4 / INHALT / 50 JAHRE -BUNDESLIGA

Inhalt

06 08 14 82 92 Editorial Impressionen Chronik Feldhandball 50 Stars

50 Jahre Nur sieben Jahre Aus 50 Jahren Handball- Handball- Bundesliga Bundesliga

184 192 200 210 218 Super Cup All Star Jugend- Botschafter Medien Game zertifikat

Prestigeduell Das Beste Das HBL- Botschafter Auf allen und traditionelle vom Besten Jugendzertifikat der Bundesliga Kanälen: Saisoneröffnung als Zündstufe Der Handball des deutschen und die Medien Erfolgs 50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA / INHALT / 5

114 130 146 160 170 Trainer Manager & Schieds- 2. Handball- DHB-Pokal Präsidenten richter Bundesliga

Strategen des Von Machern, Motoren und Erfolgreich gegen Erst Pflicht, Spiels Mäzenen und Pioniere alle Widerstände dann Mega-Event Moneten

232 246 252 328 344 Interview Soziales Meister Statistik Impressum Engagement und Klubs

Wir haben mit Deckarms Porträts aller · Abschlusstabelle Autoren Abstand die Unfall: Die Liga Meister und · Ewige Tabelle stärkste Liga übernimmt Klubs · Torschützenkönige der Welt – kein soziale · Torschützenliste Grund, sich aus- Verantwortung · Die meisten zuruhen! Bundesligaspiele · Die ewige Tabelle der 2. Liga · Die Ehrentafel der Meister 50 Jahre Bundesliga: Die Chronik 50 Jahre Bundesliga: Die Chronik Erster Bundesligaspieltag 15. Oktober 1966

Vom Spätstarter zur stärksten Liga der Welt

Die Gründung der Auf die Bundesliga gab’s ein Bier. Ein schönes Pils garantierte der Ort, an dem die gut Bundesliga erfolgte spät, 30 Funktionäre aus dem erweiterten Vorstand des Deutschen Handballbundes (DHB) am nämlich erst im Jahr 1966. 4. September 1965 für den Herbst 1966 die Einführung einer zweigleisigen Bundesliga Nachdem die Rakete gezün- beschlossen: Getagt wurde im Saal der Union-Brauerei an Dortmunds Hohem Wall. Debattiert det war, war die Liga rasch wurde in dieser Sitzung nicht mehr viel. Die Technische Kommission (TK) des DHB unter Frie- sportlich, ökonomisch und del Bäcker (Dortmund) hatte in den Wochen zuvor viel Vorarbeit für die Modernisierung des medial Motor für den gesamten Spielsystems geleistet. Den Männern war bewusst, dass sie Handballgeschichte schrieben. deutschen Handball. Die Grün- „Der 4. September 1965, d. h. seine Vormittagsstunden von 9:30 bis 12:30 Uhr, wird der- dung der Handball-Bundesliga GmbH im Jahr 2003 war ein einst in der Geschichte des deutschen als ein Markstein verzeichnet stehen“, hieß weiterer Meilenstein in der es im Fachorgan „Deutsche Handballwoche“. Die gleiche Rhetorik verlautete im April 1966, Entwicklung des Profihand- als der DHB-Bundestag in Dortmund den Beschluss formal bestätigte. Die Bundesligagrün- balls. Die Chronik einer dung war zweifellos eine Zäsur. Denn damit verabschiedete sich der Klubhandball von dem Erfolgsgeschichte. seit 1950 bestehenden Meisterschaftssystem, in dem die jeweiligen Meister der Oberligen in K.-o.-Runden zunächst die Teilnehmer der Endrunde ermittelt hatten.

In diesen Endrunden-Turnieren, an denen meist sechs Teams teilnahmen, wurden die Partien in 2x10 oder 2x15 Minuten ausgespielt, weshalb stets eine gute Tagesform und auch etwas Glück vonnöten war, um die Deutsche Meisterschaft im Hallenhandball zu erringen (erst Mitte der 1960er Jahre wurden die Spielzeiten verlängert). Das neue Spielsystem, in dem die beiden Staffelmeister in einem Endspiel über 60 Minuten den Titelträger ausspielten, war sportlich weitaus gerechter, weil es die Leistungen der Mannschaften über ein ganzes Jahr reflektierte. Als Pioniertat konnte der DHB, mit seinerzeit 300.000 Mitgliedern bereits damals der stärkste Verband im Weltverband IHF, die Liga freilich nicht feiern. Ähnlich wie im Fußball, der erst 1963 die Bundesliga installiert hatte, hinkten die Deutschen im internationalen Ver- gleich hinterher. „Was bei uns jetzt als Fortschritt gepriesen wird, ist in den meisten Ländern Europas schon seit Jahren eine Selbstverständlichkeit“, stellte die „Deutsche Handballwo- che“ lakonisch fest. „In Skandinavien, Frankreich, Spanien, der Schweiz und auf dem Balkan wird seit Jahren, meist schon seit Jahrzehnten, in übergeordneten Klassen Hallenhandball gespielt. Wir ziehen sozusagen nach.“ Wohl wahr. In Schweden spielte man seit 1934 eine nationale Liga aus. Im Fußball hatten insbesondere steuerliche Probleme die Gründung der Eliteklasse verzögert – wenn dort offiziell Profis aufgelaufen wären, hätte das die Gemein- nützigkeit aller Klubs in Frage gestellt. Im Handball lag der Fall anders. Hier konzentrierten sich die DHB-Funktionäre zu lange auf den Feldhandball, den die deutschen Handballer dominierten. Sie mochten das Feldspiel „nicht aufgeben“, wusste das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zu berichten.

Die Oberliga „jenseits der Zonengrenze“ („Deutsche Handballwoche“) startete aus den glei- chen Gründen erst 1966. Im Ausland, insbesondere in Skandinavien und in den Ländern des Ostblocks, hatte sich das Spiel jedoch längst in die Halle oder auf das Kleinfeld im Freien verlagert. „Es verlangte eine völlig neue Taktik und eine veränderte Spielweise, bot jedoch den Zuschauern mehr Tempo und Spannung. Sogar in Kamerun und an der Elfenbeinküs- te, in Japan, China und Korea setzte sich das Kleinfeldspiel durch. Die Deutschen führten

16 / GESCHICHTE / 50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA Der VfL Gummersbach wird mit dem 17:13 gegen Dukla Prag als erster Bundesligist Europapokal- sieger 28. April 1967

links: Programmheft zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft 1950 in Berlin, Mitte: Antrag zur Handball- Bundesliga beim DHB-Bundestag 1966, rechts: Eintrittskarte für den ersten Bundesliga-Spieltag am 15. Oktober 1966

deshalb das Hallenspiel zusätzlich ein, weil sie international nicht ins Abseits geraten wollten.“ Der Sinneswandel setzte in den DHB-Gremien erst ein, als der Leidensdruck zunahm. Bei den Hallen-Weltmeisterschaften 1961 und 1964 war der sportliche Abstand der DHB-Aus- wahl zu den führenden Nationen wie Rumänien oder Schweden offenkundig. Als Grund dafür wurde die mangelhafte Vorbereitung auf die WM-Championate angeführt. Weil die Natio- nalspieler damals rund 60 Pflichtspiele in der Halle und auf dem Feld zu absolvieren hatten, konnten sie, klagte „Der Spiegel“, „kaum noch auf Länderspiele vorbereitet werden“.

Deswegen gab der DHB-Vorstand mit der zweigleisigen „Elite-Division“ auch „die Gewinnung von Terminen für Länderspiele und Lehrgänge“ als Grund an. Und so wurde Bundestrainer Werner Vick in Dortmund von der Deutschen Handballwoche als eigentlicher „Sieger des Tages“ gefeiert. „Gibt ihm doch die Konzentration der spielstärksten deutschen Handball- vereine in einer Bundesliga die Handhabe, dank gewonnener Termine für Länderspiele und Lehrgänge auf höherer Ebene seine Truppe öfter und intensiver zu schulen und so zu der Einheit zu verschmelzen, die den DHB wirklich ehrenvoll zu repräsentieren vermag.“ Vick sagte: „Nur die Bundesliga ermöglicht wieder eine starke Nationalmannschaft.“ Für die WM 1967 in Schweden aber, schwante den Beobachtern, würde sich die Konzentration wohl noch nicht auswirken. Aus den Skandalen im Fußball, als sich der Deutsche Fußball-Bund kurzerhand über seine eigenen Regeln zur Nominierung der 16 Gründungsklubs hinwegge- setzt hatte, hatten die Handballfunktionäre ihre Lehren gezogen. Der Qualifikationsmodus

50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA / GESCHICHTE / 17 Erste Tagung der Bundesligavereine in Herbert Lübking (Dankersen) Frankfurt, um die Interessen gegenüber erzielt gegen Hildesheim (39:18) dem DHB zu formulieren 20 Tore 24. Februar 11. Januar 1968 1969

für die je acht Plätze in der Nord- und Südstaffel war so schlicht wie hart. Die besten Mann- schaften aus dem Westen (vier Plätze) und aus dem Norden (vier Plätze) der Serie 1965/66 bildeten ab Oktober 1966 die Nordstaffel. Auch für die Südstaffel, die ihre Teams aus dem Süden (vier Plätze), dem Südwesten (drei Plätze) und aus Berlin (ein Platz) rekrutierte, galt allein die Saison 1965/66. Historische Meriten spielten keine Rolle. Das führte, weil es in den Endrundenpartien zu sensationellen Resultaten kam, zu einer aberwitzigen Konstellation für die erste Spielzeit: Der VfL Gummersbach als Titelverteidiger war der einzige Klub unter den 16 Gründungsmitgliedern, der einen Hallentitel auf dem Briefpapier verzeichnen konnte. Der dreifache Meister THW Kiel etwa war in den entscheidenden Partien am krassen Außensei- ter SV St. Georg Hamburg gescheitert (11:18 und 11:6). Die Ära des Rekordmeisters PSV Hamburg war bereits beendet. Und die traditionsreichste Mannschaft des deutschen Hal- lenhandballs, FRISCH AUF! Göppingen, fehlte ebenso in der neuen Liga wie der zweimalige Titelträger Berliner SV 1892.

„Anfang ohne Tradition?“, titelte daher bang die „Deutsche Handballwoche“ und hielt, wenn auch eher halbherzig, „ein Plädoyer für FRISCH AUF! Göppingen“. Doch eine Lex Göppingen gab es nicht. Erst in der folgenden Saison stiegen mit dem THW und FAG die publikumsträchtigen Klubs in die Eliteliga auf, während die krassen Außenseiter SV St. Georg Hamburg und der TSV 1861 Zirndorf wieder (und wohl für immer) in den Niederungen des Handballs verschwanden. Vor dem Start in die neue Spielklasse hielt sich die Euphorie des- halb ziemlich in Grenzen. Die Liga startete „begleitet von allen guten Hoffnungen, manchen Diskussionen und einigen Zweifeln“, so war im Oktober 1966 in der Deutschen Handball- woche zu lesen. Das erste Tor im Süden erzielte Josef Hutter vom TV Hochdorf in der ers- ten Minute beim 14:11-Sieg gegen die Reinickendorfer Füchse, am 15. Oktober 1966. Im Norden wurde diese Ehre Herbert Lübking zuteil, der beim 18:18-Remis von Grün-Weiß Dankersen beim PSV Hannover als Erster traf.

Die Formierungsphase Die Zeit der zweigleisigen Bundesliga 1966 bis 1977

Alle leisen Zweifel an dem neuen System waren bald wie weggeblasen. Nicht nur medial war der Erfolg der zweigleisigen Bundesliga schon im ersten Jahr offenkundig (siehe Kapitel „Medien“). Auch hinsichtlich der Zuschauerentwicklung und der Infrastruktur erwies sich die neue Liga am Ende der 1960er Jahre als starker Motor. Die Nachfrage wuchs kräftig. Das Zuschauerinteresse stieg derart, dass Klubs wie Solingen 98 oder der VfL Gummersbach, die über Hallen mit nur geringen Kapazitäten verfügten, schon 1967 für einige Heimspiele in die rund 7.000 Fans fassende Sporthalle nach Köln auswichen. An anderen Standorten war der Andrang so groß, dass die Kommunen neue Hallen finanzierten. Die Hohenstaufenhalle in Göppingen, die im Herbst 1967 eröffnet wurde, nahm rund 3.000 Fans auf. Und es war auch der neuen Handball-Bundesliga geschuldet, dass die Hansestadt Hamburg mit der Alsterdorfer Sporthalle im November 1968 eine geeignete Spielstätte für die Handballer des

Cover „Deutsche Handballwoche“ vom ersten Bundesligaspieltag

18 / GESCHICHTE / 50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA Bundesliga-Arbeitsgemeinschaft fordert vom DHB paritätische Hallenhandball feiert Aufteilung der TV-Gelder in München olympische Premiere 12. Juni 26. August – 11. September 1971 1972

Hamburger SV zur Verfügung stellte (der HSV hatte zuvor, weil die ursprüngliche Heimhalle Hansi Schmidt (Gummersbach) trifft im in der Ritterstraße zu klein und dunkel war, nach Harburg ausweichen müssen). Es war kein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1967 gegen den TV Hochdorf Zufall, dass diese Halle, die rund 4.000 Zuschauern Platz bot, am 16. November 1968 mit einem Handball-Länderspiel gegen Schweden festlich eröffnet wurde. Auf die Tickets für die Endspiele um die Deutschen Meisterschaften gab es geradezu einen Run. Vor dem Finale 1969 in Dortmund hätte der VfL Gummersbach allein 15.000 Karten verkaufen können, be- hauptete VfL-Manager Eugen Haas damals.

Als die Bundesliga im Oktober 1971 ihren fünften Geburtstag feierte, attestierte der Sport-in- formationsdienst (sid) dem deutschen Hallenhandball gar eine „Hochkonjunktur“. Im sid-Kom- mentar „Am Drehkreuz ist oft Endstation“ wurden die meisten Hallen der Bundesligisten als zu klein bewertet. Selbst die Kieler Ostseehalle, die damals 7.200 Fans aufnehmen konnte, sei oft ausverkauft. „Man muss sich allen Ernstes fragen, wohin diese Handball-Begeisterung führen wird, eine Begeisterung, die offensichtlich bald Hallen mit Kapazitäten von 10.000 bis 20.000 Zuschauern erfordert“, fragte die Sportnachrichtenagentur. Angesichts des bevorste- henden olympischen Turniers 1972 in München müsse man „in neuen Dimensionen für die Hallenneubauten denken“.

Bundesliga lockt ausländische Stars Mit der größeren wirtschaftlichen Zugkraft wurde die Bundesliga für ausländische Spit- zenkräfte attraktiver. Speziell jugoslawische Stars boten den Bundesligaklubs oder den Aufstiegsaspiranten ihre Dienste an, obwohl sie wegen des Amateurparagrafen offiziell kein Geld verdienen durften (weshalb sie als „Sportlehrer“ oder „Sportstudent“ bezeichnet wurden).

50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA / GESCHICHTE / 19 Botschafter

Ideale HBL-Botschafter auf und neben dem Parkett: die Handball-Europameister 2016 50 JAHRE HANDBALL-BUNDESLIGA / BOTSCHAFTER / 211

Botschafter der Bundesliga

Der emotionale Höhepunkt in Krakau, jenes glorreiche EM-Endspiel am 31. Januar 2016 Spieler, Trainer und Klubs gegen Spanien, stand den jungen Handballern noch bevor, als sie eine Nachricht erreichte. fungieren seit 50 Jahren als Der Absender: Joachim Löw. Mit welcher Entschlossenheit die dezimierte Mannschaft allen Repräsentanten der Hand- Widrigkeiten getrotzt und durch den großen Teamgeist eine Euphorie in der Heimat ausge- ball-Bundesliga. Sie transpor- löst hatte, imponierte dem Fußball-Bundestrainer. Die jungen Spieler des Kollegen Dagur tieren nicht nur mit sportlichen Sigurdsson, befand Löw, wären „tolle Botschafter für Deutschland“. Leistungen das Image der besten Liga der Welt. Sondern auch mit seriösen Auftritten Die Rezeption des Triumphes in den internationalen Medien fiel sehr unterschiedlich aus. abseits des Platzes. Insbesondere Torwart wurde nach dem EM-Triumph in Schlagzeilen gefeiert. Dieser Torwart sei eine „schwarze Bestie des spanischen Handballs“, urteilte die spanische Zeitung Superdeporte, Schwedens Dagens Nyheter nannte den Torwart ein „Gespenst“. „Eine Abwehr aus Stahl“ hatte die französische Sportzeitung L’Equipe gesehen, Le Figaro bezeichnete die Verteidigung als „Wand“. Die spanische Tageszeitung El País sah im deut- schen Team eine „Herde von Bisons“, das isländische Dagblaðið Vísir schließlich rühmte die Fähigkeiten des „Wundertrainers“ Dagur Sigurdsson.

In allen Schlagzeilen spiegelte sich einhellig große Bewunderung für eine beeindruckende Leistung. Der triumphale Erfolg der EURO 2016 in Polen schuf jedenfalls unvermittelt neue Galionsfiguren des deutschen Handballs. Profis wie Andreas Wolff, , , und werden in den nächsten Jahren die Gesichter des deutschen Handballs sein. So wie 1978 große Persönlichkeiten wie Heiner Brand, Joachim Deckarm, Kurt Klühspies oder Manfred Hofmann den WM-Titel in Kopenhagen personifizier- ten. Oder Stars wie Christian Schwarzer, , Stefan Kretzschmar, oder den EM-Titel 2004 oder den WM-Triumph 2007 verkörperten, zum Teil sogar für beide Erfolge stehen.

Alle diese Handballer wirkten und wirken mit den großen sportlichen Erfolgen als Reprä- sentanten nicht nur für den deutschen Handball, sondern auch für ihre Vereine der HBL, für den THW Kiel oder die Rhein-Neckar Löwen, für die HSG Wetzlar oder die HBW Balingen- Weilstetten, für den TBV Lemgo oder den VfL Gummersbach. Und sie modellieren, ob sie wollen oder nicht, auch das Image des deutschen Handballs im Ausland.

Japanisches Plakat für die Tournee des Handballer auf Welttournee THW Kiel 1972 Schon seit den 1960er Jahren mehrten Klubs, Spieler und Trainer mit ihren Auftritten auf und abseits des Handballfeldes den tadellosen Ruf der Bundesliga. „Man kann keinen besseren Repräsentanten ins Ausland schicken“, schwärmte DHB-Präsident Otto Seeber, bevor der neue Meister VfL Gummersbach im März 1969 eine Tournee nach Nordamerika startete, um in Island, danach in Kanada und den USA für die Sportart zu werben.

Hansi Schmidt, Klaus Brand & Co. spielten nicht nur in Reykjavik, Toronto oder New York vor. Zwei Jahre später, im Juni 1971, freuten sich die deutschen Diplomaten zudem über die ausnehmend guten Manieren des frischgebackenen Europapokalsie-

Ideale HBL-Botschafter auf und neben dem Parkett: die Handball-Europameister 2016 Wüstentrip: 1986 nahm der gers in Japan. „Das untadelige Auftreten in der Öffentlichkeit, auf dem Spielfeld und bei VfL Gummersbach eine Einladung Empfängen wurde uns beim Abflug nicht nur vom japanischen Handballverband, sondern nach Jeddah (Saudi-Arabien) an auch von Vertretern der deutschen Botschaft bescheinigt“, berichtete VfL-Vorstand Herbert Glodde nach der Auslandsreise. „Wir haben den deutschen Handballsport auch in Japan würdig vertreten.“

Der VfL Gummersbach als ein wichtiges Aushängeschild des deutschen Handballs erhielt zahlreiche weitere Einladungen aus dem Ausland. Ausgesprochen lukrativ war in der Saison 1985/86 der Trip nach Saudi-Arabien, als die Blau-Weißen in Jeddah spielten (Der erste deutsche Handballer am Roten Meer war indes Richard Boszkowski, der Weltmeister von 1978. Der Kreisläufer unterschrieb einen Dreijahresvertrag in Dschidda.). Zahlreiche andere Vereine der Handball-Bundesliga warben mit ihren Auslandsreisen für die Bundesliga und damit für den gesamten deutschen Handballsport. So flog der THW Kiel im März 1972 über Empfang beim Innenminster: Anchorage (Alaska) nach Japan und trug einige Freundschaftsspiele in Tokio, Nagoya und Friedrich Zimmermann verleiht dem VfL Gummersbach 1983 Osaka aus. 1979 spendierte der Melitta-Konzern dem Pokalsieger Grün-Weiß Dankersen das Silberne Lorbeerblatt 1983 einen Trip nach Brasilien, bei dem ebenfalls Freundschaftsspiele ausgetragen wurden. „In Porto Alegre haben wir kurzfristig ein Fußballspiel ausgetragen, weil der Gegner gar kein Handball spielen konnte“, berichtet der damalige Trainer Horst Bredemeier. Und als Trainer von TuRu Düsseldorf reiste Bredemeier im Sommer 1987 nach Argentinien, auf Einladung des argentinischen Handballverbandes und des Vereins River Plate. Den Titel des „Ameri- ka-Meisters“ aber schnappte ihnen der THW Kiel weg, der mit Stars wie Frank Dahmke, Michael „Pumpe“ Krieter und Fynn Holpert ebenfalls über den großen Teich geflogen war. „Das war wunderbar“, lobte der argentinische Verbandspräsident Robert Unzner den Aufritt der beiden Bundesligisten.

Werbung für den Handball Die Bundesligaklubs unternehmen bis heute Trips zu exotischen Zielen. So flog der TBV Lemgo im Jahr 2007 nach China, um sich potenziellen Sponsoren zu präsentieren, begleitet von HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, der Ausschau nach neuen Märkten hielt. Mit vier Partien gegen die chinesische Nationalmannschaft, die in Shanghai, Zhangjiagang, Danyang und Peking stattfanden, warb der TBV Lemgo für die HBL. Ein Jahr später absolvierte der THW Kiel sein Auftakttrainingslager für die Rekordsaison 2011/12 auf La Réunion, der traum- haften Insel im Indischen Ozean. Eingeladen dazu hatte – auf Vermittlung des Réunionesen und THW-Profis – die Tourismusbehörde des Eilandes. Auch hier zählte ein Empfang beim Bürgermeister in der Hauptstadt Saint-Denis zum obligatorischen Programm, und auch hier wurden die Handballer des THW Kiel von den Fans und Honoratioren gefeiert.

Der letzte Versuch, den Handball in den Vereinigten Staaten zu präsentieren, ging im Wesent- lichen auf die Initiative des im Juli 2016 verstorbenen HBL-Präsidiumsmitglieds Ralf Uhding zurück. Der Fredenbecker Geschäftsmann organisierte gemeinsam mit US-Handballpräsi- dent Horst-Dieter Esch am 17. Juli 2010 den „Battle of Chicago“, ein Länderspiel zwischen Polen und Deutschland. Uhding und Esch betrachteten dieses Länderspiel, das vor 9.000 Fans im UCI-Pavillon stattfand, als Investment in den „größten und lukrativsten Sportmarkt“, obgleich allen bewusst ist, dass die Entwicklung des Handballs in Nordamerika sich als lan- ger und steiniger Weg darstellt. Auch in Chicago aber wurde der Auftritt von Stars wie , , Steffen Weinhold und Weltmeistertrainer Heiner Brand von den Gastgebern über alle Maßen gelobt.

Gefragt im Ausland waren stets die Trainer, die in der Bundesliga Erfahrungen und Lorbee- ren gesammelt hatten. So trainierte Klaus-Dieter Schuster, der Borussia Neunkirchen in der Bundesliga Süd betreut hatte, die Nationalteams von Marokko und Luxemburg. Gum- mersbachs Erfolgscoach Dr. Horst Dreischang erhielt 1971 ein Angebot aus Kanada, um die Ahornblätter auf das olympische Turnier 1976 in Montreal vorzubereiten. Uli Weiler, der beim RSV Mülheim in der Bundesliga aktiv gewesen war, coachte in den 1980er Jahren katarische Gute Aussichten auf dem Sears Tower: Auswahlmannnschaften. Der Ex-Gummersbacher Helmut Kosmehl arbeitete vor dem olym- Matti Flohr (HSV), Christian Schöne pischen Turnier 1988 in Südkorea. Jörn-Uwe Lommel betreute jahrelang die ägyptische Natio- (Göppingen), (Berlin), Jacob Heinl (Flensburg), Oliver Rog- nalmannschaft, Sead Hasanefendic erreichte mit Tunesien bei der WM 2005 den vierten Platz. gisch, Uwe Gensheimer (beide Löwen) Noka Serdarusic, der elf Meistertitel mit dem THW Kiel feierte, ist heute als Trainer für Paris Saint- und Steffen Weinhold (Großwallstadt) Germain verantwortlich. Und das sind nur die prominentesten Beispiele aus dem Trainergeschäft. repräsentierten die Liga beim „Battle of Chicago“ im Juli 2010 Legionäre in der Bundesliga Es sind aber insbesondere die europäischen Wettbewerbe, in denen deutsche Klubs mit ihren anhaltend starken sportlichen Leistungen und seriösen und sympathischen Auftritten auch abseits des Handballfeldes kontinuierlich für die Bundesliga und den deutschen Hand- ball werben. Teams wie der VfL Gummersbach, TV Großwallstadt, TUSEM Essen, SC Mag- deburg, THW Kiel oder die SG Flensburg-Handewitt stärken und schärfen seit Jahrzehnten die Marke „Handball-Bundesliga“. „In den neunziger Jahren war es noch üblich, dass der Gastgeber ein Bankett ausrichtete, und als Gast wurde man von Touristenführern durch die Städte geführt“, erzählt Flensburgs früherer Manager Manfred Werner. Damals sei die gegen- seitige Neugierde größer gewesen als heute, so das HBL-Ehrenmitglied. Die jetzige Terminflut stehe intensiveren Kontakten inzwischen im Wege.

Nicht zu vergessen sind die zahlreichen ausländischen Legionäre, die im Trikot ihrer Arbeit- geber in ihrer jeweiligen Heimat für die Bundesliga warben und werben. In den 1960er und 1970er Jahren waren es vornehmlich Profis aus Jugoslawien, die in der Bundesliga gutes Geld verdienten. Heute spielen Dänen, Schweden, Norweger, Portugiesen, Spanier, Fran- zosen, Esten, Russen, Griechen, Tschechen, Österreicher, Ungarn und auch Nordafrikaner in der HBL. Und wenn 27 von 45 Medaillengewinnern im olympischen Handballturnier 2012 in in der HBL spielten (oder zuvor gespielt hatten), mit Olympiasiegern wie oder Daniel Narcisse an der Spitze, dann prägen auch diese Profis das Bild der HBL im Ausland. Große Handballer wie Filip Jicha, Matthias Andersson, Lasse Svan Hansen, oder Igor Vori warben oder werben mit Titeln in der Champions League ebenfalls für die Marke HBL. Auch sie fungieren damit als Botschafter für die stärkste Liga in der Welt des Handballs. Trainingslager im Indischen Ozean: Der Rekordmeister THW Kiel reiste im Juli 2011 nach La Réunion und verband die Arbeit (Konditionslauf, oben) mit dem Angenehmen (Ausflug zum berühmten Talkessel Mafate, unten)