<<

08/2015

Die Entwicklungen bei -Groupware – eine Zwischenbilanz Sysadmin Auf und ab Groupware

58 Der Groupwaremarkt ist ebenso groß wie schwierig: Microsoft Exchange und Lotus Notes halten die dicken Brocken fest, soziale Netzwerke und Google drängen nach. Freie Software kann gleichwohl auf schöne Erfolge

verweisen, gerät aber immer wieder in die Opferrolle – meist wegen externer Finanzierung. Markus Feilner, Dirk Ahrnke www.linux-magazin.de

Connect (Abbildungen 1 und 2). Obwohl einige Einzellösungen aus dem Linux- und Open-Source-Umfeld, zum Beispiel Spam­assassin, Open SSL und Qt, inte- griert sind, vertreibt Kerio sein Produkt Connect vollständig und ohne jede Aus- nahme unter einer proprietären und rein

© mahout, 123RF © mahout, kommerziellen Lizenz. Außer für Linux ist das Produkt darüber hinaus auch für Windows und Mac OS X erhältlich. Gerade Letzteres dürfte eini- ges zur Verbreitung beigetragen haben, denn für die Apple-Serverplattform gibt es relativ wenige Groupwarelösungen. Kerio hat zudem auch als einer der ersten Dritthersteller eine Implementierung der Exchange Web Services (EWS) geschafft. Unter OS X setzt mittlerweile nicht nur Outlook auf die HTTP-basierte Anbin- dung an Exchange. Seit OS X (Snow Leo­ Vier Jahre her ist der letzte Groupware­ sehen sich dabei natürlich Produkte, pard) lässt sich auch das zum Mac-Sys- vergleich im Linux-Magazin [1] – Grund deren Entwicklung (zum Teil) in einer tem gehörende Mail via EWS anbinden. genug, erneut den Blick auf die für Un- Community erfolgt – sprich Open-Source- ternehmen wichtige Collaboration-Sparte Software. Diese Einschätzung teilt die Caldav und Carddav zu richten, die allein in Deutschland rund Wagniskapitalbranche offenbar, denn in 700 Millionen Euro Jahresumsatz schwer die meisten Groupware-Unternehmun- Es sind allerdings nicht nur die alterna- ist. Der größte Teil des Geldes landet in gen, die dieser Artikel analysiert, floss tiven Exchange-Anbindungen, zu denen den Taschen von Microsoft: Je nach Zähl- entweder reichlich Venture Capital oder auch ein Outlook-Connector in On- und weise und Weltregion kommen auf zehn sie waren Gegenstand von strategischen Offline-Variante und mit Exchange Ac- Groupware-Installationen nur zwei bis Übernahmen oder beides. tive Sync (EAS) gehört. Als Mitglied im vier von Mitbewerbern [2]. Die Nummer Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Calendaring und Scheduling Consortium zwei im Markt ist IBM mit Lotus No- jüngsten Entwicklungen bei Kerio, , Calconnect hat Kerio auch eine der ers- tes. Wichtige Mitspieler von früher wie Open Xchange, Postpath, , Tine 2.0, ten kommerziellen Caldav- und Carddav- Groupwise rangieren im unteren und . Implementierungen vorgestellt. einstelligen Prozentbereich. Die meisten Anwender von Kerio Connect E Kerio Connect schätzen die gute Integration bewährter Ein Markt mit Platz Kommunikationstechnologien, wie sie ty- Kerio Technologies [3] startete 1997 mit pische KMU-Umgebungen benötigen. Of- Doch wegen der Milliarden, die Anwen­ dem Vertrieb einer Netzwerksoftware, fene Standards unterstützt das Produkt, derfirmen weltweit für Groupware ausge- 2001 gab es die erste Version des Kerio- soweit sie sinnvoll und verbreitet sind. ben, reichen für kleinere Anbieter schon Mailservers. Ab Version 7 nannten die Ab Kerio Connect 8.1 ist zum Beispiel Marktanteile von einigen Promille, um Kalifornier das mittlerweile zur Group- ein XMPP-basierter Instant-Messaging- zu wirtschaften. In einer guten Position ware weiterentwickelte Produkt Kerio Dienst mit an Bord. 08/2015 Sysadmin Die Pläne, ein auf Schweizer Recht und Datenschutzvorgaben basierendes Groupwarehosting anzubieten, lagen bei der Kolab Systems AG schon länger

in der Schublade. Nur wenige Wochen Groupware nach den ersten Veröffentlichungen von Edward Snowden zu Prism und Tempora ging My Kolab an den Start [6] und fand 59 so sicherlich nicht nur Kunden der fast gleichzeitig schließenden Maildienste von Lavabit und Silent Circle.

Fast gleichzeitig kündigte Kolab mit Irony www.linux-magazin.de eine auf Sabredav basierende Unterstüt- zung für Caldav und Carddav an. Diese ist nach Ansicht mancher Kunden mitt- lerweile so ausgereift, dass sich Kolab auch für Mac-Anwender als eine ernst- zunehmende Groupwarelösung eignet.

Abbildung 1: Kerios Admin-Oberfläche bei der Arbeit. Enterprise-Version

Bislang adressierte Kerio vorrangig Kun- vorgestellte Version 3 ([5], Abbildung Ebenfalls im Jahr 2013 datiert ein wei- den mit bis zu wenigen Hundert Mail­ 3) konnte dann mit einem erweiterten terer Meilenstein: Die von Kolab Sys- boxen. Die im Mai 2015 erschienene Datenformat aufwarten und setzte beim tems betreute und jährlich aktualisierte Version Kerio Connect 8.5 unterstützt Webmailer statt des von vielen Anwen- Version Kolab Enterprise folgt jetzt dem erstmalig auch mehrere in einer dern als altbacken empfundenen - Modell der Referenzplattform Organisation und soll somit das Skalie- Frameworks auf . Enterprise Linux [7]. Die Community- rungsproblem lösen. Kolab Systems als treibendes Unterneh- Variante wird – vergleichbar mit Fedora men hinter Kolab beschäftigt seit Jah- – als Entwicklerversion deklariert und E Kolab ren einige Entwickler des Kernteams nicht für den produktiven Einsatz emp- von Roundcube und schafft es trotzdem, fohlen. Wer sich darauf einlassen will, Beim letzten Groupwarevergleich im beispielsweise durch konsequente Aus- tut gut daran, sich mit den Mailinglisten Linux-Magazin war eine Runderneue- lagerung Kolab-spezifischer Funktionen [8] zu befassen. Hier wie auch im IRC- rung der Open-Source-Groupware Kolab in Plugins, den universellen Webmailer Channel »#kolab« bestehen dennoch gute [4] noch im Gespräch. Die Anfang 2013 Roundcube nicht zu kannibalisieren. Chancen, schnelle und kompetente Hilfe bei Problemen zu erhalten. Die im vorigen Test kritisierten Probleme mit der Dokumentation bestehen teil- weise weiter. Zwar haben die Entwickler dem Dokumentationsportal [docs.​­kolab.​ ­org] in letzter Zeit einiges an Inhalten hinzugefügt, es wird aber weiterhin hauptsächlich von Developern gepflegt und ist demzufolge für Einsteiger nur bedingt geeignet. Die Lektüre empfiehlt sich trotzdem, da sich unter anderem unter den noch überschaubaren Howtos sehr wertvolle Hinweise zur erweiterten Konfiguration finden.

Runder Würfel

Kolab ist weiterhin eines der wenigen Produkte, die mit einen platt- formübergreifenden Desktop- lie- fern. Auch Windows-Anwender könnten Abbildung 2: Kerio Connect wirkt aufgeräumt und modern. sich von Outlook lösen, wenn sie bereit 08/2015 Sysadmin lionen Euro schwer war die Investition von United Internet Ventures in Open Xchange [10]. Die Palette rund um die OX-App-Suite haben die Nürnberger in

Groupware den letzten Jahren ständig erweitert. Aus der reinen Groupwaresuite entwickelte sich mit OX Documents, OX Guard, OX 60 Drive und OX Messenger eine komplette Web-basierte Bürosuite. Allerdings zeigt diese Investition auch das strategische Eigeninteresse von United Internet unter

www.linux-magazin.de anderem als Eigentümer von 1&1, das Open Xchange schon seit Jahren als Basis des Angebots einsetzt. Wer zuvor noch nie etwas von Open Xchange gehört hat und sich auf der Webseite über das Produkt informieren möchte, wird allein vermutlich kaum auf die Idee kommen, dass dieses sich auch für den Betrieb im eigenen Unternehmen eignet. Im Fokus stehen dort die großen Abbildung 3: Die aktuelle Online-Demo von Kolab hat so gar nichts mehr mit den Horde-basierten Vorläufern Hostinganbieter, was angesichts der in der vergangenen Jahre gemeinsam. den vergangenen Jahren hinzugekom- men Investoren auch nicht verwunder- sind, sich dem KDE-Multitalent Kontact nächsten Jahren!“, erklärte Greve dem lich ist. Neben 1&1 Mail-Business steckt zu nähern. Das darunterliegende Qt er- Summit-Publikum. Roundcube, repräsen- Open Xchange zum Beispiel auch hinter laubt es, den Client sowohl auf Linux, tiert durch Mastermind Thomas Brüderli, den Angeboten von Host Europe oder Windows wie auch als abgespeckte Ver- soll mit einer Crowdfunding-Kampagne dem Anfang 2014 gestarteten Mailbox. sion auf Mobiltelefonen zu verwenden. (Roundcube Next, [9], Abbildungen 4 org der Berliner Heinlein Support GmbH. Im Januar 2015 verordnete die Kolab Sys- und 5) breite Unterstützung und neue tems AG sich und ihren Produkten eine Features bekommen. Außerdem standen Apps, Apps optische Erneuerung. Diese schlägt sich MAPI- und Office-Integration und der für auch in einem neuen Design des Web- das traditionell stark auf Datensicherheit Die Architektur des aus dem SLOX (Suse mailers Roundcube nieder. ausgerichtete Kolab besonders attraktive Linux Open Exchange Server) hervor- Auf dem Kolab Summit 2015 Anfang Gesundheitssektor im Vordergrund. gegangenen Produkts eignet sich schon Mai in Den Haag (gleichzeitig mit der deshalb ausgezeichnet für Provider, weil Open-Suse-Konferenz) hatten die Man- E Open Xchange zumeist vorhandene IMAP-Server ohne nen um Kolabsys-CEO Georg Greve einige große Umbauarbeiten um Groupware­ Neuigkeiten im Gepäck: „Das wird eine Dass Investitionen auch Früchte tragen funktionen erweitert werden können. der wichtigsten Aufgaben für uns in den können, beweist das Beispiel OX: 15 Mil- Die im November 2012 erstmalig veröf- © Markus Feilner, CC-BY-SA 2015 CC-BY-SA Feilner, © Markus

Abbildung 4: Auf dem Kolab Summit 2015 in Den Haag riefen Georg Greve, Thomas Abbildung 5: Innerhalb sehr kurzer Zeit konnte Roundcube Next eine Brüderli und Aaron Seigo eine Crowdfunding-Kampagne für den Webmailer aus. beträchtliche Summe zusammensammeln. 08/2015 Sysadmin fentlichte OX-App-Suite (Abbildung 6) ist nicht nur ein neu designtes Webfrontend für die schon im klassischen Web-GUI von OX 6 vorhandenen Funktionen, son-

dern auch Basis für zusätzliche Applika- Groupware tionen, die seit Anfang 2014 mit hoher Schlagzahl veröffentlicht werden: n OX Drive für die Dateiverwaltung und 61 ‑synchronisation, n OX Documents mit Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, n

OX Guard für die Verschlüsselung von www.linux-magazin.de Nachrichten, n OX Messenger für Chat und (Video-) Telefonie als bisher letzte Ergänzung. In der für das zweite Quartal anstehen- den Update-Runde ist unter anderem eine PGP-Kompatibilität von OX Guard in Pla- nung. Zu einem bislang noch nicht fest- stehenden Termin soll zu OX Documents ein Präsentationsmodul hinzustoßen. Auf Open Xchange basierende Angebote Abbildung 6: Open Xchange entfernt sich immer weiter von seinen SLOX-Wurzeln und wird zur App-Zentrale können damit eine Alternative zu Google für Unternehmen und Endkunden. Apps und vergleichbaren Diensten sein. Vor diesem Hintergrund sind auch die nach technischen Informationen sucht, ten Umsatz von einer Milliarde US-Dollar angekündigten Übernahmen von sollte sich die Knowledgebase [12] anse- bescherte. Oy [11] und Power DNS erklärbar. hen. Hier sind alle relevanten Dokumen- Der Erfolg war aber nicht nachhaltig, spä- tationen verlinkt. tere Investitionen, etwa die in Linspire, On Premise erwiesen sich als wirtschaftliche Desas- E Scalix ter. Ab 2010 wurde das Geld knapp und Für die Installation im Unternehmens- man suchte für Scalix neue Investoren. netzwerk ist die OX-App-Suite/​Server Eine ebenfalls wechselvolle Geschichte Die Ankündigung des Pennystocks-Unter- Edition gedacht. Die im letzten Test vor- mit seinen Investoren durchlebte der nehmens Sebring Software im Jahr 2011, gestellte Appliance OXASE ist zwischen- Openmail-Ableger Scalix [14]. Begon- 12 Millionen für Scalix zahlen zu wollen, zeitlich abgekündigt. Einen aus funktio- nen hatte sie 2002 mit etwas weniger erwies sich als Luftnummer, das Kapital naler Sicht gleichwertigen Ersatz bietet Venture-Kapital als etwa Zimbra erhielt, reichte nicht mal für einen Bruchteil der aber die aktuelle Installationsvariante doch nach fünf Jahren verloren die ur- Kaufsumme. Seit Ende 2013 machen Teile über das App Center des Univention Cor- sprünglichen Kapitalgeber das Interesse des ehemaligen Scalix-Managements auf porate Server (UCS). Da auch die OXASE und verkauften an Xandros, ein ebenfalls eigene Rechnung weiter und versuchen auf UCS basierte, haben die Hersteller von Fonds gesteuertes Unternehmen aus wieder Anschluss zu gewinnen. einen Umstellungspfad für betroffene dem Corel-Dunstkreis. Xandros erzielte Kunden geschaffen. daraufhin einige Erfolge, unter anderem Überraschung: Eine neue Wer am Einsatz der OX-App-Suite im ei- auch als Softwarelieferant für das Net- Version ist da! genen Unternehmen Interesse hat und book Eee-PC, das Asus einen geschätz- Der Veteran, dessen Ursprünge mit HP Postpath Openmail bis ins Jahr 1987 zurückrei- Etwas weniger glücklich bei der Jagd auf Kun- Im selben Kontext ist wohl auch die Akquise chen, fehlte beim letzten Groupware-Ver- den, dafür aber ebenfalls mit viel Geld unter- der Instant-Messaging-Pioniere Jabber Inc. gleich, auch weil es nach 2010 weder Pro- wegs war Postpath [13]. Das aus Bulgarien wenige Wochen später zu sehen. Während duktaktualisierungen noch irgendwelche und den USA stammende Team entwickelte bis Jabber in den Kommunikationsprodukten von substanziellen Nachrichten zu vermelden 2008 einen unter Linux laufenden Exchange- Cisco weiterlebt, kam für Webex Mail schon gab. Daher war die Überraschung groß, Nachbau. im Februar 2011 das endgültige Aus. Lapidarer als sich Scalix im Spätherbst 2013 mit Dann zückte Cisco die Brieftasche und erwarb Kommentar eines Managers bei Webex: „Es einer neuen Version 12.0 wieder mel- Postpath für 215 Millionen Dollar. Erklärtes skalierte nicht.“ dete. Mit einem kleinen Zwischenschritt Ziel: Das Software-as-a-Service-Angebot Cisco In der Zwischenzeit hat Cisco nun auch das erschien Ende März 2015 die aktuelle Webex ­Mail sollte das Gegenstück zu den Offer- Groupwareprojekt Postpath endgültig einge- Version 12.5 (Abbildung 7). Ein Blick in ten von Google und Microsoft werden. stellt. die Release Notes [15] zeigt diverse Feh- 08/2015 Sysadmin Tine 2.0 [16] wollten die Caldav-Anbin- dung verbessern und starteten dafür eine vergleichsweise bescheidene Crowdfun- ding-Kampagne über 2100 Euro. Das Pro-

Groupware jekt erreichte sein Ziel sogar mit einem Überschuss. Im Herbst 2014 erschien die Release Koriander mit zahlreichen Ver- 62 besserungen im Caldav-Kontext.

E Zarafa

www.linux-magazin.de Ganz ohne Venture Capital kommt nach eigenen Angaben Zarafa ([17], Abbil- dung 8) aus. Dies soll sich dem Verneh- men nach auch zukünftig nicht ändern. In einer auf permanentes Wachstum aus- gelegten Gesellschaft kommt man aller- dings ohne große Kooperationen nicht weit. Anfang März gab Zarafa die Zu- sammenarbeit mit Amazon im Kontext Abbildung 7: Für viele völlig überraschend brachte Scalix im Frühjahr 2015 die neue Version 12.5 mit vielen des Produkts Amazon Workmail [18] Bugfixes und Neuerungen heraus. bekannt. Gleichzeitig stellte die niederländisch- lerbehebungen und einige Ansätze zur dukte – zum Beispiel Kerio – können dies deutsche Firma klar, dies sei keine Ab- Modernisierung der Architektur. aber mittlerweile auch. kehr von der Möglichkeit, Zarafa on pre- Die ist zwar ausgereift und skaliert so- mise, also im eigenen Rechenzentrum, wohl horizontal als auch vertikal sehr Verbesserungsbedarf bleibt zu betreiben. Es ist durchaus denkbar, gut, hat aber auch mit der von HP Open- dass die neue Partnerschaft die Entschei- mail geerbten X.400-Basis für den ei- Akuter Verbesserungsbedarf besteht bei dung, in Zukunft ohne primären Fokus genen Verzeichnisdienst Elemente, die der Unterstützung neuerer Exchange- auf Outlook zu entwickeln, befördert hat. eine Offenlegung des Quellcodes verhin- Activesync-Versionen. Auch Scalix Web Ob die Technik den Ausschlag dazu gab, dern. Die ursprünglichen Pläne, schon Access, der Webmailer, wirkt trotz der sei mal dahingestellt, geholfen haben mit Scalix 12 auch den Kern unter eine jetzt endlich eingebauten zu Outlook mag aber, dass innerhalb der vergange- Open-Source-Lizenz zu stellen, waren und Activesync kompatiblen Aufgaben- nen Jahre einige der niederländischen wegen der negativen Entwicklung des verwaltung angesichts moderner HTML- Zarafa-Entwickler zu Amazon Web Ser- ehemaligen Eigentümers Xandros nicht 5-Clients doch etwas angestaubt. Eine vices gewechselt sind. durchsetzbar, stehen aber weiterhin auf Runderneuerung ist für die Version 13 der Aufgabenliste. angestrebt. Mit Blick auf die Entwick- Weniger Outlook In den vergangenen zwei Jahren haben lungen der letzten Jahre muss Scalix erst sich die Scalix-Entwickler zunächst um noch unter Beweis stellen, dass es diese Angesichts der im Januar 2015 publi- Anschluss bei der Unterstützung aktuel- Pläne auch tatsächlich umsetzt. zierten Änderungen der Produktstrategie ler Outlook-Versionen und die Behebung Chancen bestehen sicherlich. Eine Pre- mit der Abkehr von Outlook [19] scheint von Fehlern bemüht. Scalix 12.5 bringt view der nächsten Version 12.6 hat die eine Rückschau auf die Entwicklungen nun einige Neuerungen. Die mit einer Firma jedenfalls zeitgleich mit der Re- der letzten vier Jahre wenig sinnvoll. kommerziellen Lizenz aktivierbare Ar- lease 12.5 veröffentlicht. In der Presse- Dennoch haben gerade sie das Erschei- chivierungsschnittstelle ist jetzt in der mitteilung zur Version 12.5 bekennt sich nungsbild des Produkts und Unterneh- Lage, im Exchange-Journaling-Format zu der Hersteller weiterhin zu seiner Strate- mens entscheidend geprägt. Lange Zeit exportieren und somit verbreitete Archi- gie, auch langfristig als und mit großem Ressourcenbedarf lag vierungslösungen zu adressieren. eine wesentliche Komponente der „Client der Fokus auf einer größtmöglichen Kom- Ein in der Praxis des Öfteren nachge- of Choice“–Strategie unterstützen zu wol- patibilität zu den Groupwareprodukten fragtes Feature ist die Möglichkeit, über len. Dies schließt Office 2016 ein von Microsoft. Outlook oder den Webmailer eine als Während dieser Ansatz für Outlook auf Alias definierte SMTP-Adresse auch für E Tine 2.0 Windows noch zufriedenstellend funkti- den Versand zu benutzen. Scalix 12.5 onierte, war der Versuch, eine skalierbare realisiert diese Funktion. Bei Microsoft Dass es nicht immer das ganz große Geld Implementierung der Exchange Web Ser- Exchange geht das übrigens weiterhin sein muss, stellte Metaways im vergange- vices (EWS) bereitzustellen, weniger von nur mit Third-Party-Add-ons, andere Pro- nen Jahr unter Beweis. Die Macher von Erfolg gekrönt. Das Risiko, ständig dem 08/2015 Sysadmin Marktführer hinterherprogrammieren zu Outlook 2013 weiterarbeiten zu können. patible Dateiverwaltung Z-Files geplant. müssen und dafür erhebliche Ressourcen Dass die Entwickler Funktionen, die über Da derartige Funktionen aber auch schon vorzuhalten, ist für Zarafa zu groß gewor- die EAS-Spezifikation hinausgehen, im- in anderen Lösungen in ähnlicher Form den. Es dürfte auch dem Hersteller klar plementieren können, haben sie schon existieren, wird Zarafa noch an Details

sein, dass ein Abwenden von Outlook als unter Beweis gestellt. Es ist denkbar, dass arbeiten müssen. Groupware dem Dreh- und Angelpunkt des Produkts es ihnen auf diese Art gelingt, doch noch zugleich eine veränderte Kundenklientel etwas mehr Groupwarefunktionalität wie Fehlende Administration bedeutet. den Stellvertreterzugriff auf andere Mail- 63 boxen über Activesync bereitzustellen. Ein des Öfteren zu hörender Kritik- Doch noch ein Weilchen? Netter Nebeneffekt: Von diesen Ände- punkt ist das Fehlen einer grafischen rungen könnten auch die mobilen Clients Administrationsoberfläche. Leider ver-

In einer Ankündigung von Anfang April profitieren. mochte das 2011 vorgestellte Z-Admin, www.linux-magazin.de hat Zarafa zwar für Bestandskunden die Auf Client-Seite will sich Zarafa verstärkt eine Weiterentwicklung von Yaffas [21], Unterstützung aktueller Outlook-Versio- auf die mittlerweile als Version 2.0 ver- diese Lücke nicht füllen. Während die nen über den Konnektor (Zarafa-Client) fügbare Webapp konzentrieren. Hier bie- täglichen Administrationsaufgaben wie um ein Jahr bis zum April 2017 verlän- ten sich mit der Loslösung von den Vor- Nutzer- und Gruppenverwaltung im All- gert, wird allerdings damit nicht allen gaben Microsoftscher Groupware-Ideen gemeinen durch die übliche Integration Kundenwünschen entsprechen können. Möglichkeiten, ein Produkt mit einem in vorhandene Verzeichnisdienste wie Outlook soll daher nicht vollständig au- eigenen Gesicht und eigenen Fähigkei- oder Open LDAP mit de- ßen vor bleiben. ten zu gestalten. Im ersten Schritt sind ren Werkzeugen erledigt werden, fehlen Die stark von Zarafa geprägte Open- bereits präsentierte Lösungen für über weiterhin Werkzeuge zur Administration Source-EAS-Implementierung Z-Push das Medium E-Mail hinausgehende Kol- des Servers selbst. [20] ist eine immer wieder genannte laborationswerkzeuge wie die Integration Einen Teil davon könnte in Zukunft Ko- Option, zumindest mit Versionen ab von Webmeetings und die Webdav-kom- pano liefern [22]. ist ein für 08/2015 Sysadmin zusätzlich noch [zimbra.​­org] in seinen Bookmarks abspeichern.

Aus Telligent wird Zimbra Groupware Seit Telligent Zimbra vor knapp zwei Jahren übernommen hatte, war zunächst 64 Konsolidierung angesagt. Telligent fir- miert seit September 2013 unter dem offensichtlich bekannterem Namen, wel- cher übrigens einem in den späten 70er

www.linux-magazin.de erschienenen Song der New-Wave-Band Talking Heads entlehnt ist. Ein erstes größeres Zeichen wurde mit der Wiederbelebung des unter VMware- Ägide beerdigten Zimbra Desktop gesetzt. Den mögen zwar nicht alle Endanwen- der – vielleicht nur, weil nicht Outlook draufsteht –, er bietet aber eine wirkliche Alternative zum Platzhirsch. Über HTML 5 als technologische Basis Abbildung 8: Auch Zarafa integriert Apps in seine Webapp und reduziert die Outlook-Unterstützung. für einen offlinefähigen Webclient redet die Branche seit Jahren. Zimbra Collabo- das zweite Quartal 2015 angekündigter Lösung im Portfolio nichts anfangen und ration 8.5, erschienen im August 2014, Cloudservice, der dem geänderten Ge- auch sonst gelang es nicht, das Produkt lieferte ihn nun, zwar nicht als Erster, schäftsmodell von Zarafa Rechnung trägt in die eigenen Angebote sinnvoll zu in- aber zumindest als einer von wenigen und der Verwaltung und Optimierung der tegrieren. Anbietern. Die Exchange Web Services eigenen Zarafa-Installation – egal ob als (EWS) forderten offensichtlich auch die Clouddienst oder in eigener Regie – die- Stark in den USA Kunden, sodass Zimbra diese ebenfalls nen soll. mit 8.5 erstmalig unterstützt. Zumindest im deutschsprachigen Raum Außer den neuen Features brachte die E Zimbra blieb Zimbra in dieser Zeit nahezu un- 8.5er Release auch eine Umstellung der sichtbar (Abbildung 9). Im Juli 2013 Lizenzierung für die Open Source Edi- Zu den absoluten Gewinnern des Ven- verkaufte VMware Zimbra schließlich tion auf Lizenzmodelle gemäß den Stan- ture-Capital-Pokers dürften die ursprüng- an Telligent Systems weiter, eine Firma, dards der Open Source Initiative [24]. lichen Investoren von Zimbra [23], gehö- die bis dahin im Bereich Social Software Die Serverplattform steht jetzt unter der ren. Die von Insidern kolportierten etwa aktiv war, es dort aber immerhin in den GPL-Version 2, die Webapplikation unter 15 Millionen Dollar Startkapital reichten für Entscheider relevanten magischen aus – auch dank einer geschickten Plat- Quadranten von Gartner geschafft hatte. zierung des Produkts bei Comcast, einem Den Kauf durch Telligent haben unter Die Autoren der größten US-amerikanischen Provider anderem Intel Capital und VMware selbst Dirk Ahrnke beschäftigt –, um im September 2007 die Firma für finanziert. sich seit über 15 Jahren mit 350 Millionen Dollar an Yahoo zu ver- Wenige Monate später benannte sich Tel- dem Einsatz von Group­ kaufen. ligent dann vollständig in Zimbra um wareprodukten und IT-Infra- Die sehr wahrscheinliche Intention und vermarktet seitdem alle Produkte struktur-Lösungen im kom- von Yahoo, mit Zimbra im Portfolio ein unter einem einheitlichen Dach. Anfäng- merziellen Bereich. Er ist Gegengewicht zu den mächtig aufstre- lich war dies etwas irritierend, da Zim- Gründer und Geschäftsführer der Leipziger it25 benden Google Apps zu schaffen, ging bra Social und Zimbra Collaboration fast GmbH. aber nicht auf. Im Januar 2010 kündigte identische Versionsnummern tragen. Die Markus Feilner ist ein Linux- VMware die Übernahme von Zimbra zu in den letzten Monaten vom Unterneh- Spezialist aus Regensburg, einem ungenannten, aber mit Sicherheit men ausgehenden Signale, insbesondere der seit 1994 mit dem freien geringeren Betrag als 2007 an. zur Open-Source-Lizenzierung und einer Betriebssystem als Autor, Doch auch das Engagement von VMware besseren Unterstützung der Community, Trainer, Consultant und Jour- war nicht besonders förderlich für die geben aber Anlass zur Hoffnung, dass nalist arbeitet. Der Conch- Entwicklung der Groupware. Das beste- hier noch interessante Dinge passieren Diplomat, Minister der Universal Life Church und hende Partnernetzwerk konnte zumeist können. Neben der URL [zimbra.​­com] Jedi-Ritter leitet heute das Dokumentationsteam mit einer zusätzlichen Collaboration- sollte sich der Open-Source-Fan wohl bei Suse in Nürnberg. 08/2015 Sysadmin

Infos [1] Dirk Ahrnke, „Kolab, Open Xchange, Zarafa und Zimbra im Vergleich“: [http://​

­www.​­linux‑magazin.​­de/​­Ausgaben/​­2011/​ Groupware ­09/​­Groupware‑Vergleich/] [2] Studie „Unternehmenskommunikation im Wandel“: [http://​­www.​­techconsult.​­de/​ 65 ­index.​­/​­component/​­content/​­article/​ ­43‑uncategorised/​­282‑mp‑group] [3] Kerio: [http://​­www.​­kerio.​­com] [4] Kolab: [http://​­www.​­kolab.​­org] www.linux-magazin.de [5] Kolab: [http://​­www.​­linux‑magazin.​­de/​ ­Ausgaben/​­2013/​­03/​­Kolab‑3/] [6] Hosted Kolab: [http://​­www.​­linux‑magazin.​­de/NEWS/ ​­My‑Kolab‑Hosted‑​Grouware‑nach‑ Schweizer‑Recht‑und‑Gesetz/] [7] Kolab übernimmt Red Hats Modell: [http://​­www.​­linux‑magazin.​­de/​­NEWS/​ Abbildung 9: Fast unsichtbar in Deutschland, doch in den USA stark verbreitet: Zimbra. ­Kolab‑Enterprise‑​OSS‑Groupware‑ue- bernimmt‑Red‑Hat‑Modell‑fuer‑Enter- der Common Public Attribution License ausgereiften Installations- und Adminis- prise‑Version/] (CPAL) in der Version 1. trationswerkzeugen und zusätzlich mit [8] Kolab-Mailinglisten: In der letzten Major-Release Zimbra Col- einer guten und umfassenden Dokumen- [http://​­lists.​­kolab.​­org] laboration 8.6, erschienen im Dezember tation. [9] Roundcube Next bei Indiegogo: 2014, konzentrierten sich die Entwick- [https://​­www.​­indiegogo.​­com/​­projects/​ ler funktionsseitig stark auf das Thema Fazit ­roundcube‑next‑‑2] Accessibility, also auf die barrierefreie [10] Open Xchange: Bedienung des Webclients gemäß der US- Nur wenig Neues gab es bei Kerio und [http://​­www.​­openxchange.​­org] Vorgabe Section 508 [25]. Die durch- Tine (bei beiden mal von Cal- und Card- [11] Dovecot Merge: gängige Tastaturbedienung soll dann in dav abgesehen). Postpath (siehe Kasten [http://​­www.​­theregister.​­co.​­uk/​­2015/​­03/​ Version 8.7 implementiert sein. „Postpath“) ist ganz aus dem Rennen. ­24/​­open_xchange_skype_dovecot_merger/] Zarafa wackelt ein wenig, weil diverse [12] Oxpedia: [http://​­oxpedia.​­org] Zukäufe Entwickler die Firma verließen, vor allem [13] Postpath: [http://​­newsroom.​­cisco.​­com/​ aber wegen der durchaus nachvollzieh- ­dlls/​­2008/​­corp_082708.html]​­ Auch Zimbra versucht über Zukäufe baren Entscheidung, Outlook in Zukunft [14] Scalix: [http://​­www.​­scalix.​­com] von Firmen und Produkten das eigene nicht mehr zu unterstützen. Von Scalix [15] Scalix 12.5: [http://​­www.​­scalix.​ Portfolio aufzuwerten. Im Juli 2014 kam – man höre und staune – gibt es eine ­com/​­main/​­37‑english/​­support/​ Mezeo, ein Anbieter von Filesync- und neue Version, die tatsächlich Neuerungen ­400‑scalix‑12‑5‑release‑notes] Share-Software, hinzu. Das neue Produkt bringt, aber noch lange nicht das Ende [16] Tine 2.0: [https://​­www.​­tine20.​­org] hat bereits einen Namen „Zimbra Sync der Fahnenstange sein kann. [17] Zarafa: [http://​­www.​­zarafa.​­com] and Share“, ist aber aktuell noch nicht Zimbra ist finanzstark wie eh und je, [18] Zarafa und Amazon Workmail: offiziell verfügbar. Nach Aussagen des aber vor allem in den USA vertreten, was [http://​­www.​­zarafa.​­com/­zarafa‑ Herstellers ist geplant, mittelfristig damit auch an der großen Kontinuität inner- partners‑with‑​aws‑to‑extend‑product auch die bisherige Datenablage von Zim- halb der Software liegt. Es ist gut mög- ‑portfolio‑with‑amazon‑workmail/] bra zu ergänzen beziehungsweise ganz lich, dass sich dieser Anbieter bald noch [19] Zarafa stoppt Outlook-Weiterentwicklung: zu ersetzen. etwas mehr in Richtung Open Source [http://​­www.​­linux‑magazin.​­de/​­NEWS/​ Angesichts der Frequenz des Eigentümer- bewegt. Das wiederum – nämlich die ­Zarafa‑WebRTC‑Webmeetings‑​keine‑Out- wechsels weist das Produkt Zimbra eine Themen Open Source, Datensicherheit look‑Weiterentwicklung‑ab‑MSO‑2015/] überraschende Kontinuität auf. Da die und auch offene Entwicklung – sind die [20] Z-Push: [http://​­z‑push.​­org] großen Kunden der frühen Jahre nicht angestammte Domäne von Kolab. Dessen [21] Yaffas: [http://​­www.​­yaffas.​­org] abgesprungen sind, war es dem Kern- Entwickler und Manager treiben die Soft- [22] Kopano: [http://​­www.​­zarafa.​­com/​ team offensichtlich möglich, auch unter ware stetig voran. Davon konnten sich ­faq‑about‑kopano/] neuen Landlords ganz normal weiterzu- interessierte Groupware-Anwender und [23] Zimbra: [http://​­www.​­zimbra.​­com] arbeiten. Auch aus diesem Grund bildet ‑Entwickler nicht zuletzt auf dem Kolab [24] OSI: [http://​­www.​­opensource.​­org] Zimbra nach wie vor eine Lösung mit Summit 2015 ein Bild machen. (jcb) n [25] Section 508: [http://​­www.​­section508.​­gov]