Hundert Jahre Gröninger Zügle Te Markgröningen Rund 70 Jahre Lang Erfolglos Um Einen Bahnanschluss
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6 Geschichtsforschung Peter Fendrich und David Zechmeister Von Ludwigsburg als Oberamtsstadt abgelöst und politisch in der Diaspora gelandet, kämpf- Hundert Jahre Gröninger Zügle te Markgröningen rund 70 Jahre lang erfolglos um einen Bahnanschluss. Im Wettbewerb mit Rückblick zur Reaktivierung der Bahnstrecke Ludwigsburg – Markgröningen Bietigheim um die Trassierung der „Westbahn“ So lang sie dafür gekämpft hatten, so sehr liebten die Gröninger ihr „Zügle“ auf der vor hundert von Ludwigsburg nach Mühlacker hatte Mark- Jahren eingeweihten Strecke. Ver geblich protestierten sie 1975 gegen die Einstellung des Personen- gröningen um 1850 trotz günstigerer geogra- verkehrs und wollten sich auch weiterhin nicht damit abfinden. Dass die Stilllegung selbst aus rein phischer Voraussetzungen jedoch das Nach- wirtschaftlicher Sicht ein Fehler war, belegen etliche Untersuchungen. Die Gutachter errechneten alle sehen. Die von Projektleiter Karl Etzel anfangs einen weit und breit uner reichten Kosten-Nutzen-Faktor. So schien die Reaktivierung 1995 bereits auf vorgeschlagene Trassierung durch das Leudels- gutem Wege – und geriet wegen unterschiedlicher Interessen doch auf die lange Bank ... bachtal wäre kürzer gewesen, hätte einen bahn- gerechten sanften Abstieg ins Enztal ermög- licht und keinen teuren Viadukt wie in Bietig- heim erfordert. Kein Wunder, dass die über- gangenen Gröninger „Vetterleswirtschaft“ im Spiel sahen. Tatsächlich war man in Bietigheim bereit, für die Mehrkosten aufzukommen, und stell te damit die Weichen für einen zukunfts- trächtigen Bahnknoten. Nebenstrecke mit Eigenbeteiligung Um der Stagnation zu entgehen und um der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung zu be- gegnen, ließ der Markgröninger Magistrat um 1890 eine Stichbahn von Asperg nach Mark- gröningen projektieren, erhielt dafür aber kei- ne Genehmigung. Schließlich stellte das „Ko- mitee für Erbauung einer Bahn Ludwigsburg – Vaihingen a. d. E.“ am 1. März 1898 einen An- trag an die Hohe Ständeversammlung in Stutt- gart, eine Schmalspurbahn von Ludwigsburg über Eglosheim, Asperg, Markgröningen, Un- ter- und Oberriexingen, Enzweihingen, Vai- Bild: Nachlass Bräckle Nachlass Bild: hingen an der Enz nach Sersheim mit einer Markgröninger Bahnhofspersonal um Johannes Schöll vor der Lok 1406 der 1916 bis 1918 von der Maschinenfabrik Abzweigung von Enzweihingen über Riet nach Esslingen hergestellten Baureihe T6 (DR-Baureihe 92.0). Auf der Lok stehen zwei Rangierer, Lokführer und Heizer Eberdingen zu bauen. Beigelegt waren ein Kos- Geschichtsforschung 7 Quelle: Stadtarchiv MG, M01, Bü 76 Karte der 1898 projektierten Schmalspurbahn Ludwigsburg – Vaihingen an der Enz entlang Unterriexingen, Oberriexingen und Enzweihingen und einem Abzweig von Enzweihingen von Riedbach, Leudelsbach und Enz mit Bahnhöfen in Eglosheim, Asperg, Markgröningen, durchs Strudelbachtal nach Riet und Eberdingen Bild: Wolf-Peter Ebeling Rolf Müllers originalgetreues Modell vom „Gröninger Zügle” mit einer Lokomotive der würt- tembergischen Wagengarnitur aus Packwagen und drei Plattformwagen war die Attraktion tembergischen Baureihe Tn (ab 1925 bei der Reichsbahn 94.1) und einer zweiachsigen würt- der Ausstellung des AGD-Arbeitskreises Museum 1987 8 Geschichtsforschung tenvoranschlag über 1.649.000 Mark, eine de- taillierte Rentabilitätsberechnung, die die er- hofften Betriebseinnahmen im Personen-, Gü- ter-, Wagenladungs- und Viehverkehr den er- warteten Betriebsausgaben gegenüberstellte, sowie ein Lageplan der projektierten Strecke entlang von Riedbach, Leudelsbach und Enz. Der Markgröninger Bahnhof war oberhalb der Ölmühle an der Tammer Straße vorgesehen. Nachdem dieser Antrag abgelehnt worden war, beantragten die Kommunen Ludwigsburg, Möglingen und Markgröningen am 23. April Bild: Haus der Geschichte BW 1908 den Bau einer normalspurigen Staatsbahn (1435 mm) von Ludwigsburg über Möglingen Ludwigsburger Bahnhof 1910 von Süden. Zwischen den Gleisen der Zichorienfabrik Heinrich Franck & Söhne (links) und der Hauptstrecke (rechts) wurde das Gleis der Stichbahn nach Markgröningen eingefädelt nach Markgröningen. Um die „Hohe Königli- che Staatsregierung“ und die „Hohe Ständever- sammlung“ für das Vorhaben zu gewinnen, er- klärten sich die beteiligten Kommunen bereit, für die Staatsbahn den Grund zu erwerben, die Strom- und Wasserversorgung der Bahn- höfe zu finanzieren und pro Kilometer zu- sätzlich einen Baukostenzuschuss von 10.000 Mark einzubringen. Dieser Antrag wurde ge- nehmigt und ab Mai 1914 von der Ludwigsbur- ger Bausektion umgesetzt. Vom Ludwigsburger Bahnhof verlief die 8,35 Kilometer lange Stre- cke etwa einen Kilometer entlang der Nord- bahn genannten Hauptstrecke, um dann in südwestliche Richtung zu verschwenken. Nach 2,5 Kilometern erreichte man bereits den Hal- tepunkt am Osterholz, nach 5,5 Kilometern die „Station“ in Möglingen nordwestlich vom Orts- kern. Ab hier verlief die Strecke in nordwest- licher Richtung. Der Markgröninger Bahnhof Bild: Postkarte, Fundus Zechmeister Postkarte, Fundus Bild: wurde etwa einen Kilometer östlich vom Stadt- Markgröninger Bahnhofsgebäude mit einem Bauwagen kurz vor der Inbetriebnahme am 4. Dezember 1916 kern an der Asperger Straße platziert, um eine Geschichtsforschung 9 Verlängerung im Norden der Stadt für die Die Kosten lagen bei 405.000 Mark für weiterhin angestrebte Durchbindung nach den Grunderwerb und 1.475 Millionen Mark Enz weihingen offenzuhalten. Die vorgesehe- für den Bau der Trasse mit einer maximalen ne Strecke nach Unterriexingen am Hang des Steigung von 17 Promille und einem minima- Leudelsbachtals entlang soll im schwierigen len Kurvenradius von 300 Metern. Zusteige- Gewann Hörnle bereits ausgesteckt gewesen möglichkeiten gab es an der Station Möglin- sein. Die Verlängerung wurde kriegsbedingt gen und am Haltepunkt Osterholz, die nur mit aber nicht weiterverfolgt und danach trotz einem Durchfahrtsgleis versehen waren. Die teilweise erfolgten Grunderwerbs aufgegeben. ersten Züge verkehrten mit lediglich drei Per- Nach einer längeren Unterbrechung infol- sonenwagen vierter Klasse, weil es wegen der ge des Kriegsbeginns konnte der aus Pfaffen- zahlreichen Truppentransporte an verfügbaren hofen hierher versetzte Bahnhofsvorstand Jo- Waggons mangelte. Für die zahlreichen Mark- hannes Schöll am 4. Dezember 1916 den 174. gröninger Berufspendler, die sich bislang früh- Bauabschnitt der Königlich Württembergi- morgens zum gemeinsamen Marsch zum As- schen Staats-Eisenbahnen in Betrieb nehmen. perger Bahnhof trafen, war das Zügle eine gro- Obwohl die Gröninger so lange für einen Bahn- ße Erleichterung. Manche fuhren nun sogar anschluss gekämpft hatten, verzichtete man we- zur Mittagspause nach Hause. gen der inzwischen deutlich spürbaren Auswir- Der Postkutschen-Pendelverkehr zwischen kungen des Krieges auf eine Einweihungsfeier. Markgröningen und dem Asperger Bahnhof Zechmeister David Bild: Eine kurze Rede Schölls vor der ersten regulä- wurde bereits am Wochenende nach der Auf- Der mit einem Anbau versehene Lokschuppen am Ostende ren Abfahrt in Markgröningen war alles. nahme des Bahnbetriebs eingestellt. Auf ihrer des Bahnhofs wurde 2014 abgerissen Bild: Nachlass Bräckle Nachlass Bild: Wikimedia Kjunix, Bild: Geschmückte Postkutsche auf der letzten Fahrt zum Asperger Bahnhof Württembergische T5, bei der Reichsbahn Baureihe 75.0, Herstellerbild von 1910 10 Geschichtsforschung Bild: Elsbeth Sieb Elsbeth Bild: Zechmeister Fundus Dobbrick, Quelle: E. Bild: Die Kinder hatten sich zur Abholung des Landrats am Bahnhof eingefunden (Schäferlauf Im Westflügel des Empfangsgebäudes war die Bahnhofswirtschaft untergebracht. Deren 1932). Im Hintergrund grenzt das Toilettenhäuschen an das Empfangsgebäude erste Wirtin war sich selbst der beste Gast. 1935 wurde sie von Maria Ritter abgelöst Quelle: Fundus Zechmeister Fundus Quelle: Quelle: Wilfried Ritter Wilfried Quelle: Straßen- und Gleisseite des Lagerhauses der Genossenschaft LABAG: in den 1920er Jahren erstellt, 2010 abgerissen Maria Ritter und Söhne vor ihrer Wirtschaft Geschichtsforschung 11 letzten Fahrt am 10. Dezember 1916 war die legte und den gesamten Gebäudekomplex im März schen Staats-Eisenbahnen besiegelt. Durch ei- stets mit Kutscher und Postillon Ziegler be- 2010 komplett abbrechen ließ. nen Staatsvertrag zwischen Reich und Ländern setzte zweispännige Postkutsche mit Fahnen gingen die Staatsbahnen von Württemberg, Ba- und Reisig geschmückt. Die Bahnhofswirtschaft den, Bayern, Preußen, Sachsen, Mecklenburg Im Westflügel des Empfangsgebäudes war die und Oldenburg in der zum 1. April 1920 ge- Weitere Gebäude im Bahnhofsareal Bahnhofswirtschaft untergebracht. Deren ers- gründeten Reichsbahn auf. Damit erhielten die Im Markgröninger Bahnhof wurden in den Folge- te Wirtin soll selbst der beste Gast gewesen auf der Strecke Ludwigsburg – Markgröningen jahren weitere Gebäude erstellt: nordöstlich vom sein und hielt trotzdem bis 1935 durch. Ab- eingesetzten Tender-Lokomotiven neue Be- Empfangsgebäude ein eingleisiger Lokschuppen gelöst wurde sie von Maria Ritter, die im Ei- zeichnungen. Die ab 1910 von der Maschinen- mit Anbau, westlich ein Toi lettenhaus, nordwest- senbahnerhaus wohnte und die Wirtschaft bis fabrik Esslingen gebaute T5 wurde fortan als lich jenseits der Gleise ein Eisenbahner-Wohn- 1953 führte. Danach baute sie die Bundesbahn Baureihe 75.0 geführt, die ab 1916 gebaute T6 haus am Maulbronner Weg. Vis-à-vis vom Bahn- zur Übernachtungsstelle um. Das Zugperso- als BR 92.0. Sie wurde nach dem Zweiten Welt- hofsgebäude erstellte die Landwirtschaftliche Be- nal des letzten eingehenden