WIR SIND

DAS MAGAZIN DER

E GRÜNEN.D E N 0 E AM 2/2 GRU START018 SCHWERPUNKT BEWEGUNG Nichts passiert von selbst! Ganz gleich, ob wir ein Glas Wasser trinken oder die Welt retten wollen: Jede Bewegung beginnt mit einer Idee. Und dann? Gewohnte Bewegungsmuster hinterfragen und Kreis­ läufe durchbrechen hilft Neues in Gang zu setzen. Editorial

MERKSATZ „Nicht Armut oder drohende Verarmung sind der stärkste Antriebsmotor für Bewegungen, sondern ein tief empfundenes Gefühl der Ungerechtigkeit.“ Philipp Hauner, Seite 9 ERSTE HILFE

TIEF BEWEGT Den Anstoß zu diesem Magazin gab mir die Gedenkfeier für Rudi Dutschke im April in Berlin, 50 Jahre nach dem Attentat. Wenn wir heute sehen, welche Veränderungen in unserem Land im Gange sind und zugleich wissen, dass es Veränderung braucht, wenn im Jubiläumsjahr der FÜR DIE PFLEGE 68er-Bewegung viele unserer gesellschaftlichen und politischen Errungen­ schaften herausgefordert werden: Wo ist 2018 die Energie zu finden, die wir mit 1968 verbinden? Was bedeutet Bewegung heute? JETZT BEWEGEN Im „Schwerpunkt Bewegung“ hat sich unser Autor Philipp Hauner mit viel Offenheit auf eine Suche begeben. Ich möchte euch TERMINE einladen zu einem Lesestück, das große und persönliche Fragen stellt, in 20. – 21. Juli: Grünes Forum zum Grund­satz­­pro­ einer Woche im Mai Stimmen und Stimmungen von Menschen einfängt und gramm in Bayern. Schwerpunkt Digitalisierung. mit Blick nach vorn in den Spiegel der 68er schaut. Welche Anknüpfungs­ punkte gibt es? Wo bewegt sich was? Wenn wie in Bayern 40.000 Menschen 7. – 8. September: Bundesfrauenkonferenz gegen ihre Regierung auf die Straße gehen, wird Bewegung sichtbar! „Neue Zeiten. Neue Antworten.“ Das feminis­ IN BEWEGUNG Wir Grüne haben Wurzeln in der 68er-Bewegung, unsere tische Forum zum Grundsatzprogramm. Partei hat sich aus vielfältigen Bewegungen gespeist. Und wir sind weiter­- hin eine Partei in Bewegung: 25 Jahre Zusammenschluss von Bündnis 90/ 15. September: Dezentraler Aktionstag Die Grünen, fast 30 Jahre friedliche Revolution – was das für uns Grüne gegen Plastik. Wir machen den Coastal Clean bedeutet, ist Thema im nächsten Magazin. Up Day richtig groß. Plastik ist ein Jahr­ BEWEGT EUCH Ich hoffe, dass dieses Magazin viel in Bewegung bringen hundertproblem, wir packen’s an: in Europa, wird – bitte schreibt mir euer Feedback! in Deutschland und bei dir vor Ort.

Euer Michael 24. September: Landesforum zum Thema Digitalisierung in Hamburg

27. Oktober: Grünes Forum zum Grund­ satzprogramm in Worms, Rheinland-Pfalz

03. November: Grüne Themenwerkstatt zum Grundsatzprogramm in Rostock

09. – 11. November: Bundesdelegierten­ konferenz in Leipzig (Messe). Die BDK zur Europawahl. Wir beschließen das Wahl­ programm und die Europaliste.

17. November: Grüner Tag zum Grundsatz­ programm in Zwickau

Grünes Engagement-Forum für Beteiligung, Empowerment, Engagement- und Organi­ sationskultur am 14./15. September in Berlin – für alle Mitglieder. Infos & Anmeldung: gruene.de/engagement-forum

Wahlkampf- und Neumitglieder-Workshops für Kreisverbände zum Wunschtermin

Gretchen Dutschke (rechts) und Michael Kellner bei der Gedenkfeier Angebot & Buchung: gruene.de/workshops für Rudi Dutschke am 11. April in Berlin.

3 Was, ich? Selbstwirksam- keit ist, wenn man weiß, dass man mit seinem Können eine wichtige Angelegenheit voranbringen kann. Ein gutes Gefühl! Neue Formen der politischen Beteiligung sind beweglich – sie orga- ni­sieren Zeit und Kompeten- zen ihrer Mitstreiter für gemeinsame Ziele. Ein erster Schritt: Gute Argumente kennen. BEWEGTE ZEITEN

Fünfzig Jahre nach ’68 ist der Wunsch nach Veränderung spürbar wie nie zuvor. Was bedeutet Bewegung heute? Gibt es Parallelen? Und wo bewegt sich eigentlich was? Unser Autor hat sich auf eine Suche begeben.

Text Philipp Hauner Illustration Anna Maria Kiosse

Ein lauer Abend Anfang Mai in München. eine Mini-Umfrage unter den Besucher*innen, auf dem flachen, gerodeten Land, umtriebige Der Innenhof des Deutschen Theaters füllt Zufallsauswahl. Tobias Necker, ein dreitage­ Banker in feinem Zwirn vor flackernden sich mit Menschen, Erwartung liegt in der bärtiger junger Meteorologe fühlt sich vom Bildschirmen und ein chinesischer Airbus-­ Luft. Es ist Premierenabend, der Musical­ Programmheft angesprochen: „Ich habe nur Manager, der erzählt, dass jedes Jahr 15 bis palast verwandelt sich in einen Kinosaal Climate Change gelesen, und wusste, dass 20 neue Flughäfen in China entstünden. und zeigt heute den neuen Dokumentarfilm ich den Film sehen werde. Die Menschen Wertsteigerung durch Landnahme – all­ des Regisseurs Florian Opitz. In System Error müssen erst wissen, was falsch läuft, damit mählich bekommt man eine leise Ahnung wird es gleich um die Frage gehen, warum sie sich ändern. Vielleicht kann dieser Film davon, wie alles mit allem zusammenhängt. das Wirtschaftswachstum ständig weiter­ ja etwas bewirken.“ Auch Bernhard Simek, getrieben wird, obwohl wir alle wissen, dass der selbst in der Filmbranche arbeitet, er­ Inmitten dieser Tristesse muss das Publikum unsere Ressourcen endlich sind – eben hofft sich Denkanstöße. Ihn bewegt, dass immerhin an zwei Stellen lachen. Einmal, um jenen, wie es im Programmheft steht, „gestern schon der Tag war, an dem Deutsch­ als Norbert Räth, der beim Statistischen „großen Widerspruch unserer Zeit.“ land seine natürlichen Ressourcen für das Bundesamt für die Berechnung des Brutto­ ganze Jahr aufgebraucht hat.“ inlandsprodukts zuständig ist, gefragt wird, Mit diesem Film beginnt eine Suche. Ich ob das BIP als Messwert nicht zu einseitig will herausfinden, welche Themen meine Und dann ist da noch Renate Splete, eine sei, schließlich würde es Umweltschäden Mitmenschen bewegen. Was ist Bewegung Psychotherapeutin aus Augsburg. Sie möchte, nicht berücksichtigen. Seine Antwort, nach heute und was ist heute in Bewegung? Was wie sie sagt, hinter die Kulissen der Wirt­ einigem Zögern: „Nein. Äh, nein.“ An anderer können wir von vergangenen Bewegungen, schaftswelt blicken: „Zu mir in die Praxis Stelle kommt Andreas Gruber, Chefinvestor den 68ern oder Occupy, lernen? Und kann es kommen vermehrt junge Menschen. Viele der Allianz, zu dem Schluss, dass er sich sein, dass das linksliberale Milieu verlernt von ihnen leisten erstaunliche Anpassungs­ eine Welt ohne Wachstum nicht vorstellen hat, sich politisch wirksam zu artikulieren? akrobatik, ohne dafür im Gegenzug irgend­ könne. Und dass Wachstum durchaus ökolo­ Hier in München, an dessen Hauptbahnhof eine Sicherheit zu erhalten. Die menschli­ gisch verkraftbar sei. Wieder Gelächter im vor knapp drei Jahren die deutschlandweite chen Bedürfnisse zählen in unserer heutigen Saal. Willkommensbewegung ihren Anfang nahm, Arbeitswelt immer weniger – das bereitet werde ich mich mit einer Alt-68erin treffen, mir großes Unbehagen.“ Großes Unbehagen? In den Chefetagen der Industrie scheint die einem politischen Debattenevent mit inter­ Moment: Das große Unbehagen – war das Überzeugung, dass das Wachstumsparadigma nationalen Gästen beiwohnen, gegen das nicht auch schon ein Begriff von Theodor nicht berührt werden dürfe, ungebrochen. bayerische Polizeiaufgabengesetz mitprotes­ Adorno, dem linken Cheftheoretiker der Eine Art Konsens, den der britische Ökonom tieren, Gespräche mit Aktivisten und Wissen­ 68er-Bewegung? Ich komme ins Grübeln, und Wachstumskritiker Tim Jackson im Film schaftlern führen. Und ins Kino gehen. mein Studium der Politikwissenschaft liegt als „kollektive Schizophrenie“ bezeichnet. nun doch schon eine Weile zurück … Die Publikumsreaktion scheint seine Dia­ Wer sind die Menschen, die sich gleich zu­ gnose zu bestätigen. Applaus ertönt. Eine sammen mit mir den Film anschauen, welches Auf der Leinwand erscheinen gigantische Frau in der Reihe vor mir flüstert ihrem Nach­ Interesse hat sie hierhergeführt? Ich starte Sojafelder in Brasilien, riesige Rinderherden barn halb scherzhaft, halb ernst gemeint zu:

5 Schwerpunkt Bewegung

Hat die Politik heute überhaupt noch Gestaltungsmacht? Wer sind denn die Entscheider*innen – oder zählt jeder dazu?

„Und was machen wir jetzt, wir Kapitalisten­ Szenenwechsel. Eine Gründerzeitvilla in schweine?“ Neuhausen, einem bürgerlichen Viertel WORD! im Westen der Stadt. Im Vorgarten blüht Worte können die Welt bewegen. Tatsache, auf diese Frage gibt der Film keine Flieder, fast eierschalenweiß sind die Wie wir reden und worüber, Antwort. Florian Opitz, der jetzt auf die Blütendolden. Ich kenne das Haus, meine formt unsere Gesellschaft. Die Bühne tritt, sagt, er habe sich mehrere Alter­ Studienfreundin Ema wohnt dort bereits neue Rechte hat das nur zu gut verstanden. Ihre Akteur*innen nativen zum Wachstumsparadigma angese­ seit einigen Jahren. Ein Stockwerk über ihr wollen den Diskurs ver­- hen. Ihm würde keine so recht zusagen, da lebt Christl Stenglein, ihre Vermieterin. schieben, warnen Sprachforscher sie alle auf zu einfachen Erklärungsmustern Christl war zur Zeit der Studentenproteste wie der Tübinger Rhetorik­ aufbauten. Und so begnüge er sich damit, von 1968 aktiv. Immer wieder mal erzählte professor Olaf Kramer und Publi­ den Entscheider*innen einen Spiegel vorzu­ sie mir kleine Episoden aus dieser Zeit. Als zistinnen wie Liane Bednarz. „Etab­ lierte Parteien“, „Main­ halten: „Denn in ihren Positionen ist es so einzige Frau im AStA, dem allgemeinen streammedien“, „Angst vor schwer, das große Ganze zu sehen.“ Am Studierendenausschuss, hatte sie damals an Überfremdung“, einige der neu­- Ende des Premierenabends, dem vier Jahre der Münchner Staatsbauschule auf Wachs­ rechten Kernbegriffe erzielen Produktion vorausgegangen sind, zitiert matrizen Vorlagen für Flugblätter geschrie­ tat­sächlich beachtliche Reich­ weiten, und die sozialen Medien Opitz sinngemäß Marx: „Man muss die ver­ ben. Neben Frankfurt und Westberlin zählte machen ihre Stimmen noch steinerten Verhältnisse zum Tanzen zwingen, auch München zu den damaligen Zentren lauter. Mit Relativierungen will indem man ihnen ihr Lied immer wieder der Studentenbewegung in Deutschland. die Bewegung neu bestimmen, vorsingt.“ Christls Job: Sit-ins organisieren und andere was als Mitte der Gesellschaft gilt. Ingenieurschulen für den Kampf um die Was man zu hören gewöhnt ist, wirkt auf einen irgendwann Aber reicht das? Im Gesicht meiner Beglei­ rechtliche Gleichstellung mit Universitäten normal, sagbar und wahr. tung Ema, die ich bereits aus Studienzeiten zu gewinnen. Damit auch ihr Diplom im Mit der Verschiebung des Diskur­ kenne, macht sich Ernüchterung breit. „Der europäischen Ausland anerkannt werden ses kann eine schleichende Film war sehr eindrücklich, aber es fehlt ein würde. Kurz vorweggegriffen: Diesen Kampf Verschiebung von Werten einher­ positiver Ausblick.“ Mir geht es nicht anders: hat Christl gewonnen. gehen. Was tun? Sich sprach- ­­lich distanzieren, die Dinge klar Da deutet der Film an, ein anderes Bild des beim Namen nennen, um Menschen in seinem Bezug zur Welt zu ent­ Was hat diese Frau in ihrer Zeit als Studen­ Begriffe kämpfen, ohne in die Falle werfen, aber das löst er nicht ein. Ich bin tin Ende der 60er-Jahre gelernt? Sieht sie zu tappen, den Tabubrechern enttäuscht, dann blubbern Fragen wie Spru­ gegenwärtig eine Aufbruchsstimmung? Das immer und zu viel Aufmerksam­ keit zu geben. delbläschen in mir nach oben: Wie lange Jahr 1968 wird dieser Tage als Epochener­ wird das eigentlich noch so weitergehen? eignis gefeiert – sein 50-jähriges Jubiläum Wieso tut sich so wenig, wo es doch fünf vor rückt die kurze, aber intensive Umbruchphase zwölf ist? Hat die Politik heute überhaupt wieder einmal in den Fokus der Öffentlich­ noch Gestaltungsmacht? Wer sind denn die keit. Ein bunter Erinnerungsreigen aus Rück­ Entscheider*innen – oder zählen wir alle schauen, Interviews und Zeitdokumenten – dazu? Und wo beginnen Veränderungen, abschließende Bewertung ausgeschlossen. oben oder unten? Ich klingle bei Christl. „Hereinspaziert“, die rotbebrillte Rentnerin öffnet schwungvoll Wir postmodernen Menschen leben in Zei­ die Türe. „Ist dir auch schon aufgefallen, ten des rasenden Stillstands: Große Tech-­ dass unser Flieder erbleicht ist? Er war letz­ Konzerne überbieten sich mit immer neuen tes Jahr noch kräftig lila. Vielleicht ist der Lösungen für Probleme, die bislang keine Boden jetzt einfach ausgelaugt, wer weiß?“ waren. Die wie in Stein gemeißelten Wachs­ tumsparolen werden mantraartig rezitiert, Aprikosen. Dinkelbrot. Erdbeermarmelade. während die tatsächlichen globalen Pro­ bleme täglich anwachsen: Armut, Hunger, Christl erzählt von einer Talkshow: „Bei soziale Spaltung, Klimaerwärmung – um Plasberg wurde über das Vermächtnis nur einige zu nennen. Hallo? der 68er debattiert – der Journalist Jan

6 Wogegen man ist, was man abschaffen will, was so nicht weitergehen darf! Eine Anti-­ Haltung einzunehmen ist ein guter erster Schritt, aber trägt auf Dauer keine Bewegung. Wer stattdessen Lösungen anbieten kann, zeigt den Weg in eine bessere Zukunft. Wer große Ziele anstrebt, sucht sich am besten treue Unterstützer*innen. Sympathie wecken, um Vertrauen werben – zum Bei- spiel, indem man zunächst als Problemlöser im Kleinen Erfolge sichert. Fest im Sattel kann man auch bald große Sprünge wagen. Bewegung: Das Gegenteil von Bequemlichkeit.

Fleischhauer polterte, wir hätten nur Spaß lagen für Frauen gab es keine, Studentinnen schließen und gemeinsam streiken. Denn gehabt und nichts hinterlassen. So viel waren auf der Staatsbauschule nicht vorge­ für Beamt*innen gilt zwar Streikverbot. Ignoranz und Unkenntnis macht mich ein­ sehen. „Viele der 20- bis 30-Jährigen können „Aber die Stadt München hätte schon ein fach platt. Und die CSU-lerin Dorothee Bär sich nicht mehr vorstellen, wie es damals gewaltiges Problem, wenn sie alle Lehr­ forderte eine konservative Revolution. Was war – es gibt ziemlich wenig Wissen über kräfte auf einmal entlassen würde – das sie damit meinte, sagte sie natürlich nicht. ’68.“ Doch was wie ein Vorwurf klingt, wird würde nie passieren.“ Will sie wieder die Prügelstrafe für Kinder gleich ins rechte Licht gerückt: „Vielleicht einführen? Oder Homosexualität für illegal liegt das daran, weil einfach sehr viel Unter­ Hier ist sie in Reinform, die leidenschaft­ erklären? Ich war so wütend – und wollte den schiedliches passiert ist – auch jede und liche Revoluzzerin. Unser Gespräch dauert Fernseher fast schon wieder ausschalten.“ jeder von uns hat es ein klein wenig anders noch eine Weile – ich fasse Christls Erkennt­ gesehen.“ nisse von ’68 auf meinem Notizblock wie Dass die Frau mit den gutmütigen, warmen folgt zusammen: Augen jetzt so in Rage gerät, kann ich ver­ Wenn man Christl fragt, wieso sich heute in 1. Gemeinsam kann man viel bewirken, stehen – schließlich haben Bär und Fleisch­ Deutschland so wenig tut, kommt ihre Ant­ alleine oft gar nichts. hauer die Zeit ja auch nicht miterlebt. Ich wort prompt: „Uns geht’s zu gut, das macht 2. Junge Leute haben das Recht, radikal selbst, Baujahr 1984, mute mir kein Urteil bequem. Wenn man rausgeht und seine zu sein – man wird früh genug vernünftig. über eine Generation zu, die wie keine an­ Meinung kundtut, ist das immer unbequem. 3. Ein Semester streikbedingt verlieren, dere zuvor die Gesellschaft mit ihrem ge­ Und man könnte ja zur Verantwortung gezo­ heißt viel Lebenserfahrung und Selbst­ samten Kanon an sozialen Normen grund­ gen werden.“ Zum Beispiel verstehe sie nicht, vertrauen gewinnen. legend in Frage gestellt hat. Und deren wieso die vielen überlasteten Lehrkräfte 4. Mit Gewalt kommt man nicht weiter. Errungenschaften heute teils so selbstver­ und Justizbeamt*innen, „von denen viele am 5. Protest muss bei konkreten Dingen an­ ständ­lich geworden sind, dass sie gar nicht Anschlag arbeiten“, sich nicht zusammen­ fangen, sonst läuft er ins Leere. mehr auffallen: flache Hierarchien, Wohn­ gemeinschaften und freizügige Theater­ Kann man diese Punkte auch auf heutige stücke zum Beispiel. Wer die 68er-Bewegung Bewegungen übertragen? Wie war das noch­ jedoch auf einen Nährboden für die Terror­ mal mit Occupy Wall Street? Jener Bewegung, gruppe der RAF oder freie Liebe reduziert, die Spekulationsgeschäfte und den stetig trifft eine unzulässige Verkürzung. „Natür­ steigenden Einfluss des Großkapitals auf lich, der rote Faschismus der RAF war die Politik angeprangert hat? Im Herbst schrecklich. Dass vor 50 Jahren aber auch 2011 hatte Occupy eine enorme Größe er­ viel Positives in Bewegung gekommen ist, reicht, bevor es recht schnell wieder in sich kann man gar nicht ignorieren“, resümiert zusammenfiel. Ein kurzes, aber kräftiges Christl. „Es waren bewegte Zeiten.“ ALLE RAN Leuchtfeuer des Protests, dem es an klaren Die Gesellschaft bewegt sich – Forderungen mangelte – so zumindest die Heute, 50 Jahre danach, kommt die große zum Teil auseinander. Gesucht mehrheitliche Bewertung der politischen und markerschütternde Bewegung nicht werden Orte, an denen sich Beobachtenden. Zwei weitere Faktoren spiel­ mehr von links, sondern von rechts – wenn Menschen aus ver­schiedenen ten eine Rolle: Aus Angst vor Machteliten Schichten wirklich begegnen, und natürlich auch gänzlich anders formiert und jede oder jeder mal gehört wird. innerhalb der Bewegung hatte Occupy ge­ in keiner Weise vergleichbar. In ihrem Hin­ Eine Idee dazu haben die Politik­ nau das abgelehnt, wovon jede Bewegung tergrund wirkt ein umfassendes Netzwerk wissenschaftler*innen Patricia ein Mindestmaß braucht: Struktur. Auch die aus Unterstützer*innen, Medien, Denkfabri­ Nanz und Claus Leggewie. radikale Idee der permanenten Versamm­ ken und Finanziers. Sie wollen Bürger­beteiligung lungsdemokratie war praktisch unmöglich institutionalisieren: mit einer „Konsultativen“. Ein per Los umzusetzen – viele Aktivist*innen gaben Zurück zu Christl. Sie erzählt von ihrem Vater, zufällig zusammengesetzter nach einer gewissen Zeit im Zelt einfach ent­ einem Leutnant, der ihr verboten hatte, zu Zukunftsrat, bestehend aus bis zu kräftet auf. Dennoch: Die Proteste, die im studieren. Der die eigene Vergangenheit 50 Bürger*innen ab 14 Jahren, New Yorker Zuccottipark ihren Anfang berät die Politik in Nachhaltigkeits­ totschwieg, und anfing zu toben, als seine nahmen, haben kräftig Nachhall erzeugt: themen. Gemeinderat, Land­tag Tochter das Thema auf den Tisch brachte. oder Bundestag sollen auf die Mit der spanischen Linkspartei Podemos, Und wie sie über den Umweg einer Aus­ Empfehlungen des Zukunfts­rats der US-amerikanischen Bewegung um Bernie bildung als Bauzeichnerin doch noch ein mit einem verbind­lichen Feed­back Sanders als Leitfigur und zuletzt der fran­ Studium auf der Staatsbauschule aufnehmen reagieren. Bündnis 90/Die Grünen zösischen Nuit Debout haben sie eine ganze gehen bei der Erarbei­tung konnte. Dann zeigt sie mir ihren Studenten­ des neuen Grundsatz­programms Reihe von Bewegungen im linken Spektrum ausweis. Im Kästchen für das vierte Semes­ einen ähnlichen Weg: inspiriert. ter ist ein rotes „wegen Streik“ mit Ausrufe­ 50 zufällig ausgewählte Bürger*­ zeichen vermerkt – dieses Semester musste innen werden zu ihren Ideen Aus der Sozialforschung weiß man, dass befragt. Nachahmung erwünscht, Christl wegen der vielen Sit-ins und boy­ nicht etwa Armut oder drohende Verarmung damit mehr politische Räume kottierten Vorlesungen wiederholen. Auf für Bewegung entstehen: die der stärkste Antriebsmotor für Bewegungen ihrer Ingenieururkunde ist zweimal ein „er“ Demokratisierung der Demokra­ sind, sondern ein tief empfundenes Gefühl durchgestrichen und per Schreibmaschine tie als Erbe von 68. der Ungerechtigkeit. Angesichts der immer mit einem „sie“ überschrieben. Zeugnisvor­ größer werdenden sozialen Spaltung,

9 Schwerpunkt Bewegung

#1%besitztsovielwie99%, scheinen die obi­ Interessen zu bündeln und das Netz hilft WAS ICH NICHT WEISS … gen Erklärungsansätze für das Abebben uns enorm dabei sie zu organisieren. Ich Es ist eine der großen Fragen oder völlige Verstummen der Bewegungen denke, wir haben ein gutes Modell gefunden unserer Zeit: Wie verändern aber doch nicht ganz auszureichen. ihnen punktuell immer wieder eine Stimme digitale Technologien, künstliche zu verschaffen. Trotzdem: Das ist kein Ersatz Intelligenz und Algorithmen Ich frage mich: Haben sie womöglich auch für die demokratischen Verfahren. Staat und Gesellschaft? Kritiker*in­ nen warnen vor Schattenseiten, deshalb nicht verfangen, weil sich unser etwa der: Je mehr IT-Unternehmen Menschenbild in den vergangenen Jahren Ich muss an die Janusköpfigkeit des Internets (und Staaten) wissen, was wir und Jahrzehnten durch die Ökonomisierung denken: Sie zeigt sich in den Filterblasen, Echo­ schreiben, suchen, sagen, denken, aller Lebensbereiche entscheidend gewan­ kammern und Bots der sozialen Netz­werke, desto mehr verlieren wir an delt hat? Techniken des Eigenmarketing die einen verzerrenden Effekt auf unsere Wahr­ Freiheit und werden manipulier­ bar. Die demo­kratische und der Selbstoptimierung sind immer mehr nehmung der Realität haben. Auf den Platt­ Gegen­bewegung kommt langsam zur Selbstverständlichkeit geworden. Und formen der sozialen Medien funktionieren die in Schwung, besonders in der der Spruch „Jeder ist seines eigenen Glückes Debatten anders als in der physischen Welt EU, zum Teil gebremst vom Wider­ Schmied“ scheint heute wahrhaftiger zu oder den klassischen Medien – TV, Print, Radio. stand der Lobbyist*innen – sein denn je. Gleichzeitig stärkt diese Auf­ Komplexe Themen haben es schwerer, über­ und von fehl­endem Wissen. Weil viele Menschen den techno­ fassung die Annahme, dass auch jegliches spitzte, plakative oder extremere Themen ver­ logischen Wandel nicht verstehen, persönliche Scheitern immer nur ausschließ­ breiten sich schneller und erzielen eine größere sagt der israelische Historiker lich selbst verursacht worden sein kann. Reichweite. Auf dem Marktplatz der Aufmerk­ Yuval Harari in der Zeit, konzent­ Wer es nicht geschafft hat, ist eben selbst samkeit gewinnen so oft die schillerndsten rieren sie sich lieber auf alte Themen statt die neuen anzugehen. schuld. Strukturelle Faktoren wie unter­ Bubbles – auch ein Grund, wieso Fake News Je abstrakter etwas ist, desto schiedliche Startchancen ins Leben, Winner-­ überhaupt so groß werden konnten. schwerer können wir es uns vor­ take-it-all-Effekte oder Netzwerk-Vorteile stellen und verändern. Bewe­- werden dabei jedoch völlig ausgeblendet. Hart ausgedrückt: Individuell sind wir rational, gung beginnt immer im Kopf – mit Und so diskreditiert das neoliberale Denk­ während wir in der Online-Community durch der Anstrengung und dem Mut, neu, anders und vorauszudenken. muster, das Erfolg und Scheitern alleine auf Aufschaukelungsprozesse verdummen, den individuelles Vermögen oder etwaiges Un­ falschen Narrativen hinterherlaufen und diese vermögen zurückführt, jegliche Anfechtung im Extremfall auch noch zur Grundlage für von Macht- und Eigentumsverhältnissen im Gesetzgebungsprozesse machen. Und auch Vornherein. wenn das nicht passiert: Fakten haben es im postfaktischen Zeitalter schwer, da ihnen etwas Anruf bei Campact in Verden, einer Online-­ Bevormundendes anhaftet. Auch deswegen Kampagnenschmiede der ersten Stunde. Die wäre eine Art Wahrheitskommission, wie sie NGO beschäftigt derzeit 60 feste Mitarbei­ einige fordern, vielleicht keine gute Idee, würde ter*innen und versteht sich als „progressive ihr doch etwas Technokratisches anhaften. Bürgerbewegung.“ Mit ihrem Newsletter Was es braucht? Vertrauen – eine selten ge­ erreicht sie fast zwei Millionen Menschen in wordene Ressource. Deutschland und ist damit per Selbstdefini­ tion „die größte politische Internet-Organi­ Wie muss eine Kampagne gestaltet sein, sation Deutschlands“. Ich möchte von Felix damit sie funktioniert? Kolb, einem der Gründer von Campact, er­ Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es leich­ fahren, wie Protest im Social-Media-Zeitalter ter ist, Menschen aufzurütteln, wenn eine funktioniert. konkrete Verschlechterung des Status Quo

Herr Kolb, was bringt Clicktivismus? Online-Petitionen können, wenn sie groß werden, der Politik signalisieren, welche Themen wichtig sind. Bei uns sind sie aber nur einer von vielen Bausteinen der Kam­ pagnenarbeit. Wir organisieren auch dezen­ trale Aktionstage, geben Studien in Auftrag und machen mit bei Großdemonstrationen. Davon geht oft eine größere Wirkung aus. Raus aus der Filterblase – Kritik suchen statt Lob und Likes. Vor Andersden­ Das Internet ist Ihr wichtigstes Werkzeug – kenden für die eigene was macht es unersetzlich? Sache eintreten zu müssen, Umwelt, Gesundheit und sozialer Ausgleich schärft die Argumente. Bewegung beginnt im Kopf! sind ja generell schwache Interessen, weil Zuhören können, Zweifel sie keine Lobby haben. Sie betreffen zwar zulassen. Wie offen sind wir irgendwie alle, aber es ist sehr schwer diese für die Meinung anderer?

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Es geht nicht um gute Miene zum bösen Spiel. Aber um eine Portion Menschlichkeit! Im Ernst: Lachen steckt an. Wir Grüne wollen mit Optimismus überraschen und mitreißen. Humor ist wirkungsvoller als Wut. Bewegung darf Spaß machen. Was Bewegung mit Geschwindigkeit zu tun hat.

„Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es leichter ist, Menschen aufzu- rütteln, wenn eine konkrete Ver- schlech­t­erung des Status Quo droht.“

droht. Wenn es darum geht, den Status Quo der rasante Zuwachs an Infrastruktur nicht zu verbessern, ist das schwieriger – leider. automatisch all unsere Bemühungen im MAL LANGSAM Ich denke, das liegt in der Psychologie des Klimaschutz? Und was bringen da die zehn 1968 gilt auch als das Jahr, als die Menschen: Erst wenn Gefahr in Verzug ist, großen Appelle, die Campact jährlich star­ Deutschen das demokratische nehmen wir die Beine in die Hand. Deswegen tet? Oder ist es zynisch, das eine gegen das Streiten und Diskutieren lernten. finde ich die GroKo sehr problematisch. andere auszuspielen? Und darf man Wachs­ Heute hat sich der Raum, in dem sich politische Meinung bildet, tum überhaupt bei einer schnell wachsen­ teilweise in die digitale Sphäre Wieso? den Weltbevölkerung kritisieren? Wie sollen verlagert, mit Vor- und Nachteilen. Es gibt keine signifikanten Verschlechterun­ denn alle satt, wie sonst die steigenden Jede oder jeder Einzelne kann gen, aber auch gar keinen Bereich, wo es viel Bedürfnisse in den Schwellenländern erfüllt Meinung machen und verbreiten. besser wird – gerade nicht beim Klimaschutz. werden? Klickzahlen entscheiden mit darüber, was relevant ist und wahr- Dieser zementierte Status Quo versetzt die genommen wird, Bots können Menschen in eine Lethargie, die es zu durch­ Das Gefühl der Zerrissenheit, das Felix An­sichten einer Minderheit als brechen gilt. Denn wenn wir weiter so vor Kolb ansprach, zeigt sich bei mir auch der­ Meinung der Mehrheit er- uns hinwursteln, wie das die Große Koalition gestalt, dass ich immer stärker zwischen scheinen lassen. Ver­ändert hat sich auch die Zeitdimension:­ tut, ist es vielleicht bald viel zu spät. dem Wunsch, informiert zu bleiben und der (Falsch-)Meldungen verbreiten Sehnsucht, öfter einmal gar nichts mehr von sich in Minuten, Politi­ker*innen Ist Lethargie nicht auch ein generelles der Welt zu hören, hin- und herschwanke. sollen ebenso schnell darauf Phänomen unserer Zeit? Ich als Journalist – ein temporärer Medien­ antworten. Der Politikwissen­ Gerade Menschen im links-progressiven verweigerer? Vor ein paar Jahren hätte ich schaftler Karl-Rudolf Korte nennt das „digital beschleunigte Lager sind auf verschiedenen Ebenen ver­ mir den Digital Detox, der inzwischen auch Demokratie“. Sie engt den unsichert. Zum einen in Bezug auf die EU: zweimal pro Jahr im Zen-Kloster stattfindet, Raum ein für echten Diskurs. Grundsätzlich ist man pro Europa, gleich­ noch nicht vorstellen können. Aber Trump, Bewegung braucht auch mal Pause, zeitig nimmt man wahr, welche skandalösen schlechte Nachrichten, verstörend-absurde um sich neu zu sammeln. Entscheidungen da – Stichwort Glyphosat Nachrichten, #dasbitcoinsystemverbraucht­ und Schiedsgerichte – durchgewunken wer­ mehrstromalsdieschweizervolkswirtschaft den. Das führt zu einer inneren Zerrissen­ verderben mir zunehmend die Laune und heit, die nur schwer auszuhalten ist und ziehen mich runter. Umso mehr erstaunt es potenziell zum Rückzug aus dem Politischen mich, als eine Lösung für mein inneres führt. Dilemma bei der nächsten Veranstaltung skizziert wird. Auch die Medienkritik war ja ursprünglich eine linke Domäne. Isarufer. Sonntagnachmittag. Kastanienbäume. Absolut. Durch diese ganzen Vereinnahmun­ gen geht vielen Menschen der klare Kom­ Das Muffatwerk, ein ehemaliges Elektrizi­ pass verloren, zumindest gefühlt. Doch wir tätswerk, liegt ein wenig versteckt hinter dürfen uns das nicht wegnehmen lassen, dem Müllerschen Volksbad. Wo sonst all­ auch nicht aus Angst davor, mit den Rechten abendlich Konzerte stattfinden, sollen heute in einen Topf geworfen zu werden – was bei unter der Überschrift „Freiheit & Demo­ oberflächlichen Medienformaten durchaus kratie – Globale Themen im Kontext 2.0“ vorkommt. Auch schon deswegen müssen Podiumsgespräche mit internationalen wir bei unserer Kritik bleiben. Gästen geführt werden. Ausrichter ist das Münchner Medienkollektiv acTVism. Ähnlich Ich muss wieder an den Film System Error wie Campact finanziert sich auch acTVism denken. Und an die 20 neuen Flughäfen, ausschließlich über private Spenden und ver­ die in China jedes Jahr gebaut werden. Für weigert Großspenden aus Politik und Wirt­ mich stehen sie auch symbolisch für das schaft. Mit ein Ziel der heutigen Veranstal­ enorme globale Wachstum. Konterkariert tung wird es sein, die Gespräche zu filmen

13 Schwerpunkt Bewegung

Der Kampf für Gerechtigkeit lohnt sich schon alleine deshalb, weil man dadurch wunder- bare Menschen kennenlernt.

und einem breiteren Publikum im Netz zur Spätnachmittag gehen. Er verspricht, dass Verfügung zu stellen. alle Anwesenden heute nicht nur mit Hin­ tergrundwissen versorgt, sondern auch in­ Im schattigen Vorhof des Muffatwerks spiriert nach Hause gehen würden. Und mit sticht mir ein Typ ins Auge, der sich von den einem Gefühl, dass wir „die Welt von Morgen anderen einströmenden Menschen etwas an ändern können.“ absetzt: Dunkelblonde, nach hinten gegelte Haare, Pilotensonnenbrille, aufgeknöpftes Was folgt, ist eine fast dreistündige Tour de Hemd und Espadrilles – so jemanden hätte Force durch die aktuelle Weltpolitik. Aufs ich eher bei einem FDP-Meeting erwartet Podium kommen die Investigativjournalistin als hier. Patrick Knodel, Sohn eines Immobi­ Abby Martin und Jill Stein, Ex-Präsident­ lienunternehmers, erzählt mir, dass er mit schaftskandidatin der US-amerikanischen 18 Jahren unbedingt Porsche-Vorstand wer­ Grünen. Später wird Glenn Greenwald per den wollte. Und wie ihn eine Weltreise zu Livestream hinzugeschaltet. Ziemlich genau einem Sinneswandel geführt hat – seitdem vor fünf Jahren hatte Greenwald im Guardian sei soziale Gerechtigkeit sein Thema. Auch, den NSA-Überwachungsskandal enthüllt. wie er sich durch die Lektüre des Linksintel­ Heute sprechen alle über die ganz großen lektuellen Noam Chomsky immer tiefer in Themen: Konzernmacht, Imperialismus, die Materie hineingefuchst habe. Dann Trump, Russland, Facebook und die Rolle skizziert er, was seiner Meinung nach alles der Medien. Die Debatte entlässt mich mit falsch läuft, wo man ansetzen müsse und einer ähnlich düsteren Gegenwartsdiagnose SCHAU AN wieso Veranstaltungen wie diese hier so wie vor ein paar Tagen der Film System Error. Warum haben manche politische wichtig seien. Gekauft! Nachdem ich ein Und auch heute gibt es keine konkreten Bewegungen medialen Extratreffen mit Patrick vereinbart habe, Antworten auf die vielen Probleme unserer Erfolg – und andere nicht? Diese gehe ich in die dunkle Halle. Im Vorbereich Zeit. Trotzdem fühle ich mich jetzt nicht Frage stellte sich 2017 der Journalist Rico Grimm im Online- präsentieren sich die Münchner Friedens­ mehr ganz so gelähmt. Im Gegenteil: Ich be­ Magazin „Krautreporter“. Zwei bewegung, Varoufakis` linksliberaler Think­ komme Lust auf mehr. Auf mehr Vernetzung, von Grimms Erkenntnissen, die er tank DiEM25 „zur Rettung Europas“ und die mehr Information, mehr Engagement. Die mit Forschungsergebnissen Plattform Human Connection, die als neues, Verve, mit der Jill Stein ihr „Peace over unter­mauert: Medien berichten gemeinnütziges soziales Netzwerk Face­ Profit“ immer wieder vorgetragen hatte, war kritischer über Protestbewe­ gungen, die den Status Quo in book Konkurrenz machen will. ermutigend. Von der Journalistin Abby Frage stellen, wohl damit Martin habe ich mitgenommen, dass sich keiner die geltenden Regeln ver­ Der Auftakt. Nach einem Grußwort greift der Kampf für Gerechtigkeit schon alleine letzt. Wie viel berichtet wird, Moderator Zain Raza zum Mikrofon. Er deshalb lohne, weil man dadurch wunder­ entscheidet vor allem die Taktik. Verkürzt gesagt: Wer gute spricht von jenen Nachrichtenschnipseln, bare Menschen kennenlerne. Sie sagt: Bilder liefert, bekommt mehr Auf­ die uns tagtäglich erreichen: Hier eine „Movements bring us power, movements­ merksamkeit, das wusste Stadt, die dem IS abgetrotzt wurde, dort bring us together.“ man auch schon ’68. So erfüllen ein Tweet von Trump und da noch ein Gift­ etwa Demonstrationen viele gasanschlag. Das Problem: Für die aller­ Auf dem Nachhauseweg bewegen sich meine Nachrichtenfaktoren, schreibt Grimm, sie sind deshalb so meisten Empfänger*innen passiere dies Gedanken in alle Richtungen. Immer wieder aufregend, weil aus abstrakter innerhalb eines inhaltlichen Vakuums, muss ich an Jill Steins Worte denken, dass es Politik plötzlich etwas sehr sie könnten die Nachrichten nicht mehr nicht darum ginge, die Menschen zu verän­ Konkretes wird. „Der Mensch, der richtig einordnen. dern, sondern darum, herauszufinden was da gerade vor mir auf der zu tun sei und es gemeinsam zu tun. Zu er­ Straße steht und etwas will. Diesen Menschen kann ich an­- Da ist er wieder, mein innerer Widerstreit. fahren, wie aus einem kleinen Zirkel von sprechen und alle seine Mitde­ Aber sag’s mir bitte: Wie komme ich da raus? Münchner*innen, die sich ursprünglich ge­ monstranten auch. … Hier „Empowerment“ heißt das Zauberwort, das troffen haben, um gemeinsam zu kochen, passiert was. Ein seltenes Glück.“ Raza anführt – darum soll es am heutigen acTVism entstanden ist, ein großes Ding,

14 Bewegung für alle: Wer die Welt verändern will, muss große Teile der Gesellschaft erreichen. Aufmerksamkeit herstellen, Druck aufbauen, Forderungen durchsetzen – große Demonstrationen leben vom Entschluss vieler Menschen, auf die Straße zu gehen und für ihre Ziele einzutreten. Und deshalb zählt jede und jeder Einzelne! Schwerpunkt Bewegung

das solche Events stemmen kann, hat mich stehen für deren Inhalte und versuchen LET’S ROCK beeindruckt. Man muss eben nicht immer diese auch wirklich zu leben – das macht 1968 war das Jahr des Rock’n’Roll: gleich mit der Weltrettung beginnen. Zu­ uns glaubwürdiger, und das ist unsere Stärke. Eine Generation drehte sammenkommen und sich austauschen, das In der Linken ist das zuweilen anders, wo ihre Musik voll auf, in den Songs scheint ein guter Startpunkt zu sein. Teile eine Flüchtlingspolitik gutheißen, die vibrierte die Energie des Züge der CDU-Politik trägt. Protests. Ein Blick in die alten Hit­ listen zeichnet noch ein Der große Paukenschlag: Die USA kündigen anderes Bild: Es war auch das Jahr den Iran-Deal auf. Und ich frage mich: Was In Berlin kommt es heute wieder häufiger von Heintje, der mit Liedern passiert als nächstes? Darüber will ich mit zu Hausbesetzungen – fühlen Sie sich wie „Mama“ die Plätze 1, 2 und 4 in Hans-Christian Ströbele sprechen. Ströbele, eigent­lich an die 68er-Zeit erinnert? der Jahreshitparade belegte. ein Urgestein der Grünen, bezeichnen man­ Die Hausbesetzerszene war ja erst in den Doch zweifellos hat Rockmusik die Gesellschaft verändert. che als so etwas wie das Gewissen der Partei: 80er-Jahren aktiv. 1968 waren die Wohnun­ „Die Menschen haben über soziale Erprobter 68er, vier Mal einziges grünes gen in Westberlin noch nicht teuer. Die Grenzen hinweg gelernt, Direktmandat für den Bundestag, Edward Kommune 1 konnte zum Beispiel relativ selbstbewusster aufzutreten“, sagt Snowden-Besuch in Moskau. günstig eine große Altbauwohnung am der Kultursoziologe Frank Stuttgarter Platz mieten. Wir haben nicht Hillebrandt in der Neuen Osnabrü­ cker Zeitung, die Basis für Herr Ströbele, die deutsche 68er-Bewegung Häuser besetzt, sondern die Uni oder das Protest war geschaffen. Und heute? hat sich ja aus den amerikanischen Studen­ Rektorat. Sind die Zeiten bewegt wie tenprotesten in Berkeley, Stichwort: Kalter damals, aber nur in wenigen Songs Krieg und Vietnamkrieg, heraus entwickelt. Und was hat Sie damals politisiert? finden sich politische State­- ments. Vielleicht stimmt es, was Ist auch jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Der 2. Juni 1967, jener Tag, an dem Benno Micky Beisenherz im Stern neue Friedensbewegung gekommen? Ohnesorg erschossen wurde, und wie Presse dazu schreibt: Es dürfte gerade eine Absolut, denn die ist ganz dringend erfor­ und Politik reagiert haben. Sie gaben uns – neue Riege von Musikern nach­ derlich. Ich glaube so nahe an einem Krieg den „Chaoten“ – die Schuld, obwohl ein wachsen, und Ezé Wendtoin aus waren wir seit dem Bau der Berliner Mauer Polizist gezielt geschossen hatte. Daraufhin Burkina Faso, Germanistik­- student in Dresden, legt schon mal nicht mehr. habe ich mich in der Außerparlamentari­ vor: Er hat die politische Hymne schen Opposition, der APO, engagiert. Ich „Sei wachsam“ von Reinhard Mey Glauben Sie denn auch, dass eine neue wurde immer sicherer, dass wir eine radikale neu interpretiert. Friedensbewegung entstehen wird? Veränderung in Deutschland brauchen, eine Da bin ich mir ziemlich sicher. Es wird näm­ Revolution. lich immer deutlicher, dass es nicht nur um den Iran und Nordkorea geht – die Kriegs­ Und was haben Sie damals tatsächlich gefahr rückt insgesamt näher. Heutzutage erreicht? kann man das nicht mehr eingrenzen – der Nun, die Revolution nicht, wie man sieht. ganze Nahe Osten ist ja durch den Irakkrieg Wir wollten ja eine Räterepublik. Nicht je­ der USA in Brand gesetzt worden. Außerdem doch eine zweite DDR, die war für uns ein würde ich sagen, dass Trump inzwischen „Sozialismus zum Abgewöhnen.“ Aber in der unberechenbarer geworden ist als Putin, der Gesellschaft und Lebenskultur haben wir sicherlich kein Demokrat, geschweige denn viele Veränderungen mitbewirkt und ange­ ein Pazifist ist. stoßen. Etwa im Zusammenleben, in den Geschlechterbeziehungen und bei den indi­ Und wie geht es nun Ihrer Meinung nach viduellen Freiheitsrechten. Nicht alles ist weiter? gut, aber vieles besser geworden. Die regierenden Parteien haben nicht mehr den Ruf, dass sie die großen Probleme lösen Die 2017 beschlossene Homo-Ehe – auch können. Und das zu Recht. Für die Grünen hier wieder eine späte Nachwirkung von ’68. stellt sich die Frage, ob es uns gelingt, die Und eine Wiederauflage der Bewegung im Hoffnungen auf eine radikale Veränderung Sinne von Demonstrationen für den Frieden? im Land und darüber hinaus zu bündeln. Ströbele hält’s für möglich. Die Menschen müssen uns zutrauen, dass wir diese dann auch erfüllen können. Meiner Christi Himmelfahrt. Für heute ist die Groß­ Meinung nach geht das nur, wenn wir uns demonstration gegen das neue Polizeiauf­ auch wieder auf unseren linken Ursprung gabengesetz angesetzt. Schon Tage zuvor zurückbesinnen. hatte meine App leichte Gewitter gemeldet. Wird sie überhaupt stattfinden können? Ich frage mich gerade: Wieso sind Sie Kommen Leute? Braucht Bewegung Sonnen­ eigentlich kein Mitglied der Linkspartei? schein? Vorab bin ich zum Treffen mit Die Grünen sind eine Partei, die aus den sozi­ Patrick verabredet, dem jungen Mann, den alen Bewegungen entstanden ist. Viele ich ein paar Tage zuvor beim Event von unserer Mitglieder*innen kommen von ihnen, acTVism kennengelernt habe.

16 Gesucht: Eine neue Friedensbewegung.

Loretta Bar. Cappucino. Orangensaft. Kosten-Nutzen-Maximierer. Aber was, er unterstützt. Ich radle zum Marienplatz, wenn wir tatsächlich alle nur dem Geld wo die Demonstration, die das breite Bünd­ Patrick beginnt zu erzählen: „Aus den Spit­ hinterherrennen würden? Patrick erzählt nis noPag ins Leben gerufen hat, in einer zen von Wirtschaft und Politik hört man im­ weiter: „Früher war ich tatsächlich FDP-ler Stunde starten soll. mer wieder: Auch heute könne es jede oder und dachte, es läuft schon alles fein. Auf jeder noch nach ganz nach oben schaffen. meiner Weltreise 2011 sind mir die Augen Die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes Wenn man eben nur fleißig genug und um­ aufgegangen. In Malaysia, einem Land das will die Befugnisse der Polizei massiv aus­ sichtig sei. Stimmt vielleicht. Was diejenigen noch vor 100 Jahren fast überall von tropi­ weiten. Dafür soll unter anderem die Unver­ aber gerne weglassen, ist: Man muss schon schem Regenwald bedeckt war, bin ich im letzlichkeit der Wohnung eingeschränkt sehr viel Selbstbewusstsein und Risiko­ Zug durch endlose, sterile Palmenhaine werden. Ebenfalls vorgesehen ist es, die affinität mitbringen. Doch Menschen sind gefahren. Überall war der Schriftzug von Überwachung von Telefonen und Computern nun mal nicht gleich. Als Sohn eines reichen Sime Darby, einem malaysischen Misch­ auch ohne konkreten Verdacht zu erlauben. Unternehmers dürfte ich das eigentlich konzern, zu lesen. Die Ölpalmen standen in Zentraler Kritikpunkt: Die Eingriffsschwelle gar nicht sagen, aber es ist so: Diejenigen, Reih und Glied, es sah richtig traurig aus. für viele polizeiliche Aktionen soll auf das bei denen eher soziale und künstlerische Einige Monate später bin ich in London. Kriterium der „drohenden Gefahr“ herab­ Eigenschaften im Vordergrund stehen und Was sehe ich da unweit der Battersea Power gesenkt werden – juristisches Neuland für diejenigen, die ‚out of the box‘ denken, Station? Einen Luxus-Wohnblock von polizeiliches Handeln. Viele Expert*innen werden von unserem System gar nicht Sime Darby. Mit Appartements, die sich bewerten das kritisch. Bayerns frisch ver­ mehr gefördert. Obwohl es so viele mehr kein normaler Mensch leisten kann. Woh­ eidigter Ministerpräsident Markus Söder je­ davon bräuchte. Wir haben uns verrannt.“ nungen, die von reichen Arabern gekauft doch sieht das Gesetz als Mustervorlage und leer stehen gelassen werden. Als für andere Bundesländer und prescht voran. Ich erinnere mich an die Geschichte eines Sicherheit. Abgeholzte Regenwälder für Freundes, der als Krankenpfleger arbeitet. leerstehende Luxuswohnungen: Da war bei Knatternde Flaggen vor dem neogotischen In dem Gespräch mit einem Fremden hatte mir die Schmerzgrenze­ erreicht.“ Patrick Rathaus. Glockenspiel. Große Boxen an einer er sich über seinen geringen Lohn be­ ist schon wieder auf dem Sprung. Zu einem Feuerwehrleiter. schwert. Daraufhin der Fremde: „Intelligenz Termin bei „One Earth – One Ocean“, einem fängt bei der Berufswahl an.“ Da ist es also Verein, der sich der Befreiung der Meere Auf dem Marienplatz haben sich bereits wieder, das neoliberale Menschenbild vom von Plastikmüll verschrieben hat und den einige hundert Menschen zur Demonstration

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Unbenannt-2 1 15.05.18 12:14 Schwerpunkt Bewegung

Ich erinnere mich an Christls Beo- bachtung, dass jede oder jeder Beteiligte der 68er-Revolte etwas anderes in ihr sah. Vielleicht ist es bei der heutigen Demonstration ähnlich.

eingefunden, viele in ihren 20ern, manche Angst – heute, an diesem Tag? Auf der aus den entferntesten Winkeln Bayerns. Demonstration ist jedenfalls kein Platz für BOTTOM-UP Die meisten haben über Facebook von dem sie. Es wird getrommelt, debattiert, gelacht, ’68 steht für die Bereitschaft, alles Protest erfahren. gepfiffen und Fahnen geschwungen. Eine in Frage zu stellen und medizinballgroße Überwachungskamera aus nichts als gegeben hinzunehmen. Welche Themen bewegen sie, was wollen Alu schwenkt an einer langen Stange wie Wir können auch anders! Bewegung beginnt noch heute mit sie, was wollen sie nicht? „Repression“, suchend über die Köpfe. Menschen recken dem Gefühl, dass was nicht „mehr Gleichheit“, „Bollerwagen-Tour kann Schilder in die Höhe, auf denen „Verhaften stimmt. Gegenwärtig ist es die jeder, wir wollen etwas Vernünftiges“, „Poli­ first, Bedenken second“, „Passwort ver­ Verteilung von Einkommen tik braucht mehr Vertrauen in die Menschen, gessen? – 110!“ oder „O’zapft is“ steht. Der und Macht, die viele umtreibt. Bisher akzeptieren wir, dass nicht weniger“, „das geplante bayerische bayerische Protest ist bunt und kreativ. es in der Wirtschaftswelt Hierar­ Psychatriegesetz – ein No-Go“, „eine soziale chien braucht, sagt etwa Reform des Sozialsystems“, „Umweltschutz Gegen halb zwei setzt sich der Menschen­ Lisa Herzog, Professorin an der und Freiheit“, „Flüchtlinge sollen besser be­ zug in Bewegung. Die Menge zwängt sich Hochschule für Politik an handelt werden“, „Totalüberwachung“ und durch das Nadelöhr des alten Rathauses und der TU München. Ein Gegenvor­ schlag der Philosophin und „mehr Zusammenhalt“. Der Protest gegen ergießt sich wie ein Strom in die Straße Ökonomin: Arbeit und Wirtschaft ein Gesetz, von dem viele Menschen ihre Richtung Isartor. Ich fließe mit. Und fühle so zu ver­ändern, dass die Grundrechte bedroht sehen, bringt ganz mich beschwingt, fast elektrisiert. Weiter Einzelnen sich als Akteur*innen verschiedene Gemütslagen, Wünsche und bis zum Odeonsplatz. Kurz vor der Staats­ mit ihren Werten einbringen Sorgen zusammen. kanzlei nehme ich eine Abkürzung durch können. Die 34-Jährige regt an, viel kreativer zu werden den Hofgarten. Die Abschlusskundgebung und weiterzudenken: Mit Hilfe Ich erinnere mich an Christls Beobachtung, läuft bereits, der Platz ist rappelvoll. Ich von digitaler Kommunikation dass jede oder jeder Beteiligte der 68er-­ setze mich auf den Stufensockel der großen sei es möglich, selbst große Grup­ Revolte etwas anderes in ihr sah. Vielleicht Fahnenstangen – neben mir ein älterer Herr. pen in betriebliche Entscheid­ ungsfindungsprozesse einzubin­ ist es bei der heutigen Demonstration ähn­ den – und wirtschaftliche lich. Jedenfalls passiert heute auch genau Rote Schiebermütze, Seidenschal, olivgrünes Macht stärker demokratisch von das, was Campact-­Chef Kolb gesagt hat: Leinenjackett. unten zu kontrollieren. Menschen gehen auf die Straße, weil sie das Gefühl haben, dass sich ihre Situation Ich komme mit ihm ins Gespräch. Alfred verschlechtert. Hoffmann ist Ende der 60er-Jahre als junger Student von einem „erzkatholischen, schwar­ Lucas Kripp ist von der Wirkung des Pro­ zen Dorf aus dem Saarland“ ins tumultige tests überzeugt. Im September vergangenen München gekommen, um hier Sozialwissen­ Jahres ist der 30-Jährige den Grünen beige­ schaft und Theologie zu studieren: „Zwei treten und wird bald für den Vorstand des Jahre lang wurde ich geistig-seelisch durch­ Ortsverbands München Nord kandidieren. Er einandergewirbelt. Zu Beginn meiner Studi­ ist stolz auf seine Stadt: „Immer wenn’s enzeit war ich Mitglied in einer Studenten­ ernst wird, ist München da – wie auch jetzt verbindung und hatte ein Schwarz­weißbild wieder beim Widerstand gegen das PAG.“ von der Welt: Der Westen gut, die kommunis­ Die Psychologiestudentin Kim Herbst, einige tischen Länder schlecht. In der Weihnachts­ Schritte von ihm entfernt, schlägt einen ausgabe der Süddeutschen Zeitung habe ich nachdenklicheren Ton an: „Die Frage ist dann einen Bericht über den brutalen Ein­ doch, wieso es so ein krasses Sicherheits­ satz von Napalm im sinnlosen Vietnamkrieg bedürfnis gibt. Die Wurzel des Problems gelesen. Das war mein turning point, der mir liegt ganz woanders – bei der Angst.“ Aber die Augen geöffnet hat. Von da an gab es

18 Viel, viel weiter bitte! Damit wir wissen, was wir Schritt für Schritt verändern wollen, dürfen wir nicht nur ans Jetzt denken, sondern müssen das Morgen schon Heute sehen. Schließlich lässt sich die Realität nur an unseren Visionen messen. Schwerpunkt Bewegung ANZEIGE

PUBLIKATIONEN kein Zurück mehr für mich.“ Auch 50 Jahre Das stimmt mich nachdenklich. Gleichzeitig Schriften des Archivs Grünes Gedächtnis später demonstriert er wieder auf der Straße, frage ich mich: Was macht den Neurobiolo­ Die Gründungsgeneration wenn auch unter anderen Vorzeichen. gen so sicher, dass nun die Stunde der Würde der Grünen – Acht Interviews geschlagen hat? Ich möchte das bei einem Mai 2018, 172 Seiten Einige Momente später verkündet der Ver­ Anruf klären und erhalte eine ausführlichere sammlungsleiter, dass nun auch das Ende Antwort: „Unser Gehirn strebt immer nach Schutz der Umwelt, ARCHIV GRÜNES GEDÄCHTNIS des Zugs angekommen sei – am Siegestor, Kohärenz, also einem Zustand der sich stim­ Kampf gegen die einen Kilometer nördlich vom Odeonsplatz. mig anfühlt. Gerade in Zeiten, wo die alten Die Gründungsgeneration der Grünen Atomkraft, für die Acht Inter views Die Gründungsgeneration der Grünen So weit hat sich also die Menschenmenge Hierarchien zusammenbrechen und die Gleichberechtigung der Frau, gegen nach hinten aufgestaut. Von 30.000 bis moderne Welt immer neue Dissonanzen er­ atomare Aufrüstung 40.000 Demonstranten ist die Rede; die zeugt, wird es da oben inkohärent. Diesem Abendzeitung wird am nächsten Tag „Pro­ unangenehmen Gefühl können wir einerseits – die politischen und sozialen Bewegungen test gegen Söder“ titeln. Fest steht schon begegnen, indem wir es verdrängen, uns zu­

ARCHIV GEDÄCHTNIS GRÜNES sind bekannt, aus jetzt: Es sind mehr als dreimal so viele rückziehen, oder uns ablenken. Dafür gibt es denen die «Partei Menschen gekommen als erwartet. Ist auch ja heutzutage unbegrenzte Möglichkeiten. Die Grünen» das ein kleiner Mosaikstein innerhalb des Andererseits können wir uns aber auch auf entstanden ist. großen, sich vollziehenden Umbruchs, von unsere innewohnende Würde zurückbesin­ Weniger bekannt – bis auf berühmte Namen dem Ströbele sprach? nen und sie als Kompass für unser Handeln wie Petra Kelly oder Otto Schily – sind viele einsetzen. Dann entsteht wieder Kohärenz.“ der Gründungsgeneration aus den siebziger Auch der prominente Hirnforscher Gerald und achtziger Jahren. Dieser Band gibt Hüther sieht uns inmitten eines Zeiten­ Für mich hört sich das plausibel an. Aber höchst interessante persönliche Eindrücke wandels, bei dem die alten Hierarchien brö­ damit sind wir auch gleich bei der Gretchen­ in die Geschichte der Grünen und in eine ckeln. Hüther forscht zum Konzept der Wür­ frage: Taugt Hüthers Versuch, die Idee von Zeit, die das Land verändert hat. de. Sein Anliegen: Den antiquiert wirkenden Würde wiederzubeleben, auch als Richt­ Begriff aus einer neurobiologischen Position schnur für politisches Handeln? Ich gerate Ende Juni erscheint heraus neu zu definieren. Und ihn damit ins Stocken. Dann muss ich an all die Men­ böll.Thema 2/2018 sowohl in die gesellschaftliche Debatte zu schen denken, denen ich bei meiner Recher­ Demokratie braucht Feminismus heben wie auch als Richtschnur für persön­ che begegnet bin: An Christl Stenglein, die Bestellung & Download: boell.de/thema liches Handeln anzuregen. In seinem gleich­ als Studentin ihr Institut bestreikt und namigen Buch beschreibt Hüther Würde als Pamphlete verfasst hat. An Felix Kolb, der Schriften zu Europa – Band 9 „ein inneres Bild, also ein aktiv werdendes mit Campact gegen finanzstarke Lobby­ Demokratiesicherung in der neuronales Verschaltungsmuster, das sehr gruppen ins Feld zieht. Auch an Jill Stein, Europäischen Union eng an die Vorstellungen der eigenen Iden­ die bei einem Versuch, an einer Fernseh­ Studie zu einer europäischen Aufgabe tität gekoppelt und damit zwangsläufig debatte zwischen Obama und Romney teil­ Von Christoph Möllers und Linda Schneider auch sehr stark mit emotionalen Netzwerken zunehmen, verhaftet wurde. Und an Christian Februar 2018, 104 Seiten verknüpft ist. Es geht dabei um eine innere Ströbele, der im Bewegungsstrudel der 68er Vorstellung davon, was für ein Mensch mitwirkte, Edward Snowden in Moskau Die freiheitlichen jemand sein will.“ besuchte und auch heute immer noch ein Demokratien Querkopf ist. Last but not least, an Patrick stehen unter Druck. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Knodel, der sich getraut hat, die politischen Verschiedene Der prominente erste Satz aus unserem Seiten zu wechseln – und damit vielleicht populistische Kräfte versprechen Grundgesetz geht für mich wunderbar mit riskiert, in seinem persönlichen Umfeld Schutz und der Definition des Hirnforschers zusammen. anzuecken. BAND 9 Denn natürlich: Niemand kann mir mein Demokratiesicherung in der Europäischen Sicherheit durch Union Studie zu einer europäischen Aufgabe Abschottung und inneres Bild von der Person nehmen, die ich Entspricht ihr Handeln nicht genau dem, einen starken, sein möchte. Und weitergedacht: Da jedem was wir als würdevoll bezeichnen? Von Christoph Möllers und Linda Schneider autoritären Staat. Menschen dieses Idealbild innewohnt, be­ Bestimmt hätten alle es sich auch etwas Die Europäische Union ist von diesen deutet die Rückbesinnung auf die eigene leichter machen können. Aber sie taten es Entwicklungen nicht ausgenommen, wie Würde gleichzeitig auch die Anerkennung nicht. Wieso? Weil sie ihre Überzeugungen man an den Ländern Ungarn und Polen der Würde unseres jeweiligen Gegenübers. nicht preisgegeben haben und einem inne­ sehen kann. Diese Publikation macht anschau- Damit entspricht Hüthers Appell, sich die ren Impetus gefolgt sind. Das, was sie ge­ lich in welchem Dilemma sich die EU befindet eigene Würde neu zu vergegenwärtigen, sellschaftlich vorfanden, haben sie nicht als und welche Möglichkeiten sie doch hat. einem radikal persönlichen und gleichzeitig gegeben hingenommen, sondern hinter­ kosmopolitischen Ansatz. Etwaige Identi­ fragt. Und so veranschaulichen diese Men­ Bestellung & Download der Publikationen: fikationen mit nationalem oder sozialem schen: Wer im Einklang mit seiner Würde boell.de/publikationen Background werden obsolet, wo die scho­ agiert, handelt politisch. Weil sie oder er www.boell.de nungslose Selbstbefragung anfängt: Wo eine Alternative im Blick hat und für sie ein­ handle ich nicht würdevoll? Wo lasse ich steht. Es mag ja sein, dass durch Ökokrise Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstr. 8, 10117 Berlin mich vielleicht zu sehr von Konzepten oder und neue Nationalismen die kollektiven vermeintlichen Zwängen steuern? Handlungsspielräume zusammenschmelzen. Orientierung finden in bewegten Zeiten.

PHILIPP HAUNER Quo. Ein Novum, eine schockierende Dia­ In diesem Sinne: Auch wenn der Protest ist Journalist und lebt in München. gnose, die wie eine Weggabelung scheint: nicht verhindern konnte, dass das Polizei­ Vor zwei Jahren hat er auf Wollen wir ängstlich den Wohlstand mit aufgabengesetz verabschiedet wurde, war change.org eine Petition gestartet, allen Mitteln verteidigen, indem wir weiter er nicht umsonst. Zum einen war überall zu und war etwas enttäuscht über ausschließlich auf Wachstum und Beschleu­ lesen, dass das Gesetz trotz des großen die wenigen Unterschriften. Viel­ nigung setzen? Oder öffnen wir den Raum Widerstands erlassen wurde. Zum anderen leicht klang seine Forderung einfach zu sehr nach Beamten­ für eine neue Definition des zukunftsbeja­ hatte der Protest einen Wert an sich – auch deutsch: „Einheitliche Regeln für henden Fortschritts? Diese Option hätte für mich. Denn: Was hätte es gebracht, nur die Flaggenbeleuchtung den Vorteil, wieder auf Ziele zuzulaufen zu meckern und untätig zu bleiben? Natür­ des Brandenburger Tors in Berlin.“ anstatt vor der großen Katastrophe davon­ lich, das Gesetz ist nur ein kleiner Mosaik­ zurennen. Und dabei ja doch im großen stein innerhalb vieler besorgniserregender Hamsterrad zu bleiben. Entwicklungen. Wie ungleich größer und abstrakter doch die vielen Probleme sind, Auch wenn es irrational erscheinen oder mit denen wir tagtäglich medial konfron­ banal klingen mag: Nach zehn Tagen Recher­ tiert werden. Aber deswegen in eine Aber das bedeutet ja nicht auch automatisch, che blicke ich ein wenig hoffnungsvoller in Schockstarre verfallen oder neue Sünden­ dass unser individuelles Wirkungsfeld kleiner die Zukunft. Mein Gefühl der Ausweglosig­ böcke kreieren? Nein, danke. wird. Vielleicht ist es ja gerade so: Wenn wir keit ist kleiner geworden. Auch weil mir klar mit dem Rücken zur Wand stehen, bleibt uns geworden ist, dass viele Menschen ganz Was wir brauchen, ist mehr Beweglichkeit in gar nichts anderes übrig, als persönlich über ähnliche Gedanken umtreiben wie mich. Ich den Köpfen – gemäß dem alten Revoluzzer-­ uns hinauszuwachsen. habe gesehen, wie aus kleinen Initiativen Motto „Seid realistisch, fordert das Unmög­ heraus etwas Größeres wachsen kann. Und liche.“ Jetzt geht es darum, hinzusehen, sich Zum ersten Mal seit zirka 250 Jahren hegt wie viel doch das persönliche Engagement das Politische neu anzueignen und die Wahr­ eine Elterngeneration nicht mehr mehrheit­ jeder einzelnen Person zu bewirken vermag. heit wieder sexy zu machen. Dass man dafür lich die Erwartung, dass es den Kindern Die Scheinargumente „das bringt doch eh zuweilen viel Geduld und einen langen Atem einmal besser gehen wird als ihr. Und hofft nichts“ oder „da bin ich ja machtlos“ lasse haben muss – geschenkt. Denn schließlich: stattdessen auf nicht allzu große Wohl­ ich jetzt niemandem mehr so einfach durch­ Auch die Saat der 68er ist nicht vom einen standseinbußen und den Erhalt des Status gehen. Auch mir selbst nicht. auf den anderen Tag aufgegangen.

ANZEIGE LANDWIRTSCHAFT KLARE ZIELE FÜR DIE AGRARWENDE EUROPAGRUPPE GRÜNE von Maria Heubuch m die Landwirtschafts- und Lebensmittelpolitik an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen, braucht U es eine grundlegende Reform. Bienensterben, Tierleid und verödende ländliche Regionen sind nicht länger hinnehmbar. Zwei grundlegende Reformen Aktuell werden in Brüssel die Weichen für die Jahre ab 2021 gestellt: Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) steht bevor. der EU werden derzeit verhandelt: Die von EU-Agrarkommissar Hogan angekündigten Reformpläne Maria Heubuch ordnet den Vor­ werden den anstehenden Herausforderungen aber nicht gerecht. Demnach sollen die EU-Mitgliedstaaten künftig mehr Verantwortung schlag für die Gemeinsame Agrar­ übernehmen und nationale Umsetzungspläne ausarbeiten. Aber politik ab 2021 ein. Helga Trüpel das birgt die Gefahr eines Wettlaufs nach unten. Wer auf billige Mas­ senproduktion setzt und Umwelt- und Sozialstandards untergräbt, widmet sich dem EU-Haushalt zu. könnte am Ende als Gewinner dastehen. Das lässt sich nur verhindern, wenn starke, verbindliche und überprüfbare Ziele auf EU-Ebene Menschen- und Minderheiten­ gesteckt werden. Dafür streiten wir Grüne. rechte sind der rote Faden, der sich „Die Agrarsubventionen müssen gezielter durch die Europaseiten zieht. eingesetzt werden: Für kleine und mittlere beschreibt, wie Betriebe, Klima, Umwelt und Tierwohl.“ die indigene Gemeinschaft in Zen­ traljava für den Erhalt ihres Lebens­ Durch den Brexit werden in Zukunft weniger Mittel für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Die Europäische Kommission raums kämpft. be­ spricht von fünf Prozent Budgetkürzungen, andere Berechnungen richtet vom Widerstand gegen den kommen auf mehr als 15 Prozent. Gerade weil gekürzt wird, fordern rechten Backlash in Europa. Sven wir, dass die verbliebenen Gelder gezielter für kleine und mittlere Betriebe, Klima, Umwelt und Umbau der Tierhaltung ausgegeben Giegold spricht mit werden. Doch die EU-Kommission plant das genaue Gegenteil: Aus­ über Antiziganismus in unseren gerechnet die gezielten Maßnahmen der ländlichen Entwicklung sollen empfindlich gekürzt werden, die Hektarzahlungen aber kaum. Gesellschaften. Romeo Franz, der die Zumindest gibt es Überlegungen, die Zahlungen an Großbetriebe Nachfolge von zu kürzen. Damit wird eine langjährige grüne Forderung aufgegriffen. Allerdings muss dafür gesorgt werden, dass dies nicht durch Unter­ antritt, wird erster Sinto im EU-Parla­ nehmensspaltungen umgangen wird. ment. Wir feiern dieses historische Bäuer*innen müssen einen fairen Preis für ihre Produkte erhal­ ten. Hier ist die EU-Kommission noch zu zaghaft. Aktuell sind Ereignis! EU-weit 350.000 Tonnen Milchpulver eingelagert, weil Maßnahmen gegen Überproduktion zu spät ergriffen wurden. Das drückt die Preise. Statt hier umzudenken und weniger, dafür nachhaltiger zu Wir wünschen allen Leser*innen produzieren, setzt die EU-Kommission auf eine aggressive Export­ spannende Einblicke auf den strategie. Darunter leiden wiederum Bäuer*innen in anderen Ländern. Es bleibt also viel zu tun für eine echte grüne Europaseiten. Agrarwende.

EURE EUROPAGRUPPE GRÜNE MARIA HEUBUCH Mein Hintergrundpapier für eine soziale und ökologische Wende in der Landwirtschaft gibt es hier: gruenlink.de/1fui Europagruppe GRÜNE

Was hast du vor im Europäischen Parlament? höchstens von einer kleinen Gruppe wissen­ INTERVIEW Ich will aus dem Europaparlament heraus ge­ schaftlich und politisch Interessierter verwen­ gen Inklusionshindernisse und Diskriminierung det. Wenn wir aber Antiziganismus ernst neh­ HISTORISCHES jeglicher Art kämpfen. Ich will den Sinti und men würden, wäre beispielsweise die Debatte EREIGNIS Roma eine Stimme verleihen und mich dafür um die sicheren Herkunftsländer auf dem einsetzen, dass sie endlich wahrgenommen Westbalkan obsolet, denn weder Serbien, Bos­ werden und zwar als Menschen mit Potenzial. nien und Herzegowina noch Mazedonien sind Obwohl sie seit Jahrhunderten in Deutschland für Menschen mit Romno-Hintergrund sicher. interviewt Romeo Franz leben, in allen Gesellschaftsschichten wohlge­ Verstehe ich dich richtig, dass du sagst, dass merkt und viele bestens integriert, werden sie diese Entscheidungen über die sicheren Her­ Erstmals zieht ein deutscher Bürger mit Romno- immer noch umstandslos mit Armutsflüchtlin­ kunftsländer deshalb eigentlich rechtswidrig Hintergrund in ein Parlament ein. Noch nie gen aus Osteuropa identifiziert. Menschen mit sind? Es muss eine langfristige Bleiberechts­ gab es in der Bundesrepublik Bundestags- oder Romno-Hintergrund sind Menschen wie du lösung für die nach Deutschland Geflüchteten Landtagsabgeordnete mit Romno-Hintergrund. und ich. Sie wollen sich einbringen, sie wollen gefunden werden. Denn auf dem Westbalkan Bündnis 90 / Die Grünen schicken nun Romeo an der Gesellschaft teilhaben. Dafür streite haben Menschen mit Romno-Hintergrund Ver­ Franz ins Europaparlament. ich. Kaum jemand weiß etwas über sie, um ihren folgung zu befürchten und leben oft unter Romeo, was bedeutet dein Einzug ins EU- Beitrag zur europäischen Kultur und Gesell­ menschenunwürdigen Bedingungen. Parlament für die Sinti und Roma in Deutsch­ schaften zum Beispiel. Das will ich ändern. Ich Oft werden Sinti und Roma als homogene land und Europa? Es ist ein starkes Signal gegen streite für mehr Integrationsangebote, um Gruppe missverstanden. Doch die eine Com­ Rassismus und für die vielfältige Gesellschaft. Aufstiegschancen zu verbessern und soziale munity gibt es gar nicht. Was müsste sich In Europa und in Deutschland stoßen Sinti und Brennpunkte zu entzerren. Bildung ist der deiner Meinung nach ändern, um beispiels­ Roma immer noch auf Ablehnung. Ihr Alltag Schlüssel, um ihre Situation zu verbessern. weise soziale Konflikte zu entschärfen? ist geprägt von Ressentiments, Ausgrenzung Du bist seit über 20 Jahren in der Bürger­ Angehörige der Sinti und Roma haben in den und Vorurteilen. Viele Menschen mit Romno- rechtsarbeit engagiert und hast als geschäfts­ verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ganz ver­ Hintergrund geben ihre Zugehörigkeit erst gar führender Direktor der Hildegard-Lagrenne- schiedene Probleme und Ausgangslagen. Ich nicht an. Sie betreiben Selbstverleugnung, um Stiftung für die Rechte der Sinti und Roma möchte das Selbstbewusstsein junger Men­ zum Beispiel ihren Arbeitsplatz nicht zu ver­ gestritten. Du kämpfst dafür, dass Antiziganis­ schen mit Romno-Hintergrund stärken, denn lieren. Auch bei der Wohnungs­suche müssen mus wie Antisemitismus in unserer Gesell­ sie und ihre Familien gehören ganz selbst­ viele mit Schwierigkeiten rechnen, wenn sie schaft geächtet wird. Antiziganismus beinhal­ verständlich dazu. Eine gezielte europäische sich als Angehörige der Min­derheit ausgeben. tet Ressentiments und Vorurteile gegen Sinti Anti­diskriminierungsarbeit ist unerlässlich, Viele verleugnen gegenüber Freund*innen und Roma und baut wie Antisemitismus auf um die Öffentlichkeit und die EU-Mitgliedstaa­ oder Kolleg*innen, dass sie der Minderheit an­ Bildern auf, die auf die Menschen dieser Min­ ten auf Missstände aufmerksam zu machen ge­hören. Denn es handelt sich um eine stark derheit übertragen wurden und werden. Anti­ und Interventionen einzufordern. marginalisierte und stigmatisierte Gruppe von ziganismus muss gesellschaftlich ebenso Menschen. Kaum jemand weiß, dass beispiels­ geächtet werden wie Antisemitismus. Seit Jahr­ weise der Maler Pablo Picasso, der Schauspie­ hunderten, seit Menschen mit Romno-Hinter­ ler Charlie Chaplin und die Sängerin Marianne grund in Europa leben, ist der Antiziganismus Rosenberg Angehörige sind. Menschen mit Teil der europäischen Gesellschaften und Romno-Hintergrund stoßen in Europa und in durch ihn werden die Menschen bewusst, oft Deutschland auf mehr Ablehnung als jede an­ auch unbewusst, diskriminiert und geächtet. dere Gruppe. Dass jetzt ein Sinto Europaabge­ Sie werden als „primitiv“, „kulturlos“, „kriminell“ ordneter wird, ist ein historisches Ereignis und und „modernisierungsresistent“ gekennzeich­ ROMEO FRANZ eine große Verantwortung. Es kann nicht sein, net, um nur einige Beispiele zu nennen. Aller­ rückt für Jan Philipp Albrecht nach. Er ist der dass Angehörige dieser Minderheit im Jahr dings wird Antiziganismus in Europa und in erste Sinto im Euro­ 2018 Angst vor Anfeindungen haben müssen. Deutschland tabuisiert. Der Begriff selbst wird päischen Parlament.

DIGITAL UND EU-USA: ERFAHRBARE MEHR EHRGEIZ DRAUSSEN SCHEIDUNGSFALL? GESCHICHTE ZUR TRANSFORMATION Nach neun Jahren für euch im Im Auswärtigen Ausschuss Umweltfreundlich die Geschichte Nie war die Kluft zwischen not­ EU-Parlament werde ich im Som­ steht ein Bericht zur EU-USA- Europas auf dem Rad erleben: wendigen CO2-Minderungen für mer mein Mandat abgeben, um Politik an, für den ich für die Dies geht nirgendwo so gut, wie die Pariser Klimaziele und einem in Schleswig-Holstein das Ministe­ grüne Fraktion an Kompromis­ auf dem Iron Curtain Trail. Wir Gesetzesvorschlag so groß wie rium für Energiewende, Land­ sen arbeite. Das transatlanti­ setzen uns dafür ein, dass sich der bei der CO2-Regulierung für Autos. wirtschaft, Umwelt, Natur und Digi­ sche Verhältnis ändert sich grund­ über 10.000 km lange Fernradweg So lahm schaffen wir die Trans­ talisierung zu leiten und konkret legend. Das braucht eine ver­ quer durch Europa entlang der formation des Sektors für Klima­ die Digitalisierung mit der Energie- tiefte Debatte. Einige Gedanken: ehemaligen Ost-West-Teilung auch schutz, Luftqualität und Wett­ und Agrarwende verbinden. gruenlink.de/1g7q in Zukunft gut entwickelt. bewerbsfähigkeit der Industrie nicht. Jan Philipp Albrecht Reinhard Bütikofer Michael Cramer www.janalbrecht.eu www.reinhardbuetikofer.eu www.michael-cramer.eu www.rebecca-harms.de

23 Europagruppe GRÜNE

MENSCHENRECHTE BACKLASH IN EUROPA WIDERSTAND AM GRUNDRECHTE KENDENG-KARST UNTER BESCHUSS

von Barbara Lochbihler von Terry Reintke

eit über zehn Jahren protestieren die Menschen auf Zentral­ b in Polen, Ungarn oder Rumänien – autoritäre Tendenzen java gegen den Bau eines Zementwerks – hart wie Zement nehmen zu. Spätestens wenn Regierungen damit anfangen, S war der Widerstand, auf den sie bisher stießen. Ihre Heimat O Nichtregierungsorganisationen den Geldhahn zuzudrehen, liegt am Kendeng-Karstgebirge, das mit seinen unterirdischen Flüs­ die Versammlungs- und Pressefreiheit zu beschneiden, die Unabhän­ sen und Quellen ein riesiger Speicher von Regenwasser und Kohlen­ gigkeit der Justiz abzubauen und mit gezielten Fehlinformationen dioxid ist – und eigentlich geologisches Schutzgebiet. Für die die Öffentlichkeit zu manipulieren, werden bürgerliche Freiheiten lokale Landwirtschaft und das Leben der indigenen Gemeinschaften massiv eingeschränkt. ist es unersetzlich. Die Firma Indocement, ein Tochterunternehmen Überall in Europa arbeiten Populist*innen, Nationalist*innen des deutschen Konzernes HeidelbergCement, will dennoch Teile des und Neokonservative mit vereinten Kräften daran, unsere Grund­ Karstgebirges abbauen, um dort Rohstoffe für die Produktion von rechte auszuhebeln und die Errungenschaften unserer demokrati­ Zement zu gewinnen. Indonesien selbst braucht den Zement für den schen Gesellschaften zurückzudrehen. Damit befeuern sie den Bau von Flughäfen, Autobahnen und Fabriken. gesellschaftlichen Backlash, der darauf ausgerichtet ist, autoritäre Doch dieser schwerwiegende Eingriff in das komplexe Ökosys­ Wertvorstellungen wieder salonfähig zu machen. tem würde den Indigenen der ganzen Region die Lebensgrundlage Dem Backlash fallen zunächst vor allem die Rechte von gesell­ entziehen. Deshalb protestieren sie beharrlich. Auf Aktionärsver­ schaftlichen Gruppen zum Opfer, die als schwächer wahrgenommen sammlungen von HeidelbergCement wie auch bei ihrer eigenen Regie­ werden – Frauen, Migrant*innen sowie sexuelle Minderheiten. Das rung fordern sie die Achtung des Rechts auf ihr Land und ihre Res­ Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist dabei oft der Anfang. sourcen. Wirkung zeigte dieser Protest erst, als eine vom indonesi­ Denn am Ende wendet sich der Backlash gegen alle, die in offenen schen Präsidenten­ im letzten Jahr in Auftrag gegebene Studie zu und freien Gesellschaften leben wollen. der Empfehlung kam, am Karst keinen Bergbau zu betreiben. Die #metoo-Debatte hat öffentlich auf das Ausmaß sexueller Auf meine Fragen in Jakarta, wie es nun weiterginge, sagte mir Belästigungen und Übergriffe aufmerksam gemacht und gesell­ ein langjähriger Vertrauter des Präsidenten, dass einige Firmen zwar schaftliche Machtstrukturen offenbart. Im Europäischen Parlament einen besorgniserregenden Umgang mit Dorfbewohner*innen ist daraus eine überparteiliche Zusammenarbeit entstanden, die gehabt haben sollen, manche Nichtregierungsorganisationen hätten sich gegen sexuelle Belästigung in den europäischen Institutionen aber die konkrete Lage vor Ort übertrieben. Es müsse dafür gesorgt wendet – und damit eine wirksame Bewegung gegen den Backlash. werden, dass bisher getätigte Investitionen nicht verloren gingen – Der Backlash ist ein Angriff auf die EU. Denn die Achtung von die Unternehmen hätten sowieso schon Verluste durch den Verzug. Menschenwürde, Gleichheit oder Rechtsstaatlichkeit sind in den euro­ Ja, eine Umweltverträglichkeitsprüfung gäbe es wohl und sie päischen Verträgen verankerte Grundwerte und gelten EU-weit. Die würden versuchen, eine Lösung zu finden. Europäische Union hat die Pflicht, diese Werte Ich bleibe skeptisch. für alle Menschen in der EU durchzusetzen.

BARBARA LOCHBIHLER TERRY REINTKE war kürzlich mit der Südostasien-Delegation Weitere Informationen zum Thema gibt des EU-Parlaments in der Region und hat dort es auf meiner Homepage www.terryreintke.eu über Menschenrechte gesprochen. Bild: © Cornelis Gollhardt

AUS FÜR DREI DEMOKRATIE- NEONICS SÜNDER Unser Einsatz hat sich bezahlt Die EU muss gegen Demokratie­ gemacht – drei der gefährli­ sünder wie Ungarn und Polen vor­ chen Bienenkiller sind jetzt im gehen. Aber sie darf den demo­ Freiland verboten. Wir kämp­ kratischen Kräften vor Ort nicht fen weiter für eine chemiefreie schaden. Statt EU-Gelder zu Landwirtschaft und für Arten­ streichen, muss die Europäische Europagruppe GRÜNE / Europäisches Parlament vielfalt, Gesundheit und Nach­ Kommission Gelder selbst ver­ www.gruene-europa.de haltigkeit. walten und an Projekte vor Ort [email protected] direkt ausbezahlen. Martin Häusling twitter: @gruene_europa www.martin-haeusling.eu facebook.com/europagruene www.skakeller.de Verantwortlicher Europaseiten: Aldo Caruso

24 Europagruppe GRÜNE

jedoch durchschnittlich nur neun Prozent Steuern. Herkömmliche Unter­ EU-HAUSHALT nehmen zahlen über 20 Prozent. Einheitliche Steuersätze, die prozen­ tual in den EU-Haushalt fließen, können die Handlungsfähigkeit der EU ZUKUNFTSHAUSHALT erhöhen und gleichzeitig die Steuervermeidung von Monopolen ver­ DRINGEND BENÖTIGT hindern. Steuervermeidung ist ein zentrales Thema, das für Unverständ­ nis und ein Gefühl der Ungerechtigkeit in der Bevölkerung sorgt. Auch die Ausgaben müssen reformiert werden. Themen wie Migra­ tion und Grenzschutz müssen sich im Haushalt wiederfinden. Sehr von Helga Trüpel erfreulich ist die Betonung des Mehrwerts bei der Förderung von Pro­ jekten. In dieser Hinsicht wäre eine Verdopplung der Mittel des Eras­ m Mai hat die EU-Kommission ihre Vorschläge für den Mehrjähri­ mus+-Programms sehr zu begrüßen. Erasmus+ ist das EU-Programm zur gen Finanzrahmen (MFR) vorgestellt. Der MFR schreibt für die Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport I Jahre 2021 bis 2027 vor, über welche Finanzmittel die Europäische in Europa. Die Koppelung der Ausgaben von nur 25 Prozent an die Union verfügt und wie diese zum Einsatz kommen. Die nun anstehen­ EU-Klimaziele aber enttäuscht uns Grüne. Auch die UN-Ziele für nach­ den Verhandlungen sind also wegweisend für die zukünftigen Investitio­ haltige Entwicklung sind unterrepräsentiert. nen und Schwerpunkte der EU. Nur Reformen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite können zu Wegen stetig wachsender Aufgaben darf das EU-Budget trotz des einem Zukunftshaushalt führen, mit dem die EU als handlungs­fähiger Brexits nicht verkleinert werden. Der Vorschlag sieht vor, die Beiträge Akteur weltweit anerkannt werden kann. der EU-Mitgliedstaaten anzuheben und so für einen größeren Haushalt zu sorgen. Obwohl die Anhebung hinter den Erwartungen des Europä­ ischen Parlaments zurückbleibt, ist die Tendenz zu begrüßen. In Zeiten von wirtschaftlicher Erholung, hohen Steuereinnahmen und immer steigenden Anforderungen an die Europäische Union wäre die Bereit­ schaft zu höheren EU-Beiträgen ein wichtiges Signal. Zusätzlich sind die Vorschläge von Plastik- und Umweltsteuern – als neue Eigen­ mittel – sehr fortschrittlich, um den Haushalt unabhängiger von natio­ HELGA TRÜPEL Die Studie „Communicating Green Own nalen Interessen zu machen. Es fehlt jedoch eine Digitalsteuer. Digitale Ressources“ liefert Argumente für die ökologischen Unternehmen wachsen schneller als andere Unternehmen, zahlen Eigenmittel: gruenlink.de/1g7r

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BACKSTAGE BUNDES­GESCHÄFTSSSTELLE

Und was machst du so? Was gibt’s Neues? In der Bundesgeschäftsstelle machen wir mit insgesamt rund 70 Personen für euch grüne Politik.

JAMILA SCHÄFER GESINE AGENA MICHAEL KELLNER ANNALENA BAERBOCK ROBERT HABECK BENEDIKT MEYER stv. Vorsitzende und stv. Vorsitzende und Politischer Bundesvorsitzende Bundesvorsitzender Bundesschatzmeister europäische internat. frauenpolitische Geschäftsführer Koordinatorin Sprecherin

EMILY MAY BÜNING Organisatorische Geschäftsführerin

ROBERT HEINRICH JANA ABRESCH FREDERIC CARPENTER JONAS KASSOW JUDITH NAHRWOLD Büroleitung Büroleitung Büroleitung Büroleitung Büroleitung

Organisation & Veranstaltungen

Verwaltung

Gremien

NICOLAS Personal NICOLA KABEL SCHWENDEMANN CHRISTINE WETZEL MELANIE HAAS DOREEN WESSER Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Mobilisierung und Mitglieder Programm und ANTONIA DONATH Kommunikation Kampagnen und Fundraising Analyse Finanzen Wahlkämpfe

CLAUDIA SCHLENKER Frauenreferat

MARTIN TILLE IT

ALEXANDER ELGT Grüner Versand, eShop & Material Grundsatz- programm

Umwelt & Klimaschutz­

Demokratie, Finanzbuchhaltung Kampagnen & Sponsoring Innen, Recht Strategische Kom­ Frauengremien Haushalt munikation Spenden Europa & Frauenpolitik Internationales­ Rechenschafts­ Bürger­ Freiwillligen­ bericht kommunikation management Einhaltung Arbeit, Soziales, Presse­ Frauenstatut Wirtschaft & Einhaltung kommunikation Aktionen Mobilisierung Finanzen Parteiengesetz

26 Grüntöne

FÜR MEHR GRÜN IN Impressum BAYERN UND HESSEN Das Magazin der Grünen – Mitgliederzeitschrift SAVE THE DATA Wir Grüne sind stark, nach drinnen und nach draußen. Nr. 9, ISSN 2509 - 3193 Seit dem 25. Mai gilt die Nutzen wir den Aufwind für die kommenden Landtags­ Postvertriebszeichen: A 02908 neue EU-Datenschutz-­ wahlen! Im Herbst wählen Bayern und Hessen. In Hessen Grundverordnung. Ein klarer geben die Grünen der Regierungspolitik seit Jahren Herausgeber: grüner Erfolg: Die Ver­ erfolgreich ihre Handschrift: mit einem Klimaschutzplan, BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN

Illustration: rajakumara fromthe Noun Project ordnung gilt künftig für alle dem Ausbau erneuerbarer Energien, mit einer Rekordför­ Michael Kellner 500 Millionen Bürger*innen derung für Busse und Bahnen, mehr bezahlbarem Wohn­ Politischer Bundesgeschäftsführer der Europäischen Union. Sie raum und mehr Geld für Integration, Bildung und Kultur. V. i. S. d. P.: Jana Abresch schafft Transparenz und Die Landtagswahlen entscheiden, ob Hessen weiter auf faire Wettbewerbsbedingun­ grünem Kurs bleibt. In Bayern kämpfen die Grünen gegen Redaktion, Gestaltung, Produktion: gen sowie Rechtssicher­- Flächenfraß oder den Rechtsruck in unserer Gesellschaft. Anzinger und Rasp, München heit für Unternehmen. Und Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, die Redaktion: Alexandra Bürger, Ivonne gibt Verbraucher*innen Gleichstellung der Frauen und die Digitalisierung vieler Fehn (Leitung), Philipp Hauner auf dem gesamten EU-Bin­ Lebensbereiche brauchen neue und mutige Antworten. Gestaltung: Miriam Bröckel nenmarkt durchsetzbare Die bayerischen Grünen stellen sich diesen Herausforde­ Rechte. Jan Philipp Albrecht rungen. Sie wollen die absolute Mehrheit der CSU bre­ Kontakt Redaktion: hat im Europaparlament chen. Mit deiner Spende unterstützt du die Kampagnen: E-Mail: [email protected] lange dafür gekämpft. Hier Präsenz im Netz, Druck von Plakaten und Flyern, Veran­ Redaktion: Das Magazin der Grünen findet ihr sein FAQ dazu – staltungen und Wahlkampftouren. BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN in dem er auch mit Missver­ Bitte überweise deine Spende für den Wahlkampf in Triftstraße 13, 80538 München ständnissen aufräumt: beiden Ländern an: IBAN: DE73 4306 0967 8035 8159 00 janalbrecht.eu/2018/05/ Stichwort: „Spende LTW BY HE“. Spende online: Anzeigenverwaltung: dsgvo-haeufig-gestellte-­ gruene.de/spende-ltw oder direkt an die Landesverbände: Runze & Casper Werbeagentur GmbH fragen-haeufig- Bayern – IBAN: DE80 7025 0150 0000 0158 75 Ruth Hansmann verbreitete-mythen/ Hessen – IBAN: DE28 5105 0015 0101 2645 64 Linienstraße 214, 10119 Berlin Tel.: 030 /28 01 80 - 145 [email protected] LESEN NEUE ZEITEN. Druck: Leere Herzen NEUE ANTWORTEN. 67.500 Exemplare Juli Zeh Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG, Kassel, auf 100 % Juli Zeh zeichnet in ihrem neuesten Werk Über Feminismus wird aktuell viel disku­ Recycling­papier. das Bild einer düsteren Zukunft: Die Bewe­ tiert. Ob § 219a oder #metoo – überall Den Auflagen von Bayern, Baden-­ gung der „besorgten Bürger“ hat die Macht zeigt sich, wie drängend feministische Württemberg, Berlin, Hessen, übernommen. Die Gesellschaft reagiert nur Themen sind. Auf unserer Bundesfrauen­ Rheinland-Pfalz und Nordrhein- noch mit Gleichgültigkeit auf den Abbau konferenz wollen wir mit dir diskutieren: Westfalen liegen Zeitungen der von politischen Grundwerten durch die Wie siehst du die Macht- und Vertei­ Landesverbände oder Landtags­ neuen Machthaber*innen. Die Menschen lungsfrage? Was sind deine Ideen für fraktionen bei. Das Werbemittel sind nicht mehr bereit für ihre Prinzipien die Stärkung demokratischer gesell­ der Ökoworld AG liegt der Gesamt­ und Überzeugungen einzustehen. Im Zent­ schaftlicher Strukturen? Wie kommen wir auflage bei. rum der Geschichte steht Britta, die genau zu einer Ermächtigung von Frauen und diesen Blick auf die Welt verkörpert. Selbstbestimmung in allen Lebensbe­ Jahresabonnement: Ohne jede Moral und Ethik spürt sie Suizid­ reichen? Dich erwarten zwei Tage voller Vier Ausgaben: 11,90 Euro gefährdete auf und vermittelt diese letzten kontroverser und zukunftsweisender Bestellung schriftlich an: Endes als Selbstmordattentäter*innen an Debatten, Workshops und gute Laune bei BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN Terror­organisationen, unserer Party. Und das Beste: Unsere Abo /Magazin um Profit mit ihnen zu Ergebnisse werden Teil unseres neuen Platz vor dem Neuen Tor 1 machen. Zeh zeigt in ihrem grünen Grundsatzprogramms. Feminismus 10115 Berlin Roman eindrücklich, war­ wird Programm. Die nächste Ausgabe erscheint vor­ um die Demokratie keine 7. – 8. September: Bundesfrauen­ aussichtlich am 24. September 2018 Selbstverständlichkeit ist konferenz – das feministische und warum es sich lohnt, Forum zum Grundsatz­ programm­ sie zu verteidigen. Mehr Infos unter: gruene.de/bundesfrauenkonferenz

27 Grüntöne FRAUEN

Wie bringen wir Selbst­ DIE ZUKUNFT FRAGEN bestimmung, Schutz und Vielfalt der Lebens­

entwürfe aller Frauen Minke William Fotos: in eine Balance? Weil veränderte Zeiten andere Themen mit sich bringen und unsere Werte auf den Prüfstand stellen, geben wir Grüne uns jetzt ein neues Grundsatzprogramm. Bis 2020 wollen wir gemeinsam unsere politische Haltung definieren. Wir stellen die neue Abteilung „Programm und Analyse“ vor, die dem Bundes­ vorstand inhaltlich zuarbeitet und den Programmprozess begleitet.

VIELFALT

Wie begeistern wir für Selbstbestimmung in Vielfalt, die so wertvoll ist für unsere Gesell­ schaft? CLAUDIA SCHLENKER Bundesfrauenreferentin „Mich beschäftigen alle Fragen rund um das Thema sexuelle Selbstbestimmung von Frauen – von #metoo bis zur Ab­ schaffung des Paragraphen 219a. Dazu ‚Dauerbrenner‘ wie die eigenständige Absicherung von Frauen. Mir ist wichtig, dass der feministische Blick auf die Debatten des Grundsatz­ programms sichtbar wird.“

UNGLEICHHEIT MINDERN

DENISE BENTELE Wie können wir der immer Referentin für Demokratie, Innen, Recht größer werdenden Ungleich­ „Als Wowereit 2001 seinen berühmten Satz ‚Ich bin schwul – heit bei der Verteilung von Ein­ und das ist auch gut so‘ sagte, ging es um individuelle kommen und Vermögen Selbstbestimmung. Für uns Grüne stellt sich aktuell die politisch entgegen wirken? Frage nach gesellschaftlicher Selbstbestimmung. Heute müsste der Satz lauten: ‚Wir in Deutschland sind verschieden – und das ist auch gut so.‘“

KLAUS SEIPP Referent für Soziales, Arbeit, Wirtschaft und Finanzen „Die drängendsten und ungelösten sozialen Pro­ bleme in Deutschland sind momentan die furchtbare Situation in der Pflege und die sich immer mehr zuspitzende Wohnungsnot in den Großstädten.“

28 Grüntöne

MULTI- LATERALISMUS

Wie können wir den Multilateralismus in Zeiten von Abschottung, Nationalismus und Protektionismus stärken?

DEMOKRATISCHE WERTE Wie gestalten und sichern wir die multikulturelle Demokratie und den Werte­ konsens Europas? Wie stärken wir globale Gerech­ tigkeit und Ökologie? MELANIE HAAS Abteilungsleiterin Programm & Analyse „Bei uns laufen die unterschiedlichen Debatten- ­­stränge aus der Partei zum neuen Grundsatzprogramm zusammen. Wir brauchen schließlich bis Ende des Jahres viele Rückmeldungen und Ideen, um einen ersten Entwurf schreiben zu können. Mich treibt um, wie wir unsere grünen Werte in einer veränderten Welt glaub­ würdig ausbuchstabieren.“ BRITTA JACOB Referentin für Europa und Internationales „Am meisten beschäftigt mich derzeit die Zukunft der Europäischen Union. Außerdem arbeite ich an den Themen WENIGER Iran, Syrien, Russland und an Fragen des internationalen Handels. Langfris­ PLASTIK tig entscheidend ist, wie wir den Klimawandel eindämmen, Abrüstung Das heiße Thema? voran­treiben, Demokratie und Men­ Bei Plastik passiert gerade schenrechte global verteidigen und politisch und aktivistisch ein faires Wirtschafts-, Steuer- und sehr viel – das ist genau Handelssystem voranbringen können.“ richtig.

CHRISTINE SPANNAGEL Referentin für Umwelt & Klimaschutz „Die Klimakrise bedroht Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Die Er­hitzung unserer Erde wird Folgen mit sich bringen, die wir alle uns noch gar nicht richtig vorstellen kön- ­nen. Das macht es auch so schwer, zu handeln. Denn es geht nicht um nächsten Monat oder nächstes Jahr. Trotzdem müssen wir unseren CO2-Ausstoß so schnell wie möglich senken!“

29 Grüntöne

Wie fasst man eine Partei, die aus verschiedenen Bewegungen entsteht und von kulturellen Unterschieden lebt, in eine ein­ zige Marke? Die Lösung im Jahr 1993 waren unterschiedliche Schriften und Farben für „Bündnis 90“ und „Die Grünen.“ Seit dem Parteitag 2007 ver­ wenden Bündnis 90/Die Grünen das untenstehende Logo.

EIN LOGO FÜR ALLE

Bevor „Bündnis 90“ und „Die Grünen“ vor kann eine Geschichte über Werte erzählen, in Bewegung bringen. Gefordert und erreicht: 25 Jah­ren zusammenfanden, bastelten die Identität stiften und ist ein Versprechen an ein demokratischer Wandel! späteren Vorstandssprecher Marianne die Betrachter*in. Ein gutes Logo? Unver­ Birthler, Ludger Vollmer, Heide Rühle und wechselbar, einprägsam, oft genial einfach! 2007 dann das Logo-Lifting: Vom nächtens Werner Schulz nachts am PC von Richard Alle haben die Marke dazu buchstäblich vor entstandenen Design blieben natürlich die Herten ein gemeinsames Logo, so erzählt Augen. Ein silberner Stern, drei Streifen, ein Sonnenblume und das Grün: Beide Bewegun­ man es sich bei den Grünen. 1993 waren angebissener Apfel. gen stehen seitdem auf einem gemeinsamen Computer noch graue, langsame Ungetüme, Fundament. Die Namen in derselben Schrift­ was aber nicht die größte Herausforderung Oder: die Sonnenblume von Bündnis 90/Die art und Schriftgröße: optisch sichtbare Ge­ gewesen sein dürfte. Schließlich mussten Grünen. Angeblich stammt sie von Joseph schlossenheit. Unterstrichen mit einem Bal­ die Logo-Designer zwei auch kulturell unter­ Beuys, einem der Gründer*innen der Grünen. ken in Blau, ein Zitat an die Farbe von „Bünd­ schiedliche Bewegungen in eine einzige Kein dominantes Machtsymbol, sondern nis 90“, schließlich ist Blau die Farbe des Frie­- Marke fassen – Schwierigkeitsgrad hoch, eine Blume als Sympathieträgerin für eine dens. Und der Doppelname? Symbolisiert weiß man doch, dass gestalterische Elemente Partei? Das war etwas Neues. Vielleicht noch immer, dass zwei Bewegungen – und in immer auch inhaltliche Signalkraft entfalten. sollte sie auch symbolisieren, dass sich die ihrem Hintergrund noch viele andere – zu einer Partei deutlich abheben wollte von allen Partei zusammengewachsen sind. 25 Jahre

Als Aushängeschild verbindet ein Logo die anderen – frisch, kreativ, politisch. Auch Bündnis 90/Die Grünen, ihrem gemeinsamen Alexandra Bürger

Menschen, die sich dahinter versammeln, es Bündnis 90 wollte eine erstarrte Gesellschaft Weg ist das nächste Heft gewidmet. Text:

30 AUFNAHMEANTRAG Ich will in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitglied werden.

Name Vorname

Frau Herr k. A.

Straße, Hausnummer PLZ, Ort (Wohnsitz)

Geburtstag Geburtsort

Staatsangehörigkeit Telefon

Mobil E-Mail

Ich zahle einen Monatsbeitrag in Höhe von Euro*. Die Beitragszahlungen erfolgen jeweils im Voraus.

Zahlungsweise (bitte ankreuzen) monatlich vierteljährlich jährlich

* Der Mitgliedsbeitrag beträgt in der Regel 1 % des Nettoeinkommens. Davon abweichende Beitragsregelungen werden vom zuständigen Kreisverband festgelegt.

• Ich bin damit einverstanden, dass meine personenbezogenen Daten unter Beachtung der Datenschutzgesetze gespeichert und verarbeitet werden. Die Nutzung erfolgt ausschließlich für satzungsgemäße Zwecke der Partei BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN wie z. B. Beitragserhebung oder Versand von Informationsmaterial. Als Mitglied erhalte ich automatisch die Mitgliederzeitungen, den Newsletter des Bundesverbandes und Zugangsdaten zum mitgliederinternen Informationsnetzwerk, dem „Grünen Netz“. Andere Gebietsverbände, Fraktionen oder Tochterorganisationen der Partei können für parteirelevante Zwecke Zugriff auf die Daten erhalten. Eine Weitergabe an Dritte außerhalb der Partei z. B. für Werbezwecke findet nicht statt.

• Ich bin nicht Mitglied einer anderen Partei.

Ich bin damit einverstanden, alle Einladungen und Parteitagsunterlagen per E-Mail statt per Post zu erhalten (bitte ankreuzen). ja nein

Ort, Datum Unterschrift

Erteilung eines Mandats zum Einzug von SEPA-Basis-Lastschriften (wiederkehrende Zahlung) Ich ermächtige BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich das Kreditinstitut an, die von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen.

Kontoinhaber*in (Vorname Name)

IBAN DE bei der Bank

Ort, Datum Unterschrift

Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Das Mandat gilt für eine wiederkehrende Zahlung.

Gläubiger-Identifikationsnummer DE1700000000430246( BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Platz vor dem Neuen Tor 1, 10115 Berlin)

Vom Orts-/ Kreisverband auszufüllen Mandatsreferenz

Die oben genannte Person wurde am als Mitglied von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN aufgenommen.

Ort, Datum und Unterschrift des Orts-/Kreisverbands 

0 [email protected] -

10115 Berlin 10115 Wer keineWer Fragen hat – 1 Platz Tor Neuen vordem Bundesverband BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Mitgliedsantrag an: 030 284 42 030 284 Wer nochWer Fragen hat:

Einen Mitgliedsantrag findest du auf der der auf du findest Mitgliedsantrag Einen Rückseite oder unter gruene.de/mitgliedwerden.

Kolleginnen. Denn aus vielen wird eine Bewegung. eine wird vielen aus Denn Kolleginnen. an deine Freundinnen, Nachbarn oder oder Nachbarn Freundinnen, deine an bei sich selbst an. Also: Verschenk’ dieses Heft Also: an. Verschenk’ selbst sich bei Wer etwas bewegen will, fängt am besten will, besten fängt am bewegen etwas Wer

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