Standpunkte Online-Magazin 2./3.2019

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Standpunkte Online-Magazin 2./3.2019 Standpunkte Online-Magazin 2./3.2019 Sichtachsen in München DIETER KLEIN Grandiose Perspektiven und verbaute Blicke 2 MATTHIAS CASTORPH Die Sichtachse – eine Papieridee? 5 TER KLAUS BÄUMLER Ä TR S Weitsichtiger Schutz der Weitsicht 8 ETLEV KLAUS BÄUMLER O © D T Vermessung der Umgebung Münchens im 18. Jahrhundert 10 FO Liebe Leserin, lieber Leser, INGRID KRAU Sichtbeziehungen in der Stadt sind unser diesmaliges Schwer- Sichtachsen in München 12 punktthema. Sichtbeziehungen gliedern und strukturieren den KLAUS BÄUMLER städtischen Siedlungskörper, öffnen enge und weite Sichtschnei- Natürliche Panoramen 14 sen, lenken den Blick auf singuläre Orientierungspunkte und rhythmisieren den Blick und den Weg dorthin. Sichtbeziehungen WOLFGANG CZISCH schaffen Wiedererkennung, stellen Sicherheit und Identität für 15 Jahre Bürgerentscheid Hochhäuser in München 18 diejenigen her, die sich durch die Stadt bewegen. Sichtbeziehun- gen wurden in Zeiten feudaler und postfeudaler Stadtbaukunst WOLFGANG CZISCH sorgsam komponiert – in Zeiten eklektizistischer Stadtverdich- Die Münchner Hochhausstudien 23 tung scheinen Sichtbeziehungen nicht höchste Priorität zu haben: Kann München noch Sichtachsen? KLAUS BÄUMLER Klassischer München-Blick Sichtbeziehungen werden nicht nur in die Weite, sondern auch 26 in die Höhe gelenkt. Seit Jahrhunderten tobt der Kampf um die „Stadtkrone“: im Mittelalter ging der Ehrfurcht heischende Blick REINHARD SAJONS hinauf zur herrschaftlichen Burg, meist an Orten loziert, wo man Bewahren und Erhalten von gewachsenen Strukturen 28 dem Wegezoll nicht auskam. Dann erhoben sich die Kirchen- und Domtürme klerikaler und territorialer Macht – mitten in die SUSANN POKORNY Stadt platziert, die als Blickanker und Akustikquellen auch das Erhaltungssatzung – (k)ein zahnloser Tiger 31 Land herum bestrichen. In den absolutistischen Stadtgründun- gen wurde der Blick auf den Sitz des weltlichen Herrschers im MATTHIAS HINTZEN Zentrum gelenkt – exemplarisch hier die Fächerstadt Karlsruhe. Alles in der Schwebe 33 Der Kampf um die Höhe nahm im letzten Jahrhundert Fahrt UDO BÜNNAGEL auf: die Bauten politischer Macht wurden bald übertrumpft von Warum steht der Neubau fürs Museum Biotopia den Zentralen des industriellen Kapitals, übertroffen von den eigentlich in der Kritik 37 Handelsburgen des Warenkapitals und vorläufig besiegt von den hochfahrenen Netzknoten des Finanzkapitals – architektonische MATTHIAS BECK Erektionen, die mit Argumenten ästhetisierender Funktionalität Rahmenplanung Wasserburger Landstraße 40 verbrämt werden, wo es doch um gesellschaftliches Dominanz- gebaren geht. Das Firmenlogo on top – der Gesslerhut des 21. MICHAELA SCHIER Jahrhunderts? Sichtanker der Herrschaftssymbolik. Aktuelles zur Debatte Pro und Contra SEM 42 Weitere Themen in diesem Heft: Zum Umgang mit Erhaltungs- satzungen in München, zum Seilbahnprojekt Frankfurter Ring, ein Debattenbeitrag zum Museum „Biotopia“ im Nymphenburger Arbeitskreise im Februar/März Schloss und vieles mehr. Radio Lora Dieses Themenheft ist die Doppelausgabe der STANDPUNKTE für Februar und März 2019. Wir hoffen wie immer auf eine kriti- Impressum sche Leserschaft und entsprechende Reaktionen. Detlev Sträter, 1. Vorsitzender des Programmausschusses Sichtachsen Sichtachsen in München – grandiose Perspektiven und verbaute Blicke DIETER KLEIN Historische Vorbilder von städtebaulich interessanten Blickachsen führten seit der Antike auf besondere Blickfänge zu, auf Bauwerke oder auf Denkmäler. Im Mittelalter kam ein gewollter „Überraschungseffekt“ dazu, wenn in einer relativ engen Straße der Blick des Betrachters plötzlich auf ein überwältigend hohes Bauwerk geführt wurde, egal ob Schloss-, Rathaus- oder Kirchturm. Die großen Boulevards des 19. Jahrhunderts wurden nicht nur aus städtebaulichen Gründen, sondern auch aus dem Grundgedanken geschaffen, dass in solchen breiten Straßen im Falle von Aufständen die Beseitigung eventueller Barrikaden leichter möglich und weniger aufwendig sei als in engen und verwinkelten Gässchen. n München waren die großen Einfallstraßen immer gig von der Baumasse sein konnten. Dazu gehör- Ischon auf die Frauenkirche als Dominante ausge- ten Kirchtürme, öffentliche Bauten, Verkehrs- und richtet, durch die heutige meist wesentlich höhere Verwaltungsbauten, Theater, Schulen, Bierbraue- Bebauung ist das optisch nur noch an wenigen Stel- reien, Denkmäler. Vom Sendlinger Tor aus gesehen len nachvollziehbar. dominiert der Rathausturm die gleichnamige Send- Die heute noch das Stadtbild prägenden Sichtach- linger Straße, vom Architekten bewusst wirkungsvoll sen entstanden seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, platziert. als Bayern zum Königreich aufgestiegen war. Auch Das Kaiser-Ludwig-Denkmal dominiert nicht nur die Eisenbahnführungen hatten die Wirksamkeit den gleichnamigen Platz im Wiesnviertel, sondern solcher Sichtachsen einkalkuliert, in München ist das bildet einen grandiosen Blickfang gleich von mehre- von der Donnersberger Brücke aus noch nachvoll- ren Straßen aus. ziehbar. Allerdings scheint dort die Bahngleis-beglei- Natürlich werden mehrere bürgerliche „Sichtach- tende Architektur des Arnulfparkes oder auch nach sen“ bewusst als solche wahrgenommen: die Schel- der Friedenheimer Brücke im Bereich des Hirschgar- lingstraße an der Ludwigs-Kirche, der Turm der tens nicht besonders originell. Markuskirche ist vom Friedensengel aus zu sehen, Zu den großen allgemein bekannten Münchner der von St. Margaret vom Sendlinger Tor aus, die „königlichen“ Sichtachsen gehören die Brienner St. Ursula-Kirche dominiert die Friedrichstraße in Straße (optisch beginnend mit dem Hofgartentor, Schwabing. Die Benno-Kirche ist nicht direkt von über den Karolinen- zum Königsplatz mit den Pro- der Nymphenburger Straße, sondern erst nach einer pyläen) und die Ludwigstraße (ab der Feldherrnhalle Biegung der Loristraße zu sehen, die Josephs-Kirche über den Odeonsplatz bis zum Siegestor als opti- prägt die schnurgerade Augustenstraße über den gan- schen Abschluss), die Maximilianstraße (mit Blick zen Verlauf. Die Erlöserkirche wirkt als scheinbarer auf das jenseits der Isar gelegene Maximi- lia-neum), die „innere“ Prinzregentenstra- ße (zwischen Prinz-Carl-Palais und dem Friedensengel). Das von Ludwig II. in den Maximiliansanlagen seines Vaters am Isarhochufer geplante Festspielhaus mit einer Brücke über die Isar wäre ein städ- tebauliches Highlight – wenn es gebaut TER Ä TR worden wäre. S Die Architekten der Vergangenheit ETLEV wussten geeignete stadtbildprägende O © D T Bauwerke oder Denkmäler als optische FO Bezugspunkte anzuvisieren, die unabhän- Abb. 1: Die Mozartstraße mit Blick auf die Bavaria Februar / März 2019 - 2 Endpunkt der Ludwig- und Leopoldstraße – heute der 1950er Jahre nur wenig interessant gestaltet. wird gerade dieses einst harmonische Straßenbild Auch die städtebauliche Wirkung eines anderen durch die ungelenken Hochhäuser in Milbertshofen/ Krankenhauses war ursprünglich geradezu schlos- Freimann beeinträchtigt, obwohl sich diese Bauwer- sartig dominant; heute wird das Klinikum an der ke erst in einigen Kilometern Entfernung erheben. Ziemssenstraße jedoch städtebaulich als Bezug von Sichtachsen kaum noch wahrgenommen. Auch monumentale Wohn- oder Geschäftshäu- ser konnten Sichtachsen prägen, so das Bernheimer- Haus am Lenbachplatz, das in der Achse des Prome- nadeplatzes städtebaulich hervorragend situiert wor- den ist, oder das mit einer Kuppel bekrönte Haus Nr. 23 am Prinzregentenplatz, TER Ä um das der Straßenverlauf TR S eine Verschwenkung macht. ETLEV Der Generallinien-, später O © D T der Staffelbauplan von FO Theodor Fischer aus den Abb. 2: Blick die Ludwigstraße entlang stadtauswärts. Im Hintergrund das Siegestor, rechts davon die Ludwigskirche und links die Highlight Towers. 1890er Jahren prägte das Stadtbild bis in unsere sieb- Als städtebaulich besonders gelungen placierter ziger Jahre. Er war durchdacht und erfüllte höchste Theaterbau ist das Gärtnerplatz-Theater zu erwäh- städtebauliche Ansprüche. Zum Beispiel wurde die nen, zu dem die Reichenbachstraße vom Viktualien- 1895 geplante Bebauung östlich des Siegestores markt aus führt. Der Prinzregentenplatz als „beson- verhindert, die derart monumental ausgefallen wäre, deres Raumerlebnis“ mit scheinbar abgeschlossenen dass die Stadtväter um die städtebauliche Wirkung Platzwänden wird erst ab dem Prinzregententheater von Gärtners Torbau fürchteten. Gebaut werden als solches erlebbar. Der alte Ostbahnhof stand ge- durfte dort schließlich nur in wesentlich reduziertem nau in der Achse der Wörthstraße, Mittelpunkt einer Umfang – immer noch sehr mächtig. Vom heutigen Dreistrahl-Anlage am Orleansplatz mit Weißenbur- Standpunkt aus gesehen fast bedauerlich, weil diese ger- und der nur kurzen Belfortstraße. Hier wurden Bauten ebenso großstädtisch-elegant wie originell die Gestaltungsprinzipien des barocken Städtebaus geworden wären. ins Bürgerliche transferiert, anstelle eines Schlos- Anders als beim aktuellen Neubau des Hotels Kö- ses befand sich eben der Bahnhof im Zentrum des nigshof, der den Justizpalast mit banaler Massigkeit sternförmig angelegten Straßenrasters. Der heuti- zu übertrumpfen versuchen wird. Die Blickachse ge Nachfolgebau kann diese Aufgabe nicht mehr von der Neuhauser Straße durch das Karlstor war vor erfüllen. Als Inspiration zu dieser Planung darf das dem Krieg von der beeindruckenden, figural bemal- Schloß Nymphenburg gelten, wo der Dreistrahl vom ten Fassade des Hotels mit einer mächtigen Doppel- Schlosskanal sowie von der Hirschgartenallee und giebel-Fassade geprägt. Die Nachkriegsveränderun-
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