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Burma-Initiative

Arbeitsgruppe Burma Aufbruch in Mit europäischen Investitionen zu Wohlstand und Frieden? Impressum

Titel: Aufbruch in Myanmar – Mit europäischen Investitionen zu Wohlstand und Frieden? Herausgegeben von: Burma-Initiative der Stiftung Asienhaus Hohenzollernring 52 50672 Köln

Mitarbeit: Julia Bühler, Christina Grein, Michael Hackmann, Theresa Hanske, Uwe Hoering, Benjamin Merci, Christine Schuster.

Mit finanzieller Unterstützung durch ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des

Der Herausgeber ist für den Inhalt allein verantwortlich.

Alle Rechte vorbehalten. © Köln 2013 Titelfoto: © The Irrawaddy Karten: © Regine Spohner; Transnational Institute Konzeption und Gestaltung: Chanika Ronczka Realisation und Druck: Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen

Preis: 5,00 Euro Bezug: Stiftung Asienhaus, Vertrieb, Hohenzollernring 52, 50672 Köln E-Mail: [email protected] | Tel: 0221-7116121-13 | Fax: 0221-716121-10

© Stiftung Asienhaus, Köln 2013 Abdruck und sonstige publizistische Nutzung sind erwünscht. Sie sind jedoch nur unter Angabe des Verfassers und der Quelle gestattet.

ISBN 978-3-933341-62-4

 2 Arbeitsgruppe Burma Aufbruch in Myanmar Mit europäischen Investitionen zu Wohlstand und Frieden?

3  SOA_Magazin_NEU_Layout 1 07.12.13 10:46 Seite 1

Das Standardwerk für alle Myanmar-

Interessiertegrund des spannungsvollen und vielschichtigen Wan- fundierte Informationen, die sowohl zum tieferen Verständnis Myanmar, einst als »das Goldene Land« gerühmt, öffnet sich nach jahrelanger Isolation und rückt gegen- wärtig in den globalen»Handbuch Blickpunkt. Myanmar« Vor dem Hinter dels bietet das als auch zur besseren Orientierung bei der Beschäftigung mit der Komplexität des Landes beitragen.

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Ute Köster, Phuong Le Trong, Christina Grein (Hg.): Handbuch Myanmar Gesellschaft. Politik. Wirtschaft. Kultur. Entwicklung 400 Seiten, Klappenbroschur, 19,90 (D) ISBN: 978-3-89502-361-3

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 4 Vorwort links: Vorwort

Über 100 Vertreter europäischer Unternehmen und Mit dieser Publikation legt eine im Mai 2013 gebildete Wirtschaftsverbände haben die EU-Delegationsreise Arbeitsgruppe der Burma-Initiative der Stiftung Asien- nach und Nay Pyi Taw im November 2013 beglei- haus ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit vor. Sie will damit tet. Europäische Firmen eröffnen vorsorglich schon mal einen Beitrag zur Diskussion der Rolle der deutschen Büros in den großen Städten. Sogar die Industrie- und und europäischen Wirtschaftspolitik gegenüber Myan- Handelskammer NRW organisiert extra eine Informa- mar leisten und darüber, unter welchen Bedingungen tionsreise nach Myanmar. Kurzum, die europäische europäische Investitionen eventuell eine Entwicklung Wirtschaft hat handfeste Interessen in Myanmar, deren unterstützen können, die an den Interessen der Bevöl- Durchsetzung sie jetzt nach Aufhebung der Sanktio- kerung orientiert ist. Denn die wirtschaftspolitische nen und den ersten Demokratisierungsschritten vor- Euphorie angesichts der politischen Liberalisierungs- antreiben kann. Denn es verspricht profitabel zu wer- und Demokratisierungsansätze in Myanmar unterstellt den: Riesige Infrastrukturprojekte in Planung, reiche allzu häufig, dass Investitionenper se gut sind – und Rohstoffvorkommen, Aufbau einer exportorientierten Investitionen europäischer Unternehmen besonders. Agrarindustrie, der politische Wille zum massiven Aus- bau des Tourismussektors und – nicht zu vergessen: Es sei darauf hingewiesen, dass in dieser Broschüre Investorenfreundliche Gesetze! beide Länderbezeichnungen, also Myanmar und Burma, gleichermaßen verwendet wer- In Myanmar ist also viel Gelegen- den, ohne dass damit eine poli- „Wer wollt auf Erden nicht das heit und Anreiz für europäische tische und/​oder ideologische Investoren und das – so das Paradies? Doch die Verhält- Zuordnung impliziert wird. Auch Mantra – zum Nutzen beider Sei- nisse, gestatten sie’s?“ das Zustandekommen dieser ten. Myanmar soll nämlich auch Broschüre verlangt noch einen etwas davon haben: Wachstum, Bertolt Brecht besonderen Hinweis: Sie ist das eine nachhaltige und inklu- Ergebnis der ehrenamtlichen sive Entwicklung und Unterstützung beim politischen Initiative der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Transformationsprozess. Schlagworte wie foreign direct Arbeitsgruppe, für die wir hiermit unseren besonderen investment, capacity building, corporate social res- Dank aussprechen. Wir sind zuversichtlich, dass diese ponsibility und der Ruf nach rule of law machen auch Arbeitsgruppe auch 2014 ihre Arbeit fortsetzen wird. hier wieder die Runde. Die Erfahrungen in Ländern wie Interessierte sind herzlich eingeladen, mitzumachen. Kambodscha und in anderen Regionen der Welt soll- ten uns aber misstrauisch machen. Wenn das Kapital Unser Dank geht aber auch an Klaus Fritsche, Achim in erster Linie unreguliert fließen soll, die unbedingte Munz, Michael Reckordt, Wolfram Schaffar und Andrea Wettbewerbsfähigkeit ausgerufen wird, Liberalisierung, Valentin, deren Erfahrungen und Rat uns sehr geholfen Privatisierung und Marktöffnung gefeiert werden, dann haben. kann es nicht nur Gewinner geben. Auch dann nicht, wenn wir noch so viel von einer Win-win-Situation und Christina Grein von einer Partnerschaft auf Augenhöhe hören. Koordinatorin der Burma-Initiative

Vorwort 5 links: Inhalt Inhalt

Vorwort Christina Grein 5

Auf Wachstums-Mission Europäische Investitionen suchen Anschluss Uwe Hoering 9

Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten Das Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und Myanmar Theresa Hanske 14

Wie viel Friede braucht das Geschäft? Investitionen in den ethnischen Grenzregionen Michael Hackmann 19

Schwarzes Gold und weiße Westen Europäische Investitionen in den burmesischen Rohstoffsektor Christine Schuster 24

Landraub per Gesetz Burmas Landreformen – Marginalisierung einer Mehrheit? Benjamin Merci 29

Von der No-Go-Area zum Place-To-Be Tourismusentwicklung zwischen Nachhaltigkeit und Tourismusboom Julia Bühler 33

Neue Freiheiten, neue Proteste Zivilgesellschaftliche Stimmen und Aktion Christina Grein 39

Aufbruch in Myanmar – aber für wen? Weichensteller ohne demokratische Legitimation Uwe Hoering 44

Autorinnen und Autoren 46

Abkürzungsverzeichnis 47

6 Inhalt NEPAL BHUTAN Karte 1: SICHUAN TIBET Myanmar - Administrative Gliederung INDIEN BANGLA- DESCH MYANMAR

ARUNACHAL PRADESH PHILIPPINEN Dibrugarh KAMBODSCHA

Itanagar

Jorhat BRUNEI utra map ASSAM CHINA SINGAPUR Dispur Brah KACHIN NAGALAND INDONESIEN INDIEN Kohima Dali Shillong Zhanyi

Chuxiong Sylhet Baoshan Kunming Imphal Tengchong Xingyi

YUNNAN Yuxi MANIPUR n i w d n TRIPURA i Aizawl h C y d a Mengzi MIZORAM w r

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y A M e Simao k o Lao Chi Chittagong n Hakha MYANMAR g Sagaing VIETNAM Luan Chau Yen Bai CHIN SHAN MANDALAY Viet Tri

Louang Namtha Sittwe MAGWAY in Ban Houayxay UNION nlw Tha Magway Nay Pyi Taw Chiang Rai Louangphrabang TERRITORY RAKHINE Loikaw KAYAH Mae Hong Son Chiang Mai Nan Vinh A S ye i y BAGO tt a a r u w n a g Lampang d Vientiane

y M e ko n Golf von Bengalen Uttaradit g Bago Nakon Phanom KAYIN Udon Thani Tak Pathein YANGON Hpa-An Phitsanulok Yangon Mae Sot Khon Kaen AYEYARWADY Savannakhet Golf von Martaban MON THAILAND Nakhon Sawan

Ubon Ratchathani C Nakhon Ratchasima h a

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P Region, Staat in Myanmar h r Ayutthaya a

y Kanchanaburi a Zonen mit Selbstverwaltung im Shan-Staat Dawei Bangkok „Palaung Self-Administrated Zone“ Aranyaprathet KAMBODSCHA „Kokang Self-Administrated Zone“ Ratchaburi Chon Buri Siem Reap „Pao Self-Administrated Zone“ TANINTHARYI Phetchaburi Battambang „Danu Self-Administrated Zone“ Rayong

„Wa Self-Administrated Zone“ Chanthaburi Pursat Zone mit Selbstverwaltung in der Sagaing Region Prachuap „Naga Self-Administrated Zone“ Khiri Khan Phnom Penh

Internationale Landesgrenze, administrative Grenze (Region, Staat, Provinz) Golf von Thailand Hauptstadt von Myanmar / administrative Hauptstädte der Regionen und Staaten in Myanmar Chumphon Mekong Netzwerk des Asiatischen Fernstraßen-Projektes (Asian GIS-Daten: MIMU (www.themimu.info, März 2013), Highway Project), ausgewälte Hauptverkehrsverbindungen Natural Earth (www.naturalearthdata.com, 2012), GADM vers 2.0 (Januar 2012) Hauptstadt / ausgewählte wichtige Orte weitere Quellen: UNESCAP (www.unescap.org, 2014) Grafik: R. Spohner Fluß, See 0 5 0 1 0 0 1 5 0 2 0 0 2 5 0 3 0 0 3 5 0 4 0 0km Surat Thani Karte 2: Mine Myanmar - Investitionsprojekte und ökonomische Korridore Staudamm Staudamm in der Planung / im Bau

Pipeline

geplanter Straßenausbau Tiefseehafen

Tiefseehafen in der Planung / im Bau

Gebiete mit flächenhafter Abholzung

Gebiete mit weiträumigen landwirtschaftlichen Konzessionen

Nord-Süd-Korridor

Ost-West-Korridor

Süd-Korridor

Quelle: TNI 2013(verändert) links: Auf Wachstums- Auf Wachstums-Mission Mission Europäische Investitionen suchen Anschluss

Uwe Hoering

Nach der Aussetzung der Sanktionen ist Myan­ westliche Industrieländer bemüht, den durch ihre 1996 mar nun bemüht, durch äußerst günstige Inves­ verhängten Sanktionen verursachten Rückstand gegen- titionsbedingungen auch Unternehmen aus über Investoren aus asiatischen Ländern, besonders Europa und den USA verstärkt anzuziehen. Das aus China, wett zu machen. Land lockt mit seinem Rohstoffreichtum, einem großen Binnenmarkt, niedrigen Löhnen und der Die politische Öffnung in Myanmar bietet Investoren in der Tat eine Reihe vielversprechender wirtschaftlicher zentralen Lage in der dynamischen Wachstums­ Bedingungen. Geostrategisch liegt das flächenmäßig region zwischen Indien, China und Südostasien. größte Land Südostasiens günstig zwischen Indien und Die EU verspricht Partnerschaft und Nachhal­ Bangladesh im Nordwesten, der aufstrebenden chi- tigkeit, um den Rückstand europäischer Unter­ nesischen Provinz Yunnan im Nordosten und südost- nehmen auf Investoren aus der Region aufzu­ asiatischen Ländern wie Thailand und Laos. Myanmar holen. selbst verfügt über zahlreiche natürliche Ressourcen wie Erdgas und Erdöl, Holz, Kupfer und Edelsteine, es Mitte November 2013 reiste eine offizielle EU-Delegation hat fruchtbares Ackerland und Wasser, das sowohl für von hochrangigen Kommissionsmitgliedern, einigen Bewässerung als auch für die Energieerzeugung genutzt Parlamentsabgeordneten1 und über 100 Wirtschafts- werden kann. Das reiche kulturelle Erbe und die land- vertretern zum Treffen der EU-Myanmar Task Force schaftliche Vielfalt bieten gute Voraussetzungen für die nach Myanmar. Diese „Mission for Growth“ war nach Entwicklung der Tourismusindustrie. den Worten der EU-Kommission „ein starkes Signal für das neue Engagement Europas, das von großem wech- Im Sommer 2013 setzten die EU und die USA ihre Sank- selseitigem Nutzen sein wird“. Die Reise war zudem ein tionen3 aus. Aufgrund des Drucks von Menschenrechts- Baustein einer angestrebten engeren Zusammenarbeit organisationen verbanden die USA diesen Schritt aller- mit der ASEAN-Region, weshalb die Delegation auch dings mit einer Reihe von Auflagen: Dazu gehört das Thailand und Vietnam besuchte. Responsible Investment Reporting Requirement, das Personen und Unternehmen, die in Myanmar inves- tieren, verpflichtet, für das US-Außenministerium Standortvorteile2 Berichte über Aspekte zu erstellen, die Menschen- rechte, Umweltfragen und „Public integrity“, also unter Die politische Situation in Myanmar hat sich seit dem anderem Korruption, betreffen könnten. Investoren Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten Thein Sein im müssen auch Zahlungen an die Regierung, deren Frühjahr 2011 deutlich verbessert, auch wenn der Ein- Unterabteilungen und an bewaffnete Gruppen offen- fluss von Militär und Ex-Militärs noch sehr groß ist. Die legen.4 Europa dagegen verabschiedete lediglich eine meisten politischen Gefangenen wurden freigelassen, Resolution des Parlaments (Mai 2013), in der europäi- Restriktionen für die Medien weitgehend außer Kraft sche Investoren aufgefordert werden, über ihre Politik gesetzt, Wahlen zum Parlament abgehalten und der zur Einhaltung von Menschenrechten, Arbeiterrechten Dialog mit der Opposition aufgenommen. Ein Novum und Umweltschutz zu berichten. Diese Entschließung war auch, dass im Parlament eine offene Diskussion ist allerdings nicht bindend.5 über den Haushalt stattfinden konnte. Seither sind

Auf Wachstums-Mission 9 Erblasten des Militärregimes – Zudem ist vielfach dokumentiert, dass die wirt- schaftlichen Aktivitäten, besonders im Bergbau, im Beeinträchtigt werden die Investitionsbedingungen Erdöl- und Erdgasbereich und in der Plantagenland- durch die Auswirkungen der Militärherrschaft und wirtschaft, häufig mit schwerwiegenden Menschen- der zahlreichen bewaffneten Konflikte der vergange- rechtsverletzungen und großflächigen, nur schwer nen Jahrzehnte. Durch Missmanagement, die Isola- zu behebenden Umweltschäden einhergingen und tion durch die Sanktionsmaßnahmen, Korruption und konfliktverschärfend wirkten. Das gilt besonders Bereicherung durch das Militär, das wesentliche Berei- für die ethnischen Minderheitengebiete mit den che der Wirtschaft kontrolliert, gehört Myanmar zu den reichsten Ressourcen, von denen die Einheimi- ärmsten, am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. schen jedoch kaum profitiert haben. 2010 hatte es mit rund 1.300 US-Dollar (Kaufkraftpa- rität) das niedrigste Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt in Südostasien.6 Wirtschaftsreformen

– Nach Einschätzung des Internationalen Währungs- Wirtschaftspolitisch hat die Regierung von Myanmar fonds liegt Myanmar auf der Armutsskala von 180 in den vergangenen drei Jahren einiges unternommen, Ländern auf Platz 161, der Human Development um die Investitionsbedingungen zu verbessern. Vor Index stufte es 2013 auf Platz 149 von 187 Ländern den Wahlen wurden Infrastruktureinrichtungen, der ein. Mangel- und Unterernährung sind verbreitet, Treibstoffhandel und die Fluggesellschaft privatisiert. vor allem in den Regionen mit einem hohen Anteil Das starre Wechselkursregime wurde gelockert, mit ethnischer Minderheiten. Millionen Menschen, die dem ‚Pariser Club‘ wichtiger westlicher Gläubiger eine durch die bewaffneten Konflikte vertrieben wur- Umschuldung ausgehandelt. den, leben in Lagern, viele in Nachbarländern wie Thailand. Im November 2012 „Wir sehen hier die Entstehung Aufgrund geringer staatlicher wurde ein neues Inves- Mittelzuweisungen sind das eines zweiten Vietnam.“ titionsgesetz verab- Bildungs- und das Gesund- schiedet, das von aus- Harish Manwani, Manager bei Unilever heitswesen unterentwickelt. ländischen Beobachtern überwiegend begrüßt – Ähnlich marode ist die Infrastruktur. Straßen- und wurde.8 Harish Manwani, Manager bei Unilever, sagte, Eisenbahnverbindungen, Häfen und Telekommu- „wir sehen hier die Entstehung eines zweiten Vietnam“.9 nikation, der Banken- und Finanzsektor sind vor- Der niederländisch-britische Nahrungsmittelkonzern gestrig. Das Steuerwesen ist trotz erster Reformen hat angekündigt, in den kommenden zehn Jahren in kompliziert und veraltet und bringt nur wenig Geld Myanmar 500 Millionen Euro zu investieren. in die Staatskassen, das chronische Haushaltsdefi- zit wird durch die Zentralbank finanziert. Die man- Im Unterschied zu manchen anderen Ländern, in denen gelhafte Infrastruktur, Energieengpässe, schwache für Auslandsinvestitionen nur Minderheitsbeteiligun- Rechtsstaatlichkeit und undurchsichtige Gesetze gen erlaubt sind, können nach dem neuen Gesetz aus- und Regulierungen schaffen ein wirtschaftliches ländische Unternehmen nahezu ohne Einschränkun- Umfeld, das Investoren eher noch abschreckt. gen investieren. Ausnahmen sind unter anderem die Rüstungsindustrie und der Betrieb des Stromnetzes. In – Die Landwirtschaft hatte 2011 mit 38,2 Prozent einen Branchen wie dem Bergbau, der Nahrungsmittelindus- vergleichsweise hohen Anteil am Bruttoinlandspro- trie, der Pharma- und Chemieindustrie, Bauindustrie dukt, während die Industrie lediglich 18,2 Prozent und Transportwesen müssen Gemeinschaftsunter- beisteuerte. Mit rund 70 Prozent lag der Anteil der nehmen mit einheimischen Unternehmen gegründet Landwirtschaft an der Beschäftigung noch erheblich werden, an denen die ausländischen Partner jedoch höher, während in der Industrie rund 7 Prozent, im Mehrheitsbeteiligungen halten dürfen.10 Bei einigen Dienstleistungsbereich etwa 23 Prozent der Beschäf- Produkten wie Getränken, Zigaretten oder Kosmetik ist tigten tätig waren.7 ein einheimischer Produktanteil vorgeschrieben, die Beschäftigung einheimischer Mitarbeiter in ausländi-

10 Auf Wachstums-Mission schen Unternehmen soll in sechs Jahren bei 75 Prozent Volvo, Ericcson, Heineken und Carlsberg, Unterneh- liegen. mensverbände und die European Investment Bank als potenzieller Finanzier. Aus Deutschland nutzten BASF, Landwirtschaftliche Nutzflächen dürfen zwar von Deutsche Post, Siemens, die ICS Travel Group und sechs ausländischen Unternehmen nicht gekauft, aber für weitere Unternehmen die Gelegenheit, sich über die einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren gepachtet werden, „vielfältigen Geschäftsmöglichkeiten“ zu informieren. entweder direkt von der Regierung oder von lokalen Flankiert wurden die Wirtschaftsgespräche durch das Eigentümern oder Pächtern. Angesichts der wirtschaft- Angebot der EU, bis 2020 jährlich 90 Millionen Euro an lichen Bedeutung der Landwirtschaft für große Teile Entwicklungsgeldern für ländliche Entwicklung, Bildung der Bevölkerung kommt der Ausgestaltung der Land- und Friedensprozesse zu geben. nutzungsrechte durch die inzwischen ver- abschiedeten neuen Gesetze große Bedeu- tung zu.11 Myanmar ist ein „Tor für den Zugang zu dynamischen Wachstumsmärkten, politisch gefördert auf europäi- Die Reform des Arbeitsgesetzes nach den scher Ebene“. Kriterien der Internationalen Arbeitsorga- EU-Kommission nisation (ILO) der Vereinten Nationen, die auch an seiner Ausarbeitung beteiligt war, bildete eine zentrale Voraussetzung für die Aussetzung Aufgrund der Sanktionen dominierten bislang Investo- der EU-Sanktionen. Darin sind unter anderem Streik- ren aus den Nachbarländern Thailand, Südkorea, Hong- recht und Arbeitnehmerrechte geregelt. kong und Singapur, vor allem aber aus China, das zu einer bedeutenden wirtschaftlichen und politischen Es überrascht kaum, dass diese investitionsfreund- Stütze des Regimes aufstieg. Aus Europa stehen briti- lichen Reformen bei Unternehmen und unterneh- sche Investoren gegenwärtig an fünfter Stelle der Her- mensnahen Institutionen überwiegend auf positive kunftsländer, Frankreich an achter Stelle, Deutschland Resonanz gestoßen sind. In einem Bericht von Ger- mit gerade einmal 18 Millionen Euro weit abgehängt many Trade & Invest beispielsweise, der rechtzeitig auf Platz 23. zur Delegationsreise erschien, werden die „sukzessi- ven Weichenstellungen für eine schnellere Entwicklung“ Die akkumulierten ausländischen Direktinvestitionen und die Wirtschaftsreformen gelobt, auch wenn „die seit der wirtschaftlichen Öffnung 1988 betrugen nach Rahmenbedingungen für Investoren noch einiges zu offiziellen Angaben bis August 2013 knapp 44 Milliarden wünschen übrig lassen“.12 Die Investitionsförderung US-Dollar. Für 2012 wurden 1,4 Milliarden US-Dollar an verspreche höhere Kapitalzuflüsse, Myanmar „bemüht neuen Auslandsinvestitionen registriert, in den ersten sich um die Schaffung eines attraktiven Investitions- acht Monaten 2013 bereits 1,8 Milliarden. China aller- klimas“ und „besticht durch seinen Reformgeist“. Als dings scheint seine Investitionen gegenwärtig eher Investitionshindernisse beklagt werden unter ande- zurückzufahren.14 rem die schlechte Infrastruktur, Energieengpässe und undurchsichtige institutionelle Abläufe, Gesetze und Drei Viertel aller bisherigen Investitionen flossen in den Regulierungen. Bau von Staudämmen und die Erschließung von Boden- schätzen wie Erdöl und Erdgas. Diese Bereiche bilden auch nach der Öffnung weiterhin den Schwerpunkt für Wachstumsmarkt Investoren. Erschließung und Ausbeutung der Erdöl- und Erdgasvorkommen sollen vorangetrieben werden. Die Delegationsreise im November 2013 sollte nach Gegenwärtig sind 48 Onshore- und Offshore-Blöcke dem Willen der EU-Kommission Unternehmen das „Tor ausgeschrieben, wobei ausländische Unternehmen für den Zugang zu dynamischen Wachstumsmärkten, aufgrund ihrer technischen Expertise und finanzieller politisch gefördert auf europäischer Ebene öffnen“.13 Mittel die besten Karten haben.15 Spezielle Anreize In der mitreisenden Wirtschaftsdelegation befanden werden Investoren zudem in den drei geplanten Son- sich neben vielen mittelgroßen Firmen eine Reihe derwirtschaftszonen Dawei, Thilawa und Kyaukpyu in europäischer Konzerne wie British American Tobacco, Aussicht gestellt (siehe Karte 2, S. 8).

Auf Wachstums-Mission 11 Ein wachsender Teil der neuen Investitionen fließt aber Szene, die die soziale und ökologische Verantwortung auch in die Verarbeitungsindustrie, bei der Myanmar der Investoren betonen, beispielsweise im Textilbe- mit niedrigen Löhnen lockt. Ein Schwerpunkt ist die reich (siehe die Versprechungen des EU-Entwicklungs- Bekleidungsindustrie (Cutting, Making, Packing, also programms SwitchAsia, Infobox). „Das Wort, das ich CMP).16 Auch die Nahrungsmittelverarbeitung gilt als für unser Engagement vor allem benutzen würde, ist einer der neuen, vielversprechenden Schwerpunkte. Partnerschaft – wir sind Partner, wir kommen nicht, um Neben US-amerikanischen Konzernen wie Coca-Cola etwas aufzuzwingen“, erklärte die EU-Außenbeauftragte und PepsiCo haben europäische Multis wie Unilever, Catherine Ashton in ihrer Rede bei der Eröffnung der Heineken, Carlsberg und inzwischen auch Nestlé ihre Sitzung der Task Force. Fühler ausgestreckt und Investitionen angekündigt. Zudem boomt die Tourismus-Industrie: 2012 wur- Mit hohen sozialen und Umweltstandards sollen euro- den über eine Million ausländische Besucher gezählt, päische Investitionen zum Vorbild werden: Die EU will 25 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor.17 Damit wird das dabei helfen, „höchste Standards von Integrität und Land zunehmend für internationale Hotelketten inte- Unternehmensverantwortung zu fördern“.21 Die Reden, ressant, beispielsweise aus Sin- gapur.18 „Das Wort, das ich für unser Engagement vor allem ­benutzen würde, ist Partnerschaft – wir sind Partner, wir kommen Weißer Ritter Europa nicht, um etwas aufzuzwingen.“

Bereits im Vorfeld hatte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton EU-Myanmar Task Force nach Beratungen mit der Wirtschaft auf fünf Schwerpunktbereiche verständigt: Agrobusi- Absichtserklärungen und Selbstverpflichtungen von ness, Tourismus, Verarbeitungsindustrie, Energie und europäischer Seite klingen denn auch voll verantwor- natürliche Ressourcen und Infrastruktur, einschließlich tungsbewusst: Im Letter of Intent for a Policy Dialogue Bergbau, Wasser und Abfallmanagement. Außerdem on Raw Materials22 beispielsweise, der neben ähn- besteht Interesse am Einstieg in Finanzdienstleistun- lichen Erklärungen zu Tourismus und der Förderung gen, Versicherungen, Groß- und Einzelhandel. von kleineren und mittleren Unternehmen vereinbart wurde, wird ein Dialog über den Rohstoffbereich ange- Der Versuch, begünstigt durch die neuen Verhältnisse kündigt. Dabei sollen Umweltaspekte, die sozialen in Myanmar in Südostasien stärker Fuß zu fassen, passt Auswirkungen von Bergbau und Holzeinschlag und die sich ein in die Außenwirtschaftsstrategie der EU, die auf Akzeptanz durch die Bevölkerung behandelt und Trans- die Erschließung neuer Märkte, eine Sicherung der Ver- parenz-Initiativen im Bereich extraktiver Industrien sorgung mit wichtigen Rohstoffen und bilaterale Inves- unterstützt werden. An diesem Dialog sollen – „sofern titionsabkommen setzt. Mit der Aufnahme in das Gene- angebracht“ – andere Akteure einschließlich privater ral System of Preferences (GSP) im Juli 2013 erlaubt die Unternehmen beteiligt werden – zivilgesellschaftliche EU Myanmar die zollfreie Einfuhr aller Produkte außer Organisationen werden in diesem Zusammenhang Waffen. Außerdem sollen möglichst schnell Verhand- nicht genannt. lungen über ein Investitionsabkommen aufgenommen werden. Dadurch würden Unternehmen unter anderem weitreichende Klagemöglichkeiten gegen die Regierung Ausblick eingeräumt werden, wenn sie ihre Gewinnerwartungen durch Maßnahmen beispielsweise im Umweltbereich An diesen Ansprüchen und Standards wird die EU-Wirt- beeinträchtigt sehen. Zivilgesellschaftliche Organisa- schaftspolitik in Myanmar und der Region zu messen tionen kritisieren, dass damit die Entscheidungsfreiheit sein: Gelingt es, die Investoren zu deren Einhaltung von Staaten eingeschränkt wird.19 zu bringen? Die staatlichen Regulierungskapazitäten hinken weit hinter der raschen wirtschaftlichen Libe- Bei ihrem Auftritt setzten sich EU-Kommission und ralisierung und den zahlreichen Investitionsvorhaben europäische Industrie als dialogbereite Partner in hinterher. Kann das durch freiwillige Verhaltensricht-

12 Auf Wachstums-Mission Anmerkungen

Infobox 1. Antonio Tajani (DG Unternehmen und Industrie und Vize- präsident der EU-Kommission), Andris Piebalgs (DG Entwick- SwitchAsia lungszusammenarbeit), Dacian Ciolos (DG Landwirtschaft) und Catherine Ashton (EU-Außenbeauftragte). Als Vertreterin des „As US and EU lift economic sanctions against EU-Parlaments nahm unter anderem die Belgierin Isabelle Myanmar, the export annual volume including Durant von der Fraktion der Grünen/Freie​ Europäische Allianz textiles is expected to grow. SMART Myanmar und Vizepräsidentin des Parlaments teil. actively promotes and supports the sustainable 2. Die folgenden Ausführungen basieren auf Recherchen von production of garments ‚made in Myanmar‘ stri- Christine Schuster. ving to increase the international competitiven- 3. Durchaus nicht alle westlichen Konzerne hatten sich an ess of SMEs in this sector. Working closely with diese Sanktionen gehalten. Beispielsweise ist das franzö- sische Mineralölunternehmen Total mit einem Anteil von companies and business support organizations 31,2 Prozent an der im Jahr 2000 begonnenen Ausbeutung located in Myanmar, the project aims to build der Yadana-Gasvorkommen beteiligt. capacity and increase skills and knowledge in 4. EarthRights International (2013): U. S., European Economic local partner organizations, facilitating the Policy on Myanmar Pulled Between Two Extremes. http://www. development of marketing and export strategies earthrights.org/campaigns/us-european-economic-policy- for the garment sector. The project will make an myanmar-pulled-between-two-extremes important contribution to shaping Myanmar’s 5. ebda. sustainable economic development.“20 6. Wall Street Journal, August 20, 2012: http://blogs.wsj. com/searealtime/2012/08/20/myanmars-growing-but-has-a- long-way-to-go/ linien kompensiert werden? Der Blick auf die durch 7. PricewaterhouseCoopers (2012): Myanmar. Business Jahrzehnte von Militärdiktatur und bewaffneten Kon- Guide. August 2012. http://www.pwc.com/en_SG/sg/assets/ document/myanmar_business_guide.pdf flikten geprägte Situation in Myanmar zeigt, dass sich Investoren und EU-Politik in ein Minenfeld von ethni- 8. Clifford Change/​VDB/​Loi (2013): Myanmar: Foreign investment rules in practice. Briefing note.http://concept- schen, politischen und sozialen Konflikten, Macht- und bank.com/wp-content/uploads/2013/04/Myanmar_Foreign_ Wirtschaftsinteressen, schwachem Rechtsstaat und Investment_Rules.pdf unzureichenden Regulierungsmöglichkeiten, schwer- 9. Coke and Unilever Invest $1 Billion in Myanmar. Wall Street Journal, June 5, 2013 wiegenden Umweltrisiken, einer Geschichte von Men- 10. Clifford Change/​VDB/​Loi (2013): a. a. O. schenrechtsverletzungen und gewaltförmigen gesell- schaftlichen Verhältnissen begeben. 11. Siehe dazu den Beitrag von Benjamin Merci, S. 29 12. Trade & Invest, (Oktober 2013): Myanmar. Inves- titionsklima und -risiken. www.gtai.de. Gefördert vom Bun- So kontrollieren nach wie vor Militärs und einheimi- desministerium für Wirtschaft und Technologie, versorgt der sche Unternehmen, die von der Privatisierung unter Informationsdienst Unternehmen mit Analysen. dem Militärregime und guten Beziehungen profitiert 13. http://een.ec.europa.eu/events/mission-vietnam- myanmar-thailand-12-16-november-2013-exploit-vast- haben (die sogenannten Cronies), wesentliche Berei- business-opportunities-dyna che der Wirtschaft – darunter auch Sektoren wie Berg- 14. https://www.wsjeuropesubs.com/12weeksoffer_test/ bau, Landwirtschaft, Tourismus und Infrastruktur, an ?tagsrc=/000HNicons&rnd=52c936c06ad80 denen europäische Investoren Interesse zeigen. An 15. Clifford Change/​VDB/​Loi (2013): a. a. O. einer Zusammenarbeit mit ihnen führt vielfach kein 16. www.gtai.de Weg vorbei. Myanmar „bleibt ein hoch-riskantes Ter- 17. http://www.tigermine.com/2013/01/20/myanmar- rain für ausländische Investitionen“, warnt die Men- -statistics/ schenrechtsorganisation EarthRights International, 18. Siehe dazu den Beitrag von Julia Bühler, S. 33 „und Unternehmen und deren Heimatländer müssen 19. Siehe den Beitrag von Theresa Hanske, S. 14 wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Risiken zu 20. http://www.switch-asia.eu/switch-asia-info/basic- verringern, dass ihre Aktivitäten zu internen Konflikten, information-on-switch.html Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörungen 21. Council of the European Union (2013): Council conclu- und Korruption beitragen“.23 sions on the Comprehensive Framework for The European Union’s policy and support to Myanmar/​Burma. Brussels, 22 July 2013 22. http://ec.europa.eu/enterprise/policies/raw-materials/ files/docs/dialogues-myanmar_en.pdf 23. www.earthrights.org

Auf Wachstums-Mission 13 links: Kapitalinteressen bedienen, politische Teil- Kapitalinteressen bedienen, habe kleinhalten politische Teilhabe kleinhalten Das Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und Myanmar

Theresa Hanske

Investitionsabkommen werden von der Europäi­ sentiert. Ganz nach dem Motto ‚Wandel durch Handel‘ schen Union (EU) als notwendiger Investoren­ versteht das Rahmenpapier ein Investitionsabkommen schutz propagiert. So wie die EU und Konzerne auch als Unterstützung Myanmars bei seinem Demo- sich das vorstellen, fällt darunter vor allem die kratisierungs- und Entwicklungsprozess. Absicherung von Kapitalinteressen gegenüber staatlicher Regulierung. Damit stellen solche Dass internationale Investitionsabkommen ein geeig- netes oder gar unerlässliches Instrument sind, um Abkommen einen Angriff auf die politischen politische Transformation, Wachstum und Entwicklung Handlungsspielräume von Staaten dar. Doch die voranzubringen, ist umstritten. Investitionsabkommen erfolgreiche Bewältigung des politischen Trans­ locken nicht zwangsläufig ausländische Direktinvesti- formationsprozesses in Myanmar verlangt eine tionen an und ausländische Direktinvestitionen führen umfassende staatliche Steuerungsfähigkeit, die nicht automatisch zu Demokratisierung und Entwick- sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orien­ lung. Wir haben es hier aber nicht einfach nur mit tiert. Eine Priorisierung ausländischer Investo­ einem Instrument von beschränkter Wirksamkeit ange- reninteressen könnte destabilisierend und demo­ sichts großer Herausforderungen zu tun. Im Gegen- kratiefeindlich wirken und den Reformprozess teil, internationale Investitionsabkommen liefern den unterlaufen. rechtlichen Rahmen, mit dem die Konzerne ihre Inte- ressen gegen Regulierung und gegen staatliche Inter- ventionsmöglichkeiten durchsetzen. Mit ihnen hat das Sonderklagerecht für Konzerne transnationale Kapital ein wirkungsvolles Instrument in der Hand, um die Gestaltungsräume von Staaten ein- Mit der Etablierung einer Handels- und Investitions- zuschränken.4 partnerschaft will die EU zur „politischen, sozialen und ökonomischen Entwicklung“ in Myanmar beitragen, so Das Kernstück internationaler Investitionsabkommen der Beschluss des Rates zur EU-Politik mit Hinblick ist der Streitschlichtungsmechanismus. Er beinhaltet, auf Myanmar vom 22.7.2013.1 Konkret kündigt die EU zumindest in den von der EU ausgehandelten Abkom- im selben Rahmenpapier auch an, mit Myanmar Verhandlungen zu einem Investitionsabkommen „Internationale Investitionsabkommen liefern den rechtlichen aufzunehmen. Die Verhandlun- Rahmen, mit dem die Konzerne ihre Interessen gegen Regu- gen selbst sollen im ersten Halb- lierung und gegen staatliche Interventionsmöglichkeiten jahr 2014 beginnen.2 Im April durchsetzen.“ 2012 hatte die EU die Sanktio- nen gegen Myanmar ausgesetzt, wenige Tage vor besagtem Beschluss des Rates war men, die Investor-Staat-Klagemöglichkeit. Dadurch das Land wieder für die Everything-but-Arms-Regelung3 wird dem ausländischen Investor gestattet, den Gast- zugelassen worden. Das Investitionsabkommen wird staat, in dem er seine Investition getätigt hat, direkt geradezu als der nächste logische Schritt für Myanmars vor einem internationalen Schiedsgericht auf Kompen- Reintegration in die internationale Gemeinschaft prä- sationszahlungen zu verklagen.5 Der Investor kann eine

14 Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten solche finanzielle Entschädigung fordern, indem er gel- so in Form von Entschädigungszahlungen einen Zufluss tend macht, dass bestimmte Maßnahmen des Staates an Steuergeldern in Millionenhöhe. Berufung kann als direkte oder indirekte Enteignung zu bewerten sind. nicht eingelegt werden; das Urteil ist bindend. Weigert Was zunächst einmal tatsächlich wie eine Schutzrege- sich ein zur Kompensation verurteilter Staat zu zahlen, lung für eine klar begrenzte Situation aussieht (Ver- kann der Schiedsspruch etwa durch Einzug seines Aus- staatlichung von Unternehmenseigentum), entpuppt landsvermögens vollstreckt werden.7 sich bei näherem Hinsehen jedoch als Festschreibung umfangreicher Privilegien für ausländische Konzerne im Gastland. Die Investor-Staat-Klagemöglichkeit Wenn Investoren klagen garantiert einem Investor nicht nur das Recht, die Entschädigung tatsächlich getätigter Investitionen im In der Rechtsprechung solcher Schiedsgerichte erhält Falle der Enteignung einzuklagen. Vielmehr enthalten der Investorenschutz meist eine weit gefasste Ausle- die Investitionsabkommen auch Klauseln, auf die sich gung: Investitionsabkommen verpflichten die Unter- die Konzerne berufen können, um für Gewinne Kom- zeichnerstaaten üblicherweise auf eine ‚gerechte und pensation zu fordern, die sie berechtigterweise erwar- billige Behandlung‘ gegenüber dem Investor. Der in ten, aber durch die staatliche Maßnahme nicht reali- dieser Generalklausel enthaltene Vertrauensschutz sieren konnten. Entsprechend hoch sind in der Regel wird dann so interpretiert, dass jede nach der getätig- die Schadensersatzforderungen, um die es bei diesen ten Investition vorgenommene Änderung einer staat- Prozessen geht. lichen Regelung sanktioniert werden kann.8 Indirekte Enteignung wird so interpretiert, dass jede staatliche Es gibt verschiedene Schiedsgerichte, vor die ein Inves- Maßnahme darunter fällt, die sich negativ auf den tor einen Staat bringen kann. Die wichtigsten, das Wert einer Investition auswirken kann. Mittels solcher International Centre for Settlement of Investment Dis- Schiedsverfahren wurden bereits eine breite Palette putes (ICSID) und die United Nations Commission on staatlicher Regelungen seitens der Konzerne als ‚inves- International Trade Law (UNCITRAL), sind bei der Welt- torenfeindlich‘ angegriffen, wie etwa der Atomausstieg bank respektive bei den Vereinten Nationen angesie- (Vattenfall gegen Bundesrepublik Deutschland, siehe delt und erhalten durch entsprechende Konventionen Infobox 1), Warnhinweise auf Zigarettenpackungen (Phi- ihre völkerrechtliche Legitimation. Dies bedeutet aber lip Morris gegen Uruguay) oder die Nichtverlängerung nicht, dass es sich dabei um Gerichte im herkömmli- einer Lizenz zum Betrieb einer Giftmülldeponie (Tec- chen Sinne mit unabhängig bezahlten VollzeitrichterIn- med gegen Mexiko, siehe Infobox 2). nen und/​oder einem festen Sitz handeln würde. Viel- mehr handelt es sich dabei um eine Parallel-Justiz: Die Verfahren sind nicht öffentlich und von keiner höheren

Instanz revidierbar. Die dreiköpfigen Schlichtungsgre- Infobox 1 mien werden von Fall zu Fall zusammengesetzt, wobei jede Partei eine Person als Schlichter benennt und Vattenfall vs. Bundes­ diese beiden sich wiederum auf den Vorsitzenden republik Deutschland des Gremiums einigen. Da die Schlichter in anderen Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima hat Schiedsprozessen selbst als Anwälte von Investoren Deutschland den stufenweisen Atomausstieg oder Staaten auftreten, liegen Interessenskonflikte auf beschlossen. Gegen diese Entscheidung hat der der Hand. schwedische Energiekonzern Vattenfall im Jahr 2012 bei einem internationalen Schiedsgericht Solche Schiedsgerichte haben in den letzten Jahrzehn- Klage eingereicht. Hiermit verbindet der Kon- ten über eine rasant steigende Zahl von Fällen ent- zern eine Forderung über 3,7 Milliarden Euro als Kompensation für entgangene Gewinne, die schieden. In 31 Prozent der bekannten Fälle sprachen er sich aus zwei seiner Atomkraftwerke für die sie ihr Urteil zugunsten des klagenden Investors aus, in Zukunft erwartet hatte. Zur Klage berechtigt ihn weiteren 27 Prozent der Fälle kam es zu einer Einigung, eine entsprechende Regelung im Energiecharta- gemäß derer häufig ebenfalls Zahlungen oder andere Vertrag, die ähnlich ausgestaltet ist wie in Inves- Zugeständnisse an den Investor gemacht werden muss- titionsabkommen.9 ten.6 Die Klagemöglichkeit beschert den Unternehmen

Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten 15 sen. Dies gilt ganz besonders für Entwicklungsländer, weil ein solches Verfahren ein immenses Loch in den Infobox 2 Staatshaushalt reißt. Allein die Gerichtskosten belau- Tecmed vs. Mexiko fen sich für den Staat auf durchschnittlich mehr als 8 Millionen US-Dollar, häufig unabhängig vom Ausgang Die mexikanischen Behörden hatten eine unbe- fristete Lizenz zum Betrieb einer Giftmülldepo- des Verfahrens.12 Aber auch für Industrieländer sind nie erst in eine jährlich zu erneuernde Lizenz die potentiellen Kosten oft genug überaus abschre- umgewandelt und dann als Reaktion auf poli- ckend. Maßnahmen im Sinne des Allgemeinwohls wer- tische Proteste gegen die Deponie gar nicht den zurückgenommen oder gar nicht erst eingebracht. mehr verlängert. Der spanische Investor Tec- Die kanadische Regierung beispielsweise hat deswegen med argumentierte vor einem internationalen das Verbot eines giftigen Benzinzusatzstoffs zurückge- Schiedsgericht, dass die aus seiner Sicht will- nommen. Dabei handelt es sich mitnichten um einen kürliche Verweigerung der Lizenzverlängerung die ökonomische Basis der Investition zunichte Einzelfall.13 Dass dieser sogenannte chill effect real ist, gemacht habe. Auf Grundlage der Enteignungs- zeigt die wachsende Kritik am gegenwärtigen Streit- klausel und der Klausel über gerechte und bil- beilegungsmechanismus auch von Seiten der Staaten lige Behandlung forderte er Kompensation für selbst.14 Der umfassende Investitionsschutz, den die die materiellen Verluste, seine entgangenen Profite und seinen Imageverlust. Der Konzern rechnete sich dafür die stattliche Summe von „Ein Investitionsabkommen ist ein geeigne- mehr als 52 Millionen US-Dollar zusammen.10 tes und aufgrund seiner Laufzeit konstantes Druckmittel, mit dem sich Investoren einen

Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die gemeinhin als gesetzlichen Status quo im Gastland festzu- Handelshemmnisse von der EU und ‚ihren‘ Investoren schreiben versuchen.“ gebrandmarkt werden, können für die Gastländer ein angemessenes Mittel sein, um die eigene Entwicklung EU nach wie vor in ihren Abkommen durchzusetzen ver- voranzubringen: Ausfuhrquoten für Rohstoffe, wie sucht, ist daher in Hinblick auf sein entwicklungshem- jüngst von Indonesien eingeführt, wirken einer rein mendes und demokratiefeindliches Potenzial beson- extraktiven Industrie ohne einheimische Wertschöp- ders brisant. fung und mit geringem Gewinn für den Staatshaushalt entgegen. Indonesien sah sich prompt von dem bri- tischen Minenbetreiber Charchill auf 2 Milliarden US- Konzerninteresse Dollar Schadensersatz verklagt.11 contra Partizipation

Die Investor-Staat-Klagemöglichkeit schafft vorgeblich Rechtssicherheit in Ländern ohne verlässliches Rechts- Alle Länder, die ein entsprechendes Investitionsabkom- system. Was auch immer die ursprüngliche Idee gewe- men unterzeichnen, laufen Gefahr, vor einem Schieds- sen sein mag, als Instrument zur Durchsetzung von gericht auf enorme Schadensersatzzahlungen verklagt Konzerninteressen hat sie sich von solchen Erwägun- zu werden. Für Myanmar ist das Risiko besonders groß, gen längst gelöst. Zunehmend geraten auch Staaten da es sich in einer politischen und wirtschaftlichen mit ausgebauter Rechtsstaatlichkeit ins Visier und ihre Umbruchphase befindet. Die EU hat es sich auf die Verankerung in Investitions- und Freihandelsabkom- Fahnen geschrieben, den Demokratisierungsprozess men wird unabhängig vom Rechtssystem der Vertrags- in Myanmar zu unterstützen.15 Die dazu notwendigen partner betrieben. Gestaltungsspielräume werden jedoch von vornherein massiv eingeschränkt, wenn Klagemöglichkeiten der Ein Investitionsabkommen ist ein geeignetes und oben beschriebenen Art in dem Investitionsabkommen aufgrund seiner Laufzeit konstantes Druckmittel, mit verankert werden. dem sich Investoren einen gesetzlichen Status quo im Gastland festzuschreiben versuchen. Gerade das Die burmesische Regierung versucht, Wachstum und Streitschlichtungsverfahren, verbunden mit hohen Entwicklung des Landes anzukurbeln, indem sie aus- Kosten, hat sich dabei als besonders effektiv erwie- ländische Direktinvestitionen ins Land holt. Dieses

16 Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten Anliegen bestimmt auch eine Reihe neuer Gesetze, die auf ihre Situation aufmerksam. Sie alle sind mit meis- unmittelbar relevant für ausländische Investoren sind: tenteils repressiven Maßnahmen der Staatsgewalt kon- so etwa das Gesetz zu ausländischen Investitionen, frontiert, gewaltsame Niederschlagung der Proteste der Workers‘ Association Act, die beiden Landgesetze und Verhaftung friedlicher DemonstrantInnen sind sowie das Gesetz über die sogenannten Special Econo- nach wie vor an der Tagesordnung.18 Sie alle machen mic Zones. Sie zielen dezidiert auf die Schaffung eines aber auch deutlich, dass die Bevölkerung für sich einen investorenfreundlichen Klimas, meist jedoch ohne die angemessenen Anteil an dem im Westen viel beschwo- Bevölkerung wirkungsvoll gegen die negativen Folgen renen Wandel beansprucht. Es geht bei diesen Protes- einer solchen wirtschaftsliberalen Öffnung abzusichern. ten auch um Transparenz und soziale Verträglichkeit von Investitionen, aber vor allem geht es der Bevölke- So ist es nicht gelungen, in die Gesetze einen ausreichenden Schutz vor Landnahme für die „Wenn die Investor-Staat-Klagemöglichkeit verankert wird – mehrheitlich kleinbäuerliche und darauf wird die EU drängen – dann ist es für Konzerne Bevölkerung einzubauen. Man- ein Leichtes, jede unerwünschte staatliche Maßnahme che Kritiker sprechen sogar ­auszuhebeln.“ davon, dass hierdurch eine sys- tematische und legitimierte Umverteilung von Landnutzungsrechten zugunsten rung um politische Teilhabe und darum, ihre Rechte von inländischen und ausländischen Investoren vor- und soziale Gerechtigkeit gesetzlich zu verankern. Für bereitet wird.16 Die Möglichkeit gewerkschaftlicher die bereits verabschiedeten Gesetze ist absehbar, dass Organisation ist nun zwar im Workers‘ Association Act weiterhin um Änderungen und Zusätze gerungen wer- festgeschrieben, aber – wie der Name des Gesetzes den wird und zwar gerade auch um solche, durch die bereits suggeriert – fallen nicht alle Berufszweige dar- ausländische Investoren ihre Interessen gefährdet unter. Außerdem ist das Streikrecht so formuliert, dass sehen. Mit dem Investitionsabkommen zielt die EU es den ArbeiterInnen keine gleichberechtigte Stellung darauf, europäische Investoren auch für diesen Fall zu im Arbeitskampf mit den ArbeitgeberInnen zubilligt.17 rüsten. Wenn dort die Investor-Staat-Klagemöglichkeit verankert wird – und darauf wird die EU drängen – dann Die Gesetzgebung orientiert sich in ihrer Ausrichtung ist es für Konzerne ein Leichtes, jede unerwünschte nicht nur daran, ausländischem, sondern auch inlän- staatliche Maßnahme auszuhebeln. dischem Kapital günstige Investitionsbedingungen zu schaffen. In Myanmar steht eine kleine, aber durchaus finanzstarke Elite bereit, die lange von Korruption und Günstlingswirtschaft profitiert hat. Durch ihre guten Anmerkungen Beziehungen zum Militär und den undurchsichtigen militäreigenen Unternehmenskonglomeraten wird sie 1. Council of the European Union (2013): Council conclusions on the Comprehensive Framework for the European Union’s versuchen, ihren Einfluss auch in Zukunft gewinnbrin- policy and support to Myanmar/​Burma. Brussels. www. gend zu nutzen. Gesetze, die Investoren gegenüber consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/ foraff/138272.pdf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern beim Zugang zu Land 2. Joint Statement by the co-Chairs EU High Representative begünstigen oder nur schwache Arbeitnehmerrechte Catherine Ashton and U Soe Thane, Union Minister form the festschreiben, sind auch in ihrem Interesse. Ministry of the President’s Office, on the EU-Myanmar Task Force. www.eeas.europa.eu/statements/docs/2013/131115_02_ en.pdf Gegen die derzeit geltenden Gesetze und ihre absehba- 3. Damit darf Myanmar alle Waren zollfrei in die EU exportie- ren Auswirkungen formiert sich vor Ort Widerstand. Bei ren – „außer Waffen“. Protestaktionen fordern Bäuerinnen und Bauern einen 4. Bellak, Christian; Küblböck, Karin (2004): Bilaterale Inves- Gesetzeszusatz zu den Landgesetzen. Partizipation im titionsschutzabkommen. Direkt-Investitionen und die Inte- ressen der Entwicklungsländer. In: ÖFSE (Hg.): Österreichi- Entscheidungsprozess und Entschädigungen bei Ent- sche Entwicklungspolitik 2003. ¿Entwicklung + Wirtschaft. eignung im Zuge von Großprojekten werden von der Wirtschaft + Entwicklung? Berichte, Analysen, Informatio- nen. Wien. 17–29. www.oefse.at/Downloads/publikationen/ lokalen Bevölkerung und ihren UnterstützerInnen aus oeepol/oepol2004.pdf; Staritz, Cornelia (2013): Foreign der Zivilgesellschaft angemahnt. ArbeiterInnen machen direct investment and local spillovers in the apparel sector in

Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten 17 Sub-Saharan Africa. ÖFSE policy note 05/2013. http://www. Regierung gingen. Sie bezogen sich auf chemische Reinigung, oefse.at/Downloads/publikationen/policynotes/PN5_FDI. Arzneimittel, Pestizide, Patentrecht. Praktisch jede neue Ini- pdf; Eberhardt, Pia (2013): Eine transatlantische Verfassung tiative wurde da zur Zielscheibe und die meisten haben nie der Konzerne. In: Forum Umwelt & Entwicklung – Rundbrief das Licht der Welt erblickt.“ [Übersetzung der Autorin] Vgl. 03/2013. 13–14. www.forumue.de/publikationen/rundbriefe/ Greider, William (2001): The Right and US Trade Law: Invali- rundbrief/rundbrief-iii2013-globalisierung-und-freihandel- dating the 20th Century. The Nation. 17.11.2001. pokerspiel-mit-ungewissem-ausgang/ 14. Einige wenige Staaten – Bolivien, Ecuador, Südafrika, 5. Inländischen Investoren steht diese Möglichkeit nicht Australien – haben sich deswegen sogar für einen Austritt, offen. Unternehmen können also nicht ihren „Heimatstaat“ Neuverhandlung oder Auslaufen ihrer Investitionsabkommen bei einem internationalen Schiedsgericht verklagen. Sie müs- entschieden. In der EU ist der Streitbeilegungsmechanismus sen den Rechtsweg über die nationalen Gerichte gehen. zuletzt vor allem als Bestandteil des Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) heftig kritisiert worden. 6. Während bis 1996 die Anzahl der Investor-Staat-Klagen Angesichts des breiten Widerstands gegen das Klagerecht für mit 38 Fällen noch relativ überschaubar war, ist die Zahl bis Investoren hat die EU-Kommission eine Verhandlungspause 2012 auf 514 bekannte Fälle gestiegen, wovon 58 allein auf und öffentliche Konsultation zu diesem Punkt des Abkom- das Jahr 2012 entfallen. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit mens angekündigt. Die von der EU-Kommission in diesem höher liegen, da keine allgemeine Registrierungspflicht der Zusammenhang vorgebrachten Reformvorschläge sind bei Klagen besteht (das ICSID veröffentlicht anhängige Verfahren, näherem Hinsehen allerdings eher kosmetischer Natur (z. B. bei anderen Gerichten ist dies nicht der Fall). Vgl. Eberhardt, Missbrauch des Klagerechts eindämmen, Kautschukparagra- Pia; Olivet, Cecilia (2012): Profiting from injustice. CEO/​TNI: phen präzisieren). Das grundsätzliche Bekenntnis zum Inves- Brüssel/​Amsterdam. 7. http://corporateeurope.org/sites/ titionsschutz und damit dem Klagerecht für Investoren wird default/files/publications/profiting-from-injustice.pdf; Seat- von der EU-Kommission weiter aufrechterhalten. Zusätzlich tle to Brussels Network/​CEO/TNI​ (2013): A transatlantic cor- ist zu beachten, dass sich die Ankündigungen der Kommis- porate bill of rights. October 2013 updated Version. http:// sion zunächst einmal auf dieses eine Freihandelsabkommen corporateeurope.org/sites/default/files/attachments/ beziehen. Damit ist noch keine prinzipielle Neuausrichtung transatlantic-corporate-bill-of-rights-oct13.pdf bei Verhandlungen über Handels- und Investitionsabkommen, wie z. B. dem mit Myanmar, impliziert (vgl. PowerShift/​Bünd- 7. Eberhardt/​Olivet 2012: 14. nis TTIP-Unfairhandelbar. TTIP-Kritiker vor Etappensieg – EU 8. Das Prinzip der gerechten und billigen Behandlung ver- unterbricht Verhandlungen über Konzern-Klagen. www.power- langt den Gaststaaten Transparenz, Vorhersagbarkeit und Ver- shift.de/p=2333; Hagelüken, Alexander. Brüssel will dreiste Mil- lässlichkeit ab. Als Standard für die Abwägung, ob der Staat liardenklagen verhindern. Süddeutsche Zeitung. 21.1.2014. dieses Prinzip gegenüber dem Investor verletzt hat, gelten 15. Vgl. etwa die in Anmerkung 1 angeführten Dokumente. u. a. seine „legitimate and reasonable expectations at the time of investment“ (Mortimore/​Stanley (2009: 39), zitiert 16. Vgl. den Beitrag von Benjamin Merci in dieser Broschüre. nach Kozak/Küblböck​ (2011: 7)). Vgl. Kozak, Kamila; Küblböck, Siehe auch: Oberndorf, Robert B. (2012): Legal Review of Karin (2011): Die Europäische Investitionspolitik nach dem Recently Enacted Farmland Law and Vacant, Fallow and Vir- Vertrag von Lissabon und ihr Einfluss auf nachhaltige Ent- gin Lands Management Law. Forest Trends Association. www. wicklung. ÖFSE Working Paper 27. www.oefse.at/Downloads/ forest-trends.org/documents/files/doc_3274.pdf; Woods, publikationen/WP27_EU-Investitionspolitik.pdf Kevin (2013): Is the West’s embrace of Burma about libera- tion or exploitation. www.tni.org/mulimedia/wests-embrace- 9. Bernasconi-Osterwalder, Nathalie; Rhea Tamara Hoff- burma-about-liberation-or-exploitation mann (2012): Der deutsche Atomausstieg auf dem Prüfstand eines internationalen Investitionsschiedsgerichts? http:// 17. Vgl. Aung San Suu Kyis Statement auf der 101st Interna- power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2012/06/ tional Labour Conference vom 14.7.2012. www.ilo.org/global/ Bernasconi-Hoffmann-Vattenfall-ICSID-Briefing-PowerShift- about-the-ilo/media-centre/statements-and-speeches/ Sept2012.pdf WCMS_183369/lang--en/index.htm 10. Vgl. das Urteil in diesem Fall: https://icsid.worldbank. 18. Zu den Bauernprotesten siehe Radio Free Asia, Myanmar org/ICSID/FrontServlet?requestType=CasesRH&actionVal=sh Farmers call for Amendments to Land Law (20.8.2013); zu den owDoc&docId=DC602_En&caseId=C186 Arbeiterstreiks, vgl. PRI, Labor Laws Strengthened in Myanmar, But Workers Still Struggle (16.9.2013); zum Widerstand gegen 11. TNI (2013): Experts warn Myanmar about risks with Großprojekte und Niederschlagung der Proteste, vgl. den investment treaties. www.tni.org/inthemedia/experts-warn- Beitrag von Christina Grein in dieser Broschüre. Siehe auch: myanmar-about-risks-investment-treaties Business & Human Rights Resource Centre (2013): Briefing 12. Seattle to Brussels Network/​CEO/TNI​ 2013: 4. Myanmar. Business & : A round- up of recent developments. August 2013. www.business- 13. William Greider zitiert in seinem Artikel in The Nation humanrights.org/media/documents/myanmar-briefing- einen ehemaligen Regierungsbeamten aus Kanada: „Ich habe aug-2013.pdf; Nwet Kay Khine (2013): Auslandsinvestitionen die Briefe von New Yorker und Washingtoner Anwaltsfirmen und Konflikte in Myanmars Bergbausektor. In: Heinrich-Böll- gesehen, die bei nahezu jeder neuen Umweltauflage oder Vor- Stiftung (Hg.). Perspectives Asien 01/2013. www.boell.de/ schlägen dazu in den letzten fünf Jahren an die kanadische sites/default/files/130607_perspectives_asien_1.pdf

18 Kapitalinteressen bedienen, politische Teilhabe kleinhalten links: Wie viel Friede Wie viel Friede braucht das Geschäft? braucht das Geschäft? Investitionen in den ethnischen Grenzregionen

Michael Hackmann

Die Gebiete der ethnischen Minderheiten sind seit cil (SPDC)4 Waffenstillstandsabkommen mit vielen der Jahrzehnten Schauplatz gewalttätiger Auseinan­ seit Jahrzehnten für politische Autonomie und wirt- dersetzungen. Gleichzeitig sind diese Regionen schaftliche Partizipation kämpfenden bewaffneten eth- traditionell besonders interessant für Investoren, nischen Gruppierungen. Obwohl die Waffenstillstands- denn hier befinden sich die reichsten Rohstoff­ vereinbarungen in keinem schriftlichen Vertragswerk vorkommen. Die Politik der Waffenstillstände festgehalten wurden und demnach keine rechtliche Grundlage darstellten, stimmten Vertreter ethnischer und Militarisierung führte zur Entwicklung einer Parteien den Waffenstillständen zu.5 Fortan führte die bürgerkriegsähnlichen Ökonomie, deren ent­ Staatsmacht eine verstärkte Militarisierung durch, die scheidendes Kennzeichen die wirtschaftliche ihr die Kontrolle über wichtige Grenzübergänge und Ausbeutung durch Machteliten darstellte. Wirt­ den Zugang zu ressourcenreichen Gebieten sicherte. schaftliche Interessen untergruben Friedensver­ Die neuen Machtverhältnisse legten den Grundstein handlungen, und nun ist es an Thein Sein den zur Übertragung von Investitionslizenzen an Investoren Beweis anzutreten, dass es ihm und seiner Regie­ aus dem benachbarten China, Thailand und anderen rung ernst ist mit dem Frieden. Staaten aus der Region.

Investitionen ausländischer Unternehmen in Myanmar Das Fehlen adäquater administrativer Mechanismen, stellen kein rezentes Phänomen dar. Beginnend mit die eine geregelte Vergabe von Aufträgen an Investo- der Liberalisierung wichtiger Handelsgesetze und der ren und eine Rückführung der Einnahmen zur wirt- Verabschiedung des Gesetzes für ausländische Inves- schaftlichen Entwicklung der Minderheitengebiete titionen1 kennzeichnet das Jahr 1988 die Abkehr von hätten sichern können, charakterisieren eine inhärente sozialistischen Wirtschaftsleitlinien und den Eintritt Schwäche des Staates. Gepaart mit der nur kurzfristig asiatischer Staaten als Wirtschaftspartner Myanmars.2 vorhersehbaren politischen Situation in den Grenz- In den Folgejahren traten asiatische Unternehmen regionen fördert dies die Korruptionsbereitschaft. in kontinuierlich wachsende Geschäftsbeziehungen Regierungsbeamte, Militärfunktionäre und auch Kom- mit der militärgeführten Regierung. Der Ressourcen- mandeure bewaffneter Gruppierungen traten aus pro- reichtum Myanmars, die geringen Auflagen bezüglich fitgeleiteten Motiven und mangels effektiver staatlicher Umwelt- und Menschenrechtsstandards und eine auf Aufsichtsmechanismen in direkte Verhandlungen mit ausländische Einnahmen angewiesene Militärregierung ausländischen Investoren, die Ressourcen ausbeuteten boten den Investoren der rohstoff- und energiehung- und große Gewinne erzielten. rigen asiatischen Ökonomien optimale Geschäftsaus- sichten. Faktoren wie die politisch und ökologisch sensible Situation in den von ethnischen Minderheiten Profitable Waffenstillstände bewohnten ressourcenreichen Grenzregionen waren dabei von marginalem Interesse. Das Militärregime zeigte im Anschluss getroffener Waf- fenstillstände wenig Bereitschaft, bei der Erschließung Parallel zu der Liberalisierungsphase schloss der State der wirtschaftlichen Ressourcen mit ethnischen Orga- Law and Order Restoration Council (SLORC)3 sowie der nisationen zu kooperieren. Mit Hilfe der Militarisierung 1997 nachfolgende State Peace and Development Coun- gewann es die Oberhand über wichtige wirtschaft-

Wie viel Friede braucht das Geschäft? 19 liche Gebiete. Die in ihrer Heimat marginalisierten politischen Gruppierungen begannen in entlegeneren Infobox Gebieten Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Investoren einzugehen, um ihre Armeen zu finanzie- Border Guard Forces ren und die Grundbedürfnisse der Zivilbevölkerung Border Guard Forces (BGF) sind aus vormaligen zu stillen – doch verfolgten einige höherrangige Poli- bewaffneten Einheiten ethnischer Organisatio- tikerInnen und Militärs auch eigene wirtschaftliche nen bestehende Truppen, die der Befehlsge- Bestrebungen, was die Autorität mancher ethnischer walt der unterstehen. Der Großteil Organisationen in der Bevölkerung als wahre volks- der Widerstandsgruppen widersetzte sich der repräsentative Organe schwächte. Waffenstillstände Integration in das BGF-Programm. Eine Zustim- mung bedeutete die Zerschlagung ihrer Armee, in Myanmar resultierten nicht in stabilen politischen den Verlust militärischer Druckmittel und die Verhältnissen. Es flammten immer wieder Kämpfe zwi- Möglichkeit, im Kampf gegen Einheiten ihrer schen den diversen Konfliktparteien auf. Analog dazu eigenen Ethnie eingesetzt zu werden. Obgleich entwickelte sich eine bürgerkriegsähnliche Ökonomie, die Regierung Thein Sein die Forderung nach deren entscheidendes Kennzeichen die militärische der Integration in die BGF als Bedingung für Kontrolle einzelner ressourcenreicher Regionen durch Waffenstillstandsabkommen revidierte, ist sie weiterhin in einer späteren Phase des aktuel- Machteliten darstellte und die mit schwerwiegenden len Friedensplans verankert und stellt ein ent- Folgen für die Umwelt und Lebenssituation der Zivil- scheidendes Hindernis für einen progressiven bevölkerung einhergingen.6 Friedensprozess dar.

Die verschiedenen in den Grenzregionen lebenden Gruppen, deren gängige Bezeichnung als non-burmese Der Anspruch des SPDC auf die vollständige wirtschaft- people die kulturelle und politische Stigmatisierung als liche und politische Kontrolle manifestierte sich in den BürgerInnen zweiter Klasse symbolisiert, sahen sich Jahren 2009 und 2010. Basierend auf der 2008 verab- auch während der offiziellen Waffenruhen heftigen schiedeten Verfassung7 implementierte die Regierung Repressalien der zum Teil aus eigenen Motiven han- im Folgejahr das Border Guard Force (BGF)-Programm, delnden Tatmadaw, der nationalen Armee, ausgesetzt. das die Neutralisierung aller Widerstandsgruppen Die Truppen setzten ohne Rücksichtnahme gegenüber anstrebte. Im August 2009 brach sie einen zwanzig- der Bevölkerung geplante Großprojekte mit Waffen- jährigen Waffenstillstand mit der Myanmar National gewalt durch. Landkonfiszierungen, Flutungen und Democratic Alliance Army (MNDAA) und besetzte die erzwungene Umsiedlungen gingen mit schweren Men- wirtschaftlich und geopolitisch bedeutsame Grenzre- schenrechtsverletzungen einher. Trotz der reichhalti- gion zur chinesischen Provinz Yunnan. Ferner machte gen Ressourcen wurden die Minderheiten weiterhin die Regierung ihre Drohung wahr und erklärte, nach größtenteils von der wirtschaftlichen Teilhabe ausge- Ablauf einer einjährigen Zustimmungsfrist, alle beste- schlossen. Exemplarisch hierfür belegen die Grenzre- henden Waffenstillstände mit sich dem BGF-Programm gionen im landesweiten Vergleich die letzten Plätze in widersetzenden Gruppen einseitig für beendet. In der den Bereichen Bildung, Gesundheit und Einkommen. direkten Folge flammten Kämpfe in den Karen- und Shan-Gebieten auf. Obwohl Waffenstillstände zu einem signifikanten Rück- gang an Menschenrechtsverletzungen und Vertreibun- Der Verdacht, dass die geschlossenen Abkommen eher gen führten, erweiterte die Ankunft ausländischer als eine politische Strategie zu verstehen sind, um Investoren den Konflikt zwischen der Regierung und Zugang zu ressourcenreichen Gebieten zu bekommen, den ethnischen Minderheiten um eine weitere Ebene. erscheint keineswegs abwegig. Parallel dazu scheint Die Diskrepanzen der Forderungen und der mangel- der Fortbestand der Waffenstillstände von der Über- hafte Wille der Regierungen, ethnischen Minderheiten einstimmung mit wirtschaftlichen Präferenzen abhän- Zugeständnisse zu machen, die ihnen eine politisch gig zu sein. Obgleich Investitionen in den ethnischen bedeutsame Rolle in einem föderalen System sowie Grenzregionen nicht als Ursache des seit Jahrzehnten Mitspracherecht bei der Ressourcenverteilung verlei- andauernden politischen Konflikts zu identifizieren hen, verhinderten zielführende Verhandlungen über sind, verfügen sie zweifelsohne über das Potenzial, einen Friedensprozess. ethnische Marginalisierung zu forcieren und konflikt-

20 Wie viel Friede braucht das Geschäft? verschärfende Wirkungen zu generieren. Die Entwick- Nahrungsquelle – und der Waldnutzung untersagt. Es lungen im Kachin-Staat veranschaulichen die beschrie- regte sich umso mehr Widerstand, als die Regierung benen Wirkungsketten eindrucksvoll. 81.000 Hektar Land an das burmesische Yuznah-Unter- nehmen für monokulturelle Großplantagen vergab, welches Teile eines Tigerschutzgebietes und Ackerland Der Fall Kachin lokaler Bäuerinnen und Bauern umfasste.12 Nepotis- mus, Korruption und Profitgier kennzeichnen auch Die 1994 getroffene Waffenstillstandsvereinbarung mit die weiteren großen Landkonfiszierungen der ersten der Kachin Independence Organisation (KIO) bezie- Dekade des 21. Jahrhunderts. Während Kleinbäuerin- hungsweise der Kachin Independence Army (KIA)8 nen und -bauern von Enteignungen, Vertreibungen weckte nach jahrzehntelangem Blutvergießen, Zerstö- und Repressalien der Tatmadaw berichten, erzielten rung und Vertreibung große Hoffnungen bei der Lokal- das Militär, protegierte burmesische Unternehmen bevölkerung, einen politischen und wirtschaftlichen und chinesische Agrarinvestoren satte Gewinne. Viele Aufschwung zu erleben. Zudem schien die Regierung Menschen erfuhren seit der offiziellen Beendigung der durch die Unterzeichnung des ersten und einzigen Kampfhandlungen und der wirtschaftlichen Öffnung schriftlich fixierten Waffenstillstandsabkommens der eine fortschreitende Marginalisierung, die oftmals mit Militärdiktatur, in dem sie der KIO die militärische dem Verlust ihrer Lebensgrundlage einherging. und administrative Kontrolle in festgelegten Regionen garantierte, ernsthafte Friedensabsichten zu hegen.9 Doch die darauf einsetzenden Entwicklungen unter- Neues politisches System, schieden sich nicht von denen in den anderen Grenz- alte Muster? regionen.

In Folge der erhöhten Militärpräsenz übernahm die Der Fall Kachin zeigt die Verflechtung von Waffenstill- Regierung das zuvor von der KIO kontrollierte Jadege- ständen, Militarisierung und Ressourcenausbeutung in schäft und vergab Minenkonzessionen an Unternehmen, einem für die Bevölkerung besonders tragischen Maße die mit ihr kollaborierten. Als Reaktion auf den Verlust auf. Als Thein Sein die Amtsgeschäfte übernahm und des Jadehandels und des Zugangs zu anderen wert- politische und ökonomische Partizipation versprach, wollen Ressourcen stieg die KIO in den Holzhandel mit keimte erneut Hoffnung auf, von dem Ressourcenreich- chinesischen Firmen ein. Lokale Militärkommandeure tum wirtschaftlich profitieren zu können und stabile- taten es ihr gleich und die Bewaldung reduzierte sich ren politischen Verhältnissen entgegenzusteuern. Die dramatisch.10 Darüber hinaus besitzt der Kachin-Staat Regierung erzielte mit dem Abschluss von Waffenstill- wertvolle Mineralien wie Gold und beträchtliche Vor- ständen und der Einleitung eines relativ transparenten kommen Seltener Erden. Regierungsbeamte vergaben Friedensprozess mit ethnischen Organisationen im Jahr Aufträge an chinesische Firmen, die mit großangele- 2011 erste rasche Erfolge auf dem Weg zu einem dau- gen hydraulischen Operationen die Rohstoffextraktion erhaften Frieden.13 vorantrieben, während die Gewinne an den Einheimi- schen vorbei in die Kassen der Militärregierung flossen. Trotz demokratischer Reformen und der Aufnahme Die in den Folgejahren kontinuierlich wachsende Zahl von Friedensverhandlungen mit dem Großteil der von Minen resultierte in großflächigen Umweltschäden bewaffneten ethnischen Gruppen deutet der im Juni und erschwerte es den Menschen, die in unmittelbarer 2011 begonnene Militärschlag gegen die KIO auf eine Nähe lebten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. auch unter der aktuellen Staatsmacht andauernde Voranstellung wirtschaftlicher Interessen gegenüber Weitere Großprojekte zu Lasten der Bevölkerung folg- Friedensbemühungen hin. Als die KIO der Forderung ten: Chinesisch finanzierte Staudämme11 und von der der Regierung nicht nachkam, ihre Truppen von einem Regierung eröffnete Naturschutzgebiete, die nahezu Außenposten nahe des Taping-Damms abzuziehen, den gesamten nordwestlichen Kachin-Staat umfas- startete die Regierung die größte Militäraktion der sen, stellten schwere Eingriffe in den Lebensraum der jüngeren Vergangenheit. Die Kämpfe führten zur Ver- einheimischen Bewohner dar. Der lokalen Bevölke- treibung Zehntausender Menschen, die Tatmadaw rung wurde jedwede Form des Jagens – eine wichtige besetzte erneut wichtige Territorien im Kachin-Staat.14

Wie viel Friede braucht das Geschäft? 21 Bis in die Gegenwart konnte keine Einigung über einen densverhandlungen mit einem für sie zufriedenstellen- Waffenstillstand erreicht werden. den Ergebnis abgeschlossen werden.19 Die Forderung untermauert erneut die zentrale Bedeutung einer par- Die Lösung des Kachin-Konflikts kann in seiner Bedeu- tizipativen Investitionspolitik für die dauerhafte Been- tung nicht isoliert betrachtet werden. Sein Fortbe- digung der militärischen Konflikte in Myanmar. stand birgt die Gefahr, den gesamten Friedenspro- zess und den demokratischen Reformkurs Myanmars zu gefährden. Laut Verfassung ist das Militär im Falle Risikokapital eines Ausnahmezustands befugt, die politische Macht zu übernehmen. Die Rolle des Militärs im Friedens- Das bestehende Interesse europäischer Unternehmen prozess erscheint aufgrund nicht autorisierter Kampf- an Myanmar zeigte sich im November 2013, als eine EU- handlungen undurchsichtig und lässt Zweifel an des- Delegation, begleitet von 100 europäischen Geschäfts- sen vollständiger Kontrolle durch die Regierung von leuten, nach Myanmar reiste und die Verstärkung der Thein Sein aufkommen. Vor diesem Hintergrund und wirtschaftlichen Zusammenarbeit beschloss.20 Euro- der Bedrohung eines Rückfalls in einen Militärstaat for- päische Investoren sollten sich der Gefahr bewusst derten die im ethnischen Verbund United Nationalities werden, dass Investitionen in die Grenzgebiete die Federal Council (UNFC) organisierten Organisationen15 ethnische Exklusion hinsichtlich ökonomischer und die Regierung bereits mehrfach auf, alle militärischen politischer Teilhabe forcieren können und konfliktver- Offensiven in den Kachin- und Shan-Gebieten unver- schärfendes Potenzial besitzen. Es bedarf detaillierter züglich zu stoppen. Synchron zu dem Andauern der Voranalysen des Zusammenhangs von friedenspoliti- Kämpfe wächst das Misstrauen der Waffenstillstands- schen Entwicklungen und Investitionen, um diesen gruppen und der Zivilbevölkerung, dass der Regie- Risiken vorzubeugen. Erst dann lässt sich eine unter- rungsantrieb für Friedensverhandlungen allein der nehmensverantwortliche Investitionspolitik entwickeln, internationalen Legitimation und kommerziellen Wirt- die den berechtigten Bedürfnissen aller Interessens- schaftsinteressen dient16 – eine Entwicklung, die sich gruppen Rechnung trägt. negativ auf die Einigung bestehender konträrer Positio- nen in den Friedensverhandlungen auswirken könnte.17

Die zeitnahe Bewältigung des Kachin-Konflikts bleibt Anmerkungen ein großer Prüfstein für die Regierung Thein Sein, ihren 1. Vgl. The Union of Myanmar Foreign Investment Law (1988). Willen und ihre Befähigung zu beweisen, den jahrzehn- http://www.burmalibrary.org/docs11/Foreign-Investment- telangen Bürgerkrieg in Myanmar dauerhaft zu been- Law-of-Myanmar-1988.pdf den. Doch die Verhandlungen im Oktober 2013 schei- 2. Am 18.9.1988 putschte General Saw Maung, löste die seit 1962 unter der Führung von General Ne Win herrschende terten, trotz weiterer Annäherung. General Gwan Maw, Burma Socialist Programme Party (BSPP) auf und setzte die stellvertretender Generalstabschef der KIA, erklärte, sozialistische Verfassung außer Kraft. die KIO könne aufgrund der Erfahrungen und Lehren 3. State Law and Order Restoration Council (SLORC) war der der Vergangenheit kein neues Abkommen unterzeich- offizielle Name des Militärregimes, das 1988 unter Führung von Saw Maung die Macht ergriff. nen bis sich ein größeres Vertrauensverhältnis mit der 4. 1997 wurde der SLORC in State Peace and Development Regierung entwickelt habe.18 Die politische Führung Council (SPDC) umbenannt. Das von General Than Shwe der KIO und die BewohnerInnen des Kachin-Staats unterzeichnete Dekret zur Auflösung des SPDC kennzeichnet gemeinsam mit der sich wenige Tage später anschließenden fürchten weiterhin eine Wiederholung der letzten Waf- Amtsvereidigung Thein Seins am 30.3.2011 das Ende der seit fenstillstandsperiode, die – trotz der Verbesserung der 1962 etablierten direkten Militärherrschaft. Infrastruktur, des Aufstiegs einer kleinen Klasse wirt- 5. Die Waffenstillstände wurden zumeist mit Kommandeuren schaftlicher Profiteure und des Rückgangs an Vertrei- der bewaffneten Armeen ethnischer Organisationen ausge- handelt. Neben dem Fehlen schriftlicher Verträge waren die bungen und Menschenrechtsverletzungen – primär von Abkommen darüber hinaus eher als militärische Überein- politischer und wirtschaftlicher Exklusion des Großteils künfte zu verstehen. Verhandlungen über politische Inhalte wie Autonomie und Ressourcenverteilung wurden kaum der Kachin-Bevölkerung gekennzeichnet war. Sie for- geführt. Vgl: Lorch, Jasmin; Roepstorff, Kristina (2013): Myan- dern, wie auch weitere ethnische Organisationen und mars Friedensprozess, Die Bedeutung föderaler Reformen und eines inklusiven Nationalen Dialogs. Berlin. burmesische Nichtregierungsorganisationen (NGOs), http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/ eine Aussetzung von Investitionsprojekten, bis die Frie- aktuell/2013A41_lrc_rps.pdf

22 Wie viel Friede braucht das Geschäft? 6. Neben dem offiziellen Militär, denBorder Guard Forces 12. Vgl. Buchanan, John; Kramer, Tom; Woods, Kevin (2013): (BGF) (siehe Box) und den Armeen ethnischer Organisatio- Developing Disparity, Regional Investment in Burma’s Border- nen stellen die People Militia Forces (PMA) einen weiteren lands. Transnational Institute und Burma Centre . bewaffneten Akteur in den Minderheitengebieten dar. Diese http://www.burmalibrary.org/docs14/Burmasborderlands- paramilitärischen Einheiten wurden seit den 1950er Jahren red.pdf auf Anweisung der Regierung aufgebaut. Sie bestehen aus rek- rutierten Angehörigen ethnischer Minderheiten und dienen 13. Das von der Burma News International initiierte Projekt primär dem Kampf gegen ethnische Widerstandsgruppen, der Myanmar Peace Monitor stellt ausführliche Informationen und Kontrolle der Lokalbevölkerung und der Sicherung der Grenz- Analysen über den 2011 eingeleiteten Friedensprozess und regionen. Unter Duldung und dem Mitverdienst lokaler Kom- aktuelle Entwicklungen online: http://www.mmpeacemonitor. mandeuren sind sie im Drogenhandel, der Besteuerung der org/index.php Lokalbevölkerung und weitere illegale Geschäften involviert, 14. Buchanan, John; Kramer, Tom; Woods, Kevin (2013) die mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen einherge- hen. Vgl. Keenan, Paul (2013): People’s Militia Forces, Time 15. Der UNFC setzt sich aus elf Organisationen zusammen to re-assess the strategy. Burma Centre for Ethnic Studies. und wurde am 16.2.2011 in Chang Mai, Thailand gegründet. http://www.burmaethnicstudies.net/pdf/BCES-BP-No.4.pdf Für Hintergrundinformationen und Forderungen des UNFC: http://www.mmpeacemonitor.org/stakeholders/unfc 7. In der Verfassung heißt es: „All the armed forces in the Union shall be under the command of the Defence Services.“ 16. South, Ashley (2013): Governance and Legitimacy in the Constitution of the Republic of Myanmar (2008). http://www. Myanmar Peace Process. In: Panorama. Insights into Asian burmalibrary.org/docs5/Myanmar_Constitution-2008-en.pdf and Euopean Affairs. Myanmar in Transition. Polity, People & Processes. Konrad-Adenauer-Stiftung. . http://www. 8. Die KIA ist der bewaffnete Arm der KIO. Im weiteren Text kas.de/wf/doc/kas_36387-1522-2-30.pdf?131213110405 wird zumeist von der KIO gesprochen. Dies schließt die KIA mit ein. 17. Der UNFC lehnt weiterhin entschieden vier Punkte des Friedensplans der Regierung ab: Akzeptieren der Verfas- 9. Kachin National Organization (2013): Political History. A sung von 2008; Gründung politischer Parteien, um par- Brief Political Account of the Kachin. http://kachinland.org/ lamentarisches Mitspracherecht zu erhalten; Politische index.php?option=com_content&view=category&layout=blog Änderungen sind nur durch Mehrheitsbeschlüsse im Par- &id=45&Itemid=75 lament möglich; Integration der Kampftruppen in die BGF. 10. Für weitere Informationen über die Akteure des Holzhan- Weitere Details unter: Burma International Online (2013): dels im nördlichen Kachin-Staat und deren Motive vgl. Bonn Deciphering Myanmar’s Peace Process, A Reference Guide International Center for Conversion (2007): Tabellarische 2013. http://bnionline.net/images/2013/pdf/Deciphering- Übersicht ausgewählter Fälle aus den Bereichen extraktive Myanmar%E2 %80 %99s-Peace-Process-For-Web.pdf Industrien, Wald- und Wasserwirtschaft. Bonn. http://www. 18. http://www.irrawaddy.org/burma/kio-signs-new-peace- bicc.de/uploads/tx_bicctools/tabellarische_uebersicht.pdf deal-still-ceasefire.html 11. Bekanntestes Beispiel ist der von der China Power Invest- 19. Für weitere Informationen bezüglich der Stimmen und ment Corporation (CPI) finanzierte Myitsone-Damm. Nach der der Positionen der unterschiedlichen Akteure aus der Zivil- Vertreibung von 10.000 Menschen und großen Protesten, dar- gesellschaft siehe den Artikel von Christina Grein in dieser unter ein Brief der KIO an die chinesische Regierung, in dem Broschüre und Nationalities Youth Forum/​Students Youth die Organisation vor der Gefahr eines Bürgerkriegs warnte, Congress of Burma (2013): Excluded – Burma’s Ethnic Natio- stoppte Thein Sein am 30.9.2011 den Bau. Doch das Groß- nalities on the Margins of Development & Democracy: http:// projekt scheint nur ausgesetzt zu sein. China verlangt eine www.burmalibrary.org/docs15/Excluded-en-red.pdf Fortsetzung des Projekts und chinesische Arbeiter der CPI leben weiterhin in der Nähe des Damms. Vgl. Martov, Seamus 20. Siehe den Beitrag von Uwe Hoering, S. 9 (2013): Myitsone Dam Project on Hold, but Far From Dead. The Irrawaddy. November 6, 2013. http://www.irrawaddy. org/z_kachin/myitsone-dam-project-hold-far-dead.html.

Wie viel Friede braucht das Geschäft? 23 links: Schwarzes Gold und weiße Westen Schwarzes Gold und weiße Westen Europäische Investitionen in den burmesischen Rohstoffsektor

Christine Schuster

Nach der Aufhebung der Sanktionen seitens Edelmetallvorkommen auch über industrielle Metalle, der EU ist nun auch Deutschlands Interesse am Edelsteine und wertvolle Mineralien. Bislang dominie- burmesischen Rohstoffsektor geweckt. Einer­ ren in diesen Sektoren asiatische Investoren aus China, seits werden Investitionen in diesen Sektor als Thailand, Südkorea und Singapur. Entwicklungsmotor für Myanmars Wirtschaft bewertet. Andererseits verdeutlicht die gegen­ Der französische Erdölkonzern Total war lange Zeit der einzige europäische Akteur im burmesischen Rohstoff- wärtige Situation, dass solche Projekte häufig sektor. Doch seit der Aufhebung der Sanktionen brin- verheerende Folgen für Mensch und Umwelt nach gen sich immer mehr europäische Unternehmen auf sich ziehen. Deutsche bzw. europäische Politiker dem burmesischen Markt in Stellung. Die Verantwort- haben jetzt noch die Chance, Einfluss auf die liche für Myanmar bei der Handelskammer Schweiz- Ausgestaltung europäischer Investitionen in den Asien, Barbara Möckli-Schneider, forderte Schweizer burmesischen Rohstoffsektor zu nehmen. Unternehmen kürzlich offen dazu auf, nicht länger mit Investitionen in den burmesischen Rohstoffsektor zu Große Hoffnungen verbinden sich derzeit mit dem von zögern.3 Dieser Aufruf ist vor allem deshalb bedenk- der Militärjunta eingeleiteten Transformationsprozess. lich, weil die Schweiz Hauptsitz der weltweit größten im In diesem Zusammenhang wird unter anderem die Rohstoffhandel tätigen Unternehmensgruppe Glencore Chance angeführt, das negative Entwicklungspotenzial umzukehren, das die Abschöpfung von Rohstoffen der-

zeit für die burmesische Bevölkerung mit sich bringt. Infobox 1 Aktuelle Entwicklungen deuten aber darauf hin, dass die Rolle Myanmars als Rohstofflieferant ohne Wert- Der Ressourcenfluch schöpfung im eigenen Land zementiert wird, sodass In vielen ressourcenreichen Ländern zeigt sich ein Großteil der Bevölkerung letztlich nicht davon pro- das Phänomen, dass das Wohlstandsniveau fitiert, die Lasten allerdings weiterhin zu schultern hat. trotz massiver Rohstoffexporte geringer ausfällt als in zahlreichen ressourcenarmen Ländern. Dies trifft auch auf Myanmar zu: Die Erträge aus dem Verkauf von Rohstoffen wurden über Jahre Europäische Investoren hinweg zum Ausbau der zahlenstärksten Armee bringen sich in Stellung Südostasiens genutzt oder wanderten direkt auf die Konten von Machthabern und Günstlingen, anstatt die sozioökonomische Entwicklung des Die herausragende Rolle des burmesischen Rohstoff- Landes anzukurbeln. Außerdem wurde auf diese sektors ist augenscheinlich: Bis Ende Mai 2013 beliefen Weise Instabilität in den ressourcenreichen ethnischen Grenzregionen geschürt.1 Zusätz- sich die ausländischen Direktinvestitionen akkumuliert lich kennzeichnet eine extraktive Form des auf 42,5 Milliarden US-Dollar, davon entfielen 33 Mil- Wirtschaftens bis heute den Sektor, das heißt, liarden US-Dollar auf die Erdöl- und Erdgasindustrie.2 Rohstoffe werden ohne Weiterverarbeitung im Ein großes Potenzial sehen ExpertInnen außerdem Herkunftsland exportiert – eine Industrialisie- mittel- bis langfristig im Ausbau von Wasserkraft sowie rung hat bisher kaum stattgefunden. im Bergbau. Denn Myanmar verfügt neben Grund- und

24 Schwarzes Gold und weiße Westen Xstrata plc ist, die sich seit Jahren Vorwürfen von Steu- Auch ging BASF im September 2011 ein Joint Venture ermanipulation, Korruption, Umweltverschmutzung mit Lynas ein, einem australischen Produzenten von und Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungslän- Seltenen Erden, der in der Kritik steht, weil seine Pro- dern ausgesetzt sieht.4 duktionsstätten nicht einmal ökologischen Mindest- standards entsprechen.8 Als Anzeichen für ein Interesse Deutschlands an der Erschließung burmesischer Rohstoffe können die sich Welchen Weg könnten deutsche beziehungsweise euro- jüngst häufenden Studien von Germany Trade & Invest, päische Investoren in Myanmar einschlagen? Zwei Sze- der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für narien sind denkbar: Im besten Fall nehmen sie sich Außenwirtschaft und Standortmarketing, gedeutet ihre eigenen Beteuerungen zu Herzen und tragen zu werden. Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, einer ökologisch und sozial nachhaltigeren Entwicklung deutsche Unternehmen über Auslandsmärkte zu des Landes bei. Im ungünstigsten Fall allerdings passen informieren. Auch die Teilnahme von Vertretern deut- sie sich schlichtweg den derzeitigen Gegebenheiten im scher Unternehmen an der „Mission for Growth“, die burmesischen Rohstoffsektor an. Dann allerdings hät- im November 2013 Myanmar besuchte, lässt auf ein ten europäische Investoren nicht nur einen Anteil am deutsches Interesse am burmesischen Rohstoffsektor Fortbestehen des negativen Entwicklungspotenzials schließen.5 Die traditionell stark von Rohstoffimporten burmesischer Rohstoffe, sondern sie hätten zudem abhängigen deutschen Chemieriesen Bayer, BASF und gravierende Umweltverschmutzungen und Menschen- Henkel haben bereits Verkaufsrepräsentanzen in der rechtsverletzungen mit zu verantworten. Hauptstadt Yangon eröffnet. BASF beteuert in seiner Asien-Pazifik-Strategie einen nachhaltigen Ansatz zu verfolgen, der Ressourcenschonung, Ernährungssi- Verheerende Auswirkungen cherheit und eine höhere Lebensqualität in den Mittel- punkt stellt.6 Dies erscheint fast zynisch angesichts der Eine Reihe von Studien und Berichten machen deut- Tatsache, dass sowohl BASF als auch Bayer aufgrund lich, dass der Abbau von Rohstoffen in Myanmar der- der Herstellung hochgiftiger Pestizide 2014 für den zeit weder in ökologischer, noch in sozialer Hinsicht Public Eye Award nominiert sind, der unverantwort- als nachhaltig gelten kann. Viele Großprojekte ziehen liche Geschäftspraktiken ins Scheinwerferlicht rückt.7 beträchtliche Umweltzerstörungen nach sich, welche die Lebensgrundlage der in diesem Gebiet angesiedel- ten Bevölkerung bedrohen. Beim Bau eines großange- legten Staudamms beispielsweise werden Siedlungs- Infobox 2 gebiete, religiöse und kulturelle Stätten sowie frucht- Reformen zum bares Ackerland, auf das viele Bäuerinnen und Bauern ­Umweltschutz angewiesen sind, überflutet und damit zerstört. Um die ökologischen Schäden solcher Projekte einzudämmen, Das 2012 verabschiedete Auslandsinvestitions- hat die burmesische Regierung jüngst erste Schritte gesetz enthält vereinzelt umweltpolitische eingeleitet.9 Vorgaben. Darüber hinaus wurden im selben Jahr eigens Gesetze zum Umweltschutz verab- Zu den gravierendsten negativen Auswirkungen von schiedet. Kürzlich hat die Regierung überdies angekündigt, weitere Umweltgesetze mit ver- Großprojekten zählen allerdings nicht nur Umweltzer- pflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfun- störungen, sondern ebenso die Verletzung elementarer gen auf den Weg bringen zu wollen. Außerdem Menschenrechte und die Missachtung indigener Rechte wurde im Parlament der Vorschlag eingebracht, durch Landnahme10, fehlende Konsultation und Infor- eine Kommission zur nachhaltigen Entwicklung mation der Bevölkerung sowie unzureichende Entschä- des Flusses Irrawaddy einzurichten. Viele der digungen. Deutlich wird dies zum Beispiel im Fall der bereits vorhandenen Gesetzesvorgaben sind Yadana-Gaspipeline, die unter anderem betrieben wird bisher allerdings kaum spezifiziert worden. So ist beispielsweise weiterhin unklar, welche vom französischen Erdölkonzern Total (siehe Karte 2, Standards Umweltverträglichkeitsprüfungen zu S. 8). Es gibt zahlreiche Berichte über Zwangsum- Grunde liegen sollen. siedlungen, Folter, Vergewaltigungen und Mord im Zusammenhang mit dem Projekt.11

Schwarzes Gold und weiße Westen 25 Ermutigt durch den Transformationsprozess, spricht den Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverlet- sich die burmesische Bevölkerung, die solche Men- zungen durch die burmesische Armee oder andere schenrechtsverletzungen über Jahre hinweg still- Gewaltakteure kommt wie im Fall der Yadana-Gaspipe- schweigend hinnehmen musste, mittlerweile zuneh- line. Außerdem müssen Unternehmen das Gleiche für mend vehement gegen Großprojekte aus.12 Aktuelle ihre Zulieferer garantieren. Dies ist vor allem für den Beispiele hierfür finden sich in verschiedenen Sekto- Bergbau relevant, denn es gibt kaum international ren, sind allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt: agierende deutsche Bergbaukonzerne, die in Myan- Während der Bau zweier indischer Staudammprojekte mar tätig werden könnten, wohl aber Chemieriesen abgesagt wurde, wurde die Errichtung des chinesischen wie Bayer, Henkel oder BASF, die auf die Zulieferung Myitsone-Staudamms lediglich ausgesetzt und im Falle von Rohstoffen angewiesen sind. Neben Unternehmen der Kupfermine von Monywa kam es sogar zu einer müssen auch Banken, Versicherer und andere Dienst- gewaltsamen Niederschlagung der Proteste. Hierin leister prüfen, inwiefern ihre Partner beziehungsweise zeigt sich, dass es bisher keine wirksamen Mechanis- Kunden in Umweltzerstörungen und Menschenrechts- men zur Schlichtung von widerstreitenden Flächennut- verletzungen verwickelt sind und gegebenenfalls Ent- zungsinteressen gibt. Zusätzlich bedingt das vorherr- schädigungen bereitstellen. Dies zu gewährleisten schende Klima von mangelnder Rechtsstaatlichkeit, könnte sich als schwierig herausstellen in einem Land dass Bestimmungen nur unzureichend oder gar nicht wie Myanmar, in dem die Effektivität des Justizwesens umgesetzt werden. Infolgedessen kommt es immer bis heute angezweifelt wird, ist aber nichtsdestotrotz wieder zu verheerenden Menschenrechtsverletzungen. unverzichtbar.

Angesichts dieser Ausgangslage ist somit zu befürchten, Neben dem Grundsatz der Sorgfaltspflicht muss ein dass auch von europäischen Investoren unterstützte in sozialem Sinne nachhaltiger Abbau von Rohstof- Großprojekte zum Abbau von Rohstoffen künftig ähn- fen außerdem die Einhaltung von Mechanismen zur lich gravierende Auswirkungen nach sich ziehen wer- lokalen Mitbestimmung beinhalten. Dies schließt den den – es sei denn, gewisse Standards werden befolgt. Grundsatz der freien Einwilligung nach vorhergehender Neben der burmesischen Regierung kommt dabei vor umfassender Information (Free Prior Informed Consent) allem den europäischen Investoren selbst, aber auch ein. Ein aktueller Bericht burmesischer NGOs zeigt, dass der deutschen Bundesregierung und der Europäischen insbesondere ethnischen Minderheiten diese Rechte Union (EU) eine große Verantwortung zu. systematisch versagt werden. Das zeigt sich im Falle der Shwe-Gaspipeline im Rakhine-Staat ebenso wie im Falle des Kadaik-Staudammprojekts im Mon-Staat Verhängnisvolle Freiwilligkeit und in vielen weiteren Projekten.14 Über Informationen hinaus müssen zudem angemessene Entschädigungen Die Grundvoraussetzung für den nachhaltigen Abbau für die betroffene Bevölkerung bereitgestellt werden. von Rohstoffen bildet das Do-no-harm-Prinzip, wel- ches der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs, Eine Chance, der lokalen Bevölkerung über die rein John Ruggie, in seinem 2008 vorgestellten Referenz- finanzielle Entschädigung hinaus Perspektiven aufzu- rahmen zur Verantwortung von Unternehmen für die zeigen, könnte im Aufbau verarbeitender Industrien lie- Menschenrechte darlegte, und dessen Erarbeitung gen. In diesem Fall müsste allerdings dafür Sorge getra- aktiv von der deutschen Bundesregierung unterstützt gen werden, dass dort nicht nur ausländische, sondern wurde. Seinen Ausdruck findet es außerdem in OECD- vor allem burmesische ArbeiterInnen beschäftigt sind, Richtlinien und den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft die angemessen entlohnt werden. Zunächst müssten und Menschenrechte. Unternehmen sind demnach sie allerdings sukzessiv für eine Tätigkeit in der verar- nicht nur verpflichtet, nationale Gesetze zu achten, beitenden Industrie qualifiziert werden. Unter ande- sondern ihnen kommt darüber hinaus eine Sorgfalts- rem könnte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit pflicht für die gesamte Lieferkette zu.13 beim Aufbau eines dualen Ausbildungssystems Unter- stützung leisten. Eine Entwicklungsperspektive, die auf Das heißt im Falle Myanmars, dass Unternehmen ent- eine Anhebung des Wohlstandsniveaus, Ernährungssi- sprechende Vorkehrungen treffen müssen, damit es cherheit und ähnliche Aspekte abzielt, scheint aller- im Zuge von Großprojekten nicht mehr zu gravieren- dings nicht im Interesse der derzeitigen europäischen

26 Schwarzes Gold und weiße Westen Rohstoff- beziehungsweise Investitionspolitik zu liegen. die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), Dass alternative Entwicklungspfade durchaus möglich der auch die burmesische Regierung in Kürze beitre- sind, zeigt beispielweise der staatliche Pensionsfonds ten möchte. De facto aber hat lediglich der Konzern Norwegens, der die Einnahmen aus dem Verkauf von Total auf massiven zivilgesellschaftlichen Druck und Öl investiert, um für die Zeit vorzusorgen, in der die Boykotte hin einmalig veröffentlicht, wie viel er 2008 Ölreserven der Nordsee zur Neige gehen. an die burmesische Regierung zahlte, und selbst in diesem Fall wurde nur ein geringer Teil der tatsächlich Um die Erträge aus Rohstoffverkäufen wie im Fall Nor- erfolgten Zahlungen offen gelegt.15 wegens im Sinne der gesamten Bevölkerung zu nutzen, ist jedoch die Transparenz von Zahlungsströmen eine Nach der Einschätzung von David Allen, Mitbegrün- wichtige Voraussetzung. Derzeit wird Myanmar in den der der zivilgesellschaftlichen Organisation Spectrum, einschlägigen Rankings noch als hochgradig intrans- könnten europäische Investoren jedoch zukünftig eine parent eingestuft und Korruption bleibt ein weit ver- entscheidende Rolle bei der Einführung von Geschäfts- breitetes Problem. Das bedeutet, dass die Bevölkerung integrität spielen.16 Angesichts ihrer kommerziellen kaum Informationen über die Verwendung öffentlicher Eigeninteressen erscheint es allerdings unwahrschein- Gelder erhält. Das Parlament muss mittlerweile zwar lich, dass sie dies ohne externe Anreize oder regu- dem Budget zustimmen und 2012 wurde ihm erstmals latorischen Druck tun. Dies geht unter anderem aus ein Haushaltsentwurf vorgelegt. Darin war allerdings einer aktuellen Studie des niederländischen Centre nicht die Herkunft der Einkünfte aufgeführt, sodass for Research on Multinatinal Corporations (SOMO) nicht sichergestellt werden konnte, dass tatsächlich hervor, in der untersucht wird, inwiefern europäische alle Einkünfte aus dem Verkauf von Rohstoffen in den Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht im Hinblick auf Kon- Staatshaushalt fließen. fliktrohstoffe einhalten, und dabei zu Besorgnis erre- genden Ergebnissen kommt.17 Gefragt ist an dieser Außerdem bleibt weiterhin unklar, wer für die Überwa- Stelle vor allem die EU, die im Rahmen des Besuchs chung der Zahlungsströme zuständig ist und welche der EU-Myanmar Task Force im November 2013 in Yan- Rolle Staats- und/​oder Militärunternehmen wie Myan- gon ankündigte, mit der burmesischen Regierung in mar Oil and Gas Enterprise (MOGE), Union of Myan- einen Dialog über den Abbau von Rohstoffen treten zu mar Economic Holding Limited (UMEHL) oder Myanmar wollen und in dessen Rahmen ökologische und soziale Economic Cooperation (MEC) dabei spielen. Neben der Auswirkungen extraktiver Industrien zu thematisieren. burmesischen Regierung glänzten auch die am Roh- Darüber hinaus wurde explizit auf die Notwendigkeit stoffabbau beteiligten Unternehmen bislang nicht der Verbesserung von Transparenz in diesem Bereich durch Transparenz: Von den zehn wichtigsten Öl- und verwiesen.18 Dem müssen nun weitere Schritte folgen. Gasunternehmen unterstützen nur Chevron und Total Handlungsspielraum der EU Infobox 3 Myanmar in internationalen Wenn die europäische Politik nicht bereit ist, im Falle Myanmars auf einen alternativen Entwicklungspfad Transparenz-Rankings hinzuwirken, der das Wohl der gesamten Bevölkerung

Myanmar belegt unter 100 Ländern den vorletz- einschließt, so sollte sie wenigstens die Einhaltung ten Platz im Open Budget Survey 2012, in dem der oben genannten Leitlinien zu Transparenz, loka- die Transparenz von Staatshaushalten gemes- ler Mitbestimmung und unternehmerischer Sorgfalts- sen wird. Im Resource Governance Index 2013, pflicht gewährleisten. Dazu muss die EU Investoren in der insbesondere die Steuerung des Öl-, Gas- Form von rechtlich bindenden Vorgaben in die Pflicht und Minensektors bewertet, nimmt das Land nehmen. Entsprechend zivilgesellschaftlicher Forde- gar den letzten von 58 Plätzen ein. Im Korrup- rungen sollten Gesetzesvorgaben im Sinne einer lang- tionsindex von Transparency International hin- gegen verbesserte sich Myanmar von Rang 172 fristigen Stabilisierung und Entwicklung des Landes im Vorjahr auf Rang 157 von 177 Ländern im Jahr in eine umfassende Strategie eingebettet sein, die 2013. weitere außenpolitische und/​oder finanzielle Instru- mente beinhaltet. Außerdem sollten sich die spezi-

Schwarzes Gold und weiße Westen 27 fischen Gesetzesvorgaben auf einen Ansatz stützen, 9. Eine detaillierte Studie der Burma Environmental Working der die oben angeführten Risiken in den Mittelpunkt Group gewährt einen Einblick in das ökologische Gefahrenpo- tenzial von Großprojekten und die burmesische Umweltpolitik rückt. Dahingehend sollten Investoren einerseits dazu vergangener Jahre: The Burma Environmental Working Group verpflichtet werden, Strategien für Risikomanagement (2011): Burma’s Environment. People, Problems, Policies. http://www.bewg.org/pubs/finish/4/34 zu entwerfen und zu implementieren. Andererseits 10. Siehe dazu den Beitrag von Benjamin Merci, S. 29 sollten sie sich regelmäßig unabhängigen Prüfungen 11. Die NGO EarthRights International berichtet seit Jahren unterziehen und ihre Anstrengungen zur Einhaltung der über Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Standards offenlegen.19 Denn nur wenn europäische Yadana-Gaspipeline. http://www.earthrights.org/campaigns/ Investoren gesetzlich zu solchen Schritten verpflichtet yadana-pipeline werden und ihnen bei Nichteinhaltung Sanktionen dro- 12. Siehe dazu den Beitrag von Christina Grein, S. 39 hen, kann letztlich verhindert werden, dass sie sich aus 13. Vgl. OECD Due Diligence Guidance For Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas der Verantwortung stehlen, wenn es in den kommen- (2011): http://www.nam.org/~/media/7F661DDEF0BA4720B3C den Jahren weiter zu gravierenden Umweltverschmut- 002A3D96B14EB/OECD_Guidelines.pdf und UN Guiding Princip- les on Business and Human Rights (2011): http://www.ohchr. zungen oder Menschenrechtsverletzungen im burmesi- org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_ schen Rohstoffsektor kommt. EN.pdf 14. Nationalities Youth Forum/​Students Youth Congress of Burma (2013): Excluded – Burma’s Ethnic Nationalities on the Margins of Development & Democracy: http://www. burmalibrary.org/docs15/Excluded-en-red.pdf Anmerkungen 15. Arakan Oil Watch (2013): Burma’s Resource Curse. The case for revenue transparency in the oil and gas sector. 1. Siehe den Beitrag von Michael Hackmann, S. 19 http://www.burmalibrary.org/docs13/Burmas_Resource_ Curse%28en%29-red.pdf 2. Vgl. Duscha, Waldemar (2013): Großkonzerne bereiten den Weg nach Myanmar. In: Germany Trade & Invest. http://www. 16. Bruce, Victoria (2013): Myanmar’s Budget Blues … Report gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/maerkte,did=856794.html highlights need for greater budgetary transparency. M-Zine+ Trends & Tech. http://internationalbudget.org/wp-content/ 3. Dies geht aus dem Bericht eines Schweizer Nachrich- uploads/Myanmar-Budget-Transparency_short_Mzine-Issue- tenportals hervor: o. A. (2013): Investitionen in Myanmar? 20-Vol-2_20130516.pdf In: Wirtschaft.com. http://www.wirtschaft.com/20131016- investitionen-in-myanmar-142648 17. Steinweg, T.; ten Kate, G. (2013): Conflict Due Diligence by European Companies. http://www.somo.nl/publications-en/ 4. Weiterführende Informationen zu Glencore Xstrata plc fin- Publication_4003 den sich bei Breininger, Lilli; Reckordt, Michael (2011): Roh- stoffrausch. Die Auswirkungen von Bergbau in den Philippinen. 18. Siehe den Beitrag von Uwe Hoering, S. 9 5. Siehe den Beitrag von Uwe Hoering, S. 9 19. Global Witness (2013): Breaking the links between natural resources and conflict: The case for EU regulation. 6. Vgl. BASF (2013): Pressemitteilung unter http://www.basf. http://www.globalwitness.org/sites/default/files/library/ com/group/pressemitteilungen/P-13-286 BreakingtheLinks_ENG.pdf und AK Rohstoffe (2013): Für eine 7. Ausführliche Informationen sind zu finden unterhttp:// demokratische und global gerechte Rohstoffpolitik. http:// publiceye.ch/de/case/syngenta-bayer-basf/ alternative-rohstoffwoche.de/wp-content/uploads/2013/11/ forderungspapier_web-1110-2013.pdf 8. Vgl. Lee, Jade (2012): Seltene Erden – Fluch oder Segen für Malaysia? http://www.asienhaus.de/public/archiv/ bergbau-nr3_malaysia.pdf

28 Schwarzes Gold und weiße Westen links: Landraub per Landraub per Gesetz Gesetz Burmas Landreformen – Marginalisierung einer Mehrheit?

Benjamin Merci

Land Grabbing stellt in Myanmar keinen Einzel­ spielsweise im Bereich der Landrechte, sollen Burmas fall dar. Davon betroffen sind insbesondere die akute Bedürfnisse im Bereich der landwirtschaftlichen ethnischen Minderheiten. Mit der wirtschaftli­ Entwicklung unterstützen.4 chen Öffnung des Landes und dem begonnenen Wettstreit um Myanmars Ressourcen sind neue Genau das jedoch könnte weitreichende Folgen für Landgesetze in Kraft getreten, welche die Rechte einen Großteil der burmesischen Gesellschaft haben, in der mindestens 70 Prozent der Bevölkerung auf Land der Bauern schützen sollen. Befürchtungen angewiesen sind, um zu überleben. Denn dieses Poten- wachsen aber, dass damit eine Grundlage für den tial birgt Chancen, wenn die ländliche Bevölkerung in legalisierten Landraub geschaffen wurde. den Prozess der landwirtschaftlichen Transformation einbezogen wird, aber vor allem auch Risiken, wenn Burma gilt als Asiens Final Frontier und hat sich mit sei- man vergleichende Beispiele aus der ganzen Welt her- ner wirtschaftlichen Öffnung für internationales Kapital anzieht. interessant gemacht. Im Zuge des globalen Wettlaufs um Land wecken seine Landressourcen seit einigen Jah- Auf wie viel Land es Spekulanten und Investoren aktu- ren nationales und internationales Interesse. Verglei- ell tatsächlich abgesehen haben, ist schwer zu sagen. chende Studien zu Zahlen landwirtschaftlicher Erträge Das Environmental Law Institute aus Washington aus Nachbarländern lassen auf eine Steigerung burme- schätzt, dass in den letzten 20 Jahren mehrere hun- sischer Erträge, die zurzeit noch unter ihrem Potential derttausend Hektar Land an Unternehmen der Agrar- liegen, hoffen.1 industrie gegangen sind. Zwischen 2001 und 2011 sol- len 204 Unternehmen mit Privatkonzessionen von über Nicht umsonst liegt der Fokus einer strategischen 810.000 Hektar ausgestattet worden sein. Weiterhin Ausrichtung in dem 20-Jahres-Plan für nationale Ent- hat eine Studie der Food Security Working Group5 von wicklungs- und Wachstumsstrategien (Myanmar Com- 2011 knapp 6,5 Millionen Hektar Land ausgemacht, die prehensive Development Vision)2 auf dem Ausbau von für Land- und Viehwirtschaft geeignet wären und der- Landwirtschaft und Agrarindustrie. Der Ausbau der zeit, zumindest offiziell, nicht genutzt werden. Das landwirtschaftlichen Industrie soll nicht nur Importe Ministerium für Landwirtschaft und Bewässerung hat ersetzen, sondern besonders auch die Exportkapazi- in seinem Agrar-Entwicklungsplan (Masterplan for the täten von Burma erhöhen. Burmas Position zwischen Agriculture Sector) das Ziel ausgegeben, knapp vier Mil- Indien, China und den ASEAN-Staaten – Regionen mit lionen Hektar davon für die industrielle Landwirtschaft einer hohen Nachfrage an Produkten aus der Landwirt- bereitzustellen. schaft – kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Trotz der hohen medialen Aufmerksamkeit, die das Auch die Europäische Union (EU) möchte von diesen Thema in den letzten Jahren erhalten hat, ist auch in Potenzialen profitieren. So hat die EU-Myanmar Task Burma die Datenlage weiterhin sehr eingeschränkt Force3 ihre Bereitschaft erklärt, eigene Erfahrungen für oder unvollständig. Vermehrt berichten Medien von den politischen Bildungsprozess bezüglich der Entwick- landwirtschaftlichen, infrastrukturellen und ressour- lung von Landwirtschaft weiterzugeben. Gemeinsam cenextraktiven Projekten. Intransparente Vertragsver- entwickelte und von der EU finanzierte Projekte, bei- handlungen erschweren jedoch eine Übersicht über

Landraub per Gesetz 29 angestrebte Projekte und deren Größe. Dazu kommt, sationen (NGOs) belegen. Burma zeichnet sich durch dass eine Erhebung von Zahlen erschwert wird, weil einen schwachen und korrupten Staatsapparat mit vor allem Burmas Grenzregionen von der burmesischen fehlender Rechtsstaatlichkeit aus, der immer noch Regierung statistisch gar nicht erfasst werden können. von einer kleinen Elite kontrolliert wird. In der mul- Genau in den Grenzregionen werden jedoch die meis- tiethnischen Nation mit ethnischen Differenzen und ten Investitionen und Menschenrechtsverstöße im Konflikten herrscht eine ungleiche Behandlung ver- Zusammenhang mit Land vermutet. schiedener Gesellschaftsgruppen. Sowohl die politi- sche Partizipation, als auch der Zugang zu Rechtssys- temen variiert zwischen den einzelnen Bevölkerungs- Burma – gruppen. Asiens neues Rohstoffdepot Konflikte um Burmas Landflächen ergeben sich aktu- ell nicht zuletzt auch deswegen, weil Land rechtlich Seine Lage zwischen Indien, China und Südostasien einen neuen Status erhalten hat. Zum ersten Mal in macht Burma strategisch zu einer wichtigen Dreh- Burmas Geschichte ist Land zu einer Ware kommer- scheibe für die Versorgung mit Lebensmitteln und zialisiert worden. Bis 1988 war die Bodenpolitik noch Rohstoffen. Während vor allem Malaysia, Singapur und nach der sozialistischen Idee ausgerichtet, in der es Vietnam in großflächige Projekte investieren, die der als Produktionsfaktor zentralisiert vom Staat verwal- Errichtung von Palmöl- oder Kautschukplantagen die- tet wurde. Mit der Verfassung von 2008 ermöglicht der nen sollen, haben Indien und China die Wasserreserven Staat Besitz und den Schutz privater Besitzrechte, auch von Burma zum Ziel ihrer Investitionen gemacht. Eine wenn der Staat seine Monopolherrschaft über Land de weitere Kapitalanlage bilden der Ausbau von Häfen und facto schon seit 1988 sukzessiv gelockert hat.6 Nichts- andere infrastrukturelle Projekte, zu denen zum Bei- destotrotz verteilt der Staat nur Besitzrechte. Land als spiel Minen und Sonderwirtschaftszonen (SEZs) oder Eigentum bleibt dem Staat vorbehalten, was ihn letzt- aber auch der Tourismussektor zu zählen sind (siehe endlich zum ultimativen Eigentümer von Land macht! Karte 2, S. 8 und 3, S. 34). 2012 verabschiedete das burmesische Parlament drei Gesetze, die direkt oder indirekt den Status von Land Bei vielen Projekten ist zu befürchten, dass bei ihrer mitbestimmen: Den Farmland Act, das Vacant, Fallow Planung und Realisation eine Vertreibung von Men- and Virgin Lands Management Law (VFV) und das For- schen einkalkuliert wird. Spricht man bei der Monywa- eign Investment Law (FIL). Mine von ‚nur‘ 500 Umsiedlungen, könnten beim Wasserkraftprojekt Myitsone im Kachin-Staat rund Der Farmland Act erlaubt es, Land zu registrieren und 20.000 Menschen und eine Fläche von 766 Quadrat- mithilfe eines Landtitels (Land Use Certificate) Ansprü- kilometern betroffen sein. Ähnliche Flächenausmaße che auf Land offiziell geltend zu machen. Das beinhal- erreicht auch die SEZ Dawei, laut der Dawei Develop- tet jedoch nicht die Berücksichtigung von ‚traditionel- ment Association. Man geht davon aus, dass für die len‘ Landrechten, die oft kollektive Besitzrechte einer Errichtung dieses Projekts bis zu 50.000 Menschen Gemeinschaft darstellen und nicht wie die westlichen umgesiedelt werden müssten. Und sie ist nur eine von individuellen Exklusivrechte funktionieren, bei denen zehn SEZs, die geplant sind. meistens ein Individuum Besitzer oder Eigentümer einer Landfläche ist. Das VFV ermöglicht es, freies, brachliegendes oder unberührtes Land aufzukaufen Landrechte – Reformen für wen? und umzuverteilen. Bis zu 20.000 Hektar unregistrier- ten Landes mit einer Pachtdauer von bis zu 30 Jahren Von den aktuellen Schätzungen abgesehen, wie groß können erworben werden. Das gilt gleichermaßen für das Ausmaß von Land Grabbing ist, beziehungsweise ausländische wie inländische Investoren.7 welche potenziellen Flächen bedroht sind: Fakt ist, dass die Rahmenbedingungen für den Prozess derzeit Die drei neuen Gesetze zusammen erlauben den bestehen und Landnahmen stattfinden, was auch die BesitzerInnen von Landtiteln dauerhafte Landnut- vielen Studien und Dokumentationen burmesischer zungsrechte mit der Option, diese zu verkaufen, zu und anderer internationaler Nichtregierungsorgani- verpachten, zu tauschen oder zu verpfänden. Dem

30 Landraub per Gesetz Staat, der sich das Recht von Landenteignungen vor- aller bedeuten, speziell ärmeren Bevölkerungsgrup- behält, obliegt es, sogenanntes Brachland an poten- pen Rechtsschutz zuzusichern und zum Beispiel indi- tielle Investoren zu verteilen, wenn dies im langfristi- genes Bodenrecht anzuerkennen. Der aktuelle Fokus gen öffentlichen Interesse ist. Nach internationalem auf Privateigentum und die fehlende Berücksichtigung Recht sind Landenteignungen und -umverteilungen anderer Eigentumssysteme führen stattdessen zu durch Staaten durchaus legitimiert, wenn sie einem öffentlichen Interesse die- „Traditionelle Landrechte sind nicht weniger legitim, nen und unter der Berücksichtigung von auf dem Papier sind sie jedoch weniger legal.“ Rechtsstaatlichkeit und Entschädigungs- zahlungen geschehen. Was genau im Interesse des burmesischen Staates und der Öffent- einer asymmetrischen Rechtssicherheit, die besonders lichkeit liegt, wird jedoch nicht konkretisiert. Zudem schwache Gesellschaftsgruppen in ihrem Anspruch auf liegt Burma laut Transparency International auf dem Land benachteiligt. Unter diesen Gesichtspunkten kri- 157. von 177 Plätzen des Korruptionsindex. Es ist daher tisieren NGOs die neuen Gesetze als zu schwach, um zu befürchten, dass dem öffentlichen Interesse bei eine echte Sicherheit für KleinbäuerInnen darzustellen. vielen Projekten mit Bezug zu Landverteilungen wohl Mehr noch, sie werden sogar als Grundlage für legali- eher eine untergeordnete Rolle zugeschrieben wird, siertes Land Grabbing gesehen. da Verstrickungen von Wirtschaft und Politik in Burma keine Seltenheit sind.

Institutionelle Benachteiligung für Kleinbauern

Infobox Die ohnehin schon schwachen Landrechte von Klein- bäuerInnen werden durch das 2012 verabschiedete FIL Kambodscha – weiter geschwächt. Mit seiner Einführung wird es aus- Europäische Handelspolitik ländischen Investoren ermöglicht, Pachtverträge mit fördert Land Grabbing Landnutzungsrechten von einer Dauer bis zu 50 Jah- ren abzuschließen. Oft werden diese Verträge unter Wie entwicklungspolitische Maßnahmen unter bestimmten Umständen ihr Ziel verfehlen kön- geringen sozial- und umweltverträglichen Auflagen nen, kann man seit 2009 in Kambodscha beob- und hoher rechtlicher Absicherung der Investoren ver- achten. In diesem Jahr startete die EU auch dort handelt.8 ihre Initiative Everything but arms, die ins Leben gerufen wurde, um die wirtschaftliche Entwick- Die Kombination der drei Gesetze führt laut KritikerIn- lung von Entwicklungsländern zu fördern und nen dazu, dass Ansprüche seitens KleinbäuerInnen, die Armut zu bekämpfen. Seitdem gewährt Brüssel sich de facto sowieso schon außerhalb des national- Kambodscha das Recht, unter anderem Zucker zollfrei in die EU zu exportieren. Dieser ökono- staatlichen Gesetzes befinden, zusätzlich kompromit- mische Anreiz hat einen regelrechten Zucker- tiert werden. Ihre Ansprüche sind weder rechtlich fest- boom ausgelöst, in dessen Folge internatio- gehalten, geschweige denn im Rechtssystem verankert. nale Konzerne und nationale Eliten geschätzte Die Ignoranz gegenüber traditionellen Rechten seitens 75.000 Hektar Land aufgekauft haben, um von des Staates in der Kombination mit Unwissenheit auf dem Angebot der EU zu profitieren. Laut loka- der Seite von KleinbäuerInnen im Umgang mit moder- len NGOs wurden die Aneignungen von Land im Zuge gewaltsamer Vertreibungen, Raub und nen (westlichen) Landrechten führt dazu, dass auf ein Zerstörung von Ackerland und anderen Men- Stück Land mehrere rechtliche Ansprüche bestehen, schenrechtsverletzungen durchgeführt. Rund von denen allerdings einige stärker sind als andere. 10.000 Menschen sind von diesen Landnahmen Dabei sind traditionelle Landrechte nicht weniger legi- negativ betroffen und verloren mit ihrem Land tim, auf dem Papier sind sie jedoch weniger legal. In auch ihre Existenzgrundlage.10 Bezug auf Landrechte würde eine gleiche Behandlung

Landraub per Gesetz 31 Anmerkungen Europa in Burma – 1. Buchanan, J.; Kramer, T.; Woods, K. (2013): Developing Erste Annäherungsversuche Disparity. Regional Investment in Burma’s Borderlands. Den Haag: Transnational Institute, Burma Center Netherlands. Aufgrund der Tatsache, dass die europäischen Sank- http://www.tni.org/sites/www.tni.org/files/download/tni- 2013-burmasborderlands-def-klein-def.pdf tionen gegen Burma erst 2011 ausgesetzt wurden, sind 2. Kudo, T. (2012): Industrialization Strategy in Myanmar and europäische Investitionen bisher gering. Die laufenden MCDV. In: Economic Research Institute for ASEAN and East Asia, bilateralen Verhandlungen für eine langjährige Partner- (2012): Globalization and Development Strategy in Myanmar toward ASEAN Economic Integration. Summary Report of ERIA schaft zwischen der EU und Burma lassen jedoch dar- Capacity Building Program Nay Pyi Taw Seminar and Workshop auf schließen, dass beim angestrebten wirtschaftlichen 2012 at Myanmar International Convention Center. Engagement von Europa und hier ansässigen Unterneh- 3. Siehe dazu den Beitrag von Uwe Hoering, S. 9 men die Landwirtschaft und der Bergbau und damit 4. Myanmar – EU Taskforce (2013): Agricultural Aspects. Brüs- verbunden natürlich Landfragen eine besondere Rolle sel: Commission Européenne – MEMO/13/975 11/11/2013. spielen werden. 5. Food Security Working Group (2011): Upland Land Tenure Security in Myanmar: An Overview. Yangon. http:// ww.burmalibrary.org/docs16/FSWG-Upland_Land_Tenure_ Die Frage ist, ob sich europäische Investoren beim Lan- Security-2011-02-ocr-en-red.pdf derwerb in Burma über die bestehenden Gesetze und 6. Centre on Housing Rights and Evictions (2007): Displace- Bestimmungen hinaus an internationale Standards ment and Dispossession: Forced Migration and Land Rights in Burma. Geneva: COHRE Country Report. http://www. und Verpflichtungen halten werden, die unter ande- cohre.org/sites/default/files/burma_-_displacement_and_ rem einen besonders Schutz von betroffenen Bevölke- dispossession_-_forced_migration_and_land_rights_nov_2007. pdf rungsgruppen wie ihre informierte Zustimmung (Free 7. Food Security Working Group (2013): Legal Review of Prior Informed Consent) verlangen. Auch die EU unter- Recently Enacted Farmland Law and Vacant, Fallow and Virgin stützt in ihren Leitlinien für Landpolitik (Land Policy Lands Management Law. Improving the Legal & Policy Frame- works Relating to Land Management in Myanmar. Yangon. Guidelines von 2004 der EU Task Force on Land Tenure9) http://www.forest-trends.org/documents/files/doc_3274.pdf formal Landrechte und deren Einhaltung, sowie auch 8. HURFOM (2013): Disputed Territory. MON Farmers‘ Fight andere Maßnahmen zur Stärkung von rechtlichen Rege- Against Unjust Land Acquisition and Barriers to their Progress. lungen in Bezug auf Landrechte und Good Governance. A Report by The Human Rights Foundation of Monland-Burma. Kanchanaburi, Thailand. http://www.rehmonnya.org/reports/ Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und in welchem Rah- DisputedTerritory.pdf men diese Richtlinien bei wirtschaftlicher Kooperation 9. EU Task Force on Land Tenure (2004): EU Land Policy Gui- ernsthaft zum Tragen kommen und welche Auswirkun- delines. Guidelines for support to land policy design and land policy reform processes in developing countries. Brüs- gen sie auf die Landverteilung haben werden (siehe sel. http://ec.europa.eu/development/icenter/repository/ Infobox). EU_Land_Guidelines_Final_12_2004_en.pdf 10. Food Initiative and Action Network (2013): Wie die EU Land Grabbing in Kambodscha anheizt. Köln. http://www. fian.de/fileadmin/user_upload/bilder_allgemein/Themen/ Landwirtschaft/13_08_FIAN_Kamboscha_Landgrabbing.pdf

32 Landraub per Gesetz links: Von der No-Go-Area Von der No-Go-Area zum Place-To-Be zum Place-To-Be Tourismusentwicklung zwischen Nachhaltigkeit und Tourismusboom

Julia Bühler

Auf dem Weg in ein neues wirtschaftliches Zeit­ wo der Massentourismus seinen Lauf nahm bezie- alter kommt auch dem Tourismus in Myanmar hungsweise nimmt. neue Bedeutung zu. Die Hoffnung auf große Gewinne lassen neue Hotelkomplexe aus dem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit Boden schießen. Sind die derzeitigen Entwick­ lungen eine Chance für das ‚Land der goldenen Das noch wenig touristisch entwickelte Myanmar bietet Pagoden‘ oder bergen sie vor allem das Risiko die Chance, aus den Erfahrungen anderer Reiseländer seines kulturellen, ökologischen und sozialen zu lernen und den Tourismus als Instrument für eine Ausverkaufs? nachhaltige Entwicklung des Landes und zu Gunsten der lokalen Bevölkerung einzusetzen. Genau diesen Myanmar – das ‚Land der goldenen Pagoden‘ – hat sich Herausforderungen beabsichtigen sich die Regierung den Tourismus als nationale Priorität auf die Agenda und der Privatsektor, repräsentiert durch das Ministry geschrieben. Durch den Tourismus erhofft sich die of Hotels & Tourism (MOHT) und die Myanmar Tourism Regierung einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaft- Federation (MTF), zu stellen. lichen Entwicklung und zur Armutsreduzierung des Landes. Der Tourismus kann zum Abbau sozialer und Erste Schritte wurden durch die Verabschiedung einer räumlicher Disparitäten beitragen, da er als arbeitsin- Responsible Tourism Policy (RTP)1 im September 2012 tensiver Sektor einer breiten Bevölkerungsschicht, dar- eingeleitet, die als Basis für den im Juni 2013 in Koope- unter vor allem ungelernten Arbeitskräften, neue Ein- ration mit der Asian Development Bank (ADB) und der kommensalternativen im formellen sowie informellen norwegischen Regierung veröffentlichten Tourismus- Tourismussektor und entlang der Wertschöpfungskette Masterplan 2012–2020 diente. Auf die allgemeinen bietet. Zudem können auch die ländlichen Gebiete vom Richtlinien für einen sozial- und umweltverträglichen Tourismus profitieren. Tourismus folgte im Mai 2013 eine Policy on Community Involvement in Tourism (CIT), die wie auch die vorange- Gleichzeitig birgt der Hoffnungsträger Tourismus eine gangene Politikempfehlung mit der Unterstützung der Reihe von Gefahren für Umwelt und Bevölkerung. Zum Hanns-Seidel-Stiftung in Myanmar entwickelt wurde. einen kommt es durch den Tourismus nicht selten zur Neben der systematischen Einbindung der lokalen Verdrängung anderer Wirtschaftsformen und zu einer Bevölkerung in die regionale Tourismusplanung fordert zunehmenden Abhängigkeit von saisonalen und unsi- die CIT auch die Förderung neuer Geschäftsmodelle für cheren Beschäftigungsverhältnissen. Diese Abhängig- Kleinst- und Kleinbetriebe sowie die verstärkte Integ- keit kann die Existenzgrundlage vieler Menschen in ration der Gemeinden in die Tourismusindustrie durch Zeiten von Krisen und Konflikten gefährden, insbeson- die Schaffung neuer Arbeitsplätze und neuer Touris- dere in einem Land wie Myanmar, in dem noch immer musprodukte in Form von Community-Based Tourism instabile politische Verhältnisse und zahlreiche bewaff- (CBT) auf lokaler Ebene.2 nete Konflikte herrschen. Zum anderen hat sich schon vielerorts gezeigt, welche verheerenden ökologischen, Nachhaltige Tourismusentwicklung erfordert Zeit. Für sozialen sowie soziokulturellen Folgen der Tourismus in das sich im wirtschaftlichen Aufbruch befindende Entwicklungsländern haben kann, insbesondere dort, Myanmar stellt sich jedoch die Frage, ob der Umset-

Von der No-Go-Area zum Place-To-Be 33 NEPAL BHUTAN Karte 3: SICHUAN CHINA TIBET Myanmar - Tourismus INDIEN BANGLA- DESCH MYANMAR

ARUNACHAL PRADESH THAILAND VIETNAM PHILIPPINEN Dibrugarh KAMBODSCHA Putao Itanagar

Jorhat BRUNEI MALAYSIA utra map ASSAM SINGAPUR Dispur Brah NAGALAND Khamti KACHIN INDONESIEN INDIEN Kohima Dali Kan Paik Ti Shillong Myitkyina Zhanyi

Chuxiong Sylhet Baoshan Kunming Imphal Homalin Tengchong Xingyi

YUNNAN Yuxi MANIPUR Tamu CHINA n i Bhamo w d SAGAING n TRIPURA i Muse Aizawl h C y d Laukkhai a Mengzi MIZORAM w Kale r

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y Lashio A M e Simao Kyaukme k o Hsipaw n Lao Chi Chittagong Hakha g Monywa Gangaw Mandalay CHIN Sagaing VIETNAM Luan Chau Yen Bai Paletwa Kyaukhtu Pakokku MANDALAY SHAN Viet Tri Nyaung U Heho Wan Pon Louang MAGWAY Tachileik Namtha Mrauk-U Taunggyi Mongsat Inle Sittwe in Ban Houayxay RAKHINE UNION nlw Tha Ann Magway Nay Pyi Taw Chiang Rai Louangphrabang TERRITORY Loikaw

Kyauk Phyu KAYAH Mae Hong Son Pyay LAOS Chiang Mai Nan Vinh A BAGO S Thandwe ye i y tt a a r u Ngapali w n a g Lampang d Vientiane

y M e ko n Golf von Bengalen Kyaikhto Uttaradit g Nakon Phanom YANGON KAYIN Udon Thani Chaungtha Bago Hpa-An Tak Phitsanulok Mae Sot Ngwe Saung MON Pathein Yangon Khon Kaen AYEYARWADY Mawlamyine Myawaddy Savannakhet Kyaikkhami THAILAND Nakhon Sawan Golf von Three Pagoda Pass Martaban Ubon Ratchathani C Nakhon Ratchasima h a

o Grenzübergang P

h r Ayutthaya a

Primäres Reiseziel / aufstrebende Reiseziele y Kanchanaburi a Internationaler Flugplatz / Inlandsflugplatz Dawei Bangkok Schutzgebiet: Aranyaprathet KAMBODSCHA ASEAN Heritage Park / Ramsar Gebiet / beabsichtigtes Ratchaburi Chon Buri Siem Reap Schutzgebiet / bestehendes Schutzgebiet TANINTHARYI Phetchaburi Battambang Zonen mit Selbstverwaltung Rayong „Palaung Self-Administrated Zone“ Chanthaburi Myeik Pursat „Kokang Self-Administrated Zone“ Myeik „Pao Self-Administrated Zone“ Archipel Prachuap „Danu Self-Administrated Zone“ Khiri Khan Phnom Penh „Wa Self-Administrated Zone“ Bokpyin „Naga Self-Administrated Zone“ Golf von Thailand Internationale Landesgrenze, administrative Grenze (Region, Staat, Provinz) Chumphon Hauptstadt von Myanmar, administrative Hauptstädte der GIS-Daten: MIMU (www.themimu.info, März 2013), Mekong Regionen und Staaten in Myanmar Natural Earth (www.naturalearthdata.com, 2012), GADM vers 2.0 (Januar 2012) ausgewälte Hauptverkehrsverbindungen, Eisenbahn Kawthaung Quellen und Layout: Ministry of Hotels and Tourism 2013, http://www.moecaf.gov.mm (Feb 2014) Grafik: R. Spohner Hauptstadt, ausgewählte34 Landraubwichtige Orte per Gesetz 0 5 0 1 0 0 1 5 0 2 0 0 2 5 0 3 0 0 3 5 0 4 0 0km Fluß, See Surat Thani NEPAL BHUTAN Karte 3: SICHUAN CHINA TIBET Myanmar - Tourismus INDIEN BANGLA- DESCH MYANMAR

zung eines sozial- und umweltverträglichen Tourismus Millionen „Austauschtouristen“ in jedem dieser Länder ARUNACHAL PRADESH THAILAND VIETNAM PHILIPPINEN diese benötigte Zeit gegeben wird. Denn der Druck, zu gewährleisten.5 Dibrugarh KAMBODSCHA Putao die touristische Infrastruktur an den Bedarf und die Itanagar Ansprüche der zunehmenden Touristenankünfte anzu- Aber insbesondere andere stark anwachsende asiati- Jorhat BRUNEI MALAYSIA passen, steigt. Wurde bis 2010 aufgrund massiver Vor- sche Quellmärkte wie China oder Indien werden einen utra map ASSAM SINGAPUR Dispur Brah würfe zu Menschenrechtsverletzungen noch von einer großen Einfluss auf die touristische Entwicklung des NAGALAND Khamti KACHIN INDONESIEN Reise nach Myanmar abgeraten (siehe Infobox 1), so Landes nehmen. INDIEN Kohima Dali Kan Paik Ti Shillong Myitkyina Zhanyi erfährt Myanmar seit der Öffnung des Landes einen

Chuxiong regelrechten Touristenansturm. Sylhet Baoshan Kunming Imphal Homalin Tengchong Xingyi Neue Destinationen – YUNNAN Yuxi Rechnete man im Jahr 2011 noch mit der Überschrei- MANIPUR Tamu CHINA Neue Herausforderungen n i Bhamo tung der Millionengrenze von Touristenankünften im w d SAGAING n TRIPURA i Muse Aizawl h Jahr 2015, so erreichte man dieses Ziel bereits in 2012.4 C y d Laukkhai a Mengzi MIZORAM w Die Tendenz ist steigend, bedenkt man, dass das von Die Tourismusentwicklung in Myanmar schreitet sicht- Kale r a

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y Lashio Myanmar 2012 unterzeichnete Abkommen über eine lich voran. In den Ballungszentren entstehen in einer A M e Simao Kyaukme k Kooperation im Tourismus zwischen Kambodscha, Laos, enormen Geschwindigkeit neue Hotelkomplexe, allem o Hsipaw n Lao Chi Chittagong Hakha g Monywa Myanmar und Vietnam für das Jahr 2015 plant, 25 Millio- voran in Yangon und in der Hauptstadt Nay Pyi Taw. Gangaw Mandalay CHIN Sagaing VIETNAM nen Besucher in der Region zu begrüßen und über vier Dort hat man sich vor allem auf die Südostasienspiele Pyin Oo Lwin Luan Chau Yen Bai Kyaukhtu (SEA Games) im Dezember 2013 vorbereitet. Dennoch Paletwa MANDALAY SHAN Kengtung Viet Tri Pakokku kommt es insbesondere in der Hochsaison zu Kapazi- Nyaung U Pindaya Bagan tätsengpässen in der Hotelbranche, die nicht zuletzt Heho Wan Pon Louang MAGWAY Tachileik Namtha Mrauk-U Taunggyi Mongsat Infobox 1 für den enormen Anstieg der Übernachtungspreise in Inle Sittwe in Ban Houayxay Myanmar verantwortlich sind.6 RAKHINE UNION nlw Tha Ann Magway Nay Pyi Taw Chiang Rai Der internationale Louangphrabang TERRITORY Loikaw ­Tourismusboykott Bisher konzentriert sich der Tourismus sehr stark auf Kyauk Phyu KAYAH Mae Hong Son die im Kernland liegenden Touristenzentren des Lan- Pyay LAOS Das von der Regierung 1996 ausgerufene Tou- Chiang Mai Nan Vinh rismusjahr sollte Myanmar wieder in den Mit- des, darunter Yangon, Mandalay und Bagan, der Inle- A BAGO S Thandwe ye i y tt a a See im Shan-Staat, der Goldene Felsen in Kyaikto im r u telpunkt des internationalen Tourismus stel- Ngapali w n a g Lampang d Vientiane y M len, um die Staatskasse aufzustocken und das Mon-Staat und Ngapali im Rakhine-Staat, Myanmars e ko n internationale Ansehen des Landes zu verbes- Golf von Bengalen Kyaikhto Uttaradit g bekannteste Stranddestination. Die Regierung plant in Nakon Phanom sern. Es folgte ein Aufruf der demokratischen den nächsten Jahren neben dem Ausbau der bereits YANGON KAYIN Udon Thani Chaungtha Bago Oppositionspartei des Landes, der National Hpa-An Tak Phitsanulok bestehenden Touristenzentren auch die Erschließung Mae Sot League for Democracy (NLD) unter Friedens- Ngwe Saung MON weiterer dezentraler Regionen, der sogenannten Pathein Yangon Khon Kaen nobelpreisträgerin , das Land AYEYARWADY Mawlamyine Myawaddy Savannakhet nicht zu bereisen, solange keine Demokratie ‚Emerging Destinations‘ (siehe Karte 3, S. 34). Dabei Kyaikkhami THAILAND soll der Fokus vor allem auf naturnahen und kulturellen Thanbyuzayat herrscht. Dem Reiseboykott lag das Argument Nakhon Sawan zugrunde, dass es infolge des Auf- und Aus- Attraktionen liegen (siehe Infobox 2).7 Golf von Three Pagoda Pass Martaban baus der touristischen Infrastruktur zu massi- Ubon Ratchathani C Nakhon Ratchasima ven Menschenrechtsverletzungen kommt. Um h Im Zuge der Tourismusentwicklung Myanmars wird a o Grenzübergang die Umwandlung der Kolonialbauten Yangons P h eine hohe Priorität auf den Auf- und Ausbau der noch r Ayutthaya a in Hotels voranzubringen, mussten Einwohner Primäres Reiseziel / aufstrebende Reiseziele y a Kanchanaburi weichen und auch die touristische Entwicklung unzureichenden Infrastruktur gelegt. Vom Ausbau der Internationaler Flugplatz / Inlandsflugplatz Dawei Bangkok der historischen Königsstadt Bagan war geprägt Flughäfen und des Straßennetzes über die Etablierung Schutzgebiet: Aranyaprathet KAMBODSCHA ASEAN Heritage Park / Ramsar Gebiet / beabsichtigtes Ratchaburi Chon Buri Siem Reap von Zwangsumsiedlungen. Der Ausbau der tou- eines Telekommunikationsnetzes und einer Energie- Schutzgebiet / bestehendes Schutzgebiet ristischen Infrastruktur erfolgte maßgeblich versorgung bis hin zum Aufbau von neuen Hotelzonen TANINTHARYI Phetchaburi Battambang Zonen mit Selbstverwaltung Rayong über Zwangsarbeit, darunter auch von Frauen ist viel zu tun, um die grundlegenden Voraussetzungen „Palaung Self-Administrated Zone“ Chanthaburi und Kindern. Der Boykottaufruf richtete sich Myeik Pursat einer touristischen Entwicklung zu schaffen. In Bezug „Kokang Self-Administrated Zone“ auch an ausländische Unternehmen, im Land Myeik „Pao Self-Administrated Zone“ auf eine nachhaltige und sozialverträgliche Entwicklung Archipel Prachuap nicht zu investieren. Im November 2010 wurde „Danu Self-Administrated Zone“ Khiri Khan Phnom Penh mit Blick auf die veränderte politische Situation werfen die Umsetzungen der touristischen Infrastruk- „Wa Self-Administrated Zone“ Bokpyin der Aufruf zum Reiseboykott durch die NLD wie- turmaßnahmen bereits jetzt eine Reihe von Fragen auf, „Naga Self-Administrated Zone“ Golf von Thailand der aufgehoben.3 vom Landerwerb über die Durchführung bis hin zum Internationale Landesgrenze, administrative Grenze (Region, Staat, Provinz) Chumphon Nutzen der Investitionen. Hauptstadt von Myanmar, administrative Hauptstädte der GIS-Daten: MIMU (www.themimu.info, März 2013), Mekong Regionen und Staaten in Myanmar Natural Earth (www.naturalearthdata.com, 2012), GADM vers 2.0 (Januar 2012) ausgewälte Hauptverkehrsverbindungen, Eisenbahn Kawthaung Quellen und Layout: Ministry of Hotels and Tourism 2013, http://www.moecaf.gov.mm (Feb 2014) Grafik: R. Spohner Hauptstadt, ausgewählte wichtige Orte Von der No-Go-Area zum Place-To-Be 35 0 5 0 1 0 0 1 5 0 2 0 0 2 5 0 3 0 0 3 5 0 4 0 0km Fluß, See Surat Thani Zunehmende sein. In Bagan, am Inle-See und am Goldenen Felsen Landnutzungskonflikte lassen sich schon heute verheerende Auswirkungen durch den Tourismus beobachten, vor allem was die Müllentsorgung und das Wassermanagement betrifft.16 Im Zuge der touristischen Entwicklung werden zwangs- Der Erfolg der Regierung, ihre Absichten in Bezug auf läufig Landnutzungskonflikte zunehmen. Ein grundle- soziale und ökologische Mindestanforderungen für Tou- gendes Problem dabei stellt weiterhin die Frage nach rismusunternehmen zu etablieren und die nationalen dem Landbesitz dar.8 Der enorme Landbedarf für Inves- Anforderungen zu Umwelt- und Sozialverträglichkeits- toren setzt die Regierung unter Druck, lukratives Land prüfungen bei tourismusrelevanten Projekten zu ver- in meist kurzer Zeit zu beschaffen. In diesem Prozess bessern, werden im Wesentlichen von der Effektivität spielen Konsultationsgespräche mit der einheimischen einzuführender Kontrollmechanismen abhängig sein. Bevölkerung bisher nur eine nachrangige Rolle. Die Tatsache, dass die touristischen Investitionen Während eines Hotelprojektes am Inle-See weiger- hauptsächlich durch die wirtschaftliche Elite Myanmars, ten sich im Juni 2013 lokale Bauern, ihr Land wegen unzureichender Kompensationsmaßnahmen herzuge- ben. Nachdem sie das beschlagnahmte Land weiterhin Infobox 2 bewirtschafteten, drohte man ihnen mit Verhaftungen.9 In der Stranddestination Ngapali ergeben sich immer Emerging Destinations mehr Probleme zwischen der örtlichen Bevölkerung Nach Aussagen des Tourismus-Masterplans und den Strandresorts, die sich weiter ausdehnen und sollen insbesondere naturnahe Regionen wie immer mehr in die Ortskerne vordringen.10 Auch im Mount Victoria im Chin-Staat und Putao im Mon-Staat breitet sich bereits die Angst vor Landraub Kachin-Staat für Trekkingabenteuer sowie das und unzureichenden Kompensationsmaßnahmen im unberührte Myeik-Archipel im Süden des Lan- Zuge der touristischen Entwicklung aus.11 Nach jahre- des als Tauchparadies gefördert werden. Für den Erhalt der natürlichen Ressourcen und den langer Unterdrückung macht sich jedoch zunehmend Schutz menschlicher Lebensgrundlagen ist eine ein lokaler Aktivismus bemerkbar, sich für die Rechte umwelt- und sozialverträgliche Tourismusent- und Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung einzuset- wicklung in diesen Regionen unerlässlich. Es zen.12 Im Oktober 2012 kam es in Bagan zu der ersten gilt, die touristische Attraktivität im Sinne einer lokalen Protestwelle gegen touristische Infrastruktur- intakten Natur aufrechtzuerhalten, um eine projekte, die es in dieser Form bis dahin nicht gegeben zukunftsfähige Tourismusentwicklung in der Region zu gewährleisten. hatte. Die Regierung wurde aufgefordert, das Kultur- Im Bereich kultureller Attraktionen soll beson- erbe Bagan zu respektieren und keine weiteren Hotel- ders Loikaw im Kayah-Staat weiter erschlossen und Restaurantbauten auf dem Gelände zuzulassen.13 werden, das vor allem wegen des Bergvolkes der Bislang blieben diese Bemühungen jedoch ohne Erfolg. Padaung und ihrem traditionellen Halsschmuck Im November 2013 wurde lediglich entschieden, unbe- bei Frauen bekannt ist. Aber auch das Neujahrs- fugtes Bauen in den 46 Kulturerbstätten Myanmars fest der Naga im Chin-Staat, an der Grenze zu unter Strafe zu stellen.14 Indien, steht auf der Prioritätenliste des MOHT. Hier nehmen die in der CIT geplanten Capacity Building-Programme für lokale Gemeinschaften Eine weitere Herausforderung ergibt sich bei der Durch- eine wichtige Rolle ein, die die lokale Bevölke- führung von Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfun- rung in die touristische Entwicklung einbinden gen. Vor dem Hintergrund des dringenden Bedarfs an und ihren Interessen und Bedürfnissen Gehör touristischer Infrastruktur und ihrer rasanten Umset- verschaffen sollen. Denn welche Folgen die zung werden gegenwärtig kaum Umwelt- oder gar Vermarktung von Bräuchen und Traditionen ohne Mitbestimmung und falsche Versprechun- Sozialverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Für das gen haben kann, hat sich im Fall der Padaung Jahr 2014 plant die Regierung, die bereits bestehenden gezeigt. Die sogenannten ‚Giraffenfrauen‘ sind Hotelzonen auf die in der RTP formulierten Forderun- eine beliebte Fotoattraktion und werden ohne gen nach sozial- und umweltverträglichen Kriterien zu Rücksicht auf Verluste als einträgliche Touris- überprüfen.15 Die bisherigen Auswirkungen der Ver- tenattraktion vermarktet. nachlässigung werden jedoch nur schwer zu beheben

36 Von der No-Go-Area zum Place-To-Be den unter der Militärjunta reich gewordenen Cronies, dies im Zuge eines angemessenen Konsultationspro- getragen werden, nähren die Befürchtungen, dass auch zesses erfolgt.19 Denn solange das für den touristischen in Zukunft die persönliche Bereicherung dieser Elite Aufbau des Landes benötigte Kapital in den Händen der über den Interessen der Allgemeinheit stehen wird. Wirtschaftselite liegt, werden ausländische Unterneh- Denn die Interessen der Investoren an Golfplätzen oder men und Investoren nicht daran vorbei kommen, mit Luxusresorts decken sich keineswegs mit den Nöten einem Crony zu kooperieren. So wundert es auch nicht, der lokalen Bevölkerung.17 dass der französische Konzern Accor mit der Max Myan- mar Group kooperiert, einem Unternehmen unter Zaw Zaw, der zu den reichsten Unternehmern in Myanmar Undurchsichtige zählt und auch weiterhin auf der US-amerikanischen Geschäftspartner Liste sanktionierter Unternehmer steht.20

Hinsichtlich einer nachhaltigen Tourismusentwicklung In Vorbereitung auf das Visit Myanmar Year 1996 wur- in Myanmar kommt ausländischen Tourismusunter- den eine Reihe von touristischen Infrastrukturmaßnah- nehmen eine große Verantwortung zu, über die Ein- men durch die damalige Militärjunta veranlasst, deren haltung rechtlicher Rahmenbedingungen hinaus einen Umsetzung in die Hände der Cronies gegeben wurde freiwilligen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu und auf Kosten der lokalen Bevölkerung erfolgte. Ver- leisten. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die soziale einzelt traten auch ausländische, vor allem Investoren Unternehmensverantwortung (Corporate Social Res- aus Singapur, in den Markt ein. Auch heute ist die Inves- ponsibility, CSR) auf das Kerngeschäft des Unterneh- torenlandschaft im Tourismus durch die ehemaligen mens und nicht nur auf gemeinnützige Nebenprojekte Günstlinge der Militärjunta und asiatische Investoren konzentriert. Denn gerade Letztere können als Werbe- geprägt.18 Mit der Aussetzung der Sanktionen seitens maßnahme oder Imageaufbesserungen missbraucht der USA und der Europäischen Union (EU) steigt aber werden.21 zunehmend das Interesse westlicher Unternehmen, in Myanmar zu investieren. Ausblick Diesen Interessen stehen jedoch eine Reihe von Investitionshindernissen gegenüber, nicht zuletzt die Es scheint, als wären die ersten Weichen für eine nach- mangelnde institutionelle Transparenz, die noch in haltige Tourismusentwicklung in Myanmar gestellt. Vie- vielen Wirtschaftssektoren dominierende Staatswirt- les steht bislang jedoch nur auf dem Papier oder in schaft sowie die unzureichende Infrastruktursituation. Absichtserklärungen im Rahmen einer zentralpolitisch Somit werden auch heute noch die Investitionen im ausgerichteten Tourismusplanung, die eine regions- Tourismus hauptsächlich durch einheimisches Kapi- spezifische Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsstrategie tal getragen. Viele der aktuell entstehenden Hotels, im Tourismus außer Acht lässt. Das Versprechen, die die unter dem Markennamen eines transnationalen lokale Bevölkerung an der Tourismusplanung teilhaben Unternehmens geführt werden, laufen über Fran- zu lassen, stößt in zivilgesellschaftlichen Kreisen auf chise- oder Management-Verträge. Die Immobilien große Skepsis. Die Befürchtungen bleiben, dass der selber gehören heimischen Investoren, vor allem den Tourismus in Myanmar ohne ausreichende Konsultation Cronies. und damit wieder an den Interessen der betroffenen Bevölkerung vorbei vorangetrieben wird.22 Aber auch In einem Bericht des Institute for Human Rights and mit Blick auf die deutlichen Wachstumstendenzen im Business (IHRB) wird ausländischen Unternehmen und Tourismus in Myanmar nehmen die Bedenken an eine Investoren nahegelegt, ihre potentielle Partnerwahl auf zeitgerechte Umsetzung eines sozial- und umweltver- das Genaueste zu überprüfen und Geschäftspartner zu träglichen Tourismus zu. Denn während Luxushotels vermeiden, bei denen glaubwürdige Anschuldigungen mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung in den von Menschenrechtsverletzungen bestehen. Vor dem Himmel wachsen und auch die ‚Emerging Destinations‘ Hintergrund zunehmender Landnutzungskonflikte wird zunehmend ins Visier von Investoren rücken, stecken an ausländische Unternehmen appelliert, sich bei Ansätze einer alternativen Tourismusentwicklung noch ihrem Landerwerb verstärkt dafür einzusetzen, dass in den Kinderschuhen.

Von der No-Go-Area zum Place-To-Be 37 Anmerkungen 11. Burma News International: Tourism raises fears of land grabs. (18.10.2013). 1. Häusler, Nicole et al. (2012): Myanmar Responsible Tou- 12. Siehe dazu den Beitrag von Christina Grein, S. 39. rism Policy. Hanns-Seidel-Stiftung. Yangon. http://www.hss. de/fileadmin/media/downloads/Berichte/121015_Myanmar_ 13. Ko Ko Thett (2012). Tourism_English.pdf 14. Democratic Voice of Burma: Ministry bans building within 2. Häusler, Nicole et al. (2013): Policy on Community Bagan, other heritage sites. (28.11.2013). Involvement in Tourism (CIT). Hanns-Seidel-Stiftung. Yangon. 15. Ministry of Hotels & Tourism (2013). http://www.myanmartourism.org/journals/Community%20 Involvement%20Tourism%20in%20Myanmar.pdf 16. Häusler, Nicole (2014): Nachhaltiger Tourismus in Myan- mar: Erste wichtige Schritte? In: Köster, Ute; Grein, Christina; 3. Nähere Informationen zu den Hintergründen und der Le Trong, Phuong (2014): Handbuch Myanmar. Gesellschaft, Boykottdebatte finden sich bei Info Birmanie (2011): Report Politik, Wirtschaft, Kultur, Entwicklung. Berlin: Horlemann on Tourism in Burma. Paris. www.burma.no/noop/file. Verlag. php?id=4917 17. Palz, Manuel (2013): Steiniger Weg in Myanmar. Her- 4. Hier muss auch auf die beachtliche Zahl von Geschäfts- ausforderungen und Chancen einer sozialen und gerechten reisen hingewiesen werden, die in 2012 rund 20 Prozent Zukunft in dem südostasiatischen Land. In: Standpunkte aller Touristenankünfte ausmachten. Vgl. Ministry of Hotels International. Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin. http:// and Tourism (2012): Myanmar Tourism Statistics. Nay Pyi Taw. www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/ http://www.myanmartourism.org/journals/Myanmar%20 Standpunkte_international/Standpunkte_int_09-2013.pdf Tourism%20Statistics%202012(1).pdf 18. Ministry of Hotels and Tourism (2012). 5. Ko Ko Thett (2012): Responsible Tourism in Myanmar: Cur- rent Situation and Challenges. Burma Center Prague. Prag. 19. Weitere Informationen zu Forderungen von nachhaltigen http://www.burmalibrary.org/docs14/Responsible-Tourism- Investitionen in Myanmar finden sich bei Institute for Human in-Myanmar-Current-Situation-and-Challenges-red.pdf Rights and Business (2012): Responsible Investment in Myan- mar. The Human Rights Dimension. London. http://www.ihrb. 6. Innerhalb eines Jahres sind die Preise von Nobelhotels org/pdf/Occasional-Paper-1-Burma-Myanmar-FINAL.pdf um das Dreifache auf durchschnittlich 300 US-Dollar gestie- gen. Vgl. Duscha, Waldemar (2012): Hotelboom in Myanmar. 20. South China Morning Post: Tycoon Zaw Zaw sees his for- Germany Trade & Invest (GTAI) http://www.gtai.de/GTAI/ tunes rise as ties to old guard bear fruit. (3.6.2013). Navigation/DE/Trade/maerkte,did=787768.html 21. Weitere Informationen zur CSR-Debatte im Tourismus 7. Ministry of Hotels & Tourism (2013): Myanmar Tourism finden sich im Positionspapier des EED: Monshausen, Antje; Master Plan 2013–2020. Final Draft Report. June 2013. Nay Fuchs, Heinz (2010): Zauberformel CSR? Unternehmensverant- Pyi Taw. http://www.harrison-institute.org/Myanmar%20 wortung zwischen Freiwilligkeit und Verpflichtung. Ein Beitrag Tourism%20Master%20Plan%202013-2020.pdf zur Debatte um die Qualität freiwilliger CSR-Maßnahmen im Tourismus. Bonn. https://www.brot-fuer-die-welt.de/static/ 8. Siehe dazu den Beitrag von Benjamin Merci, S. 29. shop-eed/100225_eed_profil_10_zauberformel_csr_de_web. 9. Democratic Voice of Burma: Farmers in hiding near Inle pdf Lake as officials crack down on ‚plough protests.‘ (12.6.2013). 22. Tourism Watch (2013): Informationsdienst Tourismus und 10. Persönliches Gespräch mit Achim Munz, Repräsentant der Entwicklung (Nr. 73). Brot für die Welt. Berlin. http://tourism- Hanns-Seidel-Stiftung in Myanmar. watch.de/files/tw_73_internet.pdf

38 Von der No-Go-Area zum Place-To-Be links: Neue Freiheiten, Neue Freiheiten, neue Proteste neue Proteste Zivilgesellschaftliche Stimmen und Aktion

Christina Grein

Aus Sicht zivilgesellschaftlicher AkteurInnen ist stark für eine Steigerung der Investitionen auf Seiten der gegenwärtige Öffnungsprozess ein zwei­ Europas in naher Zukunft. schneidiges Schwert: Wie das Fallbeispiel der Sonderwirtschaftszone Dawei zeigt, werden die Zunehmend werden Investitionen in den Ressourcen- Folgen solcher Großprojekte mittlerweile als reichtum des Landes getätigt und neue „Entwicklungs- Bedrohung für Bevölkerung und Umwelt ein­ projekte“, zumeist in den von Konflikt gezeichneten Grenzregionen des Landes, angesiedelt. In vielen Fällen gestuft. Andererseits eröffnen sich Räume zur standen am Anfang dieser Projekte Waffenstillstands- sozialen und politische Organisierung, die zivil­ abkommen zwischen Regierung und nicht-bamarischen gesellschaftliche AktivistInnen auf vielfältige Nationalitäten.3 Doch mit der Einsetzung einer zivilen Weise nutzen. Regierung und neuen Spielräumen für Meinungs- und Versammlungsfreiheit stellt sich eine Bandbreite an In den letzten drei Jahren kamen mit der Öffnung und Medien, politischen und zivilgesellschaftlichen Akteu- dem darauf folgenden Reformprozess in Myanmar viele rInnen gegen Großprojekte und die Einführung von Entwicklungen ins Rollen. Doch viele dieser Entwick- liberal-wirtschaftlichen Reformen. Viele Infrastruktur- lungen könnten sich als ein zweischneidiges Schwert projekte werden inzwischen von einer Vielzahl an zivil- offenbaren: Die Öffnung und der Reformprozess haben gesellschaftlichen AkteurInnen im Land als eine Bedro- Investitionsinteressen von Regierungen und Privatsek- hung für Bevölkerung und Umwelt eingestuft. tor angekurbelt. Durch die Aussetzung der Sanktionen seitens der westlichen Industriestaaten erhofft sich Myanmars Regierung Wirtschaftswachstum und Wohl- Zivilgesellschaftliche stand, viele Menschen erhoffen sich die Verbesserung Organisierung im Land des Arbeitsmarkts und der unzureichenden Infrastruk- tur.1 In Myanmar ist eine inzwischen sehr sichtbare Diver- Vom 13. bis zum 15. November 2013 fand ein Treffen sität an zivilgesellschaftlichen AkteurInnen aktiv – ins- zwischen der Europäischen Union (EU) und Myanmars besondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Regierung, die sogenannte EU-Myanmar Taskforce, Umweltschutz, Community Development und Gender. unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher2 AkteurInnen Die ethnische und kulturelle Vielfalt des Landes spie- und des Privatsektors statt, um über die Fortschritte, gelt sich in der Diversität der zivilgesellschaftlichen Herausforderungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten AkteurInnen im Land wider, von denen viele einen eth- des Landes zu diskutieren und die Rolle der EU in die- nischen beziehungsweise konfessionellen Hintergrund sem Prozess zu identifizieren. Europäische Investitions- haben. interessen in Myanmar sind schon seit geraumer Zeit vorhanden, tatsächliche Investitionen sind bis zum jet- Die verbreitetsten Formen zivilgesellschaftlicher Orga- zigen Zeitpunkt jedoch relativ gering im Vergleich mit nisation sind Local Non-Governmental Organisations Thailand oder China. Die gegenwärtigen Verhandlungen (LNGOs), Community-Based Organisations (CBOs) zwischen EU und Myanmar und die Diskussion bezüg- sowie konfessionelle, studentische, gewerkschaftli- lich eines Investitionsabkommens sprechen jedoch che und Jugend-Vereinigungen. Das jährlich vom Local

Neue Freiheiten, neue Proteste 39 Resource Center (LRC) herausgegebene Verzeichnis von che Entscheidungsprozesse, nicht nur in Bereichen LNGOs in Myanmar führt im Jahr 2012 allein 118 lokale wie Demokratisierung und Menschenrechte, sondern Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf, deren Zahl insbesondere auch in Wirtschaft und Entwicklung. in den kommenden Jahren erwartungsgemäß zuneh- men wird. Mit Unterzeichnung eines Gesetzes Ende 2011, das friedliche Demonstrationen erlaubt, wenn sie fünf Glaubensorientierte Organisationen und Vereinigun- Tage im Voraus angemeldet werden, nutzen auch Bür- gen (insbesondere buddhistische, islamische, christ- gerInnen die Möglichkeit, gegen ausländische Investi- liche und hinduistische) sind nicht nur historisch, tionsprojekte, deren Art und Weise der Durchführung sondern auch aktuell betrachtet, charakteristisch und negativen Auswirkungen im Land zu mobilisieren. für das Land und stellen eine wichtige Basis für das Leben der Menschen dar. Ein Schwerpunkt vieler loka- ler Organisationen ist der Wohltätigkeitssektor mit dem Fokus auf sozialer Fürsorge von Gemeinden und Infobox betroffenen Bevölkerungsgruppen. Neben Capacity Entwurf des Vereinsrechtes Building von Gemeinden spielt zunehmend auch die Advocacy-Arbeit auf lokaler wie auf nationaler Ebene zielt auf ­vereinfachten eine wichtige Rolle. Nach mehreren Jahrzehnten Bür- Registrierungsprozess gerkrieg, Militarisierung und staatlicher Unterdrückung Am 5. November 2013 wurde der neue Entwurf haben sich erneut Räume zur sozialen und politischen des Vereinsrechts (Association Bill) im Parla- Organisierung aufgetan. Auch wenn der Grad der globa- ment vorgestellt. Aufgrund massiver Kritik an len Vernetzung bisher noch überschaubar bleibt, sind der früheren Version des Gesetzesentwurfs, regionale Netzwerke zu einer treibenden Kraft für zivil- verfasst durch das Innenministerium, wurde gesellschaftliche Aktion herangewachsen. der Entwurf nochmals überarbeitet. Die neue Version beinhaltet jetzt eine Vielzahl von Emp- fehlungen, die von Seiten zivilgesellschaftlicher Spielräume und Barrieren AkteurInnen in Gesprächen mit Parlamentsmit- gliedern gegeben wurden.4 Zentrale Forderun- gen zivilgesellschaftlicher Gruppen und Organi- Einigen LNGOs ist es nun in begrenzten Maßen mög- sationen sind die Lockerung der Einschränkun- lich geworden, zusammen mit der Regierung an wich- gen bei Mitgliedschaft und Aktivitäten sowie tigen politischen Anliegen bezüglich ausländischer die Dezentralisierung der Registrierung. Bevor über den neuen Entwurf abgestimmt wird, wol- Investitionen, Umwelt und Landrechten zu arbeiten len sich mehrere Organisationen nochmals mit und Analysen sowie Politikempfehlungen einzubrin- dem Public Affairs Management Committee, das gen. Weiterhin bestehende Einschränkungen sind das den Text erarbeitet, und Parlamentsmitgliedern gegenwärtige Registrierungsgesetz (siehe Infobox) und zusammensetzen. die Dominanz wichtiger staatlicher Institutionen. Das gegenwärtige Vereinsrecht wurde 1998 beschlossen und stellt viele Gruppen und Orga- Einer der wichtigsten Akteure im Bereich Investitionen nisationen, insbesondere kleinere mit geringem Budget, vor eine Vielzahl von Hindernissen. Der bleibt auch weiterhin staatsgesteuert, die Myanmar Registrierungsprozess unter dem Innenministe- Investment Commission (MIC), angesiedelt unter dem rium erfordert neben Zeit auch viel Geld und Dach des Ministry of National Planning and Economic schränkt die Operationsfreiheiten der Vereini- Development und zuständig für die Antragsprüfung von gungen ein. Ferner wird Geistlichen, Mitgliedern Inlandsinvestitionen. Reformentwürfe für das Investi- politischer Parteien sowie ehemaligen politi- tionsgesetz im Jahr 2012 beinhalten den Vorschlag, die schen Gefangenen die Mitgliedschaft in zivil- gesellschaftlichen Organisationen untersagt. Kommission in ein unabhängiges Gremium zu transfor- Angesichts der Schwierigkeiten verzichteten bis- mieren und so die Transparenz des Vergabeprozesses her viele Einrichtungen auf eine offizielle Regis- von Investitionslizenzen zu erhöhen. Doch die Schlüs- trierung oder ließen sich wie zum Beispiel die selpositionen werden weiterhin von hochrangigen Organisation Myanmar Egress als Wirtschafts- Staatsvertretern besetzt. Zivilgesellschaftliche Grup- unternehmen registrieren. pen fordern den Einbezug in politische/​wirtschaftli-

40 Neue Freiheiten, neue Proteste Auslöser lokaler Proteste sind vor allem Landnahmen, trolliert werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen Vertreibung und Umweltverschmutzung. Auf internatio- klagen allerdings, dass mit dem Projekt ohne vorherige naler Ebene sind insbesondere Proteste und Advocacy- Konsultationen oder Untersuchung der sozialen, wirt- Arbeit gegen die landesweit größten Projekte bekannt schaftlichen und ökologischen Auswirkungen begon- geworden: das Shwe-Gaspipeline-Projekt, Hydroener- nen wurde.7 Im Dezember 2011 behinderte die KNU die gie-Talsperren an den Flüssen Thanlwin und Ayeyar- Straßenkonstruktion durch eine Blockade und appel- waddy, die Kupfermine in Letpadaung/Monywa​ und die lierte an das Unternehmen, eine Umweltverträglich- drei Sonderwirtschaftszonen (SEZ) in Dawei, Thilawa keitsprüfung durchzuführen und damit der Forderung und Kyaukpyu (siehe Karte 2, S. 8). der AnwohnerInnen nachzukommen.

Im Februar und März 2012 wurde schließlich eine erste Fallbeispiel Folgenabschätzung durch das thailändische Chulalong- ­Sonderwirtschaftszone Dawei korn Environmental Research Institute durchgeführt. Darin wurden jedoch lediglich die Vorteile des Projekts betont, mögliche Gefahren blieben unerwähnt. Die Im Jahr 2008 unterzeichneten die Regierungen Thai- AnwohnerInnen beklagten den Mangel an Transparenz lands und Myanmars eine Absichtserklärung zur Errich- bezüglich des Projekts, da sie weder seitens ITD noch tung einer SEZ in Dawei in der Tanintharyi-Region. Ende seitens der lokalen Autoritäten über die möglichen 2010 wurde vereinbart, dem Unternehmen Italian-Thai negativen Auswirkungen der einzelnen Projektmaßnah- Development (ITD)5 die Lizenz zur Entwicklung des Pro- men informiert wurden. jekts auszustellen.6 Das Projekt ist als Südostasiens größter industrieller Komplex geplant – mit Tiefseeha- Laut Berichterstattung von Dawei Project Watch (DPW) fen, Gaspipeline, Schienen- und Straßenverbindungen sind rund 83.237 Hektar Reisfelder, 4.047 Hektar Gum- nach Vietnam, Kambodscha und Thailand. Angesiedelt miplantagen, bis zu 5.666 Hektar Cashew-Plantagen werden sollen Schwerindustrie, Petrochemie, Raffine- und über 60.703 Hektar Orchideenplantagen von einer rien, aber auch Gewerbebetriebe und Wohnprojekte. Konfiszierung bedroht. Vermutlich werden 21 Gemein- Die Tanintharyi-Region gilt als strategisch günstiger den all ihr Hab und Gut verlieren, viele Häuser in den Wirtschaftsstandort zwischen wirtschaftlich starken Gemeinden sollen für den Straßenbau umgesiedelt Ländern wie Malaysia und Singapur im Süden und Län- werden. Die Zahl der von der Umsiedlung Betroffenen dern wie Thailand, Laos und Kambodscha im Osten könnte bis auf 50.000 steigen. beziehungsweise Norden. Thailands Interessen sind besonders offensichtlich: Für die Hauptstadt Bangkok Letztendlich ist aber damit zu rechnen, dass sehr viel ist Dawei der nächstgelegene Zugang zur Andamanen- mehr Menschen ihr Land durch direkte und indirekte küste und damit auch zu Indien und dem Mittleren Landnahme seitens der nationalen oder auch auslän- Osten. Ferner ist das Projekt ein Baustein im größeren dischen Eliten, die in den wirtschaftlichen Wachstum regionalen Entwicklungsplan der Asiatischen Entwick- der Region investieren möchten, verlieren. Inoffi- lungsbank (ADB), dem East-West Economic Corridor, ziellen Schätzungen zufolge sind möglicherweise bis ein Handels- und Transportnetzwerk, das Myanmar, zu 500.000 Menschen aus der Dawei-Region sowohl Thailand, Laos und Vietnam mit Kambodscha (Southern direkt als auch indirekt von der SEZ betroffen.8 Viele Economic Corridor) und Kunming in China (North-South AnwohnerInnen werden schließlich mehr oder min- Economic Corridor) verbindet (siehe 2, S. 8). der gezwungen sein, ihr Land, das ihr Einkommen und Überleben sichert, zu extrem niedrigen Preisen zu ver- Myanmars Regierung und ITD hatten sich öffentlich kaufen. Auch Entschädigungszahlungen stellen für die dazu verpflichtet, einen inklusiven Entscheidungspro- lokale Bevölkerung nur eine kurzfristige Lösung dar, da zess durchzuführen und sich für den Schutz der lokalen das Geld schnell aufgebraucht wäre. Ökosysteme einzusetzen. Darüber hinaus sollten die Lebensbedingungen der Bevölkerung, zu großen Teilen Viele Gruppen, Organisationen und AnwohnerInnen Mitglieder nicht-bamarischer Nationalitäten, verbes- beteiligen sich seit Jahren am Protest gegen die SEZ in sert werden, insbesondere der Karen, da große Teile Dawei. DPW ist eine Gruppe lokaler AktivistInnen und der Region von der Karen National Union (KNU) kon- MenschenrechtlerInnen, darunter größtenteils junge

Neue Freiheiten, neue Proteste 41 die Kritik. Die lokale Bevölkerung machte mit Unter- stützung von Umweltorganisationen, angeführt von der Stop Global Warming Association Thailand, gegen den Industriekomplex mobil. 2009 wurde vom obersten thailändischen Verwaltungsgericht die Aussetzung von 65 Projekten in Map Ta Phut zu Gunsten einer Untersu- chung verkündet.9 Einige zivilgesellschaftliche Akteure sehen die SEZ Dawei als eine Fortführung der aufgrund ihrer bedenklichen Auswirkungen auf die Umwelt aus- gesetzten Map Ta Phut-Projekte – die Auslagerung der industriellen Entwicklung Thailands mitsamt ihrer Mensch und Umwelt gefährdenden Nebenwirkungen nach Myanmar.

Ausblick

Laut einer Studie der Organisation SHIFT gibt es bis jetzt Dawei Kampagnenmaterial von DDA kaum Organisationen oder AktivistInnen im Land, die Erfahrungen in der Arbeit mit Unternehmen haben.11 Durch die steigende Zahl der Capacity Building-Ange- ethnische Karen, Mon und Tavoyan. Dazu kommt neben bote seitens lokaler und internationaler Entwicklungs- der Tavoyan Women’s Union und dem Southern Society organisationen könnten die AkteurInnen vor Ort jedoch Development Network die Dawei Development Associa- zukünftig unterstützt werden. Die Organisation Earth- tion (DDA), ein Netzwerk aus Individuen und mehreren Rights International fördert beispielsweise lokale Grup- Organisationen. Die Akteure beobachten die Imple- pen beim Aufbau ihrer Fähigkeiten, um sie so auf die mentierung des Dawei-Projekts kritisch, verbreiten direkte Interaktion mit Investoren und Unternehmen Informationen über ihre Websites und Facebook und vorzubereiten. Denn die „Achtsamkeit“ seitens interna- unterstützen die lokale Bevölkerung durch Advocacy- tionaler Investoren bei der Vorbereitung von Projekten Arbeit im Kampf gegen die SEZ. ist zwar wünschenswert, aber lange nicht ausreichend. Und auch internationale Richtlinien greifen meist zu Einige dieser Akteure kooperieren mit thailändi- kurz: Erstens erfolgt ihre Umsetzung durch Unterneh- schen NGOs und AktivistInnen. Laut der Civil Society men nur freiwillig, Verstöße können kaum geahndet Strengthening Initiative waren es maßgeblich thai- werden, zweitens sind sie losgelöst vom kulturellen ländische NGOs, die über die negativen Implikationen beziehungsweise lokalen Kontext. der SEZ Dawei aufgeklärt und ihre Unter- stützung angeboten hätten. Hintergrund „We do not want any foreign companies to dieser Kooperation sind die Auswirkungen take advantage of this weak government. des Industriekomplexes in Map Ta Phut in der thailändischen Provinz Rayong, der in This holds for companies from all countries, gewisser Hinsicht mit dem Dawei-Projekt ­including the USA, the EU and China.“10 vergleichbar ist. Das europäische Interesse an der Unterstützung der Der größte Industriekomplex Thailands und das welt- wirtschaftlichen und politischen Reformen wird über- weit achtgrößte petrochemische Versorgungsdreh- wiegend begrüßt. Doch inzwischen sind auch laute kreuz, in das auch der deutsche Chemiekonzern Bayer Stimmen gegen einen übereilten Einzug ausländischer investiert hat, geriet aufgrund der außergewöhnlich Wirtschaftsakteure in Myanmar zu hören. So betont die hohen Sterberate durch Krebs in den umliegenden Initiative Paung Ku, dass der Demokratisierungsprozess Gebieten, die auf die Umweltverschmutzung durch im Land noch in den Kinderschuhen stecke und daher die petrochemischen Anlagen zurückgeführt wird, in vorschnelle Entscheidungen und Handlungen der EU

42 Neue Freiheiten, neue Proteste vermieden werden sollten. Vor weiteren Verhandlungen Anmerkungen zwischen Myanmars Regierung und der EU müsse Zeit und Raum für einen informierten Entscheidungsfin- 1. vgl. SHIFT (2013): Conducting Meaningful Stakeholder Consultation in Myanmar; http://shiftproject.org/sites/ dungsprozess unter Beteiligung aller wichtigen Akteure default/files/Conducting%20Meaningful%20Stakeholder%20 gegeben sein. Zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit Consultation%20in%20Myanmar_1.pdf und Demokratie im Land müssten sich vor allem auch 2. In Myanmar gibt es kein Äquivalent zum westlich gepräg- ten Terminus „Zivilgesellschaft“. Dessen Verwendung wurde Parlamentsmitglieder, NGOs und die Medien mit den in den 1990er Jahren im Zuge des Zulaufs internationaler möglichen Auswirkungen eines Investitionsabkommens Organisationen und Agenturen in Myanmar übernommen (vgl. Kramer, Tom (2011): Civil Society Gaining Ground – Oppor- auseinandersetzen und darüber debattieren können.12 tunities for Change and Development in Burma. Amsterdam: Das Beispiel Ecuador, dessen Regierung gegenwärtig Transnational Institute, Burma Center Netherlands; http:// www.tni.org/sites/www.tni.org/files/download/tni-2011- die bilateralen Investitionsschutzabkommen, die größ- civilsocietygainingground-web2.pdf). tenteils in den Neunzigern unterzeichnet wurden und 3. Siehe dazu den Beitrag von Michael Hackmann, S. 19 von denen mehrere gegen die Verfassung von 2008 4. ALTSEAN (Nov. 2013): Burma Bulletin. Issue 83; http:// verstoßen, überprüft und neu aushandelt, zeigt, das www.altsean.org/Docs/PDF%20Format/Burma%20Bulletin/ übereilte Maßnahmen später bereut werden könnten, November%202013%20Burma%20Bulletin.pdf aber nur noch schwer zu korrigieren sind. 5. Das Unternehmen Italian-Thai Development Public Com- pany Limited wurde 1954 von einem thailändischen und italienischen Unternehmer gegründet und ist inzwischen Die internationale Anerkennung des politischen Wan- ausschließlich in thailändischer Hand. Es ist das größte thai- dels drängt die Auseinandersetzung mit möglichen ländische Bauunternehmen für Infrastruktur mit Firmensitz in Bangkok und beteiligt sich an mehreren Projekten in Myanmar negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Reformen und in der Region. und internationaler Investitionen insbesondere in die 6. Inzwischen wurde IDT von Myanmars Regierung angehalten, Grenzgebiete in den Hintergrund. Doch gerade hier sich vorläufig aus dem Projekt zurückzuziehen. Auslöser hier- für war unter anderem IDT’s Unvermögen, weitere Investoren begibt man sich angesichts der stockenden Friedens- für die SEZ Dawei anzuwerben. Myanmars Regierung versucht verhandlungen auf gefährliches Terrain mit unkon- nun durch Unterstützung der Regierungen und Thai- lands, Unternehmen zur Durchführung eines überarbeiteten trollierbaren Folgen für das Land selbst sowie die Entwurfs für die SEZ zu identifizieren (Reuters, Myanmar turns Region: zum Beispiel die Verschärfung der ethnischen to , Thailand to kick-start stalled Dawei, 19.11.2013). Konflikte, Menschenrechtsverletzungen, Landkonflikte 7. Nationalities Youth Forum (NY-Forum); Students Youth und Umweltzerstörung. Die ökonomische Situation im Congress of Burma (SYCB) (2012): Excluded: Burma’s Ethnic Nationalities on the Margins of Development & Democracy. Land wird darüber hinaus einen maßgebenden Ein- Mae Sot. fluss auf die zukünftige Gestalt von Myanmars Politik 8. Loewen, Elizabeth (2012): Land Grabbing in Dawei (Myan- haben. Unzureichende Rechtsstaatlichkeit, mangel- mar/​Burma): A (Inter)National Human Rights Concern. Paung Ku & Transnational Institute. hafte Regierungsführung, ‚Cronyism‘ und anhaltende Konflikte machen ein nachhaltiges und inklusives 9. Reuters, Thai court halts many new plants in big industrial zone, 2.12.2009. wirtschaftliches Engagement im Land äußerst schwie- 10. Zitat aus Interviews zu Investitionen Chinas in Myanmar rig. Angesichts der Schattenseiten des herrschenden im August 2012 in Yangon, Mandalay und Naypyidaw; in Trans- Investitionsregimes könnte ein allseitiges Umdenken national Institute; Burma Center Netherlands (2013): Develo- ping Disparity: Regional Investment in Burma’s Borderlands. womöglich höchst interessante Alternativen zu Tage Amsterdam: Transnational Institute. fördern, um statt der ausgetrampelten Pfade neue 11. vgl. SHIFT (2013): Conducting Meaningful Stakeholder Wege zu beschreiten. Consultation in Myanmar. 12. Die Ergebnisse der Fragebogenstudie „Public consultation on the future investment relationship between the EU and Myanmar“ der Europäischen Kommission 2013 wurde auf fol- gender Seite veröffentlicht: http://ec.europa.eu/yourvoice/ ipm/forms/dispatch?userstate=DisplayPublishedResults&for m=InvestmentMyanmar

Neue Freiheiten, neue Proteste 43 links: Aufbruch in Myan- mar – aber für wen? Aufbruch in Myanmar – aber für wen? Weichensteller ohne demokratische Legitimation

Uwe Hoering

Der Aufbruch in Myanmar mit der Einsetzung der auf die Bedürfnisse und Forderungen der Unterneh- zivilen Regierung 2011 weckte Hoffnungen, dass men zugeschnitten ist. Trotzdem werden weitere Ver- mit der politischen Liberalisierung auch Wohl­ besserungen des Investitionsklimas wie beispielsweise stand und Frieden möglich werden. Doch das Ent­ ein Investitionsabkommen gefordert. wicklungsmodell, das sie verfolgt, weckt Zweifel, ob das so gelingt. Gleichzeitig nimmt sie Wei­ Allerdings hat die jüngste Geschichte des Landes Ver- hältnisse geschaffen, die enorme Hindernisse und Risi- chenstellungen vor, die zukünftigen demokrati­ ken bergen. Investoren aus den Nachbarländern und schen Regierungen weitgehend die Hände binden, die unter der Militärregierung entstandene Wirtschaft- um grundlegende Kurskorrekturen vorzunehmen. selite haben längst ihre Claims abgesteckt. Große Teile Damit wird auch die weitere demokratische Ent­ des Landes und der Wirtschaft sind bereits aufgeteilt, wicklung gefährdet. beispielsweise in den Regionen, in denen es bewaffnete Konflikte gab und gibt - als Pfründen, durch Privatisie- Die Regierung in Myanmar wirbt intensiv um auslän- rung oder schlicht als militärisches Beutegut. Zudem dische Investoren. Nach der politischen Entscheidung besteht ein Geflecht von sozialen, politischen und eth- der westlichen Regierungen, die Sanktionen auszu- nischen Konfliktfeldern, die selbst bei einer Beendigung setzen, wollen jetzt auch verstärkt Unternehmen aus der bewaffneten Auseinandersetzungen virulent blei- Europa die Chancen nutzen. Regierungen, Investoren ben. Ausländische Investoren sind - trotz ihrer Bekennt- und westliche Entwicklungsberater versprechen uni- nisse zu „verantwortlichem“ Verhalten - kaum die geeig- sono, ausländische Investitionen würden wirtschaftli- neten Akteure, um diese etablierten Strukturen und die ches Wachstum, Arbeitsplätze, Armutsminderung und mit ihnen einhergehenden Missstände zu ändern. Umweltschutz, kurzum: eine umfassend nachhaltige Entwicklung bringen. Die neuen wirtschaftspolitischen Ansätze, die sich beispielsweise in der Ressourcenpolitik, in der Land- frage oder im Tourismusbereich zeigen, deuten zudem Doch die Verhältnisse, … darauf hin, dass nach wie vor die Interessen der alten und neuen Investoren im Vordergrund stehen, nicht Die Beiträge dieser Broschüre zeigen an verschiede- die Bedürfnisse der Bevölkerung oder die Erfordernisse nen Wirtschaftsbereichen und Beispielen, dass die einer nachhaltigen Entwicklung. Es zeichnet sich ein Bedingungen (noch) kaum gegeben sind, diese Ankün- Entwicklungsmodell ab, das Myanmar als Lieferanten digungen auch einzulösen. Zwar sind Regierung, inter- von Ressourcen festschreibt, von deren Ausbeutung nationale Beratungs- und Finanzinstitutionen bemüht, in der Vergangenheit nur wenige profitiert haben. Als die Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen neuer Standort von Billigindustrien, beispielsweise im beziehungsweise zu verbessern. Hierunter fallen der Textilbereich, würde das Land gleichzeitig den Wettbe- Ausbau der Infrastruktur, eine Lockerung der Wäh- werb mit südostasiatischen Nachbarländern verstär- rungskontrollen, neue Gesetze, eine Verringerung der ken. Weder wird die Frage gestellt, ob ausländische Korruption und funktionsfähigere Institutionen. Einiges Investitionen wirklich das geeignetste Mittel sind, um ist hier schon geschehen wie die Verabschiedung des das Land wirtschaftlich voranzubringen. Noch werden Gesetzes über Auslandsinvestitionen, das weitgehend Alternativen in der Nutzung der reichen Ressourcen,

44 Aufbruch in Myanmar – aber für wen? die beispielsweise in lateinamerikanischen Ländern tion und die zivilgesellschaftlichen Kräfte wenig Einfluss versucht werden, in Erwägung gezogen oder sie blei- haben. Dennoch wird eine demokratisch gewählten ben, etwa im Tourismusbereich, Absichtserklärungen, Regierung nach den Wahlen 2015 daran gebunden sein. die durch die aktuellen Entscheidungen und Entwick- Ihre Handlungsmöglichkeiten, Änderungen im Interesse lungen überrollt werden. einer nachhaltigeren, sozial gerechten und souveränen Entwicklung vorzunehmen, werden eingeschränkt.

… sie sind nicht so Damit wird auch die politische Zukunft und Stabilität Myanmars weitgehend davon abhängen, ob der einge- Während in- und ausländischen Investoren der rote leitete investitionsfreundliche Wirtschaftskurs tatsäch- Teppich ausgerollt wird und die Wirtschaft wächst, lich die umfassende nachhaltige Entwicklung bringen bleiben die Instrumente, die Geschäfte in nachhal- wird, die versprochen wird. Ein Schlüsselbereich dafür tigen Bahnen zu halten, hinter der raschen Entwick- sind die Friedensprozesse, die mit einem breiten wirt- lung zurück. Die Fähigkeiten des Staates, wirtschaft- schaftlichen Aufschwung und einer gerechten Vertei- liche Macht zu kontrollieren und zu regulieren, sind lung stehen und fallen: Wird es nicht nur für Inves- begrenzt, wenn sie denn überhaupt erwünscht sind. toren, sondern auch für die Menschen eine Friedens- Viele Gesetze und Maßnahmen sind so formuliert, dass dividende geben? Umgekehrt ist politische Stabilität sie einseitig die Investoren und Bereiche wie die riesi- eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung. gen Sonderwirtschaftszonen bevorzugen. Falls sie nicht demokratisch gesichert werden kann, so warnt die International Crisis Group, besteht durchaus Ein Beispiel dafür sind die neuen Gesetze zu Landnut- die Gefahr eines Rückfalls in autoritäre Regierungsfor- zungsrechten, die Probleme wie Land Grabbing und men und repressive Staatsmacht.1 Vertreibungen kaum verhindern. Ein anderes sind zwi- schenstaatliche Vereinbarungen wie das Investitions- Alan Davis, Direktor des Citizen Action Network for schutzabkommen, auf das die EU drängt, die dazu Accountability, vergleicht denn auch die gegenwärtige führen, dass die Handlungsmöglichkeiten des Staa- Situation in Myanmar mit der Entwicklung in Kambod- tes eingeschränkt werden. Zudem ist das Justizsys- scha.2 Auch dort herrschte nach dem Ende der Dikta- tem überfordert und korrumpiert, wodurch vor allem tur der Khmer Rouge Entwicklungseuphorie. Auch dort Betroffene von Investitionsmaßnahmen aus ärmeren gab es seit den 1990er Jahren ein erhebliches Engage- Bevölkerungsgruppen kaum Möglichkeiten haben, bei ment von Gebern und ausländischen Investoren. Auch Problemen oder Konflikten den Rechtsweg zu nutzen. dort wurde eine nachhaltige, gerechte Entwicklung versprochen. Das Ergebnis ist allerdings, dass heute Immerhin bestehen mit der inzwischen geschaffenen die selbe kleine Elite, die damals die politische und Medien- und Informationsfreiheit, mit Organisierungs- ökonomische Macht hatte, die Wirtschaft kontrolliert und Arbeitsrechten und der Zulassung von Gewerk- und die politischen Verhältnisse weit von Demokratie schaften neue Möglichkeiten, sich gegen staatliche und Rechtsstaatlichkeit entfernt sind. Auch wenn die und unternehmerische Willkür zu wehren, Rechte zu Ausgangssituation und die Verhältnisse nur teilweise verteidigen oder durchzusetzen. Dabei kommt den vergleichbar sind: Könnte sich eine solche Entwicklung vielfältigen zivilgesellschaftlichen Organisationen und in Myanmar wiederholen? sozialen Protestmanifestationen, etwa gegen Bergbau- und Staudammprojekte, eine besondere Rolle zu.

Anmerkungen

Weichenstellungen 1. International Crisis Group (2012): Myanmar: The Poli- tics of Economic Reform. Asia Report No 231–27 July 2012. http://www.crisisgroup.org/en/publication-type/media- Hinter der Fassade der zivilen Regierung und des nach releases/2012/asia/myanmar-the-politics-of-economic- wie vor von Militärs beherrschten Parlaments werden reform.aspx jetzt in Kooperation mit Entwicklungsinstitutionen und 2. Alan Davis (2013): Supporting democracy in Myanmar: Are donors doing enough? Blog-Beitrag vom 2. Dezember 2013. Lobbyorganisationen der Wirtschaft Weichenstellungen https://www.devex.com/en/news/supporting-democracy-in- vorgenommen, auf die die parlamentarische Opposi- myanmar-are-donors-doing/82422

Aufbruch in Myanmar – aber für wen? 45 Autorinnen und Autoren

Julia Bühler studierte Geographie und Politikwissenschaften an der WWU Münster. Mit ihrem Studium und mehreren prakti- schen Erfahrungen spezialisierte sie sich auf Tourismus in Entwicklungsländern, insbesondere im süd- und süd- ostasiatischen Raum. [email protected]

Christina Grein ist Ethnologin und Projektleiterin der Burma-Initiative der Stiftung Asienhaus. Ihre Schwerpunkte: ethnopolitische Konflikte, Identitätspolitik, Gender und Myanmar. Sie ist Mitherausgeberin desHandbuch Myanmar (2014).

Michael Hackmann studierte Ethnologie, Politikwissenschaften und Geschichte an der Universität zu Köln. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Identitäts- und Konfliktforschung und Minderheitenpolitik in Süd- und Südostasien. Zuletzt war er in diesen Themenfeldern für zwei NGOs in Indien tätig. [email protected]

Theresa Hanske hat unter anderem Ethnologie in Köln studiert. In letzter Zeit beschäftigt sie sich mit der Handels- und Investi- tionspolitik der EU.

Uwe Hoering ist Politikwissenschaftler und freiberuflicher Publizist und betreibt unter anderem den WeblogGlobe-spotting.de . Er ist Mitglied im Vorstand der Stiftung Asienhaus.

Benjamin Merci studierte Geographie an den Universität zu Köln. In seiner Diplomarbeit befasste er sich mit dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen und Land Grabbing in Guatemala. Durch ein Praktikum im philippinenbüro Köln wurde er Teil der Arbeitsgruppe zu Burma. [email protected]

Christine Schuster studierte Politikwissenschaften und Französische Philologie an der Universität Trier. Im Rahmen ihres Studiums und verschiedener Praktika spezialisierte sie sich auf Wasser- und Rohstoffpolitik in Südostasien. ­christineschuster3@ gmx.de

46 Aufbruch in Myanmar – aber für wen? Abkürzungsverzeichnis

ADB Asian Development Bank, Asiatische Entwicklungsbank ASEAN Verband Südostasiatischer Nationen, Association of Southeast Asian Nations BGF Border Guard Forces CBO Community-Based Organisation CBT Community-Based Tourism CIT Community Involvement in Tourism CSR Corporate Social Responsibility DDA Dawei Development Association DPW Dawei Project Watch EITI Extractive Industries Transparency Initiative EU European Union, Europäische Union FIL Foreign Investment Law GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GSP General System of Preferences HDI Human Development Index ICSID International Centre for Settlement of Investment Disputes IHRB Institute for Human Rights and Business ILO International Labour Organisation, Internationale Arbeitsorganisation IWF Internationaler Währungsfonds JICA Japan International Cooperation Agency KIA Kachin Independence Army KIO Kachin Independence Organization KNU Karen National Union LNGO Local Non-Governmental Organisation LRC Local Resource Center MEC Myanmar Economic Cooperation MIC Myanmar Investment Commission MNDAA Myanmar National Democratic Alliance Army MOGE Myanmar Oil and Gas Enterprise MOHT Ministry of Hotels & Tourism MTF Myanmar Tourism Federation NGO Non-Governmental Organisation NLD National League for Democracy OECD Organisation for Economic Cooperation and Development RTP Responsible Tourism Policy SEZ Special Economic Zone, Sonderwirtschaftszone SLORC State Law and Order Restoration Council SPCD State Peace and Development Council UMEHL Union of Myanmar Economic Holding Limited UN United Nations, Vereinte Nationen UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNFC United Nationalities Federal Council VFV Vacant, Fallow and Virgin Lands Management Law

Aufbruch in Myanmar – aber für wen? 47 Über diese Publikation

Nach der Aussetzung der Sanktionen ist Myanmar nun bemüht, durch äußerst günstige Inves- titionsbedingungen auch Unternehmen aus Europa und den USA verstärkt anzuziehen. Das Land lockt mit seinem Rohstoffreichtum, einem großen Binnenmarkt, niedrigen Löhnen und der zentralen Lage in der dynamischen Wachstumsregion zwischen Indien, China und Südost- asien. Die EU verspricht Partnerschaft und Nachhaltigkeit, um den Rückstand europäischer Unternehmen auf Investoren aus der Region aufzuholen.

Mit dieser Publikation legt eine im Mai 2013 gebildete Arbeitsgruppe der Burma-Initiative der Stiftung Asienhaus ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit vor. Sie will damit einen Beitrag zur Diskus- sion der Rolle der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik gegenüber Myanmar leisten und darüber, ob europäische Investitionen eine Entwicklung unterstützen können, die an den Interessen der Bevölkerung orientiert ist.

Menschengerecht Sozialgerecht Umweltgerecht

Über die Stiftung Asienhaus

Die Stiftung Asienhaus setzt sich für die Verwirklichung der Menschenrechte, für die Stärkung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, sowie für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt ein. Sie fordert von Politik und Wirtschaft die Verwirklichung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards. Sie arbeitet zur Verwirklichung dieser Ziele mit zivil­ gesellschaftlichen Organisationen in Europa und Asien zusammen.

ISBN 978-3-933341-62-4 mehr unter www.asienhaus.de