Erinnerung 1..729
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22.12.2004 Verweigerte Erinnerung 22.12.2004 22.12.2004 Thomas Maissen Verweigerte Erinnerung Nachrichtenlose Vermgen und Schweizer Weltkriegsdebatte 1989 – 2004 Verlag Neue Zrcher Zeitung 22.12.2004 Publiziert mit Untersttzung des Schweizerischen Nationalfonds zur Frderung der wissenschaftlichen Forschung. 2005 Verlag Neue Zrcher Zeitung, Zrich Dieses Werk ist urheberrechtlich geschtzt. Die dadurch begrndeten Rechte, insbesondere die der bersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs- weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe- berrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulssig. Sie ist grundstzlich verg- tungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 3-03823-046-4 www.nzz-buchverlag.ch 22.12.2004 Inhaltsverzeichnis Vorwort 9 I. Einleitung 17 1. Soziales Lernen, Wissen und Vertrauen 17 2. Skandal, Konflikt und Krise 20 3. Moral und gesellschaftliche Teilsysteme 24 4. Kollektives Gedchtnis 26 II. Die Vorgeschichte der Debatte 31 1. Der Finanzplatz Schweiz im Krieg 31 2. Der Umgang mit den nachrichtenlosen Vermgen von 1945 bis 1995 35 3. Der Kern des Problems 50 III. Die Rahmenbedingungen der Weltkriegsdebatte 57 1. Amerikanische Aussen- und Innenpolitik nach dem Ende des Kalten Krieges 58 2. Rechtsverstndnis und Rechtsbehelfe in den USA 63 3. Die jdischen Organisationen und Israel 71 4. Reparationen und Restitution in Europa 76 5. Problematische jdische Identitt 81 6. Der Holocaust als Erinnerungsort 87 7. Wandel der historiographischen Muster 94 8. Schweizer Historiographie und Selbstverstndnis hinsichtlich der Kriegsjahre 97 9. Antisemitismus in der Schweiz 106 10. Schweizer Politik 109 11. Der Schweizer Finanzplatz 119 5 22.12.2004 12. Medien und ffentlichkeit 130 13. Fazit: unvermeidliche Auseinandersetzung nach dem Umbruch von 1989 137 IV. Chronologischer Ablauf der Verhandlungen und des Konflikts 149 1. Akiva Lewinskys Bemhungen 149 2. Erste Schweizer Klrungsversuche 155 3. Schlagzeilen und Richtlinien 161 4. Kontaktaufnahme zwischen der Bankiervereinigung und den jdischen Organisationen 169 5. Das Berner Treffen in der Grande Socit 176 6. Die Pressekonferenz vom 7. Februar 1996 187 7. Senator D’Amatos Hearing 195 8. Die Bildung des Volcker-Komitees 214 9. Raubgold und Polenabkommen 223 10. Sammelklagen 244 11. Bildung der Unabhngigen Expertenkommission 258 12. Die Skandale: Delamuraz, Jagmetti, Meili 270 13. Holocaust-Fonds und Solidarittsstiftung 291 14. Ein Wachmann in Amerika 313 15. Ringen um das Geschichtsbild 323 16. Die Listenverffentlichungen 351 17. Sanktionsdrohungen und erste Verhandlungen 363 18. Der Weg zum Settlement 392 19. Das Volcker-Komitee und die Bankenrevision 432 20. Das Claims Resolution Tribunal 457 21. Der Holocaust-Sonderfonds 473 22. Charles Sonabend und Joseph Spring 485 23. Die Arbeiten der Unabhngigen Expertenkommission 489 24. Abklrungen in anderen Lndern 520 25. Die Assekuranz 543 26. Vergleichsvertrag und Verteilplan 552 27. Das Claims Resolution Tribunal II 573 V. Beurteilung 601 1. Historische und mentalittsbedingte Voraussetzungen des Konflikts 602 2. Die Suche nach Lsungswegen 616 6 22.12.2004 3. Unterschiedliche Reaktionsmechanismen 625 4. Die Dynamik der Auseinandersetzungen 634 5. Worum ging es? 645 VI. Anhang 663 1. Anmerkungen 663 2. Verzeichnis der Abkrzungen 696 3. Liste der Interviews 698 4. Bibliographie 701 5. Register 713 7 22.12.2004 22.12.2004 Vorwort Am 17. Mai 2000 fand im Zrcher Archiv fr Zeitgeschichte ein ffentliches Kol- loquium ber «Nachrichtenlose Vermgen und das Volcker-Komitee» statt. Der Leiter des Archivs, Professor Klaus Urner, befragte dazu drei Zeitzeugen: Hans J. Br, bis 1996 Chef der Bank Julius Br und Verwaltungsrat der Bankiervereini- gung, Rolf Bloch, von 1992 bis 2000 Prsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, und seinen Vorgnger Michael Kohn. Im Mittelpunkt stand ein Berner Treffen im September 1995, an dem alle drei teilgenommen hatten. Damals waren Exponenten von internationalen jdischen Organisationen und Spitzen- vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung zusammengekommen, um erstmals auf dieser Ebene die kontroverse Frage zu diskutieren, ob und wie nach Geldern von Holocaust-Opfern gesucht werden sollte. Der Prsident der Bankier- vereinigung, Georg Krayer, hatte bei diesem Empfang eine lngere Begrssungs- rede gehalten, deren Umstnde die auslndischen Gste zumindest nachtrglich als Affront empfanden. Krayers Manuskript sei – wie Bloch mit Berner Ironie bemerkte – tatschlich etwas lnger als eine halbe Seite gewesen. Kohn wurde deutlicher und meinte, man habe etwa 20 Minuten stehend zuhren mssen, ohne dass man sich auf die Sthle setzen konnte, die den Wnden entlang aufgestellt waren. Er sei damals neben Altbundesrat Schlumpf gestanden und habe ihm zuge- flstert: «Bist Du nicht auch etwas mde?» Br widersprach den beiden anderen Zeitzeugen: Er habe ein Rckenleiden und stehe deshalb nur ungern lange. Damals in Bern habe er aber nicht gelitten, sondern nach der Rede Krayer beeindruckt gefragt, wo er gelernt habe, einen Staatsempfang so gut durchzufhren. Der Anlass lag keine fnf Jahre zurck, und drei Teilnehmer hatten stark abweichende Erinnerungen. Fr Historiker sind solche Phnomene faszinierend, da sie zeigen, wie die Wahrnehmung und analog auch die berlieferung von scheinbar Gleichem bei verschiedenen Zeugen in ihrer Subjektivitt unterschied- lich sind. Entsprechend ist unser Wissen ber die Vergangenheit immer ein neuer Aneignungsprozess aufgrund von mehr oder weniger problematischen Quellen. Im vorliegenden Fall beschrnkte sich die Differenz der drei Kolloquiumsgste nicht auf atmosphrische Details, sondern fhrte zur Frage, inwieweit das Berner Treffen Auslser eines Konflikts geworden sei, der als grsste aussenpolitische Krise der Schweiz seit dem Krieg angesehen wird. Konnte es daran gelegen haben, dass man dem Leiter der auslndischen Delegation, Edgar Bronfman, keinen Stuhl angeboten hatte und er stehend eine allzu lange Rede hatte erdulden mssen? War dies ein Affront gewesen oder erst nachtrglich zu einem solchen stilisiert worden, 9 22.12.2004 war die Stimmung bei der Begegnung sachlich oder, wie Bloch sich erinnerte, «nicht besonders gut» gewesen? Br meinte gar, dass Bronfman bereits mit der Absicht nach Bern gekommen sei, einen Eklat zu provozieren. Dem widersprach wiederum Kohn: «Ich stelle fest, und es ist so: dass er Krach wollte, glaube ich nicht.» Er fgte an: «Die Historiker knnen das einmal untersuchen.»1 Ein Historiker sollte also herausfinden, «wie es eigentlich gewesen» war. Br griff Kohns Anregung auf und ging mich zwei Monate nach dem Kolloquium in dieser Sache an. Ich hatte eben einen Artikel ber den «hochgemuten Pessimis- mus» der Aktivdienstgeneration verffentlicht, in der Neuen Zrcher Zeitung, wo ich seit 1996 regelmssig ber die historischen und historiographischen Hin- tergrnde der Weltkriegsdebatte schrieb. Das schien uns eine gute Basis fr dieses Forschungsprojekt abzugeben, das ich im Sommer 2001 in Angriff nahm und in einem Jahr abzuschliessen gedachte. Dieser Zeitplan erwies sich als vllig naiv, einerseits wegen des Umfangs von Thematik und Dokumentation, andererseits weil ich auch noch anderen Verpflichtungen nachgehen musste. Fr die Zeit von Mitte 2001 bis Mitte 2002 gewhrte mir die Br-Klin-Stiftung einen namhaften Forschungsbeitrag, um Interviews mit Zeitzeugen durchzufhren. In der entspre- chenden Vereinbarung wird ausdrcklich festgehalten, dass ich in meiner For- schungsttigkeit frei bleibe und die Stiftung keinerlei Weisungsrecht beansprucht. Dafr bin ich dem Stiftungsrat und namentlich Hans J. Br zu grossem Dank verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt war auch vorgesehen, dass neben mir als Projektleiter ein «Co-Autor» wirken wrde: Eric Dreifuss. Er ist Rechtsanwalt und pro- movierter Historiker, und ber das gemeinsame Interesse an der Weltkriegs- debatte hatten wir uns schon frher kennengelernt und befreundet. Eric wirkte bei fast allen Interviews mit, die wir in der ersten Arbeitsphase fhrten. Als es danach, nach rund einem Jahr, an die Niederschrift des Buches ging, zeigte es sich, dass ihm dazu keine Zeit blieb: Zu seiner beruflichen Beanspruchung als Rechtsanwalt kam das nebenamtliche Prsidium des Zrcher Schauspielhauses hinzu. Als umsichtiger Ratgeber blieb er dem Projekt aber bis zuletzt erhalten, und zwar als Mitglied eines Beirats, der das Projekt von Anfang an begleitet hat. Einsitz darin nahmen zu meiner grossen Genugtuung, neben Br, Kohn und Drei- fuss, drei weitere einschlgig ausgewiesene Persnlichkeiten: der Freiburger Geschichtsprofessor Urs Altermatt, Frank Vischer, emeritierter Professor fr Pri- vatrecht an der Universitt Basel und die Generalsekretrin der Bergier-Kommis- sion, Myrtha Welti. Der illustre Beirat sollte einerseits, in einem innenpolitisch sensiblen Umfeld, fr die Seriositt und Wichtigkeit des Unterfangens brgen; und andererseits konnten die Beirte im Rahmen ihrer zeitlichen Mglichkeiten und persnlichen Interessen die Genese des Werks in kritischer Lektre mitver- folgen. Unterschiede im beruflichen, kulturellen und sozialen Umfeld ebenso wie 10 22.12.2004 Differenzen des Alters oder der Weltanschauungen fhrten bei einem umstritte- nen und auch emotionalen Thema wohl unvermeidlich zu