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Die richtige Groupware Die Auswahl der passenden Groupware stellt Administratoren in der Praxis oft vor Probleme: Es fällt schwer, angesichts der vielen Produkte den Überblick zu behalten. Dieser Artikel hilft,

eine geeignete Strategie zu finden.Markus Feilner

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Der Groupware-Markt ist in Bewegung. Er hat nehmen aus? Sicher ist nur: Einfach loslegen, „… eine Flut von Software und Anbietern her­ ist der falsche Weg. Die Anschaffung und Inbe­ vorgebracht, deren Produkte ständig umbenannt,­ triebnahme einer Groupware erfordert einiges integriert und neu kombiniert werden (…)“. Das an Vorlauf, denn in jedem Unternehmen folgt Zitat aus der „Network World“ stammt aus dem die Arbeit im Team einem eigenen, gewachse­ Jahr 1994, und viel hat sich bis zum heutigen Tag nen Ablauf. Zahlreiche Firmen wissen spätes­ nicht geändert. tens seit SAP, was es heißt, das Unternehmen Wie also soll der Admin, der die passende der Software anzupassen. Groupware für sein Unternehmen sucht, vorge­ Im theoretischen Idealfall erfasst der Adminis­ hen? Auch hier hilft das dreizehn Jahre alte Zi­ trator die Bedürfnisse der Benutzer und die Pro­ tat: „Benutzer, die bereit sind, in den Group­ blemstellung des Unternehmens, verschafft sich ware-Markt einzusteigen, müssen sich entschei­ einen Marktüberblick über die verfügbaren Lö­ den. Sie haben die Wahl zwischen großen Lösun­ sungen und entscheidet nach der angebotenen gen mit enormem Funktionsumfang und klei­ Funktionalität, wobei er eine Gewichtung der nen Nischenprodukten, die ein oder zwei pas­ Features nach Must-Haves und Randbedingun­ sende Features enthalten. (…) Manche Produkte gen vornimmt. bieten volle Funktionalität für ein oder zwei ver­ schiedene Clients, fremde Programme werden Die zentralen Fragen nur teilweise unterstützt. Aber die Hersteller ha­ Aber in der Realität gibt es zwei Faktoren, die ben die strategische Bedeutung erkannt und ar­ die Wahlfreiheit des Admins von vorneherein beiten am Multiplattform--Support“ [1]. stark einschränken, bevor er einen ersten Blick Und auch diese Aussage stimmt immer noch auf den Funktionsumfang der Groupware-Ser­ voll und ganz, das Angebot ist sogar noch vielfäl­ ver werfen kann: tiger geworden. Die zahlreichen Open-Source- n Lizenzen und Preis: Bestehen etwaige Ein­ Groupware-Projekte haben nicht wirklich zur schränkungen bezüglich des Lizenzmodells? Übersichtlichkeit auf dem Markt beigetragen, Kommt sowohl Open-Source-, gemischt li­ und sogar ein einheitlicher Groupware-Standard zensierte sowie proprietäre Groupware-Soft­ für den Austausch und die gemeinsame Verein­ ware in Frage? Welche Einschränkungen gibt barung von Terminen fehlt immer noch [2]. es beim Budget? Der folgende Artikel erläutert typische Krite­ n Clients: Welche Betriebssysteme laufen auf rien, die Administratoren bei der Suche nach den Desktops? Welcher Groupware-Client der passenden Groupware abwägen sollten. kann eingesetzt werden? Reicht ein Web- Client, sind die Benutzer mit dessen oft ein­ Problematischer Überfluss geschränkter Bedienbarkeit zufrieden? Die Vielfalt brachte auch neue Möglichkeiten: Oft sorgt die strategisch wichtige Lizenz- und Während 1994 Lotus und Exchange den propri­ Kostenfrage für die ersten Ausschlusskriterien, etären Markt fast unter sich ausmachten, stehen und die Ablehnung von Web-Clients erzwingt heute zahlreiche professionelle Groupware-Sys­ häufig die Anschaffung teurerer Lösungen. Erst teme bereit, die nicht nur in Nischen gute Arbeit danach kommen in der Praxis Überlegungen, leisten. Reinen Open-Source-Produkten stehen welche Features und Funktionen denn neben Mischformen gegenüber, bei denen unter den Standards E-Mail, Kalender sowie Adress­ kostenpflichtige Software zum Einsatz kommt. buch benötigt werden. Einen guten Überblick Dass dieses Modell funktioniert, zeigen nicht vermittelt der Artikel zur Marktübersicht in die­ zuletzt die Riesen und IBM. Andere Pro­ sem Heft, welcher die Features der verschiede­ dukte verwenden freie Software und fügen ei­ nen Produkte in zahlreichen Tabellen gegen­ gene, lizenzpflichtige Komponenten hinzu. Und überstellt (Seite 6). für den Linux-Evangelisten gibt es Lösungen wie Citadel, , Egroupware oder , die Lizenzen und Kosten vollständig Open-Source-Lizenzen unterliegen. Es ist auch durchaus sinnvoll, zunächst zu ent­ Die Bandbreite ist groß, und die Featurelisten scheiden, ob in einem Unternehmen überhaupt könnten nicht unterschiedlicher sein. Wo soll alle Lizenzmodelle in Frage kommen. Techni­ der IT-Leiter ansetzen, nach welchen Kriterien sche, organisatorische und bisweilen auch ideo­ wählt er die ideale Groupware für sein Unter­ logische Gründe sprechen häufig für oder gegen

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lich. Proprietäre Lösungen bieten Unternehmen häufig den Vorteil, Supportverträge und SLAs direkt beim Hersteller einkaufen zu können, was direkt zu der Frage der Kosten führt. Ein festes Budget als Vorgabe wirkt genauso limitierend wie der Zwang, einen externen Dienstleister zu bestimmten Konditionen zu finden. Letzteres erweist sich vor allem in ländlichen Regionen immer noch als genereller Hemmschuh für Li­ nux und freie Software. Gutes Linux-Consulting ist seltener und meist erheblich teurer als Win­ dows-Dienstleister. Eindeutig für Open-Source-Lösungen spricht, dass zunächst keine Anschaffungs- oder Lizenz­ kosten anfallen. Admins mit genügend Know- how können mehr selbst reparieren, und Unter­ nehmen werden unabhängig von Produktzyklen Abbildung 1: Das Minimum für eine Groupware eines Herstellers. ist ein Mailserver, der Adressdaten und Termine Viele Unternehmen, die freie Produkte einset­ für ein Team verwalten kann und diese den Cli- zen, berichten von anfänglich höherem Schu­ entprogrammen zur Verfügung stellt. lungsaufwand, aber langfristig deutlich niedri­ geren Kosten. Auffällig ist dabei der Unterschied freie Software, und manchmal fällt die Entschei­ zwischen Teams, welche in Sachen Groupware dung am Ende auf Grund von Empfehlungen unerfahren sind, und Teams, die von beispiels­ für das eine oder das andere Produkt. Eine erste weise Microsoft Exchange zu einer anderen Lö­ Auslese nach den drei Lizenzmodellen „Kom­ sung migrieren. Administratoren und Trainer plett frei“, „Teilweise frei“ und „Proprietär“ ver­ haben es immer leichter, wenn Anwender keine kleinert das Feld der möglichen Lösungen erheb­ Groupware-Erfahrung haben. Das gleiche Phä­

Abbildung 2: Thunderbird (hier in Version 2.0) als E-Mail-Client existiert identisch auf Linux, Mac und Windows. Seine Groupware-Funktionen sind aber noch sehr eingeschränkt.

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nomen beobachten Consultants übrigens auch im Umfeld von Betriebssystem-Migrationen. Die Lizenzart spielt dagegen erfahrungsgemäß immer dann keine Rolle, wenn ein pragmati­ scher Ansatz im Vordergrund steht. Hier ent­ scheidet die Funktionalität in Kombination mit den zu erwartenden Kosten. Alle Groupware- Systeme erfüllen heute die Minimalanforde­ rung, Adressen, Termine und E-Mails im Team zu verwalten (Abbildung 1). Aber darüber hi­ naus existiert für die verschiedenen Produkte eine fast unüberschaubare Fülle an Zusatzfunk­ tionen bis hin zu Modulen für CRM (Customer Relationship Management), Support, Ticketing, Projektmanagement, Zeiterfassung und Doku­ mentenmanagement. Die Evaluation und Aus­ wahl des richtigen Produktes dauert da schnell einige Monate. Abbildung 3: Evolution bringt unter Ubuntu bereits Plugins für Groupware- mit. Neben dem Exchange- und Groupwise- bietet auch ein Freier Client, freier Konnektor? eigenes Plugin, zuverlässig funktioniert jedoch keines. Als wichtigstes Kriterium dient beinahe immer die Wahl des Clientprogramms. Die verfügba­ MS Exchange als Server arbeitet verständlicher­ ren Groupware-Clients Outlook (MS), Evoluti­ weise lediglich mit Outlook zuverlässig zusam­ ­on (Gnome) und (KDE) arbeiten in der men. Aber für fast alle Groupware-Projekte ist Regel nur mit wenigen Serverprodukten zusam­ der Windows-Mailer immer­­ noch das Maß der men. Daher muss der Admin meist die Server­ Dinge. Zahlreiche Open-Source-Systeme brin­ komponente nach dem gewünschten Client aus­ gen proprietäre Outlook-Plugins mit, welche die wählen. Soll beispielsweise Windows auf den notwendigen Funktionen für den Zugriff auf Arbeitsplätzen laufen, dann ist Outlook Pflicht. den Server installieren. Es gibt unverständlicherweise immer noch kei­ Einen freien Konnector gibt es allerdings immer nen andereren Groupware-Client für das Micro­ noch nicht, auch bei Kolab, Open-Xchange und soft-Betriebssystem [3]. anderen Projekten muss das Unternehmen Geld Problematisch wird es, wenn im Zuge einer Mi­ in die Hand nehmen. Die Kosten bleiben aller­ gration Linux und Windows gemischt zum Ein­ dings erträglich und liegen meistens unter 50 satz kommen. Nur wenige Groupware-Produkte Dollar pro Arbeitsplatz. Anwenderberichten zu­ können gleichzeitig Outlook sowie Evolution folge ist die Qualität der Anbindung jedoch sehr oder Kontact zufrieden stellend anbinden. Wäh­ unterschiedlich – hier hilft also nur testen, tes­ rend in homogenen Netzen sowohl für Linux als ten, testen. auch für Windows funktionierende Groupware Freie MAPI-Implementierungen, welche Out­ im Angebot ist, ergibt sich in gemischten Netzen look ohne Plugin an einem Linux-Server an­ meist automatisch ein Web-Client als Standard binden, sind in der Entwicklung (siehe Artikel für die Linux-Desktops. über Openchange ab Seite 50) – bietet für Für die umfangreichen proprietären Systeme seine proprietäre Groupware skriptbare MAPI- Lotus und Groupwise kommen auf Windows PHP-Schnittstellen an. Hier bahnen sich dem­ ohnehin nur die eigenen Clients der Hersteller in nächst spannende Neuheiten an. Frage. Die entsprechenden Linux-Clients hinken in Umfang und Stabiliät hinterher, ebenso die Outlook braucht Office-Lizenz angebotenen Evolution- (Novell) und Outlook- Für den Administrator zieht die Wahl des Clients Plugins. Der Groupwise-Client auf Linux ist bei­ eine ganze Kette von Entscheidungen nach sich. spielsweise deutlich langsamer und verfügt zu­ Die initiale Bestandsaufnahme der eingesetzten dem über weniger Funktionen als sein Win­ Betriebssysteme ist da noch die leichteste Auf­ dows-Pendant. IBM hat gerade erst die Archi­ gabe. Schwieriger ist es schon, festzulegen, wie tektur von Lotus überarbeitet. viele davon mit MS Outlook arbeiten wollen. In

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mit Zertifikaten zu signieren, und offline stehen auf dem Client keine Daten zur Verfügung. Ein Mitarbeiter, der mit dem Laptop unterwegs ist, kann nur mit einer stehenden Internetverbin­ dung Termine anlegen, prüfen und Kontaktda­ ten abrufen oder pflegen. Aber weil in derarti­ gen web-basierten Groupware-Setups sehr we­ nig Administration auf dem Client notwendig ist, finden sie in Thin-Client-Szenarien zuneh­ mend Verbreitung. Darüber hinaus haben sie den Vorteil, dass der Admin nur den Port des Web-Servers in der Firewall öffnen muss, damit Benutzer auch von extern Zugriff auf E-Mails haben. Und weil fast jede freie Groupware-Lö­ sung über ein eigenes, intuitives Ajax-Web-In­ terface für Benutzer verfügt, stellt die Kombina­ tion Outlook-Konnector plus Browser-Interface heute den De-facto-Standard in Unternehmen mit Open-Source-Groupware dar. Abbildung 4: Kontact, der KDE-Groupware-Client, unterstützt auch ohne Herstellersupport zahlreiche Server von Exchange bis zu Egroupware, aller- Freie Mailprogramme dings sind Qualität und Zuverlässigkeit teilweise sehr fragwürdig. Thunderbird als ausgereifter, stabiler E-Mail- Client (Abbildung 2) verfügt zwar ebenfalls über der Regel sind dies sämtliche Arbeitsplätze des ein Adressbuch sowie einen Kalender, Group­ Managements und deren Sekretariate, zahlrei­ ware-Funktionen fehlen ihm jedoch noch fast che Arbeitsplätze in Verwaltung und Vertrieb. vollständig. Zunehmend mehr Admins installie­ Die Arbeitsplätze, deren Mitarbeiter über mo­ ren ihn aber auf den Arbeitsplätzen der E-Mail- bile Geräte verfügen, gehören meistens auch zu Benutzer, um Outlooks Sicherheitsprobleme zu den Outlook-Kandidaten, weil sich viele Smart­ umschiffen. Den gemeinsamen Kalender sowie phones und Handys einfacher mit proprietärer an­­dere Groupware-Funktionen stellt dann der Windows-Software via Outlook-Plugins mit dem Firefox mit dem Web-Client der Groupware. Groupware-Server abgleichen lassen. Diese Lösung hat durchaus ihren Charme – sie Die Summe der Outlook-Arbeitsplätze bestimmt funktioniert sowohl auf Linux als auch auf Win­ die Anzahl der benötigten Office- und Konnek­ dows oder dem Mac mit identischer Software tor-Lizenzen. Im Gegensatz zu Outlook Express, und kommt daher in vielen mittelständischen das lediglich über wenige Groupware-Funktio­ Migrationsszenarien zum Einsatz. nen verfügt, ist das vollständigere MS Outlook Linux-Groupware-Clients sind leider noch die ein Bestandteil des Office-Paketes. Diese Tat­ Ausnahme, aber mit zunehmender Verbreitung sache wird in der Planung von Groupware- und des freien Betriebssystems halten auch Evolu­ Office-Migrationen oftmals übersehen, weil die tion und Kontact in mehr und mehr Firmen Lizenzpakete früherer Exchange-Server Client- Einzug. Auf dem Linux Desktop hat der Admin Lizenzen für Outlook enthielten, aber seit 2007 immerhin die Wahl zwischen zwei vollständi­ ist das nicht mehr automatisch der Fall. Kom­ gen Groupware-Clients. Evolution (A b ­­ men nach einer Migration neue Outlook-Ar­ bildung 3) ist dabei immer noch der Liebling beitsplätze hinzu, braucht es also für jeden eine der Hersteller, für den Plugins von Groupwise, MS-Office-Lizenz. Exchange sowie Scalix zur Verfügung stehen. Nachdem die Anzahl der Outlook-Clients fest­ Kontact (Abbildung 4) aus dem KDE Project steht, nimmt der Admin die restlichen Arbeits­ hat dagegen auch ohne Herstellerunterstützung plätze unter die Lupe. Unabhängig vom Be­ einige Groupware-Konnectoren an Bord und ist triebssystem reicht hier in den meisten Fällen zumindest in vielen Versionen deutlich stabiler eine web-basierte Groupware-Anwendung für als Evolution. Darüber hinaus ist der Funkti­ den lokalen Browser aus. Mit den meisten ist es onsumfang von Kontact größer und die Integra­ aber nicht möglich, Mails zu verschlüsseln oder tion in die Oberfläche KDE umfassender. Von

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Telefonie (KCall) via Synchronisation (Kitchen­ sync, KMobiletools) bis zu News (Akkregator) stehen zahlreiche Kontact-Plugins bereit. Vom Kolab-Projekt gibt es einen Enterprise-Client, der auf der alten KDE-Version 3.3 basiert und auf Stabilität und Performance optimiert ist. Die Client-Frage Die Client-Problematik lässt sich also auf we­ nige Fragen reduzieren: n Wie viel Windows und Outlook ist nötig? n Reicht Thunderbird als Mailprogramm? n Wie viel Browser-Groupware ist möglich? Ist der Remote-Zugriff notwendig? Sind Offline- Daten und E-Mail-Verschlüsselung nötig? n Kommen Linux-Desktops zum Einsatz? KDE- Kon­­tact oder Gnome-Evolution? Genügt de­ ren Stabilität den Ansprüchen der Benutzer? n Sind Thin Clients geplant? Mit welchen Be­ triebssystemen und Groupware-Clients? Abbildung 5: Open-Xchange bietet ausgefeilte Dokumenten- und Rechte- Hat der Admin diese Daten gesammelt, kann verwaltung und kann damit Document-Management-Systeme ersetzen. er sich ein Bild davon machen, welcher Group­ ware-Server die Vorgaben seiner Client-Land­ Checklisten, welche die wichtigsten Groupware- schaft erfüllt. Glücklich, wer da noch die große Funktionen enthalten. Weil in jedem Unterneh­ Auswahl hat. Den meisten Admins bleiben nur men eigene Arbeitsabläufe gelten, eignen sich wenige Alternativen übrig. derartige Tabellen aber eher als Vorlagen für die Soll beispielsweise Kontact als vollständiger Entwicklung eigener Kriterien. Groupware-Client zum Einsatz kommen, bleibt In vielen Szenarien hat es sich bewährt, ange­ nur der Griff zu Citadel, Kolab oder vielleicht passte Checklisten von den Mitarbeitern aus­ bald Scalix. Wenn Benutzer Outlook und Kon­ füllen zu lassen und so das Feedback der Beleg­ tact parallel verwenden müssen, braucht es Ko­ schaft einzusammeln. Dies erhöht die Akzeptanz lab mit den kostenpflichtigen, proprietären Kon­ und schafft Transparenz in der Planungsphase. nektoren. Evolution arbeitet mehr oder weniger Weil Benutzer gerade bei Themen wie Group­ gut mit Groupwise und Scalix zusammen, aber ware sehr sensibel auf Änderungen reagieren, eine echte Alternative ist es nicht. Administrato­ erweist es sich immer wieder als unverzichtbar, ren, die Outlook und ein Web-Frontend nutzen sie frühzeitig in die Planung einzubinden. Und möchten, haben fast schon die Qual der Wahl, ganz nebenbei erhält der Admin Einblick, wel­ weil diese Lösung von sämtlichen Servern mit che Arbeitsweisen die Kollegen wünschen. Outlook-Konnector unterstützt wird. Den Aus­ Die Fragebögen passt der Admin für die Be­ schlag gibt hier dann in der Regel die Qualität nutzer an und trifft eine Vorauswahl. Es ist bei­ des Plugins. An ausführlichen Tests führt spä­ spielsweise wenig sinnvoll, die Mitarbeiter nach testens jetzt kein Weg mehr vorbei. Die ganze einer Bewertung offener Standards zu fragen. Palette der Groupware-Server steht dagegen nur Ihre Meinung zu Kriterien wie der Einbindung Unternehmen zur Verfügung, die keinen Desk­ von Telefonie, Fax, Instant Messaging, Video­ top-Client benötigen. konferenzen oder auch banalen Filterregeln für die E-Mail auf dem Server ist aber bei der Wahl Checklisten der richtigen Groupware hilfreich. Wer nach diesen Kriterien noch aus einer Grup­ Wichtig ist dabei ebenfalls, nicht nur Ja/Nein- ­pe von Serverprojekten auswählen kann, sieht Antworten vorzugeben, sondern Punktwertun­ sich zahlreichen Features gegenüber (sie­­he Arti­ gen zuzulassen. So kann der Admin die Befrag­ kel „Marktübersicht“, Seite 6), welche vom Con­ ten zwingen, sich zwischen Alternativen zu ent­ tentmanagement à la Wiki bis zu Projektma­ scheiden, und er erhält stärkere Aussagen, wel­ nagement und mehr reichen. Auf [4] finden sich che bisweilen auch als Argumentationshilfen bei

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Budget-Verhandlungen hilfreich sind. Die fol­ hat eine ganze Fülle von Anwendungen hervor­ gende Liste enthält Beispielkriterien für eine sol­ gebracht. Ubuntu kennt allein 26 Pakete für die che Befragung der Mitarbeiter: GPL-Groupware, darunter Projektmanagement n Verteilerlisten, Filterregeln, Abwesenheitsbe­ (Abbildung 6), Workflow sowie Time-Tracking. nachrichtigung, Vertreterfunktion, Auf der Webseite gibt es noch Online-PDF-Edi­ n Trennung privat/dienstlich?​ toren und einen SyncML-Server zur Synchroni­ n Gruppenkalender mit gemeinsamer Planung, sation mobiler Geräte. n Frei/​Belegt-Listen, n Raum- und Ressourcenverwaltung, Checklisten für den Admin n Customer Relationship Management, Für den Admin spielen naturgemäß Faktoren n Projektmanagement, Zeiterfassung, eine Rolle, die dem Enduser relativ egal sind. n Dokumentenmanagement, Aber offene Standards wie IMAP, LDAP, Sieve n Zentrale Verwaltung von Aufgaben, oder Caldav erleichtern die Systemverwaltung. n Management von Berechtigungen, Jeder Techniker, der eine Groupware-Migration n Freigaben, Gemeinsame Ordner, hinter sich hat, weiß: Die langfristige strategi­ n Synchronisation mobiler Geräte. sche Bedeutung freier Standards kann nicht hoch genug bewertet werden. Genauso wie freie Kommerzielle und freie Module Erweiterungs-APIs ermöglichen sie die Inte­ Für die Platzhirsche Lotus sowie Exchange gibt gration und Anpassung der Groupware an die es zahlreiche Erweiterungen von Softwareher­ Bedürfnisse des Unternehmens, den freien Ex­ stellern, hier findet sich für teures Geld für fast port und Import von Daten und erhöhen hier­ jeden Einsatzzweck die richtige Software. CTI-, mit die Investitionssicherheit des Unternehmens. ERP-, CRM- und viele andere Module betten Mehr und mehr Groupware-Produkte unter­ sich meist nahtlos in Server oder Client ein. Der stützen freie Standards, leider noch nicht alle. Markt der Zusatzmodule für freie Groupware­ Auch integrierte Backup-Tools, Multidomain- Server ist dagegen noch sehr überschaubar, nur Support sowie Clusterfähigkeit erleichtern die der Hersteller von Backupsoftware SEP fällt hier tägliche Arbeit. Allerdings beherrschen die we­ positiv auf. nigsten freien Projekte sauberes Clustering mit Viele Open-Source-Systeme bieten schon von reibungslosem Failover wie etwa bei der Enter­ Hause aus einen enormen Funktionsumfang. prise Edition von Scalix. Die Serverdienste über Wer zum Beispiel ein umfangreiches Doku­ mehrere Maschinen zu verteilen, ist dagegen ein mentenmanagement mit Versionskontrolle und Feature, das fast alle unterstützen. detaillierten Berechtigungen möchte, der ist bei Für größere Unternehmen – beispielsweise mit Open-Xchange (Abbildung 5) richtig aufgeho­ mehreren Standorten – kommen noch komple­ ben. Und das modulare Egroupware-Konzept xere Überlegungen hinzu, die die Administrier­ bar­­keit betreffen. Wie soll die Admin-Oberflä­ che ausschauen? Web-GUI, CLI oder Desktop- Anwendung? Erfolgt der Remote-Zugriff über schmale Bandbreiten? Sollen Adminaufgaben de­ legierbar sein? Braucht es ein Rollenmodell? Wie fein können Berechtigungen an Groupware-Ob­ jekten eingestellt werden? Was passiert, wenn ein Mitarbeiter den Standort wechselt? Werden die Adressbücher und Termine zentral oder de­ zentral verwaltet? Ist Replikation möglich? Die Integration in vorhandene Infrastrukturen stellt eines der wichtigsten Kriterien dar. Nur wenige Lösungen können die Benutzerverwal­ tung aus einbinden – von den teilweise freien Systemen kommt nur Scalix mit Abbildung 6: Projektmanagement, Time-Tracking und ein Ticket-System einer eigenen ADS-Erweiterung, die dem Admi­ sind nur drei der zahlreichen Anwendungen für Egroupware. Die Qualität nistrator eigene Karteikarten sowie Menüs in der Software ist unterschiedlich, hier hilft nur ausgiebiges Testen. den ADS-Admin-Tools an die Hand gibt. Micro­

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Abbildung 7: Citadel integriert sich wie fast alle Groupware-Systeme mit einem externen LDAP. Da­ rüber hinaus beherrscht es als einzige freie Groupware automatische Replikaton über mehrere Server, ein Erbe aus der BBS-Zeit. softund Novell setzen gar den jeweiligen hausei­ tagein, tagaus mit dem System arbeiten. Daher genen Verzeichnisdienst voraus. Ohne E-Direc­ kommt dem Mitarbeiter-Feedback große Be­ tory gibt’s dann auch kein Groupwise, ohne ADS deutung zu. Nach der Erfassung von Randbedin­ kein Exchange und ohne Oracle-Datenbank kein gungen wie Lizenzen und Kosten geben aber in Oracle-SBS. Der Aufwand, diese Infrastrukturen der Regel die einzusetzenden Clients die Marsch­ nachträglich aufbauen zu müssen, gibt sehr häu­ richtung vor. Erst dann kann sich der Admin fig den Ausschlag für Open-Source-Projekte. Gedanken machen über den Funktionsumfang,­­ Auch mit SAP-Integration schaut es für freie den die Serversoftware mitbringen soll. Groupware-Server grundsätzlich schlecht aus. Glücklich kann sich schätzen, wer mit einer rei­ LDAP, Samba oder PAM gehören dagegen bei nen web-basierten Lösung auskommt. Dann ste­ nahezu allen Produkten zum Standard (Abbil- hen fast alle Türen offen, und Kriterien wie die dung 7), sowohl als Server wie auch als Client. Unterstützung freier Standards, Zusatzkompo­ Als Datenbanken hinter der Groupware ste­ nenten oder die Integration in lokale Infrastruk­ hen meist MySQL oder PostgreSQL zur Wahl, turen und Prozesse geben den Ausschlag. nnn hier mag das interne Know-how der Mitarbei­ ter durchaus eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Als einziger Groupware-Server kommt Infos derzeit Kolab komplett ohne Datenbank aus; er [1] Ronni Marshall, „Groupware selection: An speichert alle Daten im IMAP-Storage, wobei uphill climb“, „Network World“, 29. August 1994: LDAP für die Administration der Benutzer zum [http://​­findarticles.​­com/​­p/​­articles/​­mi_qa3649/​ Einsatz kommt. Der Vorteil liegt auf der Hand: ­is_199408/​­ai_n8710672/​­pg_7] Ein Backup des Mailstore beinhaltet auch alle [2] Markus Feilner, „Auf der Suche nach dem Groupware-Daten – einzelne Termine können Groupware-Standard“, Linux Magazin Online: wie auch einzelne Mails wiederhergestellt wer­ [http://​­www.​­linux-magazin.​­de/​­online_artikel/​ den – die Suche mit »grep« und der Einsatz ei­ ­auf_der_suche_nach_dem_groupware_ gener Skripte sind möglich. standard] [3] Markus Feilner, „Mangelerscheinungen im Fazit Schlaraffenland“, Linux Magazin Online: [http://​ Die Auswahl der richtigen Groupware ist eine ­www.​­linux-magazin.​­de/​­online_artikel/​­open_ komplexe Entscheidung, für die es gehörigen source_groupware] Vorlauf, detaillierte Planung und umfangreiche [4] Groupware-Howto mit Checklisten: Tests braucht. Groupware ist auch für die Mit­ [http://​­www.​­marschke.​­info/​­admin/​­Groupware_ arbeiter ein sehr sensibler Bereich – sie müssen Howto.​­pdf]

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