Befiehl du deine Wege

Trösten und hoffen mit

Tobias Wegschaider

Autor: Tobias Wegschaider Art: Abschlussarbeit Version: - Datum Erstellung: August 2009 Seiten: 84 (inkl. Deckblatt) Copyright: IGW International

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Vorwort für Abschlussarbeiten

Vorwort Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von theologischer Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der IGW-Absolventen. Jedes Jahr werden rund 40 solche Arbeiten geschrieben. Die intensive Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende Erfahrung, bei der die Studierenden durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse ihren Horizont erweitern. Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW begrüsst darum die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit.

IGW International ist mit weit über 300 Studierenden die grösste evangelikale Ausbildungsinstitution im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für ehrenamtlichen, teil- oder vollzeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren Studienzentren in Zürich, Bern, Olten, Essen, Karlsruhe, Chemnitz und in Braunschweig. In Österreich unterstützt IGW den Aufbau der Akademie für Theologie und Gemeindebau AThG. Das IGW- Angebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und Weiterbildungen: vom Fernstudium (für ehrenamtliche und vollzeitliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner Themen) über das Bachelor-Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als Pastor) bis zum Master als Weiterbildung und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung. Im Anschluss an das Masterprogramm steht den IGW-Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit zum Weiterstudium MTh und DTh (GBFE/UNISA) offen. Weitere Informationen finden Sie auf www.igw.edu.

Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung „gut“ oder „sehr gut“ erhalten haben. Die Arbeiten stehen kostenlos auf der Website zur Verfügung (http://www.igw.edu/downloads).

Für die Schulleitung Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor IGW International; [email protected]

Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege i

INHALTSVERZEICHNIS

1. LIEDER DES TROSTES UND DER HOFFNUNG ...... 1

1.1 Vorwort ...... 1 1.2 Vorstellung der Arbeit ...... 1 1.2.1 Ansatz...... 1 1.2.2 Ziel ...... 3 1.2.3 Methodik...... 3 1.3 Bedeutung und Wirkung von Kirchenmusik ...... 4 1.3.1 Definition von Kirchenmusik...... 4 1.3.2 Die seelsorgerliche Wirkung der Psalmen...... 7 1.3.3 Das Werk von Paul Gerhardt ...... 11

2. LEBEN VON PAUL GERHARDT ...... 14

2.1 Biographischer Abriss...... 14 2.2 Wichtige Stationen seiner musikalischen, dichterischen und geistlich- theologischen Prägung und Praxis ...... 16 2.2.1 Fürstenschule St. Augustin Grimma (1622-1627) ...... 16 2.2.2 Universität Wittenberg (1628-1642/43)...... 18 2.2.3 Hauslehrer und Hilfsprediger in Berlin (1642/43-1651)...... 23 2.2.4 Pfarramt in Mittenwalde (1651-1657) ...... 24 2.2.5 Pfarramt an der Nikolaikirche in Berlin (1657-1668)...... 25 2.2.6 Pfarramt in Lübben (1668-1676)...... 26

3. BEFIEHL DU DEINE WEGE UND WAS DEIN HERZE KRÄNKT...... 28

3.1 Aufbau, Form und Sprache des Liedguts von Paul Gerhardt ...... 31 3.1.1 Textaufbau und Sprache...... 31 3.1.2 Versmaß...... 38 3.1.3 Melodie...... 38 3.2 Untersuchungen zur Theologie des Liedguts von Paul Gerhardt ...... 40 3.2.1 Trost und Hoffnung durch die alles umfassende Fürsorge Gottes ...... 40 3.2.2 Trost und Hoffnung durch Glaubensgewissheit und Glaubensfreude...... 49 3.3 Die seelsorgerliche Wirkung des Liedguts von Paul Gerhardt in der Gegenwart ...... 51 3.3.1 Trost und Hoffnung...... 51 3.3.2 Wegbegleitung ...... 52 3.3.3 Grund zur Freude ...... 53 3.4 Trösten und Hoffen mit Paul Gerhardt – ein Dreiklang...... 54

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3.4.1 Der Grundton: Klang Gottes...... 54 3.4.2 Die Terz: Klang des Lebens ...... 54 3.4.3 Die Quinte: Klang der Sprache und Musik ...... 54

4. AUSBLICK UND EMPFEHLUNGEN FÜR LIEDERDICHTER...... 55

5. BIBLIOGRAPHIE...... 56

ANHANG...... 62

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1. LIEDER DES TROSTES UND DER HOFFNUNG

1.1 Vorwort

„Schon wieder dieser Gerhardt“, geht es mir durch den Kopf… Egal ob in Gesprächen, im Gottesdienst, auf Seminaren, in Zeitungen und Zeitschriften usw., immer wieder fällt sein Name. Besonders 2007 wurde seinem Lebenswerk wieder besondere Aufmerksamkeit geschenkt – in diesem Jahr gedachte man seines 400. Geburtstags. Sogar in der dritten und damit neuesten Ausgabe des modernen Liederbuches „Feiert Jesus“, aus dem in den unterschiedlichsten Gemeinden und Kirchen gemeinsam gesungen wird, sind mehrere seiner Lieder vertreten. Wie konnte es dann auch auf dem Kongress „Geistlich Leiten – da, wo sie sind“ im Februar 2008 in Oberhausen anders sein, als dass sein Name erneut fiel. Es war eine Aussage des Theologieprofessors Michael Herbst, die mich aufhorchen ließ. Seine Worte lauteten dem Sinn nach: „Unsere Gemeindelieder erreichen mitunter nicht die Tiefe derer eines Paul Gerhardts.“ Dieser Satz setzte sich nicht nur in meinem Gedächtnis fest, sondern wie ich im Nachhinein feststellte, fiel er bereits auf vorbereiteten Boden.

Schon oft hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, warum es kaum neuere deutsche Gemeindelieder gibt, die innere Nöte und Kämpfe ausdrücken und Gott trotzdem im Zentrum haben. Die wohl ältesten überlieferten geistlichen Lieder, die Psalmen, vermitteln uns gerade ein solches Bild. In den Klageliedern, der größten Gattung der Psalmen, findet man den Psalmisten nicht nur himmelhoch jauchzend und Halleluja rufend, sondern auch zu Tode betrübt und klagend vor. Verfolgung, Anfechtung, Angst, Verzweiflung, Schwermut, Depression, Leid, Trauer, Schmerz usw. schreien aus seiner Seele zum Himmel. Selbst wenn von da scheinbar keine Antwort kommt – er hofft, findet Trost und am Ende wird Gott trotzdem gelobt. So etwas ist in unseren gegenwärtig gesungenen Liedern sehr wenig thematisiert.

Es fehlt etwas! Herbst sagt: Es fehlt die Tiefe! Die Tiefe der Lieder eines Paul Gerhardts! Doch was haben seine Lieder was andere nicht haben? Für mich gab es nur eine Möglichkeit es herauszufinden: Gerhardt auf den Grund gehen! Die folgenden Seiten möchten mehr Licht auf die Gestalt Gerhardts, sein Leben und seine Lieder werfen.

1.2 Vorstellung der Arbeit

1.2.1 Ansatz

Als ich damit anfing mich mit den Texten Gerhardts zu beschäftigen, geschah etwas. Um es mit Bonhoeffer auszudrücken, es war als sei ich „von guten Mächten wunderbar geborgen.“ Die Worte und die kunstvolle Poesie in den Versen Gerhardts besitzen eine enorme Ausstrahlungskraft und

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Tiefe, so dass es einem beim Lesen ganz warm ums Herz werden kann. Ganz stark scheint in ihnen immer wieder das tröstende Wesen Gottes durch, in dem die Hoffnung sichtbar wird, die uns Menschen in Jesus Christus geschenkt ist. Gerhardts Lieder waren es, die über Jahrhunderte hinweg unzählige Menschen, unter ihnen auch den bereits zitierten Bonhoeffer1, immer wieder aufrichteten, im Glauben stärkten und ermutigten (Bunners 2007:249ff).

Geistliche Lieder und Psalmen haben das Leben der Gläubigen schon immer stark beeinflusst. Das wird am Beispiel des Alten und Neuen Testamentes der Bibel und auch im Laufe der Kirchengeschichte deutlich. Im Ausdruck ihrer Texte und Melodien spiegelt sich die Identität der Kirche wider. Luther z.B. hat der Musik den ersten Platz nach der Theologie eingeräumt. Er sieht das Vorbild dafür bei David und den Propheten, „weil sie all das ihre in Metren und Gesängen überliefert haben…“ (Meiser 2005:15). Wer Lieder wie Gerhardt geschrieben hat, die seit über 400 Jahren Identitätspfeiler der Kirche sind, der ist zu den Persönlichkeiten zu zählen, die nach Barth „…nicht tot, sondern lebendig [sind].“ (McGrath 1997:21). „Sie reden noch und wollen als Lebendige gehört werden… Augustin, Thomas, Luther, Schleiermacher und all die Anderen…“(:21). Gerhardts Lieder ziehen, ähnlich wie die Errungenschaften der genannten Theologen, auch heute noch weite Kreise. Sie sprechen eine Sprache wahren Trostes und wahrer Hoffnung. An diesem Punkt und mit folgender Fragestellung, setzt die Diplomarbeit an:

Fragestellung

Aufgrund der noch heute gegebenen großen Resonanz der Lieder Gerhardts sind dieser Arbeit drei Fragen zu Grunde gelegt. a) Wie kam es zu seinen Liedern und warum haben sie eine solche Strahlkraft? b) Warum geben sie noch heute soviel Trost und Hoffnung und c) was können Kirchenliederdichter des 21. Jh. von Paul Gerhardt lernen? Um darauf Antworten zu finden, werden Leben, dichterische und musikalische Prägung, Theologie des Liedguts und gegenwärtige Erfahrungsberichte von Paul Gerhardt untersucht und ausgewertet.

Definition „Liedgut“

Ist im Rahmen der BA-Arbeit vom Liedgut Paul Gerhardts die Rede, dann gelten dafür exemplarisch zwei Lieder: Zum einen „Befiehl du deine Wege“ und zum anderen „Ist Gott für mich, so trete“. Die kompletten Texte erscheinen zu Beginn des dritten Kapitels. Bewusst habe ich die Ursprungsversion von 1657 gewählt, um den Bezug zur damaligen Sprache und Zeit beizubehalten. Dem Anhang der Arbeit sind die revidierten Texte beigefügt. Sie sind der aktuellen Ausgabe des Buches „Paul Gerhardt. Wach auf mein Herz, und singe. Vollständige Ausgabe seiner Lieder“, herausgegeben von Eberhardt von Cranach-Sichart, entnommen.

1 Bonhoeffer fand gerade während seiner Haft 1941-1944 Trost und Halt in den Liedern Gerhardts (Bunners 2007:254)

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1.2.2 Ziel

Die Diplom-Arbeit will u. a. zeigen, wie und warum Menschen heute noch Trost und Hoffnung in den Liedern Paul Gerhardts erfahren können. Dabei ist zu bedenken, dass man nicht unbedingt beim ersten Hinsehen oder -hören einen Zugang zu den Liedern bekommt. Um sie zu verstehen und von ihrer Strahlkraft erfasst zu werden, müssen auch gewisse Barrieren überwunden werden. Tatsache ist, dass sich Gerhardts Lieder einer poetischen Sprache bedienen und auf dem Hintergrund der Zeit, einer Kultur und eines Weltbildes von vor 400 Jahren entstanden sind. Hinzu kommt, dass ihnen biblisch-theologische und auch kirchlich-dogmatische Kenntnisse zu Grunde liegen, die zunächst einmal nachvollzogen und begriffen werden wollen. Es ist daher unumgänglich, sich umfassender mit den Hintergründen von Zeit und Geschichte, Biographie und Leben, Theologie und Frömmigkeit, Text und Melodie und Musik und Sprache Gerhardts auseinanderzusetzen. Unter diesen Aspekten dürften seine Lieder noch einmal oder gerade erst dann in einem erheblich stärkeren Licht erscheinen. Dennoch wirken sie auch unmittelbar, und es darf hier nicht der Eindruck erweckt werden, die aufgezeigte Vorgehensweise sei zwingend nötig, um einen Zugang zu Gerhardts Liedern zu finden. Das würde sein Werk in ein wissenschaftlich künstliches Licht rücken, was dem eigentlichen Kern der Sache nicht entspricht.

„Befiehl du deine Wege“ soll dazu ermutigen, sich unter den genannten Gesichtspunkten den Liedern Gerhardts zuzuwenden. Ich bin davon überzeugt, dass eine Auseinandersetzung mit dem Werk des ev. Liederdichters die Botschaft des Trostes und der Hoffnung hell aufleuchten lässt und tief in Geist, Herz und Seele hineinspricht. „Befiehl du deine Wege“ ist die ermutigende Aufforderung Gottes sich mit seinem Leben ihm ganz anzuvertrauen.

Vorrangig Kirchenliederdichter, aber auch geistliche Leiter, Pastoren und Seelsorger unserer Zeit, sollen durch diese Arbeit motiviert und praktisch dabei unterstützt werden, im Sinne von Paul Gerhardt zu trösten und Hoffnung zu geben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollen Kriterien abgeleitet werden, die aufzeigen warum solch tröstende und Hoffnung spendende Wirkung aus den Liedern Gerhardts hervorgehen. Diese Kriterien sollen Orientierungspunkte für Kirchenliederdichter unserer Zeit sein und sie inspirieren, Texte und Melodien zu schreiben, die trösten und hoffen lassen.

1.2.3 Methodik

Bei der Diplom-Arbeit „Befiehl du deine Wege. Trösten und hoffen mit Paul Gerhardt“, handelt es sich um eine Mischung aus Forschungsarbeit und Erfahrungsanalyse. Die Grenzen sind dabei fließend. Es werden hierfür zwei Haupt-Quellen betrachtet. Kapitel 2 umfasst die erste. Dort werden Biographie, dichterische, musikalische und theologische Prägung und zwei Lieder2

2 „Befiehl du deine Wege“ und „Ist Gott für mich so trete“

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Gerhardts auf Text, Sprache, Versmaß, Melodie und Theologie hin analysiert. Dabei soll ermittelt werden, welche Kriterien für die tröstende und Hoffnung schenkende Wirkung des Werkes Gerhardts ausschlaggebend sind. Kapitel 3 beinhaltet die zweite Quelle, eine Art Gäste- oder Zeugnisbuch aus dem Jahre 2007. Es enthält die Aussagen von Besuchern der Paul-Gerhardt- Kirche in Lübben, in denen ihre Erfahrungen mit den Liedern Paul Gerhardts schriftlich zum Ausdruck kommen. Die kurzen Berichte werden untersucht und thematisch geordnet. Dadurch sollen mögliche Gründe für die seelsorgerliche Wirkung der Lieder Gerhardts, die bis in unsere Zeit hineinreicht, aufgezeigt werden.

Abschließend werden die Erkenntnisse aus den beiden Forschungsbereichen bzw. Quellen Zusammengefasst und als Thesen formuliert, die in Kapitel 4 in einen Ausblick und Empfehlungen an Liederdichter münden.

1.3 Bedeutung und Wirkung von Kirchenmusik

Die Bedeutung und Wirkung von Kirchenmusik soll im Folgenden durch eine Begriffserklärung und anhand der seelsorgerlichen Wirkung der Psalmen und dem Werk Paul Gerhardts verdeutlicht werden.

1.3.1 Definition von Kirchenmusik

Die Bezeichnung Kirchenmusik hat einen weit reichenden Bedeutungshorizont. In ihr sind Kirche und Musik, zwei eigenständige Begriffe, miteinander verbunden. Beide Ausdrücke für sich sind schon äußerst facettenreich und komplex. Welch großes Ausmaß es annähme, den vollständigen Begriff in seiner ganzen Bandbreite zu erläutern, ist mir hiermit bewusst. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen! Insofern halte ich es für sinnvoll, das Hauptaugenmerk in diesem Kapitel auf das Verständnis der Kirchenmusik zur Zeit der reformatorischen Entwicklung zu beschränken. Zwei Namen sind damit untrennbar verbunden: Martin Luther und Johannes Calvin. Auch wenn dem ersten der beiden Reformatoren im Laufe der gleich folgenden Ausführungen wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommt, sei damit nicht gesagt, Luther hätte im Vergleich zu Calvin die Kirchenmusik intensiver geprägt. Letztlich geht es mir darum die Spur von Luther zu Gerhardt aufzudecken und zu verfolgen. Deshalb möchte ich auch verstärkt die lutherische Kirche in den Fokus nehmen. Paul Gerhardt war überzeugter Lutheraner. Wie stark ihn seine Theologie formte wird an anderer Stelle noch deutlich werden.3

Form und Entfaltung

Die Entwicklung der Kirchenmusik innerhalb der definierten Grenzen nach zu zeichnen, bedeutet

3 Siehe Kapitel 2.0

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 5 auf die Anfänge der reformatorischen Kirche und ihrer Gottesdienste zu blicken. So wie das Singen von Psalmen4, Lob- (Hymnen)5 und geistlichen Liedern6 im Urchristentum untrennbar mit dem Gottesdienst verbunden war (vgl. 1Kor 14, 15-26; Eph 5,19 und Kol 3,16), ist es die Kirchenmusik der lutherischen Kirche von Beginn an auch (Schrade 1993:1113).

Der Begriff Kirchenmusik umfasst zu Beginn /Mitte des 16. Jh. verschiedne Arten von Liedern. Es stellt sich daher die Frage, wie und woher sie kamen und welche Form sie hatten. Bereits im 9. Jh. mischten sich durch den liturgischen Wechselgesang, Kirchensprache und Volkssprache. Ca. 100 Jahre später entstanden daraus die sog. Leisen. Dabei handelt es sich um Vierzeiler in Reimform, die auch auf Wallfahrten und Prozessionen gesungen wurden (Doerne 1959:1458). In ihnen sind die Hauptwurzeln des deutschsprachigen Kirchenlieds zu finden. Martin Luther hat schon in jungen Jahren solche deutschen geistlichen Lieder gesungen. Er sammelte etliche von ihnen, bearbeitete sie später oder schuf sie sogar neu, um sie dann der erneuerten Kirche vorzustellen (Jenny 1983:15). Dabei erfuhr er die tatkräftige Unterstützung von Johann Walter, der sein musikalischer Berater war. Walter, Magister der Philosophie war, ein begnadeter Musiker und gilt als Begründer der evangelisch-lutherischen Kirchenmusik.

Luthers Beweggründe für die gottesdienstliche Musik waren nach paulinischem Vorbild (1Kor, 14, 15-26), Gottes Wort und die christliche Lehre auch im musikalischen Sinne zu treiben und zu üben: „Deshalb habe ich… geistliche Lieder gesammelt, um das heilige Evangelium in Schwung zu bringen, damit auch wir uns rühmen… so daß Christus unser Lob und Gesang sei…“ (Luther bei Jenny:39). Weil Luther entsprechendes Liedgut pflegte und es als bearbeitetes deutschsprachiges Gemeindelied in den ev. Gottesdienst einführte, kam die ev. Kirche zu ihren Liedern. Er war nicht nur der Erfinder des Psalmliedes (Psalmen in Reimform), sondern übertrug auch mittelalterliche Hymnen und Leisen in die Zeit der Reformation. An dieser Stelle möchte ich hervorheben, dass Luther wahrscheinlich die Psalmen in ihrer Tiefe erst verstanden hat, als er angefochten war und in ihnen Hilfe suchte (Jenny 1983:17). Dadurch muss er erkannt haben, dass Elemente wie Lob und Klage, Versuchung und Gewissheit, zum berechtigten Inhalt kirchlicher Musik gehörten. In einem bezeugten Brief kann man lesen, wie Luther Freunde darum bat, bestimmte Psalmen in Reimform zu gießen. Als Vorlage schickte er ihnen sein Lied zu Psalm 130 (:17). Das schon erwähnte Psalmlied entstand und mit ihm eine neue Liedgattung, denn: die Psalmen in solcher Form gab es

4 Es sind sowohl die jüdisch-vorchristlichen (Ps 1-150), als auch die daran angelehnten neuen Psalmen (Lk 1,47-55: Magnificat; Lk 1,68-79: Benedictus Lk 2,29-32: Nunc dimittis) gemeint (Stalmann 2001:19). 5 Im NT heißt es Lobgesänge und im Urtext Hymnen. Dabei handelt es sich um Gesänge, die im NT angegeben sind und sich an hellenistischen Hymnen orientieren. Sie beinhalten Anrufung, Prädikation (preisende Benennung) und Doxologie (Verherrlichung) (:19). 6 Unter geistlichen Liedern versteht das NT vom Heiligen Geist inspirierte Gesänge. Sie sind für den Augenblick bestimmt, jedoch konnten sie sich bei positiver Resonanz in der Gemeinde zu Psalmen oder Hymnen verfestigen.

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 6 selbst ansatzweise vorher noch nicht!

Luthers Psalmlieder hatten enorme Breitenwirkung. So kam auch Johannes Calvin in Straßburg und anderen Orten mit der Form des Psalm-Singens in Berührung. Unter seiner Federführung und Mitwirkung des franz. Dichters Clement Marot (1496-1544) entstand 1542 ein Gesangbuch mit 39 Gesängen von denen 32 Psalmübertragungen waren (Albrecht 1995:33). Calvin hat den Psalmengesang in seine Gottesdienstform fest integriert. Allerdings wurden die Lieder stets a capella gesungen. 1562 lagen die kompletten Psalmen in Liedform vor. Der Genfer Liedpsalter war entstanden. Von ihm sind die Melodien Johann Crügers, einer der wichtigsten Melodiengeber Paul Gerhardts, beeinflusst worden (Albrecht 1995:81). Bereits an dieser Stelle scheint durch, wie bedeutend das Zusammenspiel von Dichtern und Musikern (Luther/Walter; Calvin/Marot und Gerhardt/Crüger) für die Entwicklung der Kirchenmusik gewesen ist.

Theologische und liturgische Gesichtspunkte

Durch Luther wurde die Musik als wichtiges und unverzichtbares Element in den ev. Gottesdienst eingegliedert: „Ich möchte, daß wir möglichst viele Lieder hätten, die das Volk während der Messe singen könnte…“ (Luther bei Jenny 1983:15). Der Gesang hatte im Gottesdienst liturgischen Charakter, d.h. es war genau festgelegt, wann welches Lied gesungen werden sollte. Luthers Messordnung sah zwischen den beiden Lesungen ein Psalm-Lied vor, und als Antwort auf den gesungenen Lobpreis nach dem Abendmahl den sog. feststehenden Gesang (Jenny :15). Die Kirchenmusik erfüllte dabei den Sinn, auf das verkündigte Wort Gottes zu reagieren und zu antworten. Der Gemeinde sollte dadurch Sprache gegeben werden, mit der sie in das Lob Gottes einstimmen konnte. Auf diese Weise, wurde die ganze Versammlung in den Lobpreis Gottes mit einbezogen und gestaltete den Gottesdienst in aktiver Weise mit. Luther schien das allgemeine Singen im Gottesdienst eine Hilfe dafür zu sein, wodurch die Gemeinde das allgemeine Priestertum aller Gläubigen praktizieren konnte (Albrecht 1995:18).

Zwar war Luther gegenüber der Kunst im Allgemeinen aufgeschlossen und es zählten für ihn in der Kirchenmusik auch die schöpferischen Fertigkeiten, jedoch dem Lob Gottes Ausdruck zu verleihen, hatte für den Reformator neben allen anderen Künsten die größte Bedeutung (Schrade 1993:1113). Die Musik sollte dem dienen, der sie gemacht und geschaffen hat. Schrade (:1116) bringt diesen zentralen Aspekt auf den Punkt in dem er zusammenfassend erklärt: Echte Kirchenmusik wird dort erklingen, wo Gemeinde – sei sie auch noch so klein oder exklusiv – sich mit der Musik als Lob Gottes identifiziert.

Noch einmal stärker aus theologischer Sicht betrachtet, wird Kirchenmusik im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass sie an einen biblischen Text gebunden ist. Zum Kern gehörten aber auch Glaubenszeugnisse in poetischer Form, mit der sich die versammelte Gemeinde identifizieren

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 7 konnte. Wir werden später sehen, dass Gerhardt beide Aspekte meisterhaft miteinander verbunden hat.7 In Luthers „Freut euch liebe Christen gmein“ flossen auch seine eigenen Erlebnisse, die mit den Kämpfen um die Gerechtigkeit Gottes aus Klosterzeiten verbunden waren (Albrecht 1995:19). Im Zentrum der Lieder stand aber immer ganz klar das biblische Wort. Die Theologie hatte in der Kirchenmusik die Aufgabe da Richtschnur zu sein, wo Texte anfingen zu verwischen. „Schließlich sei für das Evangelium nur das Beste gut genug.“ (Schrade1993:1113). Luther war darin das große Vorbild, denn ihm ist es gelungen, biblischen Inhalt und persönlichen Glauben in Einklang zu bringen.

Musikalische Ausprägung

Luthers erste Lieder waren in einem Chorgesangbuch zu finden, das 1524 von Johann Walter in Wittenberg herausgegeben wurde. Es handelte sich dabei nachweislich um das erste evangelische Gesangbuch (Albrecht 1995:25). Die Kirchenmusik zum damaligen Zeitpunkt war so ausgeprägt, dass die Gemeinde einem Vorsänger mit ihrem Gesang folgte. Aus dem Wechselgesang zwischen Vorsänger und Gemeinde entstanden die Kirchenchöre, durch die sich wiederum die Kantoreien bildeten (Schrade1993:1113). Es bleibt hier zu erwähnen, dass die Orgel erst im 17 Jh. Einzug in die Kirchen fand und somit die Aufgabe der Liedbegleitung übernahm. Im reformierten Gottesdienst sangen die meisten Gemeinden zwar mehrstimmig, aber ohne Orgel. Nur sehr selten sind Blechblasinstrumente zur Begleitung eingesetzt worden. Calvin hatte hier nur den reinen Psalmengesang zugelassen (:1114).

Luther verstand unter Kirchenmusik eine Einheit aus Wort und Ton. Ob er einen Text zu einer vorhandenen Melodie dichtete, eine überlieferte Melodie bearbeitete oder eine ganz neue Art zu singen einführte, das Ergebnis war ein Gleichklang aus Sprache und Melodie (Jenny 1983:29). Bewusst wurden die Lieder mehrstimmig gesetzt, so dass auch die Tonlagen der Jugend mit einbezogen wurden. Für Luther war das ein wichtiger Aspekt zur musikalischen Bildung und der Entwicklung der Kirchenmusik auf ein hohes künstlerisches Niveau.

Zusammenfassung: Kirchenmusik hat ihren Ursprung in den Psalmen. Das Lob Gottes steht dabei im Mittelpunkt. So wie das Volk Gott für seine Taten gepriesen hat, versteht Luther das Singen von geistlichen Liedern als Antwortcharakter auf die Verkündigung des Wortes Gottes im Gottesdienst.

1.3.2 Die seelsorgerliche Wirkung der Psalmen

Die Psalmen waren für das Volk Israel ein wichtiger Bestandteil ihres Gottesdienstes. Sie hatten die Aufgabe, den Anbetenden mit Gott zu verbinden (Fee 2002:213). Für den wieder errichteten Tempel, waren sie das Gesangbuch und für die Synagoge blieben sie das Gebetbuch. In der

7 Siehe Kapitel 3.2.1

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 8 apostolischen Kirche entdeckte man das Leiden und die Auferstehung Christi in ihnen und verwendet sie gleichermaßen als Gebetbuch. Die Psalmen waren Kern und Inhalt des klösterlichen Stundengebets und der Liturgie der Kirche. Das Kirchenlied und neuere Lieder entspringen aus ihnen und täglich orientieren sich Christen im Gebet daran (Burkhardt 2002:1244).

Es wird deutlich, dass die Psalmen zu allen Zeiten eine zentrale Rolle im Leben der Gläubigen spielten. Was sind die Gründe, die sie zu solch einem besonderen biblischen Buch machen? Ich möchte die Antwort schon hier andeuten: Sie geben Trost und Wegweisung in Lebens -und Glaubenskämpfen (Lloyd-Jones 1985-11)! Mit den Begriffen Trost und Wegweisung ist hiermit auch die Definition für „seelsorgerliches Wirken“ gegeben, welche für die jetzt folgenden Ausführungen geltend sein soll. Hier nun vier verschiedene Aspekte der tröstenden und wegweisenden Kraft der Psalmen:

Die Psalmen ermöglichen Identifikation

In den Texten der Psalmen ist mit ausdrucksstarken Worten beschrieben, wie es um den Zustand der Seele des Schreibers steht. So z.B. in Ps 42,11 u. 12: „Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, wenn mich meine Feinde schmähen und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir?“ Worte wie diese eröffnen dem Leser bzw. Beter einen Zugang zum Inhalt des Geschriebenen und regen zum Mitdenken und -fühlen an. Plötzlich ist der Text nicht nur mehr ein Text, sondern man identifiziert sich selbst mit der Situation des Psalmisten. Solche von den Psalmen dargestellten Bilder malen uns Urbilder des Menschen vor Augen, die unsere eigenen sind (Busslinger-Stimmen1982:59). In gewisser Weise wird erfahrbar wie z.B. David (ein Mann nach Gottes Herzen) von heftigsten Lebensstürmen gebeutelt wird (Ps 69) oder nach schwerer Sünde um Gnade fleht (Ps 51), aber dennoch Geborgenheit und Vergebung in Gott findet. Oder Asaf, (u. a. Leiter des Gottesdienstes mit Chorgesang in Israel), wie er sich in Widersprüchen seines Lebens verfängt und in Selbstmitleid verfällt, am Ende dann doch durch Gottes Wahrheit befreit wird und Trost findet (Ps 73). Das Buch der Psalmen ist dicht besät mit vielen weiteren Beispielen, die nur all zu gut die Dinge charakterisieren, mit denen sich einzelne Christen und dadurch auch ganze Gemeinden noch heute konfrontiert wissen.

Indem die Worte der großen Glaubensvorbilder des Alten Testamentes auch ihre schwache, menschliche und verletzliche Seite zum Ausdruck bringen, kommen sie uns auch entgegen. Wenn solche „Heiligen“ Fehler und Schwächen zugeben und somit zeigen, dass sie in ihrem Leben und ihrer Beziehung zu Gott auch zu kämpfen haben, dann findet man sich darin leicht wieder. Dadurch werden die Psalmen schon zu einem starken Trost und Kraftspender (Lloyd-Jones 1995:9). In gleicher Weise wie ein David oder Asaf können wir dadurch die Wegweisung Gottes erfahren.

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Die Psalmen überzeugen durch Ehrlichkeit

In den Psalmen erfährt man wie die Beter mit sich selber oder zu ihrer Seele reden, ihr Herz ausschütten, ihre Probleme analysieren und sich selbst ermutigen. Hierbei ist jedoch wichtig zu verstehen, dass solche Klagen, aber auch Dank und Lob in die großen Rettungstaten Gottes an seinem Volk Israel eingebettet sind. Diese Taten prägen das Wesen der Psalmen. Somit kommt nicht einfach nur der Mensch oder ein Volk und seine Not zur Sprache, sondern die gesamte Erfahrung, die er bzw. es mit Gott gemacht hat (Pfister 1982:54). Ob sie nun vor Freude übersprudeln oder sich im Tal der Depression befinden, die Psalmisten sind mit sich selber und vor Gott radikal ehrlich. „Mein Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen? Fern von meiner Rettung sind die Worte meines Gestöhns.“ (Ps.22). „Preise den Herrn, meine Seele! Herr mein Gott, du bist sehr groß, mit Majestät und Pracht bist du bekleidet.“8 (Ps.104). Es handelt sich hier um Worte, die aufrichtig nach dem Angesicht Gottes suchen oder es schon gesehen haben. Der Psalmist reagiert auf seine Situation, indem er sich bewusst wird, mit wem er es zu tun hat. Dabei hat er schon immer das Ziel vor Augen: Gott! Er stellt nicht die Existenz Gottes in Frage, sondern „ob sich Gott lebendig zu erkennen gebe.“ (Pfister 1982:54:53).

Wenn ihm auch seine Not noch so zu schaffen macht und die Seele niederdrückt – seine Hoffnung ist Gott. Ihn redet er an, zu ihm betet er und das hebt den Deckel der Verzweiflung und der Angst, in der er eingekesselt scheint (Pfister 1982:51). Alles, aber auch alles legt der Psalmist offen vor Gott und erfährt darin wie Gott ihm nahe kommt. Darin besteht ein weiterer Grund, warum die Psalmen seelsorgerlich so wertvoll sind. Wenn wir genauso ehrlich sind, dann können wir gleiches erfahren (Lloyd-Jones 1995:9).

In der Begegnung mit Gott führen die Psalmen den Beter zur Überwindung der Anfechtung

Die Psalmen zeigen einen Weg, ja einen Prozess auf, den ein Psalmist durchläuft. Obwohl soviel Klage zum Ausdruck kommt, gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen immer einen Wendepunkt (Lloyd-Jones 1985:106; Pfister 1982:54). Dieser Wendepunkt spiegelt sich in den Worten „dennoch“ und „aber“ wider.9 Der Psalmist bleibt nicht bei seinem Problem stehen, sondern trotz aller widrigen Umstände fängt er an Gott zu danken, zu loben oder zu preisen. Jemand, der um die Güte Gottes weiß, der wendet sich, nachdem er alles Leid beklagt hat, um und wird offen für das Evangelium (Lloyd-Jones:105). Zwar ist er einen mühsamen Weg der Selbsterkenntnis gegangen, doch gerade dann, wenn er am Ende ist, öffnet sich die Tür zur Hoffnung und es kommt ein „dennoch“ oder „aber“ über seine Lippen.

8 Beide Psalmen nach der rev. Elberfelder 1984 9 In der rev. Lutherübersetzung 1984 kommt das Wort „aber“ 66 Mal und das Wort „dennoch“ 7 Mal im Zusammenhang mit einem Wendepunkt vor. Die Zahlen beruhen auf eigenen Nachforschungen, werden aber indirekt (ohne numerische Angaben) durch Aussagen von Lloyd-Jones (1985:105) bestätigt.

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Bezogen auf den Psalm 73,23ff, in dem beschrieben wird, wie der Psalmist vom Klagen zum Loben kommt, sagt Lloyd-Jones (:106): „Dieses Wort [dennoch] erstaunt und macht ganz froh.“ Es ist der Wendepunkt in einer Situation. „Gott ist dennoch Israels Trost…“, ruft Asaf, der als Verfasser von Ps 73 gilt (Stuttgarter Erklärungsbibel 2005:715). Zuvor hatte er sich über die Ungläubigen ausgelassen und ist in Selbstmitleid verfallen. Durch sein Jammern und Klagen hindurch kommt er jedoch noch zur Selbsterkenntnis: „…da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war ein Tier vor dir.“ (Ps 73,22).

Asaf bringt zum Ausdruck, dass er den ganzen Klageprozess über in Gottes Gegenwart war und es immer noch ist: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand…“ (Ps 73,23). Genau das ist der zentrale Punkt, der nicht nur in diesem Psalm die Wende bedeutet sondern fast in allen Klagepsalmen. Der Psalmist bezeugt, dass Gott ihn trotz seines uneinsichtigen Verhaltens nicht verstoßen hat, sondern ihn fest in seiner Gegenwart hält. Es bedeutet Befreiung, immer noch in der Gegenwart Gottes gewesen zu sein, auch wenn es noch so dunkel um den Psalmisten war (Lloyd-Jones 1985:107). Hiermit wird für den Beter die Dimension der Gnade sichtbar und es versetzt ihn in Ehrfurcht und Staunen vor solch einem großen und barmherzigen Gott.

Ein Psalm bietet demnach die Möglichkeit, den bereits aufgezeigten und durchlaufenen Weg des Psalmisten Schritt für Schritt mitzugehen und das zu erfahren, was er auch erfahren hat, nämlich Heilung. Es gibt kaum etwas Lohnenswerteres als die Heilung einer Seele mit zu erleben (:105).

Die Psalmen beinhalten Lehre

Diesen Weg durch das „dennoch“ möchte Gott alle Menschen in ähnlicher Weise lehren. Der Psalmist kommt nicht sofort vom Klagen zum Loben, sondern durch einen Prozess. Man kann verfolgen, wie seine Seele nicht nur Trost, sondern auch Heilung erlebt. Die Psalmen möchten anhand einer solchen Entwicklung aufzeigen, wie Gott handelt, so dass auch wir in gleicher Weise Wiederherstellung erleben können. Hier erkennen wir den Lehrcharakter der Psalmen. Lloyd Jones (1995:10) geht sogar so weit, zu sagen, dass man sich zuallererst vom Lehrinhalt des biblischen Textes unterweisen lassen sollte. Dann erst sei es gut, die Personen und ihre Schwierigkeiten genauer zu betrachten. Um Richtungsweisung aus einem Psalm zu erfahren, bedarf es, ihn auch objektiv zu betrachten und herauszufinden, was er generell vermitteln will. Ein solcher Ansatz schützt davor, sich nicht nur auf den Psalmisten und seine Erfahrungen zu fixieren und aus ihnen zu leben, sondern den engeren Sinn zu erfassen. Letztlich geht es um die Gnade Gottes. Wenn der Psalmist Heilung und Rettung aus seiner Situation erfährt, dann nur aufgrund der Gnade Gottes. Wer diesen Lehraspekt der Psalmen nicht erkennt, hat ihre Bedeutung nicht verstanden (Lloyd:108). Somit wird er für sich auch nicht die Ermutigung und Wegweisung bekommen, die ihm von Gott her zugedacht ist.

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Zusammenfassung: Die Psalmen sind ein Trostspender für den, der sich in seiner Not und mit all den dazugehörigen Gefühlen und Gedanken an Gott wendet. In ihnen wird deutlich, wie lohnenswert und heilsam es ist, vor Gott ehrlich sein Leid zu klagen. Die Erkenntnis, dass Gott den Beter trotz Leid und Klage an der Hand hält, ist der Wendepunkt in einer solchen Situation.

1.3.3 Das Werk von Paul Gerhardt

Wer kennt sie nicht, die Melodien von „Geh aus mein Herz und suche Freud“, „Die güldene Sonne“, „Lobet den Herren alle die ihn ehren“ oder „Ich steh an deiner Krippen hier“? Um die gängigsten Lieder von Paul Gerhardt zu kennen, muss man nicht einmal in der Kirche gewesen sein – zumindest wurden bis zur 75’er Generation diese Lieder im Musik-, Religions- und Chorunterricht gesungen. Neben Grimms Märchen und noch vor Luthers Bibelübersetzung gehörten sie zu den bekanntesten poetischen Texten überhaupt, äußerte sich der Lyrikforscher Hans-Georg Kemper dazu (Bunners bei Cranach-Sichart 2007:10). Wollte man das Werk Gerhardts unter einen Leitspruch stellen dann könnte er folgendermassen lauten:

Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. (Epheser 5,19-21) Wenn man von geistlichen Liederdichtern der Geschichte behaupten kann, dass sie durch ihre Lieder, viele Glaubensbrüder und -schwestern in hohem Maße ermuntert haben, dann gehört Paul Gerhardt zu den herausragenden Dichtern geistlicher Lieder.

Entstehung der Lieder: Auf den Entstehungsgeschichten der Lieder und Gedichte Paul Gerhardts scheint ein undurchsichtiger Schleier zu liegen. Außer den Jahreszahlen, in denen sie veröffentlicht wurden, gibt es keine nachvollziehbaren Hintergründe, die konkrete Entstehungsgedanken des Dichters oder die seiner Zeitgenossen belegen. Zwar begegnet man in verschiedenster Literatur, auf CDs oder im Internet so mancher ausgeschmückten Erzählung darüber, wie es zu den Liedern gekommen sein soll – sie sind jedoch rein spekulativ und legendenhaft. Anerkannte und ernstzunehmende Autoren der Gerhardt-Forschung wie Bunners, Grosse, Axmacher, Foss, Cranach-Sichart, Petrich u. a. bestätigen in ihren biographischen bzw. wissenschaftlichen Büchern, dass keine Belege für etwaige Erfahrungen und Erlebnisse zur Entstehung seiner Lieder überliefert sind. Das bestätigen auch Winrich und Beate Schefbuch (1997:228), in ihrem bereits zum siebten Mal aufgelegten Buch „Den Kummer sich von Herzen singen. So entstanden bekannte Lieder“.

Die bedeutendste Grundlage, die einen Rückschluss auf das Werden seiner dichterischen Werke zulässt, sind somit die Lieder selbst.

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Ausbreitung der Lieder: In der „“10 der dritten Ausgabe des erstmals 1647 erschienenen Gesangbuches von Johann Crüger kommt diese Begabung in 18 abgedruckten Liedern zum Ausdruck (Matthias 1993:1414; Grosse 2001:19). Gerhardts geistliche Gesänge sind in Form von alten und eigenen Weisen zunächst vom Kantor der St. Nicolai-Kirche in Berlin, Johann Crüger, und später dann von seinem Nachfolger Johann Georg Ebeling herausgegeben worden. So kam es, dass in der 10. Auflage der „praxis pietatis melica“ von Crüger, bereits 88 Lieder von Paul Gerhardt verzeichnet waren (Matthias 1993:1414; Grosse 2001:19).

In der Fülle der Gerhardt-Literatur wird immer wieder sein zurückhaltender und bescheidener Charakter erwähnt. Daraus entspringt auch die Annahme, dass es für ihn nicht wichtig gewesen sei, als großer Dichter bekannt und berühmt zu werden. So kann man vermuten, dass Gerhardt sich nicht darum bemühte seine eigenen Werke herauszugeben – dafür sorgten ja, wie gesehen andere. Doch Kurt Ihlenfeld (1964:115) wirft die Frage auf, ob er nicht schon vor der Veröffentlichung der Praxis von Crüger 1648, seine Lieder als Flugblätter unter die Leute gebracht habe. Schon Luther nutzte zu Beginn der Reformation die Möglichkeit auf diesem Wege Schriften zu verbreiten, um die Menschen in den neuen geistlichen Aufbruch der Kirche mit hinein zu nehmen (Jenny 1984:16).11 Sollte also nicht auch Gerhardt die Vorteile einer solchen Vorgehensweise beansprucht haben, um viele Menschen aufgrund der Kriegsauswirkungen zu trösten? Eindeutig zu belegen, ist diese Aussage nicht, wenngleich eine Zusammenarbeit von Gerhardt und Crüger darauf schließen lässt, dass bei einer gezielten Verbreitung der Lieder auch das Engagement des Liederdichters beteiligt war.

Georg Ebeling war es 1667, der insgesamt 120 Lieder als „Paul Gerhardts Geistliche Andachten“ zusammen fasste und veröffentlichte. Ebeling war neben Crüger der bedeutendste Komponist und Melodienschöpfer der Lieder Gerhardts. Nach neuestem Stand der Forschung liegen uns heute 139 deutsche Lieder und Gedichte von Paul Gerhardt vor (Bunners 2007:121). Zwar gibt Grosse 2001 eine Zahl von 137 an, jedoch konnte Bunners weitere zwei Gedichte, die bis dato unbekannt waren, Gerhardt zuordnen. Von ihnen haben 40 eine bis in die heutige Zeit tief greifende Wirkung. Ein Grund dafür ist u. a., dass Gerhardts Liedschatz thematisch weit gefächert ist. Somit ist es auch legitim zu behaupten, seine Lieder könnten ein eigenes Gesangbuch bilden oder wären ein Gesangbuch im Gesangbuch (Matthias 1993:1414; Swarat 1993:1250). Seit 1993 befinden sich im

10 Die lateinischen Worte bedeuten: Übung der Gottseeligkeit im Gesang. Der komplette Text des Titelblattes von Abbildung 1 heißt: „Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen, Herrn Doc Martini Luther führnehmlich wie auch anderer vornehmer und gelehrter Leute: Ordentlich zusammen gebracht und über vorige Edition mit gar vielen schönen neuen Gesängen (derer insgesamt 500) vermehret: Auch zur Beförderung des so wol Kirchen- als Privat=Gottesdienstes mit beygesetzten Melodeyen nebst dazu gehörigem Fundament verfertiget Von Johann Crügern…“ (Becker 2001:546). 11 Seitdem die Buchdruckkunst erfunden war, verbreitete man üblicherweise Helden- und Schlachtenlieder, aber auch Lebensbeschreibungen von Heiligen und Märtyrern in Liedform als Flugblätter.

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„Evangelischen Kirchengesangbuch (EG)“ 26 12 Lieder von Paul Gerhardt, womit er dort nach Luther der am meisten vertretene Liederdichter ist. Geht es um die Anzahl der Strophen im „Evangelischen Kirchengesangbuch“, dann übertrifft Gerhardt mit 289 weit die von Luther, der mit 143 zu Buche steht.

Erstaunlich ist, dass sich Gerhardts Werk auch über konfessionelle Grenzen hinweg verbreitete hat. Sowohl in den evangelischen Freikirchen und kirchlichen Gemeinschaften, als auch in der katholischen Kirche wurden sie in die entsprechenden Gesangbücher übernommen und finden somit bis heute Anklang. In einer von Bunners (2007:122) thematisch angeordneten Übersicht13 der Lieder fällt auf, dass mit einer Anzahl von 24, den meisten Paul Gerhardt Liedern das Thema „Kreuz und Trost“ zu Grunde liegt. Dazu zählen allein neun Psalmlieder14, „Ist Gott für mich so trete“, „Warum sollt ich mich denn grämen“ und viele mehr (Cranach-Sichart 2007:206-283). Wir sehen, dass wir es mit einem der einflussreichsten Dichter geistlicher Lieder überhaupt zu tun haben, zumal seine Lieder selbst in weiten Teilen der Welt erklingen.

12 In verschiedenen regionalen Ausgaben des „Evangelischen Kirchengesangbuches“ sind bis zu vier weitere Texte Gerhardts enthalten (Bunners 2007:215). 13 Siehe Anhang 14 nach dem 13., 27., 37., 42., 52., 62., 73., 85. und 93. Psalm

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2. LEBEN VON PAUL GERHARDT

2.1 Biographischer Abriss

1607: Paul Gerhardt wird am 12. März in Gräfenhainichen, einer Provinzstadt des Kurfürstentums Sachsens, geboren. Schon vor dem Augsburger Religionsfrieden15 1555, war Sachsen stark lutherisch geprägt.16

Der Vater Christian Gerhardt kam aus einer bäuerlichen Familie, betrieb selber Ackerbau, einen Ausschank und war einer der drei Bürgermeister der Stadt. Die Mutter Dorothea hingegen entstammte einer Pfarrfamilie, in der ihr Vater den Titel des Magisters trug und Superintendent war.17 Paul Gerhardt hatte einen Bruder und zwei Schwestern.

ca.1614: Schon in der Stadtschule von Gräfenheinichen lernt Paul Gerhardt Latein und war am gottesdienstlichen Gesang beteiligt.

1616: Die Eltern lassen ihre beiden ältesten Söhne Christian und Paul im Studentenverzeichnis der Universität Wittenberg registrieren.

1618: Der „30-jährige Krieg“ bricht aus.

1619: Paul Gerhardts Vater stirbt. Zwei Jahre später erleidet er den ebenso schmerzlichen Verlust der Mutter.

1622: Gerhardt kommt an die Fürstenschule nach St. Augustin nach Grimma.

1625/1626: Die Folgen des 30 jährigen Krieges wirkten sich nun auch in Sachsen aus. Es kommt in Grimma zu einer Seuche und später auch zur Pest.

15 Durch den Reichstagsbeschluss in Augsburg wurden die Kämpfe zwischen römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kräften beigelegt und das Luthertum anerkannt. Es gilt nun Religionsfreiheit für die fürstlichen und städtischen Obrigkeiten, also für die Reichsstände nach dem Prinzip „wer herrscht bestimmt die Konfession der Untertanen“. (Lexikon der Weltgeschichte 1977:140). 16 Das 17. Jh. wurde auch das Zeitalter des Konfessionalismus (lat. „confessio“Bekentnis) genannt, da sich verschiedene private und gemeinschaftliche Lebensräume mit unterschiedlichen Frömmigkeitsausprägungen und christlichen Bekenntnissen herangebildet hatten. Nicht nur das dazugehörige Luthertum sondern auch die röm. Katholische Kirche so wie der Calvinismus beanspruchte innerhalb seiner Konfession den wahren richtigen Glauben zu lehren. Paul Gerhardt wurde also in eine Zeit hineingeboren, in der die Theologien kämpfende Theologien waren (Bunners 2007:17). 17 Caspar Starcke, so der Name von Gerhardts Großvater mütterlicherseits, war in der Ausübung seines pastoralen Amtes ein treuer Verfechter des Luthertums. So hielt er auch bei aufkommenden Lehrstreitigkeiten zwischen reformierten und lutherischen Kräften am Inhalt der Bekenntnisschriften Luthers fest, was für ihn und etliche Gleichgesinnte zu einer zwischenzeitlichen Amtsenthebung führte (Bunners 2007:17). Der Familie Gerhardt wurde von Seiten Starckes somit Treue zum Luthertum vorgelebt. Das dürfte nicht bedeutungslos für die geistige und geistliche Prägung Paul Gerhardts gewesen sein.

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1627: Mitte Dezember verlässt der nun 20 jährige Gerhardt, nach erfolgreicher Abschlussprüfung, die Fürstenschule.18

1628: Paul Gerhardt setzt den bereits vorgezeichneten akademischen Weg seiner beruflichen Ausbildung fort und nimmt seinen Platz als Student an der Universität in Wittenberg ein.

1634: Im Hause des Archidiakones (die führende Pfarrstelle neben der des Diakons) der Wittenberger Stadtkirche übt Gerhardt Lehrtätigkeiten19 aus.

1640: Die grausamen Kriegsgeschehnisse20 und ihre Auswirkungen zur Zeit Gerhardts waren nicht die einzige Not mit der er konfrontiert war. Der Stadtbrand von Wittenberg zerstörte viele Existenzen und traf die Bürger Wittenbergs schwer. Man vermutet, dass aus Gründen persönlicher Betroffenheit über das große Feuer und die verheerenden Folgen des Krieges, Gerhardts erste Lieder entstanden sind (Petrich bei Grosse 2007:17; Bunners 2007:31).

1641: Paul Gerhardt ist nach wie vor Theologiestudent. Offenbar hat er sehr gründlich studiert, was der Gehalt an Weisheit in seinen Liedern und die „später führende theologische Position in Berlin“, so Bunners (2007:30), zeigt.

1642/1643: Um diese Zeit hält sich Gerhardt in Berlin auf, wo er als Hauslehrer in der Familie des Kammergerichtsdieners Andreas Berthold als Hauslehrer arbeitete. Er ist immer noch Student.

1643-1647: In diesem Zeitabschnitt kam es zur Begegnung mit dem Berliner Kantor Johann Crüger.

1647: Bereits 18 Gerhardt-Lieder finden sich in der der „praxis pietatis melica“ Crügers wieder.

1648: Der Westfälische Frieden wird besiegelt

1651: Im Alter von 44 Jahren wird Paul Gerhardt als Probst nach Mittenwalde im Markgrafentum Brandenburg berufen. Er wurde dafür in der Berliner Nikolai Kirche ordiniert und gegenüber den lutherischen Bekenntnisschriften verpflichtet.

18 Seine Lehrer bescheinigten ihm im Zeugnis, dass er ein gewissenhafter und sorgfältiger Schüler war. Das Anfertigen von schriftlichen Arbeiten habe er beherrscht und seine lateinischen Gedichte seien erträglich gewesen (Rödding 2006:32). 19 Zur damaligen Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass in wohlhabenden Familien Hauslehrer für die schulische Erziehung und Bildung der Kinder angestellt waren. Für viele Studenten ohne feste Anstellung bedeutete dies eine Möglichkeit sich finanziell über Wasser zu halten. 20 Als Ursache einer stets wechselhaften Politik gegenüber den führenden Mächten, bekam das Kurfürstentum Sachsen nun besonders stark die Auswirkungen des noch immer tobenden Krieges zu spüren. Besonders schlimm betroffen war dadurch Gräfenhainichen – Paul Gerhardts Heimatort. Die unter der Führung von Gustav Adolf einmarschierte schwedische Armee, hatte die Stadt geplündert und in Brand gesteckt. Das Anwesen der Gerhardts war davon auch betroffen. Noch im gleichen Jahr starb sein Bruder an den Folgen der Pest, die mit einer Hungersnot einhergehend vielen weiteren Einwohnern der Stadt das Leben kostete.

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1653: Bereits die 5. Auflage der „praxis pietatis melica“ von Crüger erscheint. Erweitert wurde sie mit 58 neuen Liedern Paul Gerhardts, unter denen sich auch „Befiehl du deine Wege“ und „Ist Gott für mich so trete“ befanden. Insgesamt waren dadurch 82 Gerhardt-Lieder veröffentlicht.

1655: Im Alter von 48 Jahren heiratet Paul Gerhardt Anna Maria Berthold in Mittenwalde.

1656: Das erste Kind, eine Tochter wird geboren. Sie stirbt aber schon nach acht Monaten. Insgesamt hatten Paul und Anna Maria Gerhardt fünf Kinder, von denen im Zeitraum von neun Jahren vier sterben.

1657: Paul Gerhardt wird als Diakonus (Pfarrer) nach Berlin St. Nikolai berufen.

1660: Paul Gerhardt muss sich im Religionsstreit von Berlin behaupten.21

1666: Die Konsequenz des Religionsstreites bedeutet Gerhardts Amtsenthebung.

1667: Am 12. März erscheinen Ebelings „Geistliche Andachten“22 Gerhardt lehnt aus Gewissensgründen das Angebot zur Weiterführung seines Amtes in St. Nikolai ab.

1668: Schwer trifft Paul Gerhardt der Tod seiner Ehefrau Anna Maria. Was ihm bleibt ist sein sechsjähriger Sohn Paul Friedrich.

1669: Zusammen mit seinem Sohn und seiner Schwägerin zieht Gerhardt nach Lübben in Kursachsen zurück. Dort kann er sein Amt als Pfarrer weiter ausüben.

1676: Am 27. Mai stirbt Paul Gerhardt. Er wird in der Lübbener Kirche begraben.

Zusammenfassung: Paul Gerhardt hatte aufgrund der uns überlieferten Lebensdaten ein bewegtes Leben. Ein roter Faden, der sich durch seine Geschichte zieht ist erkennbar: Seine Prägung durch die lutherische Orthodoxie und Kirchenform der Reformation. Wie man sieht, war er auch mit viel Leid konfrontiert. Nicht nur mit persönlichem, sondern auch mit den Krisen seiner Zeit. All das sind Gründe, die nach Trost und Hoffnung verlangen.

2.2 Wichtige Stationen seiner musikalischen, dichterischen und geistlich- theologischen Prägung und Praxis

2.2.1 Fürstenschule St. Augustin Grimma (1622-1627)

Geistliches Leben und Theologie: Wie der Name der Schule St. Augustin vielleicht schon verrät,

21 Siehe Kapitel 2.2.5 22 Siehe Kapitel 1.3.3 Ausbreitung der Lieder.

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 17 war die fürstliche Lehranstalt ein ehemaliges Augustinerkloster.23 Der Tagesablauf war streng in Unterrichts-, Andachts- und Essenszeiten unterteilt. Freizeit gab es kaum. Beim Essen wurde aus der Bibel vorgelesen, denn man sollte den ganzen Tag Gott vor Augen haben.

Zulassungsvoraussetzung für den Übertritt war es, u. a. die Erklärungen des lutherschen Katechismus in lateinischer Sprache auswendig zu können (Bunners 2007:24). Die Zielsetzung aller damaligen Fürstenschulen Sachsens – insgesamt waren es drei an der Zahl – lautete: ‚darinnen die Jugend zu Gottes Ehren und im Gehorsam erzogen, in den Sprachen, den Künsten und vornehmlich in der Heiligen Schrift gelehrt und unterwiesen werde, auf daß es mit der Zeit an Dienern der Kirche und anderen gelehrten Leuten in unsern Landen kein Mangel gebe’ (Bunners :22). Wie aus dieser Formulierung hervorgeht, bestand das Fundament des lutherischen Bildungswesens aus einer engen Verknüpfung von klassischer Bildung, Bibelstudium und Frömmigkeitserziehung.24 Unter Frömmigkeit verstand man damals nicht unbedingt die Art und Weise wie der Einzelne geistlich lebte, sondern dass man die biblisch-reformatorischen Wahrheiten und Lehren bejahte (:26). Auf diese Weise sollten die aus der Reformation neu gewonnenen theologischen Erkenntnisse bewahrt und überliefert werden.

St. Augustin war unter dem Einfluss der lutherischen Rechtgläubigkeit, durch die ja Gerhardt schon innerhalb seiner Familie gefärbt wurde, ein kräftiger Nährboden für seine geistliche und theologische Entwicklung. Aufgrund des sehr gut organisierten und durchdachten Bildungssystems Kursachsens, wurden die Schüler und Studenten Schritt für Schritt und sehr gründlich auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet. Gerhardt schuf sich, wie schon in seinem Lebenslauf erwähnt, durch seinen Fleiß, einen starken Willen und das nötige Durchhaltevermögen die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Theologiestudium.

Dichtung: Aufgrund der vorherrschenden lutherischen Bildungsphilosophie, die den Erwerb von Sprachkompetenz besonders betonte, wurde Gerhardt hauptsächlich in Latein, Griechisch und auch Hebräisch unterrichtet. Die Dichtkunst spielte dabei eine bedeutende Rolle. Sie diente dem Zweck, wichtige Lehrinhalte theologischer, aber auch humanistisch-philosophischer Art zu vermitteln und aufrecht zu erhalten. Zur Zeit des Barocks war das Präsentieren von Gedichten und Liedern zu besonderen Anlässen Gang und Gäbe und deshalb eine beliebte Ausdrucksform. Dazu war vor

23 Während der Reformation gingen alle klösterlichen Besitztümer an die Fürsten über. Der damalige Kurfürst Sachsens, Moritz, finanzierte nicht nur die evangelischen Pfarreien und Stadtschulen, sondern auch drei sächsische Fürstenschulen. Moritz war es ein großes Anliegen das lutherisch gewordene Sachsen sowohl politisch als auch geistlich zu einem starken Kurfürstentum zu entwickeln. Dafür brauchte er gut gebildete Führungs- und Verwaltungskräfte. Aus den damaligen drei Fürstenschulen Sachsens gingen bedeutende Dichter-Persönlichkeiten wie Friedrich Gottlieb Kloppstock, Gotthold Ephraim Lessing und eben auch Paul Gerhardt hervor (Bunners 2007:22). 24 Zur Hauptsache hat Phillip Melanchthon, der Freund und Mitstreiter Luthers, dieses Bildungskonzept entwickelt und zum pädagogischen Programm gemacht (Bunners 2007:24).

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 18 allen Dingen eine rhetorische und sprachliche Kompetenz erforderlich. Diese Fähigkeit sollte den Schülern vermittelt und eingeprägt werden.

Durch die angewandten Methoden, nach denen damals unterrichtet wurde, lernten die Gymnasiasten von St. Augustin Inhalte entsprechender Themengebiete zu modifizieren, ohne dabei ihren ursprünglichen Sinn zu verändern. Solche Imitationen oder Modifikationen wurden bereits im zweiten Unterrichtsjahr auf Prosa und Poesie angewandt. In Gerhardts späteren lateinischen Gedichten spiegelte sich die Technik solcher Übungen wider (Bunners 2007:27):

Schon als Schüler zu Grimmaer Zeiten lernte Gerhardt höchstwahrscheinlich die sieben Passionssalven (dichterische Leidens Betrachtungen)25 aus der lateinischen Dichtung des Mittelalters kennen. Später sollten sie ihm als Vorlage für eigens kreierte Passionslieder dienen, aus denen eines seiner berühmtesten Werke „O Haupt voll Blut und Wunden“ entstand (Heine 1999:28). An dieser Stelle ist es interessant festzustellen, dass im Gegensatz zu den ursprünglichen Passionssalven, die den Zweck der Meditation und der Anrede des gekreuzigten Christus hatten, Gerhardt mit seinen Leidens-Liedern, den Christen Trost und Ermahnung schenken wollte (Grosse 2001:242). Daran wird deutlich, dass die Unterrichtsmethodik der Imitation und Modifikation, einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung der Liedtexte Paul Gerhardts hatte.

Musik: Als Paul Gerhardt die Fürstenschule in Grimma besuchte, war der Kantor Helmini für den Musikunterricht zuständig. Vier Mal in der Woche unterwies er seine Schüler im Chorgesang. Dabei wurden lateinische Hymnen sowie neuere und ältere Kunstmusik einstudiert und gesungen. Auch die musikalische Gestaltung der Klostergottesdienste war eine regelmässige Aufgabe des Schulchors. Die Gymnasiasten von St. Augustin sollten durch den praktischen Bereich des gottesdienstlichen Singens ihre Bildung und persönliche Religiosität verbinden können. Dadurch verwirklichte sich Luthers und Melanchtons Idee, die Musik zum einen als Übung zu nutzen, die lateinische Sprache zu trainieren und zum anderen die Frömmigkeit im Alltag und Gottesdienst zu beleben. Der Rektor der Fürstenschule betonte schon in seinen Unterrichtsanweisungen, dass nicht nur mit der Stimme, sondern mehr mit dem Herzen gesungen werden sollte (Bunners 2007:27). Damit ist angedeutet welch grundlegende Rolle die Musik im damaligen Bildungswesen spielte.

2.2.2 Universität Wittenberg (1628-1642/43)

Paul Gerhardt begann sein Theologiestudium an der Universität in Wittenberg26 zu einer Zeit, in

25Die Passionssalven stammen dem neuesten Stand der Wissenschaft nach mit größter Wahrscheinlichkeit von Arnulf von Löwen (um 1200-1250). Er war ein Zisterziensermönch, der im Frömmigkeitsstil zurückgehend auf Bernhard von Clairvaux gelebt hat (Heine 1999:27). 26 Die von Kurfürst Friedrich dem Weisen gegründete Universität zu Wittenberg erreichte seine erste Blüte, als Martin Luther dort 1512 zu lehren begann. Durch den Reformator und seinen Mitstreiter Melanchthon war sie zu diesem Zeitpunkt zu einer „Leuchte der Wissenschaft“ geworden (Bunners 2007:31).

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 19 der man intensiv versuchte, den Geist der Reformation aufrecht zu erhalten. Die 100 Jahrfeier zum Gedenken an die Augsburger Konfession und den zuvor geschehenen Aufbrüchen kirchlicher Erneuerung durch Luther, setzte einen Massstab für alle weiteren Feste zur Kultivierung des Luthertums. Durch sie wurde der Anspruch geltend gemacht, dass die wahre Kirche sich in der Lutherischen Kirche verwirkliche (Stegmann 2008:20). Paul Gerhardt dürfte diesen Gedanken fest verinnerlicht haben, denn später verteidigte er rigoros diese Haltung gegenüber der calvinistisch gestimmten Fürstenhoheit.

Theologie und Dichtung: Um die weitere theologische und dichterische Prägung Gerhardts darzustellen, sollen die Rahmenbedingungen des Studiums der Theologie an der Universität in Wittenberg genauer unter die Lupe genommen werden. Da über direkte Zusammenhänge zwischen Gerhardt, seinen Dozenten und damaligen Studieninhalten nichts überliefert ist, kann seine Prägung hauptsächlich an dem gemessen werden, bei wem ein Student zur damaligen Zeit in Wittenberg studierte (Stegmann 2008:16). Hier nun einige wichtige Persönlichkeiten, die Gerhardt beeinflussten:

Nicht unwesentlich hat der Theologe Leonhard Hutter zwischen 1563 und 1616 zu einem Aufschwung an der Universität in Wittenberg beigetragen. Das Luthertum war durch das Konkordienbuch27 gefestigt worden und Hutter war maßgeblich daran beteiligt die Universität Wittenberg in diesem Sinne umzustrukturieren. Er verfasste wie andere auch, ein Kompendium mit richtungweisenden Schriften zur Weiterentwicklung der lutherisch theologischen Lehre.

Von 1629 an war Johann Hülsemann als Professor der Theologie in Wittenberg. Er wandte sich strikt gegen den Versuch, zwischen lutherischer und reformatorischer Theologie einen Konsens (Übereinstimmung) zu finden, was richtungweisend für das Luthertum war. Im Fach der Kontroverstheologie mussten sich die Studenten mit seinen klaren lutherischen Ansichten auseinandersetzen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Paul Gerhardt dadurch das lutherisch orthodoxe Verständnis nach außen hin zu verteidigen lernte. Aus einer den Quellen nach belegten Disputation (wissenschaftliches Streitgespräch) von ihm, lässt sich der Rückschluss ziehen, dass der damalige Theologiestudent mit den grundlegenden Kenntnissen der Logik und Dialektik

27 Das Konkordienbuch beinhaltete u. a. den großen und kleinen Katechismus und die Konkordienformel. Durch die Konkordienformel 1577 versuchten die Lutheraner einerseits die calvinistischen Thesen zu widerlegen und andererseits innere Streitigkeiten beizulegen. Inhaltlich waren darin die Lehren über das Abendmahl, Taufe, Prädestination (Erwählung) und den Gottesdienst fixiert (Venard 1992:325/326). Zunächst entwickelten sich in einzelnen Kurfürstentümern umfangreiche Lehrartikel, bis es schließlich durch eine Theologenkommission zur einheitlichen und endgültigen Konkordienformel kam. Sie gingen vom sächsischen und brandenburgischen Kurfürsten und vom würtembergischen Herzog an alle evangelischen Reichsstädte. Dort sollten ihr sämtliche Pfarrer und Lehrer per Unterschrift zustimmen. 1580 wurde dann mit dem sog. Konkordienbuch ein fortan überregional verbindliches Schriftwerk mit gültigen Bekenntnissen und Lehren veröffentlicht (Hauschild 1999:424).

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 20 vertraut war und sie auch praktisch anwenden konnte (Stegmann 2008:36). Interessanterweise werden darin auch Aussagen gemacht, die zeigen, wie Gerhardt über das „Christ -sein“ denkt: Bekenntnis und Taufe seien für ihn demnach wichtige äußerliche Bedingungen, doch der wesentliche Kern des christlichen Lebens „…müsse sich an inhaltlichen Dingen messen lassen, nämlich am Glauben und Leben des Christen.“ (:39) Wie klar und deutlich eine solche Aussage doch das dogmatische Verständnis Gerhardts zum Ausdruck bringt!

Zurück zu Hülsemann. Trotz der durchklingenden Neigung für die Auseinandersetzung mit der Kirchen- und Dogmengeschichte als wichtiges Element des Theologiestudiums in Wittenberg, stand für den damaligen Theologieprofessor das Bibelstudium im Zentrum theologischen Arbeitens. Das Ziel war es, in diesem Sinne durch Wissen und Verstehen dem anderen zu dienen. Für den Studienablauf im theologischen Fachbereich der Universität traf er eine gründliche und vielfältige Literaturauswahl. Sie beinhaltete biblische Kommentare, fundamentale theologische Schriften, Bücher, in denen Theologien kontrovers diskutiert wurden und Werke zum praktisch geistlichen Leben (Bunners 2007:34). Zu ihnen gehörten das Kompendium von Hutter, aber auch Erbauungsschriften des Theologen Johann Gerhard, der zwischen 1582 und 1637 gewirkt hatte. Zusammenfassend wird deutlich, dass Studenten unter Hülsemann, und dazu dürfte Paul Gerhardt gehört haben, sich Exegese, Dogmatik und Kontroverstheologie gründlich aneignen konnten (:43). Paul Gerhardts biblisches Verständnis wurde in Wittenberg mit Sicherheit stark vertieft und scharf ausgeprägt.

Zu Gerhardts Zeit hatte auch Paul Röber einen Lehrstuhl in Wittenberg inne. Röber war vor seiner Berufung zum Professor in Wittenberg als Archidiakon tätig und kam somit aus der Praxis. Wesenszüge die Bunners (:35) von Röber überliefert, könnten auch bei Gerhardt gefunden werden: So seien beide auf Einheit in der Lehre bedacht, dabei aber liebevoll, um geistliches Leben bemüht und hochgeschätzt, voller fester Theologie und persönlicher Wärme in ihrer Rede, rhetorisch gewandt und bildhaft in der Sprache. Bunners (:35) berichtet von Röber, dass er bei der Ankündigung einer Vorlesung über eine Reihe von sprachvermittelnder Methoden in der Bibel und für die kirchliche Praxis betonte, wie wichtig es sei, unterschiedliche Kommunikationsformen zu entwickeln, durch die das Evangelium vermittelt werden könne. Dazu zählte er Formen wie Briefe, Lieder, Gleichnisse, Allegorien, Geschichten, Prosa oder auch Poesie. Durch solche spräche der Heilige Geist (:35). Auch wenn eine direkte Verbindung zwischen Röber und Gerhardt nicht nachweisbar ist, so kann man dennoch, wie auch im Falle Hülsemanns, davon ausgehen, dass ein Student zu Gerhardts Zeiten von der Art und Weise, wie Röber Theologie lehrte, beeinflusst wurde. Seiner Person wird eine große Anziehungskraft nachgesagt, was die vielen Einträge als Pate in einem Wittenberger Taufbuch untermauert (Petrich 1907:32). Seine Predigten seien nicht nur bei den Studenten begehrter Stoff zum Nachschreiben gewesen, sondern auch für die Ohren der unterschiedlichsten Leute aus allen Schichten. Nach solchen Schilderungen ist es schwer zu glauben, dass eine Prägung Gerhardts von Röber ausgeschlossen sei, zumal er auch noch ein

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 21 musikalischer und dichterisch versierter Mensch war. In welchem Ausmaß das auf Gerhardt abgefärbt haben könnte, ist nicht zu sagen. Doch, dass eine Person wie Röber, der eine lyrisch künstlerische Ader hatte und noch dazu eine lebendige Frömmigkeit an den Tag legte völlig an Gerhardt vorbei gegangen ist halte ich angesichts des großen Einflusses die er auf sein Umfeld hatte, für unmöglich.

An dieser Stelle soll in einem Exkurs über Johann Arndt, ein weiterer prägender Theologe unmittelbar vor Gerhardts Zeit (1555 – 1621) genannt werden, der zwar nicht zu Lebzeiten Gerhardts wirkte, aber zur damaligen Zeit als einer der einflussreichsten Dogmatiker im Luthertum galt: In seiner Grabschrift wird er als ‚Liebhaber des inneren Christentums’ bezeichnet (Petrich 1907:185). Arndts Sicht der Dinge gegenüber dem Protestantismus waren zu seiner Zeit durchaus kritisch. So bezeichnete er die evangelischen Christen als verweltlicht. Zwar hätten sie die Wahrheit gefunden und sie als ihr Gut angenommen, wollten sich aber durch sie nicht verändern lassen. „Dem einzelnen Christen fehle die persönliche innere Erfahrung, durch die allein die Lehre sinnvoll angeeignet werden könne, und sein Leben zeige zu wenig von den ethischen Konsequenzen, die sich aus der innerlich angeeigneten Lehre ergeben müsse.“ (Axmacher 2001:2) Arndt versuchte diesem Missverhältnis durch seine Schriften, den vier Büchern vom „Wahren Christentum“ entgegen zu wirken. Er gilt mit dieser Auffassung als der theologische Denker der den Weg zum Pietismus ebnete. Seine verfassten Schriften leisteten einen Beitrag zur Erbauungsliteratur, die zu den meistgelesenen des Luthertums zählten (Axmacher 2001:XI). Unter Arndts Veröffentlichungen befindet sich ein kleines Gebetsbuch mit dem Namen Paradiesgärtlein. Der zweite Teil des Buches enthält neun Passionsgebete. Sie dienten Paul Gerhardt als Vorlage für insgesamt sechs Liedneudichtungen.

Infolge des Wittenberger Stadtbrandes entstanden um das Jahr 1642 eine Anzahl von Trost- und Bußpredigten. In ihnen wird deutlich, wie damals Leidsituationen überwunden wurden. Dabei spielte nach Stegmann (2008:24) die Dichtung keine so große Rolle. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand die Predigt, die nach gegebenen theologischen Regeln erfolgte. Der Prediger hatte die Aufgabe, die biblische Botschaft anschaulich, auf praktische Weise und mit

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 22 fachtheologischer Kompetenz zu vermitteln. Auf diesem Weg und nicht vorrangig durch geistliche Dichtung wurde die lutherische Theologie und Frömmigkeit manifestiert.

Gegen diese Ansichten Stegmanns sprechen folgende Ausführungen über die „praxis pietatis melica“: Wie schon definiert, bedeutet der lateinische Begriff des Liederbuches von Herausgeber Johann Crüger – Übung der Frömmigkeit im Gesang. Mit dem Wort „Übung“ sagt Crüger aus, wie notwendig es ist, geistliches Leben und Glaube im Alltag zusammen zu entwickeln (Bunners 2007:44). Mit geistlichem Leben setzt er Konzentration, Meditation, Gebet und Gesang gleich. Aus Crügers Sicht ging es darum, diese Disziplinen in das Alltagsgeschehen einfließen zu lassen, was wiederum ihrer Prägung, Einübung und Gewöhnung bedarf. Sein Anliegen war es somit, in der Tradition Luthers, das zu fördern. Dies galt in musikalisch vielseitiger und ausgeprägter Weise sowohl für den Gottesdienst, als auch für das individuelle Liedersingen im Glaubensalltag, in dem die privaten Hausandachten dafür einen Rahmen bildeten. Darin werden drei Gesichtspunkte deutlich, die für Bunners (:44) als entscheidende Kriterien für die Wirkkraft der Lieder Gerhardts gelten: a) Die Tatsache, dass sie für den öffentlichen Gottesdienst gedacht sind, b) für die „private Andacht“ und c) eine künstlerische Motivation dahinter steckt.

Christian Bunners zeigt anhand von Hartmut Lehmann, dass Paul Gerhardt in Verbindung mit Johann Crüger durchaus gezielte Absichten hatte seine Lieder zu verbreiten. Crüger hatte wie Gerhardt seine Wurzeln in der lutherischen Orthodoxie. In gleicher Weise zeigten sich beide mit einer damals aufkommenden Frömmigkeitsbewegung verbunden, in der man sich danach ausstreckte, den Glauben zu erleben (Lehmann bei Bunners 2008:214). Crüger und Gerhardt stimmten in musiktheologischen Ansichten weitgehend überein und beabsichtigten durch ihr geistliches Liedschaffen, die Kirche während und nach der Periode des Krieges innerlich wieder aufzurichten (:214).

Wie wir später sehen werden, ist Gerhardts Liedgut wie Predigten aufgebaut. Dahingehend mag Stegmann mit seiner Beurteilung richtig liegen, dass es für Theologiestudenten zu Gerhardts Zeit in Wittenberg darum ging, in erster Linie das Predigen zu lernen. Jedoch hatte, wie bei Bunners und Lehmann gesehen, die geistliche Dichtkunst eine prägende Rolle dabei gespielt. Auch gilt zu bedenken, dass Luthers und Melanchthons Bildungskonzept die Künste, zu denen auch die Musik und die Poesie zählte, eine sehr wichtige Rolle in der Evangeliumsverkündigung spielten. Diese Tradition, war nach 100 Jahren nicht gebrochen, sondern sie unterzog sich sogar einer Weiterentwicklung, wie die enge Zusammenarbeit zwischen Gerhardt und Crüger zeigt. Seine Lieder haben in nicht wenigen Strophen homiletischen Charakter28. Aufgabe des Predigers ist es Lehre und Trost zu vermitteln (Stegmann 2008:60). Crüger und Gerhardt wollten auch Trost vermitteln, und nutzten dazu die Dichtkunst und die Musik.

28 Siehe Kapitel 3.1.1 Textaufbau und Sprache: Das Lied „Befiehl du deine Wege“

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Musik: Über die musikalische Entwicklung und Prägung Gerhardts ist weiter nichts bekannt. Es lässt sich auch nichts darüber sagen, ob Gerhardt Melodien im Kopf hatte, als er seine Texte schrieb. Fakt ist, dass ein Mann entscheidenden Einfluss darauf hatte, wie Gerhardts Lieder zu ihren Melodien und überhaupt unters Volk kamen. Johann Crüger gilt laut Bunners (2008:209) als der Mann, der Paul Gerhardt als Liederdichter „entdeckt“ hat. Das Aufeinandertreffen der beiden markierte einen Meilenstein in der Geschichte des geistlichen Liedes. Ob Gerhardt einige seiner Liedtexte dem Kirchenmusiker vorgelegt hat? Wenn nein, wie wurde Crüger auf den Liederdichter aufmerksam? Hat er ihn ermutigt und dazu aufgefordert mehr zu schreiben? Zwar stellt Rösler (1990:18) die These auf, Crüger hätte Gerhardt um Lieder gebeten, der ihm dann auch welche geliefert hätte, aber einen Quellenbeleg dafür gibt es nicht. Es bleibt aber festzuhalten, dass ohne Crügers Bestreben, Gerhardts Texte mit Melodien zu versehen bzw. welche dafür zu schreiben und diese zu veröffentlichen, die Lieder Gerhardts nicht zum Tragen gekommen wären.

Christoph Albrecht hat Johann Crüger als den ‚bedeutendste[n] Melodist der evangelischen Kirche’ bezeichnet – er sei von, unerschöpflichem melodischen Einfallsreichtum’ gewesen (Bunners 2007:259). Vom älteren Gemeindelied Luthers hat er sich ebenso inspirieren lassen, wie von den Psalmliedern der französisch-reformierten Kirche des 16. Jh. Er knüpfte gelegentlich an Genfer Psalmenmelodien an (Stalmann:2001:63) Darüber hinaus lehnte er sich an italienische Musik, als auch an zeitgenössische Andachtslieder. All diese verschiedenen musikalischen und stilistischen Elemente lies er in seine Kompositionen mit einfließen. Seine herausragende Leistung bestand darin, aus all den musikalischen Einflüssen und Strömungen etwas Neues geschafft zu haben (Stalmann 2001:63). Der Kantor war ein innovativer Künstler, der es verstand die Sprache der Musik, auf anspruchsvolle und einfache Weise zugleich zum Ausdruck zu bringen.

2.2.3 Hauslehrer und Hilfsprediger in Berlin (1642/43-1651)

Geistliches Leben und Theologie: Es gilt als wahrscheinlich, dass Paul Gerhardt zum Hilfspredigtdienst an der St. Nikolai Kirche in Berlin herangezogen wurde. Dadurch kam er vermutlich mit Johann Crüger, dem damaligen Kantor zum ersten Mal in Berührung. Aus dieser Zeit liegt uns das älteste überlieferte Gedicht von Gerhardt vor. In ihm wird ein Grundzug seiner Frömmigkeit deutlich, nämlich dass er sich fröhlich und vertrauensvoll unter die Führung Gottes stellte.

Dichtung und Musik: Die Auswirkungen des 30-Jährigen Kriegs und die kämpfenden Theologien prägten Gerhardts Leben. Wenn Petrich behauptet, dass Gerhardts Liedschaffen bereits in Berlin zur Blüte kam, dann war der Aspekt des Krieges ein Hintergrund, auf dem Gerhardts Lieder entstanden sind. Allgemein spielte das geistliche Lied zu dieser Zeit eine große Rolle. Es diente zur Erbauung der Menschen, die unter den Gewalttaten der Auseinandersetzungen zu leiden hatten. Dazu Petrich (1907:57):

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„Daß unser Volk im Stande gewesen ist, die Selbstzerfleischung des dreißigjährigen Krieges zu überleben und seine Todeswunden allmählich auszuheilen, verdankt es […] vor allem dem unverschütteten Duell religiösen Lebens, aus dem ihm in Wortverkündigung, Erbauungsliteratur und geistlichem Liede immer wieder neue Heil- und Kraftmittel zuflossen.“

Die Verbindung Gerhardt - Crüger wirkte genau in dieses religiöse Leben hinein. Damals waren die Lieder leicht einzuprägen, denn sie sollten dabei helfen, evangelisches Gedankengut zu verbreiten und zu vermitteln. Nur 50% der Berliner, so schätzt man, konnten in der damaligen Zeit lesen und schreiben. So war man auf die sog. Mund-zu-Ohr-Propaganda des singenden Lernens angwiesen. Das Volk lernte durch Hörensagen und nach Holm durch das ‚Hörensingen’ (Bunners 2007:45). Darüber hinaus galt das Singen als in der Kultur verankertes Medium zur gegenseitigen Verständigung. Gerade zur Zeit des 30-Jährigen Krieges spielte die Musik eine wichtige Rolle zur Erbauung und zum Trost (Bunners 2007:45).

2.2.4 Pfarramt in Mittenwalde (1651-1657)

Dichtung: Wenn auch kaum und höchstens nur ansatzweise bekannt ist, wie und wann Gerhardts Lieder genau entstanden sind, so darf man annehmen, dass sein Ruf als Dichter geistlicher Lieder über einen nur kleinen persönlichen Kreis zu dieser Zeit weit hinausging. Seine Berufung 1651 zum Probst (Titel des ev. Pfarrers einer Hauptkirche) in Mittenwalde, könnte durchaus nicht nur mit seiner angenehmen menschlichen Art und seiner theologischen Bildung und Kompetenz im Zusammenhang gestanden haben, sondern auch mit seinen dichterischen Fähigkeiten (Foss 1995:16). Das deutet sich in einem Empfehlungsschreiben an, in dem ein paar charakteristische Züge Paul Gerhardts deutlich werden: So heißt es, dass er eine

Person…, deren Fleiß und Erudition [Gelehrsamkeit] bekannt, die eines guten Geistes und ungefälschter Lehren, dabei auch eines ehr- und friedliebenden Gemütes und christlich untadelhaften Lebens ist, daher er auch bei Hohen und Niedrigen unseres Ortes lieb und wert gehalten… wird. (:16).

Zwar wird hier nichts über seine Dichtkunst gesagt, doch bei Bunners (2007:46) finden wir im Zitat des gleichen Empfehlungsschreibens weitere Informationen. Da heisst es: ‚… daß er auf unser freundliches Ansinnen zu vielen Malen mit seinen von Gott empfangenen Gaben um unsere Kirche sich beliebt und wohlverdient gemacht hat.’ Gerhardts eindeutige Gabe war es nun mal geistliche Lieder zu schreiben, die nicht nur im privaten Gebrauch der Hausandachten gesungen wurden, sondern auch im Gottesdienst.29

Geistliches Leben und Theologie: Der Frömmigkeits- und Theologieaspekt bezieht sich hier auch und vor Allem auf die praktischen Aufgaben, die Paul Gerhardt zu jener Zeit, als er ins Pfarramt

29 Siehe Kapitel

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 25 berufen wurde zu bewältigen hatte. Noch wirkten die seelischen Nöte der Kriegszeiten in den Leben der Menschen nach. So war es die schwerpunktmäßige Aufgabe aller Pastoren, einschließlich Gerhardt, innere Wunden zu verbinden und Halt im Glauben zu geben. Ausgelöst durch die schweren Verwüstungen von Häusern auf dem Land und in den Städten, durch Seuchen, Pest, Tod, Hunger, Kriegsverletzungen, Vergewaltigung und allen weiteren Grausamkeiten, die mit dem Krieg einhergingen, war das keine leichte Bürde. Auch die Kirche musste innerlich wie äußerlich wieder aufgebaut werden. Viele Pfarrhäuser und Kirchengebäude sind zerstört worden und viele Geistliche nahmen ihre Amtspflichten nicht ausreichend wahr.

Die Kirche entwickelte verschiedene Konzepte zur inneren und äußeren Wiederherstellung. Dazu gehörten Ansätze, die vorsahen, dass Laien in kirchlichen Aufgaben verantwortlicher mitwirken sollten. Solche Programme sind als richtungweisend für die Entwicklung des Pietismus unter Philipp Jakob Spener (1635-1705) zu sehen (Bunners 2007:51). Paul Gerhardt ist zusammen mit Johan Crüger in eine Bewegung einzuordnen, die auf dem Fundament lutherischer Dogmen dafür eintrat, das geistliche Leben mehr zu vertiefen. Damit wären wir wieder bei Johann Arndt angekommen, dessen Bestreben es ja war, dass die lutherisch überlieferte Orthodoxie sich als gelebte Frömmigkeit zeige (Petrich 1907:91). Das theologische Thema dieser aufkommenden Strömungen ist am besten mit den Worten „Trost und Heiligung des Christlichen Lebens“ ausgedrückt. Auf diesem Hintergrund dichtete Gerhardt Lieder und Crüger schrieb oder übernahm feststehende Melodien, um sie damit zu verbinden.

Die Pfarrhäuser in Stadt und Land, die sehr unter den Auswirkungen des Krieges gelitten hatten wurden zu Zentren des geistlichen Wiederaufbaus und „…Brunnenstuben des Trostes und der Hoffnung.“ (Petrich 1907:92). Viele Pfarrer, die uns heute unbekannt sind, haben dazu beigetragen, die Kriegswunden und Traumen zu bewältigen. Mit Sicherheit zählte Paul Gerhardt zu ihnen. In seinem Lied „Befiehl du deine Wege“, das nach Petrich (:92) wahrscheinlich in dieser Zeit entstanden ist, wird dieser Aspekt eindrücklich sichtbar.

2.2.5 Pfarramt an der Nikolaikirche in Berlin (1657-1668)

Dichtung: Als Gerhardt erneut in Berlin heimisch wurde und dort sein Amt als Pfarrer ausübte, stieg der Bekanntheitsgrad des Kirchenliederdichters. Nun war er auch über die Grenzen seiner unmittelbaren Wirkungsstätten hinaus bekannt geworden. Sein Name taucht in Crügers zehnter Auflage des Gesangbuches der „praxis pietatis melica“ insgesamt unter 90 Liedern auf. Als Crüger 1662 starb, führte der Drucker Christoph Runge das Werk des berühmten Berliner Kantors weiter. Gerhardts dichterischer Ruf wurde mit den Erscheinungen der “Praxis“ von Crüger 1656, 1662 und insgesamt bis Ende des 17. Jh. vermutlich durch insgesamt vierzehn Ausgaben in Frankfurt a. M. überregional vernommen. Darüber hinaus wurde 1660 Crügers Gesangbuch in Stettin herausgegeben. Weitere Auflagen folgten. Damit war aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, denn es existierten auch noch andere Gesangbücher außer dem Crügerschen, in denen

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Gerhardts Texte abgedruckt waren. Dresden, Lüneburg und Hannover waren die Städte in denen Gerhardts Lieder gesungen werden konnten. 1663 bahnten sich dann sogar sieben von ihnen den Weg in die Druckereien der Schweiz. Als Crüger eine Lücke im Kantorenamt von St. Nikolai hinterließ, wurde sie von Georg Ebeling geschlossen.

Geistliches Leben und Theologie: Gerhardts Berufung nach St. Nikolai als dritter Pfarrer neben dem Probst und dem Archidiakon erfolgte auf schriftlichem Wege. In einem Antwortschreiben auf die Anfrage der Berliner Kirchenobrigkeit kommen Gerhardts Neigungen zu einem lebhaften persönlichem Gebetsleben zum Ausdruck. Für eine Woche gab sich Gerhardt Bedenkzeit, um dann die Anfrage als Berufung Gottes zu erkennen und zu bejahen: „ … nach fleißiger Anrufung des Namens Gottes und reifer Erwägung … will mir nicht anstehen, diesem großen und allgewaltigen Herren zu widerstehen.“ (Bunners 2007:54) Unterzeichnet hat Gerhardt das Schreiben mit „… gebets- und dienstwilliger Paulus Gerhardt.“ (:54). Spiegelt eine solche Haltung nicht das wieder, was man gelebten Glauben nennen würde? Ich meine schon. Der Quellennachweis spiegelt jedenfalls wider, dass Gerhardt sich der Führung Gottes anvertraute. Gerhardt stellte sich aber nicht nur als starker Mann des Gebets dar, sondern zeigte auch, dass er sich seiner Bedürftigkeit des Gebets anderer bewusst war (Rösler: 1990).

Aus der zweiten Berliner Zeit, erfahren wir sehr wenig über die Amtshandlungen Gerhardts. Doch gibt es einige Leichenpredigten, die bis heute erhalten geblieben sind. Rödding hat sich mit ihnen auseinandergesetzt und als Homilien (Predigttypus, der Bibelstellen Wort für Wort auslegt) charakterisiert (2006:200). Sie hatten das Ziel, die Gotteserkenntnis anhand der Heiligen Schrift der Gemeinde deutlich zu machen.

Für Gerhardt bedeutete diese elf-jährige Berliner Zeit einen tiefen Einschnitt in sein Leben. Er verlor dabei vier seiner fünf Kinder und seine Ehefrau. Des Weiteren sah er sich schweren Anfechtungen im Berliner Religionsstreit30 gegenüber. Letztlich hat Paul Gerhardt der von kurfürstlicher Seite geforderten Toleranz gegenüber der reformierten Theologie nicht nachgegeben und verlor dadurch sein Amt als Pfarrer.

2.2.6 Pfarramt in Lübben (1668-1676)

In Paul Gerhardts letzten Jahren wird nichts mehr überliefert, was auf dichterische Tätigkeit hinweisen könnte. Dafür sind einige seiner Leichenpredigten und das„so genannten“ Testament von ihm erhalten geblieben. In letzterem wird das starke Vertrauen und die getroste Freude, die er in Gott gefunden hat, deutlich:

30 Darauf einzugehen würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Deshalb verweise ich auf das Buch „Paul Gerhardt. Weg-Werk-Wirkung von Christian Bunners in dem diese Thematik ausführlich behandelt ist.

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Nachdem ich nunmehr das 70. Jahr meines Alters erreicht, auch dabei die fröhliche Hoffnung habe, dass mein lieber frommer Gott mich in kurzem aus dieser Welt erlösen und in ein besseres Leben führen werde, als ich bisher auf Erden gehabt habe, so danke ich ihm zuförderst für alle seine Güte und Treue, die er mir von meiner Mutter Leib an bis auf jetzige Stunde an Leib und Seele und an allem, was er mir gegeben, erwiesen hat…

Was Gerhardt hier als fröhliche Hoffnung ausdrückt, spiegelt sich auch in seinem Liedgut wider31. Das deutet darauf hin, dass er nicht einfach nur theologisch fundierte Lieder geschrieben hat, sondern den Glauben auch gelebt hat. In den Lebensregeln, die Teil des „Testaments“ sind und er seinem Sohn Paul Friedrich nahe legt, wird das sichtbar. Sie sind einfach formuliert und dokumentieren die unmittelbare und direkte Art, nach der Gerhardt geistlich handelte: „…Bete fleißig, studiere was Ehrliches, lebe friedlich, diene redlich und bleibe in deinem Glauben und Bekenntnis beständig, …“ (Rödding 2006). Wie man sieht verwendet Gerhardt in diesem kleinen Auszug (gilt aber für das ganze „Testament“) keine abstrakten theologischen Begriffe, die er ohne weiteres hätte einflechten können. Seine Sprache konnte einfach, klar und gut verständlich sein, was wiederum zeigt, dass sich orthodoxe Rechtgläubigkeit und lebensnahe Frömmigkeit nicht ausschließen.

Zusammenfassung: Das Leben Paul Gerhardts war geprägt von inneren und äußeren Umständen, die man als zutiefst zerrüttend bezeichnen könnte. Verlust der Eltern, 30-Jähriger Krieg, Pest, Religionskonflikte usw. Doch umso stärker wirkt sein Zeugnis, dass er im Glauben abgelegt hat. Unter der segnenden Hand Gottes hat er das Leben gemeistert: Schule, Studium und Berufung als Diakonus und Probst, aber natürlich besonders als Dichter. Geschult und gelehrt in der Bibel und fest verankert in der lutherischen Orthodoxie, bestritt er seinen Lebensweg in tiefem Vertrauen zu Gott. Seelsorgerlich bewandt nahm er sich der Menschen an, die ihm anvertraut waren.

31 Siehe Kapitel 3.1.1 und 3.2.2

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3. BEFIEHL DU DEINE WEGE UND WAS DEIN HERZE KRÄNKT

Die Lieder „Befiehl du deine Wege“ und „Ist Gott für mich so trete“ wurden beide erstmals 1653 in der „praxis pietatis melica, der 5. Auflage des von Johann Crüger herausgegebenen Gesangbuches abgedruckt und veröffentlicht (Kemp 1975:48/49). Die folgende rein textliche Darstellung der Lieder erfolgt nach der oben angegebenen Fassung des Jahres 1653 bei Axmacher (2001:103/104; 143/144):

Befiehl du deine Wege Ist Gott für mich so trete 1. BEfiehl du deine wege 1. ISt Gott für mich, so trete Vnd was dein hertze kränckt, Gleich alles wider mich. Der allertreusten pflege So oft ich ruf un[d] bäte, Deß, der den Himmel lenckt: Weicht alles hinter sich. Der wolcken lufft und winden Hab ich das haupt zum freunde Gibt wege, lauf und bahn, Vn[d] bin geliebt bey Gott: Der wird auch wege finden, Was kann mir thun der feinde Da dein fuß gehen kan. Vnd widersächer rott?

2. Dem HErren mußt du trauen, 2. Nun weiß und gläub ich veste, Wann dirs sol wol ergehn; Ich rühms auch ohne scheu, Auf sein werck must du schauen, Daß Gott der Höchst und beste Wann dein werck sol bestehn. Mir gäntzlich günstig sey Mit sorgen und mit grämen Vnd daß in allen fällen Vnd mit selbsteigner pein Er mir zu rechten steh Läßt Gott jhm gar nichts nehmen: Vnd dämpfe sturm und wellen Es muß erbäten seyn. Vnd was mir bringet weh.

3. Dein ewge treu und gnade, 3. Der grund da ich mich gründe, O Vater, weiß und sieht, Ist Christus und sein blut: Was gut sey oder schade Das machet, daß ich finde Dem sterblichen geblüt; Das ewge, wahre gut. Vnd was du denn erlesen, An mir und meinem leben Das treibst du, starcker Held, Ist nichts auf dieser erd; Vnd bringst zum stand und wesen, Das Christus mir gegäben, Was deinem rath gefällt. Das ist der liebe wehrt.

4. Weg hast du allerwegen, 4. Mein Jesus ist mein ehre, An mitteln fehlt dirs nicht, Mein glantz und schönes liecht. Dein thun ist lauter segen, Wenn der nicht in mir wäre, Dein gang ist lauter liecht. So dürft un[d] könt ich nicht Dein werck kann niemand hindern, für Gottes augen stehen Dein arbeit darf nicht ruhn, Vnd für dem Sternensitz: Wann du, was deinen kindern Ich müste stracks vergehen Ersprießlich ist, wilt thun. wie wachs in feuershitz.

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5. Vnd ob gleich alle teufel 5.Der, der hat außgeleschet, Hie wolten widerstehn, Was mit sich führt den tod; So wird doch ohne zweifel Der ists, der mich rein wäschet, Gott nicht zurücke gehen: Macht schneeweiß, was ist roth. Was er jhm fürgenommen In jhm kan ich mich freuen, Vnd was er haben wil, Hab einen heldenmuth, Das muß doch endlich kommen Darf kein Gerichte scheuen, Zu seinem zweck und ziel. Wie sonst ein Sünder thut.

6. Hoff, o du arme seele, 6. Nichts, nichts kan mich verdammen, Hoff und sey unverzagt: Nichts nimmet mir mein hertz. Gott wird dich aus der höle, Die höll und jhre flammen, Da dich der kummer plagt, Die sind mir nur ein schertz. mit grossen gnaden rücken. Kein unheyl mich erschrecket, Erwarte nur der zeit, Kein unheyl mich betrübt, So wirst du schon erblicken Weil mich mit flügeln decket Die Sonn der schönsten freud. Mein Heyland, der mich liebt.

7. Auf, auf, gib deinem schmertze 7. Sein Geist wohnt mir im hertzen, Vnd Sorgen gute nacht; Regiert mir meinen sinn, Laß fahren, was das hertze Vertreibet sorg und schmertzen, Betrübt und traurig macht. Nimmt allen kummer hin, Bist du doch nicht Regente, Gibt segen und gedeyen Der alles führen sol: Dem, was er in mir schafft, GOtt sitzt im regimente Hilft mir das Abba schreyen Vnd führet alles wol. Aus aller meiner krafft.

8. Jhn, jhn laß thun und walten: 8.Vnd wenn an meinem orte Er ist ein weiser Fürst Sich furcht und schrecken find, Vnd wird sich so verhalten, So seuffzt und spricht er worte, Daß du dich wundern wirst, Die unaußsprechlich sind Wann er, wie jhm gebüret, Mir zwar und meinem munde, Mit wunderbarem rath Gott aber wol bewust, Das werck hinaus geführet, Der an des hertzens grunde Das dich bekümmert hat. Ersiehet seine lust.

9. Er wird zwar eine weile 9. Sein Geist spricht meinem geiste Mit seinem trost verziehn Manch süsses trostwort zu, Vnd thun an seinem theile, Wie Gott dem hülfe leiste, Als hätt in seinem sinn Der bey jhm suchet ruh, Er deiner sich begäben; Vnd wie er hab erbauet Vnd soltst du für und für Ein edle, neue stadt, In angst und nöthen schweben, Da aug und hertze schauet, So frag er nichts nach dir. Was es gegläubet hat.

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10. Wirds aber sich befinden, 10. Da ist mein theil und erbe Daß du jhm treu verbleibst, Mir prächtig zugerichtt. So wird er dich entbinden, Wann ich gleich fall un sterbe, Da dus am wengsten gläubst: Fällt doch mein himmel nicht. Er wird dein hertze lösen Muß ich auch gleich hier feuchten Von der so schweren last, Mit thränen meine zeit, Die du zu keinem bösen Mein JEsus und sein leuchten Bisher getragen hast. Durchsüsset alles leid.

11. Wohl dir, du Kind der treue: 11. Wer sich mit dem verbindet, Du hast und trägst davon Den Satan fleucht und haßt, Mit ruhm und danckgeschreye Der wird verfolgt und findet Den sieg und ehrenkron. Ein hohe, schwere last Gott gibt dir selbst die palmen Zu leiden und zu tragen, In deine rechte hand, Geräht in hohn und spott; Vnd du singst freudenpsalmen Das creutz und alle plagen, Dem, der dein Leid gewandt. Die sind sein täglich brodt.

12. Mach end, o HErr, mach ende 12. Das ist mir nicht verborgen, An aller unser noth; Doch bin ich unverzagt: Stärck unser füß und hände GOtt wil ich lassen sorgen, Vnd laß bis in den tod Dem ich mich zugesagt. Vns allzeit deiner pflege Es koste leib und leben Vnd treu empfohlen seyn, Vnd alles, was ich hab: So gehen unsre wege An dir will ich vest kleben Gewiß zum himmel ein. Vnd nimmer lassen ab.

13. Die welt, die mag zubrechen, Du stehst mir ewiglich Kein brennen, hauen, stechen Sol trennen mich und dich. Kein hunger und kein dürsten, Kein armut, keine pein, Kein zorn der großen Fürsten Sol mir ein hindrung seyn.

14. Kein Engel, keine freuden, Kein thron, kein herrlichkeit, Kein lieben und kein leiden, Kein Angst und fährlichkeit, Was man nur kan erdencken, Es sey klein oder groß: Der keines sol mich lencken Aus deinem arm und schooß.

15. Mein hertze geht in springen Und kan nicht traurig seyn, Ist voller freud und singen, Sieht lauter sonnenschein. Die Sonne, die mir lachet, Ist mein Her Jesus Christ; Das, was mich singend machet, Ist, was im himmel ist.

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3.1 Aufbau, Form und Sprache des Liedguts von Paul Gerhardt

Im Folgenden geht es darum zu veranschaulichen, wie Paul Gerhardt den textlich strukturellen Aufbau seines Liedguts gestaltet und dabei rhetorisch und dichterisch vorgeht. Dabei soll sich zeigen, wie die sprachlichen und musiktheoretischen Mittel zu einem tröstenden und Hoffnung spendenden Charakter des Liedguts beitragen. Wenn nun im weiteren Verlauf des Kapitels das Wort „Zeile“ im Zusammenhang mit einer Liedstrophe (Str.) gebraucht wird, dann ist es synonym mit dem Begriff „Vers“ (V.) zu verstehen.

3.1.1 Textaufbau und Sprache

Das Lied: „Befiehl du deine Wege“

„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen“, so lautet der fünfte Vers aus Psalm 37. Er bildet den Ausgangspunkt für das Lied. Alle zwölf Strophen beginnen mit einem Wort des Psalmverses. Ein solches Stilmittel wird Akrostichon (Spitzenvers) genannt. Auch wenn es eine im Barock häufig verwendete Kunstform war, – die den Zweck erfüllte, hoch stehende Persönlichkeiten besonders zu loben und zu würdigen – hat sie Gerhardt nur einmalig gebraucht. Natürlich tat er das nicht in diesem Sinne wie man sieht, sondern vielmehr, um die Worte Gottes besonders zu würdigen und die Strophen einprägsamer zu gestalten. Möglicherweise war die ursprüngliche Anordnung des Psalms Vorbild für sein Stilmittel, denn: Der Psalm 37 beginnt die ungeraden Verse (1, 3, 5 usw.) in der Reihenfolge des hebräischen Alphabetes.

Paul Gerhardt legt das gesamte Psalmwort anhand der angewandten Struktur des Akrostichon Schritt für Schritt aus. Hierfür diente ihm das exegetische Verständnis der lutherischen Orthodoxie als Rahmen (Axmacher 2001:107). Als Gerhardt den Psalm in Gedichtform goss, spielte dieser Aspekt bei der sprachlich-theologischen Ausarbeitung eine gewichtige Rolle. Dadurch war er nämlich an die Regeln der Dogmatik gebunden, die ihrerseits die Bibel zur Norm hatte.32 Gerade aber weil Gerhardt in diesem Sinne tief lutherisch geprägt war, muss er in erster Linie die „heilsame Lehre und … ihre Anwendung im Leben …“, vor Augen gehabt haben, die mit all dem genannten zusammenhängt (:107).

Bevor wir nun näher auf sprachliche Mittel im Text eingehen, soll eine mögliche Gliederung des zwölfstrophigen Liedes in fünf Sinnabschnitte, wie sie sich nach Axmacher (:109) ergibt, dargestellt werden (die auftauchenden Fachbegriffe werden im weiteren Textverlauf erklärt):

32 In der lutherischen Theologie gilt die Bibel als norma normans (normierende Norm). Sie ist Gottes Wort und somit die einzige Richtschnur und Norm aller Lehre. Die Dogmatik als norma normata (genormte Norm) in Form der lutherischen Bekenntnisschriften, ist an die Heilige Schrift als höchste Instanz gebunden. Sie ist damit von der Bibel genormte Norm. Dieses Verständnis findet sich in der Konkordienformel schriftlich fixiert wider. Wie bereits bekannt, wurde Paul Gerhardt auf sie vereidigt.

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Sinnabschnitt Strophe Funktion

Befiehl dem Herrn 1-2 Exposition

deine Wege und 3-5 Explikation in Gebetsform 1. Teil

hoffe auf ihn. 6-8 Explikation in Gebetsform 2. Teil

Er wird’s wohl 9-11 Applikation

machen. 12 Gemeinsames Gebet

Die Möglichkeit, den Text so gliedern zu können, wie es die Darstellung zeigt, ist ein Indiz dafür, dass Paul Gerhardt eine logisch und gedanklich durchdachte Vorgehensweise im Aufbau seines Liedguts pflegte. Sie erinnert an einen Predigtaufbau.33 was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn Gerhardt war schließlich Pfarrer.

Liedanalyse:

Str.1-2: Die beiden ersten Strophen bilden zusammen die Exposition (Darlegung der Grundstimmung, Ausgangssituation und Zustände), die das zentrale Thema „die eigenen Wege Gott anzuvertrauen“ nicht nur vorstellen, sondern auch gleichzeitig schon zusammenfassen (Axmacher 2001:109). Obwohl er in seiner Psalmverarbeitung empfindsam und seelsorgerlich klingt, wirkt Gerhardt in seinen Sätzen fest und stark. Das liegt mitunter an den kraftvollen Bildern, die er immer wieder verwendet und denen er durch entsprechende Substantive eine noch stärkere Kontur verleiht. In unserem vorliegendem Lied drückt sich das beispielhaft in den Zeilen fünf und sechs aus: „Wolken, lufft und winden“ und „wege, lauf und bahn“. Solche – wenn auch nicht immer in dreifacher Weise – angeordneten und aufeinander bezogenen Substantivreihen, sind ein Markenzeichen Paul Gerhardts. Sie begegnen uns immer wieder in seinen Texten. Daraus und aus zahlreichen andern Beispielen ließe sich ableiten, dass der Kirchenliederdichter grundsätzlich in Parallelstrukturen denkt (Rößler 1990: 25). Das würde auch begründen, warum in Gerhardts Art sich auszudrücken, so viel Ähnlichkeit zur alttestamentlichen Psalmensprechweise besteht.

Ihr typisches Merkmal ist der Parallelismum membrorum (gleichlautendes Satzglied), durch welches ein Thema in zwei aufeinander folgenden Versen (V.) wiederholt wird. Hier ein Beispiel aus Ps 74:

V. 3: „Der Feind hat alles verheert [verbrannt] im Heiligtum.“ V. 4: „Deine Widersacher brüllen in deinem Hause und…“

Durch diese Art von Denk- und Ausdrucksweise werden Schlüsselworte verstärkt und mit Worten beschriebene Szenen anschaulicher und einprägsamer für den Beter gemacht. Gerhardt hat sich

33 Siehe Kapitel 2.2.2

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Der Liedtext „Befiehl du deine Wege“ birgt allein so viele für Gerhardts Dichtkunst kennzeichnende Merkmale, dass sich damit reichlich über seinen förmlichen und sprachlichen Stil im Allgemeinen aussagen lässt. Dazu ein weiteres eindrückliches Beispiel. Wir haben festgestellt, wie strukturiert und durchdacht Gerhardt im Liedaufbau vorging. In seinem vorliegenden Text greift er die Metapher vom Weg auf, durch die er dem Gesamtwerk ein Gerüst gibt.

Strophe 1 Strophe 4 Strophe 12 „BEfiehl du deine wege … „Weg hast du allerwegen, …“ „So gehen unsere wege …“ Gibt wege, lauf und bahn, Der wird auch wege finden …“ Durch das Wort „wege“ der ersten Strophe in Vers 6, welches in der unmittelbar folgenden Zeile noch einmal aufgegriffen wird, entsteht eine Verbindung der beiden Verse. Gerhardt nutzt sie, um ein wichtiges Motiv besonders zu betonen. Der Effekt dabei ist, dass seine Sprache ruhig, gleichmäßig und fließend klingt.

Insgesamt werden die „wege“ in dieser Strophe dreimal erwähnt. Sie verknüpfen demnach nicht nur zwei Verse, sondern halten die ganze Strophe zusammen. So sind es in der ersten Verszeile die „eigenen menschlichen Wege“, in Zeile sechs die „der Wolken, Luft und Winden“ und in der vorletzten dann werden sie zu „Gottes Wegen“ (Grimm 1990:286).

Die „wege“ umspannen sogar den kompletten Liedtext. Sie bilden somit gleichzeitig den Rahmen und den Kern des gesamten Stücks. In verdichteter Form entfaltet Gerhardt die theologisch- inhaltliche Bedeutung des Weg-Bildes. Er zeigt auf, wie die menschlichen Wege zu Gottes Wege werden können. Das ist gleichzeitig der Grund dafür, warum dieses Lied Trost spendet (Axmacher: 2001:129)!

Wie reich an rhetorischer und sprachlicher Brillanz diese erste Strophe noch ist, zeigt sich in der Analyse der weiteren Verse. Untersucht man die sechs Worte auf ihre Buchstaben, dann stellt man nicht nur fest, dass jeweils die beiden ersten der jeweiligen Zeilen eine Alliteration bilden, sondern, dass auch alle Vokale auf die einzelnen Wörter verteilt sind:

„Wolken lufft und winden… wege lauf und bahn“ Durch diese Art von synonymer Aufzählung, klingt die Sprache Gerhardts rund und freundlich, aber gleichzeitig kraftvoll. Die Verwendung solcher Substantivreihen als rhetorische Stilmittel sind in vielen seiner Lieder zu finden (Hillenbrand1992:16). Sie sind besonders durch so genannte Zwillingsformeln (feststehende Wortpaare, die meist durch eine Art von Reim miteinander

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verbunden sind) gekennzeichnet. Allgemeine Beispiele dafür sind Wind und Wetter, Rat und Tat, Leib und Seel. In unserem Beispiel kommt die Wind und Wetter -Formel leicht verändert und sogar als Drillingsformel („wollcken, lufft und winden...“) zum Ausdruck. Alle hier von Gerhardt benutzten Substantive stehen sowohl dem Sinn nach, als auch vom sprachlichen Aspekt her betrachtet, in unmittelbarem Zusammenhang.

Für den tröstenden Aspekt der Sprache Gerhardts spricht ein weiteres Stilmittel. Es wird als instrumentales „mit“ bezeichnet (:35). Was sich dahinter verbirgt wird in Strophe zwei (V. 5+6) ersichtlich: „Mit sorgen und mit grämen Vnd mit selbseigner pein“

Durch das „mit“ werden die Sorgen, der Kummer und die Selbstanklage betont, damit sie der Mensch Gott anvertraut.

Str.3-5: Nachdem in den ersten beiden Liedstrophen Grundstimmung und Ausgangssituation des Psalmverses ausgedrückt wurden, entfaltet sich nun der zentrale theologische Inhalt. Zusammen bilden die angegebenen Strophen einen Verbund, der inhaltlich einer Explikation (Erklärung, Auslegung, Unterweisung) gleich kommt. Dafür wechselt in den Strophen drei und vier zunächst die Anrede. Plötzlich ändert sich die Perspektive: Wurde zu Beginn des Liedes (Str.1-2) der Hörer von Paul Gerhardt persönlich angesprochen, steht jetzt Gottes Wesen direkt im Mittelpunkt. Er wird zum Inhalt dessen, was Gerhardt an dieser Stelle vermitteln möchte. Gott wird mit „Du, „O Vater“ und „starcker Held“ angeredet (Str.3 V.1,2,6). Somit formuliert Gerhardt in seelsorgerlicher Weise ein Gebet, das gleichzeitig über Gott lehrt und dem Beter die Kindschaft zuspricht.

Die Verse sieben und acht der dritten Strophe bergen eine weitere rhetorische Feinheit in sich, die für Paul Gerhardts sprachliche Logik ein typisches Charakteristikum ist. Im Satzbau bevorzugt er eine zweiteilige Argumentationsstruktur, d.h. er folgt der Formulierung „was – das“ (Hillenbrandt 1992:34).

„Vnd was du denn erlesen, Das treibst du starcker Held, “

Weitere Muster dieser Art wären „wo – da“, „wer – der“, „wie – so“ usw. Sie dienen dazu, zwei Verse miteinander zu verbinden und die Argumentation logisch nachvollziehbar zu machen. Weil es sich dabei ausschließlich um kurze Worte handelt, hindern sie nicht den gesamten Zeilenfluss, sondern unterstützen ihn sogar.

Wir haben festgestellt, dass es sich in unserem Strophenverbund um einen Lehrteil handelt. Im Mittelpunkt der Lehre steht Gottes Wesen und Handeln. Das drückt Gerhardt besonders stark durch eine anaphorische Reihung (Verse die nacheinander mit demselben Wort beginnen) in Strophe vier aus:

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„Dein thun ist lauter segen Dein gang ist lauter liecht Dein werck kann niemand hindern Dein arbeit darf nicht ruhn“

Die Anwendung der Anapher „Dein“, die Wiederholung des Wortes „lauter“ und die stets gleiche Anordnung der Subjekte „thun, genug, werck und arbeit“ an zweiter Position, bewirkt eine eindrucksvolle Schlichtheit. Gerhardt gelingt es dadurch, eine Sprach- bzw. Gebetshilfe zu schaffen, die den Beter in die Arme Gottes treibt.

Str.6-8: Nun wird die Aufmerksamkeit wieder dem Singenden zuteil. Gerhardt ermutigt ihn, indem er auffordert a) zu hoffen: „Hoff, o du arme seele, hoff…“, b) sich aufzumachen: „Auf, auf gib deinem schmertze / Vnd sorgen gute Nacht;…“ und c) Gott wirken zu lassen: „Jhn, jhn laß thun und walten“ Im rhetorischen Fachjargon werden solche Wortdoppelungen Epizeuxis (Wortwiederholung) genannt. Sie tauchen in Gerhardts Liedgut bis zu sechs Mal auf und auch in vielen anderen Dichtungen des Barocks sind sie zu finden. Mit Hilfe von Wortdoppelungen, wird nicht nur die Absicht hinter der betreffenden Textpassage verstärkt zum Ausdruck gebracht, sondern auch Bezüge und Verbindungen zwischen größeren und kleineren Sinnabschnitten hergestellt (Hillenbrand 1992:26). In unserem Beispiel wirkt die dreifache Aufforderung in Strophe sechs (V.1+2), zu hoffen, wie ein Befreiungsschlag.

In derselben Strophe stoßen wir in Vers fünf wieder auf das schon bekannte instrumentale „mit“. Es drückt an dieser Stelle aus, wie mächtig und stark Gott ist (:35): „ … mit großen gnaden rücken …“ Verstärkt wird der Ausdruck noch mit der Alliteration „großen Gnaden“. Wo sonst in allen vorherigen Verseinheiten die Mitte der Strophe durch einen thematischen Einschnitt markiert ist, werden die Verse vier und fünf zusammengezogen:

Vers 3: „Gott wird dich aus der höle“

Vers 4: „Da dich der kummer plagt“ Verssprungkop#ükoü#koü#koüop#kop# Vers 5: „mit großen gnaden rücken.“ kop#kop#mkop#kopä

Die hier vorliegende Abweichung, sprich der Verssprung, kann zusammen mit der oben genannten Alliteration als Zeichen der Hoffnung gedeutet werden (Axmacher 2001:135).

Ein weiteres Kennzeichen der bildhaften Sprache Gerhardts ist die Metapher der Sonne, die in den theologischen Untersuchungen im Kapitel 3.2 noch näher erläutert wird.

Str.9-11: Nun erfolgt die Übertragung der theologischen Lehre auf den Singenden.

Str.12: Der Schluss in Gerhardts Befiehl du deine Wege bildet ein abschließendes Gebet.

Das Lied: „Ist Gott für mich so trete“

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So wie „Befiehl du deine Wege“ auf Vers 5 des 37. Psalmes beruht, ist die Grundlage für das Lied „Ist Gott für mich, so trete“ das achte Kapitel des Römerbriefes. Paul Gerhardt greift damit das zentrale Thema der paulinischen Theologie, die Rechtfertigung aus Glauben, auf. Das Lied ist von Gerhardt mit einem, in der lutherischen Rechtfertigungslehre wurzelndem Rahmen abgesteckt worden. Diese entfaltet er auf selbständige Weise unter dem trinitarischen Aspekt – Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist –, der dem Lied eine grobe Gliederung gibt. Dabei steht der pneumatologische Gesichtspunkt vom Umfang her im Mittelpunkt. Betrachtet man das Lied im Gesamtkontext und vergleicht es mit der Dogmatik der altprotestantischen Orthodoxie, so kann man feststellen: Die lutherische Rechtfertigungslehre gibt ihm die Struktur und den hauptsächlichen Inhalt. (Axmacher 2001:146). Dennoch hat er seine eigenen theologischen Gedanken daraus entwickelt.

Aus dem Lied ergibt sich folgende mögliche Gliederung:

Sinnabschnitt Strophen Bibl. Bezug: Röm 8 Funktion

Gott macht durch den Tod und die 1-2+3-6 31-34 Exposition (1-2) Auferstehung Jesus gerecht Explikation (3-6)

Das Wirken des Geistes im Menschen 7-10 1-30 Explikation

Nichts kann trennen von der Liebe Gottes 11-14 35-39 Applikation

Jesus die vollkommene Freude 15 Unabhängig Zeugnis

Liedanalyse:

Str.1-2: Der erste Versverbund wird von einer parallelen Satzbauweise durchzogen. Wie wir bereits festgestellt haben, bestimmen sie das Grundprinzip, nach denen Gerhardt syntaktisch (Satz- gliedernd) und dichterisch arbeitet. Die sprachliche Formulierung des Römerbriefes ist für ihn die Vorlage. In Vers eins und zwei beziehen sich die possessiven (besitzanzeigenden) Verbindungen „für mich“ und „wider mich“ aufeinander. Im zweiten Abschnitt (V.5-8) finden sie ihre jeweiligen Entsprechungen in „haupt, freunde, Gott“ und „feinde, widersächer, rott“. Dadurch betont Gerhardt, dass Gegensätzliches miteinander zusammen hängt. Dieser so genannte antithetische Parallelismus (gegensätzliche Entsprechung) dient ihm im vorliegenden Falle dazu, die Wirkung des „Angenommenseins von Gott“, zu bekräftigen. Durch dieses sprachliche Mittel wird die tröstende Wirkung verstärkt. Theologisch gesehen, sind daran bestimmte Folgen geknüpft, die sich sprachlich durch eine zweiteilige Argumentationsstruktur, „Ist Gott…, so…“ (V.1+3), „Hab ich… Was kann…“(V.5+7) ausdrücken. Durch die rhetorische Frage am Ende der Strophe werden die negativen Folgen („widersächer rott“) entkräftet.

Ist die erste Strophe, von aufeinander sich beziehenden und bedingenden Argumenten durchzogen, so steht die zweite in assertorischer (feststellender, behauptender) Rede (Axmacher 2001:157).

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Ihren rhetorischen Zweck erhält sie dadurch, dass Aussagen als sicher und unantastbar dargestellt werden. Durch eine synonymische Verbreihe („Nun weiß und glaub ich“), eine Zwillingsformel („Daß Gott der Höchst und beste“) und eine alliterierende substantivische Doppelung („Mir gänzlich günstig sey“) wird vermittelt, wie stark der Glaube durch die bedingten Zusagen Gottes aus der ersten Strophe ist.

Str.3-10: In der Analyse der Form und Sprache des Liedes „Befiehl du deine Wege“ wurde schon angedeutet, dass die Metapher der Sonne bei Gerhardt fester Bestandteil des Liedguts ist. Dadurch will Gerhardt die Bedeutung Jesu besonders herausstellen. An folgenden drei Stellen ist dies nachzuvollziehen:

Strophe 4: „Mein Jesus ist mein ehre, Mein glantz und schönes liecht“ Strophe 10: „Mein Jesus und sein leuchten „Durchsüsset alles leid“ Strophe 15: „Die Sonne die mir lachet, Ist mein Herr Jesus Christ“ Der Name Jesus wird hier in drei verschiedenen Zusammenhängen dargestellt. 1. Die Erfahrung der Befreiung durch die Rechtfertigung ( Str. 4 im Kontext der Str.3). 2. Der Trost im Leiden auf der Erde (Str.10). 3. Die Hoffnung auf das ewige Leben (Str.15). Durch die Doppelformel „glantz und schönes liecht“, zu der auch das Oxymoron (zwei sich widersprechende Wörter) „Durchsüsset alles leid“ zählt und die Sonnenmetapher in Strophe 15 gibt Gerhardt den Worten einen lieblichen, gefühlsbetonten und zugleich vollen Klang.

Str.11-14: Um die starke und wunderbare Verheißung aus Röm 8,31ff besonders hervorzuheben, werden einige Stilfiguren angewendet. So z.B. die Zwillingsformeln „fleucht [flucht] und haßt“ oder die Verbreihe „brennen, hauen, stechen“. Ergänzt werden diese mit dem starken Bild „arm und schooß“ und der Alliteration „kein Hunger… kein dürsten … kein armut …kein pein“.

Str.15: Zum Schluss ein schönes Beispiel des symmetrischen Strophenaufbaus, den Gerhardt hier anwendet. Der Mittelpunkt der Strophe ist die Sonne (V. 4+5). Auf sie läuft alles hinaus. Im ersten Teil der Strophe wird beschrieben wie in der Gegenwart der Sonnenstrahlen das Leben des Singenden aussieht. Sein Herz springt, kann nicht traurig sein ist voller Freude, Singen und sieht lauter Sonnenschein. Im zweiten Teil wird die Sonne als Quelle der Strahlen benannt und erhält den tiefen Sinn, dass sie Jesus Christus selbst ist. Der Himmel, aus dem Christus scheint, ist schließlich über dem Singenden geöffnet und lässt ihn die Hoffnung der himmlischen Herrlichkeit selbst sehen.

Zusammenfasung: Zunächst fällt auf, dass beide Lieder einen sehr ähnlichen Aufbau haben. Sie enthalten eine prägnante Hinführung bzw. Vorstellung des Themas, die sich dann im weiteren Strophenverlauf als theologische Lehre entfaltet. Des Weiteren beinhaltet das Liedgut Gerhardts

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 38 den Bezug der Lehre zum Leben, welches im Zwiespalt des Irdischen und Himmlischen steht. Schließlich weisen beide Lieder Gebets bzw. Bekenntnischarakter auf. Die Sprache ist aufgrund eingesetzter Stilmittel im Allgemeinen rund weich und lieblich und zugleich stark tragend und fest. In Verbindung mit dem Inhalt wirkt sie stark seelsorgerlich.

3.1.2 Versmaß

Das Lied: „Befiehl du deine Wege“

Ein klassisches Werk der Liederdichtung, das Nibelungenlied,34 diente in seiner Form vielen Werken zum Vorbild. So auch unserem vorliegenden Lied. Es weist das einfache und eingängige Versmaß, den dreihebigen Jambus (Versfuss) auf. Abwechselnd setzt es sich aus einer sieben- und einer sechssilbigen Zeile zusammen (Muntanjohl 2006:33). Durch die betonten Silben (-), die auf die unbetonten (x) folgen, entsteht die sog. Hebung des Metrums (synonym für Versmaß).

Versmaß: Jambus (x –) Beispiel: Strophe 1 Reimschema: Kreuzreim x – x – x – – (Metrum) Be fiehl du dei ne we ge a x – x – x – Und was dein hert ze kränckt, b x – x – x – – Der al ler treu sten pfle ge a x – x – x – Deß der den him mel lenckt: b x – x – x – – Der Wol cken lufft und win den c x – x – x – Gibt we ge lauf und bahn, d x – x – x – – Der wird auch we ge fin den, c x – x – x – Da dein fuß ge hen kann. d

Das Versmaß, in unserem Falle der Jambus, ist demnach bestimmend für die Metrik (das über die Verszeilen oder Strophen gleich bleibende Schema von Hebungen und Senkungen), die der Sprache einen Rhythmus vorgibt. Somit bestimmt das Versmaß den Charakter des Liedes mit, der in unserem Beispiel zur Festigkeit und Bestimmtheit des Liedes beiträgt. Versmaß Rhythmus und Reimschema gestalten den Text so, dass er in der Regel leicht auswendig gelernt und behalten werden kann. Damit liegt dem Lied ein wichtiges Mittel zum Verinnerlichen des Textes zu Grunde.

Das Lied: „Ist Gott für mich so trete“

Hier handelt es sich um das gleiche Versmaß und Reimschema wie bei „Befiehl du deine Wege“.

3.1.3 Melodie

Das Lied: „Befiehl du deine Wege“

Wie in der Definition von Kirchenmusik und den Ausführungen zu Johann Crüger hervorgegangen

34 Das Nibelungenlid ist ein Heldenepos (Heldengedicht) das ca. 1200 in Mittelhochdeutschland entstanden ist. Der Verfasser, der aus dem Donauraum stammte, ist unbekannt.

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 39 ist, wurden Kirchenlieder mit verschiedenen Melodien unterlegt. „Befiehl du deine Wege“ gibt es mit einer Melodie von Bartholomäus Gesius aus dem Jahre 1603 und von Philipp Telemann 1730. Letztere ist die gängige Weise, nach der im EG 294 das Lied heute noch gesungen wird (Erb 1983: 144). Deshalb wird nun die Bedeutung dieser Melodie für das Lied beschrieben.

Durch den vorliegenden Jambus ergibt sich für die Melodie ein Auftakt. Es handelt sich dabei um einen geraden Takt, den wir heute als 4/4 Takt bezeichnen. Wenn man die Melodie im Einklang mit dem Text betrachtet, dann ist eine gleichmässige Auf- und Ab- Bewegung ersichtlich. Dabei ist die Terz das größte Intervall und die Sekunde das Häufigste. Dadurch werden Melodiesprünge vermieden, was dem ganzen Lied einen gleichmäßig fließenden Charakter verleiht (Grimm 1990:287). Die Melodie wirkt zwar nicht leichtfüssig, macht es dem Singenden aber auch nicht schwer mit zu gehen. Derjenige, der ein schweres Herz hat, wird nicht überfordert, doch von der Melodie bewegt. Dadurch trägt sie zur Absicht von Ps 35,7 bei, die darin besteht, zum Vertrauen und Hoffen aufzufordern. Das Auf- und Absteigen der Melodie ist punktuell durch kleinere Noten- Sprünge erweitert, was sie lebendig hält und fröhlich macht, ohne dabei oberflächlich zu wirken. Das Lied steht in der dorischen35 Kirchentonart und basiert auf dem Grundakkord D-Moll. Insgesamt erstreckt sich die Melodieführung wie ein großer Bogen über das ganze Lied, bei dem am Anfang und am Ende der Grundakkord D-Moll erklingt. So wie ein Weg einen Anfangspunkt und einen Endpunkt markiert zeigt die Melodie von „Befiehl du deine Wege“ den Weg Gottes von der Erde zum Himmel.

Die Molltöne A, F und C dominieren zunächst das Lied. Ab der Mitte der Strophen erfolgt ein Wechsel in C-Dur, der mit A-Dur variiert. Dadurch verändert sich der Charakter der Melodie. Etwas Neues bricht hervor, etwas, das Hoffnung weckt. Schließlich kehrt das Lied wieder in das getragene Moll zurück.

Das Lied: „Ist Gott für mich so trete“

Die Melodie, nach der das Lied auch heute noch gesungen wird, findet ihre Wurzeln im 16. Jh. in England. Sie bildete dort die Grundlage eines Begrüßungsliedes zur triumphalen Rückkehr englischer Truppen. Für ein weltliches Singspiel aufgegriffen und benutzt, verbreitete sie sich auch Anfang des 17. Jh. in Europa. Dadurch wurde sie bekannt und berühmt. In Augsburg erscheint in dem Büchlein „24 Geistliche Lieder samt Melodien“ eine Ballade mit vielen Anklängen an das englische Original. Die Popularität und Innovation der Ursprungsmelodie hat sich Johann Crüger 1640 zu Nutze gemacht und dem Lied „Keinen hat Gott verlassen“ unterlegt (Rösler 2008:45). Im 20. Jh. wurde sie dann für „Ist Gott für mich, so trete“ verwendet.

35 Als dorisch wird eine der vier alten Kirchentonarten bezeichnet. In ihrem Modus (auf der entsprechenden Tonart gebildete Tonskala) bildet die kleine Terz auf der dritten Stufe den Grundton und hat daher einen Moll-ähnlichen Charakter. Zwischen der zweiten und dritten sowie der sechsten und der siebenten Stufe, liegt ein Halbton. Alle anderen Intervalle sind Ganztonschritte.

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Die Melodie steht ebenfalls in der dorischen Kirchentonart und weist eine raue, trotzig herausfordernde Tonfolge auf (:45). Im Vergleich zur Melodieführung von „Befiehl du deine Wege“, die gemäßigt und ausgeglichen wirkt, nimmt sie durch große Intervallsprünge (Quinten Quarten und eine markante Oktave) einen dynamischen Charakter an. Bei einem Kirchenlied ist eine Oktave dabei eher etwas Ungewöhnliches. Gerade deshalb entspricht die Melodie aber sehr gut dem Textinhalt und trifft den Pulsschlag des Liedes hervorragend: „Mein hertze geht in springen“.

Die Grundtonart ist C-dorisch und wechselt häufig zwischen C-Moll und G-Moll, wodurch dem Lied eine gewisse Dramatik verliehen wird. Dadurch gibt es die Spannung zwischen der rechtfertigenden Annahme Gottes („ISt Gott für mich…“) und der folgenden Konsequenz (…so trete / Gleich alles wider mich.“) wieder. Im zweiten Teil der Strophe, d.h. in den Metren fünf bis acht nimmt die Melodie einen anderen Charakter an. Ein neues, den Rhythmus belebendes Element, wird eingeführt. Es besteht aus einer verlängerten und somit bremsenden Viertel- und einer beschleunigenden Achtelnote. Die Melodie hat in diesem Abschnitt etwas Triumphierendes an sich, bevor sie dann allmählich wieder zu ihrer Ausgangslage zurückgeführt wird. Dort bekommt sie durch eine Notenverlängerung noch einmal einen kurzen Bewegungsschub. Dadurch erweist sie sich als eigenwillig (:85). Im Vergleich zum Lied „Befiehl du deine Wege“, dessen Melodie sehr schön das Vertrauen, aber auch das Zweifeln vermittelt, drückt die Melodie bei „Ist Gott für mich so trete“ die feste Gewissheit der Liebe Gottes aus, die zum Hoffnungsträger und Trostspender geworden ist.

Schlussfolgerung: Wir haben erkannt, dass die Melodien des Liedguts einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung des Inhalts der Lieder leisten. Der tröstende und hoffnungsvolle Charakter des Liedguts wird durch das Ansprechen der Gefühle verstärkt. Die Musik wirkt dadurch als Türöffner für die theologischen Lehrinhalte beim Singenden.

3.2 Untersuchungen zur Theologie des Liedguts von Paul Gerhardt

Im folgenden Teil geht es darum zu zeigen, wie die theologisch Prägung Paul Gerhardts in seinem Liedgut dazu beiträgt, dass seine Texte trösten und Hoffnung schenken. Zum Teil wurde in der Sprachanalyse schon angedeutet, welche Mittel dazu beitragen. Da die logische Gliederung36 des Liedguts den Schlüssel zur theologischen Interpretation darstellt, wird er zur Erschließung des Textes nun auch angewandt.

3.2.1 Trost und Hoffnung durch die alles umfassende Fürsorge Gottes

Das Lied: „Befiehl du deine Wege“

36 Siehe Kapitel 3.1.1: Zu jeweils beiden Liedern liegt eine tabellarische Gliederung vor.

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Paul Gerhardt hat, wie schon festgestellt, Ps 37,5 in dichterischer Form verarbeitet und erklärt. Um nun am Liedtext anzusetzen und seine Auslegung zu interpretieren, stellen wir uns die Frage: Was lehrt er von und über den Trost und die Hoffnung Gottes? Wie aus der Grobgliederung des Liedes hervorgeht, tragen die beiden Strophenblöcke drei-vier-fünf und sechs-sieben-acht den Kerngehalt der theologischen Lehre, die Gerhardt auf Basis des Psalmwortes vermitteln möchte. In den ersten beiden Strophen (Exposition) liegt bereits das zusammengefasst beinhaltet, was aus der angesprochenen Mitte des Liedes hervorgeht. Von ihnen ausgehend, betrachten wir nun Strophe für Strophe bis zum Ende. Dabei soll die Theologie des Trostes und der Hoffnung bei Paul Gerhardt entwickelt werden.

Strophe 1: „Befiehl du deine wege / Vnd was dein hertze kränckt“ Das Lied spricht von Anfang an aus einer leidvollen Situation. Paul Gerhardt stellt dem ersten Teil des Psalmworts (Ps 37,5) ein von Kummer und Sorgen gekränktes Herz gegenüber. Damit fordert er den Hörer auf, all die Last und Bürde, die auf seinen Wegen liegt, Gott anzubefehlen oder wörtlich: auf ihn abzuwälzen. (Spurgeon z. St. Ps 37,5). Hier wird ein aktives Handeln des Menschen gefordert, was untrennbar mit einem Schritt des Vertrauens verbunden ist. Dem Herrn seine Wege anzuvertrauen, darum geht es in diesem Lied.

Aus der Mehrzahl, in der das Wort „Weg“ in der ersten Zeile steht, geht weiter hervor, dass nicht nur der momentane Weg beschwerlich ist, sondern der gesamte Lebensweg, mit all dem was dazu gehört. Der Lebensweg des Menschen ist somit ein Leidensweg (Axmacher 2002:130). Gerhardt zeichnet diesen Weg nach bzw. vor. So wie Gott den Himmel lenkt und den weglosen Wolken, Lüften und Winden einen Weg gibt, so wird er für den Menschen auch einen Weg finden auf dem er ihn leiten kann. Der Weg des Menschen ist unter Gottes „allertreusten pflege“ einerseits sicher, aber andererseits auch unberechenbar, wie der von Wolken Luft und Winden auch. Für den Menschen gilt gleiches wie für die Natur: Wenn Gott ihr schon Wege gibt, wie viel mehr wird er dann besorgt um die Wege des Menschen sein? Ihm möchte er aus seinem Leidensweg einen Ausweg zeigen und das ist der Weg Gottes. Er ist sicher, aber unerkennbar (:130). Wäre er für den Menschen ersichtlich, so müsste er nicht auf ihn hoffen, so wie es im Psalmwort (37,5) geschrieben steht. Auch zu vertrauen wäre nicht mehr nötig. So ist es aber nicht. Der Mensch ist darauf angewiesen zu vertrauen. Begibt er sich vertrauensvoll in Gottes Fürsorge („pflege“) und lässt sich von ihm den Weg führen, den er nicht sieht, empfängt er Trost (Axmacher:130).

Strophe 2: Wir haben gesehen, dass die Aufforderung „Befiehl du deine Wege“ eine Anweisung zum Vertrauen ist. Mit der ersten Zeile der zweiten Strophe, spricht Paul Gerhardt es nun klar und deutlich aus: „Dem Herren musst du trauen, / Wann [wenn] dirs sol [soll] wol [wohl] ergehn.“ Damit ist dem Menschen eine klare Vorraussetzung gegeben, dass sein Weg mit Gott auch gelingt: Er muss dem Herrn vertrauen (V.1). Es braucht das aktive Zutun des Menschen, damit es ihm gut gehen kann. Ohne sich von seinem Gram (Kummer) und seiner Sorge zu trennen und sich nicht

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 42 mehr selbst zu bemitleiden, kann er von Gott nichts empfangen (V.2-3). Gerhardt macht dem Singenden deutlich, dass er ins Gebet gehen muss, wenn er von Gott etwas empfangen möchte (V. 7-8).

Strophe 3: Durch die Anrede „Dein … O Vater“ richtet Gerhardt die volle Aufmerksamkeit auf Gott den Vater. Nachdem in den ersten beiden Strophen dargestellt wird worum es geht und worauf sich der Hörer einlassen soll verändert das Lied jetzt seinen Charakter und leitet ihn dazu an, Gott den Vater zu erfahren. Es ist anzunehmen, dass Gerhardts Verständnis dafür der altprotestantischen Anschauung von Lehre und Leben entspricht (:110). Anzeichen dafür sind, dass die lehrhaften Aussagen über Gott von Gerhardt als Gebet formuliert werden. Gott im Leben durch Lehre zu erfahren, d.h. in der Andacht, ist der Kern dieses Verständnisses. Das setzt voraus, ihn im Gebet wahrzunehmen, um zu erkennen was er lehrt. Somit ist es auch das Ziel Gerhardts hier und in den folgenden Strophen (4-8) Lehre im Gebet zu vermitteln, damit Gott erkannt und erfahrbar wird.

Betrachtet man die Verbformen, die das Geschehen innerhalb der dritten Strophe beschreiben, dann geben sie ihr eine Struktur. Durch sie werden drei Wesenszüge Gottes sichtbar: a) Gott weiß und sieht, b) erliesst (erwählt, bestimmt) und c) treibt und bringt zum Stand und Wesen (bewirkt, führt aus). Der Grund, der ihn handeln lässt, liegt in seiner unendlich treuen und gnädigen Zuwendung zum „sterbliche[n] geblüt“, also seinen Geschöpfen den Menschen (V.1+2). Gottes Handeln und Zuwenden erscheint jedoch noch in einer größeren Dimension: Seine Treue und Gnade wissen und sehen im Voraus, was für den Menschen gut ist, bzw. was ihm schadet (V.2+3). Man kann es auch so formulieren: Gott sieht seine Treue und Gnade für den Menschen schon in der Zukunft. Weiter heißt es dann: Das, was für den Menschen (aus der Treue und Gnade des Vaters heraus) bestimmt ist und wofür Gott ihn auserwählt hat (weil er allezeit treu und gnädig ist) soll geschehen und das möchte er nach seinem Willen im Menschen bewirken (V.5-8). Darin liegt „ … das für den Menschen Heilsame“ (:113).

Es wird hiermit folgendes angedeutet: Wir Menschen können getröstet werden, weil Gott treu und gnädig ist und mit seiner Treue und Gnade für den Menschen voraus sieht. Gottes Trost für den Menschen besteht in der tiefen Zusage, dass er der Vater und starker Held ist, der aufgrund seines treuen und gnädigen Wesens für seine Kinder (Str. 4,7) sorgt. Sorgen bedeutet im Kontext von sehen und wissen, sorgen für und vorsorgen. Gerhardt hat den Charakter der Strophen drei vier und fünf so geschaffen, dass der Hörer bzw. der Singende zum Beter wird und darin diesen Zuspruch eines fürsorglichen und vorsorgenden Gottes erfährt. Im Folgenden wird dieser Zuspruch weiter entfaltet:

Strophe 4: Der Begriff Weg, der im fünften Vers des 37. Psalms den Aufhänger zur vorliegenden Strophe kennzeichnet, wird bei Paul Gerhardt vom menschlichen zum göttlichen Weg (V.1). Der Beter spricht sich hier zu, was Gottes Werke verheißen. Im wörtlich- übertragenden Sinn bedeutet das: „Du hast immer einen Weg, den du mit den Menschen gehen willst.“ In diesem Satz wird

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 43 ausgedrückt, dass Gott den Menschen führen möchte. Geführt werden muss jemand, der den Weg nicht finden kann, weil er ihn nicht kennt oder sieht. Dem entsprechend gibt es nur einen Ausweg und der heißt: Sich auf Gottes Weg ein- und leiten lassen. Der Aspekt, dass der Mensch den Weg nicht finden kann, schwingt bei der Interpretation des Wege-Motivs immer mit, ja zieht sich sogar durch das komplette Lied (:120). Der biblische Bezug dazu ist in Jer 10,23 zu finden: „Ich weiß Herr, dass des Menschen Tun nicht in seiner Gewalt steht und es liegt in niemandes Macht, wie er wandle oder seinen Gang richte.“ Inhaltlich wird in Gerhardts Strophe (V.1-5) auf die Klage Jeremias zurückgegriffen und aus ihr heraus die Perspektive Gottes eröffnet. Im Vergleich zum menschlichen (Tun, Macht, Wandeln, Gang) ist sein Tun lauter Segen (V.3), fehlt es seiner Macht nicht an Mitteln das Werk und die Arbeit zu tun, ohne dass ihn jemand hindert (V.2+5), hat er Wege allerwegen (V.1) und ist sein Gang lauter Licht (V.4).

Wer mit Jeremia sagen kann: Ich weiß Herr, dass mein Leben nicht in meiner Hand liegt und ich meine Schritte nicht nach meinem Plan lenken kann, der findet Trost und Hoffnung, indem er mit Paul Gerhardt sagt: „Weg hast du allerwegen, / An Mitteln fehlt dirs nicht, / Dein thun ist lauter segen, / Dein gang ist lauter liecht. / Dein Werk kann niemand hindern …“ (V.1-5). Aber um erfahren zu können, dass Gott wirklich so handelt, ist es entscheidend, ihm zu vertrauen.

Nachdem in den Versen eins bis fünf klar geworden ist, was das Werk Gottes beinhaltet, stellen wir fest, dass in den restlichen drei Zeilen eine Bitte enthalten ist: „Dein arbeit darf nicht ruhn, / Wann du, was deinen kindern / Ersprießlich ist willst tun.“ Der Beter bittet, dass Gottes Werke, die er für seine Kinder tun möchte erfahrbar werden. Er weiß, dass dazu Gottes Arbeit bzw. sein Tun nicht ruhen darf. In der nächsten Strophe sehen wir warum.

Strophe 5: Zu Beginn der Strophe malt Gerhardt dem Singenden einen Kampf vor Augen. In ihm findet er sich um das Vertrauen Gottes ringend wider. Im Mittelpunkt steht aber die Macht Gottes unter der „ alle teufel“ entmachtet werden. Die Wendung „alle Teufel“ meint alles Böse und ihre Quelle, also den Teufel. Er steht mit seiner Macht, der Macht Gottes gegenüber, die aber Übermacht ist (:134). Der Teufel selbst kann aber trotz der ihm verbliebenen Macht kein Unheil mehr anrichten, denn er ist gegen seinen Willen in Gottes regieren einbezogen. So geht es aus den Dogmatiken37 hervor, die Gerhardt eindeutig als Norm dienten (:120).

Aus der souveränen Handhabung Gerhardts mit diesem Thema in der vorliegenden Strophe, kann abgeleitet werden, wie stark die dogmatischen Lehren in ihm verankert waren. Zwar begegnet uns keine vertiefte theologische Auseinandersetzung der komplizierten Fragen, die mit der Herrschaft Gottes gegenüber der Macht von Sünde und des Bösen zusammenhängen, doch: Gerade, dass

37 Dabei handelt es sich u. a. um Hutters Kompendium.

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Gerhardt in einer schlichten klaren und auf Gott fixierten Art und Weise, einen so komplexen Inhalt, noch dazu in dichterischer Form zu handhaben weiss, bestätigt seine Vertrautheit und Sicherheit in der biblischen Lehre und Dogmatik.

Die am Ende der vierten Strophe formulierte Bitte („Dein arbeit darf nicht ruhn“) hat sich für den Glaubenden erfüllt. Die Machtverhältnisse sind geklärt. Der Zweifel (sogar wörtlich) aufgegriffen (V.3), gegen Gottes unaufhaltbares Handeln gestellt und dadurch entkräftet. Gerhardts gelebtes Gottvertrauen kommt hier so stark zum Ausdruck, dass der Hörer davon lernen kann, sein eigenes Vertrauen in Gott zu setzen. Das ist auch hier wieder der springende Punkt, um getröstet zu werden. In dem Wagnis etwas voraus zu setzen (was nichts anderes als „vertrauen“ heißt) und zwar auf Gott, d.h. man setzt voraus, dass Gott zu seiner Zeit, in seiner Absicht handeln will und wird, ist Trost erfahrbar. Aus solch einem tröstlichen Vertrauen spricht Gerhardt in den nächsten Strophen in bewegender und eindringlicher Weise weiter.

Strophe 6: Gerhardt verharrt in der gleichen Sprechweise, die wie schon zuvor meditativen Charakter hatte und dem „augustinischen Meditationsstil des Sprechens vor Gott über Gott“ ähnelt (Axmacher:107). Zu Beginn der Strophe hat es den Anschein, als würde sich mit Paul Gerhardt Gottes großer Lichtkegel direkt auf den Singenden richten und ihn mit Strahlen des Trostes und der Hoffnung durchfluten. Damit ist auch gesagt, wer sich als deren Quelle zu erkennen gibt. Es ist Gott selber. „Hoff o du arme Seele hoff, und sei unverzagt“, so die erste Zeile. Dabei wird klar, dass hoffen nicht etwas passives ist, sondern die aktive Beteiligung – der armen Seele des Menschen, fordert. Erneut wird hier Gerhardts enger Bezug zu den Psalmisten deutlich, die sehr häufig zu ihrer eigenen Seele sprechen bzw. singen. Sehr wohl war ihnen bewusst, wie wichtig es ist, nicht passiv zu sein, sondern ihren Geist aufzufordern sich nicht entmutigen zu lassen. Ein Beispiel dafür ist Ps 62,5: „Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele, denn er ist meine Hoffnung.“ Auf diese Art ermutigt Gerhardt den Singenden zu hoffen und zwar nachhaltig: „ …sey [sei] unverzagt …“, sei nicht mutlos, spricht er ihm zu. „Gott wird dich aus der höle“, in der dich der Kummer plagt holen. Was für ein starkes Bild des Trostes! Wer weiß nicht genau von was Gerhardt hier spricht. Die Höhle des Kummers kennt jeder Mensch. Es ist der Ort, an dem die Gedanken scheinbar endlos kreisen und die Seele depressiv werden lassen. Umso wichtiger ist es sie immer wieder aufzufordern zu hoffen. Auffällig an der Formulierung Gerhardts ist es, dass Gottes befreiendes Eingreifen in der Zukunft liegt, d.h.: Offensichtlich besteht der Trost nicht erstrangig darin, dass Gott akut eingreift und dem Kummer ein Ende macht, sondern Trost gibt es bereits in der Höhle, trotz des Kummers. Der Grund dafür ist, dass er in Gott selbst zu finden ist und nicht erst dann, wenn er eingreift, denn: Gott sieht seine Treue und Gnade für die Menschen voraus. Wer erfasst hat, was das bedeutet und darauf hofft und vertraut, der wird in jeder Lage Trost erfahren.

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Strophe 7: So eindringlich wie er in der vorherigen Strophe zum Hoffen aufgefordert hat, ermutigt, ja drängt Paul Gerhardt fast: „Auf, auf, gib deinem schmertze / Vnd [und] Sorgen gute Nacht; / las fahren was das hertze / Betrübt und traurig macht.“ Noch einmal richtet er den Blick auf die Höhle des Kummers, auch wenn er sie nicht mehr explizit beim Namen nennt. Eindringlich, schon fast aufdringlich wirken seine Sätze, wenn es nun darum geht, mit den quälenden Lasten des Lebens umzugehen. Nicht immer ist es einfach für einen Menschen, der von Kummer Sorgen und Schmerzen geplagt wird zu hoffen. In diesem Wissen führt Gerhardt den Singenden am Psalmwort weiter entlang. Er ermutigt und ermahnt ihn, nicht einfach nur zu hoffen und geduldig zu warten, sondern auch die Last von Herz und Seele los zu werden. Für Gerhardt heißt es den Schmerzen und Sorgen gute Nacht zu sagen. „Laß fahren …“ so in Vers drei. Der Singende soll loslassen was sein Herz betrübt und traurig macht. Doch nicht nur loslassen oder fahren lassen, sondern auch überlassen steckt in dieser Handlung. Weil ja nicht der Mensch „… regente …“ ist, der alles „… führen …“ soll, sondern Gott im „… Regimente (Herrschaft, Regierung) …“ sitzt (V.5-7), kann er seinen Kummer und Sorgen Gott geben. Das bedeutet: Er wird sich um den Menschen kümmern und er wird für ihn sorgen. Begründet liegt dieser Aspekt nicht nur in Ps 37,5 sondern auch in Ps 55, 23: „Wirf dein Anliegen auf den Herrn; der wird dich versorgen.“ und seiner Entsprechung im NT in 1 Petr 5,7: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ Beide biblischen Quellen durchtränken theologisch gesehen das gesamte Liedgefüge, insbesondere die Strophen sechs, sieben und acht. Wir erinnern uns erneut an Strophe drei, in der ausgesagt wird, dass Gottes Für- und Vorsorge in seinem gnädig- treuen Tun, Wollen und Handeln besteht.

Wenn der Mensch sein Sorgen Gott überlässt, dann überlässt er ihm auch die Führung. Und mit der Führung und Sorge Gottes, also mit seiner Fü(h)rsorge verknüpft, liegt das großartige Versprechen aus dem zugrunde liegenden 37. Psalmvers fünf: „ … und er wird es wohl machen.“ Gottes Absichten haben demnach das Gute für den Menschen zum Ziel. Auch wenn der Weg dahin einen großen Vertrauensschritt beinhaltet, wird er doch leichter, wenn er sich mit der Absicht und dem Ziel Gottes vertraut macht. Zwar heißt das noch nicht, dass Gott unmittelbar handelt, aber allein das Bewusstsein unter der Fürsorge und Leitung Gottes zu stehen, bedeutet Trost und Hoffnung für die momentane und zukünftige Zeit. Im tröstlichen Vertrauen kann mit Gerhardt gesagt werden: Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl (V.8).

Strophe 8: Was Gerhardt in ermutigender und ermahnender Lehrform in beiden vorherigen Strophen entfaltet hat vertieft er nun weiter. Erneut geht es darum, Gott handeln zu lassen: „Jhn, jhn lass tun und walten (Sorge tragen, herrschen)“. Auffallend in dieser Strophe sind die wechselnden Zeiten. So heißt es, dass sich der Hörer wundern wird (Futur) über das was Gott tun wird (Futur), wenn er das Werk vollbracht hat, (Perfekt), welches ihm Kummer bereitet hat (Perfekt). Der Hörer spricht das in die Gegenwart hinein, was in der Zukunft schon passiert ist, nämlich, dass Gott ihn vom Kummer schon befreit hat. Wenn er das erkannt hat, dann sieht er die Wahrheit! Plötzlich wird die Hoffnung zur Gewissheit, welch ein Trost! Genau an diesen Punkt

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 46 wollte Paul Gerhardt gelangen. Es war seine Absicht den Hörer, Sänger, Beter mit in den Willen Gottes hinein zu nehmen. Angefacht durch die Hoffnung, soll er nicht auf das sehen, was noch geschehen wird, sondern auf Gott, der zwar schon weiß, was geschehen wird, aber auch dafür Sorge trägt, dass er dorthin geführt wird.

Strophe 9: Nach dieser großartigen Erkenntnis der vorherigen Strophe hätte das Lied eigentlich enden können, so denkt man. Doch Paul Gerhardt wusste aus den Zeugnissen und Lehren der Bibel, aus den Dogmen und Lehrschriften der lutherischen Orthodoxie, aber eben auch aus eigener Erfahrung, dass es keinen dauerhaften Zustand ohne Anfechtung im Glauben gibt. Ohne, dass sich Gerhardt innerhalb des Liedes mit dieser Thematik auseinander gesetzt hätte, wäre es lebensfremd geblieben. Der lehrhaft betende und teils meditierende Charakter, der in den beiden voran gegangenen Strophenblöcken herrschte, verändert sich nun.

Durch die teils unbeholfenen aneinander gereihten Worte und Gedanken, die tatsächlich Ängste und Nöte auslösen, gelingt es Gerhardt eine Situation darzustellen, die einer Anfechtung wirklich gleich kommt. Vor allem der Schlusssatz der Strophe macht die scheinbare Gleichgültigkeit Gottes gegenüber seinem Kind spürbar. Kein Zuspruch oder ein Wort, an dem man sich festhalten kann: Gott schweigt! Der Mensch ist hier offensichtlich völlig auf sich alleine gestellt, ja von Gott verlassen („So frag er nichts nach dir.“). Richtig begreifen kann man die Strophe in analytischer Form nicht, sich mit dem Geschehen darin identifizieren aber schon – es wirkt trotz aller Dunkelheit vertraut. Man kennt eine solche Phase, genau so, wie sie Gerhardt ebenfalls sehr gut kannte. Der Charakter der neunten Strophe findet starke Anlehnung an das Buch Hiob, aber ebenso an die Psalmen. In beiden wird die Gottverlassenheit des Menschen thematisiert. Damit ist auch angedeutet was in Strophe zehn gleich stark zum Ausdruck kommt: Die Anfechtung in der die Hilfe Gottes ausbleibt und er schweigt, bedeutet für den Menschen eine Prüfung, die er bestehen muss.

Strophe 10: Paul Gerhardt zeigt nun, wie die Gottverlassenheit überwunden werden kann. Seine Worte wirken dabei wieder fest und klar. Das „aber“, der ersten Zeile wirkt befreiend, und neue Hoffnung keimt auf. Gerhardt malt vor Augen, dass es in Situationen der Anfechtung darum geht, an Gott „festzuhalten“. Selbst wenn er mit seinem Trost verzogen ist, soll der Mensch ihm treu bleiben. Der in Teil eins der Arbeit behandelte Aspekt, dass in der Begegnung mit Gott die Psalmen den Beter zur Überwindung der Anfechtung führen, kommt hier zum tragen.38

Die Aufforderung „Hoff o du arme seele, hoff …“ und die Zusage, dass Gott den Angefochtenen aus der „Kummerhöle“ holt, wenn er seine Sorgen der Sorge Gottes überlässt, kommt hier wieder in den Sinn. Er bleibt Gott treu! In dem er vertraut, hofft und ausharrt, wird er die Auswirkung

38 Siehe Kapitel 1.3.2: In der Begegnung mit Gott führen die Psalmen den Beter zur Überwindung der Anfechtung

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 47 erfahren, so wie es ihm versprochen ist: „Wirds aber sich befinden, / Daß du jhm treu verbleibst / So wird er dich entbinden, / Da dus am wengsten gläubst“ In der zweiten Hälfte der zehnten Strophe wird noch einmal deutlich, dass die Seele des Menschen leidgeprüft wird. Ähnlich wie Hiob muss sie sich Prüfungen unterziehen, was die Aussagen in den Versen 7 und 8 andeutungsweiße wiedergeben. Zwar erfolgt zunächst der Zuspruch „Er wird dein hertze lösen Von der so schweren last“, doch auch dieser ist, wie der aus den Versen eins und zwei, an eine Bedingung geknüpft: „Die du zu keinem bösen Bisher getragen hast.“ Damit spielt Paul Gerhardt auf den Machtkampf zwischen Gott und „den teufeln“ in Strophe fünf an. Natürlich ist klar, dass der Kampf zu Gunsten Gottes entschieden ist, doch hindert es/er den „Bösen“ nicht den Menschen zu versuchen.

Strophe 11: In der uns vorliegenden Verseinheit werden einige Inhalte aus der vorherigen (Str.10) nochmals aufgegriffen und deutlicher unterstrichen. Mit einer Seligpreisung39 beginnt Gerhardt die ersten Zeilen: „Wol dir, du Kind der treue: / Du hast und trägst davon / Mit ruhm und danckgeschreye / Den sieg und ehrenkron.“ In diesen Zeilen spricht die Verheißung Offb 2,10b durch: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Vergleicht man die Seligpreisung mit der Bibelstelle, dann erkennt man, dass Paul Gerhardt im Gegensatz zu Johannes, von der Ehrenkrone „als gegenwärtige Gabe“ redet (Grimm 1990:287; Axmacher 2001: 136). Wir erinnern uns an Strophe acht, in der der Dichter zeigt, dass Gott den Kummer schon im Hier und Jetzt wegnimmt (Str.8 V.7+8). Ebenso sieht er das Zukünftige, sprich die Ehrenkron zu tragen, auch als ein Ereignis, das schon im Diesseits geschieht. Das wird mit den restlichen Verszeilen erneut bekräftigt: „Gott gibt dir selbst die palmen / In deine rechte hand / Vnd du singst freudenpsalmen / Dem der dein Leid gewandt.“ Dieser Vers ruft sofort den Einzug Jesu in Jerusalem (Mk, 11) ins Gedächtnis. Während Jesus im Pilgerzug auf einem Jungesel in die Stadt reitet und immer wieder der Psalmenruf (Ps 118) Hosianna (urspr. im hebr. hoschiah na: Hilf doch! Ein Ausruf, der sich vom Bittruf zum Freudenschrei gewandelt hat) hörbar wird. Dabei war es Brauch den Festzweig (Palmzweig) zu schütteln bzw. zu wedeln (Burkhardt, 2004:605). Im NT wird dieser Ritus als Teil der Abendmahlsliturgie beschrieben, gilt aber im Kontext von Mk 11 (Mt 21; Lk; 19; Joh 12) der Huldigung des Messias, d.h. in diesem Falle Jesus selbst. Für Gerhardt ist es der Dank und das Lob, für einen Gott, der den Menschen dorthin führt, wo sich das Leid in Freude verwandelt hat.

Wir haben in Vers zwei, drei und vier eine Seligpreisung identifiziert. Vergegenwärtigt man sich das neutestamentliche Verständnis und vergleicht es mit dem, was es bei Gerhardt ausdrückt, dann können daraus Rückschlüsse für die Theologie des Trostes und der Hoffnung aus dem Liedgut des

39 Seligpreisung im NT bedeutet: Das durch den Glauben empfangene Glück der Errettung durch Jesus Christus, die aus der Ewigkeit in die Gegenwart hineinreicht und für das man Gott lobt. (Burkhardt 2005:1426)

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Dichters gezogen werden. Im NT sind die sog. Makarismen (Seligpreisungen) keinesfalls nur „Vertröstungen“ auf eine erträglichere Zukunft, vielmehr „…fassen [sie] die Gegenwart im Licht der Zukunft …“, die Gott herbeiführt. Diese Aussage spiegelt sich in dem wider, wozu das komplette Lied immer wieder anhält, nämlich allzeit mit Gottes Fü(h)r- und Vorsorge zu rechnen. Darin bestehen der Trost und die Hoffnung im jetzigen, als auch im zukünftigen Leben.

Strophe 12: Die letzte Strophe bildet mit den ersten beiden zusammen den Rahmen um das ganze Lied. Zum ersten und einzigen Mal schreibt Gerhardt hier (Str.12) in der „Wir-Form. Es handelt sich dabei um ein Gebet, in das alle Gläubigen und somit Gemeinde eingeschlossen wird. Die Anrede „o Herr“ (V.1) belegt das. Nachdem Gerhardt bisher den einzelnen persönlich angesprochen und angeleitet hat, macht er sich nun mit allen Frommen eins und erweißt sich einmal mehr als kraftvoller Vorbeter. Das Große Ziel dabei ins Visier gefasst, komplettiert er darin das, was in Strophe eins begonnen hat. Menschliche Wege, die zu göttlichen Wegen geworden sind gehen gewiss in den Himmel: „So gehen unsre wege / Gewiß zum himmel ein.“ In der uns vorliegenden letzten Liedstrophe findet demnach alle Not, ja selbst der Tod ein Ende und der Mensch sein letztes Ziel.

Die ersten Zeilen beschreiben das Verlangen nach dem Eintreten dieses Ereignisses: „Mach end, o Herr, mach ende / An aller unser noth.“ Es ist ein flehendes aber festes Gebet, in dem die Perspektive auf den Himmel gerichtet ist. Der Vorbeter und seine Glaubensgeschwister wissen, dass es ein irdisches Leben ohne Leid und Anfechtung nicht gibt, und so bleibt in ihnen eine Spannung aufrecht erhalten, die erst im Himmel endgültig aufgelöst werden wird. Dennoch haben sie den Trost Gottes und die Hoffnung, dass er alles „wol“ (Str.2+7) führt, schon im gegenwärtigen Leben als Kraftquelle erlebt. Aus ihr heraus und dem Setzen ihres Vertrauens auf Gottes Wege, werden die Glaubenden das Ziel des Himmels erreichen. Deshalb formuliert Gerhardt weiter: Stärck unser füß und hände / Vnd laß bis in den tod / Vns allzeit deiner pflege / Vnd treu empfohlen seyn“.

Im übertragenen Sinne und mit dem Wissen, wie Gottes Weg beschaffen ist, kann der erste Teil der Bitte lauten: „Schenke uns Kraft, den Weg, den du uns lenkst auch zu gehen, denn wir wissen, dass er voller Anfechtungen und Prüfungen ist.“ Weiter der zweite Teil: „Bleibe uns treu, und sorge für uns, auch auf dem Weg durch das Sterben hindurch.“ Damit ist das Vertrauen in Gott ausgesprochen, die Betenden befehlen ihren Weg in Gottes treue Fü(h)rsorge, die im Tod dafür sorgt, dass es aus dem Tod heraus weitergeht. Auf theologischer Ebene ist der Tod längst entmachtet, doch durch die Sprache wird diese Wahrheit hier noch einmal oder gar erst begreifbar gemacht (Axmacher 2001:136). Wer das mit der Gemeinschaft der Gläubigen erfasst hat, kann mit Paul Gerhardt zusammen sagen: „So gehen unsere wege / Gewiß zum Himmel ein.“ Zum Schluss gibt es sogar die Gewissheit, für den, der im Glauben annehmen kann, dass seine Hoffnung in den

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Wegen Gottes begründet liegt. Sie kommt aus dem Getröstet sein durch die „treue pflege“ Gottes (Str. 1+12).

Zusammenfassung: Paul Gerhardt beschreibt theologisch in einer Vielzahl von Punkten40, wie Trost und Hoffnung in seinem Lied zum Ausdruck kommt. Drei davon haben sich als wesentlich herauskristallisiert: Zum einen besteht Trost darin, Gottes Wegen zu vertrauen, obwohl man nicht sehen kann, wohin sie führen. Des Weiteren wird man im Wissen um seine Treue getröstet. Schließlich liegt tiefer Trost und große Hoffnung in der Perspektive des Himmels und somit des Heils. Trost und Hoffnung gibt Gerhardt aber auch, weil es ihm gelingt, biblische Lehre und dogmatische Inhalte nicht in belehrender Form zu präsentieren. Er lehrt zwar, aber so, dass er durch seine Sprache, den Singenden mit auf Gottes Weg nimmt, den er mit ihm geht.

3.2.2 Trost und Hoffnung durch Glaubensgewissheit und Glaubensfreude

Das Lied: „Ist Gott für mich so trete“

Strophe 1-2: Wie in der Gliederung schon festgestellt, leiten sich die Strophen eins bis sechs aus Röm 8, 31-34 ab. Gerhardt stellt von Anfang an die Aussagen des zugrunde liegenden Textes auf eine persönliche Ebene. Das geschieht indem er in „ich - Form“ schreibt und dadurch seinen persönlichen Glauben bekennt. „Ist Gott für mich“, so beginnt er den Text und stellt somit die Heilszusage Gottes über das gesamte Lied bzw. das gesamte Leben im Glauben.41 Dieser Zuspruch Gottes ist der Grund, warum für Gerhardt und mit ihm alle, die darauf vertrauen, kein Zweifel mehr besteht, dass sie von Gott angenommen und gerettet sind. Für ihn steht aufgrund der Lehre fest: Gott ist für mich. Ich bin geliebt bei Gott (Str.1). Indem der Singende im Glauben annimmt, was als Wahrheit feststeht, erfährt er Trost.

Strophe 3-6: Hier beleuchtet Gerhardt den christologischen Aspekt des Trostes. Er besteht in der Hoffnung auf die Ewigkeit („Das machet daß ich finde / Das ewge wahre gut“). Diese Hoffnung ist begründet in der Hingabe Jesu (Der Grund da ich mich gründe / Ist Christus und sein blut). Sie besteht in der Liebe, durch die er den Menschen das ewige Leben schenkt (Das Christus mir gegäben, /das ist der Liebe wehrt).Wenn Jesus nicht wäre, dann könnte kein Mensch mit seiner Sünde vor Gott bestehen, denn „Der, der hat außgeleschet, Was mit sich führt den tod“. Damit zeigt Gerhardt auf, dass es keine Verdammnis gibt für die, die in Jesus Christus sind (nach Röm 8,1). Darin liegt nach Axmacher eine Besonderheit. Ihrer Ansicht nach betont Gerhardt im Gegensatz zu dogmatischen Darstellungen, die rechtfertigende Liebe Gottes als Schutz und Trost des gefährdeten menschlichen Lebens (Axmacher 2001:158). Die Kraft, die in den Worten dieser

40 Siehe Anhang

41 Das Lied „Befiehl du deine Wege“ zeigt anhand des Bildes vom Weg, ebenfalls das gesamte Glaubensleben auf.

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Strophen steckt, schenkt dem Hörenden ein Bild eines Glaubenden, der sich zwar der Sünde und all den Widerständen des Glaubenslebens bewusst ist, der aber trotzdem die Gewissheit des Glaubens hat. Durch ihn weiß er sich getröstet.

Strophe 7-10: In diesen Strophen beschreibt Gerhardt das Wirken des Heiligen Geistes. Er ist der Parakletos (Tröster im Sinne von Beistand) der im Herzen des Glaubenden wohnt. Dort hilft er ihm, sich in allen Lebenslagen an Gott den Vater zu wenden („Hilft mir das Abba schreyen. /Aus aller meiner krafft“). Der Heilige Geist spricht das vor Gott mit Seufzen aus, wofür es menschlich gesehen keine Worte gibt („So seuffzt und spricht er worte, Die unaußsprechlich sind“). Im Römerbrief heißt es zu den beiden Stellen folgendermassen: „…ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen Abba, lieber Vater!“ (Röm 8,14) und „ … wir wissen nicht was wir beten sollen [in unserer Schwachheit, doch] …der Geist selbst vertritt uns in unaussprechlichem Seufzen.“ (Röm 8,26). Gerhardt beschreibt hier, wie der Himmlische Tröster Trost spendet. Wenn sich Furcht und Schrecken um die menschliche Seele legen, dann steht er dem Glaubenden bei und spricht vor Gott für ihn!

Das tröstliche Wirken des Heiligen Geistes unterstützt aber eine Seele in Not nicht nur im Hinwenden zu Gott, sondern Gott selber wendet sich an die Seele in Not (Sein Geist spricht meinem geiste / Manch süsses trostwort zu, / Wie Gott dem hülfe leiste, / Der bei ihm suchet ruh“) Das geschieht im Hinblick auf die Ewigkeit. Gott offenbart den Himmel in Form einer edlen neuen Stadt (Str.9 V.7), wie es Gerhardt ausdrückt.

Strophe 11-14: Gerhardt zeigt nun auf, was es bedeutet, ein von Gott im Glauben Gerechtfertigter zu sein: „Wer sich mit dem verbindet, / Den Satan fleucht und haßt, / Der wird verfolgt und findet / Ein hohe schwere last.“ Hier ist der Widerstand in Person des Satans beschrieben, der die Glaubenden aus der Hand Gottes reißen will. Doch er kann es nicht, denn für ein an Gott hingegebenes Leben ist gesorgt (Str 12). Es kann ihm nicht entrissen werden.

In den Strophen 13 und 14 stellt sich Gerhardt auf die Zusagen des triumphierenden Finales von Röm 8, 31-39 indem er zusammen mit dem Singenden bekennt: „Niemand und nichts kann mich trennen von der Liebe Gottes.“ Er stimmt damit in ein urchristliches Lied ein, das wahrscheinlich wie die Psalmen im Wechselgesang gesungen wurde. (Erb1974:132). Pohl (z.St. Röm 8,31-39) setzt die Stelle einem Siegeshymnus, der mit den Spitzensätzen der Liebe Gottes aufbrandet, gleich.

Strophe 15: Paul Gerhardt hat sich in seinem Lied einmal mehr als Exeget auf Grundlage von Röm 8 erwiesen. Den Schlusspunkt setzt er nun unabhängig von einem biblischen Text, bestärkt, ja regelrecht beseelt von seiner Glaubensgewissheit: „Mein hertze geht in springen / Und kan nicht traurig seyn, / Ist voller freud und singen, / Sieht lauter sonnenschein. / Die Sonne, die mir lachet, Ist mein Herr Jesus Christ; / Das, was mich singend machet, / Ist, was im himmel ist. Wer das mit

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Paul Gerhardt von ganzem Herzen singen kann, der ist nicht nur getrost und glaubensgewiss, sondern auch voller Glaubensfreude und Hoffnung.

Zusammenfassung: Für eine Theologie des Trostes und der Hoffnung liefert das Lied „Ist Gott für mich so trete“ vertiefte Erkenntnisse. Sie lassen sich angesichts der sich widerspiegelnden trinitarischen Gesichtspunkte in Gerhardts Lied in dreifacher Weise beschreiben:

1. Unter dem Aspekt, dass von Gott dem Vater und Urheber des Heils, Trost ausgeht, der in der Rechtfertigung des Glaubenden liegt.

2. Unter dem christologischen Aspekt, bei dem Jesus durch seine Heilstat am Kreuz der Grund für den Trost Gottes ist.

3. Unter dem pneumatologischen Aspekt, bei dem der Heilige Geist als der Trostwirkende im Herzen des Gläubigen den Trost Gottes in Christus hervorruft.

3.3 Die seelsorgerliche Wirkung des Liedguts von Paul Gerhardt in der Gegenwart

Insgesamt wurden 198 Zeugnisse erfasst. Davon habe ich 144 als aussagekräftig befunden. Aus ihnen konnten drei Schwerpunktthemen ermittelt werden (Trost und Hoffnung, Wegbegleitung und Grund zur Freude), die die Gründe für das seelsorgerliche Wirken der Lieder darstellen.

3.3.1 Trost und Hoffnung

In 144 persönlichen Aussagen wurde zunächst deutlich, dass die Lieder Paul Gerhardts Trost und Hoffnung in der heutigen Zeit spenden. In 29 Zeugnissen kam der Begriff Trost und in zehn das Wort Hoffnung explizit vor. Neben ihnen noch eine große Anzahl von Aussagen, in denen tröstliche und Hoffnung schenkende Erfahrungen beschrieben werden.

Hier nun drei wesentliche Gründe für die Tröstende Kraft und Hoffnung schenkende Wirkung der Lieder Paul Gerhardts in der Gegenwart, die sich aus den Zeugnissen ergeben:

1. Die Lieder erreichen das Herz

Die Lieder von Paul Gerhardt können zu einem „Schatz im Herzen der Menschen werden“, wie aus einem Zitat des Gästebuchs hervorgeht. Sie bleiben nicht einfach an der Oberfläche hängen, sondern „machen das Herz frei und glücklich“, wie aus weiteren Aussagen hervorgeht. Oft wurde in diesem Zusammenhang erwähnt, dass gerade dann, wenn es nötig war, auf bestimmte Verse oder Textzeilen Gerhardts zurückgegriffen werden konnte, weil sie auswendig gelernt wurden. Hier wird angedeutet, dass die starken Inhalte der Lieder Gerhardts somit zur Wirkung kommen und Menschen dadurch Kraft, Trost, Mut und Hoffnung erfahren:

● Paul Gerhardts Lieder haben einen großen Inhalt, auch in jeder Strophe. Die Verse erreichen einem das Herz! Die Lieder geben einem viel Kraft, Trost, Mut und Hoffnung.

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●Ich bin froh, dass ich als Kind und Jugendlicher viele der einmaligen Liedtexte Gerhardts auswendig gelernt habe. Das ist ein kostbarer Schatz in meinem Herzen geworden.

2. Die Lieder ermöglichen Identifikation

Ein Merkmal der Psalmen war ihre seelsorgerliche Wirkung durch Identifikation.42 In einigen Zeugnissen kam dieser Aspekt bezüglich der Lieder Gerhardts zum tragen. Hier eines davon:

● P.G.´s Lieder sprechen das Wesentliche an, das Menschsein in dieser Welt ausmacht und die Verbindung zur gesamten Schöpfung ausdrückt. In seinen Texten fühle ich mich erkannt und verstanden. Möglicherweise geht es anderen ähnlich. Vielleicht ist es das, was für die weltweite Verbreitung gesorgt hat. Seine Lieder sind ein Teil meines Lebens.

● Paul Gerhardts Lieder kann man in frohen und schweren Zeiten singen. Man fühlt sich verstanden und getragen und man singt die Lieder gerne und von Herzen.

3. Die Lieder stärken den Glauben

In mehreren Aussagen des Gästebuches, wird angedeutet, welche Wirkung die Lieder auf den persönlichen Glauben haben. Sie sind „Vorbild“ im Glauben und „prägen“ ihn.

● Paul Gerhardt Lieder bedeuten mir unendlich viel. Sie stärken mich im Glauben sehr tief. Sie geben mir viel Trost, Hoffung uns Zuversicht, und stärken mein Gott-Vertrauen, ganz ganz tief.

3.3.2 Wegbegleitung

In 24 Zeugnissausagen wurde deutlich, dass die Lieder Paul Gerhardts viele Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten. Die Begleitung auf dem Lebensweg ist ein wichtiger seelsorgerlicher Aspekt. Nicht nur Menschen können solche Weggefährten sein, sondern eben auch Lieder. Wie das hauptsächlich geschieht deutet sich in drei Gesichtspunkten an:

1. Die Lieder schützen und tragen in Freude, Leid, Krankheit und Sterben

● Die Paul Gerhardt- Texte begleiten mich durch meine Krebserkrankung und trösten immer wieder, besonders „Befiehl du deine Wege… der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann. ● Vieles seines Dichtens hat mich seit frühester Kindheit begleitet und in schwerer Zeit geschützt. ● Paul Gerhardt - ein Lebensbegleiter im Auf und Ab des Lebens! Eine Fülle von sprachlichen Bildern, Beobachtungen und Weisheiten! Zuversicht und Gottvertrauen sind zuverläßliche (sic!)Wegbegleiter - herzlichen Dank an Paul Gerhardt!

● Paul Gerhardts Texte und Liedvertonungen begleiten mich seit der Schulzeit durch mein Leben. Sie geben mir Tragkraft in schwierigen Lebensphasen, aber auch in der Freude lassen sie "das Herz zusätzlich springen". Ich danke meinen Lehrern und Ausbildern immer wieder für diesen kostbaren Schatz.

● Paul Gerhardt begleitet mich bisher durch mein Leben und durfte meine Mutter mit seinen

42 Siehe Kapitel 1.3.2 unter der Überschrift: Psalmen ermöglichen Identifikation

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Liedern auch im Sterben und beim Abschied damit begleiten.

2. Die Lieder sind Gebete

● In vielen Lebenssituationen, in Freude und in schweren Stunden, haben sie mich begleitet, als Gebet, haben sie mir Kraft, Trost und Hilfe gegeben, haben meinen Blick nach oben zu Gott gelenkt.

3. Die Lieder vertiefen biblische Aussagen

Auch heute noch legen Gerhardts Lieder biblische Texte aus und dienen dem geistlichen Wachstum:

● Ich bin mit den Liedern Paul Gerhardt´s aufgewachsen. Sehr oft haben mich Verse begleitet und biblische Aussagen vertieft. Dank sei Gott für diese Begabung, die bis heute solche Ausstrahlung entfaltet.

● Seine Lieder sind Schwarzbrot auf dem Lebensweg.

3.3.3 Grund zur Freude

In 23 Aussagen des Gästebuches aus Lübben spiegelt sich wider, dass die Lieder auch heute noch Freude schenken. In welcher Weise sie das tun, zeigen zwei Aspekte:

1. Die Lieder führen in die Höhe zu Gott

In einer Zeugnisaussage wird direkt ausgesprochen, was in vielen anderen mitklingt: Das Liedgut Gerhardts ist Gotteslob! Damit ist wiederum eine Parallele zu den Psalmen erkennbar, die den Beter zu Gott ziehen und jubeln lassen.

● Paul Gerhardts Lieder zu singen ist mir eine große Freude! Sie treffen mich immer im Innersten und führen mich in die Höhe - zu Gott!

2. Begeisternde Texte

● Ich begeistere mich sehr für seine Texte, da man sich sehr gut hineinversetzen kann. Sie bedeuten sehr viel.

● Die Lieder Paul Gerhards sind Trost-, Freuden- und Kraftquellen zu ALLEN Zeiten. Man soll sich in die Texte hinein nehmen lassen. Sie haben eine unendliche Tiefe und Kraft gegenüber unserer abgeflochtenen, oberflächlichen heutigen Sprache (dies gilt auch für unsere neuen Lieder in der Kirche)

Zusammenfassung: Durch die Zeugnisberichte wird deutlich, welche Faktoren für die Trost und Hoffnungs-Spendende Kraft der Lieder Gerhardts in Betracht gezogen werden können. Der Grund, dass sie verinnerlicht wurden und deshalb als Wegbegleiter wirken, kommt dabei am stärksten zum tragen.

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3.4 Trösten und Hoffen mit Paul Gerhardt – ein Dreiklang

3.4.1 Der Grundton: Klang Gottes

1. Das Liedgut Paul Gerhardts lehrt tiefgründige, biblische Wahrheit, durch die Gott als der echte Trost -und Hoffnungsgeber erkannt und erfahrbar wird.

2. Das Liedgut fordert dazu auf, alle Hoffnung und alles Vertrauen auf Gott zu setzen, denn bereits im Setzen auf ihn liegt starker Trost.

3. Weil das Liedgut eine Theologie enthält, in der Trost und Hoffnung von Gott ausgehen, in Jesus Christus begründet liegen und vom Heiligen Geist bewirkt werden, tröstet es und schenkt Hoffnung.

4. Das Liedgut schenkt tiefen Trost, weil es die Gewissheit des Heils und eine bleibende Hoffnung durch Glaubensfreude vermittelt.

3.4.2 Die Terz: Klang des Lebens

1. Weil Paul Gerhardt trotz persönlicher und zeitlicher Krisen und Glaubenskämpfe hindurch sein Vertrauen in Gott setzte, wurde der Trost in seinen Liedern durchlebter und erfahrenerTrost.

2. Weil das Liedgut Gerhardts von ihm und Crüger gezielt genutzt wurde, um die Menschen im Glaubensalltag und Gottesdienst zu stärken, wurde ihnen dadurch Trost und Hoffnung zuteil.

3. Weil das Liedgut Gerhardts auf seelsorgerliche Weise dem Einzelnen persönlich die Gegenwart im Licht der himmlischen Perspektive aufzeigt, schenkt es tiefen Trost und Hoffnung.

4. Durch sein Liedgut nimmt Gerhardt den Singenden mit auf Gottes Weg, auf dem er unter seiner Für- und Vorsorge geführt wird und dadurch tief greifenden Trost erlebt.

3.4.3 Die Quinte: Klang der Sprache und Musik

1. Durch eine dichterisch und rhetorisch geschulte Sprache, die im Einklang mit der passenden Melodie steht, wird der textliche Inhalt des Liedguts von Paul Gerhardt verstärkt und vermittelt dadurch starken Trost und große Hoffnung.

2. Wegen der schlichten doch kraftvollen Sprache Gerhardts erreichte sein Liedgut Menschen aus der Unter-, wie auch der Oberschicht, wodurch diese getröstet werden konnten.

3. Gerhardts reiche und bildhafte Sprache und seine Eigenständigkeit, theologische Inhalte künstlerisch gestalten zu können, ermöglichten es Herz und Geist der Menschen zu trösten.

Quintessenz: So, wie ein Akkord, der aus drei Tönen besteht die für sich alleine niemals den Klang eines kraftvollen Dreiklangs hätten, so erklingt das Liedgut Paul Gerhardts noch heute und tröstet in hoffnungsvoller Perspektive bis in den Himmel.

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4. AUSBLICK UND EMPFEHLUNGEN FÜR LIEDERDICHTER

In meiner Diplomarbeit wollte ich herausfinden, wie es zu den Liedern Paul Gerhardts kam, warum sie noch heute soviel Trost und Hoffnung spenden und was Kirchenliederdichter unserer Zeit daraus lernen können. Ich fand heraus, dass es zur Entstehungsgeschichte keine ernst zu nehmenden Quellen gibt. Dafür umso mehr Erkenntnisse, was die zweite Fragestellung betrifft. Der Grund für die Wirkkraft der Lieder liegt in dem beschriebenen Dreiklang. Was bedeutet das nun für Dichter, Theologen und Musiker? Hier meine Gedanken:

1. Paul Gerhardt erreichte eine enorme seelsorgerliche Tiefe in seinen Liedern, nicht nur, weil er biblische Lehren verinnerlichte, sondern auch, weil er ein Mann des Gebets, des Glaubens und des Handelns war. Das ist für die Persönlichkeit des Kirchenliederdichters in unserer Zeit die Grundlage, um überhaupt durch eigene Lieder trösten zu können.

2. Gerhardt war ausgebildet. Er studierte die Bibel sehr gründlich und lernte wie man ihre Inhalte den Menschen nahe brachte. Auch im Dichten durchlief er eine Ausbildung, die ihm das Handwerkszeug bescherte, das er für die Praxis benötigte. Jemand, der heute Lieder schreibt, die er der Gemeinde vorstellt, braucht ein gewisses Maß an Ausbildung.

3. Wir leben in einer Kultur die geprägt von „Pop Stars“ und Deutschland sucht den „Superstar“ ist. Fast jeder, auch der „christliche Musiker“, der „geistliche Lieder“ schreibt, ist heute im Internet präsent und versucht auf seine Musik, seine Lieder, und seine Texte aufmerksam zu machen. Ein Trend der normal geworden ist, vor dem keiner gefeit ist. Gerhardt hatte zusammen mit Crüger die „Vision“ den Menschen in ihrer gebrochenen Welt zu dienen und zu trösten. Wir können das auch tun, indem wir als Texter, Musiker und Theologen zusammenarbeiten und eine ähnliche „Vision“ entwickeln. Gerhardt hatte dafür Crüger, bzw. Crüger entdeckte Gerhardt, wen haben wir oder wen entdecken wir?

4. Um mehr Tiefgang in unseren modernen Liedern zu haben bedarf es der Verinnerlichung biblischer Wahrheiten. Es geht nicht darum mit Bibelphrasen zu jonglieren, um ein paar schöne Kunststückchen damit zu zeigen. Vielmehr muss den Liedern abzuspüren sein, dass sie aus einer Erfahrung mit Gott heraus kommen und wenn sie leid-, oder schmerzvoll ist, dann muss man sie nicht mit einem „dreifachen Halleluja“ übertünchen sondern sie dürfen vor Gott zum Ausdruck kommen, denn:

„Unser Vater, der uns geliebt und uns einen ewigen Trost gegeben hat und eine gute Hoffnung durch Gnade, der tröste eure Herzen und stärke euch in allem guten Werk und Wort.“

(2 Thes 2,16-17)

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5. BIBLIOGRAPHIE

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Hillenbrand, Rainer 1992. Paul Gerhardts deutsche Gedichte. Rhetorische und poetische Gestaltungsmittel zwischen traditioneller Gattungsbindung und barocker Modernität. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag GmbH.

Ihlenfeld, Kurt 1964. Huldigung für Paul Gerhardt. München und Hamburg: Siebenstern Taschenbuch Verlag.

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Lloyd-Jones, Martin 1990. Spititual depression – its causes and its cure. Michigan: Wm.B.Eardmans Publishing Company.

Muntanjohl, Felicitas & Heymel Michael 2006. Auf, auf mein Herz mit Freuden. Gottesdienste Gemeindarbeit und Seelsorge mit Liedern von Paul Gerhardt. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

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Rödding, Gerhardt 2006. Warum sollt ich mich denn grämen. Paul Gerhardt-Leben und Dichten in dunkler Zeit. Neukirchen-Vluyn: Aussat Verlag.

Schefbuch, Winrich & Beate 1997. Den Kummer sich von Herzen singen. So entstanden bekannte Lieder. 7. Auflage. Holzgerlingen: Hänsler Verlag.

Schmidt, Georg 1995. Der Dreissigjährige Krieg. München: C.H. Beck Verlag.

Bibeln, Handbücher, Kommentare und Lexika:

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Die Heilige Schrift, Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel. Das Alte Testament, revidierte Fassung 1985/1991. 2003. 6. Neuauflage Wuppertal: R. Brockhaus Verlag

Die Heilige Schrift, Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel. Das Neue Testament, revidierte Fassung 1985/1991. 2003. 6. Neuauflage. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag

Die Heilige Schrift, Stuttgarter Erklärungsbibel nach der Übersetzung Martin Luthers, revidierte Fassung von 1984. 2005. Neuausgabe. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft.

Doerne, M. 1959. Kirchenlied. I. Die Geschichte des christlichen Kirchenliedes. RGG³ 3, 1454-1466.

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Pfister, Xaver 1982. Ökumenischer Arbeitskreis für Bibelarbeit Bd.4. Bibelarbeit in der Gemeinde. Psalmen. Basel/Zürich Köln: F.Reinhardt Verlag/Benziger Verlag.

Pohl, Adolf 1998. Der Brief des Paulus an die Römer erklärt von Adolf Pohl. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag

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Rösler, Martin 2008. 351 Ist Gott für mich so trete, in Herbst & Seibt 2008, 84-85.

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Spurgeon, C. H. 1893. Die Schatzkammer Davids. Eine Auslegung der Psalmen. Bonn: Verlag von Johannes Schergens.

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Stalmann, Joachim 2001. Kompendium zur Kirchenmusik. Überblick über die Hauptepochen der evangelischen Kirchenmusik und ihre Vorgeschichte. Hannover: Lutherisches Verlagshaus.

Venard, Marc (Hg) 1992. Die Zeit der Konfessionen (1530-1620/30). Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur. Freiburg, Basel Wien: Herder Verlag.

Wahrig-Burfeind, Renate 2004. Wahrig. Fremdwörterlexikon. München: Deutscher Taschen Buchverlag dtv.

Aufsatzsammlungen und Artikel:

Axmacher, Elke 2008. 351 Ist Gott für mich so trete, in Herbst & Seibt 2008, 77-84.

Axmacher, Elke 2008. Paul Gerhardt und die Tradition, in Beutel & Böttler 2008, 95-108.

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Böttler Winfried (Hg) 2007. Paul Gerhardt in Kirche, Kultur und Lebensalltag. Beispiele für die Praxis. Berlin: Frank&Timme Verlag.

Böttler Winfried (Hg) 2008. Paul Gerhardt in Kirche, Kultur und Lebensalltag. Beispiele für die Praxis. Berlin: Frank&Timme Verlag.

Böttler Winfried (Hg) 2007. Beiträge der Paul Gerhardt Gesellschaft Bd.4 Paul Gerhardt in Kirche, Kultur und Lebensalltag. Beispiele für die Praxis. Berlin: Frank&Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur.

Bunners, Christian 2008. Johann Crüger als Herausgeber und Melodist Paul Gerhardts, in Wendenbourg 2008, 207-230.

Grosse, Sven 2008.Anfechtung und Verborgenheit Gottes bei Luther und bei Paul Gerhardt, in Beutel & Böttler 2008, 13-32.

Kück, Cornelia & Kurzke, Hermann (Hg) 2003. Kirchenlied und nationale Identität. Internationale und interkulturelle Beiträge. Mainzer hymnologische Studien Bd.10 Tübingen und Basel: A. Francke Verlag.

Meiser, Martin 2005. Die psychische Wirkung der Musik. Was die Bibel davon weiß. Psychotherapie & Seelsorge, Nr. 3, 15-17.

Stegmann, Andreas 2008. Paul Gerhardt und die Universität Wittenberg, in Wendebourg 2008, 15-65.

Wendenbourg, Dorothea (Hg) 2008. Paul Gerhardt. Dichtung, Theologie, Musik. Wissenschaftliche Beiträge zum 400. Geburtstag. Tübingen: Mohr Siebeck.

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Bautz, Friedrich Willhelm 2008. Biographie von Johann Crüger. Biographisch- Biblographisches Kirchenlexikon. Bautz.de. Online im Internet: http://www.bautz.de/bbkl/c/crueger_j.shtml [3.März 2009].

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Bautz, Friedrich Willhelm 2008. Biographie von Johann Georg Ebeling. Biographisch- Biblographisches Kirchenlexikon. Bautz.de. Online im Internet: http://www.bautz.de/bbkl/e/ebeling_j_g.shtml [3.März 2009].

Schulze, Mannfred 2009. Biographie von Martin Luther. Biographisch-Biblographisches Kirchenlexikon. Bautz.de. Online im Internet: http://www.bautz.de/bbkl/l/luther_m.shtml [22.Februar 2009].

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Senf, Burkhard 2007. Predigt über 400 Jahre Paul Gerhardt. Predigtpreis.de. Online im Internet http://www.predigtpreis.de/darstellung-einzelpredigt+M55952fd14ae.html [16. März 2009]. http://www.paul-gerhardt-gesellschaft.de/Liedkommentare.pdf

Sonstiges:

Führung durch das Paul Gerhardt Museum in Gräfenhainichen am 03.08.2008.

Besuch der Paul Gerhardt Ausstellung in der Lübbener Paul Gerhardt Gemeinde am 04.08.2008.

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ANHANG

Thematisch angeordnete Übersicht der Lieder Gerhardts nach Johann Heinrich Feustking aus dem Jahre 1707 und Eberhard von Cranach-Sichart aus den Jahren 1949/1957. Die Einteilung geht zurück auf die „praxis pietatis melica von 1653. Bei Cranach-Sichart stehen die im Jahre 2004 ergänzten neu aufgefundenen Werke Gerhardts hinter dem „+“-Zeichen.

Feustking Anzahl Cranach-Sichart Anzahl

Advent 4 Advent 2

Weihnachten 6 Weihnachten 7

Neujahr 3 Neujahr 2

Passion 13 Passion 14

Ostern 3 Ostern 3

Pfingsten 4 Pfingsten 3

Besondere Feste 3 Dreifaltigkeit 1

Buße und Beichte 3 Buße 4

Katechismus 4 Taufe 1

Christliches Leben 6 Abendmahl 1

Zeitlieder 3 Rückkehr von der Reise 1

Beruf 8 Freundschaft und Ehe 2;4+1

Kreuz und Trost 24! (T.W.) Kreuz und Trost 29! (T.W.)

Bitte, Gebet 4 Gebet, Christliches Leben

Lob und Dank 15 Lob und Dank 18+1

Krieg und Frieden 3

Pest und Krankheit 1

Morgen 3 Morgen 3

Abend 2 Abend 2

Sommer (und Regen) 3

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Feustking Anzahl Cranach-Sichart Anzahl

Sterben 8 Tod und ewiges Leben 21

Himmelslied 1

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BEFIEHL DU DEINE WEGE 1. Befiehl du deine Wege, 6. Hoff, o du arme Seele, und was dein Herze kränkt hoff und sei unverzagt! der allertreusten Pflege Gott wird dich aus der Höhle, des, der den Himmel lenkt, da dich der Kummer plagt, Der Wolken, Luft und Winden mit großen Gnaden rücken; gibt Wege, lauf und Bahn, erwarte nur die Zeit, der wird auch Wege finden, so wirst du schon erblicken da dein Fuß gehen kann. die Sonn der schönsten Freud.

2. Dem Herren musst du trauen, 7. Auf, auf, gib deinem Schmerze wenn dir’s soll wohlergehn; und Sorgen gute Nacht, auf sein Werk musst du schauen, lass fahren, was das Herze wenn dein Werk soll bestehn. betrübt und traurig macht; Mit Sorgen und mit Grämen bist du doch nicht Regente, und mit selbsteigner Pein der alles führen soll, lässt Gott sich gar nichts nehmen, Gott sitzt im Regimente es muss erbeten sein. und führet alles wohl.

3. Dein ewge Treu und Gnade 8. Ihn, ihn lass tun und walten, o Vater, weiß und sieht, er ist ein weiser Fürst was gut sei oder schade und wird sich so verhalten, dem sterblichen Geblüt; dass du dich wundern wirst, und was du dann erlesen, wenn er, wie ihm gebühret, das treibst du, starker Held, mit wunderbarem Rat und bringst zum Stand und Wesen, das Werk hinausgeführet, was deinem Rat gefällt. das dich bekümmert hat.

4. Weg hast du allerwegen, 9. Er wird zwar eine Weile an Mitteln fehlt dir’s nicht; mit seinem Trost verziehn dein Tun ist lauter Segen, und tun an seinem Teile, dein Gang ist lauter Licht; als hätt in seinem Sinn dein Werk kann niemand hindern, er deiner sich begeben dein Arbeit darf nicht ruhn, und sollt’st du für und für wenn du, was deinen Kindern in Angst und Nöten schweben, ersprießlich ist, willst tun. als frag er nichts nach dir.

5. Und ob gleich alle Teufel 10. Wird’s aber sich befinden, hier wollten widerstehn, dass du ihm treu verbleibst, so wird doch ohne Zweifel so wird er dich entbinden, Gott nicht zurücke gehn; da du’s am mindsten glaubst; was er sich vorgenommen er wird dein Herze lösen und was er haben will, von der so schweren Last, das muss doch endlich kommen die du zu keinem Bösen zu seinem Zweck und Ziel. bisher getragen hast.

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11. Wohl dir, du Kind der Treue, du hast und trägst davon mit Ruhm und Dankgeschreie den Sieg und Ehrenkron; Gott gibt dir selbst die Palmen in deine rechte Hand, und du singst Freudenpsalmen dem, der dein Leid gewandt.

12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.

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IST GOTT FÜR MICH SO TRETE 1. Ist Gott für mich, so trete 6. Nichts, nichts kann mich verdammen, gleich alles wider mich; nichts nimmt mir meinen Mut: sooft ich ruf und bete, Die Höll und ihre Flammen weicht alles hinter sich. löscht meines Heilands Blut. Hab ich das Haupt zum Freunde Kein Urteil mich erschrecket, und bin geliebt bei Gott, kein Unheil mich betrübt, was kann mir tun der Feinde weil mich mit Flügeln decket und Widersacher Rott? mein Heiland, der mich liebt.

2. Nun weiß und glaub ich feste, 7. Sein Geist wohnt mir im Herzen, ich rühm’s auch ohne Scheu, regiert mir meinen Sinn, dass Gott, der Höchst und Beste, vertreibet Sorg und Schmerzen, mein Freund und Vater sei nimmt allen Kummer hin; und dass in allen Fällen gibt Segen und Gedeihen er mir zur Rechten steh dem, was er in mir schafft, und dämpfe Sturm und Wellen hilft mir das Abba schreien und was mir bringet Weh. aus aller meiner Kraft.

3. Der Grund, da ich mich gründe, 8. Und wenn an meinem Orte ist Christus und sein Blut; sich Furcht und Schrecken find’t, das machet, dass ich finde so seufzt und spricht er Worte, das ewge, wahre Gut. die unaussprechlich sind An mir und meinem Leben mir zwar und meinem Munde, ist nichts auf dieser Erd; Gott aber wohl bewusst, was Christus mir gegeben, der an des Herzens Grunde das ist der Liebe wert. ersiehet seine Lust.

4. Mein Jesus ist mein Ehre, 9. Sein Geist spricht meinem Geiste mein Glanz und schönes Licht. manch süßes Trostwort zu: Wenn der nicht in mir wäre, wie Gott dem Hilfe leiste, so dürft und könnt ich nicht der bei ihm suchet Ruh, vor Gottes Augen stehen und wie er hab erbauet und vor dem Sternensitz, ein edle neue Stadt, ich müsste stracks vergehen da Aug und Herze schauet, wie Wachs in Feuershitz. was es geglaubet hat.

5. Der, der hat ausgelöschet, 10. Da ist mein Teil und Erbe was mit sich führt den Tod; mir prächtig zugericht’; der ist’s, der mich rein wäschet, wenn ich gleich fall und sterbe, macht schneeweiß, was ist rot. fällt doch mein Himmel nicht. In ihm kann ich mich freuen, Muss ich auch gleich hier feuchten hab einen Heldenmut, mit Tränen meine Zeit, darf kein Gerichte scheuen, mein Jesus und sein Leuchten wie sonst ein Sünder tut. durchsüßet alles Leid.

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11. Wer sich mit dem verbindet, 13. Die Welt, die mag zerbrechen, den Satan fleucht und hasst, du stehst mir ewiglich; der wird verfolgt und findet kein Brennen, Hauen, Stechen ein hohe schwere Last soll trennen mich und dich; zu leiden und zu tragen, kein Hunger und kein Dürsten, gerät in Hohn und Spott; kein Armut, keine Pein, das Kreuz und alle Plagen, kein Zorn der großen Fürsten die sind sein täglich Brot. soll mir ein Hindrung sein.

12. Das ist mir nicht verborgen, 14. Kein Engel, keine Freuden, doch bin ich unverzagt, kein Thron, kein Herrlichkeit, Gott will ich lassen sorgen, kein Lieben und kein Leiden, dem ich mich zugesagt. kein Angst und Fährlichkeit, Es koste Leib und Leben was man nur kann erdenken, und alles, was ich hab: es sei klein oder groß: An dir will ich fest kleben Der keines soll mich lenken und nimmer lassen ab. aus deinem Arm und Schoß.

15. Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein, ist voller Freud und Singen, sieht lauter Sonnenschein. Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ; das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist.

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Gründe des Trostes und der Hoffnung im Lied „Befiehl du deine Wege“

1. Im Herren Str. 2,11 Dem Herren musst du trauen

2. In Gott 6,3-5+7,7+11,7 Gott wird dich mit Gnaden rücken… Gott führet alles wohl… Gott gibt dir selbst die Palmen…

3. In seiner Fürsorge Str.1,3+12,5 Der allertreusten Pflege…Deiner Pflege.. 4. In seinem Werk Str.2,3 Auf sein Werk musst du schauen… 5. In seiner Treue Str.3,1+12,6 Dein ewge Treu 6. In seiner Gnade Str.3,1+6,5 Dein ewge Gnade 7. In seiner Erwählung Str.3,5 Und was du denn erlesen… 8. In seiner Allmacht Str.4,2 An Mitteln fehlt dirs nicht 9. In seiner Treuezusage Str.5,5-8 Was er sich vorgenommen… wird endlich kommen…

10. Befreiung Str.6,3-5+10,3-5 Gott wird dich aus der Höle… mit +11,8 grossen Gnaden rücken… Er wird dich entbinden… dein Herze lösen… dein Leid wenden

11. In Jesus Str.6,8 Die Sonn der schönsten Freud

12. Unter der Herrschaft Str.7,7 Gott sitzt im Regimente…

13. Unter der Führung Str.7,8 Gott sitzt…Und führet alles wohl

1. Im Anbefehlen Str.1,1 Befiehl du deine Wege… 2. Im Trauen Str.2,1 Dem Heren musst du trauen… 3. Im Schauen Str.2,3 Auf sein Werk musst du schauen 4. Im Gebet Str.2,8 Es muss erbeten sein… 5. Im Hoffen Str.6,1-2 Hoff…hoff du arme Seele 6. Im Festhalten Str.6,2 Sei unverzagt 7. Im Loslassen Str.7,1-3 Gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht; Lass fahren was das Herze…

8. Im Überlassen Str.8,1 Ihn, ihn lass tun und walten…

9. Im Vertrauen Str.10,2 Dass du ihm treu verbleibst…

10. Im Widerstehen Str.10,7-8 Zu keinem Bösen getragen hast…

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Zeugnis Anzahl

Trost 29

Begleiter 24 schön 9

Hilfe 5

Ermutigung 4

Ruhe 3 tragen 1

Halt 1 unendliche Tiefe 1 geleitet in Not durch Gott 1 treffen noch heute ins Herz 1

Balsam 1 sind bewegend 1 machen Herz frei 1 machen Herz glücklich 1

Hoffnung 10

Freude 23

Gottvertrauen 5

Glaube 3

Dank 3

Jesus Christus groß 1

Leben und Licht für die Ewigkeit 1 lassen Ewigkeit durchscheinen 1

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Trost und Hoffnung

Kraft 11 bestärkt 6

Schatz 5

Besinnung 4

Predigt 3

Heimat 3 berührt 2

Segen 1

Bezugspunkt/Orientierung 1

Gebet 1

Breite des menschlichen Empfindens 1

Treffen ins Innerste und führen in die Höhe zu Gott 1

Schwarzbrot auf Lebensweg 1 lassen sonnige Strahlen entstehen 1

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Sonstiges

Vorbild im Glauben 1 vertrauenswürdig 1 sprechen das Wesentliche an 1 schätzen 1 authentisch 1

Vertrautheit 2

Lebensbestandteil 1 gut 1 bleibt 1 kann sich gut hineinversetzen 1 zeitgemäß 1

Blick erweitert 1 geschützt 1 geprägt im Glauben und Denken 1 staunen 1

Lieblingslied 1 wertvoll 1

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32 Trost 30

Begleiter 28 schön 26

Hilfe 24

Ermutigung 22

Ruhe 20

tragen 18

Halt 16

14 unendliche Tiefe

geleitet in Not 12 durch Gott

10 treffen noch heute ins Herz

8 Balsam

6 bewegend

4 machen Herz frei 2 machen Herz glücklich 0

Trost

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 73

26

Hoffnung 24

22 Freude

20

18 Gottvertrauen

16

Glaube 14

12 Dank

10

Jesus Christus 8 groß

6 Lebe und Licht für die Ewigkeit 4

2 Lassen Ewigkeit durchscheinen

0 Hoffnung

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12 Kraft

11 Bestärkt

Schatz 10 Besinnung

9 Predigt

Heimat 8

berührt 7

Segen

6 Bezugspunkt

Orientierung 5

Gebet 4 Breite des menschlichen Empfindens 3 treffen ins innerste

führen zu Gott 2

Schwarzbrot auf Lebensweg 1 lassen sonnige Strahlen entstehen

0 Trost und Hoffnung

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 75

3 Kraft

Bestärkt

Schatz

Besinnung

Predigt

Vorbild im Glauben

vertrauenswürdig

2 Vertrautheit

sprechendas wesentliche an schätzen

authentisch

Lebensbestandteil

gut

bleibt

kann sich gut hinein 1 verstzen zeitgemäß

Blick erweitert

geschützt

geprägt im Glauben und denken staunen

Lieblingslied

wertvoll 0 Sonstiges

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 76

Trost und Hoffnung

● Paul Gerhardts Lieder kann man in frohen und in schweren Zeiten singen. Man fühlt sich verstanden und getragen und man singt die Lieder gerne und von Herzen.

● Paul Gerhardts Lieder haben einen großen Inhalt, auch in jeder Strophe. Die Verse erreichen einem das Herz! Die Lieder geben einem viel Kraft, Trost, Mut und Hoffnung.

● In schwerer Kindheitsnot hat uns u. a. das Lied "Befiehl du deine Wege" meiner Frau und mir reichen Trost vermittelt.

● Paul Gerhardt Lieder bedeuten mir unendlich viel. Sie stärken mich im Glauben sehr tief. Sie geben mir viel Trost, Hoffung uns Zuversicht, und stärken mein Gott-Vertrauen, ganz ganz tief.

● Die Lieder - und die Lebensgeschichte - von P.G. haben uns in vielen Situationen Trost und Halt geschenkt. Gerade auf dem Hintergrund seiner Lebenserfahrung - vor allem Leiderfahrung - sind sie uns ein großerSchatz. - Auch bei Hausbesuchen greife ich oft darauf zurück und finde für die Situationen passende Worte durch Lieder.

● Seine Lieder haben auch uns, meine Frau und mich, oft getröstet, den Blick erweitert

● Die Lieder Paul Gerhardts haben mir und meine Gemeindeglieder viel viel Trost in Jesus Christus gegeben.

● In allen schweren Situationen ist mir der Vers: "Hoff´o du arme Seele....." aus "Befiehl du deine Wege" ein großer Trost.

● "Befiehl du deine Wege", „ das größte der deutschen Trostlieder" Vers 8: Ihn, ihn lass tun und wollen... Dieser Vers hat die … Gemeinde gestärkt und ist auch mir in schwerer Zeit Trost gewesen

● P.G.´s Lieder sprechen das Wesentliche an, das Menschsein in dieser Welt ausmacht und die Verbindung zur gesamten Schöpfung ausdrückt. In seinen Texten fühle ich mich erkannt und verstanden. Möglicherweise geht es anderen ähnlich. Vielleicht ist es das, was für die weltweite Verbreitung gesorgt hat. Seine Lieder sind ein Teil meines Lebens.

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 77

Wegbegleitung

● Befiehl du deine Wege ist mein Lieblingswort, das mich schon Jahrzehnte durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Danke Gott, danke Paul Gerhardt für diese ermutigenden Liedverse!

● Paul Gerhardt - ein Lebensbegleiter im Auf und Ab des Lebens! Eine Fülle von sprachlichen Bildern, Beobachtungen und Weisheiten! Zuversicht und Gottvertrauen sind zuverläßliche (sic!) Wegbegleiter - herzlichen Dank an Paul Gerhardt!

● Paul Gerhardt begleitet mich bisher durch mein Leben und durfte meinee Mutter mit seinen Liedern auch im Sterben und beim Abschied damit begleiten.

● Ich bin mit den Liedern Paul Gerhardt´s aufgewachsen. Sehr oft haben mich Verse begleitet und biblische Aussagen vertieft. Dank sei Gott für diese Begabung, die bis heute solche Ausstrahlung entfaltet.

● Seine Lieder sind Schwarzbrot auf dem Lebensweg.

● Sie haben mein Denken und Glauben sehr stark geprägt. Wie meine Geschwister kenne ich nun Verse auswendig. Es ist, als käme ich nach Hause, obwohl ich noch nie in dieser Kirche war.

● Vieles seines Dichtens hat mich seit frühester Kindheit begleitet und in schwerer Zeit geschützt.

● Paul Gerhardts Texte und Liedvertonungen begleiten mich seit der Schulzeit durch mein Leben. Sie geben mir Tragkraft in schwierigen Lebensphasen, aber auch in der Freude lassen sie "das Herz zusätzlich springen". Ich danke meinen Lehrern und Ausbildern immer wieder für diesen kostbaren Schatz.

● Seine Lieder haben mich ein Leben lang begleitet, Kraft und Mut in oft traurigen Zeiten gegeben.

● Von "Wenn ich einmal soll scheiden" bis " Mein Herze geht in Sprüngen" beschreibt Paul Gerhard in seinen Texten die ganze Breite menschlichen Empfindens. Daher sind seine Lieder so unvergänglich. Seit meiner Konfirmationszeit begleiten sie mich durch mein Leben.

● Die Paul Gerhardt- Texte begleiten mich durch meine Krebserkrankung und trösten immer wieder, besonders „Befiehl du deine Wege… der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 Abschlussarbeit BA Befiehl du deine Wege 78

Freude

● Die Lieder von Paul Gerhardt begleiten uns durchs Leben, geben uns Freude und Zuversicht…

● Die Lieder Paul Gerhards sind Trost-, Freuden- und Kraftquellen zu ALLEN Zeiten. Man soll sich in die Texte hinein nehmen lassen. Sie haben eine unendliche Tiefe und Kraft gegenüber unserer abgeflochtenen, oberflächlichen heutigen Sprache (dies gilt auch für unsere neuen Lieder in der Kirche)

● In vielen Lebenssituationen, in Freude und in schweren Stunden, haben sie mich begleitet, als Gebet, haben sie mir Kraft, Trost und Hilfe gegeben, haben meinen Blick nach oben zu Gott gelenkt.

● Das Kirchenjahr ohne Paul Gerhardt ist undenkbar. -Freude, Dankbarkeit zum Ausdruck bringen ohne seine Lieder - undenkbar -Natur erleben und innerlich spüren - ohne „Geh aus [mein Herz und suche Freud]...“ - undenkbar. -Traurigkeit, Leid und Schmerz ohne seine Lieder überwinden - undenkbar. -daus Leben ohne ihn - undenkbar, weil eingekettet in Gottes Wort!

● Von Jugend an bis im Alter sind die Lieder von Paul Gerhard. ein Segen, Trost und Frohsinn. Ich danke Gott im Namen Jesu Christi für Paul Gerhardt.

●…Seine Lieder vermitteln uns das ganze Kirchenjahr Freude, Optimismus aber auch Besinnlichkeit. Dafür danken wir ihm von Herzen.

● Die Lieder von Paul Gerhard begleiten uns durchs Leben, geben uns Freude und Zuversicht!

● Die Lieder von Paul Gerhard vermitteln mir Stärke, Kraft und Lebensfreude in frohen, aber besonders auch in schwieriger Zeit.

● Ich begeistere mich sehr für seine Texte, da man sich sehr gut hineinversetzen kann. Sie bedeuten sehr viel.

● Paul Gerhardts Lieder zu singen ist mir eine große Freude! Sie treffen mich immer im Innersten und führen mich in die Höhe - zu Gott!

© IGW International Tobias Wegschaider 22.9.2009 10 PUBLIREPORTAGE ideaSchweiz l 13/2009

Theologiestudium mitten im Leben – missional und innovativ Für den nächsten Schritt ausgebildet

Wovon träumen Sie? Zieht Zielsetzung Die 7 Pluspunkte von IGW IGW ist eduQua-zertifiziert! es Sie zu einem Beruf wie Die Studieren- 1. fundierte theologische Aus- Jugendarbeiter, Pastor, Zelt- den erwerben bildung Mit dem eduQua-Zertifikat er- macher, Evangelist, sozial- in diesen 4- bis 2. innovatives Ausbildungskon- hält IGW das wichtigste und diakonischer Mitarbeiter, 6-jährigen theo- zept – studienbegleitende bedeutendste schweizerische Streetworker, Pionier, Ge- logischen Ausbil- Praxis Qualitätszertifikat für Aus- und meindegründer, Missionar... Michael dungen berufs- 3. einzigartige Kombination von Weiterbildungsinstitutionen. Das und bis ans Ende der Welt? Girgis qualifizierende Theorie, Praxis und Persön- eduQua-Zertifikat bescheinigt IGW Oder haben Sie begabte jün- Kompetenzen in lichkeitsentwicklung ein zeitgemässes, hochstehendes gere Mitarbeiter in Ihren Rei- den grundlegenden theolo- 4. ganzheitliche Ausbildung sowie praxisrelevantes Angebot. hen, die Sie gerne praxisbe- gischen Fächern sowie wertvolle 5. mitten im Leben Die Zertifizierung erfolgt durch gleitend und «in house» zu praktische Erfahrungen. 6. modular und massgeschnei- die Schweizerische Vereinigung vollzeitlichen Mitarbeitern (Eine Ausnahme bildet der dert für Qualität und Management- ausbilden lassen möchten? 1-jährige Studiengang igw. 7. anerkannte Abschlüsse Systeme (SQS). network, der als Ausbildung für Auf www.igw.edu kann die Unsere beiden neuen Studien- eine ehrenamtliche Tätigkeit ausformulierte Version dieser gänge «Bachelor of Arts» und angelegt ist.) 7 Punkte heruntergeladen oder «Bachelor of Theology» sind da- per E-Mail an [email protected] für massgeschneidert und wä- Tätigkeiten unserer Absol- bestellt werden. ren genau das Richtige hierfür! venten Studiengänge und Angebote Warum? 75 % unserer bisher insgesamt Ausgezeichnete Qualität 173 Absolventen (Bachelor-Pro- Unsere über 150 Studierenden Weiterbildung (MA) Zielgruppe gramm seit 1996) arbeiten heute im Bachelor-Programm, die uns Gerade in Zeiten der Veränderung Das Bachelor-Programm (BA) in einem solchen vollzeitlichen zur grössten theologischen Aus- ist lebenslange Weiterbildung wich- ist auf Personen ausgerichtet, leitenden Dienst, und zwar v. a. bildungsstätte im deutschspra- tig: praxisrelevantes, theologisches die diese Ausbildung für einen in folgenden Berufen: chigen Europa machen, irren Forschen, spannende Kurse, aktuelle vollzeitlichen Dienst in Ge- • Gemeindeleiter sich nicht. Unsere Ausbildung Literatur und Einbezug der eigenen meinde oder Mission absolvie- • Pastor hält, was sie verspricht. Das Praxis bilden die Grundlage unserer ren wollen und bereits in einer • Jugendpastor kürzlich erhaltene eduQua- berufsbegleitenden Weiterbildung. verbindlichen Mitarbeit in ei- • Mitarbeiter in Missionswerk Zertifikat bescheinigt IGW ein ner Gemeinde oder einem Mis- • sozialdiakonischer Mitarbeiter zeitgemässes, hochstehendes Fernstudium sionswerk stehen: angehende • Jugendarbeiter und praxisrelevantes Angebot Jugendarbeiter, Gemeindeleiter, (siehe Kasten). fundierte biblische Ausbildung für Pastoren, sozialdiakonische Mit- Überzeugen Sie sich vor Ort ehrenamtliche Mitarbeitende mit arbeiter, Missionare u. ä. an einem Schnuppertag. Wir massgeschneidertem, individu- freuen uns auf Sie und/oder ellem Studienprogramm aus Prä- Ihren Leiternachwuchs! senz- und Fernkursen. Michael Girgis, Co-Rektor IGW Kursbesuch als Gasthörer IGW bietet eine grosse Vielfalt von Kursen und Seminaren an, die auch Hörerinnen und Hörer besuchen können. Eine ideale Gelegenheit, um IGW-Luft zu schnuppern oder zu interessanten Konditionen von kompetenten Referenten zu profi- tieren. Die Kursliste ist online ein- sehbar, unter «Kurse».

Downloads (NEU!) Abschlussarbeiten, Handouts, Ma- Die Studienangebote im Bereich Ausbildung (Bachelor) gazine und Artikel stehen in un- serem Downloadbereich kostenlos Studiengang Bachelor of Arts Studiengang Master of Theo- Studiengang igw.network zur Verfügung. (BA) logy (BTh-MTh) Dauer: 1 Jahr Dauer: 4 Jahre Dauer: 6 Jahre Voraussetzung: abgeschlossene Voraussetzung: abgeschlossene Voraussetzung: Matura/Abitur Berufslehre Berufslehre oder Berufsmatur plus «Passe- Credits: 30 C. (ECTS) Credits: 180 C. (ECTS) relle» Abschluss: igw.network-Zerti- 1991 gegründet, über 340 imma- Abschluss: Bachelor of Arts (BA) Credits: 300 C. (ECTS) fikat trikulierte Studierende. Nach Abschluss kann im MA- Abschluss: Bachelor of Theology Nach Abschluss kann in das www.igw.edu (CH) oder Studiengang weiter studiert (BTh) und anschliessend Master zweite Jahr des BA-Studien- www.de.igw.edu (DE). werden. of Theology (MTh) ganges eingestiegen werden. 10 PUBLIREPORTAGE ideaSchweiz l 09/2008

Umsetzung der grossen Studienreform Neue Lernfelder bei IGW Mit grundlegenden Neue- bildung versteht: rungen richtet IGW sich noch Hier wird auf al- stärker auf sein Hauptziel len Gebieten der aus, Menschen umfassend Theologie das für für ihren Dienst auszubilden. den Dienst not- IGW hat die grosse europä- wendige Fachwis- ische Bildungsreform zum Michael sen vermittelt. Die Anlass genommen, sein Aus- Girgis Praxis, bei IGW bildungskonzept grundsätz- immer schon ein lich zu überarbeiten und sich, wichtiges Ausbildungselement, so Co-Rektor Michael Girgis, wird noch stärker in den Stu- «noch einmal neu zu erfin- diengang eingebunden, so dass den.» im praktischen Dienst erwor- bene Kompetenzen dem Studi- Zum Start des Studienjahres um nun angerechnet werden im September 07 wurden daher können. Im Bereich Praxisbe- teilweise tiefgreifende Neue- gleitung schliesslich werden in rungen lanciert. So orientiert neu entwickelten Kursmodulen sich das Bachelor-Programm die grossen Ausbildungsthemen (BA), das Männer und Frauen Persönlichkeitsentwicklung und in 4 Jahren für ihren Dienst in Jüngerschaft über die gesamten Gemeinden oder christlichen 4 Jahre des Studiums vertieft. Werken ausbildet, neu an drei Ausführliche Informationen zur «Lernfeldern»: Theorie, Praxis grossen Studienreform finden und Praxisbegleitung. Sie auf www.igw.edu ➝ Ausbil- Theorie deckt ab, was man ge- dung ➝ Studienreform 2010. meinhin unter schulischer Aus- Cla Gleiser, Studienleiter IGW

Neue Fachrichtung bei IGW Studiengang Missionale Theologie

Der Ruf nach qualifizierten und biblische Fächer), prak- Relevanz für Ge- und missionarischen Fach- tischer Theologie, Missiologie meindebau und Studiengang Bachelor of Arts (BA) kräften in Werken, Gemein- und Sozialdiakonie steht IGW- Evangelisation in deverbänden und Missions- Studenten ab September 2008 unserer Gesell- Ziel: vollzeitlicher Dienst in gesellschaften wird immer ein Studiengang in missionaler schaft. Die Aus- Gemeinde oder Mission lauter. Spürbar ist vor allem Theologie offen. Die neue Fach- bildung bei IGW Voraussetzung: abgeschlossene der Mangel an klassischen richtung hat folgende Schwer- Helmut vermittelt zu- Berufslehre Evangelisten. Für den Dienst punkte: Kuhn künftigen Pionie- Dauer: 4 Jahre (180 Credits) an Bevölkerungsgruppen aus ren und Gemein- orientalischen bzw. übersee- 1. Evangelisation im degründern in diesen Bereichen Studiengang Master ischen Ländern werden auch nachchristlichen Europa Fachkompetenz und Perspektive. of Theology (BTh-MTh) Inlandmissionare gesucht. Seit einigen Jahren fehlen zu- Gerade die Ausbildung zum nehmend Evangelisten für Ge- 3. Transkulturelle Mission Ziel: vollzeitlicher Dienst in Missionsdienst unter Mos- meinden und spezielle überge- Mission findet vor unserer eige- Gemeinde oder Mission lems wird zunehmend an meindliche Anlässe. Wir sind nen Haustüre statt. Religionen Voraussetzung: Matura/Abitur Wichtigkeit gewinnen. überzeugt, dass dieser Dienst und Weltanschauungen aus Dauer: 5 Jahre (300 Credits) für die Zukunft wieder verstärkt verschiedenen Kulturen prägen IGW stellt sich diesen neuen gefragt sein wird. IGW wird sich unsere Gesellschaft. Gerade der Studiengang igw.network Herausforderungen und rüstet vermehrt für die Gewinnung Dienst unter Moslems wird an Menschen zum Dienst aus – und Ausbildung von Menschen Wichtigkeit zunehmen. IGW Ziel: ehrenamtliche Mitarbeit in nicht nur für die bisherigen einsetzen, die in diesem Dienst wird Studierende befähigen, das der Gemeinde klassischen Missionsländern, ihre Zukunft sehen. Evangelium in einer multikul- Voraussetzung: abgeschlossene sondern gerade auch für das turellen Gesellschaft weiterzu- Berufslehre europäische Umfeld. Aus die- 2. Gemeindegründung und geben. Dabei sucht das Institut Dauer: 1 Jahr (30 Credits) mit sem Grund erweitert IGW sein Gemeindebau bewusst die Zusammenarbeit Anschlussmöglichkeit an BA Angebot an Fachrichtungen auf Europa ist zum klassischen Mis- mit evangelistisch und missio- oder BTh-MTh

BA-Niveau: Neben Theologie sionskontinent geworden. Damit narisch tätigen Partnern. www.igw.edu (Schwerpunkt systematische gewinnt die Thematik «Mission» Helmut Kuhn, Direktor EE

Illustration: www.gleiser.ch