„Mich Interessiert Nur Meine Sicht Der Dinge“ Der Filmregisseur Romuald Karmakar
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1 DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 02.07.2013 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 – 20.00 Uhr „Mich interessiert nur meine Sicht der Dinge“ Der Filmregisseur Romuald Karmakar Von Aishe Malekshahi Co-Produktion WDR/BR/DLF/SWR URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. - Unkorrigiertes Manuskript - 2 Atmo O-Ton Romuald Karmakar (Flughafen): „Ich glaube - so über die Jahre hinweg - wären fast gar keine meiner Projekte entstanden, wenn ich immer darauf geachtet hätte, was irgendjemand meint und sagt und glaubt und mir empfiehlt.“ Musik / Akzent O-Ton: Romuald Karmakar „Als wir angefangen haben, unsere Super 8 Kamera gekauft haben, wir wollten auf jeden Fall harte Filme drehen. Es war für uns ganz klar, dass wir gesagt haben, wir machen harte Underground-Filme und es musste alles echt sein. Das war unser Anspruch, dass es eine Echtheit hat. Wenn ein Mann mit einer Frau schläft, dann muss die Penetration im Film gezeigt werden. Das war der Anspruch radikale und harte Filme zu drehen.“ Ansage: „Mich interessiert nur meine Sicht der Dinge“ Der Filmregisseur Romuald Karmakar Ein Feature von Aishe Malekshahi Atmo / O-Ton: Pressekonferenz Berlinale, 2004 [Moderator Josef Schnelle:] Hallo, ich darf Sie begrüßen zur Pressekonferenz des Films „Die lange Nacht singt ihre Lieder.“ – [Romuald Karmakar:] Schon falsch, schon falsch! – [JS:]„Die Nacht singt ihre Lieder.“ Nicht die lange Nacht. „Die Nacht singt ihre Lieder.“ Dem ersten deutschen Beitrag im diesjährigen Berlinale Programm. Ich darf zunächst einmal vorstellen, wer auf dem Podium sitzt, direkt neben mir, der Regisseur des Films „Die Nacht singt ihre Lieder“, Romuald Karmakar. – [RK:] Ich bin auch der Produzent. Das ist nicht unwichtig. Entschuldigung. Wir sind gut vorbereitet, Sie müssen auch gut vorbereitet sein.“ O-Ton: Romuald Karmakar: „Es gab so eine Zeit – das war 1988 als zum ersten Mal ein Film von mir auf der Berlinale lief, wo ich im Anschluss daran, immer sehr gerne auf Filmfestivals gefahren bin, weil ich es toll fand. Es war so meine Art Filmhochschule. Ich bin mit irgendeinem Kurzfilm nach Barcelona eingeladen worden und habe den Produzenten der Filme von John Cassavetes 3 kennengelernt, so habe ich die Filme von John Cassavetes kennengelernt. Das war eine sehr interessante Zeit. Das habe ich nach „Totmacher“ aufgehört. Nach Totmacher hat sich das für mich erschöpft, diese Reiserei und der Besuch der Festivals.“ Autorin: „Der Totmacher“, die Geschichte des Massenmörders Fritz Haarmann, der 1924 in Hannover verhaftet wird, ist Karmakars Durchbruch und spielt in einem Verhörzimmer. „Das Frankfurter Kreuz“ heißt ein Ladenkiosk, der zur Menschenbühne wird. „Manila“ erzählt von deutschen Ferntouristen, die im Transitraum des Flughafens warten müssen. Die Filme des Regisseurs Romuald Karmakar sind Kammerspiele. Fast immer konzentriert auf einen Raum: Auch das Drama „Die Nacht singt ihre Lieder“ bleibt in einer Berliner Wohnung, erfasst so die Einsamkeit eines jungen Paares an seinem letzten gemeinsamen Abend. Dieser Spielfilm lief im Wettbewerb der Berlinale, 2004. Atmo O-Ton: Pressekonferenz Berlinale, 2004 [Der Journalist Rüdiger Suchsland:] Darf ich mal eine Frage stellen. Ich finde es traurig, dass einige Kollegen sich nicht auf einen Film einlassen können, der ihrer Erfahrung widerspricht. Ich möchte auf diesen Film zurückkommen. Und erst eine Frage stellen an den Regisseur: Wie verhält sich das Stück zu dem, was wir als Sprache in dem Film gesehen und gehört haben? Und aus welchen Kriterien haben Sie aus dem Theaterstück einen Kinofilm gedreht? - [R. Karmakar:] Ich möchte das ganz kurz am Beispiel der Eröffnung des Filmes darstellen. Der Film beginnt in Weiß, – parallel dazu läuft die Musik - als nächstes erkennen wir die Silhouette einer Frau, wir erkennen Anne Ratte-Polle, die sich umdreht, die durch die Tür rein kommt, hinter dem Vorhang, dem gleißenden Licht, erscheint. Sie kommt auf uns zu, wir erkennen sie zum ersten Mal voll, wir fahren vor ihr her, durch das Schlafzimmer, sie sagt, „ich halte das nicht mehr aus“, zu sich selbst, (...) dann sagt sie, „nein, ich schaffe das nicht“, zu sich selbst, gleichzeitig zu einem Zweiten. Dann kommt der dritte Satz, „wir können so nicht weiterleben“ (...) Wir wissen noch nicht zu wem sie es sagt. Die Kamera fährt weiter, während sie auf uns zugeht. Die Kamera fährt durch das Wohnzimmer. Wir erkennen, dass Frank Giering auf dem Sofa liegt. Wir wissen, dass es die zweite Person ist. Das ist eine einzige Darstellung. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie beschäftigen sich mit Film. Wenn Sie das nicht als Kino erkennen, 4 dann haben Sie keine Ahnung vom Theater.“ Musik / Akzent O-Ton: Manfred Zapatka „Ich glaube, seine Absicht ist der besondere Blick: Wo ist Lüge? Wo ist Wahrheit? Wo ist Verstellung, wo ist Offenheit? Wo will man etwas verschweigen, wo will man etwas nicht sagen?!“ Autorin: Der Schauspieler Manfred Zapatka war – bis auf den „Totmacher“ – in fast allen Spielfilmen von Romuald Karmakar zu sehen. Seine Rollen: einsamer Wolf, sexhungriger Monteur, wortkarger Vater. O-Ton: Manfred Zapatka „Das ist sein besonderer Blick auf eine Gesellschaft – den eigentlich mehr haben sollten. Das ist eine ganz spezielle Art auf Leute zu gucken, auf Verhältnisse zu sehen, ja!“ Musik Autorin: Das Jahr 2012 war Romuald Karmakars Jahr! Fast zeitgleich kamen die Einladungen nach Harvard und nach Venedig! Die renommierte amerikanische Universität lockte mit einem Forschungsstipendium, Venedig mit einer Ausstellung im Deutschen Pavillon auf der 55. Kunstbiennale. Karmakar sagt zu beidem ja! O-Ton: Romuald Karmakar (Radcliffe) „Man überlegt, was passiert da? Weil, 2010, 2011, hatte ich ja überlegt aufzuhören – das hatte mit der Retro im österreichischen Filmmuseum zu tun gehabt, dann waren wir eingeladen nach Südkorea – das waren so tolle Höhepunkte, aber das war auch gleichzeitig die Vergegenwärtigung dessen – was man die ganzen 20, 25 Jahre davor gemacht hat.“ Atmo-O-Ton: Pressekonferenz Berlinale. Karmakar: „Es kann nicht mehr sein, dass wir 200 Jahre nach Kant, dass wir immer noch nicht mit den Grundwerten der Aufklärung im reinen sind. Auch im Kino ist es wichtig, dass es mündige Zuschauer gibt. Auch mündige Journalisten, die fähig sind, ihrem eigenen Urteil 5 zu trauen. Die fähig sind und auch Mut haben, ihrem eigenen Urteil und ihrer eigenen Urteilsfähigkeit zu folgen.“ O-Ton: Romuald Karmakar (Radcliffe): „2010 war auch die Überlegung, ob man die Lust und Energie hat noch mal 20-25 Jahre zu geben. Noch mal ins Zeug zu legen, die ganzen Widerstände beiseite zu räumen, zu überleben, zu kämpfen - so war das“. Atmo – O-Ton: Pressekonferenz Berlinale. Romuald Karmakar: „Wir sind es gewohnt, dass wir alles vorgegeben haben wollen. Dass wir Filme haben wollen, die so viel Musik haben, dass wir gar keine eigene Emotion zulassen will, weil das alles, alles, alles abgenommen werden soll. Und ich denke, dass ist nicht das, was Kino kann. Kino kann viel mehr. Kino kann dem Zuschauer, natürlich auch dem Journalisten, die Möglichkeit geben, eigene Dinge zu entdecken, eigene Bilder zu lesen. Nur das gegenwärtige Kino... Ich will jetzt auch nichts gegen das amerikanische Kino sagen, weil ich sehr viel amerikanisches Kino sehe. Es nur so, dass wir immer mehr, beim Lösen einer Kinokarte, auch unser eigenes Selbst abgeben. Und im Grunde genommen bevormundet werden wollen, die ganzen 90 oder 120 Minuten lang. Ich glaube, dass die Grammatik des Kinos viel breiter ist als diese Selbst-Reduktion.“ Musik Autorin: Seit September 2012 lebt der Filmregisseur Romuald Karmakar als Stipendiat des Radcliffe Instituts for Advanced Study Harvard University in den USA. Hier arbeitet er an einem neuen Filmstoff über den SS-Standartenführer Walter Rauff. Zwischendurch unterbricht er seine Recherchen und fliegt nach Europa, um seinen Auftritt für Venedig zu besprechen. Daheim – das heißt in Deutschland - hat kaum einer aus der Branche die jüngsten, beruflichen Entwicklungen von ihm mitbekommen. Musik / Akzent Sprecher: Rückblende – Das Vorspiel von Venedig. Atmo: Venedig / Vaporetto / Weg zum Pavillon 6 Autorin: Das Vaporetto gleitet durch den Kanal an den Palazzi vorbei, stoppt an den Arsenalen. Die alten Schiffshallen sind ein Schauplatz von vielen auf der 55. Kunstbiennale. Langsam setzt sich das Boot wieder in Bewegung, hält an den Giardini. Im weitläufigen Park stehen die Länderpavillons. Sechs Monate wird hier zeitgenössische Kunst aus allen Kontinenten gezeigt. Atmo Kiesweg / Musik Autorin: Am Ende des Kiesweges steht der klassizistische Bau der Engländer, flankiert vom deutschen und französischen Pavillon. Ende 2012 haben die Kommissare der Länderpavillons - die Französin Christine Macel und ihre deutsche Kollegin Susanne Gaensheimer – beschlossen, die Gebäude zu tauschen. Grund war der 50. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Autorin: Karmakar teilt sich die Räume mit der indischen Fotografin Dayanita Singh, dem chinesischen Künstler Ai Weiwei und mit dem südafrikanischen Fotografen Santu Mofokeng. O-Ton: Romuald Karmakar (Büro) „Na ja, die Überschrift in des TAZ Artikels war „Hippe Gastarbeiter“. Was schon mal ein ziemlich harter Text ist. Und dann ist halt so, dass eben am Ende des Textes - halt die Frage aufkommt, ob es denn nicht genug deutsch-stämmige