Zur Person Und Bedeutung Des Arztes Dr. Hans Deuschl (1891 – 1953) Unter Besonderer Berücksichtigung Seiner Karriere in Der Zeit Des Nationalsozialismus
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Aus dem Institut für Geschichte der Medizin der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin DISSERTATION Zur Person und Bedeutung des Arztes Dr. Hans Deuschl (1891 – 1953) unter besonderer Berücksichtigung seiner Karriere in der Zeit des Nationalsozialismus zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin von Wilhelm Boes aus Celle Gutachter: 1. Prof. Dr. G.Baader 2. Prof. Dr. H.-P. Schmiedebach 3. Prof. Dr. H.-U. Lammel Datum der Promotion: 19. November 2010 2 Zur Person und Bedeutung des Arztes Dr. Hans Deuschl (1891 – 1953) unter besonderer Berücksichtigung seiner Karriere in der Zeit des Nationalsozialismus 3 „Wie Individuen dem Impuls erliegen, durch selektives Erinnern den Schattenseiten der Vergangenheit zu entfliehen, können auch Kollektive jene Seiten des Unrechtsstaates auszublenden versuchen, die Erschrecken, Scham, Trauer und Reue auslösen und bei den Opfern auch Gefühle der Kleinheit und des ohnmächtigen Verlorenseins hervorrufen. Die Nostalgie schafft sich beständig eine Scheinwelt. Ganz ohne politischen Missbrauch ist sie äußerst beliebt, aber es ist nicht die Dummheit, die die Menschen an ihr lieben, sondern die Freiheit von Schmerz.“ (Joachim Gauck, 2009) Meinen Kindern Katharina und Lea Marie und Philipp gewidmet 4 Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung 7 2 Hans Deuschl - Werdegang bis 1935 13 2.1 Familie, Schul- und Studienjahre 13 2.2 Hans Deuschl, Heinrich Himmler und die Studentenverbindung „Apollo“ 18 2.3 Über Kolbermoor an die Spitze der NS-Ärztebewegung 25 2.4 Deuschls Karriere in der SS und im NSDÄB 38 2.5 Deuschl als Geschäftsführer des NSDÄB - 51 bis zur NS-Machtübernahme 1933 3 Hans Deuschl als Spiritus Rector und erster Leiter der 73 „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ 1935 - 1940 3.1 Ankauf der von Hauff’schen Immobilie in Alt-Rehse 73 3.1 Auf- und Ausbau der Führerschule 80 3.1 Eröffnung der Ärzteführerschule 90 4 Deuschls berufliche und private „Hochzeit“ im NS-Regime 97 und der Karriereeinbruch 1939/40 4.1 Deuschls Wirken als „Vater“ der Führerschule der deutschen Ärzteschaft 97 4.2 Späte Ehe und Familiengründung mit der schwedischen Hebamme Sara Toll 109 4.3 Deuschls Zerwürfnis mit Martin Bormann und Helmuth Vehrs 121 5 Hans Deuschls Tätigkeiten nach 1940 133 5.1 Reval (1940-1943) 133 5.2 Schwierige Suche nach einer neuen Anstellung (1943) 143 5.3 Bürgermeister von Starnberg (1944-1945) 158 5.4 Das Kriegsende in Starnberg und Deuschls Internierungshaft 167 5.5 Deuschls Entnazifizierung - ein typisches „Persilschein-Verfahren“ 181 5.6 Deuschls vergeblicher Kampf um Frau und Kinder - und: 205 Etablierungsversuche als Hersteller von mottensicheren Kleidersäcken ab Mai 1948 5 6 Zusammenfassung 214 6.1 Schlussbetrachtung 214 6.2 Tabellarischer Lebenslauf Hans Deuschls 218 7 Veröffentlichungen Hans Deuschls (in chronologischer Reihenfolge) 220 8 Archivalische Quellen 222 9 Literatur 226 ANHANG 241 Abkürzungen 241 Lebenslauf 243 Erklärung 244 6 1 Einleitung Am 4. Februar 1994 veröffentlichte die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrem Länderspiegel einen Artikel von Marlies Menge: „Kein ganz normales Dorf. Die Kassenärztliche Vereinigung fordert die Ärzteführerschule der Nazis zurück.“1 Menge skizzierte hier in groben Zügen die Geschichte eines kleinen beschaulichen Dorfes im heutigen Mecklenburg-Vorpommern, dessen geschichtsträchtigste Epoche die Zeit des Nationalsozialismus gewesen sei: Alt-Rehse. Dieses unweit von Neubrandenburg am Tollensesee gelegene Dorf schien bis dahin nur medizinhistorischen Insidern ein Begriff gewesen zu sein. Daneben wurde es nach der Wiedervereinigung zunehmend auch unter Touristen im Gebiet der mecklenburgischen Seenplatte bekannt, möglicherweise angeregt durch den Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, an dem Alt-Rehse 1995 erfolgreich teilgenommen hat. 2 Menges Artikel zeigte, dass dieses bis 1989 eher in einem Dornröschenschlaf gelegene Alt- Rehse besonders in einschlägigen Kreisen der ärztlichen Standesvertretungen alles andere als in Vergessenheit geraten war. Denn nachdem ein Alt-Rehser Bürger Bauland erwerben wollte, erfuhren die Bewohner, dass mittlerweile durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Mecklenburg-Vorpommern Restitutionsansprüche auf das gesamte Dorf Alt-Rehse bestanden. „Auf Betreiben ‚der Kölner’“ 3 wird der damalige Chef der KV Mecklenburg-Vorpommern, Dietrich Thierfelder, zitiert. 4 Restitutionsansprüche von Seiten der deutschen Ärzteschaft - so hieß es, ohne dafür Beweise zu haben - auf ein Dorf, in dem es Menge zufolge ab 1935 eine Ärzteführerschule gegeben habe, in der angeblich „Euthanasie und Sterilisation“ 5 gelehrt worden sei? 6 Erste Literaturrecherchen ergaben im Frühjahr 1994, dass eine „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ 7 in Alt-Rehse seit Beginn der 1970er Jahre hauptsächlich im Rahmen medizin- 1 Menge Dorf (1994) 2 Schumacher Vergangenheitsbewältigung S.80f. - Alt-Rehse erhielt damals die Bronzemedaille in einem Wettbewerb, bei dem die nationalsozialistische Vergangenheit des Dorfes kein Beurteilungskriterium gewesen war. Bundesministerium Dorf S.64f. und S.110f. 3 Gemeint ist die damals noch in Köln, seit Juli 2004 in Berlin ansässige „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) 4 Menge Dorf (1994) 5 Gemeint ist hier sicher genauer „Zwangssterilisation“ (W.B.) 6 Menge Dorf (1994) 7 Es gibt in der Literatur zwei verschiedene Schreibweisen. Einmal wird „deutsch“ groß, im anderen Fall klein geschrieben. In dieser Arbeit wird durchgehend die Kleinschreibung des Adjektivs so beibehalten, wie sie u.a. auch im offiziellen Briefkopf der Ärzteführerschule Verwendung fand. Vgl. dazu u.a. Deuschls Schreiben vom 23.8.1939 an Himmler, BArch NS 19/3382. 7 historischer Dissertationen zum Themenkreis „Medizin im Nationalsozialismus“ erwähnt wird.8 Die bis dahin umfassendste Studie zur „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ stammt von Alfred Haug und befindet sich in dem von Fridolf Kudlien 1985 herausgegebenen Band über „Ärzte im Nationalsozialismus“ unter dem Kapitel „Medizinische NS-Institutionen“. 9 Diese mittlerweile über 20 Jahre alte Überblicksdarstellung fußt allein auf wenigen Verlautbarungen des „Deutschen Ärzteblattes“ aus den Jahren 1935 bis 1941. Mit dieser schmalen Quellenbasis wird sie der Bedeutung dieser nationalsozialistischen Ärzteführereinrichtung für die Entwicklung der deutschen Ärzteschaft während der Zeit des Nationalsozialismus aus heutiger Sicht nicht mehr gerecht. Es bestand mithin weiterreichender Forschungsbedarf. Bereits in Haugs Übersichtsdarstellung wird die enge Verknüpfung der Alt-Rehser NS- Ärzteführerschule mit einem bis heute weithin unbekannten bayerischen Arzt - Dr. Hans Deuschl - als deren Begründer und erstem Leiter deutlich. Zwar wird Deuschls Name in der Literatur des Öfteren mit der Ärzteführerschule in Verbindung gebracht 10 und auch wird er hier und da als Geschäftsführer des „NSDÄB“ 11 und als Herausgeber der Zeitschrift „Ziel und Weg“12 sowie als Stellvertreter von „Reichsärzteführer“ Gerhard Wagner erwähnt. 13 Eine umfassende biographische Darstellung des in seiner Bedeutung für die nationalsozialistische Ärzteschaft in der medizinhistorischen Literatur bisher unterschätzten „SS-Oberführers“ Hans Deuschl findet sich bislang jedoch nicht. Warum die Beschäftigung mit einem ärztlichen Kollegen, der - mit dem zeitlichen Abstand von heute betrachtet - nicht wirklich als „historische Persönlichkeit“ bezeichnet werden kann? - Der ärztliche Berufsstand unterliegt seit jeher von seinem Grund- und Selbstverständnis her einer besonderen Verantwortung seinem Mitmenschen als Patienten gegenüber. Verbindet sich dieser Berufsstand aus eigener Schwäche bzw. Überheblichkeit mit einer menschenverachtenden 8 Vgl. z.B. Fischer Arzt (1971) sowie Zapp Untersuchungen (1979). - Eine andere Zielsetzung hat die von Wilhelm Ackermann 1938 veröffentlichte medizinhistorische Dissertation mit dem Titel „Der ärztliche Nachwuchs zwischen Weltkrieg und nationalsozialistischer Erhebung“. Diese unter Anleitung des ehemaligen Vorsitzenden der „Reichsnotgemeinschaft deutscher Ärzte“ - Prof. Fritz Lejeune (*1892 - †1966) - verfasste Arbeit spiegelt die Innenansicht eines begeisterten nationalsozialistischen Jungmediziners wider. Lejeune war vor 1933 Universitätsdozent für Medizingeschichte in Köln und Wien und seit 1925 NSDAP-Mitglied mit der sehr niedrigen Mitgliedsnummer 3964. Die „Reichsnotgemeinschaft deutscher Ärzte“ wurde am 31.10.1926 in Hildesheim begründet und war ein Zusammenschluss aller damals nicht zu den Krankenkassen zugelassenen Ärzte. Vgl. zu Lejeune und zur Reichsnotgemeinschaft ausführlich Schmierer Medizingeschichte (2002). 9 Haug Führerschule S.122-130 10 Vgl. u.a. Zapp Untersuchungen S.106 sowie Fischer Arzt S.8. 11 Vgl. u.a. Zunke Reichsärzteführer S.12. 12 Vgl. Zapp Untersuchungen S.57. 13 Haug bezieht sich hinsichtlich seiner Angaben zu Deuschl auf die bis heute ausführlichste biographische Skizze, die sich bei Leibfried/Tennstedt im Rahmen einer Anmerkung von etwa 20 Zeilen befindet: vgl. Leibfried/Tennstedt Berufsverbote S.82 Anm. 100; vgl. außerdem Zapp Untersuchungen S.23. Vgl. auch Stockhorst Köpfe S.103; hier wird das Geburtsdatum Deuschls mit „21.3.1891“ falsch angegeben. Auch Klee gibt in seinem Personenlexikon mit dem „21.7.1881“ ein falsches Geburtsdatum an. Vgl. Klee Personenlexikon S.106. 8 Ideologie eines staatlichen Machtapparates, kann daraus - wie in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen - eine mehr als „unheilige Allianz“ entstehen. Dafür ist Hans Deuschls Karriere