten und „leicht" sanierbaren Zustand befinde. Die notwendigen Inves- titionskosten wurden mit ca. 1,5 Mio. Euro beziffert, daneben würden Kosten für die weitere laufen- de Unterhaltung anfallen. Die Bahnlinie erschließt eine Region mit mehr als 50 000 Einwohnern. Mit dieser Bahnstrecke kann mindestens ab Zeven in Richtung eine sichere, schnelle und zukunftsorientierte Nahver- kehrsanbindung an den Großraum Hamburg erhalten werden. In anderen Landkreisen Niedersachsens hat man die Bedeutung und den Wert regionaler Eisen- bahnstrecken erkannt. In den Landkreisen Cuxhaven, Cloppenburg, Diepholz, Osterholz und im Land Bremen werden bereits stillgelegte Bahnstrecken für Touristik-, Güter- und ÖPNV-Verkehre wieder aufgebaut, finanziert von den Anliegergemeinden, den Landkreisen, den kommunalen Ver- kehrsbetrieben, dem Land Niedersachsen und ganz erheblich mit EU-Mitteln. Zwar hat Herr Dr. Gorka von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) vor ca. sechs Jahren die Reaktivierung der WZTE-Bahnstrecke insgesamt nicht befürwortet, diese Beur- teilung bezog sich auf die gesamte Länge von Wilstedt bis Tostedt. In der Region wird zurzeit je- doch (nur) der Abschnitt Zeven - Tostedt als zukunftsfähig angesehen. Dieser Abschnitt präsentiert sich in einem guten Zustand und wäre mit begrenzten Mitteln zu sanieren. Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung: 1. Ist sie bereit, zusammen mit dem Landkreis Rotenburg (Wümme) ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, in dem ausschließlich für den Streckenabschnitt Zeven - Tostedt eine Nut- zung der Bahnstrecke für den Güter- und Personenverkehr untersucht wird? 2. Teilt sie die Einschätzung, dass eine Finanzierung mit ILEK-Mitteln (Integrierte ländliche Ent- wicklungskonzepte) der EU eine erhebliche Verbesserung der Anbindung an den Großraum Hamburg möglich macht und die Region Zeven - - Heidenau mittelfristig als Wohn- und Lebensraum für viele Familien attraktiv werden und bleiben lässt? 3. Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch der finanzielle Aufwand war, mit dem der Stre- ckenabschnitt Zeven - Tostedt in den letzten sechs Jahren saniert worden ist? Welche Höhe erreicht dieser Aufwand? 4. Welche Priorität misst sie der Reaktivierung der Bahnstrecke Zeven - Tostedt im Bereich der niedersächsischen Bahnverkehrsplanung zu?

(An die Staatskanzlei übersandt am 07.03.2006 - II/721 - 494)

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Antwort der Landesregierung

Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 03.04.2006 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020 (44.2-01424/1) -

Die Strecke Wilstedt - Zeven - Tostedt der Eisenbahnen- und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser GmbH (EVB) wird nur noch in geringem Umfang im Güterverkehr genutzt. Die Teilstrecke Wilstedt - Zeven ist ohne Verkehrsbedienung. Der technische Zustand der Strecke ist schlecht. Im Bereich zwischen Wilstedt und Zeven musste aufgrund des schlechten Streckenzustandes bereits eine Teilstrecke gesperrt werden. Um die Teilstrecke Wilstedt - Zeven zu erhalten, sind kurzfristig ent- sprechende Investitionen zu tätigen. Aufgrund der fehlenden Trassennachfrage, sind die für den Erhalt der Strecke notwendigen Ausgaben für die EVB nicht darstellbar. Die Teilstrecke zwischen Zeven und Tostedt wird von der EVB im Auslaufbetrieb für den Schienengüterverkehr vorgehalten, bis größere Investitionen anstehen. Die Wiederaufnahme des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) auf der Strecke Wilstedt - Zeven - Tostedt wurde durch die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) 1999 un- tersucht. Es kristallisierte sich jedoch bereits in einem frühen Untersuchungsstadium heraus, dass u. a. aufgrund des geringen Nachfragepotenzials keine tragfähige Grundlage für die Reaktivierung des SPNV auf dieser Strecke besteht. Für die Teilstrecke zwischen Wilstedt und Tostedt ist auch unter Berücksichtigung der in der letzten Zeit vorgelegten Konzepte aufgrund der seit der Untersu- chung der LNVG unveränderten Rahmenbedingungen kein anderes Ergebnis zu erwarten. Die Voraussetzungen, in diesem Raum mit Streckenreaktivierungen einen nennenswerten Beitrag zur Verlagerung von Verkehren vom motorisierten Individualverkehr zum öffentlichen Personen- nahverkehr auf der Schiene zu leisten, sind nicht gegeben. Die Strecke liegt ausnahmslos im länd- lichen Raum, also dort, wo die Systemvorteile der Eisenbahn aufgrund des fehlenden Fahrgastpo- tenzials nicht zur Geltung kommen können. Die zur Reaktivierung dieser Strecke erforderlichen In- vestitionen sind daher nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus verursacht jede Reaktivierung zusätz- liche Betriebskosten, die dauerhaft finanziert werden müssen. Gerade im Hinblick auf die zu er- wartenden Kürzungen der für den SPNV zur Verfügung stehenden Mittel durch die Bundesregie- rung, können derartige zusätzliche Belastungen nicht aufgefangen werden. Die volkswirtschaftliche Rentabilität von Reaktivierungen muss immer auch ins Verhältnis zur volkswirtschaftlichen Rentabilität alternativer SPNV - Investitionen gesetzt werden. Die hier veraus- gabten Mittel würden an anderer Stelle - beispielsweise für P+R-Anlagen, für Bahnhofsausbau- maßnahmen oder für notwendige Angebotsverbesserungen - fehlen. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen ist es jedoch unabdingbar, die zur Verfügung stehenden Fördermittel dort einzusetzen, wo sie den größten verkehrlichen Nutzen erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist weder für die Ge- samtstrecke noch für den Teilabschnitt Zeven - Tostedt gegeben. Ggf. erforderliche Sanierungs- maßnahmen an der Strecke Wilstedt - Zeven - Tostedt oder gar eine Reaktivierung im SPNV kön- nen daher nicht vom Land finanziert werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Für eine erneute Untersuchung dieser Strecke besteht wegen der weiterhin ungünstigen Bedingun- gen für den SPNV in diesem Bereich kein Bedarf. Das Land wird sich daher nicht an weiteren kos- tenträchtigen Untersuchungen beteiligen. Zu 2: ILEK-Mittel stehen für die Reaktivierung der Strecke nicht zur Verfügung. Richtig ist hingegen, dass im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Erarbeitung von integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten (ILEK)

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gefördert werden kann. Die Förderung erfolgt auf der Grundlage der Richtlinien über die Gewäh- rung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE). Zuwendungsempfänger können dabei Gemeinden bzw. Gemeindeverbände sowie Zusammenschlüsse verschiedener Ak- teure unter Einschluss von Gemeinden oder Gemeindeverbänden sein. Die Erarbeitung eines ILEK dient der Einbindung einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft in den Prozess zur Stärkung der regionalen Wirtschaft, welches auf der Basis einer Analyse der regionalen Stärken und Schwächen – die Entwicklungsziele der Region definiert, – Handlungsfelder festlegt, – die Strategie zur Realisierung der Entwicklungsziele darstellt und – prioritäre Entwicklungsprojekte beschreibt. Ein ILEK würde dabei auf die regionalen Gegebenheiten, wie z. B. eine vorhandene regionale Bahnstrecke, aufsetzen. Die Entwicklung und spätere Förderung von Projekten, die diese Infra- struktur nutzen bzw. deren Bestand voraussetzen ist denkbar. Eine Förderung des Erhalts bzw. der Reaktivierung der Bahnstrecke ist aus diesem Förderbereich hingegen nicht möglich. Darüber hin- aus wäre die Frage des dauerhaft auszugleichenden Betriebskostendefizits weiterhin offen. Zu 3: Im Jahr 2001 wurde im Rahmen einer Kreuzungsmaßnahme ein kritischer Bahnübergang im Be- reich des derzeit noch genutzten Streckenabschnitts zwischen Zeven und Tostedt technisch gesi- chert. Dies verursachte für die EVB Kosten in Höhe insgesamt rd. 43 600 Euro. Der EVB wurde zu dieser Investition aufgrund des § 17 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes aus Landesmitteln ein Zu- schuss von knapp 21 800 Euro gewährt. Außerdem wurde im Jahr 2002 zwischen Zeven und To- stedt für etwa 28 000 Euro mit Eigenmitteln der EVB eine Brücke instand gesetzt. Zu 4: Die Strecke ist nicht Bestandteil von Planungen im SPNV in Niedersachsen.

Walter Hirche

(Ausgegeben am 06.04.2006) 3