Der Feldhamster Cricetus Cricetus Im Landkreis Goslar
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Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 40: 481-485 (2008) 481 Der Feldhamster Cricetus cricetus im Landkreis Goslar Martin Bollmeier & Paul Kunze BOLLMEIER , M., & P. K UNZE (2008): Der Feldhamster Cricetus cricetus im Landkreis Goslar. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 40: 481-485. Der Feldhamster Cricetus cricetus stellt dort, wo er vorkommt, nicht selten eine wesentliche Nahrungsgrundlage des Rotmilans Milvus milvus dar, einem der Charaktervögel des Harz- vorlandes. In dieser Arbeit werden Vorkommen und Bestandsentwicklung des Feldhamsters im Landkreis Goslar beschrieben sowie Gefährdungsursachen und Schutzmaßnahmen diskutiert. Aktuell sind die Feldhamster-Bestände auf sehr kleine Restbestände geschrumpft, so dass das regionale Aussterben befürchtet werden muss. M. B., Eschenring 31, D-38704 Liebenburg; P. K., Schäfergarten 8, D-38690 Vienenburg/Wiedelah . Beschreibung und Lebensweise Die eingetragenen Getreidemengen variieren, Der Feldhamster ist mit seinem sandfarbenen liegen in der Regel aber um 2 kg pro Tier. We- Rückenfell, seinem fast schwarzen Bauchfell sentlich darüber hinaus gehende Angaben und seiner durch cremefarbene Wangenflecken erscheinen unglaubwürdig ( NIETHAMMER 1982, an einen Clown erinnernden Gesichtsmaske WEINHOLD & K AYSER 2006). nicht nur unverkennbar, sondern auch einer der Um seinen bis zu 2 m tiefen Bau graben zu buntesten Säugetiere unserer Heimat. Durch können, benötigt der Feldhamster einen Bo- seine oft aufrechte Körperhaltung besitzt er den, der möglichst aus Feinerde besteht; steini - einen menschenähnlichen, ihn sympathisch ge Böden werden daher gemieden. Auch muss machenden Habitus. Feldhamster zeigen als der Grundwasserspiegel mindestens 1,20 m ausgewachsene Tiere Körperlängen von ca. 23 unter der Erdoberfläche liegen. Aus all diesem cm. Das Gewicht der Männchen liegt bei ca. folgt, dass der Feldhamster als Kulturfolger des 350 g, das der Weibchen ist geringer und be- Menschen heute vor allem in den Getreidean- trägt ca. 280 g ( NIETHAMMER 1982, W EINHOLD & baugebieten auf Löß- oder Braunerdeböden KAYSER 2006). vorkommt. Auf Moor- und Sandböden sowie in Feldhamster halten Winterschlaf, bei dem die Flussauen fehlte er schon immer ( NIETHAMMER Körpertemperatur auf etwa 3 °C abgesenkt 1982, W EINHOLD & K AYSER 2006). Wenngleich wird. Alle 5-14 Tage wachen die Tiere auf, um die meisten Baue auf bewirtschafteten Äckern von ihren eingelagerten Vorräten zu fressen, lagen, so war aber auch die Zahl der Baue auf die sie im Laufe des vorangegangenen Som- Brachflächen, an Böschungen, Wegrändern mers und Herbstes in ihre selbst gegrabenen oder Hecken nicht klein. Baue eingetragen haben ( WEINHOLD & K AYSER 2006). Als Vorrat werden Getreidekörner, vor Gefährdung durch direkte Verfolgung allem Weizen, aber auch Gerste und Hafer Als vermeintlicher Getreideschädling und Nah- (KUPFERNAGEL & M AURISCHAT 2006) bevorzugt. rungskonkurrent des Menschen wurde der Damit die Körner gelagert werden können und Feldhamster früher intensiv verfolgt. Als Ju- nicht verderben, müssen sie möglichst trocken gendliche haben auch die beiden Autoren im eingetragen werden, da sie in der Tiefe des Glauben, etwas Gutes zu tun, im Spätsommer Baues nicht wesentlich nachtrocknen können. nicht selten am „Hamstergraben“ teilgenom - Feucht und unreif eingebrachte Körner begin - men. In den Vorkommensgebieten des Feld- nen zu schimmeln und zu verderben, so dass hamsters war es nicht unüblich, dass mehrere sie für den Feldhamster ungenießbar werden. Jugendliche gemeinsam auf die abgeernteten 482 BOLLMEIER & K UNZE : Der Feldhamster im Landkreis Goslar Felder zogen, um mit dem Spaten Feldhamster Eine Gefährdung von Feldhamsterpopulatio- aus ihren Bauen auszugraben. Dies war bei oft nen war durch das „Hamstergraben“ nicht zu brütender Hitze und den oft großen, verzweig - befürchten, da selten mehr als ein Bau pro Tag ten und tiefen Bauen eine sehr schweißtreiben - geschafft wurde, während die Baue auf den de Arbeit, bei der man Mut beweisen konnte, Äckern oft dicht an dicht lagen. Abseits der wenn der Feldhamster aus dem Bau heraus - Äcker wurde nur selten ausgegraben, so dass kam. Die aggressiven Tiere griffen nicht selten der Feldhamster hier wichtige Rückzugsge- die umstehenden Personen an und verfolgten biete hatte. sie über viele Meter, bis das Tier endlich mit dem Spaten erschlagen wurde. Junghamster Eine wirkliche Reduzierung des Feldhamster- wurden zum Teil gefangen und als „Haustiere“ bestandes konnte hingegen mit Fallen erreicht mitgenommen. Jedoch bissen sie sich nicht werden, so auch im Großraum Vienenburg, in selten aus ihren Gefängnissen frei und besie - dem in manchen Jahren mehrere Hundert delten dann umliegende Gärten. Feldhamster erbeutet und ihr Fell verkauft Abb. 1: Verbreitung des Feldhamsters im Landkreis Goslar: X Quadranten mit Nachweisen bis 1993; Minutenfelder mit Nachweisen 2000-2007. – Distribution of the Common Hamster in the administrative district of Goslar: X squares of the topographical map with records until 1993; minute grids with records from 2000 to 2007. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 40 (2008) 483 wurde. Im Jahr 1980 hat die Bundesarten- 4028/2) nachweisen. Aus dem Lutterschen schutzverordnung den Feldhamster als beson - Becken (TK 4027/1, 2) fehlen Nachweise, und ders geschützte Tierart eingestuft und damit Nachfragen bei dort lebenden Landwirten wa- vor der direkten Verfolgung durch den Men- ren ebenfalls negativ. Im Seesener Gebiet, dem schen geschützt. Doch heute gilt er trotzdem westlichen Harzvorland, trat der Feldhamster als in seinem Fortbestand gefährdeter denn je. nur vereinzelt auf. Hier liegen Beobachtungen Nach der Roten Liste der in Niedersachsen und aus dem Gebiet um Engelade (TK 4126/2) vor Bremen gefährdeten Säugetierarten ( HECKEN- (POTT -D ÖRFER & H ECKENROTH 1994). ROTH 1991) ist der Feldhamsterbestand in Nie- Im Oberharz war der Feldhamster sicher nie dersachsen heute stark gefährdet. heimisch. Zwar berichtet SAXESEN (1834) von einem Fang bei Festenburg nahe Clausthal- Verbreitung des Feldhamsters in Europa Zellerfeld (TK 4128/3), und BLASIUS (1857) Der Feldhamster ist eine Tierart Mittel- und beschreibt sogar einen Fund am Wurmberg Südosteuropas sowie der östlich anschließen - (TK 4229/2), doch dürfte es sich hier mit den asiatischen Steppengebiete. Die Bundes- Sicherheit um verirrte oder, noch wahrscheinli - republik Deutschland bildet den westlichen cher, um ausgesetzte Tiere gehandelt haben. Rand seines Verbreitungsgebietes, wobei die Ein Getreideanbau wurde in früheren Jahrhun- Vorkommen in Niedersachsen den nordwestli - derten um die Harzstädte herum nur in sehr chen Arealrand darstellen ( NIETHAMMER 1982, geringem Umfang durchgeführt, so dass dem WEINHOLD & K AYSER 2006). Feldhamster eine ausreichende Nahrungs- grundlage gefehlt haben dürfte. Zudem waren Verbreitung des Feldhamsters in Nie- die steinigen Böden für die Anlage der Baue dersachsen nicht geeignet. Zusammenfassende Angaben zur Verbreitung des Feldhamsters in Niedersachsen machten Bestandsentwicklung im Landkreis TENIUS (1954) und GERSDORF (1972). Als Zwi- Goslar schenergebnis des niedersächsischen Tierar- Um die Gefährdung des Feldhamsters abschät - tenerfassungsprogramms veröffentlichten zen zu können, wurden vom Niedersächsi- POTT -D ÖRFER & H ECKENROTH (1994) eine Über - schen Landesverwaltungsamt – Fachbehörde sichtskarte der Feldhamstervorkommen im für Naturschutz – in den Jahren 1985-1989 auf gesamten Bundesland, die sich im Wesent- 19 Probeflächen von jeweils ca. 20 ha Fläche lichen mit den Angaben von GERSDORF (1972) im niedersächsischen Verbreitungsgebiet des deckte: Demnach kam der Feldhamster in Nie- Feldhamsters quantitative Erfassungen durch - dersachsen fast ausschließlich südlich des geführt. Im Landkreis Goslar fanden diese Mittellandkanals vor. Untersuchungen bei Heißum (TK 4028/1) und Lochtum (TK 4029/4) statt. Der Autor (M. B.) Verbreitung des Feldhamsters im Land- fand im Sommer 1984 auf Äckern bei Heißum kreis Goslar auf einer Fläche von 9,5 ha 16 Baue, also Früher war der Feldhamster im Landkreis 1,7/ha und bei Lochtum auf 9,5 ha Fläche 7 Goslar im Harzvorland weit verbreitet. Vor allem Baue, also 0,74/ha ( BOLLMEIER & S TEUBE 1992, zwischen Othfresen, Heißum, Dörnten und unveröff.). Diese Untersuchungen wurden 1986 Jerstedt (TK 3928/3 , TK 4028/1), im Großraum bis 1989 von einer Arbeitsgruppe des Nieder- Immenrode, Vienenburg, Wiedelah und Loch- sächsischen Landesverwaltungsamtes – Fach- tum (TK 4028/4, TK 4029/3, 4) sowie bei Leng- behörde für Naturschutz – fortgesetzt ( POTT - de (TK 4029/1) kam die Art regelmäßig und oft DÖRFER & H ECKENROTH 1994). Dabei ergab sich, in großer Dichte vor. Weitere Vorkommen lagen dass auf den beiden Probeflächen die Feld- bei Alt Wallmoden (TK 3927/4) und um Lieben- hamsterbestände deutlich abnahmen, bei burg (TK 3928/4). Zudem konnten BINDIG & Heißum auf 0,27/ha, bei Lochtum auf 0,10/ha, VAUK (1966) bei Untersuchungen von Schleier- also auf rund ein Sechstel des Ausgangswer- eulengewöllen Tyto alba einen Junghamster als tes. Fast alle anderen Probeflächen in Nieder- Beute bei Groß Döhren (TK 3928/4 bzw. TK sachsen zeigten ein ähnliches Bild, der Rück- 484 BOLLMEIER & K UNZE : Der Feldhamster im Landkreis Goslar gang betrug auf 12 von 19 Flächen mehr als werden. Damit wird erreicht, dass beim Dre- 80 %. schen auf dem Acker verloren gegangene Getreidekörner schnell keimen können und Vom Feldhamster wie auch von der Feldmaus wenige Wochen später bei einer weiteren Microtus arvalis ist bekannt, dass regelmäßig Ackerbearbeitung die jungen Getreidehalme Massenvermehrungen