Nachruf Gute Pointen gegen eine schlechte Welt Zum Tode des Kritikers und Kollegen Hellmuth Karasek (1934 bis 2015)

r war, in jeder Hinsicht, freigiebig, mit Anekdoten, Champagner, Rat - Eschlägen und Zusagen für Artikel, Lesungen, TV-Auftritte aller Art. Er, der großzügig Gebende, wollte anderen gefallen, wusste das und machte sich gelegentlich sogar darüber lustig. Hellmuth Karasek, der unterhaltsame Intellektuelle und intellektuelle Entertai - ner, war ein Flüchtling. Das hat ihn ge - prägt. Die ostschlesische Heimat musste er 1944 verlassen, er wollte ankommen, irgendwo und möglichst schnell. Doch auch in der DDR, wohin es ihn verschla - gen hatte, mochte er nicht bleiben, er, der als Jugendlicher mit den Nazis sym - pathisiert hatte und auf einem ihrer Elite- internate war, hatte keine Lust mehr auf Diktaturen. Er ging in die BRD, studierte in Tübingen Germanistik, Geschichte und Anglistik und promovierte. Seine Doktorarbeit hatte das Thema „Das soge - nannte ‚schmückende ‘ Beiwort“. Epithe - ton heißt das in der Rhetorik und be - zeichnet ein den Satz akzentuierendes, nicht notwendiges Attribut. Die „grüne Wiese“ ist ein Beispiel. Karasek hat als Autor manch grüne Wiese gemäht, man - ches Feld beackert, seine Themen waren umfassend. Theater, Literatur, Film ge - hörten zu seinen Lieblingen. Seine journalistische Laufbahn begann er 1960 bei den „Stuttgarter Nachrich - Publizist Karasek 2005: „Charme, Witz, Intelligenz“ ten“, 1968 ging er als Theaterkritiker zur „Zeit“. 1974 wechselte er als Feuilleton - 1991 endete Karaseks Zeit als Ressort - über , Carl Sternheim und chef zum  . Dort führte er sein leiter, er blieb dem  noch einige geschrieben hatte, wurde Ressort mit lockerer Hand, klaren An - Jahre als Autor verbunden. Seine nicht eine Art intellektueller Rudi Carrell. sprüchen und einer generösen Grandez - immer ungetrübten Erfahrungen flossen Er schrieb nun Bücher über das Handy za, die im streng hierarchischen Haus in einen Roman ein, den er „Das Maga - oder Witze, und ein Werk mit dem Titel unüblich war und beargwöhnt wurde. Er zin“ nannte. Das Werk bekam gemischte „Frauen sind auch nur Männer“ ist eben - schrieb am liebsten zu Hause und mit Kritiken. Karasek wurde Mitherausgeber falls dabei. der Hand, schickte seine auf Zeile ver - des Berliner „Tagesspiegel“ und schrieb Selbstzweifel gab er selten zu Proto - fassten Texte per Fax. Selten waren Kor - in der Folge für verschiedene Blätter des koll, stattdessen Bonmots wie „eine gute rekturen auf dem Manuskriptpapier zu Springer-Verlags. Pointe ist besser als eine schlechte Welt“. finden. Musste er die Texte anderer redi - Doch da hatte er schon längst eine an - Doch 2003 ließ er sich von Maxim gieren, tat er das gern bei einem Glas dere Karriere gemacht, die als TV-Per - Biller für die „Frankfurter Allgemeine Veuve Clicquot, seiner Lieblingsmarke, sönlichkeit. Neben Marcel Reich-Ranicki Sonntagszeitung“ befragen und zu über - die auf dem Flur nur „die Witwe“ ge - und Sigrid Löffler bildete er seit 1988 die raschenden Bekenntnissen hinreißen: nannt wurde und deren reibungslose Be - langjährige Stammbesetzung des „Litera - „Ich bin doppelzüngig, ja. Ich habe sicher schaffung dem Sekretariat oblag. rischen Quartetts“, in dem Karasek die auch eine Doppelmoral. Ich richte mich Fehden im Kulturbetrieb ging der um - Rolle als jovialer Puffer zwischen dem ein – aber ich bin nicht unmoralisch.“ fassend gebildete Karasek nie aus dem unerbittlichen Reich-Ranicki und der Die Frage, welche Eigenschaften er an Weg, Feindschaften pflegte er hingegen meist etwas missmutigen Österreicherin einem Mann am meisten schätze, be - ungern. Oft führten Begegnungen, die er zufiel. antwortete der im Umgang stets Zuvor - D L I

B als Journalist hatte, zu freundschaft - In der Folgezeit erweiterte Karasek kommende 1992 in einem Fragebogen

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E lichen Beziehungen. So entstand nach sein TV-Spektrum um Talk-, Quiz- und mit „Charme‚ Witz, Intelligenz“. T S L L einem  -Gespräch mit Billy Wil - Lotterieshows. Die Massenmedien be - Er hatte von allem im Überfluss. U

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R der eines von Karaseks besten Büchern, gannen ihn wahrzunehmen, und es Hellmuth Karasek starb am 29. Septem - A L K

: eine umfassende Gesprächsbiografie des schien so, als gefalle ihm das durchaus. ber in an Krebs. O T O

F Regisseurs. Karasek, der bemerkenswerte Bücher Joachim Kronsbein

DER SPIEGEL +) / *(), 151